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{"created":"2022-01-31T14:14:06.831472+00:00","id":"lit1307","links":{},"metadata":{"contributors":[{"name":"Ludwig, Carl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Heidelberg: C. F. Winter","fulltext":[{"file":"a0005.txt","language":"de","ocr_de":"LEHRBUCH\nDER\nPHYSIOLOGIE DES MENSCHEN\nVON\nC. LUDWIG,\nPROFESSOR AN DER JOSEPHSAKADEMIE.\nZWEITER B\u00c4ND.\nAUFBAU UND VERFALL DER S\u00c4FTE UND GEWEBE. THIERISCHE W\u00c4RME.\nLEIPZIG und HEIDELBERG.\nC. F. WINTER\u2019SCHE VERLAGSHANDLUNG.\n1856.","page":0},{"file":"a0007introduction.txt","language":"de","ocr_de":"y o r r e d e.\nln dem Ziele des Arztes, den Gang des leiblichen Lebens nach dem Belieben der menschlichen Vernunft zu lenken, geht auch das Streben des vorliegenden Lehrbuches auf. Diesem praktischen Zwecke gem\u00e4ss w\u00fcrde es seinen Antheil an jener Aufgabe f\u00fcr gel\u00f6st an-sehen, wenn es Kegeln aufzustellen verm\u00f6chte, wie man eine jede Lebens\u00e4usserung ableiten k\u00f6nnte aus einer gegebenen Zahl mechanischer und chemischer Massenelemente, aus ihren Spannkr\u00e4ften, der Geschwindigkeit und Richtung ihrer Bewegung und dem Orte, welchen sie einnehmen. Da der thierische K\u00f6rper ein Gemenge endlich ausgedehnter Massen ist, die unter sich an Atomgewicht, an Verwandtschaft, an Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung verschieden sind, so muss eine Theorie von dem eben mitgetheilten Inhalte allen Anforderungen Gen\u00fcge leisten, welche der Arzt an die Physiologie zu stellen berechtigt ist. Um diese Behauptung anschaulich zu machen, gen\u00fcgt es, ein jedes beliebige Beispiel aus der \u00e4rztlichen Ausdrucksweise in die unserige zu \u00fcbersetzen. So w\u00fcrde doch offenbar Jedermann, der ein Geschw\u00fcr erkennen und heilen will, befriedigt sein, wenn man ihm sagen konnte, welche Anziehungen die Atome der Zellen und Faserb\u00fcndel in Bewegung gesetzt, so dass sie sich aus ihren alten Verbindungen l\u00f6sen und in das Blut begeben mussten; und welche Anziehungen die Atome des Blutes, aus denen","page":0},{"file":"a0008.txt","language":"de","ocr_de":"IV\nVorrede,\nZellen- und Faserb\u00fcndel entstehen k\u00f6nnen, verhindern, sich in den Geschw\u00fcrsboden zu legen, um sich dort zu normalen Geweben aufzubauen.\nVon einer vollendeten Durchf\u00fchrung einer solchen Theorie ist nun allerdings die Wissenschaft und damit unsere Darstellung weit\no\to\nentfernt, aber trotzdem sind wir nicht minder gehalten, in der Richtung unseres Zieles fortzuschreiten. Denn grunds\u00e4tzlich verschiedene Wege k\u00f6nnen in der Wissenschaft nicht gleichm\u00e4ssig zum Rechten f\u00fchren. Der einzige Unterschied, der zwischen heute und einer besseren\ny\nZukunft besteht, kann nur darin gelegen sein, dass wir, statt mit den einfachsten, mit zusammengesetzten Begriffen zu Werke gehen, indem wir die Erscheinungen ableiten aus den Eigenschaften complexer Atome, Formen und Bewegungen, w\u00e4hrend dieses geschehen sollte mit Hilfe der elementaren.\nWer nun unserem Ziele die Anerkennung nicht versagt, der wird auch zugeben m\u00fcssen, dass im Vortr\u00e4ge, wie in der wissenschaftlichen Verfolgung unseres Gegenstandes, keine Willk\u00fchrlichkeit mehr herrschen kann. Die h\u00e4ufig umhergetragenen Worte, es sei eine morphologische im Gegens\u00e4tze zur chemisch - physikalischen Physiologie, oder auch das Umgekehrte m\u00f6glich, beruht entweder auf einem g\u00e4nzlichen Missverst\u00e4ndnisse, oder aber man begreift unter Physiologie etwas ganz anderes als wir, die wir im Dienste der Arzneikunde stehen. Wenn unter den Bedingungen, aus denen die Lebensprozesse abzuleiten sind, der Ort eingeht, welchen die Massenelemente einnehmen, so ist damit ausgesagt, dass der Physiologe ohne die Kenntniss der Anatomie nicht weiter schreiten k\u00f6nne. Zu gleicher Zeit weist dieser Ausdruck aber auch darauf hin, wie unvollkommen die Anatomie ist, welche sich einzig damit befasst, die Anordnung der Massenelemente an den Grenzen gewisser Atomcomplexe auszumit-teln, die dem Auge (bewaffnet oder unbewaffnet) zug\u00e4nglich sind, dagegen g\u00e4nzlich vernachl\u00e4ssigt die innere Anatomie jener Massen, die uns der polarisirte Lichtstrahl, die Leitung der W\u00e4rme und ElektrL zit\u00e4t, die chemische Analyse, die Elastizit\u00e4t, das spez. Gewicht u. s. w. aufschliesst. Denn wenn z. B. die Lehre von den sichtbaren Grenzfl\u00e4chen bestimmter Atomcomplexe von wesentlicher Bedeutung ist f\u00fcr alle die Bewegungen, welche ebensowohl von jenen Oberfl\u00e4chen ab-","page":0},{"file":"a0009.txt","language":"de","ocr_de":"Vorrede.\nV\ngewiesen oder auch m sie aufgenommen werden, so ist begreiflich die Lagerung der Atome innerhalb jener Grenzen von bestimmendem Einfluss f\u00fcr die durchgehenden Bewegungen des Lichtes, des Schalles, der diffundirenden Fl\u00fcssigkeiten u. s. w. \u2014 Bedenkt man dazu, dass die Anatomie im weiteren (physikalische Eigenschaften) und im engeren Sinne (Morphologie) gar keine Aussage macht \u00fcber die chemische Natur der Atome und \u00fcber die Kr\u00e4fte, welche zwischen den letzteren wirksam sind, so ist gleich einleuchtend, dass der Morpho-loge die anderen Erkl\u00e4rungsarten der Lebensprozesse gar nicht vernachl\u00e4ssigen k\u00f6nnte, wenn er auch wollte.\nDie \u00e4rztliche Physiologie kann sich nun wohl unter gar keinen Umst\u00e4nden der Anatomie entrathen, aber noch weniger ist es ihr m\u00f6glich oder erlaubt, von einer jeden anatomischen Beschreibung, selbst wenn sie noch so gewissenhaft w\u00e4re, Gebrauch zu machen. Ein Lehrbuch wenigstens kann nur die anatomische Beschreibung herbeiziehen, welche mit R\u00fccksicht auf das physiologische Bed\u00fcrfniss entworfen ist, die das Merkmal tr\u00e4gt, dass man unmittelbar aus den geschilderten Formen die Eigenschaften ableiten kann, welche eine bekannte Bewegung oder Spannung annimmt, die in oder auf die Grenzen jener. Formen wirkte. Solche Beschreibungen k\u00f6nnen nun aber aus naheliegenden Gr\u00fcnden erst dann entworfen werden, wenn die Wissenschaft eine Anschauung der physiologischen Funktionen jener Formen besitzt. An der Richtigkeit dieser Behauptung wird der nicht zweifeln, welcher die Geschichte der bis zum physiologischen Standpunkte gediehenen Beschreibungen, z. B. der Syndesmographie und Osteographie kennt, die, obwohl sie seit Jahrhunderten kultivirt, doch erst seit den Arbeiten der beiden Webe r eine dem physiologischen Lehrbuch brauchbare Gestalt gewonnen haben, und wenn man im Gegens\u00e4tze hierzu sich # klar macht, dass die Beschreibung der Muskeln und Gef\u00e4sse, wie sie jetzt noch in den meisten Lehrb\u00fcchern der Anatomie gefunden wird, dem vollendetsten Mechaniker und Hydrauliker zu nichts dienlich ist. Denn der erstere wird ebensowenig angeben k\u00f6nnen, wie ein bekanntes Maass von Kraft, welches sich in den beschriebenen Muskeln entwickelte, zur Bewegung und Pressung der Knochen verwendet w\u00fcrde, als der Hydrauliker aus den bekannten Beschreibungen der Gef\u00e4sse ableiten k\u00f6nnte, wie sich ein Strom, dessen Eigen-","page":0},{"file":"a0010.txt","language":"de","ocr_de":"Vorrede.\nVI\nsch\u00e4ften an der Aortenm\u00fcndung vollkommen bekannt w\u00e4ren, bei dem Durchgang durch das Gef\u00e4sssystem verhalten w\u00fcrde.\nBei einer genaueren Vergleichung dessen, was die anatomische Beschreibung bisher geleistet, mit dem, was die Physiologie von ihr zu verlangen hat, wird man bald gewahren, dass nur der geringste Theil des Inhaltes aller anatomischen Werke dem Physiologen wirklich n\u00fctzlich ist. Dieses gilt insbesondere auch von dem anatomischen Material, welches mit dem Namen der Entwibkelungsgeschichte bezeichnet wird. Das physiologische Lehrbuch wird es, abgesehen von allem \u00fcbrigen, so lange der reinen Anatomie \u00fcberlassen m\u00fcssen, bis mehr oder weniger klare Andeutungen dar\u00fcber vorliegen, wie die primitiven Formen des entstehenden Thieres oder Organes sich betheiligen an dem Hervorgehen der sekund\u00e4ren Gebilde.\nDie Behauptung, dass ein grosser Theil der Resultate anatomi-csher Forschung noch nicht zu einem Platze in einem physiologischen Lehrbuche geeignet sei, kann begreiflich ihrem Urheber nicht 'den Vorwurf zuziehen, dass er diese anatomische Thatsache \u00fcberhaupt, wie z. B. f\u00fcr die Operationslehre, gering anschlage, und noch weniger, dass er das Talent oder gar den Charakter eines Anatomen nicht zu w\u00fcrdigen wisse, der mit eingeborenem Blicke das Ungleichartige im Aehnlichen und das Gleichartige im Verschiedenen wiederfindet, dessen Ausdauer in einer ebenso schwierigen als monotonen Technik nicht erm\u00fcdet. Diesen Anatomen muss die physiologische Wissenschaft ehren als den ersten Vorboten der hereinbrechenden physiologischen Cultur.\nEs bedarf keiner Ausf\u00fchrung, dass das, was f\u00fcr den Anatomen gilt, mit demselben Rechte angewTendet vTerden kann auf die chemische und physikalische Untersuchung des Organischen, und dass darum auch nach jener Seite hin die Grenze gezogen ist f\u00fcr das, was sich f\u00fcr ein physiologisches Lehrbuch eignet.\nBei den reichlichen Klagen, welche die Pathologen \u00fcber die unpraktische Richtung der sog. physikalischen Physiologie \u00e4ussem und noch mehr bei dem g\u00e4nzlichen Mangel des vorliegenden Buches an pathologischen Ausf\u00fchrungen, wird es vermuthlich vielen auff\u00e4llig sein, dass der hier innegehaltene Gang der Forschung und des Unterrichtes durch das \u00e4rztliche Bediirfniss geboten sei; diesen Zweiflern","page":0},{"file":"a0011.txt","language":"de","ocr_de":"Vorrede.\nTO\ngeben wir zu bedenken, dass die Physiologie der Pathologie doch nur dann n\u00fctzlich werden kann, wenn sie die primitiven Bedingungen, aus denen das gesunde Leben fliesst, mit m\u00f6glichster Sch\u00e4rfe feststellt. Wenn dieses geschehen, so wird der Arzt die Grenze des Kranken und Gesunden finden, er wird, wenn er einen kranken Prozess ebenso zergliedert hat, wie der Phy siologe den gesunden, erkennen, welche Bedingungen zu \u00e4ndern sind, damit die normalen Resultirenden wieder zum Vorscheine kommen u. s. w. u. s. w. Da Alles dieses so vollkommen Idar und unwidersprechlich wahr ist, so kann offenbar die genannte Klage der Pathologen nur in einem Missverst\u00e4ndnisse ruhen, \u00e4hnlich dem, das fr\u00fcher die praktischen Bergleute, Hydrauliker, Chemiker u. s. w. veranlasste, die Bem\u00fchungen der theoretischen Mechanik und Chemie f\u00fcr unpraktische Spielerei zu erkl\u00e4ren. Wenn es erst den unabl\u00e4ssigen Bem\u00fchungen der Physiologen gelungen sein wird, die Theorie der Lebenserscheinungen im physikalischen Sinne weiter, als es heute geschehen, zu f\u00f6rdern, und wenn erst die Pathologen ihre Methoden sch\u00e4rfen, wenn die Bem\u00fchungen von Traube, Frerichs, Virchow, Oppolzer, J. Vogel, Skoda, Buhl u. a. Wenigen nicht mehr vereinzelt stehen, so wird sich dieser Zwiespalt auf demselben Wege wie in der Technik l\u00f6sen. Soviel m\u00f6ge aber der \u00e4rztliche Praktiker uns einstweilen auf das Wort hin glauben, die physikalische Schule wird niemals die guten pathologischen und therapeutischen Erfahrungen verd\u00e4chtigen, wenn ihre Aussagen sich auch im schneidendsten Gegens\u00e4tze zu unserer Theorie finden sollten. Denn wir sind selbst M\u00e4nner der Erfahrung, und wissen darum, dass der That-sache immer das letzte Wort geb\u00fchrt.\nZum Schl\u00fcsse noch einen Zuspruch an die Anf\u00e4nger, welche die physikalische physiologie schwerer als die gem\u00fcthlichen Er\u00f6rterungen einiger Morphologen finden. Unl\u00e4ugbar ist diese Klage begr\u00fcndet; aber sie enth\u00e4lt keinen Vorwurf f\u00fcr die Darstellung; denn die Schwierigkeit ist darum vorhanden, weil die physikalische Physiologie in der That in alle Verwickelungen des Lebens einzudringen sucht. Wir erwiedem Euch darum: die geringe Anstrengung, die Ihr dort gemacht habt, ist verloren, weil das Resultat nicht zur gew\u00fcnschten Einsicht f\u00fchrt, w\u00e4hrend die gr\u00f6ssere, die Ihr hier leistet,","page":0},{"file":"a0012.txt","language":"de","ocr_de":"VIII\n;\nVorrede.\nauch ganz gewonnen ist. Wer darum \u00ffch kr\u00e4ftig und f\u00fcr seinen hohen Beruf begeistert f\u00fchlt, wird die Schwierigkeiten \u00fcberwinden, und je \u00f6fter dieser Prozess in verschiedenen Individuen vor sich geht, um so rascher wird es sich ereignen, dass das vorliegende Buch f\u00fcr mangelhaft in den Thatsaehen und unbeholfen in der Darstellung gilt und durch ein besseres ersetzt wird.\nv\nWien, im September 1855.\nC. Ludwig.","page":0},{"file":"a0013contents.txt","language":"de","ocr_de":"Inhalt des zweiten Bandes.\nSechster Abschnitt.\nSeite\nPhysiologie der Ern\u00e4hrung.................................................... l\nU I. Blut.\nBlutzusammensetzung................................................. 1\nBlutbewegung....................................................... 28\nII. Absonderungen........................................... .\t.\t.\t141\nEpilhelien.................................................... .\t165\nN\u00e4gel...............................................................170\nHaare...............................................................173\nElastisches Gewebe..................................................177\nBindegewebe.........................................................178\nSer\u00f6se H\u00e4ute........................................................182\nHornhaut.................................................\" .\t1\u00a75\nAugenwasser....................................................... 186\nGlask\u00f6rper........................................................ 187\nLinse...............................................................187\nKnorpel.............................................................189\nKnochen.............................................................192\nZ\u00e4hne...............................................................199\nFettzellen..........................................................202\nNervenr\u00f6hren .......................................................205\nHirn und R\u00fcckenmark............................................... 207\nMuskeln.............................................................209\nBlutgef\u00e4ss Wandungen ...............................................211\nMilz................................................................212\nLeber........................................... .\t.\t.\t.\t217\nSpeicheldr\u00fcsen.................................................... 234\nSchleimdr\u00fcsen.......................................................240\nThr\u00e4nendriisen......................................................240\nBauchspeicheldr\u00fcsen............................................... 241\nMagendr\u00fcsen .\t,............................................... 245","page":0},{"file":"a0014.txt","language":"de","ocr_de":"X\nInhalt.\nSeite\nFettdr\u00fcsen.......................................................251\nSchweissdriisen..................................................253\nNieren...........................................................254\nM\u00e4nnliche Geschlechts Werkzeuge .....................................278\nWeibliche Geschlechtswerkzeuge ....\t....\t284\nMilchdr\u00fcsen .....................................................289\nAtbroungsfl\u00e4chen ....................................................297\nLungenathmung...................................................... 306\nHautathmung......................................................352\nUmsetzung des Blutes in den Gef\u00e4ssen .\t.\t..............361\nIII. Blutbildung............................................... 362\nAufsaugung aus den Geweben................................ 4\t363\nAufsaugung von den Blutgef\u00e4ssen..................................364\nAufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse ........\t367\nZufuhr durch die Speisen (Verdauung)....................... 374\nIV Vergleichung des Verlustes und Gewinnes\tan\tw\u00e4gbaren Stoffen\t.\t.\t430\nSiebenter Abschnitt.\nThierische Warme\n459","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Sechster Abschnitt.\nPhysiologie der Ern\u00e4hrung.\nI. Bl at.\nZusammensetzung des Blutes.\nDie Gef\u00e4ssr\u00f6hren, die vom Herzen aus und zu ihm zur\u00fcckgehen, sind im Lehen mit einem verwickelten Gemenge fester und fl\u00fcssiger Stoffe, dem Blute, gef\u00fcllt, das nach Zusammensetzung und Eigenschaften, mit der Zeit und dem Orte seines Aufenthalts wechselt; um eine Uebersicht zu gewinnen, werden wir zuerst die am besten gekannte Blutart m\u00f6glichst genau beschreiben und dann die Abweichungen der \u00fcbrigen angeben.\nHautaderblut der Erwachsenen.\nDie anatomische Zergliederung zerlegt das Blut des Lebenden in Fl\u00fcssigkeit, das Plasma, und in Festes, Aufgeschwemmtes, welches, je nach seiner Gestalt, Blut- und Lymphk\u00f6rperchen, Elementark\u00f6rnchen, Faserstoffscholle u. s. w. genannt wird.\nA. Blutfl\u00fcssigkeit, Plasma.\nDie bekannten Bestandtheile desselben sind: Faserstoff, Eiweiss, Casein, Oxyprote\u00efn, Lecithin, Cerebrin, Olein, Margarin, Cholestearin, Zucker, Margarin-, Oel-, Butter-, Milch-, Hippur- und Harn-S\u00e4ure, Kreatin, Harnstoff, braune Farbstoffe, Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd, Wasser, Salz-, Schwefel-, Phosphor-, Kiesel- und Kohlens\u00e4ure, Sauerstoff- und Stickgas. \u2014\ni. Faserstoff. Aus 100 Theilen Blut gewinnt man ungef\u00e4hr 0,19 bis 0,3 Theile\u2019 desselben. \u2014 Der Faserstoff f\u00e4llt ohne weiteres Zuthun aus dem Plasma des Blutes, welches die Adern verlassen hat, heraus, wobei er meist die Form zusammenh\u00e4ngender H\u00e4ute oder Fasernetze annimmt. \u2014 Obwohl wir seit den Versuchen von J. M\u00fcller*) dar\u00fcber nicht mehr im Zweifel sind, dass sich der Faserstoff' aus der Blutfl\u00fcssigkeit und nicht aus den K\u00f6rperchen abscheidet, so sind wir doch im Unklaren, ob er schon vor der Gerinnung in aufgel\u00f6stem Zustande anwesend war, oder ob er sich aus irgend welchem andern Blut\nbestandtheil bei der Gerinnung erst bildete.\n\u25a0 \u2014*------\u2014 ------- /\n*) Handbuch der Physiologie. 4. Auflage. I. Bd. p. 117.\nLudwig, Physiolog. II,\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nFaserstoff.\nZur Gewichtsbestimmung wird der Faserstoff auf zwei Weisen gewonnen. Entweder man l\u00e4sst das aus der Ader getretene Blut ungest\u00f6rt gerinnen; da in diesem Falle das durch die ganze Masse des Bluts fest gewordene Fibrin die Blutfl\u00fcssigkeit und Blutk\u00f6rperchen in sich schliesst, indem sich der sog. Blutkuchen bildet, so muss man dasselbe nachtr\u00e4glich von diesen Beimengungen befreien. Zu diesem Behuf zerschneidet man den Blutkuchen in kleine St\u00fccke, f\u00fcllt diese in ein leinenes oder seidenes Tuch und spiilt sie so lange mit Wasser aus, als dieses noch eine Spur rother Farbe zeigt; durch Aufh\u00e4ngen des Beutels in destiliirtes Wasser sucht man endlich auch die letzten Spuren l\u00f6slicher Stoffe zu entfernen, ein Unternehmen, das jedoch oft wegen der eintretenden F\u00e4ulniss des Faserstoffs nicht zum vollkommenen Ziele gef\u00fchrt werden kann.\u2014 Oder man schl\u00e4gt auch mit einem Glasstab das aus der Ader gelassene Blut, wobei sich der Faserstoff in Flocken ausscheidet. Das geschlagene Blut filtrirt man durch eine feine Leinwand und befreit den zur\u00fcckbleibenden Faserstoff von den anh\u00e4ngenden \u00fcbrigen Blutbestandtheilen wie oben. Den auf eine von beiden Arten gewonnenen Faserstoff sp\u00fclt man vorsichtig von der Leinwand ab, trocknet ihn bei 120\u00b0 C. mit aller f\u00fcr hygroskopische Stofle n\u00f6thigen Vorsicht. Darauf pulvert man denselben, zieht eine gewogene Menge mit Aether aus und trocknet von Neuem; der Gewichtsunterschied vor und nach dem Aetherauszug gibt den Fettgehalt des Faserstoffs. Schliesslich verbrennt man den entfetteten Antheil, um seinen Aschengehalt festzustellen. Diese Methode, selbst mit aller Sorgsamkeit ausgef\u00fchrt, gibt nur ungenaue Ergebnisse, weil durch das Leinwandlilter feine Flocken dringen, und weil der Faserstoff, auf die eine oder andere Art gewonnen, immer Blut- und Lymphk\u00f6rperchen einschliesst, die durch das Waschen nicht entfernt werden k\u00f6nnen. Dieser Einschluss bedingt es, dass man aus demselben Blute verschiedene Werthe des Faserstoffgebaltes erh\u00e4lt, je nachdem man denselben durch Schlagen oder aus dem Blutkuchen gewonnen (v. Gor up, Hinterbeger, Moleschott)* *).\nDie Versuche von J. M\u00fcller, auf die oben hingewiesen wurde, bestehen darin, dass man zu dem Blute einen die Faserstoffgerinnung verlangsamenden chemischen K\u00f6rper f\u00fcgt und dann durch Absetzeu oder Fillriren die K\u00f6rperchen von der Fl\u00fcssigkeit des Blutes scheidet. Man sieht dann die Gerinnung in der k\u00f6rperfreien Fl\u00fcssigkeit.\nDie Behauptung, dass der Faserstoff als solcher im Blut aufgel\u00f6st sei, und bei der Gerinnung einfach abgeschieden werde, macht f\u00fcr sich geltend den Umstand, dass unter den verschiedensten Bedingungen aus demselben Blut auch dieselbe Faserstoffmenge abgeschieden werde; einmal bestreitet man dieses, indem u. A. Mole-schott angibt, dass aus einem bei 55 bis 60\u00b0 C. geronnenen Blute mehr Faserstoff ausgeschieden werde, als in niederer Temperatur. Aber gesetzt, es w\u00fcrde auch, wie Lehmann**) angibt, immer gleich viel Faserstoff gewonnen, so k\u00f6nnte dieses im g\u00fcnstigsten Falle beweisen, dass die im Blut vorhandenen, sich in Fibrin umwandelnden Stoffe ebenfalls in bestimmter Menge vorhanden seien. Ein zweiter Beweis f\u00fcr die obige Behauptung sollte darin liegen, dass die Gerinnung in einer so sehr beschr\u00e4nkten Zeit vor sich gehe; dieses ist aber bekanntlich nicht einmal der Fall, indem die Gerinnungszeit mit sehr mannigfachen Umst\u00e4nden wechselt ; wir z\u00e4hlen das in dieser Richtung Beobachtete hier auf, obwohl wir nicht einsehen, inwiefern der Gegenstand besonderes Interesse gew\u00e4hrt. Die Beobachtungsmethoden, welche die Gerinnungszeiten feststellen, lassen zudem manches zu w\u00fcnschen \u00fcbrig.\n\u00ab. Sauerstoffreiches Blut gerinnt schneller als sauerstoffarmes, wie man daraus schliesst, dass das Blut der Thiere die in einer Atmosph\u00e4re von reinem Sauerstoffgas\n*) v. Gorup, Vergleichende Untersuchungen eto. Erlangen 1850 p. 8. \u2014 Mole schott, Physiologie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p. 232 u. 236. \u2014 Lehmann, physiolog. Chemie I. 366.\n*) Physiolog. Chemie II. 213.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Albumin.\n3\nathmeten, fr\u00fcher gerinnt (Beddocs, Schr\u00f6der v. d. K.). \u2014 \u00df. Ausgehreitet\u00e7 Ber\u00fchrung des gelassenen Blutes mit Sauerstoffgas beschleunigt die Gerinnung; auch innerhalb der Adern tritt leicht Gerinnung ein, wenn man Blasen atmosph\u00e4rischer Luft in dieselben bringt. Sie verz\u00f6gert sich dagegen heim Abschluss des Sauerstoffgases ; so namentlich wenn man das aus der Ader gelassene Blut unter Oel oder in dem luftleeren Raum auff\u00e4ngt. Andern Gasen als Sauerstoff scheint keine die Gerinnung beschleunigende Wirkung zuzukommen. \u2014 y. Kali- und Natronsalze, insbesondere kohlensaure, Zucker, Gummi, grosse Quantit\u00e4ten vom Wasser, verz\u00f6gern die Gerinnung. \u2014 d. Die Gegenwart von unebenen Fl\u00e4chen , insbesondere auch die des geronnenen [Faserstoffs beschleunigt innerhalb und ausserhalb der Ader die Gerinnung.\n\u2014\tHemmung der Bewegung des Blutes innerhalb der Adern f\u00fchrt zur Gerin-nung. \u2014 7j. In niederen Temperaturen geht die Gerinnung langsamer vor sich, als in hohem; namentlich kann man Blut, ohne dass es gerinnt, gefrieren lassen ; der Faserstoff f\u00e4llt dann erst nach dem Aufthauen aus. H. Nasse *). \u2014 Demgem\u00e4ss l\u00e4sst sich kein feststehender Zeitpunkt angeben, in welchem die Gerinnung im Blut ein-tritt. Die allgemeine Bemerkung kann aber als g\u00fctig angesehen werden, dass das aus der Ader gelassene Blut unter den die Gerinnung beg\u00fcnstigenden Bedingungen seinen Faserstoff viel rascher ausfallen l\u00e4sst, als das in der Ader befindliche. Diese Behauptung gilt auch noch f\u00fcr die Leiche, indem in ihren Gef\u00e4ssen das Blut nur sehr allm\u00e4hlig zur Gerinnung kommt.\nUnter diesen Verh\u00e4ltnissen ist jedenfalls jede besondere Annahme \u00fcber die Natur der Verbindung, aus der der Faserstoff sich hervorbilde, voreilig. Solche Annahmen sind aufgestellt von Denis und C. Schmidt**); sie setzen voraus, dass der Faserstoff mit Eiweiss identisch sei, eine Behauptung, welche bekanntlich selbst noch der Controverse unterliegt.\n2. Albumin. Das Eiweiss soll auf zweierlei Art in der Blutfl\u00fcssigkeit Vorkommen, als freies und als neutrales Natroneiweiss. _________ Als\nfreies Eiweiss bezeichnet man dasjenige, welches durch Erhitzung der Blutfl\u00fcssigkeit ohne vorg\u00e4ngigen S\u00e4urezusatz zum Gerinnen gebracht werden kann. Dieses Eiweiss enth\u00e4lt, nach den \u00fcbereinstimmenden Angaben von Ruling und Mulder, 1,3 pCt. Schwefel und ist somit um 0,3 bis 0,4 pCt. schwefelarmer als das H\u00fchnereiweiss. Durch Erw\u00e4rmen mit Kali ist aus dem Bluteiweiss die H\u00e4lfte des Schwefels abscheidbar aus dem Hiihnereiweisse dagegen kaum ein Viertel, so dass das letztere fast noch einmal so reich an festgebundenem Schwefel ist, als das erstere.\n\u2014\tAls Natronalbuminat (eiweisssaures Natron) sieht man die Eiweissmenge an, welche aus dem Blutserum erst durch Erhitzung abscheidbar\nist, nachdem man die alkalisch reagirende Blutfl\u00fcssigkeit genau neutra-lisirt hat.\nDie Behauptung von C. Schmidt***), dass das freie Eiweiss in der Blutfl\u00fcssigkeit mit dem Chlornatrium in einer Verbindung \u00e4hnlich dem Kochsalz-Zucker vorhanden sei, st\u00fctzt er darauf, dass der geronnene Faserstoff in einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung von Kalisalpeter zu einer dem Bluteiweiss \u00e4hnlichen Substanz umgewandelt werde, und dass das Blut nach der betr\u00e4chtlichen Entleerung seiner salzartigen Bestandtheile, welche es in der epidemischen Cholera erleidet, von seinem NaCl noch ungef\u00e4hr so\n) H. Nasse, Artikel Blut ln Wagners Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie I. p. 158.\n) Schmidt, Charakteristik d. epid. Cholera 1850. 150.\n***) 1. c. p. 150.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nAndere Eiweissstoffe der Blutfl\u00fcssigkeit.\nviel zuriickh\u00e4lt, als nach gewissen wenig begr\u00fcndeten Annahmen n\u00f6thig ist, um mit dem Eiweiss die bezeichuete hypothetische Verbindung zu bilden.\nDer Gehalt der Blutfl\u00fcssigkeit an Eiweiss freiem und an Natron gebundenem schwankt zwischen 7,9 bis 9,8 pCt.\nDas Eiweiss wird aus der Blutfl\u00fcssigkeit entweder durch Gerinnung in der Hitze oder mittelst des Polarisationsapparates quantitativ bestimmt. \u2014 Bedient man sich der ersteren Methode, so muss das Blut, bevor es erhitzt wird, durch Essigs\u00e4ure genau neutraiisirt werden (Scherer). Das Coagulum wird filtrirt, gewaschen und bei 120\u00b0 C. getrocknet; darauf wird ein Antheil gepulvert mit Aether ausgezogen, um seinen Fettgehalt zu ermitteln, und endlich verbrannt, wodurch der Aschenr\u00fcck-stand gegeben wird. Die Anwendung dieser Vorsichtsmassregeln sch\u00fctzt aber doch noch nicht vor Fehlern, weil das Eiweiss bei seiner Gerinnung, ausser Na CI, 2Na0P05*) und Fetten, auch noch andere, von dem Gerinnsel nicht mehr zu sondernde Stoffe einschliesst, wie z. B. die H\u00fcllen der Lymphk\u00f6rperehen, organische Salze, Farbstoffe u. s. w. Die Gerinnungsmethode w\u00fcrde aber als ganz unsicher zu verlassen sein, wenn sich die Angabe von Li e b e r k ii h n**) best\u00e4tigte, wonach nicht allein Albumin , sondern auch Case'in aus neutralen oder sauren Salzl\u00f6sungen durch Kochen gef\u00e4llt wird. \u2014 A. Becquerel bedient sich zur Analyse des Eiweisses in der Blutfl\u00fcssigkeit des B i otschen Polarisationsapparates. Gegen diesen ausserordentlich einfachen Weg hat Lehmann***) den Einwand erhoben, dass er wegen des im Blute vorhandenen Zuckers unanwendbar sei; es w\u00e4re sehr zu w\u00fcnschen, dass dieser, in der That bestehende, aber technisch gewiss leicht zu hebende Uebelstand beseitigt, und dann genauer gepr\u00fcft w\u00fcrde , wie sich die verschiedenen in der Blutfl\u00fcssigkeit enthaltenen Eiweissstoffe gegen polarisirtes Licht verhallen, da diese Bestimmung die h\u00f6chste Genauigkeit verspricht.\n3. Anderweite Eiweissstoffe der Blutfl\u00fcssigkeit f). In der Fl\u00fcssigkeit, aus der man noch so vorsichtig und vollkommen nach den angegebenen Verfahren Faserstoff und Eiweiss herausgeschlagen, bleiben Stoffe zur\u00fcck, die nach den Resultaten der Elementaranalyse und ihren Reactionen zu der Gruppe der eiweissartigen geh\u00f6ren. Heber die besondere Natur derselben hat man sehr verschiedene Meinungen aufgestellt, bald h\u00e4lt man sie f\u00fcr Natronalbuminat, bald f\u00fcr K\u00e4sestoff, bald f\u00fcr Protei'nbioxyd und endlich erkl\u00e4rt man sie auch f\u00fcr ein Gemenge der genannten und noch anderer eiweissartiger Stoffe. Bei dem sich stets klarer herausstellenden Mangel an unterscheidenden Kennzeichen zwischen den einzelnen Gliedern der Eiweissgruppe und den wenigen genauen Untersuchungen \u00fcber die fraglichen K\u00f6rper scheint eine Entscheidung zwischen den Tagesmeinungen sehr gewagt. \u2014 Nach eigenen Untersuchungen kann ich, versichern, dass zu allen Zeiten ein Stoff in der Blutfl\u00fcssigkeit vorkommt, von der prozentischen Zusammensetzung wie sie Bd. 1. p. 38. G. angegeben wurde. Der in diesem Stoffe en that-\n*) Roser, Liebig Annalen. Bd.73 p.334.\n**) Poggendorf, Annalen. 86.Bd. p.117 n. 298.\n***) Physiolog. Chemie. II. Bd. p.215.\n+) Mulder, Versuch einer allg. phys. Chenue. Braunschweig 1851 p. 1107. \u2014 Moleschott, Physiologie des Stoffwechsels. Erlangen 1851. p.240. \u2014 Panum, Archiv f\u00fcr patholog. Anatom. T. Virchow. UI. Bd. 251.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Fette und Extrade.\n5\ntene Schwefel ist gleich demjenigen des Proteins durch Erw\u00e4rmen in Kaliaufl\u00f6sung nicht abscheidbar. \u2014\n4.\tFette*), wahrscheinlich fette S\u00e4uren, werden nur in sehr geringer Menge aus der Blutfl\u00fcssigkeit gewonnen; sie sind, wie man ver-muthet, entweder an die Alkalien des Bluts, mit denen sie Seifen darstellen, gebunden gewesen, oder sie sind Zersetzungsprodukte der phos-phorhaitigen Fette (Gobley). Man erh\u00e4lt sie, wenn man die Fl\u00fcssigkeit, welche nach Gerinnung des Eiweisses durch die Hitze zur\u00fcckbleibt, filtrirt, eindampft und mit Aether auszieht. \u2014 Ausserdem enthalten, wie erw\u00e4hnt, Faserstoff und Eiweiss, wenn sie niedergefallen sind, Fette, \u00fcber deren Ursprnng wir im Unklaren sind ; vielleicht waren sie in den Blut-und Lymphk\u00f6rperchen eingeschlossen, welche jene Stoffe beim Coaguliren mit sich rissen. \u2014\n5.\tFett\u00e4hnliche Stoffe**). Das Cholestearin, welches in der Blutfl\u00fcssigkeit vorkommt (Marcet), soll in den Seifen derselben gel\u00f6st sein. \u2014 Das Gemenge fettartiger, f\u00fcr sich in Wasser unl\u00f6slicher K\u00f6rper, welchem Boudet den Namen Serolin gab, ist sp\u00e4ter h\u00e4ufig wiedergefunden; \u00fcber seine Zusammensetzung und die Art, wie es im Blutwasser gel\u00f6st ist, fehlt eine Angabe. Gobley z\u00e4hlt unter die Bestandteile des Serolin : Lecethin, Cerebrin, Olein, Margarin, eine Angabe, die eine weitere Best\u00e4tigung erwartet. \u2014\n6\u201412. Kreatin, Kreatinin, Harnstoff, Zucker, Harn-, Hip pur- und Milchs\u00e4ure enth\u00e4lt das Blutwasser in sehr geringer Menge; nur der Zucker ist zuweilen reichlich vorhanden. Die hier aufgez\u00e4hlten Stoffe machen wesentlich das aus, was man als spirituose Blutextracte bezeichnet, ein Namen, der darum aufzugeben ist; weil die einzelnen Glieder des Gemenges, weder quantitativ, noch qualitativ sich gleich bleiben. \u2014\n13. Die Min er a lisch en Bestandteile der menschlichen Blutfl\u00fcssigkeit hat man bis dahin meist aus der Asche ihres eingetrockneten R\u00fcckstandes bestimmt, aus diesem Grunde m\u00fcssen den Angaben Fehler anhaften \u00fcber den Gehalt an Chlor, Schwefel- und Phosphors\u00e4ure; und da man bei der Aschendarstellung die Vorsichtsmassregeln nicht in Anwendung brachte, welche nach den Versuchen von Erdmann,Strecker ***), H. Rose,f) Mitscherlich und Heintzff) nothwendig sind, so ist auch der Gehalt an Kalium und Natrium fehlerhaft bekannt geworden.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche mit den Blutmineralen bei der Aschenbereitung vor sich gehen, bestehen darin, dass die Menge der S03 und unter Umst\u00e4nden die der Ph205 vermehrt wird, in Folge einer Oxydation des Schwefels der eiweisshaltigen\n*) Marcet in Liebig u. Kopp Jahresbericht f\u00fcr 1851. 587.\n**) Verdeil u. Marcet in Liebig und Kopp Jahresbericht f\u00fcr 1861. p.588. \u2014 Gobley Ibid, Liebigs Annalen. 73.Bd.\n+) Poggend. Annalen. 79.Bd.\nIj) Zoochemie, Berlin 1853. p,868,","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nMinerale.\ni\nund des Phosphors der fettartigen K\u00f6rper. Die \u00fcbersch\u00fcssige Schwefels\u00e4ure wird aber CI austreiben, was auch schon durch die \u00fcbersch\u00fcssige Kohlen- und die bei der Verbrennung sich bildende Cyans\u00e4ure geschehen kann. In h\u00f6heren Temperaturen verfl\u00fcchtigen sich die Chloralkalien. Die vorhandenen phosphorsauren Salze, mit zwei Atom fixer Basis, werden durch die neugebildete Schwefels\u00e4ure zum Theil in saure verwandelt, aus denen die Phosphors\u00e4ure durch die Kohle zu Phosphor reduzirt und dann verfl\u00fcchtigt wird ; oder es kann auch in h\u00f6heren Temperaturen das erw\u00e4hnte phosphorsaure Salz sich in ein solches mit 3 Atom fixer Basis umwandela, wenn n\u00e4mlich gleichzeitig ein koklensaures vorhanden ist.\nVerfahrungsarten, die Salze ganz oder theilweise ohne Ein\u00e4scherung zu bestimmen, geben Milion*) und Heintz** ***)) an.\nAus der grossen Anzahl bekannt gewordener Aschenanalysen von Denis, Lecanu, Marce t, Marchand, Nasse, Weber, Verdei 1 und Schmidt**:*) w\u00e4hlen wir die des letztem Beobachters aus; sie kann, wie die \u00fcbrigen, nur als eine Ann\u00e4herung an die Wahrheit angesehen werden; denn die ihr zu Grunde liegende Asche ist nach einem Verfahren gewonnen, welches dem \u00e4lteren Rose\u2019schenf) sehr \u00e4hnlich sieht. Immerhin scheint sie aber doch die zuverl\u00e4ssigste.\nNach Schmidt gewinnt man aus 100 Theilen Blutfl\u00fcssigkeit 0,85 Theile Asche; diese bestehen aus: CI =0,533, S03 = 0,013, Ph05 =0,032, CaO = 0,016, MgO = 0,010, Ka = 0,031, Na = 0,341, O = 0,045.\nDiese Asche z\u00e4hlt nicht zu denjenigen, welche alle die mineralischen Bestandtheile enth\u00e4lt, die schon von andern Chemikern in der Blutfl\u00fcssigkeit gefunden sind. Namentlich fehlen die h\u00e4ufig Vorgefundenen C02 und Eisenoxyd und die seltener vorhandenen Kiesels\u00e4ure ff), Mangan, Kupfer, Blei, und endlich das von Marchand angegebene Ammoniak.\nDiese Bestandtheile werden nun nach bekannten Prinzipien zu Salzen zusammengeordnet; man gibt n\u00e4mlich der st\u00e4rksten S\u00e4ure die st\u00e4rkste Base bei, und berechnet ausserdem die phosphorsauren Salze als solche mit 3 Atomen fixer Basis. So erh\u00e4lt man K0S03 =0,028; KCl =0,036; NaCl = 0,554; 3NaOPh05 = 0,032; 3 CaO Ph05 = 0,030 ; 3 MgO Ph05 = 0,022 ; NaO = 0,093\nDa diese Berechnung namentlich in Beziehung auf die Verbindungen der Phosphors\u00e4ure mit Alkalien ganz willktihrlich ist, so kann sie nicht in der Absicht angestellt worden sein, um den wahren Ausdruck des Salzgemenges in der Blutasche zu geben. Aber dennoch ist sie von Wichtigkeit, denn sie zeigt 1) dass die fixen S\u00e4uren S03, Ph05, C1H nicht hinreichen, um alle Basen zu s\u00e4ttigen. Dieses Resultat ist nicht in Uebereinstimmung mit den Angaben andrer Aschenanalytiker; denn wenn man auch niemals saure Blutaschen beobachtete, so fand man aber\n*) Annales de chimie et de physique 3i\u00eame ser. XIX. (de la pr\u00e9sence normale etc.)\n**) 1. c. 858.\n***) 1. c. p. 19. p. 31.\nt) Poggendorf, Annalen 76. Bd. u. 81. Bd. 410.\nTt) Kiesels\u00e4ure fand Weber im Ochsen-, Henneberg, Enderlin u. Gorup im Vogelblut. Da unter die Bestandtheile des Menschenhaars Kiesels\u00e4ure geh\u00f6rt (v. Laer), so muss sie auch im Mensehenblut Vorkommen?","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Minerale.\n7\ndoch \u00f6fter solche, in denen die Basen grade zur Neutrahsirung der angegebenen S\u00e4uren hinreichten. 2) die Natronsalze \u00fcberwiegen ausserordentlich, und unter diesen wieder das NaCl, in der Art, dass die Summe aller \u00fcbrigen sich zu dem Kochsalz wie 3 und 5 verh\u00e4lt. \u2014 Auf dieses Verhalten hat, wie es scheint, Denis zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt.\nHiern\u00e4chst entsteht nun die viel wichtigere Frage, in welcher Verbindung die in der ilsclie gefundenen Minerale in der Blutfl\u00fcssigkeit enthalten sind. Leider befinden wir uns nicht in der Lage, \u00fcber diesen wesentlichsten Theil der Aufgabe Aufschluss zu geben ; denn 1) wissen wir \u00fcberhaupt nicht, in welchen gegenseitigen Anziehungen sich die Bestandteile mehrerer Salze befinden, die neben einander gel\u00f6st sind, mit andern Worten, ob z. B. ClKa und 2Na0Ph05, und wenn sie in ein und derselben Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6st werden, in dieser noch als solche befindlich sind. \u2014 2) Kennen wir die Verbindungen der organischen S\u00e4uren des Blutes nicht, insbesondere ist uns die Stellung der eiweissartigen Stoffe, welche nach Wurtz und Lieb erk\u00fchn schwache S\u00e4uren darstellen, zu den Basen unbekannt. \u2014 3) Ist bis jetzt noch keine Angabe geschehen, ob in der Blutfl\u00fcssigkeit S03 Salze Vorkommen und in welcher Menge. \u2014 4) Wie mehrt sich mit der Verbrennung die Menge der Phosphors\u00e4ure? Angesichts dieser Bedenken l\u00e4sst sich nur Folgendes aussprechen.\nEin Theil des KO oder NaO ist mit den eiweissartigen Stoffen verbunden, da wie schon erw\u00e4hnt, diese zum Theil durch Zusetzen einer S\u00e4ure zum Serum und zwar entweder sogleich, oder nach vorg\u00e4ngigem Kochen gef\u00e4llt werden.\nDie phosphorsaure Kalk- und Bittererde ist mit den Eiweissk\u00f6rpern verbunden, und zwar wahrscheinlich als dreibasisch phosphorsaure. Diese Annahme gr\u00fcndet sich darauf, dass in einer alkalisch reagirenden Fl\u00fcssigkeit, wie sie das Blut darstellt, die erw\u00e4hnten Salze nur dann l\u00f6slich sind, wenn sie mit Eiweissstoffen verbunden Vorkommen; die mit dem Eiweissstoffe des Blutserums verbundene phosphorsaure Kalkerde (und Magnesia?) ist aber nach Ileintz dreibasische.\nDie Blutfl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt wahrscheinlich kohlensaure Alkalien. Denn\nc\nwenn man aus der Blutfl\u00fcssigkeit durch Kochen und die Luftpumpe alle mechanisch eingemengte C02 entfernt hat, kann durch eine zugesetzte S\u00e4ure eine neue Quantit\u00e4t C02 unter der Luftpumpe aus ihr erhalten werden *).\nDie Gr\u00fcnde, aus deuen Liebig und End erlin die Anwesenheit der kohlensauren Salze l\u00e4ugneten, scheinen widerlegt zu\u2019sein. Jene Chemiker st\u00fctzten sich\n\u201c) Marchand, Journ. f\u00fcr pr. Chemie 37.Bd. p.321. \u2014 Ueber die Controverse siehe ausser der alten Literatur von Gmelin, Tiedemann, v. Ensehut u. s. w. \u2014 Liebig, Annalen, 57. Bd. 126.\nLe hm \u00bb an, Jour, f\u00fcr pr, Cbetnls, 4Q.Bd. \u2014 Mulder, Scbeik* Qnderzoek* Y< Peel 4SI,","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nMinerale.\ndarauf, dass die Blutasche des Menschen und der Fleischfresser (wohl aber die der Grasfresser) mit S\u00e4uren \u00fcbergossen, nicht brausst. Wir haben schon angegeben, dass die kohlens\u00e4urehaltige oder kohlens\u00e4urenfreie Asche weder die Abwesenheit, noch Anwesenheit von kohlensauren Salzen in der Blutfl\u00fcssigkeit beweisen kann. \u2014 Liebig macht ausserdem geltend, dass die gekochte und filtrirte Blutfl\u00fcssigkeit bei Eintr\u00e4ufeln von fixen S\u00e4uren keine C02 entwickle. Diese Tbatsache ist aber ebenfalls nicht schlagend, weil die C02freie Fl\u00fcssigkeit begierig die in ihr entwickelte C02 absorbirt, wie Marchand und Mulder darthaten, indem sie zeigten, dass, selbst wenn ein Zusatz von NaO C02 zum Blut gemacht war, starke S\u00e4uren keine Kohlens\u00e4ure aus ihr frei machten.\nVon dem phosphorsauren Natron der Blutfl\u00fcssigkeit behauptet man bald, dass es zweibasisches (Ph05, 2NaO, HO), bald, dass es dreibasisches (Ph05, 3NaO) sei. F\u00fcr die letzte Meinung spricht die Asche, welche kein pyrophosphorsaures Natron enth\u00e4lt. Hiergegen l\u00e4sst sich einwenden, dass das zweibasisch phosphorsaure sich beim Gl\u00fchen mit kohlensaurem Salze in dreibasisches umwandelt, woraus sich zur Gen\u00fcge die Abwesenheit von pyrophosphorsaurem Natron in der Asche erkl\u00e4rt, selbst wenn zweibasisches Salz in der Fl\u00fcssigkeit vorkommt. Die Ver-theidiger des zweibasisch phosphorsauren Natrons behaupten noch dazu, dass im Blut, d. i. in einer mit Kohlens\u00e4ure geschw\u00e4ngerten Fl\u00fcssigkeit, gar kein dreibasisch phosphorsaures Natron bestehen k\u00f6nne, indem es augenblicklich in zweibasisches und kohlensaures Salz zerfalle. Da auch diese letztere Behauptung nicht durch unwidersprechliche That-sachen erwiesen ist, so muss die ganze Frage dahin gestellt bleiben.\nDie Gegenwart von NaCl und KaCl ist wohl niemals gel\u00e4iuniet wor-\nO\tO\nden. Die Kiesels\u00e4ure muss, wenn sie vorhanden, in Verbindung mit Alkalien Vorkommen.\nUeber die Art und Weise, wie die Metalle, namentlich die h\u00e4ufigen Eisen und Mangan und die seltenen Blei und Kupfer, gebunden sind, wissen wir nichts.\nDen hier angezweifelten Beweis f\u00fcr die Zusammenordnung der einfachen Be-standtheile zu complizirten glaubt C. Schmidt durch Vergleichung des beobachteten und des hypothetischen spezifischen Gewichtes der Fl\u00fcssigkeit gegeben zu haben. Das hypothetische spezifische Gewicht der Blutfl\u00fcssigkeit l\u00e4sst sich aber nach seinen Voraussetzungen ableiten, wenn man weiss, um wie viel die bekannten Volumina des Wassers und eines l\u00f6slichen festen Stoffs bei wirklich geschehener L\u00f6sung dieses letzteren abnahmen, mit andern Worten: wenn man die Verdichtungscoefficienten kennt. Nachdem er diese letzteren bestimmt hat f\u00fcr alle die Stoffe, welche seiner Voraussetzung nach in dem Blutwasser gel\u00f6st sind, macht er die weitere Annahme, die Verdichtung bleibe dieselbe selbst f\u00fcr den Fall, dass die einzelnen Stoffe, statt in Wasser, in einem solchen Salz-Gemenge, wie es die Blutfl\u00fcssigkeit darstellt, gel\u00f6st seien. \u2014 Diese Voraussetzung ist nun freilich willk\u00fchrlicb ; man k\u00f6nnte sie jedoch diessmal eine gl\u00fcckliche nennen in Anbetracht der von ihm gefundenen Ueber-einstimmung zwischen dem hypothetischen und dem wirklich beobachteten spezifischen Gewichte. Bei genauerer Ueberlegung ist aber gerade diese Uebereinstimmung geeignet, Misstrauen zu erregen. Denn es sind die von ihm angenommenen Stoffe der Blutfl\u00fcssigkeit\u2019: KO S03; KaCl; NaCl; 2NaOPhO\u00f6; NaO ; 3CaO Ph05; 2MgO PhO* ;","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ure und Sauerstoff.\n9\nAlbumin, Fibrin. \u2014 Wie man sogleich sieht, sind diese Stoffe zum Theil offenbar gar nicht im Blnte vorhanden, wie z. B. KO S03; NaO, und andere ubersehen wie das Albumin-Natron, die Fette u. s. w. Umst\u00e4nde, welche im g\u00fcnstigsten Falle beweisen, dass F\u00fcr die Salzbestandtheile die vorgeschlagene Contr\u00f4le nichts leistet.\nJ4. Die Kohlens\u00e4ure nimmt der Menge und ihres besonderen Verhaltens wegen den ersten Platz unter den diffusibeln Gasarten der Blutfl\u00fcssigkeit ein. Auf die Menge schliessen wir in Ermangelung einer gr\u00fcndlichen Analyse aus dem grossen Absorptionsverm\u00f6gen der (faser-stofffreien) Blutfl\u00fcssigkeit*), welche unter dem Atmosph\u00e4rendruck mit C02 gesperrt das anderthalbfache bis doppelte ihres Volumens von dem Gas aufnimmt. Scherer**), Mulder***). Da H, Nasse diese Beob-achtung dahin erweitert hat, dass ein Blut um so mehr C02 absorbirt, je reicher seine Asche an Na0C02 ist; da nach der vollkommenen S\u00e4ttigung mit C02 die Fl\u00fcssigkeit noch alkalisch r\u00e9agirt, und da die ges\u00e4ttigte Blutfl\u00fcssigkeit mit lixen S\u00e4uren versetzt, die H\u00e4lfte ihrer C02 selbst in einer kohlens\u00e4urehaltigen Atmosph\u00e4re verliert, so kann man nicht im Zweifel dar\u00fcber sein, dass durch eins der alkalisch reagirenden Blutsalze NaO C02 oder 2Na0Ph05 die C02 aufgenommen und verdichtet wird, so dass sie sich nicht im Zustande einfacher Diffusion findet. Diese Verdichtung durch die erw\u00e4hnten Salze verhindert aber die C02 nicht, zu verdampfen, da, wie bekannt, eine L\u00f6sung von Na02C02 sich bei l\u00e4ngerem Stehen in einer kohlens\u00e4urefreien Luft in NaOC02 verwandelt. H. Rose, Becher.\n15.\tDie Gegenwart des Stick- und Sauerstoffs vermuthen wir, weil die Blutfl\u00fcssigkeit als eine w\u00e4sserige L\u00f6sung beide Luftarten in geringen Mengen aufnimmt, Wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass die Gasarten anders als diffundirt enthalten seien.\n16.\tDer Wassergehalt der Blutfl\u00fcssigkeit ist im Mittel auf 90 bis 93 pCt. gefunden worden.\nSerum. Derjenige Antheil der Blutfl\u00fcssigkeit, welcher zur\u00fcck-bleibt, nachdem der Faserstoff ausgeschieden ist, wird altem \u00e4rztlichem Herkommen gem\u00e4ss Serum sanguinis genannt. Dieses Serum ist von praktischer Bedeutung f\u00fcr die Blutanalytiker, weil nur es nicht aber das gesammte Plasma der Untersuchung so weit zug\u00e4nglich ist, dass spez. Gewicht, Farbe, Consistenz u. s. w. beobachtet werden k\u00f6nnen.\nDa in der That die Menge des ausfallenden Faserstoffs sehr gering ist, und die Eigenschaften desselben, so lange er in L\u00f6sung befindlich, soweit wir wissen, sich nicht von denjenigen der \u00fcbrigen Eiweissstoffe unterscheiden, so w\u00fcrde eine Uebereinstimmung in den physikalischen Verh\u00e4ltnissen von Plasma und Serum statuirt werden d\u00fcrfen, wenn die-\n*) Nachdem sie vorher durch Stehen an der Luft ihre verdunstbare COg verloren?\n**) Liebig s Annalen. 50. Bd. p. 30.\n***) Physiolog. Chemie, Braunschweig 1185,","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nSerum.\nses letztere nur hinreichend rein erhalten werden k\u00f6nnte. Dies ist aber nur selten der Fall.\nDas Serum gewinnt man entweder so, dass man das aus der Ader gelassene Blut sogleich gerion\u00e8n lasst. Der durch die ganze Masse des Blutes vertheilte Faserstoff schliesst bei seiner Gerinnung sammtliche Blutk\u00f6rperchen sammt der Blutfl\u00fcssigkeit ein, so dass unmittelbar nach derselben das Blut einen zusammenh\u00e4ngenden, sehr lockeren Kuchen bildet. Nach einiger Zeit aber beginnt die Zusammenziehung des Faserstoffs, so dass nun die uncompressibele Blutfl\u00fcssigkeit aus dem Kuchen ausgetrieben wird, w\u00e4hrend ein sehr grosser Theil der K\u00f6rperchen des Blutes, welcher auf dem Faserstoffbalken aufgelagert ist, den Bewegungen derselben folgt und in dem Kuchen eingeschlossen bleibt. So unternimmt das Blut selbst eine Filtration, die wir vergeblich k\u00fcnstlich nachzuahmen versuchen. \u2014 Begreiflich ist aber auch diese Filtration keine vollkommene und namentlich tritt ein aufgeschwemmter BestandtheiJ, der dem Faserstoff weniger stark zu adh\u00e4riren scheint, die sog. Lymphk\u00f6rperchen, mit dem Serum aus dem Kuchen. Diese K\u00f6rperchen sind nun entweder spez. leichter als das Serum, sie treten nach oben (und k\u00f6nnen zum Theil wenigstens abgehoben werden?) oder sie sind von gleicher Eigenschwere; diese verunreinigen also das Serum. Da das Filter, welches dem Blutserum noch den Durchtritt gestattet, sie nicht zuriiekb\u00e4it, so werden sie nicht von der Blutfl\u00fcssigkeit getrennt und bilden immer vorkommende Verunreinigungen derselben. \u2014 Zuweilen zieht man es vor, das Blut nach dem Austritt aus der Ader sogleich zu schlagen zur Abscheidung des Faserstoffs, und die zur\u00fcckbleibende Fl\u00fcssigkeit sich selbst zu \u00fcberlassen ; bei vollkommener Ruhe derselben senken sich dann die rothen K\u00f6rperchen desselben allm\u00e4hlig zu Boden. Das auf die eine oder andere Art geschiedene Serum hebt man dann vorsichtig mit der Pipette vom Bodensatz oder dem Blutkuchen ab.\nDas spez. Gewicht des meist gelblich gef\u00e4rbten Serums wird im Mittel zu 1028, das des Wassers \u2014 1000 gesetzt, angegeben.\nB. Aufgeschwemmte B lutbestand tlieile.\nZu ihnen geh\u00f6ren die Blutscheiben, die Lymphk\u00f6rperchen, die Molekulark\u00f6rnchen und Faserstoffschollen.\na. Die Blutscheiben sind im Blute ungemein zahlreich vertreten, indem nach den Z\u00e4hlungen von Vierordt*) und H. Welker**) in einem Cubikmillimeter Blut 4 bis 5,5 Millionen St\u00fcck enthalten sind.\nDie Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen, welche in einem genau gemessenen \u00dflutvolu-men enthalten sind, ist zuerst von Vierordt ausgef\u00fchrt; diese m\u00fchsame Arbeit ist durch die Welk er\u2019sehen Verbesserungen der Technik wesentlich vereinfacht worden. Sie w\u00fcrde nach diesem letzteren Autor zu einer verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr leichten werden, wenn sich die Annahme desselben best\u00e4tigte, dass die f\u00e4rbende Kraft des Bluts in einer festen Beziehung zu der Zahl seiner K\u00f6rperchen st\u00e4nde. Aus den Beobachtungen Welkers kann aber nur so viel geschlossen werden, dass bei einem gesunden Menschen die F\u00e4rbekraft des Bluts mit der Zahl seiner K\u00f6rperchen gleichen Schritt h\u00e4lt, so dass man aus der Tiefe der Farbe, welche ein genau abgemessenes Volumen Blut einem und demselben Volumen einer farblosen Fl\u00fcssigkeit ertheilt, schliesst, ob der Gehalt beider Blutproben an K\u00f6rperchen ungleich sei. In den F\u00e4llen, in welchen diese Voraussetzung erf\u00fcllt ist, kann durch die F\u00e4rbekraft des Bluts auch sogleich die Zahl seiner K\u00f6rperchen bestimmt werden. Welker versuchte\n*) Archiv f. physiol. Heilkunde. XI. 26. 327. 854. XIII, 259,\n**) Prager Vierteljahrschrift. XUV, Ih","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Blutscheiben.\nil\ndieses folgendermassen auszuf\u00fchren : er bestimmt die Anzahl der Blutk\u00f6rperchen in einem C. Mm. und verd\u00fcnnt dann ein bestimmtes Volumen dieses Bluts mit einem bestimmten Volumen einer farblosen Fl\u00fcssigkeit, z. B. verd\u00fcnntem Alkohol; will er nun den Blutk\u00f6rperchengehalt einer andern Blutprobe ermitteln, so verd\u00fcnnt er diese so lange mit derselben Fl\u00fcssigkeit, bis sie die Farbe der ersten angenommen. Die Blutk\u00f6rperchenzahlen verhalten sich wie die Volumina der Zusatzfl\u00fcssigkeiten.\nI. Anatomisches Verhalten*). Die Blutscheiben sind kleine Zellen, deren Inhalt roth oder gr\u00fcn (Br\u00fccke) gef\u00e4rbt ist; obwohl ihre Form keineswegs als eine best\u00e4ndige anzusehen ist, so stellt doch die weitaus gr\u00f6sste Zahl derselben Rundscheihen dar, die auf der Fl\u00e4che liegend, sich wie eine oben hohle Linse ausnehmen, w\u00e4hrend sie auf dem Rande stehend das Ansehen eines Biscuits darbieten. Auf eine Vertiefung der obern Fl\u00e4che schliessen wir aus der Vertheilung, die hier das Licht eines B\u00fcschels erf\u00e4hrt, welches von der untern Fl\u00e4che her mit parallelen Strahlen in die Blutscheiben eingedrungen ist; bekanntlich erscheint beim durchfallenden Licht die helle Mitte des Blutk\u00f6rperchens von einer leichten Verdunklung umgeben, auf die nach aussen ein heller Ring folgt; analvsirt man aber den Gang der parallelen Strahlen 1234 Fig. I. durch\ndie planconeave Linse aa., so wird man sogleich sehen, dass auf der oberen Fl\u00e4che die Mitte hell, der ausgebogene Theil lichtschwach, und der Rand wieder lichtstark erscheinen muss. \u2014 Die Biscuitform der auf der Kante\nrz\ni\nN\ni \\\ni \\\ni \\\n! \\\njr\nFig. 1.\n* * ?\na\n\u2022t\u2014t\n2/\ni\n; i\n/ \u00bb\nstehenden Blutscheiben beweist, dass der Rand nicht \u00fcberall gleich breit ist, denn sonst m\u00fcsste diese Ansicht ein\n\u00bb\ti\n> ii i f i \u20181 '* Rechteck darstellen. \u2014 Ausser dieser h\u00e4ufigsten Gestalt kommen noch andre vor, zuweilen steht die Vertiefung excentrisch, oder die Scheibe ist auf beiden Fl\u00e4chen erhaben, oder die R\u00e4nder tragen Zacken.\nDie Blutk\u00f6rperchen der ersten Form kann man in ein kugeliges Gebilde verwandeln, wenn man die Blutfl\u00fcssigkeit, in der sie schwimmen, mit Wasser verd\u00fcnnt, wodurch wahrscheinlich in Folge einer Diffusionsstr\u00f6mung der Inhalt vermehrt wird. \u2014 Die Zackenform erhalten die K\u00f6rperchen, wenn sie in eine eoneentrirte L\u00f6sung von Glaubersalz, Zucker u. s. w. gebracht werden. Ueber andere Formver\u00e4nderungen siehe bei Lindwurm**), Donders, Mol e sc h o tt ***), Stanniusf), Lehmann ff).\nDer Inhalt der Blutscheiben ist bald mehr, bald weniger tief gef\u00e4rbt, bald ist er klar, bald noch mit K\u00f6rnchen und Kr\u00fcmeln gef\u00fcllt.\n*) Kolliker, Handbuch der Gewebelehre. 5. 68. \u2014 Vierordt, Archiv f. phys. Heilk. XI. 854. \u2019*) Zeitschrift v. He nie u. Pfeuffer. VI. Bd. 266.\n##*) Holland, Beitr\u00e4ge p.360 u. Illustr. med. Zeitg. III. 79.\n4) Beobachtg. \u00fcber Verj\u00fcnguugsvorg\u00e4nge. Kostock 1853,\n\u2022ft) Phygiolog. Chemie. II, 164.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"Blutscheiben.\n2. Chemische Beschaffenheit. Das Blutk\u00f6rperchen ist noch niemals rein dargestellt worden.\nVersuche zur Darstellung der Blutk\u00f6rperchen. Zur Reindarstellung der Blutk\u00f6rperchen hat man den direkten und indirekten Weg eingeschlagen.\n1.\tFiltration. Versetzt man ein von Faserstoff befreites Blut mit seinem mehrfachen Volum einer concentrirten Glaubersalzl\u00f6sung, und leitet durch dasselbe, nachdem es auf ein Papierfilter gebracht worden, Sauerstoffgas, so wird nicht allein die Mehrzahl der K\u00f6rperchen zur\u00fcckgehalten, sondern es l\u00e4sst sich auch durch Glaubersalz der R\u00fcckstand so vollkommen ausvvaschen , dass die Waschfl\u00fcssigkeit kein CINa und keine organischen Bestandtheile, namentlich kein Eiweiss mehr enth\u00e4lt. Berzelius, Dumas*), Lecanu**). Diesen ausgewaschenen R\u00fcckstand haben einzelne Chemiker f\u00fcr reine Blutk\u00f6rperchen angesehen, eine Meinung, welche sowohl die physikalische Ueberlegung wie auch das optische Verhalten als unrichtig erweist, indem die K\u00f6rperchen, wie wir schon erfuhren, unter dem Einfluss der Salzl\u00f6sung ver-schrumpfen und ihre Form \u00e4ndern; diese Form\u00e4nderung, namentlich das Schrumpfen derselben, ist nothwendig, wenn man bedenkt, dass der Inhalt durch die f\u00fcr w\u00e4ssrige L\u00f6sungen durchg\u00e4ngige Membran auf diffusivem Wege der Glaubersalzl\u00f6sung einen Theil seiner Bestandtheile abgeben und daf\u00fcr andere empfangen muss. Einen weiteren Beweis f\u00fcr diese Behauptung wird man zu liefern im Stande sein, wenn man eine solche mit Glaubersalzl\u00f6sung gewaschene Blutk\u00f6rperchenraasse einige Zeit in dieser L\u00f6sung aufbewahren und diese auf ihre Bestandtheile untersuchen w\u00fcrde. Diese Einwendungen k\u00f6nnen nat\u00fcrlich dem Filtrationsverfahren seinen grossen Werth f\u00fcr die qualitative Untersuchung des Blutk\u00f6rperchens nicht rauben.\n2.\tMan behauptete zu verschiedenen Zeiten (Dumas-Prevost, C. Schmidt***), dass ein oder der andre Stoff nur der Blutfl\u00fcssigkeit oder dem Serum, nicht aber den K\u00f6rperchen eigen sei ; auf diese Annahme l\u00e4sst sich nun ein einfaches Verfahren gr\u00fcnden, um die Zusammensetzung der Blutk\u00f6rperchen festzustellen. Offenbar nem-lich ist in einem Gemenge aus unbekannten Quantit\u00e4ten von Blutk\u00f6rperchen und Serum, die Quantit\u00e4t dieses letztem und aller seiner Bestandtheile sogleich bestimmt, wenn man aus dem Gemenge das Gewicht eines dem Serum allein zugeh\u00f6rigen Stoffes bestimmen k\u00f6nnte und zugleich das Verh\u00e4ltnis weiss, in dem alle andern Serumbe-standlheile zu diesem besondern Stoff stehen. Mit der Kenntniss der Menge und der Zusammensetzung des Serums in einem Gemenge von Blut und Blutk\u00f6rperchen ist aber nat\u00fcrlich auch die Zusammensetzung dieser letzteren gegeben , indem diese gegeben ist durch den Rest, welchen die Blutanalyse nach Abzug des Serums l\u00e4sst. So hielten Dnmas-Prevost daf\u00fcr, die Blutk\u00f6rperchen seien mit Serum durchtr\u00e4nkte und gef\u00fcllte S\u00e4cke; indem somit das Eigenthiimliche der Blutscheibe nur ia ihrer Haut bestehen sollte, sprachen sie ihr nat\u00fcrlich allen Wassergehalt ab. Diese Annahme Ist aber durch mancherlei Thatsachen, insbesondere durch die Untersuchung der filtrirten Blutk\u00f6rper widerlegt. \u2014 C. Schmidt***) nimmt an, dass das Chlor der Blutscheiben mit Kalium, das des Serums mit Natrium verbunden sei, so dass also dem einen Bestandtheil das Chlorkaliuni, dem andern das Kochsalz abgehe. Diese Annahme ist aber vollkommen willk\u00fcrlich , w'eil selbst nach seinen Beobachtungen neben NaCl und KaCl noch die Anwesenheit von NaO in den Blutscheiben und von KaO in dem Serum feststeht. \u2014 Endlich hat man auf den Faserstoff des Plasma\u2019s aufmerksam gemacht (Zimmermann f), der sich unzweifelhaft eignen w\u00fcrde zu\n*) Compt. rend. XXII. 900.\n\u2022*) ibid. XXV. 11.\n***) 1. c. p. 18.\nI) Archiv f, physiolog, Heilkunde, XI. 398,","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Blutscheibeii.\n13\nobigen Bestimmungen, wenn man nur ein blutk\u00f6rperchenfreies Plasma mit unver\u00e4ndertem Faserstolfgehalt zur Analyse bringen k\u00f6nnte.\n3.\tZimmer mann und Vier or dt haben vorgeschlagen, ein Gemenge von Serum und Scheiben einem Stoff von beliebiger Zusammensetzung beizumischen, f\u00fcr welchen die Blutscheibenh\u00fclle undurchdringlich sei und der, obwohl er sich im Wasser l\u00f6se, weder Wasser, noch irgend einen andern Bestandteil des Blutscbeibeninhaltes an sich ziehe. G\u00e4be es einen solchen K\u00f6rper, so w\u00fcrde die Aufgabe gel\u00f6st sein : den Gehalt eiuer beliebigen Blutmenge an Serum und Scheiben, um daraus die Zusammensetzung der letztem zu bestimmen. Denn man h\u00e4tte zu einem bekannten Gewicht Blut eine gewogene Menge des fraglichen Stoffs zu setzen, aus diesem Blut Serum zu gewinnen und den prozentischen Gehalt desselben an dem zugesetzten Stoff zu bestimmen; offenbar w\u00fcrde dann aus der eingetretenen Verd\u00fcnnung die Masse des anwesenden Serums gefolgert werden k\u00f6nnen. Dieser einfache Vorschlag scheitert aber daran, dass es schwerlich einen Stoff von den verlangten Eigenschaften gieht; nach den bis dahin vorliegenden Thatsachen \u00fcber Diffusion, w\u00fcrde nur der Zusatz die verlangten Eigenschaften besitzen, dessen Zusammensetzung mit der des Serums zusammenfielen, mit andern Worten : ein solcher, der sich schon diffusiv mit dem Inhalt der Blutk\u00f6rperchen ausgeglichen. Dieser Zusatz w\u00fcrde uns aber nichts helfen, denn damit w\u00fcrde die prozentische Zusammensetzung des Serums nicht umge\u00e4ndert und auf dieser Umwandlung beruht die Brauchbarkeit des Verfahrens.\n4.\tMan hat auch den Versuch gemacht, das Volum der Blutk\u00f6rperchen oder des Serums zu bestimmen, entweder, indem man die Blutk\u00f6rperchen eines bekannten Volums Blut z\u00e4hlte und die Zahl mit dem Volum eines Blutk\u00f6rperchens multiplizirte, dessen Durchmesser man unter dem Mikroskop bestimmt hatte, oder indem man Scheiben aus dem Blutkuchen schnitt und die Zwischenr\u00e4ume zwischen den einzelnen Blutk\u00f6rperchen zu messen suchte u. s. w. Man kann kaum der Meinung sein, dass es mit diesem Vorhaben Ernst gewesen sei.\n*\nAls besondere den Blutscheiben zukommende Bestandtheile sind mit Bestimmtheit ermittelt.\nDer- H\u00fcllenstoff. Obwohl er bis dahin nicht rein dargestellt ist, so scheint es erlaubt, ihn zu den Gliedern der Eiweissgruppe zu z\u00e4hlen; keinenfalls aber ist es, wie man gethan, erlaubt, ihn als eine Abart des geronnenen Faserstoffs anzusehen. Die wenigen sichern Nach richten, welche man besitzt, sind von der mikrochemischen Reaction geliefert. D o n d e r s und M o 1 e s ch o 11 *).\nHaematin. Seit den im I. Bd. 36. gemachten Mittheilungen hat Witt ich**) den, Farbstoff reiner, als es bis dahin geschehen, darzustellen gelehrt, und Br\u00fccke***) weisst nach, dass derselbe in einer an kohlensaurem Alkali reichen L\u00f6sung sich als ein doppelfarbiger erweise, der bei auffallendem Licht (in sehr dicken Schichten) roth, bei durchfallendem Licht (in sehr d\u00fcnnen Schichten) aber gr\u00fcn erscheint. Der Dichroismus ist darum im ven\u00f6sen Blut deutlich, w\u00e4hrend er dem arteriellen fremd ist.\nGlobulin; diesen Stoff hat Wittich ebenfalls reiner als bis da-\n*) Holland, Beitr\u00e4ge p.40 ebendaselbst p.3G0. \u2014 Lehmann, physiolog. Chemie, n. Bd. 165.\n**) Journ. f. prakt. Chemie. 61. Bd. 11. \u2014 Pharmaz. Centralbl. 1854. Nr. 22.\nSitzungsbericht d. \"Wiener Akademie. XI. Bd. 1070. Pharmaz. Centralbl. 1854. Nr. 14.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nLymphk\u00f6rperchen.\nhin dargestellt, indem er ihn in Aether l\u00f6ste; er geh\u00f6rt unzweifelhaft zu den eiweissartigen Stoffen.\nHaematin und Globulin im Gemenge (Haemin und Haematocrystallin) sind neuerdings vielfach auf ihre Krystallisationserscheinungen untersncht worden von Lehmann*), Teichmann**), Meckel***). Die zahlreichen Untersuchungen, so interessant sie nach andern Richtungen hin sein m\u00f6gen, haben aber noch wenig zu dem, was uns \u00fcber die Natur der Stoffe aufzukl\u00e4ren verm\u00f6gte, hinzugef\u00fcgt. \u2014 Wesentliche Fehler in den Resultaten der L e c a n u sehen f) Untersuchung \u00fcber die Eigenschafteu desselben Gemenges weist Wittich nach; dem entsprechend verlieren auch die Dum as\u2019sehen Elementaranalysen der filtrirten und getrockneten K\u00f6rperchen ihren letzten Werth.\nEin phosphor haltiges Fett; der \u00e4therische fettartige Auszug der mit Glaubersalz filtrirten Scheiben hinterl\u00e4sst 22 pCL einer sauren phosphorsauren Kalkasche.\nDie Asche der Blutk\u00f6rperchen ist reicher an Eisenoxyd und phosphorsauren Alkalien und reicher an Kali (H. Nasse ff), Schmidt fff), Weber\u00a7) und die Summe der Kalien und Erden ist in gleichen Ge-wichtstheilen Blutk\u00f6rperchen geringer als in dem Serum.\nDie Blutk\u00f6rperchen enthalten endlich auch diffusibele Gase; insbesondere ist dieses gewiss vom Sauerstoffgas, da die Volumeinheit eines Gemenges von K\u00f6rperchen und Serum mehr Sauerstoff zu absor-biren vermag als die des Serums. J. Davy, H. Nasse \u00a7\u00a7). Da die Volumeinheit des Gesammtbluts noch weniger C02 aufnimmt als das Serum, so beweist dieses, dass die K\u00f6rpereben entweder wenig oder gar keine C02 aufsaugen. Wie sie sich zu dem Stickgas verhalten, ist unbekannt.\nb\u2014d. Lymphk\u00f6rperchen, Molekulark\u00f6rnchen, Faserstof fs cho 11 en finden sich neben den farbigen K\u00f6rperchen im Blut aufgeschwemmt; da weder \u00fcber die chemische Zusammensetzung und noch weniger \u00fcber die physiologischen Beziehungen dieser Stoffe etwas bekannt geworden, so unterlassen wir es hier ihre Form darzustellen; welche ausf\u00fchrlich in den Lehrb\u00fcchern der mikroskopischen Anatomie behandelt wird. \u2014\nDie Zahl der farblosen K\u00f6rperchen ist viel geringer als die der farbigen; nach den Z\u00e4hlungen von Welker \u00a7\u00a7\u00a7) sind in 1 Cubikmillimeter Blut zwischen 8000 bis 13000 enthalten, so dass nach zwei vergleichenden Z\u00e4hlungen auf 350 bis 500 rothe 1 farbloses kam. lieber die wechselnden Mengenverh\u00e4ltnisse der Lymphk\u00f6rperchen sind einige der folgenden Mittheilungen und \u00fcber die Beziehung zwischen Blut und Lymphk\u00f6rperchen ist die Lymphe nachzusehen.\n*) Leipziger akadem. Berichte. 1S52 p. 23u.7S. 1S53 p. 111. Ausgezog. im Journ. f. prakt. Chemie.\u2014\n**) Zeitschrift, He nie n. Pfeuffer N. F. III. 375.\n***) Ueber Haematoglobelin, Deutsche Klinik 1852. f) Pharmaz. Centralbl. 1852. 708. ft) Wagners Handw\u00f6rterbuch. I.Bd. 177 u. 180. fff) 1. c. p.30.\n\u00a7) Pogg. Annal. 81. Bd.91.\nSS) 1* c. 177.\nSSS) 1. c. p. 34.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Blutanalyse.\n\u00abj\n15\nC. Gesammtblut.\n1. Eine ersch\u00f6pfende quantitative Analyse des Gesammtbluts kann erst dann zur Ausf\u00fchrung kommen, wenn es gelungen ist, die Blutk\u00f6rperchen von der Blutfl\u00fcssigkeit scharf zu trennen und wenn uns nicht allein alle Blutbestandtheile, sondern auch eine quantitative Bestimmungsmethode jedes einzelnen bekannt ist. \u2014 In Ermangelung einer solchen begn\u00fcgt man sich nun mit der ann\u00e4hrend richtigen Bestimmung einzelner Bestand theile des Bluts, und namentlich ermittelt man den Wassergehalt, die Summe der im kochenden Wasser unl\u00f6slichen Bestandtheile (H\u00fcllen der Blutk\u00f6rperchen, Eiweissstoffe der K\u00f6rperchen und der Fl\u00fcssigkeit mit eingeschlossenen Salzen), der in Aether, in kochendem Alkohol und in Wasser l\u00f6slichen und der unverbrennlichen Bestandtheile. Aus diesen Beobachtungen kann niemals die ganze Bedeutung des Bluts und seiner Ver\u00e4nderungen gefunden werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Beobachtungsresultate \u00fcber diesen oder jenen Punkt Aufschluss gew\u00e4hren.\nUnter den Methoden zu den erw\u00e4hnten Gewichtsbcstimmungen zeichnet sich, uach \u00fcbereinstimmenden Angaben, das Verfahren von Pr\u00e9vost und Dumas, welches Scherer*) verbessert bat, aus. Er f\u00e4ngt zwei Portionen Blut, jede von ungef\u00e4hr 60 Gr. gesondert auf. Aus einer derselben gewinnt er Serum und bestimmt in diesem das Wasser, das Eiweiss, die Extrakte und die in Wasser l\u00f6slichen Bestandtheile der Asche, aus der andern das Wasser, den Faserstolf, das Gemenge der in kochendem Wasser unl\u00f6slichen Bestandtheile der Blutk\u00f6rperchen und des Serums, dieExlracte, das Fett und die in Wasser l\u00f6slichen Bestandtheile der Asche im Gesammtblut. \u2014 Indem er dann der Annahme von Pr\u00e9vost und Dumas folgt, dass die Blutk\u00f6rperchen aus unl\u00f6slichen Stoffen bestehen, welche von Serum durchdrungen in dem Blute schwimmen, berechnet er aus dem bekannten Wassergehalt des gesammten Bluts und des Serums diese sogenannten Blutk\u00f6rperchen. Obwohl schon dargethan ist, dass diese letztere Berechnung nicht mehr zul\u00e4ssig ist, so wollen wir doch noch einmal in ganz popul\u00e4rer Form unsern Gegenbeweis wiederholen. Wenn die Fl\u00fcssigkeit, welche die Blut-sc.heiben durchtr\u00e4nkt, eine andere Zusammensetzung als die des Serums besitzt, so kann aus dem bekannten Wassergehalt des Serums und des Blutes derjenige der Blutk\u00f6rperchen nieht abgeleitet werden. Offenbar nemlich kann z. B. ein Blut, das in 100 Thcilen 20 Theile R\u00fcckstand und dessen Serum in 100 Theilen 10 Theile R\u00fcckstand l\u00e4sst, auf millionfache Weise zusammengesetzt gedacht werden und so u. A. einmal in der Art, dass 100 Theile aus 25 Theilen Serum und 75 Theilen Blutk\u00f6rperchen mit 23,33 pCt. R\u00fcckstand oder aus 75 Theilen Serum und 25 Theilen Blutk\u00f6rperchen mit 54,0 pCt. R\u00fcckstand bestehe. In beiden F\u00e4llen w\u00fcrde aber das Serum JO pCt. und das Gesammtblut 20 pCt. R\u00fcckstand gegeben haben. \u2014 Dieser Einwurf behauptet also, dass innerhalb eines Serums von gleicher Zusammensetzung Blutk\u00f6rperchen des allerverschiedenartigsten Wassergehaltes schwimmen k\u00f6nnen. \u2014 Dieser Einwurf ist aber nicht im entferntesten unwahrscheinlich, einmal, weil ein und dasselbe Blutk\u00f6rperchen von seinem Auftreten in dem Blut bis zu seinem Verschwinden wahrscheinlich mancherlei Um\u00e4nderungen in seiner Zusammensetzung er-\n*) Scherer, patholog. chemische Untersuchungen. Haesers Archiv 1S48. \u2014 A. Otto, Beitrag zu den Analysen des gesunden Bluts. W\u00fcrzburg 1848, \u2014 Gorup-Besanerz. Vergleichende Untersuchungen etc. Erlangen 1850.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nBlutanalyse.\nf\u00e4hrt und dann, weil selbst unter der Voraussetzung, dass alle gleichzeitig vorhandenen Blutk\u00f6rperchen mit einer w\u00e4ssrigen Fl\u00fcssigkeit von derselben Zusammensetzung durchtr\u00e4nkt w\u00e4ren, doch das Verh\u00e4ltniss dieser Fl\u00fcssigkeit zu den Fetten und der H\u00fclle sehr ver\u00e4nderlich sein kann. Darum gilt auch die Ausflucht nicht, welche man zur Festhaltung der Dum as-Pr\u00e9vost\u2019sehen Berechnung benutzt hat, die nemlich: dass wenn das Serum gleich zusammengesetzt w\u00e4re, so m\u00fcsste auch jedes Blutk\u00f6rperchen gleiche Zusammensetzung tragen und demgem\u00e4ss k\u00f6nnten, wenn die R\u00fcck-standsprozente zweier \u00dflutarten mit gleich zusammengesetztem Serum verschieden ausfallen, die Unterschiede nur bedingt sein durch die ungleiche Zahl der Blutk\u00f6rperchen. Dies vorausgesetzt, geben die Analysen allerdings keinen Aufschluss \u00fcber die absolute Quantit\u00e4t dieser letztem, wohl aber \u00fcber das Verh\u00e4ltniss derselben zwischen den beiden Blutarten, und somit sei die Berechnung auch von relativem Werth. \u2014 Diese erst noch zu beweisende Annahme wird aber ganz willk\u00fchrlich, wenn wie gew\u00f6hnlich gar auch noch Blutarten verglichen werden , deren Serum von ungleicher Zusammensetzung ist. ln diesem Fall kann unbezweifelhar die Auslegung auf verschiedene Weise geschehen, auf die nemlich, dass bei gleicher Zusammensetzung die ZaJbl, oder bei gleicher Zahl die Zusammensetzung, oder dass Zahl und Zusammensetzung der Scheiben in den beiden Blutarten abwreiche.\nDem Vorschlag von Vierordt*) folgen wir, da er unausf\u00fchrbar ist, nicht in seinen vielf\u00e4ltigen Verwicklungen, sondern begn\u00fcgen uns, die theoretische Grundlage desselben an einem Beispiel klar zu machen; der Einfachheit wegen denken wir uns statt des Serums reines Wasser und statt der Blutk\u00f6rperchen eine mit Wasser gef\u00fcllte Seifenblase in ihm schwimmend, von so zarter Constitution, dass sie ohne zu zerreissen nicht aus dem umgebenden Wasser genommen werden k\u00f6nnte Um zu bestimmen, wie viel Wasser ausser- und innerhalb der Seifenblase gelegen w\u00e4re, h\u00e4tte man nach Vier or dt so verfahren, dass man einen beliebigen Stoff in dem \u00e4ussern Wasser aufl\u00f6ste, der die Eigenthiimliehkeit bes\u00e4sse, weder durch die Seifenhaut hindurch in das innere Wasser zu dringen, noch auch durch diese Wasser an sich zu ziehen. G\u00e4be es einen solchen Stoff, so w\u00fcrde dies Verfahren einfach zum Ziele f\u00fchren; denn h\u00e4tte man z. B. I Gr. des Stoffs in die \u00e4ussere Fl\u00fcssigkeit geworfen und n\u00e4hme man, nachdem dieses Gramm gel\u00f6st und gleichm\u00e4ssig vertheilt w\u00e4re, einen gewissen Antheil, z. B. 20 Gr. aus der Fl\u00fcssigkeit heraus und f\u00e4nde bei der Untersuchung derselben 0,25 Gr. des Satzes darin, so m\u00fcsste die ganze Menge der Fl\u00fcssigkeit 79 Gr. betragen haben. \u2014 Nun ist aber sogleich ersichtlich, dass es aus bekannten Gr\u00fcnden der Diffusion einen solchen Stoff nicht geben kann, vorausgesetzt, dass er nicht mit der umgebenden Fl\u00fcssigkeit gleich zusammengesetzt w\u00e4re. Ein solcher Stoff m\u00fcsste nemlich die widersinnige Eigenschaft tragen, zu dem Wasser der Blase keine, zu dem der fl\u00fcssigen Umgebung aber Verwandtschaft zu zeigen. Vierordt, der in der That auch keinen kennt, schlug zuerst vor, einen Zusatz von gleicher Zusammensetzung zur \u00e4ussern Fl\u00fcssigkeit, in unserm Fall also von Serum zu machen. Wie man aber daraus die Menge des urspr\u00fcnglichen die Blutscheiben umgebenden finden k\u00f6nne, bleibt vollkommen r\u00e4thselhaft. \u2014\nWem es anliegt eine vollkommene Einsicht in die Unzul\u00e4nglichkeit der bis dahin gebrauchten Methoden zu gewinnen, den verweisen wir auf die gediegene Diskussion unseres Gegenstandes, welchen P. du Bois**) vom ganz allgemeinen Standpunkt angestellt hat.\nWir f\u00fchlen uns ausserdem noch veranlasst zu bemerken, dass wir auf die Arbeiten von Becquerel und Rodier keine R\u00fccksicht genommen haben, den Grund daf\u00fcr findet man auf Seite 4 ihrer neuen Untersuchung, \u00fcbersetzt von Eisen mann Erlangen 1847.\n*) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. XI. 2-r u. o4/.\n**) Heule u. Pfeuffers Zeitschrift. N. Folge IV. Bd.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Blutanalyse.\n17\na) Zusammensetzung des Gesammtblutes. Indem wir die Resultate, welche von Scherer und Otto erhalten sind, mittheilen, haben wir die Grundzahlen der Analyse wieder hergestellt.\nScherer:\nSerum.\nGesammtblut.\nWasser\t\t. 91,04\tWasser. . .\t\t78,31\nAlbumin ....\t7,41\tFibrin . . .\t\u2022 \u2022 \u2022\t0,23\nExtracte ....\t0,59\tIn kochendem\tWasser)\t20,32\nL\u00f6sliche Salze .\t.\t0,87\tunl\u00f6sliche Bestandtheile)\t\t\n\tExtracte .\t.\t\u2022 \u2022 \u2022\t0,51\n\tL\u00f6sliche Salze\t\u2022 \u2022 \u2022\t0,88\n\tFett \u2666\t.\t.\t\u2022 * \u2022\t0,17\nSerum.\tOtto: Gesammtblut.\t\t\nI.\tII.\ti.\tII.\nWasser .\t.\t. 90,36-\t\u201491,64 Wasser\t\t80,57-\t-80,34\nAlbumin .\t.\t8,03-\t\u2014 6,77 Fibrin . \u2666 . # . .\t0,15-\t- 0,21\nExtracte .\t. 0,45- L\u00f6sliche Salze . 1,16-\t-\t0,64 In kochendem Wasser( -\t0,95 unl\u00f6sl.Bestandthle. ]\t| 17,83-\t-18,01\n\tExtracte ....\t0,54-\t- 0,67\nL\u00f6sliche Salze . .\t0,78\u2014 0,80\nAls Mittelzahlen der W\u00e4gungen von Scherer und Otto berechnen sich :\nSerum.\nWasser....................90,66\nAlbumin...................7,76\nExtracte..................0,51\nL\u00f6sliche Salze. .\t.\t.\t0,94\nGesammtblut.\nWasser\t\t79,06\nFibrin\t\t0,20\nIn kochendem Wasser)\tIQ J.1\nunl\u00f6sliche Theile\t)\t\nExtracte .\t.\t. *.\t.\t0,48\nL\u00f6sliche Salze ...\t0,83\nDiese Beobachtungen lassen erkennen, dass in 100 Theilen das Gesammtblut sehr viel mehr feste Bestandtheile enth\u00e4lt, als das Serum, dass diese Vermehrung aber nicht gleichm\u00e4ssig f\u00fcr alle Stoffe gilt, und dass namentlich das Blut relativ weniger l\u00f6sliche Salze und Extracte enthalte, als das Serum. \u2014\nBei der geringen Ausbeute, die diese Thatsachen f\u00fcr die Physiologen liefern, \u00fcbergehen wir die \u00e4hnlichen Arbeiten von Popp, Andral u. s. w. u. s. w. \u2014 Eine Zusammenstellung findet sich in Henle's rationeller Pathologie II. Bd.\nb. Die Asche des Gesammtblutes hat Verde il*) nach einer nicht\n\u2022) Liebigs Annalen. 69. Bd, 89. Ludwig, Physiolog. II.","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"Blutanalvse.\nfr\nvollkommen tadelfreien Methode dargestellt und analysirt.\tIO\u00d6 Theile\nAsche bestehen nach ihm aus:\n\tI.\tII.\nKO\t12,70\t11,24\nNa\t24,49\t21,87\nNaO\t2,03\t6,27\nMgO\t0,99\t1,26\nCaO\t1,68\t1,85\nFe203\t8,06\t8,68 \u2022\nCI\t37,50\t33,70\nS03\t1,70\t1,64\nPh05\t9,35\t11,10\nCO,\t1,43\t0,95\nDie Asche I. war aus dem Blute eines Mannes, die 11. aus dem eines M\u00e4dchens bereitet.\nVerde il bat, um die Asche darzustellen, das Blut bei nicht zu hoher Temperatur an der Luft verkohlt, ^lie Kohle in der Muffel gegl\u00fcht und den Rest derselben endlich durch Zuf\u00fcgen von salpetersaurem Ammoniak verbrannt.\nc. Die Gasarten des Gesammtblut.es sind noch zu erw\u00e4hnen, weil\nhier\u00fcber am Blute, wie es aus der Ader kommt, die wichtigsten Beobachtungen angestellt sind.*) \u2014 Das ven\u00f6se Blut enth\u00e4lt Kohlens\u00e4ure (J. Davy, Enschut), Stickgas (Enschut), Sauerstoffgas (H. Davy, Magnus), welche entweder durch Vermehrung ihres Ausdehnungsbestrebens, oder durch Verminderung des auf ihnen lastenden Druckes (Enschut, Bisch off) entfernt werden k\u00f6nnen.\nDas Ausdehnungsbestreben der Gase wird bekanntlich durch Erw\u00e4rmung derselben erh\u00f6ht und somit k\u00f6nnen durch die Erw\u00e4rmung des Blutes die erw\u00e4hnten Luftarten ausgetrieben werden. Den Druck, unter dem die Gase stehen, mindert oder vernichtet man entweder, wenn man das Blut in den luftleeren Raum bringt, oder eine Gasart (iber^asselbe schichtet, welche nicht schon in ihm enthalten ist. S.\nBd. I. p. 52.\nVon den Beziehungen des Blutes zu der Kohlens\u00e4ure, dem Sauerstoffgas und Stickgas ist nun durch genaue Versuche von Magnus**) bekannt,\ncc. dass 100 Vol. Blut, von allem aufgel\u00f6sten Sauerstoff und Stickgas befreit, bei mittlerer Temperatur und unter dem Atmesph\u00e4rendruck ungef\u00e4hr 150 Vol. Kohlens\u00e4ure verschlucken und ferner, dass die gleiche Menge Blut, wenn sie von aller C02 befreit ist, 10 bis \u00ce2 Vol. Sauerstoffgas und 1,7 bis 3,3 Vol. Stickgas aufsaugt.\nZur Feststellung dieser Thatsache befreite Magnus das Blut von Rindern, K\u00e4lbern oder Pferden vollkommen entweder von C02 und impr\u00e4gnirte dasselbe dann bis\n*) J. M\u00fcller, Lehrbuch d. Physiologie. IV. Aufl. I. 248.\n**) Poggendorf, Annalen. 40. Bd. p. 588. und 66. Bd. p. 177.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Gasarten des Bluts.\nzur S\u00e4ttigung mit atmosph\u00e4rischer Luft, oder er entzog ihm alles Stick- und Sauerstoffgas und erf\u00fcllte es vollkommen mit Kohlens\u00e4ure. Wenn er z. B. die F\u00e4higkeit des Blutes, Kohlens\u00e4ure zu verschlucken, erfahren wollte, so sch\u00fcttelte er das frische, die drei Gasarten enthaltende Blut mit reiner Kohlens\u00e4ure ; war in dieselbe eine\nmerkliche Menge von Sauerstoff- und Stickgas abgedunstet, so erneuerte er die Kohlens\u00e4ure und zwar so oft, als das Blut noch merkliche Mengen der beiden andern Gase abgab. Darauf sch\u00fcttelte er bis zur vollkommenen S\u00e4ttigung mit C02.\nDiese Versuche berechtigen nicht zu der Annahme, dass das lebende Blut in 100 Theilen 150 Vol. C02, 10 bis 12 Vol. Ogas und 2 bis 8 Vol. Ngas enthalte. Denn in der That f\u00fcllt sich das lebende Blut, wie wir noch sehen werden, unter ganz andern Bedingungen mit Luft.\n\u00df. Ann\u00e4hernd k\u00f6nnen wir angeben, in welchen Volumverh\u00e4ltnissen die drei Gasarten in einer Volumeinheit des lebenden Blutes enthalten sind. Nach Versuchen von Magnus besitzt ein aus dem ven\u00f6sen Blute eines Pferdes ausgetriebener Luftantbeil in 100 Volumtheilen die Zusam-\nr o o n\\\n82* 2 1 ) Un<^ C^er aus \u00b0*em ye~ n\u00f6sen Blute des Kalbes 76,7 C02 ; 13,6 0 und 9,7 N. ^7 9-1^4.\nMagnus liess, um die Luft des lebenden Blutes zu gewinnen, dieses aus der Ader unmittelbar in eine mit luftfreiem Quecksilber gef\u00fcllte Flasche steigen, in der es bis zur Entfernung des Faserstoffs gesch\u00fcttelt wurde. Auf diese Flasche wurde eine andere luftleere aufgeschraubt, dann eine Kommunikation zwischen beiden Flaschen hergestellt, so dass vom Blute Gas in den luftleeren Raum entweichen konute ; dieses Gas, welches seiner Menge und Zusammensetzung nach untersucht werden konnte, war unzweifelhaft nur ein geringer Theil desjenigen, welches \u00fcberhaupt im Blute enthalten war. Die obigeD Zahlenverh\u00e4ltnisse haben darum nur unter der Voraussetzung einen Werth, dass die Luft im Vacuum ungef\u00e4hr dieselbe Zusammensetzung hat, wie im Blute. Diese Annahme, obwohl sie von ausgezeichneten Physikern gebilligt wird, k\u00f6nnte aber noch angefochten werden, weil die Gase im Blute nicht einfach diffnndirt sind. Man d\u00fcrfte es unter diesen Umst\u00e4nden wahrscheinlich finden, dass das eine der beiden Gase inniger gebunden sei, als das andere.\nmensetzimg 72,1 C02,* 18,8 0; 9,1 N; ^\ny. Die Kohlens\u00e4ure und das Sauerstoffgas sind im Blute zum Theil einfach diffundirt, zum Theil in irgend einer andern Weise festgebunden. Dieses schliessen wirnach Magnus daraus, dass die innerhalb des Blutes enthaltenen Gasarten nicht mehr dem Mar io tte\u2019sehen Gesetz entsprechend, mit deh\u00fc Wechsel des auf dem Blut lastenden Druckes sich ausdehnen oder zusammenziehen.\nDie C02 ist, wie wir schon bei dem Serum wahrscheinlich fanden, zum Theil wenigstens entweder mit dem NaO chemisch, oder mit dem phosphorsauren Natron adh\u00e4siv verbunden. Auf welche Art das Sauerstoffgas im Blute verdichtet wird, ist dagegen noch vollkommen unklar.\nAls Magnus den Absorptionscoeffizienten des Bluts f\u00fcr ein Gas zu bestimmen suchte, mit andern Worten, welches Volum eines beliebigen Gases die Volumeinheit Blut aufzul\u00f6sen verm\u00f6ge, ergab sich, dass in diesem Sinne unserer Fl\u00fcssigkeit kein Absorptionscoeffizient zukomme. Denn es wechselte, dem Dal 10n\u2019sehen Diffasions-\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nGasarten des Bluts.\ngesetze entgegen, das Volum des aufgel\u00f6sten Gases mit dem Druck, unter dem es sich befand.\nDie n\u00e4chste Aufgabe einer die \u00dflutgase betreffenden Untersuchung d\u00fcrfte demnach darin bestehen, zu ermitteln, von welchen Zust\u00e4nden und von welcher Zusammensetzung des Bluts seine Absorptionsf\u00e4higkeit abh\u00e4ngt.\nDas spezifische Gewicht des Bluts giebt man im Mittel zu 1055 (das des Wassers = 1000) an. \u2014 Die Bestimmung dieser Eigenschaft ist bei einem so complizirten Gemenge wie das Blut jm Allgemeinen von untergeordnetem Werth, da bei gleichem spez. Gewicht eine ungeheure Variation in der chemischen Zusammensetzung eintreten kann, je nachdem sich spez. leichte und spez. schwere Bestandtheile mit einander ausgleichen ; und ebenso kann ein Ab- oder Zunehmen des Eigengewichtes zahlreiche Auslegungen erfahren.\nDer W\u00e4rmegrad des Blutes in den Hautvenen schwankt um mehre Grade der hunderttheiligen Scala; wir werden hierauf erst bei der thierischen W\u00e4rme eingehen, wo wir \u00fcberhaupt auch die W\u00e4rme der andern Blutarten behandeln. \u2014 Die W\u00e4rmekapazit\u00e4t des Blutes ist von J. Davy *) nach der Mischlings- und Abk\u00fchlungsmethode bestimmt worden und nach der ersteren zu 0,83 und nach der zweiten zu 0,93 gefunden. Die Versuche scheinen aber kaum mit der n\u00f6thigen Vorsicht ausgef\u00fchrt zu sein.\nDie chemischen Pathologen besch\u00e4ftigen sich vielfach noch mit einigen Erscheinungen, z. B. wie fest und wie rasch der \u00dflutkuehen geronnen sei, auf welches Volum er sich zusammenzieht, wie rasch die Blutk\u00f6rperchen sinken u. s. w. Unzweifelhaft deuten diese Erscheinungen auf besondere Zust\u00e4nde des Bluts; aber es gew\u00e4hren uns die bis dahin gewonnenen Erfahrungen keine Einsicht in das Innere des Blutes. He nie **) und Lehmann***) sind hier\u00fcber nachzusehen.\nVergleichung anderer Blutarten.\nUm festzustellen, ob die Abweichungen, welche das Blut der aus verschiedenen Gef\u00e4ssen, Altersstufen, Geschlechtern u. s. w. von dem so eben geschilderten bietet, in Wahrheit abh\u00e4ngig sind von dem Fundort und den andern so eben ber\u00fchrten Verh\u00e4ltnissen, mussten begreiflich entweder alle \u00fcbrigen Bedingungen, die auf die Blutzusammensetzung Einfluss \u00fcben, gleich gemacht werden, oder es m\u00fcsste das Mittel so zahlreicher Analysen verglichen werden, dass man mit Wahrscheinlichkeit die Annahme machen k\u00f6nnte, es sei die jeder Blutart unwesentliche Eigenthitmlichkeit, durch gegenseitige Compensation eliminirt worden. Diese Forderungen sind nicht \u00fcberall erf\u00fcllt und es bleibt schon aus diesem Grunde in den folgenden Mittheilungen manches Schwankende.\n*) Schweigger\u2019s Journal f\u00fcr Chemie u. Phys. XV. 462.\n**) Rationelle Pathologie. II. 15.\n**\u2022) Physiolog. Chem. II. 147.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"ArterienMut.\n21\nA r t e r i e n b 1 u t.\nDas in den Arterien enthaltene Blut des Menschen kann nur selten gewonnen werden ; alle ausf\u00fchrlichen Untersuchungen sind darum am Thiere unternommen worden.\nDie Blutfl\u00fcssigkeit der Arterien ist nach \u00fcbereinstimmenden Angaben*) in 100 Theilen reicher an Fibrin, an Extractivstoffen, Salzen und Wasser, \u00e4rmer dagegen an Eiweiss und Fetten, als die \u00c91 utfl\u00fcssigkeit aus den Hautadern. Das ven\u00f6se Fibrin ist durch seine L\u00f6slichkeit in Salpeterwasser vor den arteriellen ausgezeichnet.\nDiese Angaben st\u00fctzen sich vorzugsweise auf die Untersuchungen von Nasse, von Lehmann, (das Blut der Verzweigung der a. carotis und vena jugularis des Pferdes) und von Wiss (das Blut der a. carotis und vena renalis vom Hunde). Abweichende altere Angaben finden sich beiLecanu, Denis, Hering u. s. w.\u2014Die Unterschiede in den einzelnen Bestandteilen sind wie folgend gefunden worden: lOOTheile des Blutes der Arterien vom Pferde enthalten 0,68 pCt,, aus der Drosselvene aber 0,54pCt. F a s e r s t o ff (L eh ma n n) ; lOOTheile des Bluts vomHunde, (Carotiden), enthalten 0,20 bis 0,22 pCt. und die Nierenvene 0,16 Faserstoff (Wiss). Dasselbe best\u00e4tigt Nasse aus Untersuchungen am Menschen. \u2014 100 Theile Serum vom Pferdeblut gaben, aus der Arterie 11,43 pCt., aus der Vene 7,22 pCt. Eiweiss (Lehmann). \u2014 In 100 Theilen festen Biickstandes vom Serum des Pferdes erhielt Lehmann aus den Arterien 5,37 pCt., aus der Vene 3,62 pCt. Extractivsteffe.. \u2014 100 Theile festen Serumsr\u00fcckstandes vom Pferde gaben aus der Arterie 1,46 bis 2,47 pCt., der aus der Vene 2,22 bis 2,98 pCt. Fette. \u2014 100 Theile Serum des Pferdebluts gaben aus der art. temporalis 89,33 pCt. und aus der Jugularvene 86,82 pCt. Wasser.\nDie Behauptung, dass die arteriellen und ven\u00f6sen Blutk\u00f6rperchen sich r\u00fccksichtlich ihrer Zusammensetzung von einander unterscheiden, ist nicht erwiesen, da noch niemals ein reines Blutk\u00f6rperchen untersucht werden konnte.\nLehmann giebt an, dass sie sich in ihrem Eisen-, Salz- und Fettgehalte von einander unterscheiden sollen ; der obige Einwurf gilt gegen diese Behauptungen ebensowohl, wenn sie sich auf die Untersuchung der nach der Dumas sehen Methode dargestellten oder der nach der Schmidtsehen Angabe berechneten Blutk\u00f6rperchen beziehen.\nDas Gesammtblut der Arterien enth\u00e4lt ungef\u00e4hr 0,5 pCt. mehr Wasser, als aus den Venen. \u2014 In 100 Volum theilen Luft, welche Magnus aus dem arteriellen Blute des Pferdes austrieb, dessen wir schon Erw\u00e4hnung gethan, waren enthalten C02 55,1; Ngas 25,5; Ogas 19,3\n^\t^ und in 100 Volumtheilen Luft aus dem arteriellen\nBlute des schon erw\u00e4hnten Kalbes C02 \u00f64,7 ; Ogas 24,1; INgas 11,0\n/ co2 o rs \\\nV\u201d 2,7: 1:0,5/\nAus einem Vergleiche des ven\u00f6sen und arteriellen\n*) Nasse, Artikel Pdot, Wagners Handw\u00f6rterbuch. I. Bd. 168.\u2014 Lehmann, physiolog. Chemie. II. Bd. 228. \u2014 Wis\u00bb, Virchow, Archiv. I.Bd.256.\u2014 Funke, H en les und Pfeuffers Zeit* Schrift, Neue Folge. I. Bd. 172. \u2014 Clement corapt, rend. XXI, 289.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nMilzaderblut.\nBlutes geht somit hervor, dass das letztere im Verh\u00e4ltnis zu den \u00fcbrigen Gasarten mehr 0 enth\u00e4lt, als das erstere, und das erstere mehr C02 im Verh\u00e4ltniss zum Sauerstoff enth\u00e4lt, als das letztere.\nDie von den Autoren angegebenen Differenzen zwischen dem Gehalt des ven\u00f6sen und arteriellen Blutes an Blutk\u00f6rperchen sind thatsachlieh nicht festgestellt.\nDie Farbe der ven\u00f6sen Blutk\u00f6rperchen ist hei durchfallendem Lichte gr\u00fcn, bei auffallendem dunkelroth, die der arteriellen dagegen immer hellroth. Die Veranlassung dieser Farbenum\u00e4nderung giebt un-bezweifelt die gr\u00f6ssere Menge Sauerstoff (Bruch)*) und die geringere Menge von Kohlens\u00e4ure (Br\u00fccke), welche das arterielle Blut im Vergleich zu dem ven\u00f6sen enth\u00e4lt. Durch die Beobachtungen von Bruch und durch die noch schlagenderen von Br\u00fccke, welche diese Farbenver\u00e4nderungen auch an w\u00e4sserigen und weingeistigen L\u00f6sungen des Blut-roths mittelst der erw\u00e4hnten Gase hervorbringen konnten, ist die alte Meinung, welche die Farben Ver\u00e4nderung von einer Verdichtung und Verd\u00fcnnung der Blutk\u00f6rperchenh\u00fcilen abh\u00e4ngig machen wollte, beseitigt. Welche innere Ver\u00e4nderung das Blutroth unter dem Einfluss der erw\u00e4hnten Gasarten erf\u00e4hrt, ist zur Zeit noch unbekannt.\nDie Beweiss\u00e4tze, auf welche sich die obigen Behauptungen gr\u00fcnden, sind einfach die, dass das dunkle Blut hellroth wird, wenn es mit Sauerstoff in Ber\u00fchrung kommt und von diesem einen Antheil aufnimmt. Dieser Vorgang geht nun auch in der That bei der Umwandlung des ven\u00f6sen in arterielles Blut vor sich, indem es in der Lunge der eingeathmeten Luft dargeboten wird. \u2014 Das helle Bluth oder die Blutrothl\u00f6sung wird aber dunkel oder dichroitisch, wenn ihm der Sauerstoff wieder entzogen wird, oder wenn es mit C02 in Ber\u00fchrung kommt. \u2014 Man hat \u00f6fter dar\u00fcber gestritten, ob die Verbindung des BJutroths mit dem Sauerstoff eine chemische oder physikalische sei ; dieser Streit hat keinen Sinn, so lange man nicht definirt, worin der Gegensatz beider Verbindungsweisen ruht. Ausser den erw\u00e4hnten wirken auch noch andere Gase, und die L\u00f6sungen vieler Salze ver\u00e4ndernd auf die Blutfarbe. Die weitere Untersuchung dieser Ver\u00e4nderung hat vorerst keinen physiologischen Belang.\nBlut der Milzader**).\nBeim Pferde ist nach Funcke das Blut der Milzvene reicher an Faserstoff, als das der Milzarterie ; in der erstem schwankte es zwischen 0,5 bis 0,4, in der letzteren zwischen 0,2 bis 0,17. Eine vergleichende Untersuchung des Serums ergab :\n\tArterie.\tVene.\tArterie.\tVene.\nWasser\t90,97\t91,41\t91,69\t91,44\nEiweiss\t7,40\t5,84\t6,16\t6,47\nFett u.\tExtrade 0,74\t1,64\t1,33\t1,13\nSalze\t0,67\t1.1 J /\t- 0,82\t0,95\n*) Zeitschrift f\u00fcr wissenschaftliche Zoologie. IV. 373.\n*\") Funcke, Heute und Pfeoffers Zeitschrift. N. F. I. 172, \u2014 Beelard, &9ert XXI. 506,\nAnnales de chixn. et phvs,\nv V","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Pfortaderblut.\n23\nZucker, Harnstoff, Harns\u00e4ure, Galleribestandtheile wurden in den Extracten nicht gefunden. Die gef\u00e4rbten Blutk\u00f6rperchen der Vene waren kleiner, als die gew\u00f6hnlichen des Pferdes, ihr Inhalt krystallisirt vorzugsweise leicht; farblose Zellen sind in sehr grosser Zahl vorhanden und daneben K\u00f6rnchenzellen und Faserstoffschollen.\u2014 Das Gesammtblut beider Gef\u00e4sse verglichen, ergab :\nArterie.\tVene.\tArterie.\tVene.\nWasser\t83,58\t73,06\t74,44\t81,58\nFeste Bestandteile 16,46\t26,93\t25,55\t18,41\nDie Beohaehtungsobjekte waren von 2 Pferden genommen, die 5 Stunden nach der F\u00fctterung get\u00f6dtet waren.\nBe dard verglich hei Hunden das Milzhlut mit dem der v. jugularis\nv. jugular. v. lienal.\nWasser\t77,89\t74,63\nFeste Bestandtheile\t22,11\t25,37\nBlut der Pfort- und Leberader*).\nBeim Pferde enth\u00e4lt nach Lehmann das Pfortaderblut 0,42 bis 0,59 pCt. Faserstoff, w\u00e4hrend das der Lebervene ganz frei davon sein soll. \u2014 Das Serum beider Blutarten verglichen, ergab :\n\tPferd 5 Stunden nach der F\u00fctterung get\u00f6dtet.\t\tPferd 10 Stunden nach der F\u00fctterung get\u00f6dtet.\t\n\tPfortader.\tLeberader.\tPfortader.\tLeberader.\nWasser\t\t92,26\t89,30\t92,17\t89,42\nAlbumin\t\t6,20\t7,47\t6,01\t7,70\nSalze\t\t0,78\t0,70\t0,83\t0,88\nExtracte und Fette .\t0,76\t2,53\t0,98\t2,00\nDie Zusammensetzung von 100 Theilen festem Serumr\u00fcckstandes war:\nFett.................\nExtracte u. l\u00f6sl. Salze Eiweiss ........\n3,61\n14,50\n81,89\n2,68\n25,95\n71,37\n3,76\n13,50\n82,73\n2,50\n22,33\n75,12\nDie Extracte .der Pfortader enthalten, wie Cl. Bernard entdeckte und Lehmann best\u00e4tigt, nur sehr wenig oder keinen Zucker, w\u00e4hrend die der Leberader sehr reich daran sind. So fand Lehmann in 100 Theilen trockenen R\u00fcckstandes vom Pfortaderblut h\u00f6chstens 0,01 bis 0,05 pCt. Zucker, w\u00e4hrend gleiche Menge trockenen R\u00fcckstandes der Leberader 0,63 bis 0,89 pCt. gaben. Dieser Punkt findet noch einmal eine ausf\u00fchrlichere Ber\u00fccksichtigung bei der Leber.\nDie farbigen Zellen des Lebervenenblutes sind kleiner und mehr kugelig, als die der Pfortader; sie werden vom Wasser weniger leicht\n\u00dc Lehmann, Leipziger Bericht maiheuutt, pbysik, Klasse. XII. 1-31.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nD\u00fcnndarm- und Nierenaderblut.\nausgedehnt. Neben diesen ver\u00e4nderten farbigen kommen im Leberaderblut sehr viele farblose Zellen vor.\nDas Gesammtblut der Thiere, von dem die Serumanalvse mitgetheilt wurde, enthielt:\nI.\tII.\nPfortader. Leberader.\tPfortader.\tLeberader.\nWasser 76,92\t68,64\t86,23\t74,31\nR\u00fcckstand 23,08\t31,35\t13,76\t25,69\nDer Eisengehalt in 100Theilen R\u00fcckstand des Gesammtbluts schwankte in der Pfortader zwischen 0,213 bis 0,164 pCt., in der Leberader zwischen 0,140 und 0,112. Der Fettgehalt desselben R\u00fcckstandes betrug im Mittel aus der Pfortader 3,4 pCt., aus der Leberader 2,1 pCt.\nBlut der D\u00fcnndarmader*).\nVergleichende Bestimmungen des Hundebluts aus der vena jugularis und mesaraica gaben (W i s s)\n\tSerum.\t\tGesammtblut.\t\n\tDarmader.\tHalsader.\tDarmader.\tHalsader.\nWasser\t R\u00fcckstand ......\t91,65 8,35\t92,23 7,77\t78,71 21,28\t78,79 21,20\nBlut der Nieren ade r.\nDer Wasser- und Faserstoffgehalt des Blutes der Nierenader (beim Hunde), verglichen mit dem der Carotis und der Nierenarterie gaben (Wiss)\n\tSerum.\t\tGesammtblut.\t\n\tCarotis.\tNierenader.\tCarotis.\tNierenader.\nWasser\t\t91,38\t91,17\t79,15\t78,43\nFeste Bestandtheile .\t8,62\t8,83\t20,08\t21,57\nFaserstoff\t\t\t-\t\t0,25\t0,16\n\tNierenarterie.\tNierenader.\tNierenarterie.\tNierenader.\nWasser\t\t92,68\t92,25\t77,97\t78,45'\nFeste Bestandtheile .\t7,34\t7,75\t22,02\t21,54\nFaserstoff\t\t\u2014\t\u2014\t0,15\t0,15\nDie Ver\u00e4nderung der Blutzusammensetzung mit der N a hr u n g**).\nBei den Worten Vermehrung und Verminderung ist fortlaufend der\nprozentische Werth zu suppliren.\n,*\"\u25a0\u25a0\u25a0 - \u20141\u2014 \u2014 \u2014?\t\u25a0 1 \u25a0\u00bb\n*) Virchow\u2019s Archiv. I. 256.\n**) Nasse, Ueber den Einfluss der Nahrungsmittel auf das Blut. 1850. Poggiale, compt. rend. XXV. 110. Ver de il, Liebigs Annalen. 69. Bd. p. 89, \u2014 Thomson, London medical, pazette. 1845.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderung der Blutzusammensetzung mit der Nahrung.\t25\nDer Faserstoffgehalt des Hundeblutes nimmt nach Fleischgenuss in den ersten sieben Stunden eher ab als zu (Andral, Nasse). Nach anhaltender Fleischnahrung wird der Faserstoff betr\u00e4chtlich vermehrt (Lehmann, Nasse), rein vegetabilische vermindert ihn (Lehmann), Hungern soll nach Andral ihn vermehren, nach Nasse vermindern; der letztere Autor leitet den Widerspruch zwischen diesen Beobachtungen aus den h\u00e4utigen (Faserstoffvermehrung bewirkenden) Aderl\u00e4ssen her, welche Andral an seinen Thieren behufs der Untersuchung ausf\u00fchrte.\nDer Serumr\u00fcckstand (Eiweiss, Salze und Fett) nimmt einige Zeit nach der Anf\u00fcllung des Magens mit verdaulichen Stoffen zu. Nach anhaltender vegetabilischer Nahrung und besonders nach Zucker ist er h\u00f6her, als nach ausschliesslicher Fleischnahrung. Durch Hunger vermindert. Nasse.\nNach Fleischnahrung enth\u00e4lt das Serum den aus dem verd\u00fcnnten Blut durch Essigs\u00e4ure f\u00e4llbaren Eiweissstoff in gr\u00f6sserer Menge (Nasse).\nDer Fettgehalt des Serums steigert sich vorzugsweise nach dem Genuss von Schweinefett, Knochenmark und Butter; weniger nach Oel, Seife, Talg. \u2014 Schliesst man aus der Tr\u00fcbung des Serums durch Fettpartikelchen (Serums-Rahm) auf vermehrten Fettgehalt, so beginnt die Vermehrung des Fettes eine halbe Stunde nach der fettreichen Mahlzeit ; nach 12 Stunden ist das Ansehen des Serums wieder zu seiner normalen Beschaffenheit zur\u00fcckgekehrt. Zusatz von Minerals\u00e4uren und kohlensaurem Natron versp\u00e4tet, von phosphorsaurem Natron beschleunigt den Eintritt der Serumstr\u00fcbung nach fettreicher Nahrung. \u2014 Das klare Serum kann aber auch fettreich sein; das Fett des tr\u00fcben ist fl\u00fcssiger und verseifbarer, als das des klaren Serums.\nNach Genuss von Brod erscheint im Blute Traubenzucker; kurze Zeit nach dem Essen ist Zucker deutlicher nachweisbar, als sonst. (T h o m s o n).\nDie Zahl der Lymph k\u00f6r per eben nimmt bei hungernden Fr\u00f6schen im Verh\u00e4ltniss zu den rothen Blutk\u00f6rperchen ab (Wagner, Do riders und Mole^chott); ebenso bei Kaninchen; bei Menschen steigert sich die Zahl nach der Mahlzeit und nimmt wenige Stunden nach derselben betr\u00e4chtlich ab (Harting, Ko Hiker).\nDer Wassergehalt des Gesammtbluts ist nach einer Fleischkost geringer, als nach Brod- und Kartoffelnahrung. Im Mittel betrug der Wassergehalt nach Fleischdi\u00e4t 78,4 pCt. und nach Pflanzenkost 79,2 pCt. \u2014 Entziehung jeglicher (fester und fl\u00fcssiger) Nahrung vermindert in den ersten Tagen den Wassergehalt. Entziehung der festen Nahrung bei Wassergenuss vermehrt in den ersten Tagen den Wassergehalt, sp\u00e4ter aber vermindert er sich bei dieser Lebensweise ebenfalls (Simon, ih Nasse). \u2014 Vermehrung des Wassergenusses bei gleichbleibender","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"2\u00f6\nBlut verschiedener Geschlechter und Lebensalter; Blutmenge.\nMenge fester Nahrungsstoffe ist ohne Einfluss auf den Wassergehalt des Blutes. Durch Vermehrung der festen Nahrungsbestandtheile soll der Wassergehalt des Bluts zu vermindern sein, \u2014 In den ersten acht bis neun Stunden nach der Mahlzeit soll der Wassergehalt im Abnehmen und dann wieder im Zunehmen begriffen sein (H. Nasse). Nach Poggiale und Plouvier soll durch reichlichen Kochsalzgenuss der Wassergehalt bei den Wiederk\u00e4uern und dem Menschen abnehmen, eine Thatsache, welche Nasse f\u00fcr das Hundeblut ung\u00fcltig fand.\nDer Fettgehalt des Gesammtbluts verhielt sich der Nahrung entsprechend folgendermassen beim Hunde: nach 4t\u00e4gigem Hungern 0,26; nach Brodnahrung 0,31 ; nach Fleisch 0,38 ; nach Schmalz und St\u00e4rkemehl 0,41 (H. Nasse). Diese Angaben findet Bous sing a ult bei V\u00f6geln nicht best\u00e4tigt. \u2014 Nach Pflanzenkost ist das Blutfett fester und weisser, als nach Fettnahrung (Nasse).\nDas Kochsalz vermehrt sich nach Kochsalzgenuss ; dieser Salz\u00fcberschuss verschwindet bald wieder (Poggiale, Nasse); die Phosphors\u00e4ure ist reichlicher nach Fleischkost, als nach Pflanzennahrung (Ver d ei I, Nasse); Magnesia und Kalk mehr nach Pflanzen-, als nach Fleischkost. Durch Hunger werden der Kalk und die kohlensauren Alkalien nicht ge\u00e4ndert, \u2014 Der Salzgehalt im Ganzen ist bei der Fleischnahrung gr\u00f6sser als bei Pflanzennahrung. \u2014 Ueber relative Ver\u00e4nderungen des Salzgehaltes in der Asche siehe Ver de il 1. c.\nDie Angaben von H. Nasse beziehen sich s\u00e4mmtlich auf das Hundeblut; die Vorsicbtsmassregeln , die bei den Untersuchungen \u00fcber die Variation der Blutzusammensetzung mit der Nahrung zu nehmen sind, siehe bei diesem Schriftsteller.\nDie Ver\u00e4nderungen des Bluts nach Entziehung desselben sind hier noch namentlich der Untersuchungsmethoden des Bluts wegen zu erw\u00e4hnen. Es soll hierdurch der Wasser- und Faserstolfgehalt des Bluts vermehrt werden; die Verd\u00fcnnung des Bluts soll namentlich so rasch vor sich gehen, dass schon die verschiedenen Portionen desselben Aderlass - Bluts eine abweichende Zusammensetzung darbieten. (Zimmermann, Nasse, Popp). \u2014 Die Lvmphk\u00f6rperehen sollen sich im Verh\u00e4ltuiss zu den farbigen K\u00f6rperchen sehr vermehren (Remak) und die Zahl der farbigen absolut abnehmen. (Vierordt) *).\nBlut verschiedener Geschlechter und Lebensalter.\nDas Blut im kindlichen Alter soll am reichsten, das im h\u00f6hern Alter am \u00e4rmsten an festen Bestandtheilen sein.\nDas Blut der Frauen fand man im Allgemeinen reicher an Wasser und Fett und \u00e4rmer an l\u00f6slichen Salzen, als das der M\u00e4nner.\nIn der Schwangerschaft soll das Blut faserstoff- und wasserreicher, dagegen eiweissarrner als gew\u00f6hnlich sein.\nBlut menge.\tt\nDie Menge des Bluts, welche ein Mensch enth\u00e4lt, muss voraussicht-\n*) Archiv f. physiol. Heilkunde, XIII. 2q9,","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Blutmenge.\n27\nlieh eine Funktion zahlreicher Umst\u00e4nde, z. B. des K\u00f6rpergewichts, der Vollsaftiskeit u. s. w., sein. Wir sind nicht im Stande, auch nur f\u00fcr einen\nFall eine sichere Angabe \u00fcber die Blutmenge zu machen, geschweige,\n\\\ndass wir sie in ihrem Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltniss zu den bezeichneten Umst\u00e4nden darstellen k\u00f6nnten.\nBei direkten Beobachtungen an enthaupteten Menschen fand Ed. \\Y eher und Leb m an n *) die Blutmenge zu 1/8, nach einer Versuchsreihe an lebenden Hunden sch\u00e4tzt sie Valentin**) auf lj4 bis J/5, Welker***) dagegen nach einer Versuchsreihe an Kinder- und S\u00e4ugethierleichen auf\ni i\nl \u25a0:\nbi\ns\n/19\ndes K\u00f6rpergewichts.\nDie Bestimmungsmethode von Valentin beruht auf folgender Betrachtung. Gesetzt, es sei X die Menge des R\u00fcckstandes, welchen das gesammte eingetrocknete Biut eines Thieres hinterlassen w\u00fcrde, und Y das Wasser dieses Bluts, so w\u00fcrde\nY -f X die Bl\u00fctmasse dieses Thieres darstellen. 100 Theile dieses Bluts w\u00fcrden ein-\n100 X\ngetrocknet hinterlassen R =\t\u2014 y (1). Das R der Gleichung (1) kann aber auf\nbekannte Weise empirisch bestimmt werden. F\u00fcgt man nun zu der Blutmasse X + Y ein bekanntes Gewicht destillirten Wassers a, so wird die in den Blutgef\u00e4ssen vor-\n100 X\nhandene Fl\u00fcssigkeit jetzt = X 4- Y 4- a. u. R' \u2014 y4-\u0178^f \u00e4\nIn dieser Gleichung ist aber R' abermals nach bekaunten Regeln zu bestimmen\na RR'\t(100 R) Ra Um die Gr\u00f6sse\nund wir h\u00e4tten somit X =\nund Y\n(R-R') 100\t(R\u2014R')\t100\nR und R' zu gewinnen, machte man dem zu untersuchenden Thiere einen kleinen Aderlass, injizirt darauf in die ge\u00f6ffnete Vene eine bekannte Gewichtsmenge destillirten Wassers und entzieht nach einiger Zeit abermals Blut. Dann bestimmt man durch Eintrocknen den Gehalt beider Blutarten an festen Bestandteilen. \u2014 Valentin und Veitf) f\u00fchrten eine Reihe solcher Untersuchungen an Hunden, Katzen, Schafen, Ziegen und Kaninchen aus. Da sich die Blutmengen der Hunde ziemlich \u00fcbereinstimmend zu 1/4 bis Vs des K\u00f6rpergewichts berechneten, und da die Lebensweise dieser Thiere unter allen untersuchbaren sich am meisten der des Menschen anschliesst, so glaubte sich Valentin berechtigt, das Verh\u00e4ltniss jhres Blut- und K\u00f6rpergewichtes auf den Menschen \u00fcbertragen zu d\u00fcrfen, eine Annahme, die immerhin etwas Willk\u00fchriiches hat. \u2014 Abgesehen hiervon hat man aber der Methode auch noch 2 Einw\u00fcrfe gemacht. Einmal glaubte mau, dass das blutverd\u00fcnnende Wasser in den Gef\u00e4ssen nicht zur\u00fcckgehalten werde, sondern durch die Nieren, Speicheldr\u00fcsen, ser\u00f6sen H\u00e4ute u. s. w. austrete. Dieser Vorwurf ist nicht so gegr\u00fcndet, wie er auf den ersten Blick erscheint; mindestens geht in der ersten halben Stunde nach der Was-sereinspr\u00fctzung keine Steigerung jener Absonderungen und somit auch keine Steigerung der Conzentration des Blutes vor sich, selbst wenn das Blut bedeutend verd\u00fcnnt worden war (Veit, Kierulf.)\u2014 Gewichtiger erscheint der zweite Einwand, dass nemlich die Mischung von Blut und Wasser nicht eine \u00fcberall innige sei, weil das Blut in den verschiedenen Abtheilungen seiner Bahn von ungleicher Geschwindigkeit ist.\nWir haben in der That schon gesehen, dass in den verschiedenen Gef\u00e4ssen Blut von ungleichen R\u00fcckstandsprozenten enthalten ist. Ueber die Einzelheiten der Ausf\u00fchrung dieser Versuche siehe Veit.\n*) Physiolog. Chemie. II. 269.\n\u2019*) Physiologie. 2. Aufl. I. 494. \u2014\n**) 1. c. p. 63.\nj) Observationum cle sanguinis quantitate \u00eeecensio. Halle 1848","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nBlutbewegung ; physikal. Einleitung.\nEd. Weber liess die Verbrecher vor und nach der Enthauptung w\u00e4gen. Der Unterschied gab das nach der Enthauptung entleerte Blut und zu gleicher Zeit bestimmte er den prozentigen Werth des festen R\u00fcckstandes in dem ausgeflossenen Blut. Ausserdem aber spr\u00fctzte er so lange in die Arterien des Kopfs und Rumpfs Wasser, als aus den Venen noch eine rothgef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit drang. Diese Fl\u00fcssigkeit verdampfte er zur Trockne und wog ihren R\u00fcckstand. Aus dem Gewicht dieses letztem und dem bekannten Gehalt des Bluts an festen Bestandtheiien konnte berechnet werden, wie viel Blut durch das eingespr\u00fctzte Wasser ausgesp\u00fclt war.\nH. Welker benutzte zu seinen Bestimmungen die F\u00e4rbekraft des Blutes; nachdem er sich eine Probe des normalen Bluts von dem zu untersuchenden Thiere zu-\n\u00ab\nr\u00fcckgestellt, spriitzt er in die Ge fasse desselben so lange lauwarmes Wasser, bis aus denselben die Fl\u00fcssigkeit vollkommen farblos hervordringt und presst endlich die Organe, in welche etwa Blut aus den Gef\u00e4ssen gedrungen ist, sodass es durch das Wasser nicht ausgesp\u00fclt werden konnte, mit Wasser durch. Nachdem er diese roth-gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeiten vereinigt bat, misst er ihr Volum und verd\u00fcnnt nun die zur\u00fcckgehaltene Blutprobe so lange mit Wasser, bis sie genau die Tinte der Auswaschfl\u00fcssigkeit hat. In dieser letzteren wird nun dasselbe Yerh\u00e4ltniss zwischen Wasser und Blut bestehen, das sich in der verd\u00fcnnten Blutprobe und zwar als ein bekanntes findet; es wird sich somit durch einen Proportionssatz die Blutmenge, welche ausgewaschen ist, finden lassen. Wir m\u00fcssen erwarten , ob sich dieses Verfahren auch auf gr\u00f6ssere S\u00e4ugethiere anwenden l\u00e4sst; wenn m\u00f6glich, so d\u00fcrfte es ein sch\u00e4tzbares Hilfsmittel abgeben.\nAndere Methoden zur Ermittelung des Blutgehaltes sind entweder sichtlich unvollkommen, oder sie f\u00fchren zu etwas ganz anderem, als beabsichtigt. \u2014 Dahin geh\u00f6rt die W\u00e4gung einer erstarrenden Masse, w'elche in das Gef\u00e4sssystem eingespriitzt ist; man erhalt hieraus begreiflich nur eine Aussage \u00fcber die R\u00e4umlichkeit der GeF\u00e4sse bei einer bestimmten Spannung der W\u00e4nde.\nBlutbewegung.\nPhysikalische Einleitung.\nMechanische Anordnung der Fl\u00fcssigkeit. Die Fl\u00fcssigkeit ist dem Fr\u00fchem nach bekannt, als eine Zusammensetzung kleinster Theilchen, die durch massenfreie Zwischenr\u00e4ume von einander getrennt waren; diese kleinsten Theilchen standen unter dem Einfl\u00fcsse anziehender und abstossender Kr\u00e4fte, welche den Grad der N\u00e4herung und Entfernung, mit andern Worten den Durchmesser des Zwischenraums bestimmten. Einem jeglichen bestimmten Verh\u00e4ltniss dieser anziehenden und abstossenden Kr\u00e4fte entspricht nun ein bestimmter Abstand, so dass mit der einseitigen Steigerung der anziehenden oder der in diesem Sinne wirkenden die Fl\u00fcssigkeit dichter, und mit derjenigen der abstossenden weniger dicht wurde, w\u00e4hrend dieselbe Dichtigkeit der Masse, oder derselbe Abstand der Molekeln bestehen kann, bei einem sehr verschiedenen absoluten Werth der Kr\u00e4fte; denn es muss die Fl\u00fcssigkeit denselben Raum behaupten, wenn in dem Maasse ihre Temperatur und damit das Ausdehnungsbestreben gesteigert wird, in dem ein sie zusammenpressender Druck zunimmt.\nDa nun die Abst\u00e4nde, in welchen sich die Molekeln von einander befinden, in jedem Falle fest bestimmt sind durch die wirksamen Kr\u00e4fte ; da sie gleichsam aus-\n,*) Frankenheim, Die Coh\u00e4sion. 1835. \u2014 Krystallisation und Amorphie. Breslau, ohne Jahrzahl (1851). \u2014 Dove, Repertorium. I. Bd. 85. 98. 112 u. f., ibid. VII. Bd. \u2014 Berliner Berichte. II. Jahrg. p. 14 u. f. \u2014 Poisson, equations generales de l\u2019\u00e9quilibre et du mouvement etc. Journal de l\u2019ecole polytechnique, 20. Heft. \u2014 P? du Bois, Untersuchungen Uber die Fl\u00fcssigkeiten Berlin 1854,\t*\t^","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Mechanische Anordnung der Fl\u00fcssigkeit.\n29\neinander gehalten werden, so ist es erlaubt, als Grund ihrer Stellung eine Spannung zu setzen, ohne weiter darauf einzugehen, woher diese Spannung r\u00fchrt. Diese Ausdrucksweise f\u00fchrt nun auf nat\u00fcrlichem Wege zu einigen andern Bezeichnungen, nemlich zu der der nat\u00fcrlichen Spannung (des Ruhezustandes der Normalspannung) und zu der der erh\u00f6hten oder erniedrigten Spannung (Pressung, Druck, Ausdehnung). Diese Einteilung der Spannungen bezieht man auf zweierlei Dinge: einmal darauf, ob die Mittel, welche die Spannung bedingen, auch ohne unser Zuthun wirksam sind, ob also z. B. die inneren Zust\u00e4nde einer Fl\u00fcssigkeit nur durch ihr Gewicht, ihre latente W\u00e4rme, die Lufttemperatur u. s. w. bestimmt werden, oder ob wir sie noch durch andere Mittel zusammenpressen oder ausdehnen ; dann aber versteht man unter Normalspannung einen ganz bestimmten Werth der Spannung, wie z. B. den, welchen das Wasser bei einer Temperatur von 0\u00b0 oder 4\u00b0, bei einem ganz bestimmten Barometerstand u. s. w. besitzt. In diesem Falle muss nat\u00fcrlich jedesmal angegeben werden, welche Bedingungen es sind, die die Normalspannung bestimmen.\nDer absolute Werth der Wege, welchen die Molekeln der Fl\u00fcssigkeit bei einer Ver\u00e4nderung ihrer Spannungen vornehmen, sind nur, wie wir aus der Beobachtung sehen, unter allen Umst\u00e4nden sehr gering, denn das Wasser ist z. B. selbst durch bedeutenden Druck wenig compressibel und durch die steigende W\u00e4rme wenig ausdehnbar.\nDie Kr\u00e4fte, welche zwischen den Molekeln wirksam sind, weisen diesen innerhalb der Masse wohl einen bestimmten Abstand, keineswegs aber eiuen bestimmten Ort an; sie erlauben jedem einzelnen Theilchen Doch beliebig viele Stellungen gegen seine Nachbarn einzunehmen, vorausgesetzt nur, dass diese in der Entfernung liegen, welche der jeweiligen Spannung der Fl\u00fcssigkeit entspricht; mit andern Worten, die fl\u00fcssigen Molekeln sind aneinander verschiebbar; in der innigsten Beziehung zu dieser Eigenschaft steht die andere, dass die Ausdehnbarkeit und Compressibilit\u00e4t der Fl\u00fcssigkeit nach allen Richtungen hin gleich gross ist. Diese Erscheinuugen bedeuten nun offenbar nichts anderes, als dass das Molekel innerhalb der Fl\u00fcssigkeit nach allen Richtungen hin gleich stark angezogen und abgestossen wird, so dass es aller Orten sich in der Gleichgewichtslage findet. \u2014 Diese allseitig gleiche Wirkung der fl\u00fcssigen Theilchen (und somit auch ihre Verschiebbarkeit) ist jedoch weder eine vollkommene, noch eine unter allen Umst\u00e4nden gleiche. Denn in der That bestrebt sich das Molekel, in vielen F\u00e4llen die einmal eingenommene Stellung zu behaupten, ein Umstand, welcher sich durch die Z\u00e4higkeit oder Klebrigkeit der Fl\u00fcssigkeiten ausdr\u00fcckt. Diese Klebrigkeit wechselt aber erfahrungsgem\u00e4ss nicht allein mit der Temperatur, sondern auch mit der Zusammensetzug der Fl\u00fcssigkeit; namentlich aber kann die Z\u00e4higkeit ein und desselben fl\u00fcssigen Stoffes durch Zusatz l\u00f6slicher fester K\u00f6rper sehr erh\u00f6ht werden, wie insbesondere die des Wassers durch Aufl\u00f6sung von Zucker, Eiweiss, Schleimstoff, Seifen u. s. w.\nDiese Verschiebbarkeit, w\u00e4re sie auch noch so vollkommen, schliesst jedoch die Uoh\u00e4sion der fl\u00fcssigen Molekeln nicht aus, sondern l\u00e4sst sie sogar unserer Entwickelung nach als nothw'endig erscheinen. Ihr entsprechend konnte zwar das Molekel beliebig viele Stellungen zu seinen Nachbarn anBehmen, jedoch mit der Beschr\u00e4nkung, dass es in direkter Linie ihnen weder n\u00e4her, noch entfernter treten konnte, wofern die spannenden Kr\u00e4fte unver\u00e4ndert bleiben. Diese Coh\u00e4sion zeigt sich nun auch deutlich genug an den Fl\u00fcssigkeiten. Von allen Erscheinungen, durch welche sie bewiesen wird, sind am gel\u00e4ufigsten die der Capillarit\u00e4t. Bei diesen erhebt sich eine fl\u00fcssige S\u00e4ule \u00fcber das Niveau der \u00fcbrigen Fl\u00fcssigkeit der Schwere entgegen; es b\u00e4ngt also an der obersten Schicht der emporgehobenen Fl\u00fcssigkeit, ein langer Cylinder derselben, der durch seine Schwei/e von den an der R\u00f6hrenwand haftenden Partikeln abgezogen wird; w\u00e4re also keine Coh\u00e4sion vorhanden, so m\u00fcsste die Fl\u00fcs-","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nWirkungen eines Stosses oder Zuges auf eine Fl\u00fcssigkeit\nFig. 2.\n3\nsigkeitss\u00e4ule zerreissen. \u2014 Mit diesen Angaben steht es nur scheinbar im Widerspruch , dass ein in der Luft freischwebender Wasserfaden so leicht zerreisst und sich in einzelne Tropfen aufl\u00f6st, ohne dass irgend welche merkliche zerreissende Kraft vorhanden gewesen. Es kann hier nur erw\u00e4hnt werden, dass eine genauere analytische Betrachtung diesen Widerspruch vollkommen hebt, indem sie die Erscheinung gerade als eine Folge der nach allen Seiten gleichen Anziehung darstellt.\nDie Coh\u00e4sion der Fl\u00fcssigkeit ist bekanntlich ebenfalls ihrem Werth nach variabel und insbesondere wechselt sie mit der Temperatur. \u2014\nWirkungen eines Stosses oder Zuges auf eine Fl\u00fcssigkeit. Ein Stoss (Zug), der auf eine Fl\u00fcssigkeit trifft, kann ebensowohl ihre Spannung ver\u00e4ndern, als er sie auch zu bewegen vermag. Ein und derselbe Stoss bewirkt das eine oder andere, je nachdem die Fl\u00fcssigkeit in der Richtung des Stosses, der mangelnden oder vorhandenen Widerst\u00e4nde wegen, frei ausweichen kann oder nicht. Der Grund f\u00fcr diese Erfahrung ergiebt sich sogleich, wenn man z. B. die Erscheinungen zergliedert, die in einer beliebigen Molekelreihe 1 2 3 (Fig. 2) eintreten, nachdem man auf 1 in der Richtung des Pfeils einen Stoss hat geschehen lassen. Die bewegende Kraft des Stosses wird zun\u00e4chst das Molekel 1 nach 2 hintreiben\n______________und zwar so lange, bis die zwischen 1 und 2 verm\u00f6ge der Ann\u00e4herung sich entwickelnden Spannungen gerade gross genug sind, um den bewegenden Kr\u00e4ften, welche dem Molekel mitgetheilt wurden, das Gleichgewicht zu halten. In diesem Augenblick werden die Spannkr\u00e4fte zwischen 1 und 2 gr\u00f6sser als zwischen 2 und 3 sein, so dass, wenn nun 2 von 1 gestossen wird, dieses sich nach 3 hin bewegen muss und zwar so lange, bis die Abstossung zwischen 1 und 2 denselben Werth betr\u00e4gt, wie zwischen 2 und 3; darauf wird sich 3 von 2 entfernen; gesetzt, es tr\u00e4te diesem Bestreben kein Hinderniss entgegen, so w\u00fcrde nun 3 in dem Raume fortschreiten, wobei es wegen der Coh\u00e4sion mit 1 und 2 diese beiden Molekeln in derselben Geschwindigkeit mit sich ziehen w\u00fcrde, die es selbst besitzt. Setzen wir nun voraus, dass 3 gar keinen Widerstand f\u00e4nde, so w\u00fcrde es offenbar schon in Bewegung gekommen sein, als 2 auch nur im Begriff war, sich ihm zu n\u00e4hern, mit andern Worten, es w\u00e4re niemals zu einer erh\u00f6hten Spannung zwischen 2 und 3 gekommen, und somit auch keine Spannung zwischen 1 und 2 eingetreten, da ja dann ebenfalls 2 in jedem Augenblicke, in welchem sich 1 ihm n\u00e4herte, h\u00e4tte ausweichen k\u00f6nnen. Diese Auseinandersetzung zeigt mithin, dass die ganze bewegende Kraft des Stosses zur Bewegung der Fl\u00fcssigkeit verwendet wird, wenn ihre Grenzfl\u00e4chen keinen Widerstand erfahren.\nGeschieht dieses dagegen, und namentlich in einem solchen Grade, dass dadurch jede Bewegung irgend einer Grenzschicht der Fl\u00fcssigkeit unm\u00f6glich gemacht wird, so wird die ganze Stosskraft dazu verbraucht werden, um die Spannung zwischen den Molekeln zu mehren, wie dieses aus einer der vorigen \u00e4hnlichen Zergliederung hervorgeht. \u2014\nEine weitere Folgerung aus dem Satze, dass derselbe Stoss, ganz unabh\u00e4ngig von den ihm zukommenden Eigenschaften, die ganzen Werthe seiner bewegenden Kr\u00e4fte bald zur Erzeugung einer Spannung, und bald zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendet, ist nun offenbar diejenige, dass er mit einem Theile seines Ge-sammtwerthes eine Bewegung, mit einem andern Theile aber Spannung der Fl\u00fcssigkeit herbeif\u00fcbren k\u00f6nne. Dieser Fall wird, wie mau sogleich \u00fcbersieht, eintreten, wenn das Molekel 3, bevor es in Bewegung kommen kann, noch einen Widerstand zu \u00fcberwinden hat, der nicht stark genug ist, um der ganzen bewegenden Kraft des Stosses das Gleichgewicht zu halten; es braucht kaum bemerkt zu werden, dass jedesmal, wenn dieses eintritt, die Summe der Kr\u00e4fte, welche zur Bewegung und zur","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Gemeinsames Maass der Spannung und Geschwindigkeit\n31\nSpannung verwendet werden, gleich sei der bewegenden Kraft, die Fl\u00fcssigkeit abgegeben hatte. \u2014\nwelche der Sloss an\nDeutlich ist es endlich, dass ein der Fl\u00fcssigkeit mitgetheilter Spannungszustand sich in eine Bewegung desselben umsetzen wird, wenn der Widerstand , der diese letztere hemmt, sich entfernt, und ebenso ist es nat\u00fcrlich, dass sich die Spannung mehrt, wenn sich in eine bewegte Fl\u00fcssigkeit pl\u00f6tzlich ein Widerstand einschiebt, der die Bewegung hemmt. Es bedarf kaum der Bemerkung, dass auch hier die Regel giltig sei, dass gerade so viel an bewegenden Kr\u00e4ften verloren gebt, als an Spannkr\u00e4ften gewonnen wird, und umgekehrt. Nennen wir also die dem Molekel zukommenden bewegenden Kr\u00e4fte p, so w\u00fcrden diese immer gleich einer Summe \u2014 s -f g sein, vorausgesetzt, dass wir mit s die zur Spannung, mit g aber die zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendeten Kr\u00e4fte bezeichnen. Daraus ergiebt sich, wie schon gefolgert ist, dass, w^enn p unver\u00e4nderlich bleibt, mit dem wachsenden s das g, oder umgekehrt, mit dem wachsenden g das s abnebmen muss.\nDieser Zusammenhang macht es nothw'endig, ein Maass aufzustellen, an welchem Spannung und Geschwindigkeit gemeinsam gemessen werden k\u00f6nnen. Die Hydrauliker sind \u00fcbereingekommen, hierzu die senkrechte H\u00f6he einer Fl\u00fcssigkeit von bekanntem spez. Gewicht, z. B. des Wassers, Quecksilbers u. s. w. zu w\u00e4hlen. Dieses ist aber erlaubt, weil die einmal zu Stande gekommene Spannung oder Geschwindigkeit sich nicht unterscheidet, je nach der Art, wie sie erzeugt wurde, und sie somit ihrer Gr\u00f6sse nach immer verglichen werden kann mit derjenigen, welche durch die Schwere einer dr\u00fcckenden Wassers\u00e4ule hervorgebracht wird. Man setzt also in Gedanken jede andere Wirkung in die einer dr\u00fcckenden Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule, in eine sog. Druck h\u00f6he um. Die gesammte H\u00f6he zerlegt man dann f\u00fcr eine str\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit, deren Molekeln sich in einer Spannung befinden, in eine Geschwindigkeitsund in eine Spannungs- (oder Widerstands-) H\u00f6he; dieses will also bedeuten, dass von der gesummten.H\u00f6he H ein Theil (w) verbraucht wird um die Spannung und ein anderer Theil (h) die bestehende Geschwindigkeit zu erzeugen. Es bleibt nach dieser Uebereinkunft zu ermitteln , wie sich w und h zu H verhalten. Die Spannung einer Fl\u00fcssigkeitsschicht w\u00e4chst nun geradezu mit der Summe der senkrecht \u00fcber ihr liegenden Massentheilchen ; sie wird also geradezu durch eine senkrechte Fliissigkeits-siule ausgedr\u00fcckt. Die Geschwindigkeit einer Fl\u00fcssigkeitsschicht wachst wie die Quadratwurzel der auf ihr in senkrechter Richtung aufgelagerten Massentheilchen, und mit der beschleunigenden Kraft, welche die Sclrwere in der Zeiteinheit aus\u00fcbt. Nennen wir diese letztere f\u00fcr eine Sekunde g, so wird f\u00fcr die H\u00f6he h die Geschwindigkeit v = j/2gh sein. W\u00e4re also der Raum, welchen eine Fl\u00fcssigkeitsschicht in der Zeiteinheit durchl\u00e4uft, oder, was dasselbe bedeutet, die Geschwindigkeit v bekannt und zugleich auch die Beschleunigung der Schwere g, und w\u00e4ren beide Werthe in einem L\u00e4ngenmasse ausgedr\u00fcckt, so w\u00fcrde auch die zur Erzeugung dieser Geschwindigkeit n\u00f6thige Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule h gefundensein; denn wenn v\nist, so wird h\nVi\n2g\nsein.\nNach diesen allgemeinen Bemerkungen wird nun zu untersuchen sein, wie sich die ruhenden und die bewegten Fl\u00fcssigkeiten im Besondern verhalten.\nFortpflanzung der Spannung in einer ruhenden Fl\u00fcssigkeit nach Richtung und St\u00e4rke. Zu den die Fl\u00fcssigkeit bezeichnenden Eigenschaften geh\u00f6rt es, nach allen Richtungen hin der Ausdehnung und Zusammenpressung gleichen Widerstand entgegenzusetzen, und ferner, dass der Widerstand, den sie entgegensetzt, w\u00e4chst mit der Verminderung ihres Volums. Daraus schliessen wir, dass sich die Molekeln nach allen Bichlungen hin mit gleicher Kraft abstossen, und dass sie","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nFortpflanzung der Spannung in einer ruhenden Fl\u00fcssigkeit.\nsomit auch innerhalb der Fl\u00fcssigkeiten an allen den Orten in gleichen Abst\u00e4nden stehen, an welchen ihre Spannung dieselbe ist.\nHiernach ist nun zuerst zu er\u00f6rtern, wie sich in einer ruhenden, sich selbst \u00fcberlassenen Fl\u00fcssigkeit die Spannung verhalten mag. Da alle uns bekannte Fl\u00fcssigkeiten Molekeln enthalten, welche mit Schwere begabt sind, so folgt die von der Erfahrung best\u00e4tigte Thatsache, dass eine Fl\u00fcssigkeitsschicht von endlicher H\u00f6he, in der mehre Molekelreihen \u00fcbereinander liegen, eine von oben nach unten hin zu-Fig. 3. nehmende Spannung besitzen muss. Betrachten wir (Fig. 3) wieder die ^ \u00fcbereinander geschichteten Molekeln 12 3, so wird sich 1, verm\u00f6ge seiner Schwere, abgesehen von der Anziehung, die zwischen 1 und 2 besteht, 2 n\u00e4hern und einem Theil der zwischen I und 2 wirksamen Ab-\n2\tstossung das Gleichgewicht halten; 2, welches nun 1 tr\u00e4gt, wird also jetzt mit einem Drucke, der der Summe der Schwere von 1 und 2\n3\tgleichkommt, auf 3 lasten, d. h. 2 wird einem doppelt so grossen An-\u2014\u2022 theil der abstossenden Kr\u00e4fte, die zwischen 2 und 3 bestehen, das\nGleichgewicht halten, als 1 u. s. w. \u2014 Da nun die Fl\u00fcssigkeiten, und namentlich das f\u00fcr uns besonders wichtige Wasser, ausserordentlich wenig zusammendr\u00fcckbar sind, so darf man , wenn die Dr\u00fccke nicht allzu betr\u00e4chtlich sind, die in der Fl\u00fcssigkeit vor sich gehende Verdichtung vernachl\u00e4ssigen, mit andern Worten, man darf unterstellen, dass in Wasserschichten von gleicher H\u00f6he gleichviel Molekeln \u00fcbereinander liegen, welchem Drucke sie auch unterworfen sind. Eine Zusammenhaltung dieser und der vorhergehenden Betrachtung liefert nun aber den Schluss, dass innerhalb einer gleichartigen Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule die Spannung in dem Maasse zunimmt, wie der senkrechte Abstand der in das Auge gefassten Fl\u00fcssigkeitsschicht von dem obern Spiegel w\u00e4chst.\nWenn nun aber auf eine, rings von unnachgiebigen W\u00e4nden umschlossene Fl\u00fcssigkeit ausser der Schwere noch ein Druck wirkt, so pflanzt sich dieser nach allen Richtungen innerhalb der Fl\u00fcssigkeit mit gleicher St\u00e4rke fort, mit andern Worten, die Spannung, welche derselbe zwischen zwei benachbarten Molekeln erzeugt, ist innerhalb der Fl\u00fcssigkeit \u00fcberall dieselbe, gleichg\u00fcltig wo und in welcher Richtung gegen den Druck auch die Molekeln gelegen sein m\u00f6gen. Um diesen Satz, den man gew\u00f6hnlich als einen durch die Erfahrung gewonnenen Grundsatz hinstellt, in seiner Nothwendigkeit einzusehen, kann man verschiedene Wege einschlagen ; entweder aemlich theilt man von vornherein den Molekeln in der Fl\u00fcssigkeit eine bestimmte An-\nFig. 4.\nOrdnung zu, oder man sieht von einer solchen ab und nimmt auf die leichte Beweglichkeit\tderselben\taneinander R\u00fccksicht.\tWir werden nur\teine von beiden\nAnschauungsweisen\thier vorf\u00fckren, da man\tes immerhin noch\tf\u00fcr sehr gewagt\nhalten muss, auf die denn doch in der That unbekannte Anordnung der Molekeln\ndie theoretische Darstellung des erw\u00e4hnten Erfahrungssatzes zu gr\u00fcnden. Somit\tscheint vorerst die\tandere Ableitung\ndie vorz\u00fcglichere, welche sich auf die\terwiesenermaassen\nbestehende Verschiebbarkeit der Molekeln st\u00fctzt. M\u00f6gen nem-lich die Molekeln in irgend welcher Weise angeordnet sein, jedenfalls lassen sie\tsich durch gerade\tLinien verbinden,\nvon denen eine oder die andere in der Richtung des Druckes\n\u00a9liegen muss. Denken wir uns nun, Fig. 4. sei eine Fl\u00fcssigkeitsmasse , auf die bei 1 ein Druck in der Richtung des Pfeils wirkt, so werden die Glieder der Reihe 1 2 3 in die\u2014\n0ser Richtung zun\u00e4chst eine gr\u00f6ssere Spannung empfangen, als in jeder andern 4,1,7; 5,2,8; 6,3,9. Da sie somit nach den zuletzt bezeichneten Richtungen hin einen geringen\n\u00a9 \u00a9 \u00a9 \u00a9\n\u00a9 \u00a9","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Spannkraft und Summe der Spannkr\u00e4fte ; allgem. Maass derselben.\n33\nWiderhalt erfahren, so wird die geringste Ersch\u00fctterung hinreichen, wie sie denn doch schon mit jeden Druck verbunden sein muss, um die Molekeln 1, 2, 3, aus der gepressten Lage nach der Seite hin herauszuschleudern, so dass sich dann die Spannung in einer auf den Druck senkrechten Richtung fortpflanzt.\nNachdem wir gesehen, dass sich eine Spannung, die zwischen zwei benachbarten Molekeln durch irgend welchen Druck eingef\u00fchrt wurde, sich nicht allein in der Richtung des Drucks, sondern auch nach allen m\u00f6glichen andern fortpflanzt, kehren wir noch einmal zur\u00fcck zu derjenigen Spannung, welche io einer Fl\u00fcssigkeit durch die Schwere der sie zusammensetzenden Molekeln erzeugt wurde, um noch die Bemerkung hinzuzuf\u00fcgen, dass alle in einer beliebigen Horizontalebene einer fl\u00fcssigen Masse liegenden Molekeln in der horizontalen Richtung dieselben Spannkr\u00e4fte besitzen, welche ihnen in der vertikalen zukommt. Da nun diese letztem nur abh\u00e4ngig waren von dem senkrechten Abstand , in dem sie unter dem Wasserspiegel lagen, so folgt daraus, dass, wenn nur die H\u00f6be einer Wassers\u00e4ule unver\u00e4nderlich bleibt, die Ausdehnung und Gestalt ihrer Horizontalschnitte beliebig wechselvoll sein kann, ohne dass sich damit die Spannung zwischen den Molekeln ver\u00e4ndert.\nSpannkraft und Summe der Spannkr\u00e4fte; Allgemeines Maass derselben. Dieser Umstand n\u00f6thigt uns den Begriff* Spannung noch genauer zu bezeichnen, indem w;ir St\u00e4rke oder Intensit\u00e4t der Spannung (die Spannkr\u00e4fte der Fl\u00e4cheneinheit) sondern von der Summe der Spannkr\u00e4fte (Spannkr\u00e4fte in der Summe der Fl\u00e4cheneinheiten). Die erste dieser Beziehungen weist auf die St\u00e4rke der Spannkraft hin, welche zwischen den Molekeln einer Fl\u00fcssigkeit bestehet, abgesehen davon , wie gross die Anzahl der in dieser Spannung befindlichen Molekeln sei. Als Maassstab fiir dieselbe, mag sie erzeugt sein durch immer welchen Druck, haben wir nach fr\u00fcherer Uebereinkunft schon die H\u00f6he einer Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule von bekanntem spezifischen Gewicht angesehen, welche nothw'endig ist, um die gerade vorhandene Spannung zu erzeugen, oder anders ausgedr\u00fcckt, diejenige Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule, w'eiche den vorhandenen Spannkr\u00e4ften das Gleichgewicht zu halten im Stande ist. Die Summe der Spannkr\u00e4fte nimmt dagegen neben der zwischen den einzelnen Molekeln bestehenden Spannung auch noch R\u00fccksicht auf die Anzahl der gespannten Molekeln; indem sie das Produkt aus beiden Werthen darstellt. Im Gegensatz zur Intensit\u00e4t der Spannkr\u00e4fte wechselt also, wenn auch die Druckh\u00f6he unver\u00e4ndert bleibt, die Gesammtspannung mit der Ausdehnung, welche die Fl\u00e4che gleicher Spannung erf\u00e4hrt, oder sachlicher ausgedr\u00fcckt, bei unver\u00e4nderlicher H\u00f6he einer Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule mit dem Wechsel ihres horizontalen Querschnitts.\nAus den bis hieher gewonnenen Erfahrungen und theoretischen Ableitungen l\u00e4sst sich also erkennen, dass man mit ein und derselben Fl\u00fcssigkeitsmasse ganz verschiedene Spannungssummen erzeugen kann, je nach der Anordnung, die man jener giebt. Denken wir uns u. A. zwei Molekelreihen, oder wenn man lieber will, zwei ausserordentlich d\u00fcnne Wasserschichten, einmal so angeordnet (Fig. 5.), dass jedesmal nur zwei Molekeln \u00fcbereinander liegen, so wird wenn h dem Gewicht eines Molekels entspricht, 2 h multiplizirt mit der Ausdehnung der Grundfl\u00e4che A, die Gesammtspannung = 2 A h in dieser Grundfl\u00e4che geben; wenn man nun aber eine der beiden Molekelreihen senkrecht aufrichtet (Fig. 6.), so wird die Spannung in der untersten Schicht jetzt dem Gewicht von 3 Molekeln = 3h entsprechen; da aber\n3\nLudwig, PhysioJogie. XI.","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nVerhalten einer str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit.\ndie Grundfl\u00e4che unver\u00e4ndert blieb, somit \u00fcbertrifft jetzt das die Gesammtspannung in ihr ausdr\u00fcckende Produkt die fr\u00fchere.\nFig. 7.\n' )\n{ I _______________________\nVerhalten einer str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit.\n1. Die Uebertragung der lebendigen Kr\u00e4fte innerhalb einer str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeitmuss den allgemeinen Regeln der Mechanik unterworfen sein ; die einmal empfangene Geschwindigkeit verbleibt somit einem Fliissigkeitstheil unver\u00e4ndert, so lange er sie nicht anderswohin \u00fcbertr\u00e4gt. Geschieht dieses aber, so wird auch hierbei die bewegende Kraft (das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit) unver\u00e4ndert erhalten.\nVon den unz\u00e4hligen Ableitungen, welche hieraus m\u00f6glich sind, heben wir zuerst die hervor, dass ein Strom, der durch eine R\u00f6hre von wechselndem Durchmesser\nfliesst (Fig. 7. und 8.), in allen en gern Ab-\n_____\t_\tschnitten rascher str\u00f6-\n\u00c2\t(x\u00ca\u00ca\u00ca\u00c9k5 -=\u2014iSHRSi\tmen muss, als in einem\nweitern ; und es muss, genauer ausgedr\u00fcckt, die Geschwindigkeit, welche an verschiedenen Orten der R\u00f6hre besteht, sich umgekehrt verhalten, wie der in ihnen vorhandene Querschnitt. Uebertr\u00e4fe also der quadratische Inhalt des Querschnitts von B den von A um das 4fache, so w\u00fcrde sich die Geschwindigkeit des durch A und B gehenden Stroms wie 4 : 1 verhalten, und insbesondere w\u00fcrde diese Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Querschnitt un-\nFisr. 8\nabh\u00e4ngig sein von der Form dieses letztem und namentlich auch davon, ob das weitere\nSt\u00fcck getheilt sammenhang,\n, wie in Fig. 8, oder ungetheilt, wie in Fig. 7. verl\u00e4uft. \u2014 Der Zu-der zwischen dem allgemeinen Gesetz der Kraft\u00fcbertragung und un-\nserem Str\u00f6mungshergang besteht, ist einleuchtend; damit aber auch das behauptete\nVerh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten, wenn man die Vorstellung annimmt, dass in der R\u00f6hre der Strom dadurch bestehe, dass sich in der Masse die bewegenden Kr\u00e4fte von Querschnitt zu Querschnitt fortpflanzten. \u2014 Nun liegt aber dieser Annahme die unwahrscheinliche Fiction unter, dass die auf einem Querschnitt vorhandene Fl\u00fcssigkeit wie eine zusammenh\u00e4ngende Scheibe zu betrachten sei. Um unsern Beweis daf\u00fcr zu verallgemeineren , ist er auch unter der Voraussetzung zu f\u00fchren, dass sich innerhalb gewisser Grenzen in der str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit jedes Molekel f\u00fcr sich bewege, wie dieses in einem Sandwmrfe der Fall ist. Nehmen wir nun an, es sei das in Fig. 7. dargestellte Rohr mit Wasser gef\u00fcllt, und es w erde ein Strom bei A in der Richtung nach B erregt, so dass die Str\u00f6mung \u00fcberall mit der Wand gleichl\u00e4ufig sei, so w\u00fcrde der Strom unter der Annahme leicht aneinander beweglicher Fl\u00fcssigkeitstheil-chen innerhalb der Rohre B ungef\u00e4hr soweiterlaufen, wie in der Fig. 7. durch bb bb angedeutet ist. Mit andern Worten, es w\u00fcrde der aus A und B eintretende Strom hier die Gestalt behalten, welche er in A besass, so dass die Fl\u00fcssigkeit eines jeden Querschnitts von B sich in eine ruhende und in eine bewegte scheide. Da nun aber die bewegte nach Geschwindigkeit und Masse dieselbe wie in A ist, so sind, wie behauptet wurde , auch die bewegenden Kr\u00e4fte gleich , welche zu derselben Zeit auf einen beliebigen Querschnitt von A und B wirksam sind. \u2014\nN\u00e4chstdem machen wir darauf aufmerksam, dass in zwei communizirenden, aufrechtstehenden R\u00f6hrenschenkeln, welche Fl\u00fcssigkeit enthalten, die Spiegel derselben nicht wie in der ruhenden Fl\u00fcssigkeit denselben senkrechten Abstand vom Boden haben m\u00fcssen, vorausgesetzt, dass der R\u00f6hreninhalt in Bewegung gesetzt wird. \u2014 Diese Erscheinung gewinnt unter folgenden Bedingungen etwas Ueberraschendes. Ge-","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Gekr\u00fcmmte Strombahn.\n35\nsetzt, wir hallen ein Gef\u00e4ss von der Form des \u00dfeistebenden (Fig. 9.), in welchem\nPi rr O\nder R\u00f6hrenschenkel A den von B an Weite betr\u00e4chtlich \u00fcbertrifft; an der Verbindungsstelle von A und B soll ein Hahn mit einer weiten Oeffnung angebracht sein, durch den die beiden Schenkel verbunden und abgeschlossen werden k\u00f6nnen. F\u00fcllen wir nun bei geschlossenem Hahn die R\u00f6hre A mit Wasser, w\u00e4hrend B leer bleibt, und \u00f6ffnen wir dann ganz pl\u00f6tzlich den Hahn, so wird die Fl\u00fcssigkeit beim ersten Aufsteigen im B betr\u00e4chtlich \u00fcber den Punkt hinausgehen, den sie erreicht, wenn sich mit eingetretener Ruhe die beiden S\u00e4ulen in das Gleichgewicht gesetzt haben; dieses ist aber nicht der Fall, wenn der Hahn sehr allm\u00e4hlig ge\u00f6ffnet wird. F\u00fcllt man dagegen B zuerst und allein mit Fl\u00fcssigkeit, so wird dieselbe nach raschem Oeffnen des Hahns in A nur um ein Geringes den Gleichgewichtspunkt \u00fcbersteigen, dagegen in B betr\u00e4chtlich unter ihn sinken. Da auf diesem Prinzip auch der oft erl\u00e4uterte hydraulische Widder ruht, so verweisen wir zur weitern Unterrichtung auf die physikalischen Lehrb\u00fccher*).\n2.\tEin Strom, der einmal in den Beharrungszustand gelangt ist und der im lu Ft\nleeren Raume, ohne also von irgend welcher Wandung begrenzt zu sein, verlaufen w\u00fcrde, k\u00f6nnte allerdings durch Uebertragung an k\u00f6rperliche Massen keinen Verlust an lebendiger\tKraft\terleiden, aber es w\u00fcrde je nach\tder Form, die\tden Stromlauf\nannimmt, zu\teiner\tUmsetzung von Geschwindigkeit in\tSpannung, und durch innere\nReibung auch zu einem Verlust an Kr\u00e4ften \u00fcberhaupt kommen. \u2014 Dieser eben angedeutete Fall\ttritt u. A. ein, wenn der Strom, wie in\tFig. 10., eine\tKreisbahn beschreibt. In einem solchen\tStrom m\u00fcssen,\tder Fliehkraft\nwegen, alle Theilchen, welche auf den Abtheilungen des Querschnitts laufen, die dem Mittelpunkt zugewendet sind, eine gr\u00f6ssere Geschwindigkeit haben, als diejenigen, welche sich auf der entgegengesetzten Seite befinden**). Denn da bekanntlich die Fliehkraft den Theilchen an allen Orten ihrer Bahn eine Geschwindigkeit von dem Mittelpunkt nach dem Umfang des Kreises mittheilt, so werden sie alle gegen den Kreisumfang dr\u00fccken, und damit muss ein in der\tRichtung von M nach u steigender Druck entstehen, der\tdie Str\u00f6mung der Fl\u00fcssigkeit um so mehr hem-\nmen wird, je mehr sie nach u hin gelegen ist. H\u00e4tten also\nalle Theilchen des Stroms bei ihrem Eintritt in A auch gleiche Geschwindigkeit besessen, so w\u00fcrde dieselbe doch bald ungleich geworden sein, woraus, wie gleich des weitern zu erw\u00e4hnen, auch ein Kraftverlust entstanden sein w\u00fcrde.\n3.\t*) Ein Strom, der von Wandungen umschlossen verl\u00e4uft, erleidet unter allen\nUmstanden einen Verlust an Kr\u00e4ften und zugleich setzen sich lebendige in Spannkr\u00e4fte um.\t,\na. Der Verlust kann geschehen durch St\u00f6sse, die gegen die Wand erfolgen, durch Reibung der Fl\u00fcssigkeit an der Wand und der Fl\u00fcssigkeit gegen sich selbst. \u2014\tDie\tSt\u00f6sse,\twelche\tdie\tFl\u00fcssigkeit\tgegen die Wand aus\u00fcbt, werden, alles \u00fcbrige\ngleich,\teinen\tum\tso\tgr\u00f6sseren Verlust\tan Kr\u00e4ften erzeugen, je heftiger und je h\u00e4u-\nFig. 10\n\\ / v\nv\nM\nl) J- M\u00fcller, Lehrbueh d. Physik. I. Bd. 4. Aufl. 273.\n) Deschwanden, Ueber die in den Beharrungszustand gelangte Bewegung der Fl\u00fcssigkeiten. Z\u00fcrich 1848.\nHagen, Poggendorfs Annalen XL VT. 423. \u2014 Poiseuille, ibid. LVHT. 424. \u2014 Derselbe Annal, de chiin. et physiq. 3. Ser. VIII. 50. \u2014 Volk mann, Haemodynamik. p.50. \u2014Ausserdem siehe d. Lehrb\u00fccher d. Hydraulik v. Gerstner, Eytelwin, d\u2019Aubuisson, Weiss bach u. s. w.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"\u00e26\nStr\u00f6mung innerhalb einer festen Umgrenzung.\nfiger sie erfolgen (je zahlreicher die getroffenen Unebenheiten der Wand sind, um so senkrechter sie der Stromrichtung entgegentreten, je gr\u00f6sser die Geschwindigkeit des Stroms) und je leichter die Umgrenzung im Stande ist, die auf sie \u00fcbertragenen Ersch\u00fctterungen weiter zu verpflanzen, d. h. um so unelastischer um so leichter beweglich und um so ausgedehnter ihre Ber\u00fchrung ist mit andern beweglichen Theilen. \u2014 Die Reibung raubt den w\u00e4gbaren Stoffen bekanntlich dadurch lebendige Kr\u00e4fte, dass sie die diesen zukommende Bewegung auf den Aether \u00fcbertr\u00e4gt, mit andern Worten, dadurch, dass sie W\u00e4rme erzeugt. Der Verlust an lebendigen Kr\u00e4ften, den die Reibung herbeif\u00fchrt, steigt darum nach den Versuchen von Joule in dem Maasse, in dem die erzeugte W\u00e4rme zunimmt. Erfahrungsgem\u00e4ss ist bei der Ber\u00fchrung von Fl\u00fcssigkeit und festen K\u00f6rpern die W\u00e4rmeerzeugung aber anh\u00e4ngig von der Kraft ihres Zusammenstosses von der chemischen Beschaffenheit der in Ber\u00fchrung gebrachten Stoffe und von ihrer Temperatur. \u2014 Die Reibung einzelner Parthien der Fl\u00fcssigkeit aneinander ist nat\u00fcrlich nur dann m\u00f6glich, wenn ihre Geschwindigkeiten verschieden sind, so dass die rascheren]an den langsameren vorbeistreichen und sich von ihnen los-reissen m\u00fcssen. Somit wird hier der Kraftverlust steigen mit den Unterschieden in der Geschwindigkeit der nebeneinander str\u00f6menden Schichten, dann aber abh\u00e4ngen von der ehern. Zusammensetzung und der Temperatur, insofern nemlich dadurch die Klebrigkeit der Fl\u00fcssigkeit bedingt ist.\nb. Die allgemeine Bedingung f\u00fcr die Umsetzung der lebendigen in Spannkr\u00e4fte (der Geschwindigkeit in Spannung) findet sich ein, wenn von zwei hintereinander folgenden Fl\u00fcssigkeitsschichten die hintere in Abwesenheit der vordem rascher str\u00f6men w\u00fcrde, als es ihr bei der Gegenwart derselben m\u00f6glich ist. Der Antheil von der Gesammtkraft der str\u00f6menden Schichten, welcher sich nicht als Geschwindigkeit erweisen kann, wird nun als Spannung auftreten. Daraus folgt allgemein, dass sich der ganze Kraftveriust, den die am meisten vorgeschrittenen Abschnitte eines Stroms aus irgend welchem Grund erlitten haben, sich in den am wenigsten vorgeschrittenen als Spannung geltend macht, vorausgesetzt, dass der Werth der lebendigen Kr\u00e4fte, welche die str\u00f6menden Theilchen besassen, der gleiche war.\n4. Vertheilung der Geschwindigkeiten. Auf den verschiedenen Orten eines jeden beliebigen Schnitts, welcher senkrecht gef\u00fchrt wird gegen einen von W\u00e4nden begr\u00e4nzten Strom, ist die Geschwindigkeit verschieden. Der Grund hierf\u00fcr liegt in der ungleichen Hemmung, welche die fl\u00fcssigen Schichten des Schnitts erfahren und in der Leichtbeweglichkeit der Fl\u00fcssigkeitsschicht aneinander, welche den weniger gehemmten erlaubt, sich loszureissen. \u2014 Bis dahin hat nun weder die Theorie, noch der Versuch es vermocht, uns allgemeine Gesichtspunkte aufzusteilen, aus denen abzuleiten w\u00e4re, wie mit der Form der begrenzenden W\u00e4nde, dem Durchmesser und der Geschwindigkeit des Stroms, und mit den Eigenschaften der Fl\u00fcssigkeit dies Verh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten auf einen solchen Querschnitt ver\u00e4nderlich sei. Wir m\u00fcssen uns darum damit begn\u00fcgen, einen einfachen, f\u00fcr uns\naber wuchtigen Fall zu zergliedern, den nemlich, wie die Geschwindigkeit von der Peripherie zum Centrum in dem kreisf\u00f6rmigen Querschnitt eines cylindrischen Stroms zunehme. Da in diesem Falle eine allseitige Symmetrie herrscht, so gen\u00fcgt es, das Verh\u00e4ltniss der Geschwindigkeit auf einen einzigen Radius festzustellen. Gesetzt, es sei in Fig. 11. der Querschnitt eines Stromes dargestellt, der in einem cylindrischen Rohr nach der L\u00e4ngenachse desselben forlschreitet j so wird offenbar die der Wand zun\u00e4chst anliegende Schicht a die bedeutendste Hemmung erfahren, einmal, weil sie sich an den kleinen Hervorragungen der Wand stosst und dann, weil sich fl\u00fcssige und feste K\u00f6r-\nFig. n.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Partielle und mittlere Geschwindigkeit eines Stroms,\n37\nper betr\u00e4chtlicher reiben als fl\u00fcssige untereinander. Die zweite nach dem Centrum hin folgende Schicht wird n\u00e4chstdem den bedeutendsten Kraftverlust erleiden, indem sie sich von der sehr langsam str\u00f6menden Wandschicht losreissen muss, und so fort, bis endlich die im Centrum gelegene (d) die geringste Hemmung erf\u00e4hrt. D\u00e4chte man sich (Fig. 12.) auf dem Radius ad als Abszissenachse die vorhandenen Geschwin\nFig. 12,\ndigkeiten als Ordinalen (y) aufgetragen, so w\u00fcrde, wie es nach Darcy*) scheint, ungef\u00e4hr eine Curve von der Form Fig. 12, zu Stande kommen. Unzweifelhaft wechselt die Gestalt dieser Curve mit der L\u00e4nge des Radius, indem z. B,, wenn er nur die L\u00e4nge ac bes\u00e4sse, das dem Abschnitt cd entsprechende St\u00fcck wegfiele ; ebenso ist es gewiss , dass sie mit der Geschwindigkeit des Stroms und der Klebrigkeit der Fl\u00fcssigkeit u. s. w. sich \u00e4ndert. Wir sind aber ausser Stand, hiervon im Einzelnen Rechenschaft zu geben.\nBei dem Wechsel der Geschwindigkeit auf demselben Querschnitt, und bei der Unm\u00f6glichkeit, die Geschwindigkeit auf jedem beliebigen Ort zu bestimmen, ist man gen\u00f6thigt, den Begriff einer mittlern Geschwindigkeit aufzustellen; hierunter versteht man aber diejenige Geschwindigkeit, welche, wenn sie auf den ganzen Querschnitt gleichm\u00e4ssig wirksam w\u00e4re, dieselbe Fl\u00fcssigkeitsmenge durch ihn f\u00f6rdern w\u00fcrde, als in der That bei den verschiedenartigen Geschwindigkeiten aus ihm hervorstr\u00f6mt. Diese mittlere Geschwindigkeit kaun jedesmal einfach bestimmt werden , wenn man das Volum der Fl\u00fcssigkeit v kennt, welches in der Zeiteinheit durch den bekannten Querschnitt des Rohres Q ging. Offenbar ist, wie die physikalischen Lehrb\u00fccher des Weiteren er\u00f6rtern, die mittlere Geschwindigkeit G ausgedr\u00fcckt durch ' da GQ das Volum der ausgestr\u00f6mten Fl\u00fcssigkeit darstellt.\nQ\nMit der L\u00e4nge des Rohrs ist die Geschwindigkeit ebenfalls ver\u00e4nderlich, wenn die Gr\u00f6sse des Durchmessers wechselt. Wie die Ver\u00e4nderung der mittlern Geschwindigkeit in einem solchen Rohr beurtheilt werden m\u00fcsse, ist schon vorhin entwickelt worden; sie verh\u00e4lt sich umgekehrt, wie der Raumiuhalt des Querschnitts verschiedener Orte. Die weitaus interessanteste und schwierige Fragen, wie sich die Partialgeschwindigkeiten des Querschnitts mit einer Formver\u00e4nderung desselben umgestalten, ist noch gar nicht in Angriff genommen,\n5. Vertheilung der Spannungen. Die Theorie behauptet**), dass innerhalb eines Stroms nur senkrecht auf die Stromrichtung Gleichheit der Spannung existire. Die Beobachtung scheint dieses insofern zu best\u00e4tigen, als alles Uebnge gleichgesetzt die Spannung eines Stroms abnimmt, wenn der Durchmesser zunimmt. Der Zusammenhang zwischen den Behauptungen der Theorie und dieser Erfahrung ist aus der folgenden Betrachtung einleuchtend. Nehmen wir an, es unterschieden sich die beiden Str\u00f6me (Fig. 13. u. 14.) von r\u00f6hrenf\u00f6rmiger Begrenzung nur dadurch\nii i\nFig. 13*\nFig. 14.\nA\n\no\no\no\no\no\no\no\no\no\n0\no\no\n\n*\n*') compL rend. Ld. 38. p. IW ) Degchwand en, 1, \u00e7.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nAusgleichung\u2019 der Spannungen.\nvoneinander, dass in der ersten 1 und in der andern aber H Reihen von Molekeln auf einem Durchmesser Platz f\u00e4nden, so sollte man erwarten, dass die Spannung zwischen den Molekelreihen beider R\u00f6hren, welche unmittelbar an der Wand gelegen sind, dieselbe sei, da sie denselben Hemmungen ausgesetzt sind; wenn dieses aber nicht der Fall ist, wie die direkte Messung naehweist, indem sie in dem Strom, welchen Fig. 15. darstellt, geringer ist, als in dem der Fig. 14., so kann der Grund hief\u00fcr nur darin liegen, dass die gegen die Mitte der R\u00f6hre (Fig. 15.) gelegenen Molekeln, deren Geschwindigkeit gr\u00f6sser und deren Spannung darum geringer ist, ihre Spannung mit dem Wandstrom ausgeglichen haben, mit andern Worten, den in diesen Strom verlaufenden gespannten Theilchen erlauben, gegen die Mitte hinauszuweichen.\nNach der L\u00e4nge des Rohrs k\u00f6nnen die Spannungen dagegen sehr verschieden ausfalle n, so dass ganz unzweifelhaft keine Gleichheit derselben nach der Richtung des Stroms stattfindet. Es ist hervorzuheben, dass, wenn die mittlere Geschwindigkeit in den verschiedenen aufeinanderfolgenden Querschnitten eines Stroms wesentlich variirt, die Spannung im Verlauf desselben ebenfalls zu- und abnehmen kann, w\u00e4hrend sie, wenn die Geschwindigkeit gleichbleibt, jedesmal vom Anfang gegen das Ende des Rohrs abnimmt.\nd.\t; ^ s e\nm m &\n6. Ueber die Messung des Rraftverlustes und der Spannung. \u2014 Diese Bestimmung geschieht auf zweierlei Art, entweder durch Vergleichung der wahren und der hypothetischen mittleren Geschwindigkeit, oder durch den Manometer. Da die erstere Methode nur selten und in der Physiologie gar nicht zur Anwendung kommt, so wenden wir uns sogleich zur letztem. Unter dem Manometer versteht man hier ein grades oder heberf\u00f6rmig gebogenes Glasrohr, dessen eine M\u00fcndung senkrecht auf dem Strom steht. In seiner einfachsten Form ist es in Fig. 15. dargestellt. Der Sinn seiner Anwen-\nFig. 15.\tdung ist folgendermassen darzu-\nzuthun: Wir denken uns in dem Rohre A eine Reihe hintereinanderliegender Molekeln I, 2, 3 bis 11, von denen ein jedes beim Eintritt in den Anfang A der R\u00f6hre gleiche Geschwindigkeit besass ; jedes derselben soll aber auf seinem Wege einen beliebigen An-theil seiner Geschwindigkeit ein-b\u00fcssen, ein Antheil, der genau mit der L\u00e4nge des Wegs w\u00e4chst, den ein Fliissigkeitstheilchen zur\u00fcekgelegt hat. Demnach wird 11, welches weiter als 10 fortgeschritten, mehr als dieses von seiner Geschwindigkeit eingeb\u00fcsst haben, sodass es dem rascher fortschreitenden 10 eine Hemmung bietet; es wird also eine Spannung zwischen 10 und 11 eintreten ; gegen dieses verlangsamte 10 wird nun auch 9 anstossen, und da dieses noch geschwinder ist als 10 zur Zeit, wo es gegen 11 anfuhr, so wird die zwischen 9 und 10 entstehende Spannung auch gr\u00f6sser sein, als die zwischen 10 und 11 und zwar in dem Verh\u00e4ltniss gr\u00f6sser, in dem 9 das 10 an lebendigen Kr\u00e4ften \u00fcbertrilft. Indem man in diesen Betrachtungen fortf\u00e4hrt, erkennt man, dass die Geschwindigkeit durch die ganze Molekelreihe gleich, die Spannung dagegen von dem Ende des Rohrs gegen seinen Anfa\u00f6g hin in einer Zunahme begriffen sein wird. Die Spannung, welche sich nun zwischen je zwei Molekeln findet, pflanzt sich dem fr\u00fcher entwickelten gem\u00e4ss senkrecht gegen die Stromrichtung fort und cs wird demnach, wenn man an den beliebigen Stellen 0 oder P das Rohr \u00f6ffnet, aus dieser Oeffnung Fl\u00fcssigkeit aus treten ; setzte man aber in die M\u00fcndungen senkrechte R\u00f6hren, so w\u00fcrde in diesen die Fl\u00fcssigkeit aufsteigen so lange, bis der Druck, den die senkrechte Fliissigkcits-\u00df\u00e4ule gegen den in der M\u00fcndung von 0 liegenden Theil aus\u00fcbt, an Werth gleich ist","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Str\u00f6me in cylindrisehen K\u00f6hren.\n39\nder Spannung, die zwischen den str\u00f6menden Molekeln dieses Ortes in Folge der Widerst\u00e4nde besteht.\nKennt man nun die Spannung und die Geschwindigkeit, welche an jedem Querschnitt des Rohrs besteht, Gr\u00f6ssen, deren Bestimmung nach dem vorhergehenden keine prinzipielle Schwierigkeit entgegensteht, so hat man damit den ganzen Werth der Kr\u00e4fte auf diesem Querschnitt. Der Unterschied in den Kr\u00e4ften zweier miteinander verglichener Querschnitte ist nun geradezu der Verlust des Stroms an lebendigen Kr\u00e4ften auf dem Weg von dem einen zum andern Ort.\nE r \u00f6 r t e r u n g de r S t r \u00f6me in c v l i n d r i s c h e u R \u00f6 h r e n v on besonderer A nord n u n g.\n1. Gerade, gleich weite, h oriz o n tal 1 ieg en de Stromr\u00f6hren. In diesen R\u00f6hren l\u00e4uft der Strom nach Girard und Poiseuille*) sehr verschieden, je nach dem Verh\u00e4ltnis, welches zwischen ihrer L\u00e4nge und ihrem Querschnitt bestellt. Wenn bei gegebenem Durchmesser die L\u00e4nge der R\u00f6hren von Null an all\u2014 m\u00e4hlig zunimmt, so erreicht sie einen Punkt, bei welchem f\u00fcr die in ihn verkommenden Str\u00f6me, das von Euler entwickelte Gesetz gradliniger Fl\u00fcssigkeitsbewe-gungen g\u00fctig ist, d. h. es geht dann aller Orten der Strom der Wandung paralell, wahrend in Rohren unterhalb dieser L\u00e4nge die Bewegungen sehr unregelm\u00e4ssig werden. Die L\u00e4nge , welche ein Rohr besitzen muss , damit der Strom den Charakter der gradlinigen Bewegung annehme, nimmt nicht im geraden Verh\u00e4ltniss mit dem Durchmesser, sondern rascher als dieser ab, so dass z. B. bei einem Durchmesser von 0,029 MM. die gradlinige Bewegung schon bei der Lauge - von 2,1 MM. eintrat, w\u00e4hrend bei einem Durchmesser von 0,65 MM. die L\u00e4nge 384 MM. betragen musste u. s. w. Wir werden uns darauf beschr\u00e4nken m\u00fcssen, die Gesetzm\u00e4ssigkeit der gradlinigen Str\u00f6me zu verfolgen.\na. R\u00fccksichtlich der Geschwindigkeit ist hervorzuheben, dass : 1) in solchen R\u00f6hren die Geschwindigkeit steigt, wie die Druckh\u00f6hen, welche auf den Fl\u00fcssigkeiten lasten, so dass entgegen dem Ausfluss aus M\u00fcndungen durch d\u00fcnne Platten bei einem Aufsteigen der Druckh\u00f6hen von 1 zu 4 zu 9 zu 16 u. s. w. die Geschwindigkeiten wie diese Zahlen und nicht wie I, 2, 3, 4 u. s. w. anwachsen. \u2014 2) Alles andere gleichgesetzt, nimmt die mittlere Geschwindigkeit ab, wie die L\u00e4ngen der R\u00f6hren zunehmeu, ein selbstverst\u00e4ndliches Resultat, da genau in dem Verh\u00e4ltniss wie die L\u00e4nge auch die reibende Fl\u00e4che w\u00e4chst. \u2014 3) Weniger einfach ist die Beziehung der mittleren Geschwindigkeit zu dem Durchmesser; im Allgemeinen ist durch mannigfache hydraulische Beobachtungen, insbesondere durch die von Gerstner, Young, Girard, Poiseuille und Volkmann festgestellt, dass in weiten R\u00f6hren die Geschwindigkeit geradezu abnimmt wie der Durchmesser, in sehr engen aber wie das Quadrat des Durchmessers; in R\u00f6hren mittleren Kalibers nimmt die Geschwindigkeit nach irgend einer andern Potenz des Durchmessers, die in der Mitte zwischen den erw\u00e4hnten liegt, ab. Die Grenzen der Durchmesser, f\u00fcr welche die eine oder andere Angabe giltig ist, sind nicht ermittelt worden. \u2014 4) Die Geschwindigkeit\u2019 nimmt zu, wenn die Temperatur der Fl\u00fcssigkeit w\u00e4chst, und zwar in engen R\u00f6hren betr\u00e4chtlicher, als in weiten. Diese Beobachtung Gerst-ners**) ist von Girard, insbesondere aber f\u00fcr sehr enge R\u00f6hren von Hagen uud Poiseuille erweitert worden, welche f\u00fcr Wasser, in Glas und Kupfer str\u00f6mend, den empirischen Coeffizienten des Wachsthums gefunden haben. Dieser letztere kann jedoch nur auf die erw\u00e4hnten Stoffe und nur f\u00fcr sehr enge R\u00f6hren angewendet wer_ den, da nach Girard mit der Fl\u00fcssigkeit und bei weiten R\u00f6hren (dem Durchmesser) sich auch der von der Temperatur abh\u00e4ngige Reibungscoeffizient \u00e4ndert. \u2014 5) Die\n) M\u00e9moires de l'Institut 1813\u201415. 285. \u2014 Poggendorf, Annalen. 1. c.\n) Gilberts Annalen der Physik. V. Bd. 160. \u2014 Die Uebereinstknmung zwischen dem Coolnzien-ten von Hagen und Poiseuille ist dargelegt in Doves Repertorium, 7. Bd. p. 1-35,","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nGleichweite , gerade cylindrische R\u00f6hren.\nGeschwindigkeit ist ferner ver\u00e4nderlich mit der Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit; Dubuat, Girard *), Poiseuille **). Wesentlich unterscheiden sich die Fl\u00fcssigkeiten, je nachdem sie die R\u00f6hrenwand benetzen, oder dieses nicht thun. Wir ber\u00fccksichtigen nur die letzteren. F\u00fcr sie ist festgestellt : a) die Geschwindigkeit in jeder Fl\u00fcssigkeit (unter Voraussetzung gleicher Druckh\u00f6hen und R\u00f6hrenweiten) ist unabh\u00e4ngig von dem Stoff, aus dem die R\u00f6hrenwand besteht; namentlich hat Poiseuille Glas, Metall und die Membranen der Blutgef\u00e4sse hierauf untersucht. \u2014 b) Die Reibung einer Fl\u00fcssigkeit ist unabh\u00e4ngig von dem spezifischen Gewicht, der D\u00fcnnfl\u00fcssigkeit, der Capillarattraction u. s. w. \u2014 c) Die Reibung des Wrassers. oder Blutserums wird wesentlich ge\u00e4ndert durch geringe Beimengung von Salzen, Basen oder S\u00e4uren. \u2014 Von den besonderen Bestimmungen Poiseuille\u2019s heben wir hervor: das Serum des Ocbsenbluts fliesst, alles \u00fcbrige gleichgesetzt, nahebei noch einmal so langsam, als reines Wasser, und faserstofffreies (Blutk\u00f6rperchen haltendes) Ochsenblut fliesst dreimal langsamer, als Serum. \u2014 Im Allgemeinen erniedrigt ein Zusatz von Neutralsalzen zum Wasser die Reibung, w\u00e4hrend sie durch Zus\u00e4tze von Basen und von S\u00e4uren (eine Ausnahme machen unter letztem nur Blaus\u00e4ure und Schwefelwasserstoff) erh\u00f6ht wird ; ein Zusatz von Ammoniak zum Serum erniedrigt dagegen die Reibung desselben. \u2014 6) Nach den Erfahrungen von Girard und Poiseuille w\u00e4chst der Verlust an lebendiger Kraft geradezu mit der Geschwindigkeit des Stroms, wenn die Fl\u00fcssigkeit die R\u00f6hrenwand benetzt; mit dem Quadrat der Geschwindigkeit dagegen, wenn die R\u00f6hrenwand nicht benetzt wird. Wir machen bei diesem Anlass den Anf\u00e4nger besonders aufmerksam auf die Folgerung aus dem \u2019 letzten Satz, dass nur, wenn Geschwindigkeit besteht, Reibung vorkommeu kann.\nUeberblicken wir nun noch einmal die bis dahin vorgef\u00fchrten Erscheinungen, so sehen wir, dass der Widerstand w, den ein Strom im Rohre zu \u00fcberwinden hat, \u25a0w\u00e4chst mit der L\u00e4nge (1), dem Durchmesser (d). respective der Peripherie n d oder mit einer Potenz desselben (dx), ferner mit der Geschwindigkeit (v) und endlich mit gewissen Ver\u00e4nderungen der Temperatur und mit der chemischen Constitution der Fl\u00fcssigkeit; die beiden letztere Einfl\u00fcsse bezeichnen wir mit a. Mit unsern Zeichen ausgedr\u00fcckt ergiebt sich w = aldv. Diese den Strom hemmenden Einfl\u00fcsse m\u00fcssen nun aber, da innerhalb des Rohres der Strom mit gleichm\u00e4ssiger Geschwindigkeit verl\u00e4uft, gerade so gross wie die beschleunigenden sein. W\u00e4ren diese letztere gegen die erstem \u00fcberwiegend, so m\u00fcsste der stetig von dem den Stromerregenden Einfluss (z. B. von der dr\u00fcckenden Wassers\u00e4ule) ausgehende Stoss die Bewegung der Fl\u00fcssigkeit in eine steigende Beschleunigung setzen und ebenso offenbar m\u00fcsste sich das umgekehrte ereignen, wenn die hemmenden Umst\u00e4nde die stromerzeugende Kraft \u00fcberw\u00f6gen. Die beschleunigenden Einfl\u00fcsse w\u00fcrden aber, vorausgesetzt, dass eine dr\u00fcckende Wassers\u00e4ule den Strom veranlasst, dargestellt durch die H\u00f6he derselben (h) und die Intensit\u00e4t der Schwere (g) (denn hiervon ist die Kraft des Stosses abh\u00e4ngig , welche das fl\u00fcssige Molekel erh\u00e4lt), und endlich von\n/7t d 2\\\ndem Querschnitt des Rohres, L\u2014-J, denn dadurch wird die Zahl der gestossenen Molekeln bestimmt, somit ist also, wenn wir 9 die beschleunigenden Kr\u00e4fte nennen\nbgrcd2 ,\t,\t.\t.\t.\t.\t,\thgrtd2\ncp = \u2014j\u2014; und da nun = w ist, so ist auch alrcdv = \u2014^\u2014; \u00a9der auch\nhgd\thgd\nalv = \u2014j-, oder av = -j-y. Dieses letzte Resultat ist durch Girard und\nPoiseuille vollkommen best\u00e4tigt. Die Angaben der beiden Gelehrten unterscheiden sich nur dadurch, dass der letztere bei seinen Versuchen d2 statt d erhalten hat,\n*) M\u00e9moires de l\u2019Institut. 1816.\n**) Annales de ehim, et physique, III. fier? Bd, 1*","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeit und Spannung in denselben\n41\nwas, wie wir erw\u00e4hnten, herr\u00fchrt von dem viel geringeren Durchmesser] der R\u00f6hren, welche Poise uil le an wendete.\nF\u00fcr die Theorie und f\u00fcr unsere sp\u00e4tem Betrachtungen ist es von Interesse, zu wissen, dass die Formel f\u00fcr den geradlinigen Strom in R\u00f6hren eine etwas andere Gestalt annimmt, weDn die Fl\u00fcssigkeit die Wandung nicht benetzt; es ist durch Girard empirisch festgestellt, dass dann der Widerstand proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit geht, wobei der Coeffizient a zugleich seinen Werth \u00e4ndert.\nNennen wir diesen Coeffizient b, so wird also jetzt die Formel bv2 = \u2014\n41\nDiese Verschiedenheit des Ergebnisses erkl\u00e4rt man sich dermassen. Zufolge einer Untersuchung von Coulomb'*) glaubt man sich zu der Annahme berechtigt, dass die verz\u00f6gernde Kraft zu gleicher Zeit wachse wie die Geschwindigkeiten und w\u00fce die Quadrate der Geschwindigkeiten. Denn einmal m\u00fcssen sich die Molekeln, w elche in dem Fliissigkeitsfadeu verschiedener Geschwindigkeit laufen-, um so h\u00e4ufiger voneinander losreissen, je geschwinder der Strom geht ; somit muss also, wenn \u00e0 der Widerstand genannt wird, der sich dieser Trennung entgegensetzt, die Summe dieser Widerst\u00e4nde bei der Geschwindigkeit v = av sein; zugleich aber wird sich die Fl\u00fcssigkeit an den Erhabenheiten der R\u00f6hre stossen und zwar um so st\u00e4rker mit, jemehr Kralt, resp. Geschwindigkeit, sie str\u00f6mt und auch um so h\u00e4ufiger, je gr\u00f6sser die Geschwindigkeit ist. Bedeulet also b die Hemmung eines einzigen Stosses bei der Geschwindigkeit, so wird sie bei v = b v2 sein. Der Gesammtwerth der Hemmungen w musste also durch die Summe w = av -|- bv2 ausgedr\u00fcckt werden. In einem geraden Rohre, das so lang ist, dass die Bewegung paralell mit den Wandungen geht, muss das zweite Glied wegfallen, vorausgesetzt, dass au den Wandungen des Rohrs die Fl\u00fcssigkeit unbeweglich anb\u00e4ngt, so dass die bewegte Fl\u00fcssigkeit eigentlich nur in einem Mantel von unbewegter l\u00e4uft; wenn dagegen die Fl\u00fcssigkeit den Wandungen nicht auh\u00e4ngt, so werden ann\u00e4hernd alle Molekeln, die auf einem Querschnitt des Rohrs befindlich sind, gleiche Geschwindigkeit buben, und es wird somit das erste Glied (av) wegfallen, dagegen werden die St\u00f6sse der Fl\u00fcssigkeit an der Wandung vorhanden sein und somit das zw eite Glied (b v2) bestehen bleiben.\nb. Die Spannung der Fl\u00fcssigkeit beim Str\u00f6men in den bis dahin betrachteten R\u00f6hren muss, entsprechend unserer fr\u00fcheren allgemeinen Bemerkung, zunehmen vom Ende zum Anfang der R\u00f6hre. Stellt man also auf ein Rohr, AB (Fig. 16), in welchem ein Strom nach der Richtung des Pfeils geht, mehrere Manometer I, 2, 3 auf, so wird sich das Niveau der iu den verschiedenen Druckmessern aufgestiegenen Fl\u00fcssigkeit durch eine gerade Linie abc verbinden lassen. \u2014 Die Steilheit dieser Linie ist, wie nach dem Fr\u00fchem selbstverst\u00e4ndlich, bedeutender iu engen, als in weiten R\u00f6hren, bei rascher Str\u00f6mung bedeutender als bei langsamer ; sie steht endlich in inniger Beziehung zum chemischen und thermischen Verhalten der Fl\u00fcssig-\nFig. 16.\n\u2022) Exp\u00e9riences destin\u00e9es \u00e0 d\u00e9terminer etc. M\u00e9moires de l\u2019Institut. 3. Bd,","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nGleichweite gebogene K\u00f6hren.\nFig. 17.\nkeit. \u2014 Der thats\u00e4ehliehe Beweis hierf\u00fcr ist durch die Versuche von Volkmann geliefert worden.\n2.\tGleich weite, gebogene R\u00f6hren. Zu den bei geraden R\u00f6hren be-trachteten Hemmungen der Geschwindigkeit kommen noch die St\u00f6sse, welche der Strom gegen die Wandungen aus\u00fcbt und die von der Ceutrifugalkraft herriihrenden Pressungen. Der Einfluss dieses letztem Momentes w\u00e4chst bekanntlich wie das Quadrat der Geschwindigkeit, und umgekehrt, wie der Durchmesser des durchlaufenen Kreisbogens. Die Gr\u00f6sse der Hemmung aber, welche von dem Stoss gegen die winklig gebogene Wandung abh\u00e4ngt, ist ver\u00e4nderlich a) mit der Gradzahl der Winkel, in der Art, dass, wenn er von 0\u00b0 auf ISO0 steigt, der Widerstand von einem Maximum auf ein Minimum abfallt. Mit welcher Funktion des Winkels dieses aber geschieht, ist unbekannt*); b) zum zweiten w\u00e4chst aber die Stromhemmung in der Winkelbiegung mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, was nach dem Fr\u00fchem keiner Er\u00f6rterung bedarf. \u2014 Die Hemmung ist eine betr\u00e4chtlich geringere, wenn die Biegung statt eine pl\u00f6tzliche zu sein, sehr allm\u00e4hlig geschieht. Der Grund f\u00fcr diese Erscheinung liegt darin, dass bei pl\u00f6tzlichen Biegungen (2 3 in der R\u00f6hre AE Fig. 17.)\nhinter der vor springenden Kante eine wirbelnde Stelle entsteht, die an der Str\u00f6mung keinen Antheil nimmt; es verengert sich demnach das Stromrohr gleichsam. \u2014\nDieser verlangsamten Bewegung entsprechend wird sich das Steigen der Fl\u00fcssigkeit in den auf die R\u00f6hre gesetzten Manometern einfinden.\nJ\nund zwar werden, wenn man die Manometer aufsetzen w\u00fcrde in 1,\n-, 3, 4 die Steigungen nach dem Gesetz der unter der R\u00f6hre gezeichneten Curve abnehmen. Beginnen wir vom Ende des Rohrs (E), so w\u00fcrde von 4 nach 3 dem Fr\u00fchem gem\u00e4ss, je uach der R\u00f6hrenweite und Stromgeschwindigkeit, das Aufsteigcn mehr oder weniger allm\u00e4hlig auf der geraden Linie a b erfolgen, dann w\u00fcrde pl\u00f6tzlich in der Winkelbiegung von b nach c ein sehr rasches Aufsteigen geschehen, in Folge der besondern Widerst\u00e4nde, die sich hier h\u00e4ufen, und hinter dieser Biegung, wenn das Rohr wieder gerade fortl\u00e4uft, wird sich auch das allm\u00e4hlige Aufsteigen c d wieder einsteilen. In dem Gang der Linie, welche die Niveaus der Fl\u00fcssigkeit in den verschiedenen Manometern verbindet, findet sich also ein pl\u00f6tzlicher Knick, oder wie man auch sagt, ein ausgezeichneter Punkt. \u2014\n3.\tUngleichweite R\u00f6hren. Wir beschr\u00e4nken uns auf die Betrachtung der beiden F\u00e4lle, wo eine Erweitung in eine Verengung \u00fcbergeht, und wo eine Erweiterung von zwei verengten Stellen eingeschlossen wird.\na. Die Erweitung mit darauffolgender Enge (Fig. 18.). Die mittlere Geschwindigkeit im Rohrst\u00fcck B wird zu der in A io dem umgekehrten Verh\u00e4ltniss ihrer\nf) Siehe hier\u00fcber f\u00fcr einzelne F\u00e4lle empirischer Gesetze: von du Buat, bei Ey tel wein, Hand-\nbuch der Mechanik und Hydraulik. 3. Auf!. 1843. 172\nVolk m a n n , Haemodynamik. p\n51,\nWeissbach, Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik, I, J3d, 1850. 548,","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Uugleiehweite Kohren.\n43\nFig. 18.\nQuerschnitte sieben. Diese verhalten sieh aber wie die Quadrate der Durchmesser. Die gr\u00f6sste Geschwindigkeit kommt aber (lern Querschnitte in dem Theil c d der\nR\u00f6hre B zu, wo sich eine Stromenge bildet, die dadurch hervorgebracht wird, dass aus der Erweitung A die Fl\u00fcssigkeitsstrahlen allseitig zusammensehies-sen ; aus diesem Grunde schliesst sich die Str\u00f6mung gegen Ende des weiten Rohrs den Wandungen desselben nicht mehr an, so dass sich in den Winkeln ff stehende Fl\u00fcssigkeitswirbel bilden. \u2014 Die Curve der Spannung auf-getragen auf die R\u00f6hrenachse wird in B von e bis d gleichm\u00e4ssig auf* steigen, von d bis b ungleichni\u00e4ssig, aber rascher als in de, wiegen des erw\u00e4hnten Zusammenstosses der Theilchen und von b bis a gradlinig, aber viel allm\u00e4hliger, als in e d. \u2014 Der absolute Werth, welchen die Spannung in dem Abschnitt d b gewinn!, ist abh\u00e4ngig von der Triebkraft der Fl\u00fcssigkeit und von dem Verh\u00e4ltnis der Querschnitte von A und B.\nb.\nErweitung\nzwischen zwei Verengerungen (Fig. i9,).\n\t\nFig. 19.\nX\nB\nDie mittlere Geschwindigkeit in den R\u00f6hrenst\u00fccken ABC ist nach bekannten Grunds\u00e4tzen zu beurtheilen. Druckmesser, welche man in abcdef aufsetzt, geben die angegebenen relativen H\u00f6hen der aufsteigenden Fl\u00fcssigkeit. Der Gang der Curve, der hierdurch angedeutet wird , bietet von / bis d nichts Ungew\u00f6hnliches ; er f\u00e4llt, w ie man sieht, zusammen\nmit dem der vorigen Figur; ebenso zeigt sich das St\u00fcck von a bis c nach den gew\u00f6hnlichen Regeln gebildet. Sehr eigenth\u00fcinlich verl\u00e4uft dagegen die Curve in dem erweiterten St\u00fccke B, indem der Druck statt am Ende (d) desselben h\u00f6her, als am Anfang (c) zu stehen, vom Ende gegen den Anfang abf\u00e4llt. Der genauere Gang der Curve, uud namentlich, ob sie sich der Linie g oder h ann\u00e4hert, ist durch die Beobachtung noch zu ermitteln. \u2014 Der Grund f\u00fcr die niedere Spannung in der Gegend von c muss offenbar gesucht werden in der raschen Ausbreitung, welchen der aus der engen M\u00fcndung b dringende Strahl erf\u00e4hrt. \u2014 Bemerkenswerth ist hierbei eine andere Erscheinung, die nemlich, dass der Strom, welcher die Richtung des Pfeils verfolgt, von einem Orte niederer Spannung zu einer solchen h\u00f6herer dringt.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nErweiterung zwischen zwei Verengerungen.\nDie Thatsache, dass die st\u00e4rker gespannten und darum nach allen Seiten hin kr\u00e4ftiger auseinanderfahrenden Tbeilchen des Querschnitts d vorw\u00e4rts geschoben werden von den weniger gespannten Theilchen in c, kann nur darin ihre Erkl\u00e4rung finden, dass den letztem Theilchen bei c noch mehr bewegende Kraft zukommt, als den bei d, so dass die erstem einen grossem Antheil ihrer Gesammtkraft zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwenden. Die erstere dieser Behauptungen rechtferiigt sich dadurch, dass die im Querschnitt c enthaltene Masse in der That in Folge der geringem Reibung weniger Kraft verloren, als die in d vorhandene. Die andere Annahme ist aber die folgerechte Ableitung aus der auf Seite 31. angestellten Betrachtung, wonach die gesammte bewegende Kraft eines Theilcheim dargestellt werden kann durch eine Summe, von der ein Theil als Geschwindigkeit und ein anderer als Spannung auftritt. \u2014 Anschaulicher ist vielleicht Doch der folgende Ausdruck : indem die Theilchen von c zu den Punkten h\u00f6herer Spannung \u00fcbergehen , b\u00fcssen sie pl\u00f6tzlich einen grossen Theil ihrer Geschwindigkeit ein; sie werfen sich also selbst in Gegenden h\u00f6herer Spannung.\nAus diesen Mittheilungen lassen sich mancherlei Folgerungen ziehen, von denen wir zwei wegen ihrer praktischen Bedeutung hervorheben. Sie beziehen sich auf die Ver\u00e4nderungen, welche ein Strom in einer R\u00f6hre erf\u00e4hrt, dessen Aus- oder Ein-fiussm\u00fcndung verengert worden ist.\nSetzen wir also, es sei in einem \u00fcberall gleichweiten Rohr Spannung und mittlere Geschwindigkeit bestimmt worden,\tund\tes werde nun\tpl\u00f6tzlich die Aus-\nflussm\u00fcndung letztere verengert, w\u00e4hrend\tdie\tam Einfluss des\tRohrs wirksamen Kr\u00e4fte unver\u00e4ndert erhalten w\u00fcrden,\tso\twird offenbar\tin\tdem Rohr die\nStromgeschwindigkeit abnehmen und daf\u00fcr sich die Spannung erh\u00f6hen. In der verengten Ausflussm\u00fcndung muss dagegen die Geschwindigkeit steigen, jedoch nicht in dem Verh\u00e4ltnis, in welchem der Querschnitt abgenommen hat, so dass der nun raschere Strom aus der engen Oeffnung nicht soviel Fl\u00fcssigkeit f\u00f6rdert, als dieses der langsamere aus der weiten vermochte. Die Nothwendigkeit dieses letztem Ergebnisses sieht man gleich daraus ein,\tweil\tin dem Theil\tder\tR\u00f6hre, dessen\nDurchmesser unver\u00e4ndert erhalten wurde, die Stromgeschwindigkeit abgenommen hat. Der physikalische Grund hierf\u00fcr ist aber darin zu suchen, dass die Fl\u00fcssigkeit in der engen M\u00fcndung durch Reibung mehr an ihrer lebendigen Kraft einbiisst, als dieses in der weiten geschah. \u2014 Verengert man aber, w\u00e4hrend in dem Rohr von den bezeiehneten Eigenschaften die Ausflussm\u00fcndung unver\u00e4ndert erhalten w\u00fcrde, die Einflussm\u00fcndung, so wird in dem unver\u00e4nderten St\u00fcck Spannung und Geschwindigkeit abnehmen, und zwar darum, weil die lebendigen Kr\u00e4fte jedes einzelnen eintretenden Theilchens durch Reibung mehr, als fr\u00fcher abgeschw\u00e4cht werden, und weil zugleich die Masse der Fl\u00fcssigkeit, welche an der Einflussm\u00fcndung bewegt wird, abnimmt.\n4. Verzweigte R\u00f6hren. Von den zahlreichen Formen, welche durch die Verzweigung der Str\u00f6me hergestellt werden k\u00f6nnen , ber\u00fccksichtigen wir nur diejenigen, bei denen ein urspr\u00fcnglich einfaches Rohr sich theilt und dann wieder in ein einfaches zusammenl\u00e4uft.\nVergleicht man die Erscheinungen eines Stroms im verzweigten Rohr mit denen im unverzweigten, so kann man behaupten , dass ein und dieselbe Menge Fl\u00fcssigkeit, welche mit gleichen lebendigen Kr\u00e4ften begabt, an der Einflussm\u00fcndung anlangte, auf ihrem Lauf durch ein gleich langes Wegst\u00fcck des verzweigten Rohrs mehr von ihren lebendigen Kr\u00e4ften einbiisst, als in einem unverzweigten. Dieses ergiebt sich sogleich, -wenn man bedenkt, dass im verzweigten Rohr im Verh\u00e4ltniss zum Iuhalt eine gr\u00f6ssere Wandfl\u00e4che vorhanden ist, als im unverzweigten, und ferner, dass im verzweigten Rohr nothwendig Winkelbiegungen vorhanden sein m\u00fcssen, die dem unver-zweigten fehlen k\u00f6nnen. Dieser einfachen Betrachtung entsprechend wird die Hem-","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Verzweigte R\u00f6hren.\n45\nmung in einem R\u00f6hrensystem von gleichem Querschnitt und gleicher L\u00e4nge in einem raschen Verh\u00e4ltniss steigen mit der Anzahl der Einzelr\u00f6hren, auf welchen dieser Querschnitt vertheilt ist.\nR\u00fccksichtlich des Verh\u00e4ltnisses der Geschwindigkeit gilt in einem verzweigten R\u00f6hrensystem alles das, was f\u00fcr das unverzweigte behauptet wurde, d. h. es nimmt in dem Strom die Geschwindigkeit ah, wenn der Querschnitt zunimmt und umgekehrt.\na. Eben massig verzweigte R\u00f6hren (Fig. 20.). Wir nehmen an, dass die einzelnen Stromglieder A B C D von \u00fcberall gleichem Querschnitt seien und dass die Schenkel B und C gleiche Kr\u00fcmmung und gleiche L\u00e4nge besitzen. \u2014 Da der Strom in B C ein noch einmal so grosses Bett, als in A oder D hat, so wird\ner in dem letzten Abschnitt doppelt so geschwind wie in B und C laufen. \u2014 Verfolgen wir die Curve der Spannung, indem wir hierbei vom Ende des St\u00fcckes D ausgehen , so werden wir finden, dass sie in D allm\u00e4hlig anwmchst (von f bis e), dann hinter der M\u00fcndungsstelle beider R\u00f6hren in dem einfachen Rohr (bei d e) pl\u00f6tzlich austeigt, weil hier die Str\u00f6me zusammensiossen; durch C und das gleichartige D w\u00e4chst sie allm\u00e4hlig wegen der geringen Geschwindigkeit (\u00fc bis c). Bei b c kreuzen sich nun die Einfl\u00fcsse ; einmal nemlicb st\u00f6sst sich der aus A kommende Strom an die entgegenstehende Wandung und darum muss die Spannung hier steigen, dann aber erweitert sich auch der Strom pl\u00f6tzlich und darum muss an diesem Orte die Spannung sinken; je nach dem Ueber-gewicht des einen oder andern Momentes muss also hier eine Steigerung oder ein Sinken der Spannimg resultiren. In der gezeichneten Curve ist darum dieser Abschnitt mit einer horizontalen Linie dargestellt. In dem St\u00fccke \u00c0 endlich muss die Spannung wieder wie in D anwachsen.\nFig. 20.\nB\nb. Ass y me tris che R\u00f6hrenverzweigu n dem ersten Fall geben wir allen R\u00f6hrensl\u00fccken gleiche Weite.\nFig. 21.\n\n(Fig. 21. und Fig. 22.). \u2014 In Um Wiederholungen zu vermeiden, betrachten wrir nun das verzweigte St\u00fcck von dem Punkt a bis zu b, d. h. von den Stellen, wo sich die Str\u00f6me trennen, bis zu den, wo sie aufeinander-stossen. \u2014 An den beiden Enden der Schlinge ist offenbar die Spannung der aus beiden R\u00f6hren kommenden Fl\u00fcssigkeitsmassen ausgeglichen. Gesetzt, es sei uns der Werth dieser Spannung bei a und b gegeben, so w\u00fcrden wir uns zwei Abszissenachsen von der L\u00e4nge der R\u00f6hren B und C = a b und a b' legen, und auf den Endpunkten a, b,b' die gegebenen Spannungen auftragen. Eine Verbindungslinie\n\n.-J-\n5\n6,\nvon \u2018b und b\u2018 nach a w\u00fcrde eine unge-\u00e4hre Vorstellung vou dem Verlauf der Spannung auf dem langen und kurzen Rohrst\u00fcck geben. Wir sagen eine angen\u00e4herte Vorstellung, weil in dieser Curve einige )esondere Punkte nicht ber\u00fccksichtigt sind, welche sich durch Zusammenstoss und ^useinanderweichen der Fl\u00fcssigkeiten u. s. w. bilden. \u2014 Das Verh\u00e4ltniss der Ge-\nschwindigkeit in den beiden Armen ist dadurch bestimmt, dass die Curve der Spannung in dem Piohrst\u00fcck C steiler ausf\u00e4llt, als in B; sie muss in C gr\u00f6sser sein, als","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nVerzweigte K\u00f6hren.\nin B, weit im Rohre von gleichem Querschnitt die Steilheit der Spannungs-Curve w\u00e4chst mit der Geschwindigkeit.\nIn dem andern Fall. (Fig. 22.) ist den verzweigten St\u00fccken gleiche L\u00e4nge, aber ein ungleicher Durchmesser gegeben worden.\nFig. 22.\nB\nBei einer \u00e4hnlichen Anordnung, welche Volkmann beobachtete, fiel die Curve der Seitendr\u00fccke von a nach d in B zuerst allm\u00e4hlig und gegen das Ende des Rohrs sehr steil ab; in C fiel sie zuerst sehr steil, dann langsamer als in B und schliesslich wieder sehr steil, aber abermals weniger rasch als in der entsprechenden Stelle von B ab. Dieses Verhalten erkl\u00e4rt sich daraus, dass sich in d ein ausgezeichneter Punkt findet, hervorgebracht durch das Ineinanderstr\u00f6men aus den beiden Armen; die hier erzeugte Hemmung wird am st\u00e4rksten auf B fallen, da der Strom in C durch Reibung weniger als der in B verloren hat, so dass der letztere von dem ersteren an lebendiger Kraft \u00fcbertroffen, auch am bedeutendsten aufgehalten wird. Darum muss nach B hin die Spannung h\u00f6her steigen. Von c an erhebt sich nun, der st\u00e4rkern Reibung entsprechend, der Druck rascher in B als in C, so dass am Anfang der R\u00f6hre bei b die Spannung in B viel h\u00f6her ist als in C. \u2014 Nun ist aber die Spannung in a, an der Theilungsstelle beider Str\u00f6me, unbezweifelt abh\u00e4ngig von der Spannung in B und C; sie muss also niedriger werden, als sie sein w\u00fcrde, wenn der Strom allein durch B ginge, und h\u00f6her, als wenn die Fl\u00fcssigkeit ihre Spannung von C aus erhielt. Mit einem Wort, sie wird irgend welche mittlere zwischen c b und B C sein. Von a nach b in C wird nun aber ein rascher Abfall der Spannung zu Stande kommen, weil jenseits a die aus dem Rohr B stammende Spannung hier nicht wirkt und die Fl\u00fcssigkeit durch C leicht abfliessen kann.\u2014 Die mittlere Geschwindigkeit in C wirdw7egen der geringeren Reibung betr\u00e4chtlicher, als in B sein m\u00fcssen.\nDie vorliegenden Betrachtungen gen\u00fcgen nun, abzuleiten, was eintritt, wenn man in einem verzweigten Rohr pl\u00f6tzlich einen Ast verstopft, oder einen bis dahin verstopften \u00f6lfnet; vorausgesetzt, dass die Kr\u00e4fte, welche an der Einflussstelle wirksam sind, unver\u00e4ndert bleiben. Wir wollen zur beispielsweisen Betrachtung ein symmetrisches Rohr (Fig. 24.) w\u00e4hlen Wenn dem Strome beide R\u00f6hren ge\u00f6ffnet sind, so wird die Curve der Spannung bekanntlich (siehe Fig. 21.) wie das durch ab cd dargestellte Gesetz, inne halten, wobei das St\u00fcck bc gleicbm\u00e4ssig f\u00fcr die beiden Aeste B und C gilt. Verschliesst man darauf den Anfang von C bei z, so muss der Strom nun durch B gehen und die Fl\u00fcssigkeit in C zur Ruhe kommen ; in diesem letztem Schenkel wird demnach die Spannung \u00fcberall einen gleichen Werth annehmen und zwar denjenigen, welchen der Strom ABI) an der Stelle besitzt, wo der todte Schenkel C in ihn m\u00fcndet; er wird sich ganz wie ein Manometer verhalten.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Elastische R\u00f6hren.\nFig. 2o.\nin dem Rohr A B D wird nun der Strom, da er in einem \u00fcberall gleichweiten Bett fliesst eine Spannung annehmen, die ann\u00e4hernd vom Anfang bis zu Ende noch einer geraden Linie etwa wie a d abf\u00e4llt ; das einzige unbestimmte, welches nun noch bleibt, liegt in der Steilheit, mit welcher a d absteigt. Die Erfahrung hat nun daf\u00fcr entschieden (Volkmann), dass, wenn im unverstopften Rohr die Spannungscurve wie abcd, sie im verstopften wie ad l\u00e4uft, d. h. es ist nach der Verstopfung die Spannung in allen den R\u00f6hrenst\u00fccken, die zwischen der Einflussm\u00fcndung und dem verstopften Orte liegen, erh\u00f6ht, und es erstreckt sich diese Erh\u00f6hung auch noch ein St\u00fcck jenseits der letzten Stelle; von da ab f\u00e4llt dann die Spannung unter diejenige, welche der Strom im unverstopften Rohr besass. Die theoretische Rechtfertigung hierf\u00fcr ist dadurch gegeben, dass die Stromgeschwindigkeit in dem unverstopften Rohr wegen der relativ geringeren Menge von Hemmungen gr\u00f6sser als in dem verstopften ist. Bleiben sich aber in beiden F\u00e4llen die an der Einflussm\u00fcndung wirkenden Kr\u00e4fte gleich, so muss der Kraftantheil, der zuerst auf die Geschwindigkeit verwendet wurde, nun als Spannung auftreten.\nBei einigem Nachdenken d\u00fcrfte es nun gelingen, auch andere verwickelte F\u00e4lle abzuleitcn, w enn die Bedingungen derselben mit hinreichender Genauigkeit gegeben sind.\n5. Str\u00f6me durch elastische, leicht dehnbare R\u00f6hren*). Bis dahin sind nur Str\u00f6me durch R\u00f6hren in Betracht gezogen, deren Wandungen, wenn auch elastisch, doch so wenig ausdehnbar angenommen werden konnten, dass die Ver\u00e4nderung des Durchmessers, welche sie durch die Spannung der str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit erfuhren, vernachl\u00e4ssigt werden konnte. Anders verhalten sich die Str\u00f6me, welche im Rohr mit ausdehuharen Wandungen verlaufen. Indem wir zu diesen letztem \u00fcbergehen, werden wir aber nicht, wie bisher, unsere Untersuchung beschr\u00e4nken auf Str\u00f6me von einer w\u00e4hrend der Beobachtungsdauer gleichbleibenden Spannung und Geschwindigkeit, sondern zugleich Str\u00f6me, in denen diese beiden Eigenschaften ver\u00e4nderlich sind, in Betracht ziehen.\na. Gl ei ch massige Str\u00f6me in ausdehnbaren R\u00f6hren. Wenn wir voraussetzen, dass das elastische Rohr vor Beginn des Stroms in Ruhe gewesen sei, mit andern Worten, dass es den Durchmesser und die L\u00e4nge angenommen habe, welche ihm in Folge seiner elastischen Kr\u00e4fte zukommt, so muss mit dem Beginn des Stromes sich der Durchmesser und die L\u00e4nge des Rohrs \u00e4ndern, und zwar in Folge der Spannung, welche sich jedesmal in einer Fl\u00fcssigkeit entwickelt, die sich in einem von Wandungen umgebenen Raum bewegt. Der Umfang dieser Ausdehnung wird\n*) E. H. und W. Weber, Wellenlehre nach Versuchen. Leipzig 1825. \u2014 II. Frey, Versuch einer Theorie der Wellenbewegung. M\u00fcllers Archiv. 1845\t\u2014 Volk mann, Haemodynamik.\np. 80. \u2014 E.H. Weber, Ueber Anwendung der Wellenlehre. Leipziger Berichte. Mathemat. physische Classe. 1851. 104.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nUngleichm\u00e4ssiger Strom in dehnbaren R\u00f6hren.\naber abhanden von der Gr\u00f6sse der Spannung, der Ausdehnung der Wandung und dem Werth ihres Elastizit\u00e4tscoeffizienten.\nDie Gr\u00f6sse der Spannung in der Fl\u00fcssigkeit ist, wie wir wissen, zu bemessen nach den Triebkr\u00e4ften, welche die Fl\u00fcssigkeit in Bewegung setzen, ihrer Reibung, ihrem Anstoss gegen die R\u00f6hrenwand u. s. w. \u2014 Die Ausdehnung der R\u00f6hrenll\u00e4chen kommt aber in Betracht, weil hierdurch die Summe der Dr\u00fccke, oder anders aus-gedr\u00fcckt, das Gewicht bestimmt wird, welches die R\u00f6hrenwand nach L\u00e4nge und Quere zieht; denn es ist dieses Gewicht gleich dem Produkt der Spannung in der Fl\u00e4chenausdehnung, auf welche der Druck wirkt. \u2014 Dass schliesslich die Ausdehnbarkeit in Betracht gezogen werden muss, versteht sich von selbst. Insbesondere ist aber auch noch R\u00fccksicht zu nehmen auf die Ver\u00e4nderlichkeit derselben mit der wachsenden Spannung (siehe Bd. I. p. 46.) und auf die Ungleichheit der Ausdehnbarkeit nach verschiedenen Richtungen (der L\u00e4nge und dem Umfang des Rohrs), wie sie sich in ungleich angeordneten, festen Massen immer vorfindet. \u2014\nVon dem Augenblick an, in welchem der Strom in dem ausdehnbaren Rohr zu seinem Beharrungszustand, d. h. zu der Spannung und Geschwindigkeit gelangt ist, welche ihm w\u00e4hrend seiner Dauer gleichra\u00e4ssig eigen sein soll, wird er sich nun verhalten wie in einem festen Rohr von gleichen Dimensionen und gleichem Reibungs-coeffizienten. \u2014 Der Unterschied zwischen einem Strom und der ausdehnbaren und nicht ausdehnbaren R\u00f6hre bezieht sich also wesentlich auf die den Strom sich anpassende Ausdehnung des Rohrs. Dieses schliesst die Folge in sich , dass das Ausstr\u00f6men aus dem R\u00f6hrenende nicht in dem Momente erfolgt, in dem das Einstr\u00f6men in den R\u00f6hrenanfang geschah, und ebenso, dass nicht in dem Augenblick das Ausstr\u00f6men aus dem R\u00f6hrenende aufh\u00f6rt, in dem das Einstr\u00f6men in den R\u00f6hrenanfang unterbrochen wird. Man sieht den letzten f\u00fcr uns bemerkenswerthen Erfolg sogleich ein, wenn man erw\u00e4gt, dass der Strom aus der R\u00f6hre auch nach geschlossener Einflussm\u00fcndung erst dann aufh\u00f6ren kann, w^enn sich dasselbe wieder umsoviel verk\u00fcrzt und verengert hat, als es durch den von der Einfiussm\u00fcndung her erregten Strom erweitert und verl\u00e4ngert worden war.\nb. Ungleichm\u00e4ssiger Strom in ausdehnbaren R\u00f6hren. Ein Strom in leicht dehnbaren R\u00f6hren kann aus vielerlei Gr\u00fcnden und auf mannigfache Art ungleichf\u00f6rmig werden. Indem wir uns vom physiologischen Bed\u00fcrfniss leiten lassen, beschr\u00e4nken wir uns auf die Betrachtung der F\u00e4lle, in denen eine rhytmisch wiederkehrende Steigerung oder Minderung der an der Ein- oder Ausflussm\u00fcndung des Rohrs wirkenden Kr\u00e4fte, die Geschwindigkeit, Spannung und den Querschnitt des Stroms nach einer regelm\u00e4ssigen, wiederkehrenden Zeitfolge \u00e4ndern. Unsere etwas verwickelte Betrachtung zergliedern wir in der Art, dass wir die Erscheinungen, welche an der WanduDg beobachtet werden, gesondert schildern von denen, welche der Fl\u00fcssigkeit eigen sind. Hierbei behandeln wir jedesmal gesondert die Vorg\u00e4nge, welche in zeitlicher Reihenfolge in ein und demselben Wandumfang oder Stromquerschnitts auftreten und darauf diejenige, welche gleichzeitig an verschiedenen Orten des Stromrohrs sich geltend machen.\na. Die Voraussetzungen, die wir zuerst als erf\u00fcllt annehmen, bestehen darin, dass in die Einflussm\u00fcndung eines am Ausflussende stets offenen Rohrs eine mit der wachsenden Zeit ver\u00e4nderliche Fl\u00fcssigkeitsmenge einstr\u00f6me. Insbesondere soll die einstr\u00f6mende Menge mit der Zeit so ver\u00e4nderlich gedacht werden, dass w\u00e4hrend der beliebigen Zeiteinheiten , io weiche die ganze Stromdauer zerf\u00e4llt w erden kann, die in das Rohr gelangende Fl\u00fcssigkeitsmenge mit dem Beginn einer jeden Zeiteinheit Null ist, von da bis zur H\u00e4lfte der Zeiteinheit zu einem Maximum anw\u00e4chst, und dann in der zweiten H\u00e4lfte der Zeiteinheit wieder bis zu Null abnimmt. Die Kraft, welche w\u00e4hrend dieser Zeit jeder in das Rohr geworfenen Masseneinheit zukommt,","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Wellenbewegung im elastischen Rohr.\n49\nsoll , wenn nicht das Gegentheil angegeben, als gleich gross angesehen werden. \u2014 Die hier verlangten Bedingungen w\u00fcrden u. A. verwirklicht sein, wenn man einen horizontalen Schlauch aus vulkanisirtem Kautschouk an eine steife R\u00f6hre gebunden h\u00e4tte, welche in einen grossen Wasserbeh\u00e4lter m\u00fcndete. Das Verbindungsst\u00fcck zwischen dem Wasserbeh\u00e4lter und dem Kautschouk m\u00fcsste noch mit einem Hahn versehen sein, der in regelm\u00e4ssiger Zeitfolge ge\u00f6ffnet und geschlossen w\u00fcrde, w\u00e4hrend das Niveau der Fl\u00fcssigkeit in dem Beh\u00e4lter unver\u00e4nderlich bliebe.\nErfalirungsgem\u00e4ss erweitern und verl\u00e4ngern sich die der Einflussm\u00fcndung zun\u00e4chst gelegenen R\u00f6hrenabschnitte, w\u00e4hrend ein solches Einstr\u00f6men geschieht mit dem Ansteigen der eingeworfenen Fl\u00fcssigkeitsmenge ; sie verk\u00fcrzen und verengern sich dagegen wiederum bis zu ihrem urspr\u00fcnglichen Umfang, wenn in der zweiten H\u00e4lfte der Zeiteinheit das eingeworfene Wasserquantum wieder abnimmt. Auf dieser letztem Lage verharren sie ruhig, vorausgesetzt, dass sie nicht durch einen neuen Stoss aus derselben getrieben werden. In Folge dieser Bewegung der Wandtheil-chen von dem Ort, den sie bisher einnahmen, zu einem andern und ihrer R\u00fcckkehr zu der alten Stelle, ver\u00e4ndert sich zugleich die Spannung zwischen zwei zun\u00e4chst gelegenen Theilehen und zwar, wie selbstverst\u00e4ndlich, entsprechend der Ausdehnung und dem Ausdehnbarkeitsmaass der erweiterten Wandungen. \u2014 Die so eben geschilderte Bew egung in den Wandtheiichen, welche der Einflussm\u00fcndung zun\u00e4chst gelegen sind, pflanzt sich nun allm\u00e4hlig durch das ganze Rohr hindurch fort in der Art, dass die von der Einflussm\u00fcndung entfernten Theilehen immer etwas sp\u00e4ter gerade die Wegrichtung einschlagen, in welcher kurz vorher die vor ihnen liegenden gingen, so dass nach der Ausflnssm\u00fcndung hin die Wand immer noch in Bewegung begriffen ist, wenn sie an der Einflussm\u00fcndung schon zur Ruhe kam. Bekanntlich nennt man eine solche Bewegung eines jeden Punktes eine Wellenbewegung desselben, die Gesammtheit aller durch einen Stoss von bestimmter Dauer gleichzeitig in Bewegung gesetzter Theilehen aber eine Welle. \u2014 Die L\u00e4nge des Wegs (der Schwingungsumfang), welchen jeder einzelne Wandtheil bei einer Wellenbewegung zur\u00fccklegt, w\u00e4chst mit der Nachgiebigkeit der R\u00f6hrenwand, mit der Geschwindigkeit und dem Volum der eingestossenen Fl\u00fcssigkeit (d. h. der St\u00e4rke des Stosses, den das Theilehen empfangen kaun) und den Widerst\u00e4nden f\u00fcr die Fortbewegung der letzteren im Rohre. \u2014 Obwmhl sich nun, wie wir erfuhren, die Schwingung, welche ein einzelnes Theilehen ausf\u00fchrt, mit der Zeit verbreitet \u00fcber alle \u00fcbrigen , so erreicht sie doch nicht \u00fcberall denselben Umfang; insbesondere steht fest, dass die R\u00f6hrenst\u00fccke, welche von der Fl\u00fcssigkeit zuerst geslossen werden, eine gr\u00f6ssere Ausdehnung erfahren, als diejenigen, welche gegen die Ausflussmiindung liegen; oder anders ausgedr\u00fcckt, es nimmt die Excursion der Welle von der Einfluss- zur Ausflussm\u00fcndung des Rohrs allm\u00e4hlig ab. Diese Abflachung der Welle bei ihrem Fortschreiten ist in engen und gespannten R\u00f6hren merklicher, als in weiten (E. H. Weber). \u2014 Die Zeit, welche vergeht zwischen dem Auftreten der Bewegung an einem gegebenen Orte und einem andern von bekannter Entfernung (Fortpflanzungsgeschwindigkeit) scheint nur innerhalb eDger Grenzen abh\u00e4ngig zu sein von der Spannung der Wandung. Man schliesst hierauf aus den Beobachtungen von E. H. Weber, wonach in einem vulkanisirten Kautschoukrohr von 27,5 MM. Durchmesser der von der Wellenbewegung in der Sekunde durchlaufene Weg 11,470 Meter betrug, gleichgiltig, ob das Rohr unter dem Druck einer 3,5 oder 0,008 Meter hohen Wassers\u00e4ule gespannt war. In einem Schaafdarm fand er dagegen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit so gering, dass der Weitergang der Weile mit dem Auge beobachtet werden konnte; \u00e4hnlich wie im letzteren Fall verh\u00e4lt sich auch die Sache in einer weiten, d\u00fcnnwandigen Kautschoukr\u00f6hre. \u2014 Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist, wie besonders hervorzuheben, an den dickwandigen Kautschoukr\u00f6hren unabh\u00e4ngig von dem Volum Ludwig, Physiologie. II.\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nBewegung der Wassertheilchen in den Schlaucbwel\u00eeen.\nund der Geschwindigkeit der in das Rohr gestosseuen Fl\u00fcssigkeit. \u2014 Die L\u00e4nge der Welle, oder der Abstand jener Wandtheilchen, welche genau in derselben Bewegungsphase, z. B. auf dem Maximum ihrer Erhebung, begriffen sind, ist abh\u00e4ngig von der Zeitdauer, w\u00e4hrend welcher der Stoss wirksam ist, und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit.\nDie Richtung, nach welcher sich die Wassertheilchen in Folge des wellenerzeugenden Stosses in der R\u00f6hre bewegen, kann niemals der L\u00e4ngenachse dieser letzteren parallel laufen, weil sich die R\u00f6hre erweitert und verengert, indem die Fl\u00fcssigkeit in sie und aus ihr dringt; die Abweichung der Bewegungsrichtung von der gradlinigen wird aber nur in dem besondern Fall bedeutend sein , wenn die Widerst\u00e4nde, weiche die Fl\u00fcssigkeit nach der L\u00e4ngenachse des Rohrs findet, auffallend sind, w\u00e4hrend zugleich die Wand sehr nachgiebig ist. \u2014 Die Geschwindigkeit, welche dem einzelnen Theilchen, w\u00e4hrend es in einer Welle schwingt, zukommt, ist eine mit der Zeit ver\u00e4nderliche. In allen Fallen nimmt die Geschwindigkeit der Wassertheilchen an der Grenze zwischen dem elastischen und dem steifen Zuflussrohr mit der steigenden Oeffuung des Hahns zu und mit der beginnenden Schliessung wieder ab. Diese von Null zu einem Maximum aufsteigende und von da wieder zu Null abfallende Geschwindigkeit verbreitet sich nun allm\u00e4hlig durch den Inhalt des Rohrs und zwar den Gesetzen der Stossiiberlragung entsprechend, so dass in dem Maasse, in welchem neue Massen nach der Seite der Ausflussm\u00fcndung hin in die Bewegung eintreten , andere bisher in ihr begriffene zur Ruhe kommen. Indem sich nun die Bewegung vom Anfang zum Ende des Wellenrohrs fortpflanzt, \u00e4ndern sich aber die Unterschiede in der Geschwindigkeit, welche dem einzelnen Theilchen zu verschiedenen Zeiten zukommen, und zwar beobachtungsgem\u00e4ss in der Art, dass mit dem Fortschreiten der Bewegung das Maximum der erreichten Geschwindigkeit geringer wird, mit andern Worten, es n\u00e4hert sich die ungleichf\u00f6rmige Bewegung mehr und mehr der gleichf\u00f6rmigen an ; diese Umw andlung der Bewegungsart geschieht, soweit wir wissen, in engen R\u00f6hren vollkommener, als in weiten. \u2014 Die Gr\u00f6sse des Wegs, welchen ein Theilchen nach der L\u00e4ngenachse des Rohrs zur\u00fccklegt, ist abh\u00e4ngig von dem Verh\u00e4ltniss des eingeworfenen Fl\u00fcssigkeitsvolums zu der R\u00e4umlichkeit des R\u00f6hrenquerschnitts. Da nun das \u00fcber die Wellenl\u00e4nge und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wandtheilchen Ausgesagte zusammenf\u00e4llt mit demjenigen des R\u00f6hreninhalts, indem die betreffenden Verh\u00e4ltnisse der letzteren die der ersteren bedingen, so ist es klar, dass die einzelnen Fliissigkeitstheilchen in der Zeiteinheit einen viel k\u00fcrzeren Weg zuriicklegen, als die Welle selbst. So wird zum Beispiel, wenn wir annehmen, es sei in einer Sekunde soviel Fl\u00fcssigkeit in das Rohr, wie es Weber benutzte, geworfen, dass sein Inhalt um 0,1 M vorw\u00e4rts geschoben worden w\u00e4re, in dieser Zeit die Bewegung durch Mittheilung des Stosses von einem zum andern Querschnitt um 11,7 M. fortgeschritten sein. \u2014 Mit der Bewegung der Fliissigkeitstheilchen findet sich aber zugleich auch eine Spannung zwischen ihnen ein , die aus bekannten Grunds\u00e4tzen mit der steigenden Geschwindigkeit zunimmt. Somit wandert auch durch die Fl\u00fcssigkeit allm\u00e4hlig eine zu- und abnehmende Spannung, wenn eine Wellenbewegung durch dasselbe l\u00e4uft.\nNachdem wir uns das Wesentlichste des Tbats\u00e4chlichen bemerkt haben, welches in einem m\u00f6glichst einfachen Wellenschlauch vorgeht, wenn er von einer sog. Bergwelle durchlaufen wird, wollen wir den inneren Zusammenhang der Erscheinungen, insofern es f\u00fcr die Welle des Scblauchs ein besonderer ist, klar zu machen suchen. \u2014 Die erste Frage, welche wir uns vorlegen, besteht darin, warum und wie erweitert sich durch die eingeworfene Fl\u00fcssigkeit der Schlauch, und auf welchem Wege kommt das Forlschreiten der Erweiterung zu Stande, w\u00e4hrend die zuerst bewegten Stellen ann\u00e4hernd in ihre erste Lage zur\u00fcckkehren, um dort in Ruhe zu verharren.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Theorie der Schlauchwellen.\n51\nFig. 24.\tNehmen wir an, es sei in\nc die schon angef\u00fcllte R\u00f6hre an, kk, (Fig. 24.) von Neuem Fl\u00fcssigkeit eingestossen, welche im Beginn des Einflusses \u00fcber den ersten, in horizontaler Richtung nicht verschiebbaren Querschnitt a a, hinaus nach ee, gedrungen sei, so muss sich aus bekannten Gr\u00fcnden eine von e nach a zunehmende Spannung entwickeln. Dem entsprechend wird sich das Wandtheilchen a auf den Weg nach c hin begeben und nach Beendigung des ersten Augenblicks etwa in b angelangt sein. Dringt nun im zweiten Augenblick abermals ein Strom durch den Querschnitt bh, so muss sich zwischen b und e die Fl\u00fcssigkeit betr\u00e4chtlich mehr spannen, als dieses im ersten Augenblick der Fall war. Denn einmal bestehen alle fr\u00fchem Gr\u00fcnde f\u00fcr das Entstehen der Spannung und dann aber ist auch jetzt die Wand schr\u00e4g gegen die Stromrichtung gestellt. Indem also b wiederum gegen c aufsteigt, wird es w\u00e4hrend derselben Zeit in dieser Richtung einen grossem Weg zuriicklegen, als vorher; wir wollen annehmen, es gelange auf cc,. Die nothwendige Folge des andauernden Einstr\u00f6mens von a ber ist aber die, dass sich die Fl\u00fcssigkeit \u00fcber ee, etwa nach hh, hin verbreitet; auch in diesem Abschnitt des Stroms wird sich eine Spannung einstellen, welcher im zweiten Augenblick des Stroms ungef\u00e4hr der Werth zukommen wird, den bb, ee, im ersten besass.\u2014\n\n\n\u00abff\nGesetzt, wir h\u00e4tten nun aber, als das Rohr in Fig. 25. die Gestalt cfh cfh angenommen hatte, die Einflussm\u00fcndung bei cc geschlossen, so ist es zun\u00e4chst klar,\nFig. 25.\tdass ein Strom in der Richtung des Pfeils\nstatt finden muss, da bei cc, eine betr\u00e4chtliche, bei hh, aber gar keine Spannung statt findet. Ueberlegt man sich aber genauer, wie sieh die Kr\u00e4fte verhalten in den Querschnitten, die man durch die Punkte cc, //, hh, des Rohrs legen kann, so sieht man ein, dass die Unterschiede der Spannungen zwischen//, und cc, gr\u00f6sser, als zwischen hh, und ff, sind. Da sich nun auch zugleich das Rohr von c nach h verengt, so ist auch die M\u00fcndung, durch welche die Fl\u00fcssigkeit von c nach / str\u00f6mt, weiter als die, durch welche sie von f nach i ausfliesst. Es sind also hinreichende Gr\u00fcnde daf\u00fcr vorhanden, dass mehr Wasser nach f hin-, als von / wegstr\u00f6mt.\nWenn sich somit die Fl\u00fcssigkeit in / anh\u00e4uft, so muss auch der Punkt f nach g hin steigen, w\u00e4hrend c gegen a hin zur\u00fcckgeht. \u2014 Dieses Zur\u00fcckgehen des Punktes von c nach a und das Ansteigen des Punktes / nach g hin muss aber so lange dauern, bis in dem Querschnitt ff die in der Richtung von ae wirksamen Kr\u00e4fte denen in der Richtung e h th\u00e4tigen das Gleichgewicht halten. Dieses ist aber offenbar noch nicht eingetrelen, wenn die elastische Spannung des Kreisumfangs, auf dem ff liegen, gleich ist derjenigen, welcher cc angeboren. Denn es haben dann noch die Punkte cc eine Geschwindigkeit nach der R\u00f6hrenachse hin, w\u00e4hrend die Punkte ff eine solche nach g g hin besitzen, so dass demnach wegen der Beharrung beide St\u00fccke noch eine Zeitlang in entgegengesetzter Richtung gehen. Dem entsprechend wird sich die R\u00f6hre der Form agi ann\u00e4hern. \u2014 Hat nun aber einmal das Rohr diese Stellung (Fig. 26.) angenommen, so wird die Yertheilung der Kr\u00e4fte in ihm etwa folgende sein Auf dem Querschnitt bb kommt der Fl\u00fcssigkeit wegen des urspr\u00fcnglich\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"Theorie der Schlauchwetlert.\nFig. 20.\nempfangenen Stosses eine Geschwindigkeit zu in der\nl ____________ Richtung des Pfeils, und ausserdem hat sie eine\nSpannung, verm\u00f6ge derer sie ebensowohl nach au, als nach cc getrieben wird. Die Str\u00f6mung nach a a wird gehemmt durch die in entgegengesetzter Richtung wirkende Geschwindigkeit, die Str\u00f6mung nach cc wird dagegen durch dieselbe Geschwindigkeit unterst\u00fctzt und es wird somit ein beschleunigter Strom nach cc gehen , w\u00e4hrend die Fl\u00fcssigkeit in a a zur Ruhe kommt. Die an diesem Ort beruhigte Fl\u00fcssigkeit wird jedoch einen merklichen Grad von Spannung mehr besitzen, als er ihr vor Einleitung des Stroms eigen war, und darum wird auch das Rohr hier um etwas weiter bleiben, wenn auch die Bewegung von da nach dem R\u00f6hrenende weiter fortgeschritten ist.\nEine zweite Erscheinung, auffallend f\u00fcr eine Beugungsw^elle des Wassers, besteht darin , dass die Fortbildungsgeschwindigkeit unabh\u00e4ngig von dem Volum der eingestossenen Fl\u00fcssigkeit, von der Geschwindigkeit des einzelnen Fliissigkeitstheil-chens, und in weiten Grenzen auch unabh\u00e4ngig von der Wandspannung ist. Wir sind hiermit gezwungen, das Rohr und seinen Inhalt als ein zusammengeh\u00f6riges St\u00fcck aufzufassen, in dem die Weile nach Art der Schallwellen fortschreitet. Wie man sich das Zustandekommen dieser Erscheinung aber zu denken habe, ist schon fr\u00fcher Bd. 1. p. 2H5. auseinandergelegt. Wenn aber das Rohr sehr nachgiebig wird, sodass gleichsam das in ihm enthaltene Wasser mit einer freien Oberfl\u00e4che versehen ist, so m\u00fcssen nun auch auf das Fortschreiten der Welle im Wasser die Gesetze giltig sein, welche E. H. und W. Weher in ihrer Wellenlehre*) daf\u00fcr entwickelt haben.\nDie Gr\u00fcnde, aus denen sich die Welle w\u00e4hrend ihres Fortgangs durch das \u00fcberall gleichgestaltete Rohr abflacht, k\u00f6nnen allgemein nur darin liegen, dass die Geschwindigkeit der Wassertheilchen, welche sich jeweilig an einer Welle betheiligen, in einer Abnahme begriffen ist, denn nur hiervon kann eine Aenderung in der Spannung abh\u00e4ngig sein Diese Verminderung der Geschwindigkeit kann und wird , wie es scheint, auf zweifache Weise zu Stande gebracht werden. Einmal verlangsamt sich das schwingende Theilchen darum, weil sich die Welle beim Fortgang durch das Rohr verl\u00e4ngert; eine Verl\u00e4ngerung der Wellen bedeutet aber nat\u00fcrlich nichts anderes, als dass sich die Zahl der ihr angeh\u00f6rigen Theilchen vermehrt hat; da nun aber die Welle nur \u00fcber ein bestimmtes Kraftmaass disponirt, so muss noth wendig die Geschwindigkeit des einzelnen Theilchens abnehmen, wenn die Zahl der bewegten zunimmt. Neben diesem Grunde, der auf einer andern Vertheilung der lebendigen Kr\u00e4fte beruht, steht ein anderer, der sich von einem Verlust an Kr\u00e4ften herschreibt. Dass bei der Bewegung des Wassers in einem Wellenschlauch Verlust an Kraft stattfinden muss, ergiebt sich daraus, weil auch hier eine Fortbewegung des Wassers an den Wandungen, also Reibung, statt findet, weil sich die einzelnen Wassertheilchen im Innern des Rohrs mit ungleicher Geschwindigkeit bewegen, sie sich also voneinander losreissen m\u00fcssen und endlich, weil sich die Theilchen der Wandung gegeneinander bewegen, wobei ebenfalls Kr\u00e4fte durch innere Reibung verbraucht werden. Bei der ungeheuren Complikation der Vorg\u00e4nge, die hier stattfinden, wird es der Rechnung noch f\u00fcr lange Zeit unm\u00f6glich sein, eine Theorie derselben zu liefern. \u2014 In Ermangelung einer solchen hat Volk mann Versuche an gestellt., um die Beziehungen zu ermitteln, welche bestehen zwischen der mittleren Spannung und der mittleren Geschwindigkeit. Zu diesen bediente er sich der in Fig. 27. dargestellten\n) j>, 160,","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Mittlere Spannung und Geschwindigkeit der Schlauchwelle.\n53\nFig. 27.\nEinrichtung. K stetlt einen Wasserbeh\u00e4lter vor, in dessen einer Seilenwand nahe \u00fcber dem Boden ein mit einem Hahn verschliessbares Rohr H eingef\u00fcgl ist; an dieses Rohr ist ein Darinst\u00fcck D eingebunden, in dessen Seitenwand eine senkrechte Glasr\u00f6hre deren Lumen sich in der Darmh\u00f6hle \u00f6ffnet. An das Ende des Darms S ist ein messingenes Ausflussrohr eingef\u00fcgt. Nachdem der Beh\u00e4lter bis zu eine.r beliebigen, aber genau bekannten H\u00f6he mit Wasser gef\u00fcllt ist, \u00f6ffnet und sehliesst man in regelm\u00e4ssiger Wiederkehr den Hahn, sodass das Wasser in steigender und abnehmender Menge in den Darm eindringt. Wenn der Spiegel des Wassers auf gleicher H\u00f6he erhalten wird und die Umdrehung des Hahns nach einer sich gleichbleibende\u00bb Regel geschieht, so geht durch den Schlauch eine Reihe gleichgearteter Wellen, und in Folge dessen wird die Spannung, welche in H abgelesen werden kann, und der Ausfluss aus der M\u00fcndung S innerhalb bestimmten Grenze schwanken. Kennt man nun das Fl\u00fcssigkeitsvolum, welches in der Zeiteinheit aus dem Rohr str\u00f6mt, so erh\u00e4lt man daraus auch sogleich die mittlere Geschwindigkeit der Fl\u00fcssigkeit in der Oeffnung. Indem man die Mitte nimmt aus dem h\u00f6chsten und niedersten Stand der Fl\u00fcssigkeit in der spannungsanzei-geuden Glasr\u00f6hre, erh\u00e4lt man auch zugleich die mittlere Spannung in dem Darm, an der Stelle, in welcher die Glasr\u00f6hre eingef\u00fcgl war. Indem Volkmann diese beiden mittleren Werthe bei verschiedenen mittleren Geschwindigkeiten, oder was dasselbe bedeutet, f\u00fcr ungleich hohe Wasserst\u00e4nde in dem Kasten verglich, kam er zu der Regel, dass sich f\u00fcr jedes Darmrohr zwei Coeffizienten a und b finden lassen, welche die Spannung in diesem angeben, wenn man den einen von ihnen mit der einfachen Geschwindigkeit und den andern mit dem Quadrat derselben multiplizirt. Mit Zeichen ausgedr\u00fcckt war also , wenn w die mittlere Spannung und v die mittlere Geschwindigkeit bedeutet, <w = av -f. b v2. Es kann demnach , wie man sieht, der Zusammenhang zwischen Spannung und Geschwindigkeit auf scheinbar denselben Ausdruck gebracht w erden, w elcher ihn auch f\u00fcr steife R\u00f6hren und paralelle Str\u00f6me darstellte (siehe p. 41). Diese Uebereinstimmung hat insofern nichts Auffallendes, als hier wie dort die hemmenden Ursachen (Reibung und St\u00f6sse) zugleich in dem einfachen und dem {quadratischen Verh\u00e4ltnis^ der Geschwindigkeit steigen. Per \u00fcnteu-","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nThalwellen.\nschied zwischen beiden Vorg\u00e4ngen muss dagegen in dem Coeffizienten gelegen sein. Mit R\u00fccksicht hierauf w\u00e4re also zn versuchen , wie sich, alles \u00fcbrige gleichgesetzt, die Coeffizienten in einem Rohre verhalten, durch das man einmal einen gleichbleibenden und das anderemal einen wellenf\u00f6rmigen Strom schickte, w\u00e4hrend die mittlere Geschwindigkeit unver\u00e4ndert geblieben w\u00e4re.\nFig. 28.\n----2\n\u00df. Die zweite \u00dfedingungsreihe, durch welche wir eine Fl\u00fcssigkeitsbewegung in einem dehnbaren Schlauche ungleiehm\u00e4ssig zu machen gedachten, w\u00fcrde z. B. erf\u00fcllt sein durch die Anwesenheit eines durch Fl\u00fcssigkeit ausgedehnten elastischen Sehlauchs, der an beiden Enden verschlossen w\u00e4re, aber an einem von beiden auf beliebige Weise, z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vor\u00fcbergehend g\u00ea\u00f4ffnet werden k\u00f6nnte. Oder auch dadurch, dass man an der Ausflussm\u00fcndung eines elastischen Rohres, welches von einem eonstanten Strom durchflossen wird, wechselnd eine Erweiterung oder Verengerung von betr\u00e4chtlichem Umfang anbringt. Der Einfachheit wegen wenden wir uns zu dem Apparat mit urspr\u00fcnglich ruhender, aber gespannter Fl\u00fcssigkeit. Gesetzt, es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 28.) bei\nB B pl\u00f6tzlich ge\u00f6ffnet, und nachdem eine kleine Fl\u00fcssigkeitsmenge ausgeflossen sei, wieder geschlossen worden , so nimmt das Rohr erfahrungs-gem\u00e4ss w\u00e4hrend der kurzen Zeit des Ausfliessens die Form A A C C an. Nach dem Schluss der M\u00fcndung str\u00f6mt nun aus dem D\u00e4chst gelegenen St\u00fcck des Rohrs, welches h\u00f6her als das Ende gespannt ist, Fl\u00fcssigkeit in dieses abgespannte Ende, sodass, w\u00e4hrend sich dieses letztere wieder anf\u00fcllt, das erstere zusam-menf\u00e4ilt. Es geht somit, wie es in Fig. 29. dargestellt ist, die Abspannung in der\nFig. 29.\tRichtung des Pfeils A A durch die\nR\u00f6hren wand fort, w \u00e4hrend die Fl\u00fcs-^ ^\tsigkeit durch das Rohr iu der ent-\ngegengesetzten Richtung nach der des Pfeils B weiter bewegt wird. Diese Welle, welche im Gegensatz zu der fr\u00fcher beschriebenen mit einer Ein-\nbiegung des Rohrs verbunden ist, nennt mau die negative oder die Thalwelle. Die Erscheinungen, w elche diese Welle ausserdem noch bietet, und somit auch die Theorie derselben, treffen ganz zusammen mit denen der Bergwelle, wie man nach einer kurzen Ueberlegung einsehen wird.\nDa auf die Wellen des Schlauches alle allgemeinen Grunds\u00e4tze, nach welchen die Wellenbewegung zu beurtbeiien ist, anwendbar sind, so m\u00fcssen nothwendig auch die Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderschreiten beobachtet werden. In dem letztem Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des Thals eintreten k\u00f6nnen, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige (Berg- und Thahvellen) laufen.\nE. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. \u2014\nNach allem diesen w ird es, bevor wir die Erscheinungen des Blutlaufs selbst schildern, noch von Nutzen sein das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber gegeben hat, zu erkl\u00e4ren. Dieses (Fig. 30.) setzt sich aus zw ei elastischen R\u00f6hren zusammen, einer k\u00fcrzeren ac und einer l\u00e4ngeren 6 de. Jede dieser beiden R\u00f6hren ist an dem einen ihrer Enden mit einem R\u00f6hrenventil versehen, dessen Einrichtung durch\nFig. 31. dargestellt wird. Ein solches Steife R\u00f6hren q und b ineinander steckt ;\n\u00abr\nVentil wird hergestellt, indem miai zwei an die innerste derselben a a ist eiu Darm-","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"E. H. Webers Schema des Blutkreisl\u00e4ufe.\n55\nFig. 81.\nst\u00fcck c angebunden, von dessen freiem Rand die F\u00e4den ausgehen, die an der \u00e4ussern\nR\u00f6hre angekn\u00fcpft sind ; verlauft in den R\u00f6hren ein Wasserstrom, so wird er je nach seiner Richtung das Ventil c c schliessen oder \u00f6ffnen, und zwar wird das letztere geschehen, wenn der Strom nach der Richtung des Pfeiles /, das erstere, wenn er in umgekehrter Richtung geht. Damit bei diesen verschiedenen Str\u00f6men der Rand des Ventils nicht in b eingest\u00fclpt, oder genau an bb angepresst werde, sind die F\u00e4den an R\u00e4nder angekniipft, welche dem Spielraum der Bewegung gewisse Grenzen anweisen. Kehren wir nun zur\u00fcck zu Fig. 30. Die beiden Darmst\u00fccke,\nFig.130.\ndas k\u00fcrzere und das l\u00e4ngere, werden so ineinander gesteckt, dass die Ventile einen fortlaufenden Strom durch den in sich zur\u00fccklaufenden Bogen acd gestatten, wie ihn in unserer Figur die kleinen Pfeile anzeigen. Darauf wird durch eine ver-scbliessbare Seiten\u00f6ffnung, z. B. den Trichter bei a, der Darm bis zu einem bestimmten Grade mit Wasser gef\u00fcllt. Dr\u00fcckt man, nachdem dieses geschehen ist, das freiliegende St\u00fcck v der kurzen Darmabtheilung zusammen, so wird sein Inhalt, da er nach e hin nicht ausreichen kann, durch c in die grosse R\u00f6hre treten und in dieser eine fortschreitende Bergwelle erzeugen, welche in der Richtung des Pfeils nach a hin laufend succesiv die Fl\u00fcssigkeit in dieser Richtung weiterf\u00fchrt. L\u00e4sst man nun aber den Druck, welchen man auf v angebracht hatte, pl\u00f6tzlich, so wird die Fl\u00fcssigkeit in diesen Raum von der gesummten Umgebung eingedr\u00e4ngt; dieses wird aber, wegen der Ventile, nur von a nach e gelingen, und dadurch wird eine Beugungswelle erzeugt, die von a durch d nach c fortschreitet und demnach die Fl\u00fcssigkeit in der Richtung von c nach a fortf\u00fchrt; d. h. in derselben, in welcher sie auch durch die Bergwelle, die von c nach a lief, getrieben wurde. So kann also durch eine Wellenbewegung die Fl\u00fcssigkeit in einer in sich geschlossenen R\u00f6hre herumgef\u00fchrt werden. Vorausgesetzt nun, dass das Lumen des Darmrohrs \u00fcberall von normaler Weite sei, so werden sich die in ihm erregten Wellen sehr rasch durch das ganze Rohr hindurch verbreiten und sieb somit auch die Ungleichheit in der Spannung, welche durch das Zusammenpressen von v eingetreten war, ausgleicben. Bringt \u00e7ian dagegen irgendwo im Lichten eine Verengerung an , z. B. dadurch, dass man hei d einen Badeschwamm einlegt, so wird die von c herkommende Fl\u00fcssigkeit nur sehr allm\u00e4hlig \u00fcber die verengerte Oeffnung hinausdringen; die Welle aber wird, wenn die Oeffnungen in dem Badeschwamm eng und wenig zahlreich sind , sich gar nicht \u00fcber d fortpflanzen. Wenn aber die Fliissig-keitsinenge, welche in das R\u00f6hrenst\u00fcck ed geworfen ist, sich nicht sogleich wieder ans ihm entleeren kann , so muss sie sich in seinem Raum vertheilen und die Spannung seiner Wand erh\u00f6hen. Umgekehrt muss dagegen in dem St\u00fcck de die Spannung abnehmen, weil dieses einen Theil seines Inhalts in das vorhin entleerte v geworfen hat. Verm\u00f6ge dieses Spannungsunterschiedes wird nun auch ein Strom durch d hindurch, von cd nach de gehen und zwar so lauge, bis die Spaunuq|","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nE. H. Webers Schema des Blutkreislaufs.\nbeider gleich geworden ist, ein Strom , der somit auch noch fortdauert, wenn l\u00e4ngst die Welle verschwunden ist.\nIo dem Rohr besteht, bevor irgend eine Welle darin erregt worden ist, durch die Anf\u00fcllung desselben eine Spannung, die in jedem Ort der R\u00f6hre und somit auch \u00fcberall in der Wandung gleich ist. Die Summe dieser Spannungen , welche auf der Wand lastet, wird demnach zu finden sein, wenn der auf ihrer Fl\u00e4cheneinheit lastende Druck (p) multiplizirt wird mit der Anzahl der Fl\u00e4cheneinheiten (q), die sie enth\u00e4lt. Wird nun eine Welle erregt dadurch, dass die Wand an einer Stelle zusammengepresst wird, so muss sich diese an andern erweitern; und weil eine Ausdehnung oder ein Zusammendr\u00fccken der Wand gleichbedeutend ist mit einer Ent-, rcsp. einer Belastung, so m\u00fcssen nun die Spannungen, die auf verschiedenen Orten der Wandung liegen, ungleich werden. Belegen wir nun die verschiedenen Spannungen mit p', p\" u. s. w. und die Wandfl\u00e4chen, auf denen die bezeichnten Spannungen Vorkommen, mit q'v q\" u. s. w. ~~ so wird die Summe der ver\u00e4nderten Spannungen gleich sein der Summe\nq' p' 4- q\" p\" u. s. w. \u2014 Es ist nun die Frage, oh q' p' 4. q\" p\" = pq sei,\noder mit Worten, ob die Summe der Spannungen in dem Rohre nach der eingeleiteten Wellenbewegung im Vergleich zur fr\u00fcher bestandenen sich umer\u00e4ndert erhalten, vergr\u00f6ssert oder verkleinert habe. Dies*1 Frage ist leicht zu entscheiden. Da die w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeiten sich nicht merklich zusammendr\u00fccken lassen, so wird das Volum derselben vor und nach ihrer Lagetiver\u00e4nderung unver\u00e4ndert geblieben sein. Setzen wir also voraus, dass R der mittlere Durchmesser des Rohrs vor der Einlagerung der Fl\u00fcssigkeit gewesen sei, und dass L die Lange desselben sei, dass aber R -F r und l die gleichen Bedeutungen f\u00fcr das durch die Umlagerung erweiterte; R \u2014 \u00e7 und 1' aber derjenige f\u00fcr das abgespannte St\u00fcck tragen, so muss (R\u2014p)2 nV 4. (R 4. r) 2 711 = R2rtL sein. Nehmen wir nun der Einfachheit wegen an, dass 1 = 1'*) und somit L = 21 sei, so \u00e4ndert sich nach Weglassung von 1 und 7r, welche allen Gliedern zukommen, die Gleichung in (R ----- g'2) 4. (R 4. r)2 = 2R2. Setzt man in diesem Ausdruck g = r, so f\u00fchrt derselbe zu der widersinnigen Behauptung, dass 0 \u2014 2r2 sei. Daraus geht also hervor, dass die Zunahme der Peripherie in der gespannteren Seite nicht so gross sein kann alsdie Abnahme in dem abgespannten. F\u00fchrt man nun die Betrachtung in \u00e4hnlicher Weise weiter, so kommt man auf die Folgerung, dass wenn die Radien der beiden St\u00fccke von Anfang an ungleich gewesen sind, und dann aus dem eogeren Rohr Fl\u00fcssigkeit in das weitere geworfen wird, in diesem letzteren eine absolut geringere Zunahme des Umfangs stattfindet, als die Abnahme des engern Rohrs betr\u00e4gt, w\u00e4hrend im umgekehrten Fall (hei grossen Unterschieden) nat\u00fcrlich das Umgekehrte Statt finden kann. Setzt man nun die Elastizit\u00e4tscoef-fizienten der Wandung des engern und weiteren Rohrs einander gleich, so w\u00fcrde daraus folgen, dass beim Uebertritt der Fl\u00fcssigkeit aus dem engen in das weite Bohr jedenfalls weniger spannende Kr\u00e4fte verbraucht wurden, als im umgekehrten Fall. Aus dieser Betrachtung werden wir demn\u00e4chst ableiten, dass beim Uebertritt des Bluts aus dem weitern Venensystem in das engere arterielle ein betr\u00e4chtlicher Antheil der Herzkraft zur Spannung des Bluts verbraucht werden muss.\nIn den zun\u00e4chst folgenden St\u00fccken werden im Gegensatz zu einer nat\u00fcrlichen Anordnung des Stoffs, das Herz und die Gef\u00e4sse vorab, los-getrennt aus dem logischen Zusammenhang behandelt. Da dieses ohne Eintrag f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss geschehen kann, so m\u00f6gen Gr\u00fcnde der Zweckm\u00e4ssigkeit die lnconsequenz entschuldigen.\n#) Eine Unterstellung, die wegen der ann\u00e4hernd gleichen L\u00e4nge des Venen- und Arteriensystems fur aas Schema des menschlichen Kreislaufs gemacht werden darf.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"loh alt der Herzkammern.\n57\nDas Herz und seine Bewegungen.\nI. Inhalt der Herzkammern. Das Blut, welches die beiden Herzkammern eines Erwachsenen im erschlafften Zustand fassen kann, sch\u00e4tzt man nach den genauesten Messungen von Krause*) zu 150 C.C. Volk mann**) bestimmt dagegen die Blutmenge, welche durch eine Zusammenziehung von mittlerem Umfang aus einem Ventrikel in die Gelasse entleert wird, bis zu 175 C.C. \u2014\nDen Inhalt der Kammern bestimmt man meistentheils durch Anf\u00fcllung derselben mit Fliissigheit. Da das Herz einen elastischen Beutel darstellt, so wird sein Inhalt ver\u00e4nderlich sein mit dem Druck, unter dem es gef\u00fcllt ist, der Ausdehnung, der Dicke, dem Eiastizit\u00e4tscoeffizienten seiner Wandung und endlich mit dem Widerstand seiner Eingebung. Sollten also die Ausmessungen des Kubikinhaltes seiner Hohle werthvoll sein, so m\u00fcssten sie am todten Herzen als eine Funktion dieser Umstande bestimmt werden und darauf m\u00fcsste man zu ermitteln versuchen , unter welchem Druck u. s. vv. das lebende Herz gef\u00fcllt wird, wenn man die Ergebnisse des todten aul das lebende Herz \u00fcbertragen wollte. Dieses ist bis dahin nicht geschehen, somit geben die Beobachtungen nur entfernt angen\u00e4berte Wertbe. \u2014 Volk-mann*\u201d), der, wie wir erfahren werden, die mittlere Geschwindigkeit des Blutes in der Aorta sch\u00e4tzen lehrte, benutzte diese Beobachtung zur Ermittelung der wichtigeren Frage, wieviel Blut mittelst eines jeden Herzschlags aus der linken Kammer getrieben wird. Kennt man nun die Weite der Aorta, die Geschwindivkeit, mit wel-eher sich das Blut in ihr bewegt, so weiss man nat\u00fcrlich, wie viel Blut das Herz in einer gegebenen Zeit, z. B. in der Minute, entleert; daraus berechnet sich nun auch gleich die Menge, wrelcbe jeder einzelne Herzschlag liefert, wenn man die Zahl der Herzschl\u00e4ge in dieser Minute gez\u00e4hlt hat. Nachdem er eine gr\u00f6ssere Zahl von solchen Beobachtungen an Hunden, Schafen, Ziegen und Pferden ausgefiihrt hatte, verglich er das Gewicht einer Ventrikelentleerung mit dem eigends ermittelten Gesammt-gewieht der Beobachtungsthiere. Diese Vergleichung f\u00fchrte zu dem Ergebniss, dass mit Ausnahme von zwei ganz abweichenden F\u00e4llen das aus dem linken Ventrikel entleerte Blutgewicht den 0,003 bis 0,002ten im Mittel also den 0,0025ten Theil vom Gesammtge* wicht des Thiers ausmachte. Erlaubt man sich nun diese Verh\u00e4ltnisszahl auf den mi\u00fciern erwachsenen Menschen zu \u00fcbertragen, dessen Gewicht zu 70 Kilogramm angenommen werden kann, so gelangt man zu obiger Annahme. Diese Angabe ist aber begreiflich auch nur eine angen\u00e4herte und keine allgemein g\u00fctige, selbst wenn man alle Data der V o 1 k m an nschen Untersuchung f\u00fcr fehlerfrei erkl\u00e4rte. Denn einmal scheinen, wie wir aus den Resultaten der Sektionen schliessen, das Herzvolum und das K\u00f6rpergewicht nicht proportional zu wachsen, und dann ist die Geschwindigkeit des Stroms in der Aorta nicht allein von der Zahl der Herzschl\u00e4ge abh\u00e4ngig. Dieses letztere sebliesst aber nichts anderes, als die leicht vorauszusehende Behauptung ein, dass die Herzschl\u00e4ge je nach der Geschwindigkeit ihrer Folge sehr verschiedene Blutmengen ausgeben.\nHeber das Verh\u00e4ltnis des Rauminhaltes der beiden Kammern eines und desselben Herzens l\u00e4sst sich mit Wahrscheinlichkeit aussagen, dass die rechte Kammer etwas mehr Blut zu fassen verm\u00f6ge, als die linke. Hierf\u00fcr sprechen wenigstens die Ausmessungen des todten Herzens, denn wenn die beiden Herzh\u00e4lften selbst unter Wasser, also mit Vermeidung\n*) Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Aufl. I. 787,\n0 Haemodynamik nach Versuchen, Leipzig 1850, p. 206,","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nAnordnung und Wirkung der Muskelr\u00f6hren des Herzens.\nalles Druckes, gef\u00fcllt wurden, so ergab sich doch constant ein Ueber-gewicht des rechten Inhaltes \u00fcber den linken. \u2014 Dagegen muss der Theil des Inhalts, welcher w\u00e4hrend des Lebens in das Gef\u00e4sssystem str\u00f6mt, f\u00fcr beide Ventrikel derselben sein; denn es entleert sich ja mit mancherlei Umwegen schliesslich der eine Ventrikel in den andern, und somit w\u00fcrde eine Anh\u00e4ufung des Bluts rechts oder links geschehen, wenn nicht fortw\u00e4hrend aus beiden H\u00f6hlen gleichviel ausgestossen w\u00fcrde. \u2014\n2. A n o r d n u n g u n d W i rk u n g der M u s k ed r \u00f6 h r e n *). Die Vorh\u00f6fe werden bekanntlich von einer d\u00fcnnen, nicht \u00fcberall vollst\u00e4ndigen Lage von Muskelmasse umzogen, die an keinem Orte in die Muskeln der Kammern \u00fcbergeht (Donders); an einzelnen Stellen l\u00e4uft die Faserung ann\u00e4hernd parallel, an andern senkrecht mit der L\u00e4ngenachse des Herzens, nur an wenigen Orten kommen gleichzeitig Fasern von beiden Richtungen vor. Die Fasern beider Vorh\u00f6fe gehen an der vordem Fl\u00e4che ineinander \u00fcber. An den Venenm\u00fcndungen finden sich Ringfasern. ' Nach allen diesen m\u00fcssen bei der Muskelverk\u00fcrzung die Vorh\u00f6fe zusammengezogen werden; die H\u00f6hle eines jeden einzelnen Vorhofs kann nicht \u00fcberall in zwei aufeinander senkrechten Ebenen verengert werden; der Durchmesser der Venenm\u00fcndungen wird verkleinert, derjenige der arteriellen (ostia atrioventricularia) bleibt dagegen unver\u00e4ndert.\nDie Kammern, a. Ihre Fasern gehen nur in Sehnen \u00fcber, entweder geradezu in dem fibr\u00f6sen Kranze, welcher die an der Kammerbasis gelegenen Oeffnungen umgiebt, oder in solche, welche in diesem Kranze ein Ende nehmen. Zwischen diesem Anfang und Ende umspannen sie jedesmal eine, \u00f6fter auch zwei Kammern, sie bilden also Schleifen, die, wie die freilich unvollkommene Herzpr\u00e4paration wahrscheinlich macht, h\u00e4utig sogar in sich zur\u00fccklaufen, indem Ursprung und Ende einer Faser an demselben Ort zu liegen scheinen. \u2014 b. F\u00fcr sehr viele Fasern ist es sehr wahrscheinlich , dass sie nicht bloss mit einfacher, sondern mit doppelter Schlinge den Herzkegel umsehliessen, indem sie einen 8 f\u00f6rmigen Umgang machen (Siehe Fig. 32. ab cd). Die von links nach rechts gehenden Richtungen dieser Fasern liegen im Allgemeinen n\u00e4her gegen die \u00e4ussere Herzoberfl\u00e4che , die umgekehrt laufenden aber\nFig. 32.\nL u J w i g,\n) C. Handleidin K\u00f6liiker\nHeule u. P tenners Zeitschrift. VIT. 189.\u2014 Donders in seiner und Bauduin's tot de Natu urkunde von den gezonden Mensch. Deel TI. Utrecht 1853. p. 14. ix. f,-~ mikroskopische Anatomie. II. Bd. 483(","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Muskeln der Ventrikel.\n59\nFig. 33.\nn\u00e4her gegen die H\u00f6hlenoberfl\u00e4che. Zu dem scheint noch die Anordnung zu gelten, dass die oberfl\u00e4chlichsten Fasern, welche rings an der Herzbasis (gleichgiltig, ob von dem Rand des ostium venosum dextrum, oder sinistrum) entspringen, durcji den an der Spitze des linken Herzens gelegenen Wirbel hindurch auf die innere Oberfl\u00e4che des linken Ventrikels dringen, und an diesen emporlaufen. \u2014 c. Die zun\u00e4chst den Herzoberfl\u00e4chen gelegenen Fasern laufen am meisten steil, und sie sind die einzigen, welche die Herzspitze erreichen, die Fasern aber, welche mehr im Innern der an der Basis dickem Herzwand liegen, verlaufen weniger steil, d. Aus dem bisher angegebenen Verhalten folgt, dass an allen Orten der Kammerwandung sich Fasern von der verschiedensten Richtung finden, wie dieses an dem in Fig. 33. dargestellten Schema durch die Fasern abcdef versinnlicht wird. Die Fasern von der Richtung, welche a einh\u00e4lt, verlaufen zun\u00e4chst unter dem Pericardium, diejenigen, welche dem Zuge f folgen, grenzen an das Endocardium an. \u2014 e. Ein grosser Theil von den Fasern, welche der Herzh\u00f6hle zun\u00e4chst laufen, erreicht sein Ende in Sehnen, welche erst durch die Klappen hindurch zu den sehnigen R\u00e4ndern der ven\u00f6sen Kammerm\u00fcndungen gelangen. Mehrere solcher auf der innern Herzfl\u00e4che frei hervorragende Muskelenden (Papillarmuskeln), deren Zusammenhang mit den \u00e4ussern Fasern Fig. 34. erl\u00e4utert, convergiren gegeneinander (a 6). Sie k\u00f6nnen somit als St\u00fccke eines unvollkommen vorhandenen inneren Herzkegels angesehen werden, der seine Spitze nach der Basis des \u00e4ussern kehrt. Die Sehnen dieser Muskeln, welche in die Klappen dringen, fahren nach verschiedenen Richtungen hin auseinander und enden\nFig. 34.\nniemals s\u00e4mmtlich in einer, sondern jedesmal in zwei benachbarten Klappen, wie dieses durch Fig. 35. dargestellt ist. Jeder Hauptlappen einer Klappe empf\u00e4ngt somit aus zwei Papillarmuskeln seine Chorden, auf denen er im ausgespannten Zustand wie auf einem Kniegeb\u00e4lke ruht. (Fig. 35. a a im Durchschnitt).\u2014 f. Der bei weitem gr\u00f6sste Theil der Fasern, welche sich in der freien Wand des rechten Ventrikels vorfinden, ist schon einmal Bestandtheil der freien Wand des linken Ventrikels gewesen, sodass die Muskelschleifen, welche sich um die rechte Kammer begeben, auch die linke einschliessen. Dieses Verhalten wird schon klar durch die Betrachtung d\u00ear gegenseitigen Lagerung beider","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nZusammenziehung der Ventrikularmuskeln.\nFig. 35.\tHerzh\u00f6hlen ; auf einem zur L\u00e4n-\ngenachse des Herzens senkrechten Querschnitt erscheint nem-lich die rechte um die linke herum gekr\u00fcmmt. Die auf der der rechten Herzh\u00f6hle zugewendeten Scheidewandfl\u00e4che verlaufenden Fasern verhalten sich aber zum linken Herzen wie diejenigen, welche auf der Herz-oberfi\u00e4che verlaufen*\nEin System so verwickelter Muskelr\u00f6hren, wie das beschriebene, wird bei seiner Zusammenziehung j e n a ch d er Ver t h e i 1 u n g s ei n er Ma s-se, der relativen Verk\u00fcrzung einzelner Theile u. s. w., die mannigfachsten Erscheinungen bieten, die sich bis in ihre Einzelheiten in keinem Falle werden Voraussagen lassen, theils weil die Verflechtung der Fasern zu complizirt,5 theils auch noch zu wenig bekannt ist, um sie mittelst der mechanischen Theorie zu behandeln. Wir sind darum auf die Beobachtung des lebenden Herzens angewiesen, wenn wir erfahren wollen, wie es sich, w\u00e4hrend es im Kreislauf th\u00e4tig ist, bewegt. Die Beobachtung dieser Bewegung wird aber, weil die Untersuchung rein im technischen Interesse unternommen wird, nur dann werthvoll sein, wenn sie unter den mittleren Bedingungen des normalen Lebens angestellt ist. Dahin z\u00e4hlen wir aber: einen ungest\u00f6rten Kreislauf des Bluts, eine ungeschw\u00e4chte Muskelkraft und eine der Norm m\u00f6glichst angen\u00e4herte Lage.\nDie Erscheinungen, die das bewegte Herz f\u00fcr sich, abgesehen von der Ver\u00e4nderung seiner Gesammtlage, bietet, sind: a. die Herzkammer \u00fcbt bei ihrer Zusammenziehung auf ihren Inhalt \u00fcberall, ausgenommen von der arteriellen M\u00fcndung her, einen Druck aus. Die M\u00f6glichkeit, dass das zusammengezogene Herz auch von seiner ven\u00f6sen M\u00fcndung her gegen den Inhalt dr\u00fcckt, ist durch die Papillarmuskeln und deren Anheftung an die ven\u00f6sen Klappen gegeben. Denn da der Papillarmus-kel frei in die Herzh\u00f6hle ragt, so wird er bei seiner Verk\u00fcrzung sich gegen die Wand zur\u00fcckziehen und somit einen Zug von innen und oben nach aussen und unten gegen die Klappen \u00fcben. Da aber jede Klappe zwei Papillarmuskeln besitzt, welche einander gegen\u00fcberstehen, so wird der aus beiden Z\u00fcgen resultirende Weg der Klappe gerade gegen die Mitte der Herzh\u00f6hle fallen. Wenn z. B. in Fig. 36. A\u00c2 einen freien Klappenrand der linken ven\u00f6sen Herzm\u00fcndung darsielit. so werden sieh dm","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Formver\u00e4nderung des zusammengezogenen Ventrikels.\n61\nbeiden Papillarmuskeln mit zwei einander entsprechenden Sehnen nach dem Schema ab lind cd an ihn festsetzen. Ziehen sich die Papillarmuskeln zusammen, in der Art, dass sie ihren Sehnen in der Richtung von b nach a und d nach e einen Zug ertheilen, so wird die Klappe in der Richtung des Pfeils p gehen, wie dieses der Grundsatz vom Pa-ralellogramm der Kr\u00e4fte verlangt. Das, was hier f\u00fcr die zugeh\u00f6rigen Sehnen zweier Papillarmuskeln bewiesen wurde, gilt bei dem symmetrischen Ansatz derselben aber auch f\u00fcr alle \u00fcbrigen. Die Papillarmuskeln werden aber durch ihre Sehnen den Klappen nur dann einen Zug mittlieilen k\u00f6nnen, wenn diese letzteren in einer ann\u00e4hernd senkrechten Richtung zur L\u00e4ngenachse des Herzens stehen, wenn also, um mit den Aerzten zu reden, die Klappen gestellt sind. Denn nur in diesem Falle spannen sich die winklig abgehenden Sehnen (zweiter und dritter Ordnung) zwischen Klappe und Papillarmuskel aus. \u2014 b. Indem sich das Herz allseitig verk\u00fcrzt und verschm\u00e4lert, sucht es dabei aber zugleich eine ganz bestimmte Form anzunehmen. Die Basis des Herzens wird nemlich auf dem Querschnitt ann\u00e4hernd kreisf\u00f6rmig, die Spitze sucht sich dagegen dem Mittelpunkt dieses Kreises in einem ganz bestimmten Abstand gegen\u00fcber zu stellen, mit einem Worte, das Herz zieht sich selbst \u00fcberlassen zu einem regelm\u00e4ssigen Kegel zusammen. Hierbei wird das Herz zugleich sehr hart, so dass nur durch betr\u00e4chtliche Dr\u00fccke die Form des zusammengezogenen Herzens merklich ge\u00e4ndert werden kann. \u2014 Der Grund f\u00fcr die Erh\u00e4rtung des zusammengezogenen Herzens liegt in der besonderen Muskelanordnung, verm\u00f6ge derer die einzelnen Fasern sich nach einer Richtung hin unterst\u00fctzen, nach der andern aber hemmen, oder anders ausgedr\u00fcckt, sich gegenseitig spannen. Diess ist ohne weitere Auseinandersetzung sogleich einleuchtend, wenn man die Wirkungen zweier oder mehrer nebeneinanderliegender Fasern des Schemas (Fig. 33.) zergliedert. \u2014 Die Kegelgestalt des zusammengezogenen Herzens wird wahrscheinlich dadurch veranlasst, dass vom ganzen Umfang der Herzbasis Fasern gegen die Spitze zusammenl\u00dfufen, welche durch ihre Gegenwirkungen dieser letzteren eine bestimmte Stellung zu der ersteren anweisen m\u00fcssen. Zugleich darf im Allgemeinen vorausgesetzt werden, dass die mehr gegen die Spitze liegenden Muskelmassen das Herz verk\u00fcrzen, w\u00e4hrend die an der Basis gelegenen seinen Umfang mindern, denn dort l\u00e4uft die \u00fcberwiegende Zahl ann\u00e4hernd parallel und hier ann\u00e4hernd senkrecht gegen die L\u00e4ngenachse des Herzens. \u2014 Die Zusammenziehung beengt, soweit ersichtlich, die arteriellen M\u00fcndungen nicht; es ist noch nicht klar, wie diess geschieht.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nHerzstoss.\nDa die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der zusammengezogene Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anh\u00e4lt, so ist es unm\u00f6glich, die Form des zusammengezogenen S\u00e4ugethierherzens anders aufzufassen , als mittelst Einrichtungen , welche alle oder einige Punkte desselben graphisch lixiren. Eine der vielen m\u00f6glichen solcher Einrichtungen ist von mir zur Feststellung der obigen That-sachen benutzt worden Ein ungef\u00e4hres Bild des Hergangs kann man sich auch an einem frisch herausgeschnittenen, noch schlagenden S\u00e4ugethierherzen verschaffen. Hebt man ein solches schwebend, indem man es mit der Pinzette an dem Vorhofe oder den grossen Gef\u00e4ssen fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis n\u00e4hert; legt man es dagegen auf die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern herabf\u00e4llt, so entfernt sich jedesmal bei der Zusammeuziehung die*Spitze von der Basis, sodass sie sich steif emporstellt. Legt man es aber auf eine ebene Unterlage, wobei in der Erschlaffung die Wandungen an der Peripherie zusammenfallen, sodass sich der Durchmesser der Basis nach der einen Richtung verl\u00e4ngert und nach der andern verschm\u00e4lert, w\u00e4hrend die Spitze schief gegen die Unterlage f\u00e4llt, dann w\u00f6lbt sich w\u00e4hrend der Zusammenziehung die zusammengefallene Wand an der Basis, indem ihr Querschnitt aus der elliptischen Form in die runde \u00fcbergeht und zugleich hebt sich die Spitze um etwas von der Unterlage ab. \u2014 Die Angaben , welche das blutleere, aus der Brusth\u00f6hle geschnittene , oder auf besondere Weise in ihr befestigte Herz \u00fcber die Form macht, welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch f\u00fcr das normal gelagerte und gef\u00fcllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die Herzfasern gegenseitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige Voraussetzung, welche von den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die, dass die Erregbarkeit des Herzens auf einer normalen Stufe steht.\n\u00ab\nBei seiner Zusammenziehung erf\u00e4hrt das Herz auch eine Ver\u00e4nderung seiner Lage zu den Nachbargebilden. Die einzige, welche uns unter den gew\u00f6hnlichen Lagerungsverh\u00e4ltnissen sicher bekannt ist, \u00e4ussert sich durch einen mehr oder weniger st\u00e4rkern Druck (Herzstoss), den das schlagende Herz auf die Brustwand in der Regel zwischen der 5. und 6. Rippe aus\u00fcbt. Dieser Stoss wird an der Brustwand unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen st\u00e4rker empfunden in der Exspirationsstellung des Brustkorbs, und bei kr\u00e4ftigeren Zusammenziehungen des Herzens. Bei S\u00e4ugethieren kann man jederzeit mit Sicherheit entscheiden, welcher Theil des Herzens sich w\u00e4hrend des Herzstosses so innig an die Brustwand andr\u00e4ngt, dass diese ersch\u00fcttert, oder gar emporgehoben wird; man hat hierzu nur noting, lange Nadeln durch den am kr\u00e4ftigsten getroffenen Wandtheil in das Herz zu stossen und dann die Thiere zu t\u00f6dten (Ki wisch), oder aber man kann sich hei einem Menschen vor dessen voraussichtlichem Tode die emporgehobene Stelle anmerken und nach demselben Nadeln durch diese Stelle in die Herzwand einbohren (Jos. Meyer)*). Aus diesen Versuchen geht hervor, dass meist die Spitze, zuweilen aber auch die Basis der Ventrikel es ist, welche die W\u00f6lbung des Intercostalraums bedingt. \u2014 Diese Beobachtungen lassen nun, je nachdem der eine oder andere Fall eintrat, zwei Erkl\u00e4rungen zu. \u2014 Zuv\u00f6rderst ist zu bemerken, dass die\n*) Virchow\u2019s Archiv, ITT. Bd. 265.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Herzstoss.\n63\nschlaffen und weichen Wandungen den nicht zusammengezogenen Kammern innerhalb weiter Grenzen gestatten, ver\u00e4ndernden Einfl\u00fcssen zu folgen, und dass die letzteren insbesondere in dem menschlichen Brustraum \u00bbe-formt werden durch den Druck des einstr\u00f6menden Bluts, die eigene Schwere und die dr\u00fcckenden und ziehenden Wirkungen der umgehenden Brustwand. Nehmen unter diesen Einwirkungen die einzelnen Theile eine andere Lage zu einander an, als sie ihnen durch die Zusammenziehung des Herzens geboten wird, und stellen sich zugleich die Brustwandungen den Formver\u00e4nderungen entgegen, welche das Herz in Folge seiner Zusammenziehung anzunehmen strebt, so wird letzteres hei seiner Verk\u00fcrzerung, wenn es sonst nicht ausweichen kann, die Brustwand vor sich hertreiben. Dieser Druck gegen den Zwischenrippenraum wird, alles \u00fcbrige gleichgesetzt, um so f\u00fchlbarer sein, je inniger sich das Herz an die Brust anlegt; aus diesem Grund wird in der Inspiration (wobei die Lungen die vordere Herzfl\u00e4che zum grossen Theil von der Brustwand trennen), der Stoss diese letzteren weniger heftig treffen, als in der Exspiration. \u2014 Nach den von Kiwi sch, Jos. Meyer u. A. gemachten Angaben und aus der bekannten Form des zusammengezogenen Herzens muss man sich das\nZustandekommen des Herzstos-ses nun auf folgende Art denken. \u2014 a. Stoss durch die Kamm erb a sis. Das schlaffe Herz wird durch die \u00dfrustwan-dung (Fig. 37.) B B so zusammengedr\u00fcckt, dass seine Peripherie eine Ellipse H H darstellt, deren kleiner Durchmesser k\u00fcrzer ist, als derjenige des Kreises \u00fcf, welchen der Kammergrund bei seiner Zusammen-\nziehung einzunehmen strebt; es muss dieser also die Brustwand aufw\u00f6lben. Auf diese Art hat Fr. Arnold zuerst den Herzstoss erkl\u00e4rt.\u2014 1). Spitzenstoss. Dr\u00fcckt dagegen (Fig. 38.) die Brustwandung die Herzspitze w\u00e4hrend der Erschlaffung nach unten und hinten, so dass sie nicht mehr senkrecht \u00fcber dem Mittelpunkt der Kammerbasis steht, so wird, indem bei der Zusammenziehung die Herzform aus H HS in HHP \u00fcberzugehen sucht, die Spitze sich gegen die Brustwand mit Gewalt andr\u00e4ngen (C. L u d w i g).\nAusser dieser Erhebung der L\u00e4ngenachse des Herzens erw\u00e4hnt man auch noch Drehungen der Querachse, welche nach Er\u00f6ffnung der Brusth\u00f6hlen oder abnormen Lagerungen des Herzens vor der \u00dfrustwand beobachtet wurden. Es ist zweifelhaft, ob sie in der geschlossenen Brusth\u00f6hle und bei normal gelagerten Herzen sieb ereignen. Bei Tbieren k\u00f6nnten Versuche mit iNadeln dar\u00fcber Aufschluss geben. Siehe \u00fcber diesen Punkt die Lehrb\u00fccher von J. M\u00fcller, Valentin, Donders.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64-\nReihenfolge der Herzbeweg un g1.\nFig. 38.\n3. Rhythmus der Herzbewegung*). Die Muskeln des lebenden Herzens gerathen nach einer ganz bestimmten, \u00f6rtlichen und zeitlichen Reihenfolge in Zusammenziehungen, welche von Zeiten der Erschlaffung unterbrochen werden.\na. Reihenfolge der Bewegungen. Der Schlag des Herzens von einem vollkommen lebenskr\u00e4ftigen Thiere beginnt nach vorausgegangener Ruhe aller seiner Theile mit der gleichzeitigen Zusammenziehung beider Vorh\u00f6fe; nach der Beendigung oder kurz vor der Beendigung ihrer Bewegung tritt dann jedesmal die Zusammenziehung beider Kammern ein. Diese verlassen darauf ebenfalls nach kurzer Zeit den verk\u00fcrzten Zustand, so dass schliesslich wieder ein Zeitraum besteht, in welchem alle Theile des Herzens, Vorh\u00f6fe und Kammern, sich in Ruhe befinden. Den Act der Zusammenziehung belegt man gew\u00f6hnlich mit dem Namen der Systole (Vorhof- und Kammersystole), den der Erschlaffung mit dem der Diastole oder Pause. Diese ebengeschilderte Reihenfolge der Bewegungen ist jedoch\n*) Volkmann, Haemodynamik. p. 369. \u2014 Ludwig und Hoffa, Heule u. Pfeuffer\u2019s Zeitschrift, IX. Bd. 102. \u2014 Stannius, M\u00fcllers Archiv. 1852. p. 85. \u2014 Bidder, ibidem. 1852. p. 163. \u2014 Wagner, Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. IH. Bd. l.Abthl. 407.Heidenhain, Disquisitiones de nervis etc. centralib. cordis. Berlin 1854,","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Dauer der Verk\u00fcrzung' und Erschlaffung des Herzens.\t05\neine nothwendige; denn es k\u00f6nnen sich erfahrungsgem\u00e4ss, namentlich wenn das Herz im Absterben begriffen ist, entweder mehrere Bewegungen der Vorh\u00f6fe hintereinander folgen, ohne von einer Bewegung der Kammern unterbrochen zu werden, so dass in gleichen Zeiten die Vorh\u00f6fe zwei-, drei- und mehrmal so viel schlagen, als die Kammern; oder es kann gar auch Vorkommen, wie namentlich nach Eintr\u00e4ufeln von Opiumtinktur in die H\u00f6hlen, dass nach der Ruhe des ganzen Herzens zuerst die Herzkammern und dann erst die Vorh\u00f6fe in Zusammenziehung kommen, so dass sich die Reihenfolge der Bewegungen umkehrt (Ho ff a, C. Ludwig). Die Gr\u00fcnde sind nicht anzugeben, aus welchen die Nothwendigkeit der einen oder andern Reihenfolge der geschilderten Bewegungen hervorginge.\nb. Dauer der Bewegungen. Da das Herz in der Minute eine betr\u00e4chtliche Zahl von Schl\u00e4gen ausf\u00fchrt, so wird die Dauer eines jeden einzelnen Bewegungsaktes sehr kurz ansfallen, und offenbar im Allgemeinen um so k\u00fcrzer, je h\u00e4utiger die Herzbewegung in der Zeiteinheit wiederkehrt. Wegen der so sehr verschiedenen Zahl der Herzschl\u00e4ge in der Zeiteinheit, ist es unm\u00f6glich, eine allgemein g\u00fctige Angabe \u00fcber die absolute Dauer der Zusammenziehung und der Erschlaffung zu machen. Es bleibt darum nichts anders \u00fcbrig, als die relative Zeit der einzelnen Bewegungen zu messen. Volk mann, der in dieser Richtung genaue Beobachtungen am Menschen angestellt hat, giebt an, dass die Zeit, w\u00e4hrend welcher die Ventrikel im zusammgezogenen Zustand verharren, genau so gross ist, als diejenige, welche die Zu-sammenziehung der Vorh\u00f6fe und die Erschlaffung des ganzen Herzens umfasst. Diesem Beobachtungsresultat d\u00fcrfte jedoch, wenn die hier in Betracht kommenden Erscheinungen bei Menschen und den S\u00e4ugethieren ann\u00e4hernd sich gleich verhalten, keine allgemeine Giltigkeit zugeschrieben werden d\u00fcrfen, da sich bei letztem mit einem Wechsel in der Beschleunigung des Herzschlags dieses Verh\u00e4ltniss \u00e4ndert, indem bei langsamem Herzschlag die Zeit der Herzpause betr\u00e4chtlich \u00fcberwiegt \u00fcber die der Ventrikularkontraktion, w\u00e4hrend umgekehrt, bei sehr beschleunigter Herzbewegung auch die Zeit der Kammerzusammenziehung die der Herzpause \u00fcbertreffen kann (C. Ludwig). Mit andern Worten, es schwankt, wenn sich die Zahl der Herzschl\u00e4ge betr\u00e4chtlich \u00e4ndert, der Zeitraum der Diastole viel bedeutender, als derjenige der Kammernsystole. \u2014 Die Dauer der Vorhofssystole ist immer nur ein kleiner Bruchtheil von derjenigen der Kammerzusammenziehung.\nVolkmann benutzte zu seinen Messungen die T\u00f6ne, welche das Herz bei seinen Bewegungen hervorbringt; ein anwendbares Verfahren, da der erste beim Herzschlag h\u00f6rbare Ton gerade so lange anh\u00e4lt, als die Kammersystole. Die Dauer des ersten Tons maass er aber dadurch, dass er einen Pendel mit verschiebbarer Linse so lange einstellte, bis seine Schwingungszeit gerade so lang war, als die des (mit dem Stethoskop) geh\u00f6rten Tons. \u2014 Eine andere Methode (Ftihlhebel und rotirender\nLudwig, Physiologie II,\t\u00e4","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nErregungsursachen der Herznerven.\nCylinder), welche am blossgelegten Herzen des Thieres angewendet wurde, siehe bei Ludwig*). \u2014\nc. Bedingungen, welche die Erregung der Herz nerven erzeugen. \u2014 Das Herz enth\u00e4lt in sich alle die Gr\u00fcnde, von welchen die beschriebenen Bewegungen abh\u00e4ngig sind, wie sich widerspruchslos daraus ergiebt, dass das ausgeschnittene Herz, dessen H\u00f6hlen blutleer sind, seine Schl\u00e4ge noch fortzusetzen im Stande ist, selbst wenn es unter Umst\u00e4nde gebracht wird, in denen Muskeln und Nerven nicht erregt werden. Innerhalb des Herzens muss also ein automatisch erregendes Organ gelegen sein. Die Wirksamkeit desselben kn\u00fcpft sich an die Gegenwart von sauerstoffhaltigem Blut in den Herzgef\u00e4ssen, an die Erhaltung einer bestimmten Temperatur und wahrscheinlich an die Anwesenheit der in die Herzsubstanz zerstreuten Ganglien.\nEin ausgeschnittenes Herz oder das in der Brusth\u00f6hle befindliche Herz eines S\u00e4ugethiers, dessen Hirn uod R\u00fcckenmark abgestorben ist, schl\u00e4gt, sich selbst \u00fcberlassen nur noch kurze Zeit fort; die Zeitdauer seiner Bewegungen kann aber betr\u00e4chtlich vergr\u00f6ssert werden, wenn man entweder in die Lungen des get\u00f6dteten Thieres Luft einbl\u00e4sst, oder aber wenn man durch die Kranzgef\u00e4sse des ausgeschnittenen Herzens einen arteriellen Blutstrom leitet (C. Ludwig)**). Ein ausgeschnittenes Froschherz erh\u00e4lt dagegen seine Bewegungen stundenlang auch mit Zuthun des Bluts oder der Ern\u00e4hrungsfl\u00fcssigkeit, welche in seinem Gewebe enthalten ist. Bringt man ein solches Herz in eine reine Sauerstoffatmospb\u00e4re, so schl\u00e4gt es um viele Stunden l\u00e4nger und kr\u00e4ftiger, als in der atmosph\u00e4rischen Luft (Castell), f\u00fchrt man es dagegen in den luftleeren Raum (Fontana, Tiedemann***), Pickford)f) Wasserstoffgas (Schulz ff), C as te 11 ) fff), Stickgas, Kohlens\u00e4ure, Schwefelwasserstoff und luftleeres Wasser (Castell), so h\u00f6rt das Herz fr\u00fcher zu schlagen auf. W\u00e4hrend seines Aufenthaltes in den beruhigenden Mitteln haben die gew\u00f6hnlichen Erreger der Nerven ihre Wirkungskr\u00e4fte verloren ; bringt man aber dann das Herz, dessen automatische Erregung und dessen Erregbarkeit ganz verloren, wieder an die atmosph\u00e4rische Luft, so beginnt die selbstst\u00e4ndige Bewegung von Neuem. Beil\u00e4ufig ist hier noch zu bemerken, dass die erw\u00e4hnten Umst\u00e4nde und Gase nicht in gleichen Zeiten die Bewegung unterbrechen. Am l\u00e4ngsten dauert der Herzschlag in Stick- und Wasserstoffgas, sehr kurz aber nur in Kohlens\u00e4ure und Schwefelwasserstoff; diese Erscheinung deutet noch auf spezifische Einfl\u00fcsse der einzelnen Gasarten hin.\nDie Gegenwart der Ganglien h\u00e4lt man f\u00fcr bedeutungsvoll, weil, wenn man ein Froschherz durch einen Cirkularschoitt, welcher etwas unter der Basis des Ventrikels gef\u00fchrt wird, in zwei St\u00fccke theilt, das obere (Vorhof und eine ringf\u00f6rmige Parzelle der Ventrikularbasis) noch lebhaft fortschl\u00e4gt, w\u00e4hrend das untere , meist ohne noch einmal in Bewegung zu kommen, abstirbt. Das obere enth\u00e4lt aber vorzugsweise die Ganglien. Dieser Versuch ist jedoch nicht vollkommen beweisend, denn einmal ist sein Erfolg nicht constant, da auch das untere St\u00fcck zuweilen lebhaft schl\u00e4gt; dann aber enth\u00e4lt das untere St\u00fcck immer auch noch Gang-\n*) l. c. p. 108.\n**) Henle und Pfeufer. 1. Reihe. V. Bd. p. 76.\n***) M\u00fcllers Archiv. 1847. 490.\nf) Henle und Peufer. Neue Folge. I. Bd. 240. f\") De motu cordis canae. Berlin 1849. ff) M\u00fcllers Archiv. 1854. 226,","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Beschleunigung des Herzbewegung. Vaguserregung.\n67\nlien, und endlich hat man ausser den Ganglien auch noch andere Theile verst\u00fcmmelt. Eine etwas elegantere Form des Versuchs siehe bei H e iden h ai n *).\nd. Die Beschleunigung der Herzbewegung. \u2014 Die Schlagfolge ist unter vielfachen Umst\u00e4nden ver\u00e4nderlich :\na. Die Zahl der\u2019 Schl\u00e4ge des Herzens ver\u00e4ndert sich mit irgend welchen nicht n\u00e4her bestimmbaren Zust\u00e4nden seinerNerven und Muskeln; wie man sich ausdr\u00fcckt, mit seiner Erregbarkeit. Diese Annahme rechtfertigt sich dadurch , dass der Herzschlag langsamer wird, oder dass Mittel, die ihn zu beschleunigen im Stande sind, an ihrer Wirksamkeit einb\u00fcssen, wenn das Herz den Einfl\u00fcssen entzogen wird, durch welche sich Muskeln und Nerven in ihren Lebenseigenschaften erhalten, wie namentlich, wenn es abk\u00fchlt und nicht mehr von dem arteriellen Blut durchstr\u00f6mt ist. Wie hier das Herz den auf dasselbe angewendeten Erregern zum Trotz langsam schl\u00e4gt, so schl\u00e4gt es nun zuweilen rascher ohne Zuthun solcher. Im erstem Fall schliessen wir auf erniedrigte, in dem letztem auf erh\u00f6hte Erregbarkeit. \u2014\n\u00df. Die Zahl der Herzschl\u00e4ge mindert sich, wenn der n. vagus, bevor er in das Herz tritt, erregt wird (Ed. Weber).\nHier sind die Thatsachen zusammenzustellen, welche sich auf eine Ver\u00e4nderung des Herzschlags durch Erregung des Vagus beziehen. \u2014 1.) Die Bewegungen des Herzens werden um so anhaltender unterbrochen, je intensiver die Erregungen des n. vagus sind. Diese Behauptung begr\u00fcndet sich dadurch, weil ein Erregungsmittel von sehr geringer St\u00e4rke, das, auf den ungeschw\u00e4chten n. vagus angewendet, noch eine Verl\u00e4ngerung der Pause erzeugt, sich in dem erm\u00fcdeten nicht mehr als wirksam erweist; weil innerhalb enger Grenzen je nach der St\u00e4rke des Erregers eine k\u00fcrzere oder l\u00e4nger dauernde Pause erzeugt wird, weil dasselbe Erregungsmittel von immer gleicher Intensit\u00e4t, wie z. B. die elektrischen Schl\u00e4ge, zuerst so lange das zwischen den Drahtenden liegende Nervenst\u00fcck noch unversehrt ist, die Pause des Herzens betr\u00e4chtlich verl\u00e4ngert, w\u00e4hrend mit andauernder Erregung, d. h. mit steigender Ver\u00e4nderung des durchstr\u00f6mten Nervenst\u00fcckes die Herzpause mehr und mehr an Dauer abnimmt u. s. w. Demnach kann man bei einer passenden Anordnung der Erregungsmittel die Herzpause bis zur Dauer vieler Sekunden verl\u00e4ngern, z. B. wenn man an einem langhalsigen Hunde den nerv, vagus dermaassen in den Kreis eines Induktionstroms bringt, dass man das vom Strom durchflossene St\u00fcck ganz allm\u00e4hlig und stetig verl\u00e4ngert, so dass fortw\u00e4hrend neue von der durchstr\u00f6menden Elektrizit\u00e4t noch nicht umgewandelte Nervenelemente in den Kreis aufgenommen werden. \u2014 2.) Die gleichzeitige Erregung der beiden n. vagi scheint, alles andere (St\u00e4rke des Erregers der Erregbarkeit und der L\u00e4nge des erregten Nervenst\u00fcckes) gleichgesetzt, die Zusammenziehung des Herzens anhaltender zu unterbrechen, als die eines\n*) 1. c. p. 45. u. f.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nVaguserregung\u201c.\neinzigen. Zur Best\u00e4tigung dieses Satzes bedarf es jedoch noch genauerer Versuche. 3. Hat man die n. vagis eines S\u00e4ugethiers 6 bis 15 Minuten mittelst des elektrischen Induktionsstromes erregt, so h\u00f6rt mit der Entfernung der stromf\u00fchrenden Drahtenden nicht momentan die in Folge der Erregung vorhandene Verlangsamung des Herzschlages auf, sondern es verbleibt noch eine mehrere Minuten andauernde Nachwirkung, so dass erst nachVerfluss derselben die Herzschl\u00e4ge wieder mit derselben Geschwindigkeit einander folgen, die sie vor aller Erregung besassen (Hoffa). \u2014 4. Erregt man mittelst des Induktionsstroms den \u00abVagus nach seinem Eintritt in das Herz, so verl\u00e4ngert sich nicht die Pause aller Herztheile. In unver\u00e4nderter Geschwindigkeit schlagen nemlich die Theile, welche ihre Nerven aus dem St\u00fccke des n. vagus erhalten, das oberhalb des erregten Ortes liegt, w\u00e4hrend die Pausen aller der Herzabtheilungen sich verl\u00e4ngern, deren Nerven erst unterhalb des erregten Ortes aus dem Stamme treten (Hoffa). \u2014 5. Wenn man w\u00e4hrend einer durch die Erregung des n. vagus verl\u00e4ngerten Pause die Herzoberfl\u00e4che dr\u00fcckt, elektrisch schl\u00e4gt u. s. w., so erfolgt jedesmal eine Systole. Daraus folgt auch, dass, wenn man durch die Oberfl\u00e4che des Herzens elektrische Schl\u00e4ge dringen l\u00e4sst, die hierdurch hervorgerufenen Bewegungen durch Vaguserregung nicht beruhigt werden k\u00f6nnen. \u2014 6. Im gew\u00f6hnlichen Verlauf des Lebens ist bei Hunden, Pferden u. s. w. innerhalb des Hirns der n. vagus einer gelinden Erregung ausgesetzt. Wir schliessen hierauf, weil bei den erw\u00e4hnten Thieren nach Durchschneidung des n. vagus, oder nach Durchleitung eines constanten elektrischen, also l\u00e4hmenden Stroms (Heidenhain) der Herzschlag pl\u00f6tzlich ausserordentlich viel rascher wird, als vor derselben. \u2014 7. Bindet man einen Faden um das Froschherz an der Grenze zwischen Vorhof und Hohlvenensack, so schl\u00e4gt der Hohlvenensack weiter, w\u00e4hrend Kammern und Vorh\u00f6fe minutenlang in der Pause verharren (Stannius, Volkmann, Heidenhain); bringt man in dieser Zeit ein Erregungsmittel auf die \u00e4ussere Wand des Herzens, so erfolgt eine Beihe von Herzschl\u00e4gen, welche durch Erregung des Vagusstamms ausserhalb des Herzens nicht wieder beruhigt werden kann. Legt man aber, nachdem man das Herz durch die erw\u00e4hnte .Unterbindung beruhigt hatte, einen zweiten Faden an die Grenze zwischen Vorhof und Herzkammer, so ger\u00e4th letzterer in Zusammenzie-Imngen, die l\u00e4ngere Zeit hindurch anhalten k\u00f6nnen (Stannius). Dieser auf den ersten Blick sehr \u00fcberraschende Versuch d\u00fcrfte sich erl\u00e4utern, wenn man die an und f\u00fcr sich nicht unwahrscheinliche Voraussetzung macht, dass der umgelegte Faden als dauerndes Erregungsmittel (zuerst des n. vagus und dann des automatische Bewegungsapparates des Herzens) wirkt.\ny. Die Zahl der Herzschl\u00e4ge mehrt sich, wenn diejenigen Einfl\u00fcsse, welche fr\u00fcher als nervenerregende bezeichnet wurden, wenn auch he-","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Unmittelbare Erregung des Herzens.\n69\nschr\u00e4nkt auf das Herz wirken, also nach elektrischen, mechanischen, einer\nbestimmten Zahl chemischer Angriffe, Temperaturerh\u00f6hungen u. s. w.\nDer Beweis, dass die angegebenen Miltel das Herz zur Bewegung anregen, ist entweder nur so zu geben, dass sie zu einer Zeit ihre Wirksamkeit f\u00fcr das Herz entfalten, in der das Herz ohne ihre Gegenwart still stehen w\u00fcrde (z. B. in der langen Pause w\u00e4hrend die Vaguserregung, oder kurz vor dem vollkommenen Absterben des Herzens), oder dass sie die Zahl der Herzschl\u00e4ge fiir l\u00e4ngere Zeit betr\u00e4chtlich zu vermehren im Stande sind. \u2014 Mit R\u00fccksicht auf die Wirkung der genannten Erreger ist noch zu bemerken: 1. Der Werth ihrer erregenden Wirkung wechselt mit dem Ort, auf den sie angewendet werden; so erzeugt, namentlich nach Bidder, ein Nadelstich sicherer eine Herzbewegung, wenn er auf die \u00e4ussere Fl\u00e4che der Ventrikel, als auf die der Vorh\u00f6fe angewendet wird; im Allgemeinen erweckt ein Erregungsmittel, auf die inneren Fl\u00e4chen des Herzens gebracht, leichter Bewegung, als von den \u00e4ussern her. \u2014 2. Eine einmalige, sehr vor\u00fcbergehende Erregung des Herzens (auch wenn es ausgeschnitten und blutleer ist) ist nicht allein im Stande eine einmalige Zusammenziehung desselben zu erregen, sondern auch l\u00e4ngere Zeit hindurch die Pause zu verk\u00fcrzen, mit anderr Worten, die Zahl der Herzschl\u00e4ge in der Zeiteinheit zu vermehren. Diese Erscheinung tritt in sehr auffallender Weise \u00f6fter an dem Ventrikel des Froschherzens auf, der in der Querfurche von den Vorh\u00f6fen getrennt ist. Ohne Zuthun eines Erregers liegt derselbe meist vollkommen ruhig; bestreicht man ihn aber mit der Spitze einer Nadel, so ger\u00e4th er in viele rasch aufeinanderfolgende Zusammenziehungen. Wie hier ein rasch vor\u00fcbergehender Erreger eine Nachwirkung hinterliess, so kommt diese unter andern Umst\u00e4nden erst zum Vorschein, wenn der Erreger das Herz l\u00e4ngere Zeit hindurch angegriffen. So muss ein m\u00f6glichst lebenskr\u00e4ftiges Herz anhaltend, mehrere Sekunden hindurch von den Schl\u00e4gen eines starken Induktionsstromes getroffen werden, wenn auch das Herz nach der Entfernung desselben die ausserordentliche Zahl von Schl\u00e4gen (bis zu 600 in der Minute) zeigen soll, die der Strom bei seiner Anwesenheit erweckt. \u2014 3. Eine andauernde elektrische Erregung, die in allen andern Muskeln telanisch\u00bb Kr\u00e4mpfe erzeugt, bringt das Herz im Ganzen nur zu schnelleren Bewegungen, aber nicht in eine tetanische Zusammenziehung. Dagegen wird die Muskelsubstanz in einem beschr\u00e4nkten Umfang an den Ber\u00fchrungsstellen des Herzens mit den Poldr\u00e4hten zu einer leta-nischen Zusammenziehung veranlasst, welche sich noch viele Minuten nach Entfernung des Erregungsmittels erh\u00e4lt. \u2014 4. Die Aufl\u00f6sung vieler chemischer Stoffe, namentlich des Opiums, Strychnins, des Alkohols u. s. w., welche in die Herzh\u00f6hle gebracht wurden, beschleunigt f\u00fcr k\u00fcrzere Zeit den Herzschlag, verlangsamt ihn aber dann, indem sie endlich das vollkommene Absterben des Herzens bedingt. \u2014 Ein Froschherz, welches in eine reine Sauerstoffatmosph\u00e4re gebracht wird, schl\u00e4gt rascher (Castell). Ein Gemenge von C02 und atmosph\u00e4rischer Luft soll den Herzschlag kr\u00e4ftigen (Brown-Sequard).\n\u00f6. Eine auffallende Beschleunigung des Herzschlags soll erzeugt werden durch Erregung der in das Herz tretenden Zweige des n. sym-pathicus, oder seiner noch problematischen Urspr\u00fcnge in dem Hirn und R\u00fcckenmark. Diese Behauptung st\u00fctzt sich auf Thatsachen sehr zweifelhaften Werthes. Mit Sicherheit l\u00e4sst sich behaupten, dass eine Erregung des Grenzstrangs am Halse und in der obern Brustgegend beim Kaninchen den Herzschlag nicht beschleunigt (Weinmann). Beim Men-chen glaubt Henle*) dagegen Beschleunigung gefunden zu haben. Die ent-\n') Henle in seiner und Pfeufers Zeitschrift, Neue Folge. II. Bd. p. 300,","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nH\u00e4ufigkeit des Herzschlags beim Menschen.\ngegengesetzte Ansicht, welche R. Wagner*) vertritt, die nemlich, dass die Erregung des Sympathicus eine Verlangsamung erzeugen kann, ist weder durch W e i n m a n n, noch durch H e i d e n h a i n auf dem Wege des Versuchs best\u00e4tigt worden.\nDie \u00e4lteren Versuche, welche in der Absicht angestellt wurden, um den Beweis zu liefern, dass mit der Bewegung des Hirns, R\u00fcckenmarkes, oder des sympathischen Grenzstranges die Herzbewegung beschleunigt, oder mit Zerst\u00f6rung der erw\u00e4hnten Theile verlangsamt, resp. vernichtet werde, leiden an so vielfachen Fehlern, dass es vollkommen unm\u00f6glich ist, ihnen noch irgend welchen Einfluss auf die Bildung eines Urtheils zu gestatten. Zun\u00e4chst \u00fcbersah man meist, dass das biosgelegte Herz eines absterbenden, mangelhaft oder gar nicht mehr athmenden Thieres aus Gr\u00fcnden, die zun\u00e4chst in der ver\u00e4nderten Zusammensetzung des einstr\u00f6menden Bluts liegen, in sehr unregelm\u00e4ssiger Weise schl\u00e4gt. Volkmann**) hat hierauf zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt. \u2014Da nun auch ausserdem den Vivisectoren bis auf Ed. Weber und Budge die besondere Art des Einflusses, welche der n. vagus auf das Herz \u00fcbt, entgangen war, so befanden sie sich ausser Stande, zu entscheiden: ob die Ver\u00e4nderung, welche nach Erregung oder Zerst\u00f6rung einzelner Theile des Hirns, R\u00fcckenmarkes oder des peripherischen Nervensystems ein tritt, die Folge einer direkten Beziehung zwischen jenen Theilen und dem Herzen waren, oder ob sie es nur mit einer Ver\u00e4nderung zu thun hatten, welche an den Ursprungsstellen des n. vagus auf irgend welchem Umweg erzeugt war.\nEine ausf\u00fchrlichere Besprechung der \u00e4lteren Versuche von Humboldt, Legallois, Br\u00e4chet u. s. w. siehe bei Joh. M\u00fcller und Longet***).\nUeber die H\u00e4ufigkeit des Herzschlags beim Menschen. \u2014- Da die Orte des Hirns, aus welchen der n. vagus seinen Ursprung nimmt, durch Seelenzust\u00e4nde, Reflexe oder Ver\u00e4nderungen in der Blut-... Zusammensetzung in vielfach abgestufte Erregung kommen k\u00f6nnen, da die wechselnde Zusammensetzung des Bluts, die Bewegung des Brustkastens, der verschiedene Widerstand des vom und zum Herzen str\u00f6menden Blutes u. s. w. mannigfache Grade der Erregung und Erregbarkeit des Herzens selbst bedingen k\u00f6nnen, so l\u00e4sst sich voraussehen, dass die Zahl der Schl\u00e4ge, welche das Herz des lebenden Menschen in gegebener Zeit vollf\u00fchrt, keine sich gleichbleibende sein wird. Eine sorgsamere Beobachtung der Herzschl\u00e4ge des lebenden Menschen hat nun in der That nicht allein die Schwankungen in den Zahlen der Pulsschl\u00e4ge erwiesen, sondern auch diese zu gewissen Lebensverh\u00e4ltnissen in Bezie-\n*) G\u00f6ttinger gelehrte Anzeigen. 1854. 5121.\n**) M\u00fcllers Archiv. 1845.\n***) Longet, Traite de physiolog. II. Bd. deux. p. 192. 211. 374. \u2014 system, nerveux. II. 597,\nAnatomie et physiologie au","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"T\u00e4gliche Schwankung des Pulsschlages.\n71\nhungen zu bringen gewusst, so namentlich, dass die Beschleunigung des Pulses ver\u00e4nderlich sei mit dem Genuss der Nahrungsmittel, der Muskelbewegungen, dem Alter, Geschlecht, der K\u00f6rpergr\u00f6sse, dem Blutgehalt u. s. f. \u2014 Nach dem Mechanismus, durch den diese Umst\u00e4nde den Herzschlag um\u00e4ndern, hat man bis dahin nicht weiter gesucht, und es ist darum nicht zu entscheiden, durch welche der eben bezeichneten Weisen sie wirksam sind und ob dieselben die einzigen sind, welche den Herzschlag eines lebenden Menschen um\u00e4ndern k\u00f6nnen.\nDa der Pulsschlag f\u00fcr den Arzt von grosser Bedeutung ist, so wird die Angabe der Regeln, nach welchen die Pulsver\u00e4nderung zu beurthei-len ist, gerechtfertigt erscheinen. \u2014\n1. Die Zahl der Pulsschl\u00e4ge \u00e4ndert sich mit dem Genuss der Nahrungsmittel. Fr\u00f6hlich und Lichtenfels*) geben an, dass nach dem Genuss eines Fr\u00fchst\u00fccks aus Kaffee der Puls rasch ansteige, dann allm\u00e4hlig bis zum Mittagsessen sinke, von hier wieder, jedoch nicht so hoch wie fr\u00fcher, ansteige, bis zum Abendbrot falle, nach diesem abermals steige u. s. f. Dieser Gang wird durch die Curve (Fig. 89.) genauer dargestellt. In dieser Curve sind auf der Achse X die Zeiten nach Stunden aufgetragen1 in der Art, dass zugleich die Zeiten des Essen angegeben sind ; auf die erste 0 f\u00e4llt das Fr\u00fchst\u00fcck, auf die zweite das Mittagsessen, auf die dritte der Abendkaffee und auf die letzte das Nachtessen; unter diesen die Essenstunde bezeichnenden Zahlen sind die fortlaufenden Tagesstunden aufgetragen von 7,5 Uhr Morgens bis II,5 Uhr Abends. Auf der xAchse Y ist die Anzahl der Schl\u00e4ge aufgezeichnet, um welche sieh in der Minute der Puls zu der bezeichneten Zeit vermehrt oder vermindert hatte. Um die ganze Zahl der Pulsschl\u00e4ge zu finden, muss man also jedesmal diejenigen zu denen in der Curve verzeichneten zuf\u00fcgen, welche sich nach lOst\u00fcndigem Enthalten von aller Nahrung vorfand. In dem vorgerechneten Beispiel betrug dieselbe aber 69,8 Schl\u00e4ge. Aehnliche Beobachtungen giebt Vier or dt**).\nFig. 39.\nMit einer Verlegung der Mahlzeiten muss diese Curve nat\u00fcrlich sehr verschiedene Gestalten annehmen; unter diesen verdient die hervorgehoben zu werden, welche beim Hungern sich vorfindet (Fig. 40.). Auf X sind die Zeiten in Stunden nach dem\ns) Wiener Akadem. Denkschriften. III. 121.\n\"') V i e r o r d t, Physiologie d. Athmens. 1845. p. 69,","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzust\u00e4nde u. s. w.\nt2\nletzten Genuss von Nahrung und in T die Zahl der Schl\u00e4ge aufgetragen, welche zu den bezeichneten Zeiten abgezogen werden m\u00fcssen von der Pulszahl 69,3, von derjenigen nemlich, welche fr\u00fchmorgens, 10 Stunden nach dem letzten Essen, der beobachtete Mensch in der Minute darbot. Da diese lind die vorhergehende Curve von demselben Individuum genommen sind, so sind beide geradezu vergleichbar. \u2014 Ein jedes Nahrungsmittel wirkt aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnahrung soll der Puls rascher sein, als bei vegetabilischer (Guy). \u2014 Nach dem Genuss von Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den ersten Minuten die Zahl der Pulsschl\u00e4ge weit unter diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch \u00fcber die urspr\u00fcngliche Zahl, sinkt und steigt wieder, und kehrt so allm\u00e4hlich mit Schwankungen zu der alten Zahl zur\u00fcck. \u2014 Kohlens\u00e4ure (nach Genuss von Brausepulver) bringt den Puls gegen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes Wasser, w\u00e4hrend warmes Getr\u00e4nk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zun\u00e4chst steigen macht u. s. w. \u2014 Weitere Beobachtungen \u00fcber Arzneistoffe siehe bei Lichte nf eis und Fr\u00f6hlich, Blacke*), Stannius**), Lenz***), Brun nerf) und Traube ff). Indem wir die ausf\u00fchrliche Erw\u00e4hnung dieser Beobachtungen den Lehrb\u00fcchern der Heilkunde \u00fcberlassen m\u00fcssen, k\u00f6nnen wir uns nicht versagen, hervorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eiue eigent\u00fcmliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen in den Kreislauf Teingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erl\u00e4utert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin verm\u00f6ge seiner besondern Verwandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. vagus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer Erregungsmittel, das Gift erregeud, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass das Herz im erstem Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztem unter dem Einfluss des Vagus schl\u00fcge, der seiner normalen Erregung entzogen w\u00e4re. -\u2014 Diese Erkl\u00e4rung wird best\u00e4tigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch besitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die Versuche von Stannius und Traube best\u00e4tigen.\n2. Die Zahl der Pulsschl\u00e4ge \u00e4ndert sich mit den Zust\u00e4nden aller \u00fcbrigen Muskelmassen des zugeh\u00f6rigen Individuums, resp. mit ihrer Ruhe, Zusammenziehung, Erm\u00fcdung. \u2014 Fr\u00f6hlich und Lichten fels geben an, dass, wenn die Muskehnasse des Armes durch das Anh\u00e4ngen eines Gewichtes von 10 Pfund ausgedehnt worden, der Puls um ein weniges steigt; um mehr, wenn man den Arm bis zur Erm\u00fcdung gestreckt h\u00e4lt; und noch betr\u00e4chtlicher, wenn man ein schweres Gewicht m\u00f6glichst rasch hin- und herschwingt. Diese Steigerungen erhalten sich nur\n*) Archiv, general. 1839. VI. Bd.\n**) Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd.\n***) Exp\u00e9rimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853. t) lieber mittlere Spannung im Gef\u00e4sssystem. Z\u00fcrich 1854. ft) Annalen des Charite'krankenhauses. 1851 \u00fc. 1852.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Kraft der Herzzusammenziehung.\n73\n\u00ab\nUnze Zeit, minutenlang, w\u00e4hrend sie stundenlang andauern nach starken Erm\u00fcdungen der Muskulatur des Gehapparates. Daraus ergiebt sich, dass der Puls im Stehen ein anderer ist, als im Sitzen und hier ein anderer, als im Liegen. Bei vielen Men-\nschen ist schon durch Kieferbewegung der Pulsschlag zu beschleunigen. \u2014 Nach Guy*) soll mit passiven Bewegungen des K\u00f6rpers die Zahl der Pulsschl\u00e4ge wachsen und durch Niederh\u00e4ngen des Kopfes abnehmen. Im Schlaf nimmt zum Theil aus hier entwickelten Gr\u00fcnden die Zahl der Pulsschl\u00e4ge ab.\n3.\tNach Volkmann**) und Guy nimmt in den ersten Jahren die mittlere Pulszahl rasch ab, daun aber allm\u00e4hlig bis zur Zeit der Pubert\u00e4t zu, von da au erh\u00e4lt sie sich constant, bis in das h\u00f6here Greisenalter, wo sie sich wieder um etwas hebt. Die Beobachtungen , welche diesen Behauptungen zu Grunde liegen, sind s\u00e4mmtlich im Sitzen vor dem Mittagsmahl genommen ; wie lange nach dem Genuss von Nahrung oder nach Bewegungen, ist nicht angegeben.\n4.\tMit der K\u00f6rperl\u00e4nge nimmt der Puls ab, so dass namentlich das gr\u00f6ssere unter zwei gleich alten Individuen einen langsameren Puls hat, als das kleinere. Versuche , Pulszahl und K\u00f6rperl\u00e4nge durch eine empirische Formel in Zusammenhang zu bringen, siehe bei Volkmann***), Rameaux und Serrusf) etc.\n5.\tDer Puls der Frauen ist im Allgemeinen schneller, als der der M\u00e4nner bei Gleichheit des Alters, der Lebensart und K\u00f6rpergr\u00f6sse. Im Kindesalter tritt die\nDilferenz weniger zu Tage, als im sp\u00e4tem.\n6.\tNach einem volumin\u00f6sem Aderl\u00e4sse steigt die Geschwindigkeit des Herzschlags (Volkm an n) ff).\n4. Die Kraft, mit welcher sich der Herzmuskel zusammenzieht, kann zwar, wie aus fr\u00fcher entwickelten Gr\u00fcnden fff) hervorgeht, nicht gemessen werden; aber es ist immerhin m\u00f6glich, grobe Unterschiede zwischen der von ihm zu verschiedenen Zeiten entwickelten Kraft aufzufassen. Denn einmal \u00e4ndert sich mit den Umst\u00e4nden ebensowohl der Umfang der Verk\u00fcrzung, indem z. B. ein stark mit Blut erf\u00fclltes Herz sich mehr oder weniger vollst\u00e4ndig entleert, und anderweit \u00e4ndert sich auch bei gleichem Umfang der Zusammenziehung die H\u00e4rte des zusammengezogenen Herzens, oder anders ausgedr\u00fcckt, die Spannung, in welche die Herzmuskeln gerathen. Da diese verschiedene Leistungs-\nf\u00e4higkeit abh\u00e4ngig sein kann von dem Erregungswerth, welchen der automatische Apparat aussendet, von der gleichzeitigen Anwesenheit anderweiter Erreger und endlich von dem Erregbarkeitsgrad der Nerven und Muskeln des Herzens, so w\u00fcrde man sich eine unl\u00f6sbare Aufgabe stellen, wenn man den Antheil der verschiedenen Bedingungen an der jeweiligen Erscheinung angebemwolJte. Statt dessen m\u00fcssen wir uns beschr\u00e4nken auf die Angabe einiger Umst\u00e4nde, in denen die Kraft der Bewegungen ver\u00e4nderlich wird. Hierher z\u00e4hlen wir: a. Der Umfang der Zusammenziehung wird geringer, wenn das Herz abgek\u00fchlt, wenn der Blutstrom in ihm ge-\n*) Valentins Jahresbericht \u00fcber Physiologie. 1848. p. 123.\n**) Haemodynamik. p. 433.\n***) 1. c. p. 430.\nt) Bulletin de l\u2019academie de Bruxelles. 1830.\n-j-j) 1. c. p. 371. \u2014 Die andere hierhergeh\u00f6rige Litteratur siehe in der sorgsamen Handleiding von Donders und Bait du in. II. Bd. 102,\nTit) I. B\u00f6. p. 342.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nGleichzeitige Zusammenziehung der einzelnen Muskelr \u00d6hren.\nschw\u00e4cht oder nur ven\u00f6ses Blut durch dasselbe getrieben wird. \u2014 b. Die Kraft der einzelnen Zusammenziehung nimmt betr\u00e4chtlich ab, wenn das Herz durch einen Induktionstrom zu sehr raschen Bewegungen veranlasst wird. \u2014 c. Die Kraft der einzelnen Bewegung ist sehr bedeutend, wenn die il. vagi durchschnitten wurden. \u2014 d. Die einzelnen, durch lange Diastolen getrennten Herzschl\u00e4ge, welche bei S\u00e4ugethieren w\u00e4hrend der Vaguserregung zu Stande kommen, sind sehr energisch, w\u00e4hrend sie unter gleichen Umst\u00e4nden bei Fr\u00f6schen sehr wenig umfangreich sind. \u2014 e. Wenn sich der Entleerung des Bluts unter sonst f\u00fcr die Herzern\u00e4hrung g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden Widerst\u00e4nde entgegensetzen, so nimmt die H\u00e4rte des zusammengezogenen Herzens betr\u00e4chtlich zu.\nVon dem Nutzeffect des Herzens f\u00fcr den Blutlauf wird bei einer sp\u00e4tem Gelegenheit die Rede sein.\n5. U eb er die Gleichzeitigkeit der Bewegung in den Elementartheilen der einzelnen Abtheilungen des Herzens.\u2014 Da das Herz aus einer grossen Zahl getrennter nur in Ber\u00fchrung befindlicher nerv\u00f6ser und muskul\u00f6ser Elementartheile besteht, so kann die gleichzeitige Bewegung der beiden Vorh\u00f6fe und der beiden Kammern sich nur erl\u00e4utern aus einer gegenseitigen Mittheilung der inneren Zust\u00e4nde der Elementartheile, aus welchen sich die erw\u00e4hnten Abtheilungen zusammensetzen. Die Bedingungen, welche zum Zustandekommen dieser gegenseitigen Mittheilung geh\u00f6ren, bestehen: a. In der unmittelbaren Ber\u00fchrung der einzelnen Theile. Schneidet man nemlich ein schlagendes Froschherz in mehrere Theile, so pulsirt jeder derselben zwar fort, aber die einzelnen St\u00fccke bewegen sich nicht mehr gleichzeitig (Volkmann*)). \u2014 b. Die einzelnen Abtheilungen m\u00fcssen sich in ann\u00e4hernd gleichem Erregungszust\u00e4nde finden ; denn es verlieren auch an dem unversehrten Herzen die einzelnen Muskelb\u00fcndel der Kammern die Gleichzeitigkeit ihrer Bewegung, wenn man sch\u00e4dliche Einfl\u00fcsse in beschr\u00e4nkter Ausdehnung auf sie wirken liess. Namentlich geschieht dieses, wenn man anhaltend elektrische Schl\u00e4ge durch die Kammern sendet; hierdurch zieht sich bald dieser und bald jener Theil der letztem zusammen, ohne Betheiligung der \u00fcbrigen. \u2014 c. Die Orte, an denen diese Uebertragung stattfindet, lassen sich nicht angeben; es ist nur zu behaupten, dass sie sehr verbreitet im Herzen vorhanden sein m\u00fcssen, da jedes St\u00fcck eines zerschnittenen Herzens in Folge einer beschr\u00e4nkten Ber\u00fchrung, z. B. eines Nadelstichs, noch in eine totale Zusammen-ziehung gerathen kann.\n6. Herzt\u00f6ne**). \u2014 Das mit Blut erf\u00fcllte, noch in normaler Verbin-\n*) M\u00fcllers Archiv. 1844. \u2014 Bidder, ibidem. 1852. p. 163.\n**) Kiwis ch v. Rot ter an, mediz. physikal. Berichte, W\u00fcrzburg. I, Bd. 9, \u2014 Nega, Beitr\u00e4ge zpr Kennte iss u. s, w, Breslau 1852,","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Herzt\u00f6ne. Blutgef\u00e4sse.\n75\ndung mit seinen Arterien befindliche Herz, erzeugt bei seiner Zusammenziehung zwei T\u00f6ne, welche ebensowohl bei unversehrter Brustwandung geh\u00f6rt werden, wenn man das Ohr in der N\u00e4he des Herzens auf die Brustwand legt, als auch, wenn man nach er\u00f6ffneter Brusth\u00f6hle das Ohr mit dem freigelegten Herzen in Ber\u00fchrung bringt. \u2014\nDer erste dieser T\u00f6ne, von dumpfem Klang, h\u00e4lt gerade so lange an, als die Zusammenziehung der Kammern w\u00e4hrt, der zweite aber ist h\u00f6her und k\u00fcrzer und erscheint als ein heller Nachschlag zum ersten, also gerade nach Schluss der Kammersystole. Die beiden T\u00f6ne \u00e4ndern sich, wenn die ven\u00f6sen lind arteriellen Klappen der Ventrikel irgend welche Umwandlung ihrer Form oder ihrer Elastizit\u00e4t erfahren haben, und namentlich soll der erste mit der Ver\u00e4nderung der ven\u00f6sen, der zweite mit derjenigen der arteri\u00f6sen (Semilunar-) Klappe in seinem Klang und seiner H\u00f6he wechseln. Daraus schliesst man, dass der erste Ton entstehe durch Wellenbewegungen, welche das str\u00f6mende Blnt in den Klappen und Chorden einleitet, welche die ven\u00f6sen M\u00fcndungen decken, der zweite aber durch das pl\u00f6tzliche Zusammenschlagen der arteriellen Klappen, die, wie wir sp\u00e4ter erfahren werden, in der That am Ende der Systole entfaltet werden. Diese Annahmen werden auf exclusivem Wege best\u00e4tigt durch die Erfahrung, dass sich innerhalb eines Stroms tropfbarer Fl\u00fcssigkeit, der in steifen W\u00e4nden durch unebene Oeffnungen dahin geht, nur sehr schwer T\u00f6ne erzeugen; im Herzen liegt somit gar keine andere M\u00f6glichkeit des T\u00f6nens vor. Zudem finden sich, wie es scheint, die Sehnen und Klappen in einer zum T\u00f6nen hinreichenden Spannung.\nBlutgef\u00e4sse.\nVom hydraulischen Gesichtspunkte aus sind die Wandungen und die Binnenr\u00e4ume der Gef\u00e4sse bedeutungsvoll.\nJ. Wandungen. \u2014 Sie sind, wenn ihr Bau die gr\u00f6sste Compli-kation zeigt, ein Gef\u00fcge aus elastischem, zelligen und muskul\u00f6sem Gewebe, das auf der dem Lumen zugekehrten Fl\u00e4che mit Epithelien versehen ist (H en le). \u2014 a. Das elastische Gewebe ist insofern der Grundtheil der Gef\u00e4sswandungen, als es keiner Abtheilung desselben fehlt und einzelne, wie z. B. die meisten Capillaren, nur aus demselben gebildet sind. \u2014 Dreses Gewebe zeichnet sich durch seine Dichtheit, Dehnbarkeit und seine F\u00e4higkeit aus, sowohl in Faser- als in Plattenform erscheinen zu k\u00f6nnen. Unter Dichtheit (oder Porosit\u00e4t) verstehen wir den ' Widerstand, den es den Durchtritt von Fl\u00fcssigkeit entgegenstellt, welche auf dem Wege der Filtration, also in Folge eines beliebigen Druckes, durch das Gewebe getrieben werden sollen. R\u00fccksichtlich dieser wichtigen Eigenschaft ist es noch niemals einer genauen Untersuchung unterworfen worden, die mit besondern Schwierigkeiten verkn\u00fcpft ist, weil wir bis jetzt noch keinen Fundort ermittelt haben, an dem man gr\u00f6ssere","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"Get\u2019\u00e4sshaut ; elastisches uud muskul\u00f6ses Gewehe.\nSt\u00fccke homogener, nicht von groben L\u00f6chern durchbrochener Platten gewinnen konnte. Wir wissen nur, dass selbst sehr d\u00fcnne Platten der sog, innersten Arterienhaut einen nicht unbetr\u00e4chtlichen Druck einer \u00fcberstehenden Wassers\u00e4ule vertragen, bevor Wasser mit einer merklichen Geschwindigkeit durch sie dringt, und dass bei gleichen Dr\u00fccken die Durchgangsf\u00e4higkeit der Membran mit der chemischen Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit wechselt und dass namentlich Salz- und Eiweissl\u00f6sungen schwieriger filtriren, als reines Wasser.\u2014 Die elastischen Eigenschaften des homogenen Gewebes haben ebenfalls aus Mangel desselben noch nicht untersucht werden k\u00f6nnen. Aus Versuchen, die mit m\u00f6glichst reinen Fasernetzen angestellt worden sind, darf man schliessen, dass das durchfeuchtete elastische Gewebe Theil nimmt an den bemerkenswerthen Eigen-th\u00fcmlichkeiten vieler durchtr\u00e4nkter thierischer Substanzen, bei niedrigen Spannungen ausdehnbarer zu sein, als bei hohem, so dass auch die Curve der ihm angeh\u00f6rigen Elastizit\u00e4tscoeffizienten bei wechselnder Spannung die Form annimmt, welche Fig. 4. p. 47. des I. Bdes. verzeichnet ist. \u2014 Mit der Abnahme des Wassergehalts, oder der Gegenwart von Salzl\u00f6sung in seinen Poren ist der absolute Werth der Coeflizienten in einer Zunahme begriffen. \u2014 Bei der Beurtheilung der elastischen Eigenschaften eines besondern St\u00fcckes unseres Gewebes kommt es nat\u00fcrlich auch darauf an, ob dasselbe aus einer homogenen Platte, oder aus Fasern besteht; in dem letzten, dem h\u00e4utigst vorkommenden Falle, wird namentlich zu ber\u00fccksichtigen sein, nach welchen Bichtungen die Fasern verlaufen, und wie die Unterbrechungen angeordnet sind. \u2014 Da endlich das elastische Gewebe ebensowohl als eine vollkommen gleichartige Platte\nwie auch als ein Netz von Fasern der verschiedenartigsten Feinheit erscheinen kann, so ist dasselbe geeignet, einerseits vollkommen geschlossene R\u00f6hren von beliebigem Durchmesser und andrerseits auch ein die Wandungen derselben verst\u00e4rkendes Netzwerk darzustellen.\n\u00df. Die Muskelschicht*) der Gef\u00e4sse besteht \u00fcberall aus der muskul\u00f6sen Faserzelle; da die Eigenschaften derselben schon abgehandelt sind (I. Bd. p. 349.), so werden wir uns hier zu beschr\u00e4nken haben auf die Folgen, welche aus der besondern Anordnung derselben an den Gef\u00e4ssen hervorgehen. Zun\u00e4chst ist hervorzuheben, dass die Muskeln nicht an allen Gef\u00e4ssen Vorkommen; namentlich fehlen sie vielen Venen und durchgreifend den allerfeinsten R\u00f6hren. Wo sie erscheinen, kommen sie entweder nur als Ringlagen, wie in den Arterien (Henle), oder nur als L\u00e4ngsschicht, wie in den Venen, oder zugleich in beiden Lagerungen vor, wie in den meisten mitteldicken Venen (K\u00f6Hiker). \u2014 Die Stellung dieser Muskeln zu den Gef\u00e4ssnerven ist meistentheils unklar; nur die Muskeln in den Gef\u00e4ssen der Gesichtshaut und der Augen\n~) Kbiiiker, Handbuch der Gewebelehre. 1852. p. 555 u, f?","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00e4ssnerven. Anordnung der Wandelemente.\t77\nwerden nachweislich von R\u00fcckenmarksnerven zur Verk\u00fcrzung veranlasst, die durch den Grenzstrang des Halses gef\u00fchrt werden; man kann, wie Bernard, Budge und Weller lehren, die Gef\u00e4sse erweitern, wenn man den Halstheil des Sympathicus durchschneidet, und umgekehrt auch wieder verengern, wenn man den peripheren Stumpf der durchschnittenen Nerven, oder bei unverletzten Nerven die Grenze des Hais- und Dorsalmarkes erregt.\nDas Bindegewebe und die Epithelien der Gef\u00e4sse geben zu keiner weitern Betrachtung Veranlassung.\nAuf die schwierige Frage, wie diese Baumittel in der Gef\u00e4sswand zusammengef\u00fcgt sind, hat zuerst He nie*) Antwort gegeben.\nAlle Gef\u00e4sse, weite wie enge, Arterien und Venen, enthalten eine Lage gleichartiger elastischer Substanz, welche an das Lumen der R\u00f6hre entweder unmittelbar angrenzt, z. B. in den Arterien ersten Ranges oder nur durch das Epithelium von ihm geschieden ist; sie stellt gleichsam das Grundrohr dar, an welches sich die andern Stoffe anlehnen. Zu diesen kommen in den Arterien noch weitere Lagen von elastischen Netzen und Muskeln. Die elastischen Netze enthalten um so breitere Fasern und demnach um so geringere Mengen von Oeffnungen, je weiter nach dem Innern sie liegen; diese dichten Lagen sind im Ganzen als innere Gef\u00e4sshaut beschrieben und ihre einzelnen Bl\u00e4tter hat man als Fensterh\u00e4ute u. s. w. bezeichnet. Je gr\u00f6sser der! Durchmesser der Gef\u00e4sse, um so st\u00e4rker ist auch im Allgemeinen diese Haut. Weiter gegen den Umfang hin finden sich weitmaschige Fasernetze, welche zuerst von Muskeln und dann weiter nach aussen von Bindegewebe durchzogen sind. Bekanntlich nennt man die eine dieser Schichten die mittlere Arterienhaut, oder auch t. musculo-elastica; die andere aber die Zellhaut oder auch t. elastico-conjunctiva. Die M\u00e4chtigkeit dieser beiden letztem Gewebeabtheilungen zusammengenommen, w\u00e4chst im Allgemeinen mit dem Durchmesser der Arterienh\u00f6hle, eine Regel, die nur dann eine Ausnahme erleidet, wenn das Gef\u00e4ss, statt wie gew\u00f6hnlich in einer Umgebung von lockerem Bindegewebe, durch steife, widerstandleistende Substanzen, z. B. durch Knochen dahin l\u00e4uft, lrn Einzelnen soll dagegen die Dicke der beiden Schichten im umgekehrten Verh\u00e4ltnis stehen, so dass, wenn die mittlere Haut abnimmt, die \u00e4ussere im Zunehmen begriffen ist (K\u00f6lliker). \u2014 Schliesslich sind die Schwankungen in den relativen Mengen der Muskeln und elastischen Substanz zu ei w\u00e4hnen. Im Allgemeinen \u00fcberwiegt in den Arterien geringsten Durchmessers in der mittlern Haut die Muskelsubstanz in einem solchen Grade, dass man, ohne merklichen Fehlen sie geradezu als eine Muskelhaut bezeichnen kann, w\u00e4hrend in den st\u00e4rkeren Gef\u00e4ssen die elastische Schicht ebenfalls betr\u00e4chtlich vertreten ist.\n*) Allgemeine Anatomie. Leipzig 1841. p. 490 u. f. \u2014 Donders und Jansen, Archiv f\u00fcr phy\u00ab siolog. Heilkunde. VI. Bd. 361.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nEigenschaften der gesammten Gef\u00e4sshaut.\nIn den letztem Gef\u00e4ssen, den sog. Arterienst\u00e4mmen und Zweigen erster Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten; nach Do riders und Jansen \u00fcberwiegt in den aa. aorta, anonyma, carotidae, subclaviae, axillares und iliacae die elastische, in den aa. vertebrales, radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, renales, crurales, popliteae die muskul\u00f6se Substanz.\nDie feinsten Gef\u00e4sse, oder Capi llaren enthalten ausser der Grundhaut nur noch eine Epithelienschicht.\nIn den Venen*) sind die elastischen und muskul\u00f6sen Bestand-theile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien von entsprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel, dass die Wandungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der Durchmesser des Lumens w\u00e4chst. Zudem sind die Wandungen der Venen in der unteren K\u00f6rperh\u00e4lfte im Allgemeinen denen in der obern \u00fcberlegen. Die weiten Venen enthalten auch verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger Muskeln, als die engern; nach Wahlgren haben in allen grossem Venen die nach der L\u00e4nge des Ge-f\u00e4sses laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die vena portarum, pulnftonalis und die gr\u00f6sseren Extremit\u00e4tenvenen merkliche Lagen von Quermuskeln tragen. Alle Venen unter 1 MM. Durchmesser sind dagegen von L\u00e4ngsmuskeln vollkommen entbl\u00f6sst.\nMuskelfrei sind nach K \u00f6l liker die Venen und Sinus in der Retina und der Sch\u00e4delh\u00f6hle, der corpora cavernosa penis und der Milz. Der Bau der Klappen, welche allen Venen zukommen, mit Ausnahme der in den Lungen, dem Darm und dem Hirn vorhandenen, kann als bekannt vorausgesetzt werden.\nDa die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der einzelnen Bestandtheile nicht geschehen kann, so hat man zuweilen versucht, die der Gef\u00e4sshaut insgesammt zu bestimmen und namentlich \u2014 den Reibungscoeffizienten, der zwischen der innern Membran und einer vor\u00fcbergleitenden Fl\u00fcssigkeit besteht. Man vermuthet, dass er bei der Gl\u00e4tte und der vollkommenen Dehnbarkeit derselben nicht betr\u00e4chtlich sei. \u2014 Die C oh \u00e4 si on der Venen fand Werth heim viel betr\u00e4chtlicher, als die der Arterien, doch hat er beim Menschen nur die vena saphena und arteria femoralis verglichen; da er die Untersuchung begann, als die Muskeln schon in F\u00e4ulniss begriffen waren, so m\u00f6chten seine Angaben gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen widerspricht auch Volkmann**). \u2014 Das Gesetz des Elastizit\u00e4ts-coeffizienten fand Werthheim mit dem durchweichter Thierstoffe \u00fcbereinstimmend. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere der Aorta fand Harless***) nach L\u00e4nge und Breite gleich gross, w\u00e4h-\n*) Sch rant, orer de aderligke bloetvaten u. s. w. \u2014 Wahlgr en, framstalenig af Venensystems allmanna anatomie. Beide in Henles Jahresbericht f\u00fcr 1851. p. *31. u. 38.\n**) Haemodynamik. 289 u. 290.\n***) Valentins Jahresbericht f\u00fcr 1853. p. 154.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Eigenschaften der gesammten Gef\u00e4ssbaut.\n79\nrend andere Beobachter und namentlich Volk mann die Arterienhaut nach der L\u00e4nge ausdehnbarer antrafen, als nach der Quere. Die absoluten Werthe der Dehnbarkeit m\u00fcssen begreiflich mit der Zusammenziehung der Muskeln in der Gef\u00e4sshaut sehr wechselnd sein; darum sind alle vorliegenden Angaben derselben werthlos. \u2014 Sichere Angaben \u00fcber die beiden letzten Verh\u00e4ltnisse w\u00fcrden \u00fcbrigens noch nicht hinreichen, um einen Schluss auf die Widerstandsf\u00e4higkeit der R\u00f6hren innerhalb des K\u00f6rpers zu erm\u00f6glichen, da offenbar diese auch noch durch die mehr oder weniger grosse Nachgiebigkeit der Umgebung des Gef\u00e4sses bedingt ist.\nAus allen diesen Thatsachen kann aber mindestens das abgeleitet werden, dass die Arterien von gr\u00f6sserem Querschnitt, bevor sie zer-reissen, einen st\u00e4rkern Druck zu ertragen im Stande sind, als alle \u00fcbrigen Gef\u00e4sse, und zugleich werden sie den filtrirenden Fl\u00fcssigkeiten den bedeutendsten Widerstand entgegensetzen.\nEine von dem Druck des Inhaltes und der Umgebung unabh\u00e4ngige Ver\u00e4nderung ihres Durchmessers werden nur die Gef\u00e4sse erleiden k\u00f6nnen , welche mit Muskeln versehen sind*). Dem anatomischen Befunde entsprechend, verengern sich nun in der That unter dem Einfluss der elektrischen Schl\u00e4ge eines Induktionsapparates die Capillaren gar nicht (vorausgesetzt, dass sie nicht im muskelhaltigen Gewrebe sich verbreiten), wenig die Venen und grossen Arterienst\u00e4mme, am meisten aber die engeren und engsten Arterienst\u00e4mme, welche sich bis zum vollkommenen Verschwinden ihres Lumens contrahiren k\u00f6nnen (E. H. und Ed. Weber). Diese Zusammenziehungen der Gef\u00e4sse treten, den Eigenschaften der Muskeln entsprechend, in Folge der erregenden Einwirkungen nur sehr all-m\u00e4hlig ein und erhalten sich auch noch lange Zeit nach Entfernung des Erregers. \u2014 Die Muskeln sind \u00fcbrigens nicht allein von Bedeutung durch ihre F\u00e4higkeit, sich zu verk\u00fcrzen, sondern auch durch ihre elastischen Kr\u00e4fte; dieses ergiebt sich daraus, weil die vorzugsweise muskelhaltigen Gef\u00e4sse durch denselben Blutdruck in ganz verschiedener Weise ausgedehnt werden, je nachdem ihre Muskeln in Folge einer heftigen und anhaltenden Zusammenziehung erm\u00fcdet waren, oder je nachdem sie im vollkommen erregbaren Zustand sich befanden. Entsprechend der Beobachtung, dass der JElastizit\u00e4tscoeffizient der erm\u00fcdeten Muskeln niedriger ist, als der erregbaren, dehnt sich in den erstem der bezeichneten F\u00e4lle das Gef\u00e4ss durch denselben Druck viel weiter aus, als in letzteren (E. H. und Ed. Weber). \u2014 Indem aber die Muskeln zeitweise in den Zustand der Zusammenziehung treten, werden sie zugleich die bleibende Verl\u00e4ngerung oder Reckung aufheben, welche in allen elastischen\n*) Hildebrandts Anatomie, Ausgabe von E. H. Weber. III. Bd. 79. \u2014 E. H. u. Ed. Weber, ^rck*V\u00e9 1847. 232. \u2014* K \u00f6l liker u. Virchow in den W\u00fcrzburger Verhandlungein","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nGef\u00e4ssr\u00e4umlichkeit ; ihr Verh\u00e4ltniss in Arterien und Venen.\nStoffen vorkommt, die einem eonstanten Druck ausgesetzt sind; denn w\u00e4hrend einer Zusammenziehung der Muskeln werden die elastischen Gewebe gleichsam entlastet, und es wird ihnen somit Zeit gegeben, sich wieder auf ihre wahre L\u00e4nge zu verk\u00fcrzen. Alle Gef\u00e4sse, deren Muskeln, respektive Nerven, den nat\u00fcrlichen Erregern entzogen sind, werden darum sich allm\u00e4hlig erweitern.\nGef\u00e4ssr\u00e4umlichkeit; Umfang derselben. Die Frage nach dem Gesammtraum, den die Gef\u00e4sswandungen einschliessen, und in welcher Weise mit dem steigenden Druck und zunehmender Muskelzusammenziehung das von ihm umfasste Volum ver\u00e4nderlich sei, ist noch niemals Gegenstand einer Untersuchung gewesen; auf diese Frage und namentlich auf den ersten Theil derselben, w\u00fcrde man auch bei den zahllosen individuellen Abweichungen keine allgemein g\u00fctige Antwort erhalten. \u2014 Wichtiger d\u00fcrfte es sein, diese Fragen dahin zu richten: wie verh\u00e4lt sich der Inhalt der einzelnen Gef\u00e4ssarten, der Arterien zu den Capillaren, zu den Venen ; oder wie stellt sich zueinander die R\u00e4umlichkeit der einzelnen Abtheilungen des Gef\u00e4sssystems, z. B. der Lungen- zu den K\u00f6rpergef\u00e4ssen, zu den Darm-, den Nieren-, Leber-, Hirn- u. s. w. Gef\u00e4ssen; in welchem Verh\u00e4ltniss variirt die R\u00e4umlichkeit der einzelnen Gef\u00e4ssarten und Abtheilungen mit dem ver\u00e4nderlichen Drucke der einstr\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit.\nDie hier ber\u00fchrten Fragen sind wiederholt aufgeworfen, zum Theil ist sogar ihre L\u00f6sung versucht, aber mit nicht hinreichenden Hilfsmitteln. Namentlich hat man \u00f6fler die Gef\u00e4sse mit erstarrenden Massen ausgespr\u00fctzt und aus der Menge und dem spezifischen Gewicht des hierzu verbrauchten Materials das erf\u00fcllte Volum berechnet. Diese Versuche, die man meist zu andern Zwecken angestellt hat, w\u00fcrden f\u00fcr den vorliegenden brauchbar sein, wenn man darauf bedacht gewesen w\u00e4re, entweder das ganze, oder nur eine bestimmte Abtheilung des Gef\u00e4sssystems vollkommen zu f\u00fcllen und wenn man den Druck, unter dem die F\u00fcllung geschehen w\u00e4re, gemessen h\u00e4tte *). \u2014\nDem Augenschein nach ist im K\u00f6rperkreislauf ganz unzweifelhaft das Gesammtlumen der ven\u00f6sen Gef\u00e4sse ausserordentlich dem der Arterien \u00fcberlegen, da die L\u00e4nge der beiden Abtheilungen zukommenden Gef\u00e4sse mindestens gleich, die St\u00e4mme und Aeste im Venenbereich aber zahlreicher vorhanden und zugleich von gr\u00f6sserem Durchmesser sind; da die Venen, mit den Arterien verglichen, d\u00fcnnw\u00e4ndiger sind, und da ein sehr betr\u00e4chtlicher Theil derselben in der Haut, d. h. in ein sehr nachgiebiges Gewebe eingebettet ist, so werden hydrostatische Dr\u00fccke von gleichem Werth die Venen weiter ausdehnen, als die Arterien. \u2014- Im Lungenkreislauf sind dem Augenschein nach die Unterschiede zwischen dem Venen-und Arterieninhalt nicht so betr\u00e4chtlich; nach den Messungen von Ab egg\n*) Litteratur siehe bei Valentin, Lehrbuch. I. Bd. 2. Aufl. p. 494 u. 495. und Abegg in Valentins Jahresbericht \u00fcber Physiologie f\u00fcr 1848. p. 120.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Lumeover\u00e4nderuDg mit der Gef\u00e4ssvertheiluog-.\n81\nsoll hier sogar die ven\u00f6se Abtheilung weniger r\u00e4umlich, als die arterielle sein.\n\u00ab\nWie sich die R\u00e4umlichkeiten der Capillaren verhalten m\u00f6gen, liegt ganz im Unklaren. Jedenfalls muss die Ver\u00e4nderlichkeit derselben in der innigsten Beziehung stehen zu der Nachgiebigkeit des Gewebes, in dem sie verlaufen, da sie sich an das Lager eng anschliessen, in das sie eingebettet sind.\nVer\u00e4nderung des Lumens mit der Vertheilung der Ge-f\u00e4sse. Eine dem Hydrauliker n\u00fctzliche Beschreibung der Gef\u00e4ss-lumen fehlt noch g\u00e4nzlich; es lassen sich nur wenige wichtigere Bemerkungen aus den bis dahin gelieferten Beschreibungen ziehen, a. Die mittlere L\u00e4nge eines Gef\u00e4sses ist im Allgemeinen um so geringer, je kleiner sein mittlerer Durchmesser ist. \u2014 Aus diesem Gesetz folgt, dass die Capillaren nach beiden Seiten hin in kurze St\u00e4mmchen zusamraen-laufen, welche m\u00f6glichst rasch zu immer weitern und l\u00e4ngern sich vereinigen ; die relative L\u00e4nge der einzelnen St\u00fccke ist noch nicht gemessen worden. \u2014 \u00df. Bei der Ver\u00e4stelung der Arterien gilt die Regel, dass jeder Zweig, der aus einem Stamme hervortritt, einen geringeren Durchmesser besitzt, als dieser. Z\u00e4hlt man dagegen die Querschnitte s\u00e4mmtlicher Aeste zusammen, welche von einem Stamme abgehen, so ist die hieraus hervorgehende Summe gr\u00f6sser, als der Querschnitt des Stammes vor der Ver\u00e4stelung. Von dieser ziemlich allgemein g\u00fctigen Regel kommen jedoch Ausnahmen vor, wie die nachstehende kleine Tafel zeigt, die sich auf die Messungen von Paget, Donders und Jansen*) gr\u00fcndet. Die Zahlen dr\u00fccken das Verh\u00e4ltniss der Querschnitte aus. \u2014\nBogen der Aorta\tZU\tden\tAesten =\t= 1 : 1,055\nCarotis communis\t55\t55\t55\tS\t= 1 :1,013\nSubclavia\t55\t55\t55\t=\t= 1: 1,055\nIliaca commun.\t55\t55\t55\t=\t= 1 : 0,982\nInominata\t55\t55\t55\t^\t= 1 : 1,147\nCarotis extern.\t55\t55\t55\t=\t= 1 :1,190\nAorta abdominalis! \u00fcber den Iliacae)\t\t55 %\t55\t^\t= 1:0,893\nIliaca extern.\t55\t55\t55\t=\t= 1 :1,150\nDas Lumen verengert sich also von der Aorta aus gegen die Biaca. Donders und Jansen geben an, dass diese Ausnahme in der Crura-lis wieder zum Verschwinden kommt, indem hier der Querschnitt mit der Ver\u00e4stelung wieder steigt. \u2014 Der Gesammtquerschnitt der Capillaren \u00fcbertrifft h\u00f6chst wahrscheinlich den des Arteriensystems von Beginn um ein sehr Betr\u00e4chtliches. In den verschiedenen K\u00f6rpertheilen stellt sich aber offenbar das Verh\u00e4ltniss der Querschnitte zwischen den zuf\u00fchrenden Ar-\n*) Donders u. \u00dfauduin, Handleiding tot de natuurkunde. II. a. p. 91. Ludwig, Physiologie. II.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nMethode, die Lumina zu messen.\nterien und den der aus ihnen hervorgehenden Capillaren sehr verschieden. Innerhalb des Capillarensystems selbst, d. h. so lange jedes einzelne Gef\u00e4ss seinen mittleren Durchmesser nicht ver\u00e4ndert, finden sich, wie sp\u00e4ter im Einzelnen dargethan werden soll, offenbar ebenfalls Schwankungen im Gesammtquerschnitt. \u2014 Bei der Sammlung der vielen Einzelquerschnitte in die wenigen der grossem Venen sollen sich die Verh\u00e4ltnisse gestalten wie in den Arterien, d. h. es sollen in der Richtung nach den grossem Venenst\u00e4mmen hin die Gesammtquerschnitte in einer Abnahme begriffen sein.\nZur Ermittlung- des mit den Ver\u00e4stelungen ver\u00e4nderlichen Querschnitts sind zwei Methoden versucht worden. Die erstere besteht einfach darin, den Durchmesser des geschlossenen oder die Peripherie des aufgeschnittenen Gef\u00e4sses mit einem Maassstab zu ermitteln. Dieser Weg f\u00fchrt aber nur dann zu einem f\u00fcr die physiologische Betrachtung brauchbaren Resultate, wenn man zuf\u00fcgt, welcher besondere Zustand der elastischen und muskul\u00f6sen Bestandtheile der Gef\u00e4sshaut vorhanden war, als man die Messung unternahm, oder noch besser, wenn man bestimmt, innerhalb welcher Grenzen der Durchmesser schwankt, w\u00e4hrend der gemessene Umfang verschiedenen in Gewichten ausdriickbaren Spannungen ausgesetzt und seine Muskeln von einem Minimum bis zu einem Maximum erregt sind ; mit einem Worte, wenn man auf die von der elastischen Spannung und Muskelzusammenziehung herr\u00fchrende Ver\u00e4nderlichkeit des Durchmessers R\u00fccksicht nimmt. Auf diesen Umstand hat man freilich bei fast allen Gef\u00e4ssmessungen hingewiesen, ihn aber dennoch nicht ber\u00fccksichtigt, indem man meistens nur todte Gef\u00e4sse, die entweder vollkommen entleert, oder die mit erstarrenden Fl\u00fcssigkeiten unter unbestimmtem Druck angef\u00fcllt worden waren, gemessen hat. Diese Beobachtungen sind also immerhin noch mangelhaft. \u2014 Die zweite Methode zieht den Satz zu Hilfe*), dass sich innerhalb eines R\u00f6hrensystems von ver\u00e4nderlicher Weite an den verschiedenen Abschnitten desselben die Geschwindigkeiten eines sie durchkreisenden Stromes umgekehrt verhalten m\u00fcssen, wie die Querschnitte. W\u00fcrde also die mittlere Geschwindigkeit in der Aorta oder einem beliebigen Arterienstamm bekannt sein, und ferner der Durchmesser, der ihr w\u00e4hrend der beobachteten Stromgeschwindigkeit zukommt, und zugleich die Geschwindigkeit eines Stroms, welcher zu derselben Zeit in allen Aesten der Aorta oder des beliebigen Stammes vork\u00e4me, so k\u00f6nnte man daraus die Gesammtquerschnitte dieser Aeste berechnen. Alle diese Vorkenntnisse, so weit sie vorhanden, sind aber mit so grossen Fehlern behaftet, dass faktisch die Methode nicht anwendbar ist.\ny. Die kleinen Abtheilungen des thierischen K\u00f6rpers (Organe und Gliedst\u00fccke) erhalten aus verschiedenen St\u00e4mmen oder Aesten der Arterien gleichzeitig Gef\u00e4sse; diese Gef\u00e4sse verbinden sich nun entweder (wie im Hirn, der Hand, den Mesenterien), bevor sie zur Capillar-vertheilung schreiten, so dass aus den grossen Anastomosenbogen erst die Arterien der letztem Ordnungen ausgehen, oder es ver\u00e4steln sich die einzelnen Arterien isolirt bis zu den letzten Zweigen, die dann erst unmittelbar vor oder innerhalb des Capillarensystems sich verbinden. In der ausgedehntesten Weise stehen dagegen die Capillaren und die Venen in Verbindung miteinander. \u2014 \u00f6. Da nur von einem Ort aus der Blutstrom\n*) Y i er or dt, Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. 1848. p. 184.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Spannung des ruhenden Blutes.\n83\nausgeht und wieder zu ihm zur\u00fcckkehrt, da die Aeste auf ihrem Wege noch anastomosiren, so m\u00fcssen in dem Gef\u00e4sssystem unz\u00e4hlige Bogen und Winkel liegen, deren Werlhe ver\u00e4nderlich werden mit den K\u00f6rperstellungen und den Spannungen innerhalb des Gef\u00e4sssystems. Man muss sich dar\u00fcber verst\u00e4ndigen, dass diese Bogen und Winkel und deren Variationen mit den bezeichneten Verh\u00e4ltnissen mit wenigen Ausnahmen nicht messbar sind, dass aber die Bestimmung dieser wenigen zu keinen f\u00fcr die physiologische Hydraulik wichtigen Aufschl\u00fcssen f\u00fchren kann. \u2014\nVon dem Verhalten des Blutes in den Gef\u00e4ssen.\n1. Spannung des ruhenden Blutes in den Gef\u00e4ssen. \u2014 Wenn alle Bewegungsursachen des f\u00fcr gew\u00f6hnlich bestehenden Blutstroms ausser Wirksamkeit gesetzt sind, so muss nach Verfluss einer gewissen Zeit unzweifelhaft im Gef\u00e4sssystem ein Zustand der Ruhe ein-treten, der sich dadurch markirt, dass die Spannung des Blutes, insofern sie nicht von der Schwere abh\u00e4ngig ist, \u00fcberall die gleiche ist. Es fragt sich nun, ob nach dem Eintritt dieser Ruhe sich das Blut an jedem beliebigen Ort in der Spannung befinde, welche ihm verm\u00f6ge der Schwere, resp. der auf ihm lastenden Bluts\u00e4ule, zukommt, oder ob diese Spannung eine h\u00f6here oder niedrigere sei. \u2014 Diese wichtige Frage, welche E. H. Weber angeregt hat, kann einer bestimmten Erledigung am lebenden Thier entgegen gehen, wenn man im Stande ist, die Spannung des Bluts zu messen, w\u00e4hrend man die Bewegung des Brustkastens, des Herzens und der Gliedmaassen zum Stillstand gebracht hat. Ann\u00e4hernd gelingt dieses, wenn man die unteren Enden der durchschnittenen nervi vagi mittelst der elektrischen Schl\u00e4ge erregt, w\u00e4hrend die Thiere durch Opium oder Chloroform in den Schlaf versetzt worden sind. \u2014\nDie Ausf\u00fchrung dieses Versuchs l\u00e4sst nun unzweifelhaft erkennen, dass das Blut auch in der Ruhe noch einer Spannung unterworfen ist, welche aber nach den Ergebnissen der Beobachtung und der Ueber-legung keineswegs f\u00fcr ein und dasselbe Thier von gleichem Werthe ist (Brunner)*). \u2014 Der Grund dieser Spannung ist nemlich nur darin zu suchen, dass der Cubikinhalt des inneren Gef\u00e4ssraumes, vorausgesetzt, dass seine Wandungen ohne alle Spannung sind, kleiner ist als das in Wirklichkeit in ihnen enthaltene Blutvolum, so dass dieses letztere nur nach einer vorausgegangenen Ausdehnung der Gef\u00e4sswand im Gef\u00e4ssraum Platz finden kann. Unter dieser Voraussetzung ist die Gr\u00f6sse der Spannung in den Gef\u00e4ssen abh\u00e4ngig a) von dem Verh\u00e4ltniss des Ge-f\u00e4ssraums und des Blutvolumens, und insbesondere muss bei ein und demselben Thier die Spannung mit seiner Blutmenge abnehmen. Die Beobachtung ergab in der That, dass die Spannung des Bluts in der\n*) lieber die mittlere Spannung im Gef\u00e4sssystem. Z\u00fcrich 1854.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nVer\u00e4nderlichkeit der ruhenden Spannung.\nCarotis eines Hundes, dessen Vagi erregt worden, w\u00e4hrend er mit Opium narkotisirt war.\nSpannungen des Bluts\nThier. in MM., Quecks.\tBemerkungerf.\n1. Hund, klein. . .\n2. Hund von mittlerer Gr\u00f6sse\n(10,4\nJl9,0\n( 8,5 (15,2 ]22,0 \\ 12,5\nUnver\u00e4nderte Blutmenge.\nNach Injektion von 280 Gr. Blut. Nach Entziehung von 356 Gr. Blut. Unver\u00e4nderte Blutmenge.\nNach Injektion von 487 Gr. Blut. Nach Entziehung von 609 Gr. Blut.\n* Die Blutmenge, die wir nun aber beherbergen, muss in der Zeit ver\u00e4nderlich sein, weil zu dem vorhandenen Blute mittelst der Ern\u00e4hrung stets neue Massen zugef\u00fchrt und aus ihm auf dem Wege der Absonderung andere entfernt werden. Je nach dem Uebergewicht des einen oder andern Hergangs wird also auch die Blutmenge variabel sein. \u2014 b. Die Spannung in der Ruhe ist bei gleicher Anordnung der Gef\u00e4ssr\u00f6hren von der Ausdehnbarkeit der R\u00f6hrenwand abh\u00e4ngig, indem sich nach dieser die f\u00fcr die verlangte Ausdehnung n\u00f6thigen Dr\u00fccke bestimmen. Weil nun die Gef\u00e4sswandung im engern und weitern Wortsinn wegen ihres Gehaltes an Muskeln die verschiedenartigste Dehnbarkeit darbietet, je nachdem diese letzteren zusammengezogen oder erschlafft sind, und je nachdem wir den Gliedmaassen diese oder jene Stellung gegeben haben, so kann die Spannung des Bluts bei unver\u00e4nderter Menge sich nicht unver\u00e4ndert erhalten. Die Aufgaben des Versuchs mit R\u00fccksicht auf diese Fakten stellt sich also dahin, die Spannung zu bestimmen, einmal w\u00e4hrend die Gef\u00e4ssh\u00f6hle durch Muskel Wirkung, soweit als dieses \u00fcberhaupt m\u00f6glich, beengt und zugleich die Wandungen m\u00f6glichst widerstandsf\u00e4hig sind und das anderemal w\u00e4hrend gerade das Gegentheil beider Umst\u00e4nde vorhanden ist, weil mit diesen Angaben die Grenzen der m\u00f6glichen Spannung gegeben w\u00e4ren. Die Bedingungen f\u00fcr diesen Versuch sind aber nicht mit gen\u00fcgender Sch\u00e4rfe zu erhalten und zudem w\u00fcrde sein Ergebniss doch nur individuelle Giltigkeit haben. \u2014 Aus diesen und \u00e4hnlichen Gr\u00fcnden m\u00fcssen wir es ableiten, wenn bei ein und demselben Thier, w\u00e4hrend seine Blutmasse unge\u00e4ndert bleibt, der Werth der Spannung wechselt, je nachdem es nur mit Opium, welches die Nerven nicht l\u00e4hmt, oder mit Chloroform in den Schlaf gebracht, oder, durch letzteres Mittel ge-t\u00f6dtet, dem Versuch unterworfen w\u00fcrde.\nSpannung in MM. Quecks.\nThier.\tCarotis.\tBemerkungen.\n(27,5\tMit Opium eingeschl\u00e4fert.\n21,8\tChloroforminhalation.\n2,8\tIm Augenblick des Todes.\nWir m\u00fcssen wegen der Einzelheiten des Verfahrens auf die Brunner\u2019sehe Arbeit verweisen. Hier soll nur der allgemeinen Wichtigkeit wegen die Bestimmung","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung des Blutdrucks.\n65\nFier. 41.\ndes Blutdrucks \u00fcberhaupt angegeben werden. \u2014 Haies, welcher den Blutdruck zuerst bestimmte, bediente sich des Verfahrens, welches die Hydrauliker bei Wasserstr\u00f6men gew\u00f6hnlich anwenden, eine einfache, gerade Glasr\u00f6hre. Diese etwas gr\u00f6bliche Methode wurde von Poiseuille zuerst dahin verbessert, dass er die in das Gef\u00e4ss eingef\u00fcgte Glasr\u00f6hre (abc Fig. 41.), deren Schenkel ab und bc gleichen Durchmesser besassen, heberf\u00f6r-mig bog. In die Schenkel f\u00fcllte er, etwa so weit der schwarz bezeich-nete Inhalt des Rohres geht, Quecksilber, und auf dieses in dem kurzem , dessen Ende mit einem Messinghahn versehen ist, kohlensaures Natron. Darauf f\u00fcgt er die Dille d, w\u00e4hrend der Hahn geschlossen ist, in das Blutgef\u00e4ss, in dem er die Spannung messen will, stellt das Rohr senkrecht und \u00f6lfnet nun den Hahn, so dass das Lumen des Gef\u00e4sses und des gebogenen Rohres communizi-ren. In diesem Moment suchen sich auch die Spannungen der Fl\u00fcssigkeiten in beiden R\u00f6hrensystemen in das Gleichgewicht zu setzen, so dass, wenn die Spannung des Blutes h\u00f6her als die des R\u00f6hreninhaltes ist, Blut aus dem Gef\u00e4ss in das gebogene Messrohr eindringt, und das Quecksilber aus dem kurzen in den 'langen\nz\n! |\t\t\n\t\nuz\t1. , \u2022\n\t\n\t\n\tg-*\u2014\n~ .\t\nSchenkel eintreibt. Man erh\u00e4lt dann, mit Hilfe einiger Correkturen, aus dem Niveauunterschied des Quecksilbers in beiden Schenkeln den Druck, den das Blut aus\u00fcbt. \u2014 Da nun aber der Blutdruck im Verlaufe der Zeit sehr betr\u00e4chtliche Ver\u00e4nderungen erf\u00e4hrt, dass das.Auge der auf- und absteigenden Quecksilbers\u00e4ule nicht zu folgen vermag, so verband C. Ludwig mit den Messr\u00f6bren eine Schreibvorrichtung, verm\u00f6ge derer die in der Zeit ver\u00e4nderlichen Quecksilberdr\u00fccke sich selbst aufzeichneten. Diese Einrichtung beruht auf einem Prinzip, welches der ber\u00fchmte Mechaniker Watt zuerst in Anwendung gebracht haben soll. Man setzt nemlich auf den Spiegel des im Schenkel b c vorhandenen Quecksilbers einen schwimmenden Stab ef auf, dessen freies Ende an einem Querholz einen Pinsel g tr\u00e4gt, der sich sanft gegen einen Cylinder hh anlegt; dieser wird mittelst des Uhrwerkes ix in gleicbm\u00e4ssi-ger und bekannter Geschwindigkeit herumgedreht. Da der mit Papier \u00fcberzogene Cylinder w\u00e4hrend des Umgangs fortlaufend andere Orte mit dem Pinsel in Ber\u00fchrung","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nRichtung eines dauernden Biutstroms.\nbringt, so schreibt dieser seine etwaigen auf- und absteigenden Bewegungen in Form einer Curve auf. Das Genauere dieses Verfahrens, das in seinen Einzelheiten zahlreicher Modifikationen f\u00e4hig ist, siehe bei Volkmann*), der einige wesentliche Verbesserungen in der ersten Angabe angebracht hat. \u2014\nBei der besonderen Anwendung f\u00fcr die Spannung der Ruhe muss man annehmen, dass das Gleichgewicht im Gef\u00e4sssysteme hergestellt ist, wenn entweder der Pinsel l\u00e4ngere Zeit hindurch eine horizontale Linie auf das Papier des Cylinders anschreibt, oder, was wegen der langsamen Ausgleichung niederer Dr\u00fccke durch die Capillaren hindurch sicherer ist, wenn der Druck in einer Vene und Arterie, die beide dem Herzen m\u00f6glichst nahe liegen (carotis und vena jugularis), derselbe geworden ist.\n2. Von der Richtung, welche ein dauernder Strom im Gef\u00e4sssystem nehmen muss. Das Gleichgewicht der Spannung, von dem soeben die Rede war, besteht im Blute des Lebenden niemals, da fortlaufend Umst\u00e4nde auf dasselbe einwirken, welche seine Spannung an verschiedenen Orten ungleich machen. Diese Ungleichheiten, wie und wo sie auch entstanden sein m\u00f6gen, k\u00f6nnen zur Ausgleichung gelangen durch einen Strom von nur einer Richtung, eine Richtung, die demgem\u00e4ss ein jeder in dem Gef\u00e4sssystem erregter Strom einschl\u00e4gt. Diese Erscheinung ist begr\u00fcndet in der Anwesenheit von Klappen, welche s\u00e4mmt-lich so gestellt sind, dass sie durch den Stoss nach der einen Richtung ge\u00f6ffnet und durch den entgegengesetzten zugeschlagen werden. Diese Richtung geht nun, wenn wir von der linken Herzkammer a (Fig. 42.)\nFig. 42.\tbeginnen, durch die grosse Blutbahn, d. h.\ndie Capillaren und Venen des K\u00f6rpers, zu dem rechten Vorhof b und tritt dann in die kleine Blutbahn \u00fcber, indem sie in die rechte Kammer c und von dort durch Arterien, Capillaren, Venen der Lungen zur\u00fcck in den linken Vorhof d kommt. \u2014 Indem man das beistehende Schema betrachtet, in welchem der Einfachheit wegen die Venenklappen weggeblieben und nur die gleichgerichteten Ventile der Herzm\u00fcndung a\u00df y \u00a7 dargestellt sind, sieht man, dass sich diese letztem s\u00e4mmt-lich nach der Richtung des Pfeils \u00f6ffnen. W\u00fcrde also durch irgend welchen Umstand ein Strom in der entgegengesetzten Richtung eingeleitet, so w\u00fcrde sich dieser nur bis zur n\u00e4chsten Klappe erstrecken k\u00f6nnen, da durch diese Str\u00f6mung jene geschlossen w\u00fcrde. Der Strom w\u00fcrde dann von dieser Klappe reflektirt werden und in umgekehrter Richtung, durch nichts gehindert, weiter schreiten, so lange noch eine Str\u00f6mungsursache vorl\u00e4ge.\nGew\u00f6hnliche Veranlassungen zur St\u00f6rung des Gleichgewichts der Spannung. \u2014 Zu den wichtigeren z\u00e4hlt man die Be-\n\u201c) Haemoclynamik. p. 148,","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"St\u00f6rungen des Gleichgewichts der Spannung.\n87\nwegungen des Herzens, der Brust lind Bauchwandungen, zu den weniger eingreifenden die Bewegungen der Gliedmaassen und Gef\u00e4sswandungen, die Schwere und den Lymphstrom aus dem ductus thoracicus.\n3. Herzb ew egung. Indem wir die Bedeutung des Herzens f\u00fcr den Blutstrom erl\u00e4utern, gehen wir von den Voraussetzungen des lebenden Zustandes aus. Dieser verlangt aber, dass ein stetiger Strom von Seiten der Venen gegen die Vorh\u00f6fe gehe und dass die Aorta stets mit Blut gef\u00fcllt sei.\na. Vorkammern. Die Erscheinungen, welche sich w\u00e4hrend des Blutkreislaufs innerhalb der Vorh\u00f6fe ereignen, sind f\u00fcr beide nur bis zu einem gewissen Punkte dieselben. \u2014 Nachdem sie w\u00e4hrend ihrer Diastole durch den Venenstrom strotzend mit Blut gef\u00fcllt sind, ziehen sie sich in der fr\u00fcher beschriebenen Weise zusammen und treiben damit ihren Inhalt sowohl gegen die ven\u00f6sen wie gegen die ventrikul\u00e4ren M\u00fcndungen. Dieser Stoss erzielt an . beiden Orten verschiedene Effekte. \u2014 In den ven\u00f6sen M\u00fcndungen trifft unser neuer Strom, der vom Vorhof gegen die Venen dringt, auf den alten entgegengesetzt verlaufenden, und es wird darum jedenfalls die Fl\u00fcssigkeit am \u00e4ussersten Ende der Venen in eine gesteigerte Spannung gerathen. Zu gleicher Zeit wird auch ihre Str\u00f6mung ver\u00e4ndert und zwar jedenfalls in der Geschwindigkeit, viel- . leicht auch in der Richtung. Denn es wird, selbst wenn der Vorhofs-stoss unbedeutend ist, jedenfalls die Geschwindigkeit des alten Venenstroms vermindert; sind dagegen die Kr\u00e4fte des Vorhofs bedeutend, so wird das Blut in die Venen zur\u00fcckgeschleudert und es kehrt sich also die alte Stromrichtung um. Erfahrungsgem\u00e4ss d\u00fcrfte h\u00e4ufiger das letztere als das erstere eintreten, und es w\u00fcrde sich f\u00fcr gew\u00f6hnlich der R\u00fcckstrom des Bluts bedeutend geltend machen, wenn sein Querschnitt nicht beschr\u00e4nkt w\u00fcrde. Dieses besorgen aber die muskul\u00f6sen Ringe der Venen, welche, indem sie sich mit den Vorhofsmuskeln gleich-. zeitig zusammenziehen, die M\u00fcndungen jener verengern. Die Wirkung dieser Verengerung, also die Hemmung des R\u00fcckstroms, wird an dem rechten Herzen durch die Klappen unterst\u00fctzt, welche entweder, wie in der vena cava superior, etwas entfernt vom Herzen in dem Venenlumen liegen, oder, wie an der vena cava inferior und coronaria cordis, unmittelbar im Herzen sitzen. Diese letzteren beiden Klappen sind namentlich darauf berechnet, die M\u00fcndungen der erw\u00e4hnten Venen zu schliessen, wenn dieselben schon um einen gewissen Antheil ihrer Weite verengert sind, und ausserdem sind sie mit kleinen Heftf\u00e4den versehen (gew\u00f6hnlich beschreibt man sie als durchl\u00f6chert), welche es verh\u00fcten, dass der Vorhofstoss die Falten in die Venen\u00f6ffnung hereintreibt. \u2014 Wir gehen nun zur Betrachtung der Vorg\u00e4nge \u00fcber, welche die Vorhofszusammenziehung gegen die Ventrikularm\u00fcndungen veranlasst. Die Kammern sind, wenn die Zusam-menziehung des Vorhofs beginnt, ebenfalls schon mit Blut angef\u00fcllt, und","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nZusammenziehung der Vorh\u00f6fe.\nzwar muss das Blut aus naheliegenden Gr\u00fcnden in den Vorh\u00f6fen und Herzkammern dieselbe oder wenigstens ann\u00e4hernd dieselbe Spannung besitzen. Wenn nun pl\u00f6tzlich das Blut in den Vorh\u00f6fen eine h\u00f6here Pressung 'erleidet, so wird ein Strom von diesem gegen die Herzkammer geschehen, der eine merkliche Dauer haben wird, weil die Kammerwandungen ausdehnbar sind. Er kann also so lange anhalten, bis die elastische Spannung, in welche diese Wandungen durch die Ausdehnung gebracht werden, gleich dem Druck ist, den die Muskeln des Vorhofs dem Blute mittheilen. Da aber die Ausdehnbarkeit * mit der Dicke der Wandung abnimmt und umgekehrt mit dem Querschnitt des Muskels die von seiner Zusammenziehung ausgehende mechanische Leistung w\u00e4chst, so ist es von Bedeutung, dass der linke Vorhof, der den dickwandigem linken Ventrikel auszudehnen hat, auch st\u00e4rkere Muskelmassen besitzt, als der rechte Vorhof, der auf die d\u00fcnnwandige rechte Kammer wirkt. \u2014 Die Zusammenziehung der Vorh\u00f6fe wird nun, entsprechend allen uns bekannten Muskelwirkungen, nicht w\u00e4hrend der ganzen Dauer ihres Bestehens mit einer gleichen Kraft geschehen; sie wird im Gegentheil all-m\u00e4hlig gegen ein Maximum anwachsen und ebenso allm\u00e4hlig von diesem Maximum absinken; demgem\u00e4ss wird sie ihrem Inhalt eine allm\u00e4hlig steigende und dann auch wieder abnehmende Spannung mittheilen, und somit wird zuerst das Blut in den Ventrikel ein str\u00f6men, dann wird, wenn die Vorhofskontraktion nachl\u00e4sst, die elastische Spannung des Ventrikels das Blut wieder gegen den Vorhof zur\u00fccktreiben, wobei sich aber die Zipfelklappen der Ventrikelm\u00fcndungen schliessen werden (A. Baum garten)*). Hierbei wird also ein geringer Theil des Blutes, der aus dem Vorhofe in die Herzkammer getrieben wurde, wieder in sie zur\u00fcckgehen. Die Bedeutung, welche den Vorh\u00f6fen gegen\u00fcber den Herzkammern zukommt, wird also eine zweifache sein. Sie machen nemlich einmal den F\u00fcllungsgrad dieser letztem unabh\u00e4ngig von der bald grossem oder geringem Geschwindigkeit und Spannung, welche dem Strom zukommt, der von den Venen in das Herz hinein geschieht, so dass von diesem Gesichtspunkt aus mit E. H. Weber die Vorh\u00f6fe als Regulatoren der Kammerf\u00fcllung angesehen werden d\u00fcrfen. Zum andern aber besorgen sie den Klappenschluss an der Venenseite der Ventrikel, so dass sogleich mit dem Beginn der Ventrikularzusammenziehung sein Inhalt auch eine Pressung von Seiten dieser M\u00fcndung erfahren kann.\nWenn nun die Zusammenziehung der Vorh\u00f6fe ganz nachl\u00e4sst, so wird sich mit der Entleerung eines Theils von ihrem Inhalt auch ihre elastische Spannung erniedrigt haben, so dass dann die in den Venen gespannte Fl\u00fcssigkeit mit Leichtigkeit in den Vorhof einstr\u00f6mt. Diese pl\u00f6tzliche Entleerung wird aber eine Beugungswelle in den Venen er-\n*) Commentatio de mechanismo quo valvula\u00e8 venosae etc. Marburg! 1843,","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenziehung' der Herzkammern.\n89\nzeugen, die sich von dem Herzen gegen die Peripherie fortpflanzt. Diese Beugungswelle soll sp\u00e4ter behandelt werden.\nb. Herzkammern. Bei der Betrachtung der Ventrikel gehen wir von dem Zeitpunkt aus, in welchem sie durch die Vorhofskontraktion in das Maximum ihrer Anf\u00fcllung gebracht waren und in welchem zugleich die Klappen der ven\u00f6sen M\u00fcndung horizontal von derselben ausgespannt sind, so dass die winkelf\u00f6rmig gebogenen Sehnen, welche aus den Papillarmuskeln in das Klappensegel treten, ausgespannt sind. In diesem Augenblick sind w\u00e4hrend des Lebens auch die halbmondf\u00f6rmigen Klappen geschlossen, da von der Arterienseite her noch ein st\u00e4rkerer Druck auf ihnen lastet, als von der Herzseite. So wie dieser Zustand eingetreten ist, beginnt aber sogleich auch die Zusammenziehung der Kammermuskeln, welche dem Inhalt von \u00fcberall her, mit Ausnahme der arteriellen M\u00fcndung, einen erh\u00f6hten Druck mittheilt. Diese Pressung \u00f6ffnet bald die halbmondf\u00f6rmigen Klappen, worauf der Inhalt in die Arterie geschleudert wird; ob sich hierbei der Ventrikel ganz entleert, wird abh\u00e4ngig sein einerseits von dem Umfang oder der Kraft seiner Zusammenziehung und andrerseits von dem Widerstand, den das Blut in der Arterienm\u00fcndung findet. Wenn dann die Zusammenziehung nachl\u00e4sst, so werden, weil in den Arterien nun die Spannung des Bluts gr\u00f6sser, als in den Ventrikelh\u00f6hlen ist, die Semilunarklappen zum Schluss kommen, so dass aus den Arterien kein R\u00fcckfluss in den Ventrikel geschieht. Von Seiten der Vorh\u00f6fe wird dagegen mit dem Eintritt der Erschlaffung des Ventrikels ein Strom in dieselben gelangen ; denn einmal haben sich die Zipfelklappen, nachdem das ausspannende, von den Ventrikeln gegen die Vorh\u00f6fe dr\u00e4ngende Blut entfernt ist, ge\u00f6ffnet, und dann hat sich das Blut in den Vorh\u00f6fen w\u00e4hrend der Ventrikularkon-traktion angesammelt, so dass jene nur im Maximum ihrer F\u00fcllung sich befinden. Die ausgedehnten Vorh\u00f6fe treiben somit das Blut in den schlaffen, widerstandslosen Ventrikel ein.\nDie Annahme, dass sich die H\u00f6hle der Herzventrikel, bevor diese in die Todten-starre \u00fcbergegangen sind, beim Eintritt der Diastole auch ohne Beihilfe des einstr\u00f6menden Bluts, etwa in Folge der Elastizit\u00e4t ihrer Wandungen, erweitern kann, ist am b\u00fcndigsten durch L. Fick*) widerlegt. Im wahren Wortsinn genommen, giebt es also keine Aspiration der Vorh\u00f6fe. Die Erscheinung, welche zu ihrer Annahme f\u00fchrt, und die neuebdings genauer von Weyrich und Bidder untersucht wurde, wird noch Ber\u00fccksichtigung finden. \u2014 Das tuberculum Loweri, ein Muskelh\u00f6cker, der an der Scheidewandsfl\u00e4che zwischen vena cava superior und inferior liegt, soll durch Ablenkung des urspr\u00fcnglich senkrechten Stroms beider Venen aufeinander bedeutsam sein ; er soll verh\u00fcten, dass wenn, wie wahrscheinlich, eine Ungleichheit in der Geschwindigkeit und Spannung des Bluts in den beiden Str\u00f6men besteht, ihre Resultane der Geschwindigkeit nicht in eine der beiden Venenlumina, sondern gegen den Vorhof gerichtet ist. Diese Annahme steht auf zweifelhafter Basis, \u2014\n\u00c4) L. Fick, M\u00fcllers Archiv, 1849. p. 283,","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nFolgen der Herzbewegung in den Gelassen.\nc. Folgen der Herzbewegung in den Gef\u00e4ssr\u00f6hren. Die Blutmengen, welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, werden nun in dem Gef\u00e4ssystem einen Strom erzeugen, der die in Fig. 42. gegebene Richtung einh\u00e4lt. Da sich die beiden Herzkammern immer gleichzeitig zusammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ursache innerhalb des Gef\u00e4sssystems immer zugleich an zwei Orten, nemlich dem Anfang der grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer solchen Anordnung stellt sich, abgesehen von allen \u00fcbrigen Eigenschaften, die Forderung, dass aus jeder Herzh\u00e4lfte immer gleichviel Blut ausstr\u00f6men m\u00fcsse, weil der eine Ventrikel dem andern die Fl\u00fcssigkeit zusendet, so dass, wenn dieser Forderung nicht Gen\u00fcge geleistet w\u00fcrde, sehr bald die eine Abtheilung ihren Gesammtinhalt in die andere entleert haben w\u00fcrde.\nDer Strom, welcher vom Herzen aus erregt wird, pflanzt sich in der entsprechenden Gef\u00e4ssabtheilung bis zur\u00fcck zum Herzen auf zweierlei Art fort; nemlich durch Wellenbewegu ngen und Spannungsunterschiede. Obwohl diese beiden Vorg\u00e4nge, namentlich in den Arterien, durcheinander greifen, so m\u00fcssen sie doch gesondert behandelt werden. Zun\u00e4chst wenden wir uns zu den Wellen.\nDa an der Grenze des Herzens und der grossen Gef\u00e4sse die Bedingungen f\u00fcr die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche wir hei der theoretischen Auseinandersetzung (p. 49.) f\u00fcr ihre Entstehung verlangten, so m\u00fcssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich eine Bergwelle in den Arterien gegen die Capillaren, hinter der im Arteriensystem keine Thalwelle herschreitet; in den Venen dagegen bildet sich eine Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine Spannungswelle auf sie folgte, gegen die Capillaren hinschreitet. Der Grund, aus dem die Thalwelle nach der Arterienseite hin ausbleibt, liegt aber darin, dass die Semilunarklappe die H\u00f6hlung der Arterien und des Herzens abschliesst, sodass keine Entleerung der Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann ; nach der Venenseite kann aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt werden, weil das in die Ventrikel eingest\u00fcrzte Blut nicht wieder direkt in die Vene zur\u00fcckgeschleudert werden kann, wegen des Schlusses der Zipfelklappen. Das Hervorstechende f\u00fcr die Bewegung der Fl\u00fcssigkeit in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in dem elastischen Rohr enthaltene Theilchen in der Richtung der U\u00e4ngenachse des Rohrs eine Geschwindigkeit erhielt, die von einem Minimum zu einem Maximum anwuchs und dann wieder absank. Diese verschiedenen Stadien der Geschwindigkeit erlangten nun aber die Theilchen nicht s\u00e4mmtlich gleichzeitig, sondern successive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zun\u00e4chst gelegenen Fl\u00fcssigkeitsabschnitte eine Beschleunigung empfangen haben, diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umgekehrt, dass, wenn die vom Herzen entfernteren noch mit irgend welcher schw\u00e4cheren oder st\u00e4rkeren Geschwindigkeit begabt sind, die dem Herzen n\u00e4her liegenden","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Blutwellen, Spannungsunterschiede.\n91\nschon zur Ruhe gekommen waren. Durch eine solche Welle r\u00fccken nun alle Theilchen um eine gewisse Wegstrecke in den Lumen der Gef\u00e4sse weiter, und zwar gelangen sie durch die Bergwelle in den Arterien von dem Herzen gegen die Capillaren, durch die Thalwelle in den Venen aber von den Capillaren gegen das Herz hin. Obwohl demnach beide Wellen eine Bewegung der Fl\u00fcssigkeit in gleichem Sinne erzeugen, reichen sie doch erfahrungsgem\u00e4ss nicht zur Erhaltung des Stromes in den Ge-f\u00e4ssr\u00f6hren hin, da sie auf ihrem Wege durch dieselben vernichtet werden. Der Grund dieser Vernichtung kann aber nur in dem Kraftverlust liegen, der durch den Stoss an den Winkeln und die Reihung an den Wandungen bedingt wird. Da in unserem R\u00f6hrenwerke aber die Theilungen und Wandfl\u00e4chen gegen die Capillaren hin in ausserordentlicher Zunahme begriffen sind, so m\u00fcssen auch die in der Welle vorhandenen Bewegungen der Fl\u00fcssigkeit in den unmittelbar an die Capillaren grenzenden Arterienst\u00fccken auf gleich langen St\u00fccken viel betr\u00e4chtlicher abnehmen, als in den grossem Gef\u00e4ssen. Und weil die Kr\u00e4fte, welche die Welle in der Arterie erzeugen, sehr viel bedeutender sind, als die, welche das Zusammenfallen der Venenanf\u00e4nge erzeugt, so wird die arterielle Welle kr\u00e4ftiger sein, als die ven\u00f6se, und diese somit auch eher (d. h. entfernter von den Capillaren) schwinden, als die erstere. \u2014 Wenn die Wellenbewegungen, welche den Theilchen des Inhalts in den grossen Arterien eigen war, gegen die Capillaren hin erl\u00f6schen, so m\u00fcsste offenbar, wenn die Blutbewegung allein abh\u00e4ngig w\u00e4re von der Wellenbewegung, der Herzinhalt nur bis zu den Capillaren, aber nicht durch sie hindurchdringen; und aus demselben Grunde k\u00f6nnte die Beugungswelle das Blut, welches sie schliesslich in das Herz wirft, nicht aus den Capillaren beziehen. Beides trifft nun aber nicht ein, indem thats\u00e4chlich in den Capillaren ein ruhiger und gleichm\u00e4ssiger (nur unter ganz besondern Umst\u00e4nden ungleichf\u00f6rmig beschleunigter) Strom von den Arterien zu den Venen dringt. Die Triebkr\u00e4fte dieses Stroms liegen aber in den Spannungsunterschieden, welche den Fliissigkeitstheil-chen auf den verschiedenen Abschnitten der Bahn vom Herzen aus bis zur\u00fcck zu ihm zukommen. Dieselben entstehen aber folgendermassen : Durch die Herzm\u00fcndung dringt mit jeder Zusammenziehung der Kammermuskeln in einem kurzen Zeitraum, also mit grosser Geschwindigkeit, der Herzinhalt ein ; und da dieser auf seinem Wege bis zu den Capillaren, wie wir schon sahen, seine Geschwindigkeit einb\u00fcsst, so muss er sich in dem arteriellen System anh\u00e4ufen. Dieses kann nun aber nur durch eine Ausdehnung ihres H\u00f6hlenraums, oder durch eine Ausspannung der Wandungen geschehen. Diese letztere muss aber relativ eine sehr betr\u00e4chtliche sein, da der Inhalt der Arterien im Verh\u00e4ltniss zu dem der Ventrikel nicht gerade bedeutend ist; bedenkt man nun noch, dass der bedeutendste Theil der arteriellen Gef\u00e4sswandung wegen ihrer Dicke","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nSpannungsunterschiede.\nweniger ausdehnbar ist, so ist ersichtlich, dass Kr\u00e4fte von einem nicht unbedeutenden Werthe dazu geh\u00f6ren, wenn sie die arteriellen R\u00f6hrenwerke bis dahin erweitern sollen, um es zu bef\u00e4higen, zu seinem normalen Inhalt auch noch den des Herzens anfzunehmen. Mit andern Worten, es werden die ausgedehnten Membranen, weil sie nach der Ausdehnung wieder ihren urspr\u00fcnglichen Fl\u00e4chenraum einzunehmen streben, einen Druck auf ihren Inhalt ausiiben, der den Druck im ruhenden Blut betr\u00e4chtlich \u00fcbersteigt. \u2014 Im umgekehrten Verh\u00e4ltnisse finden sich nun gerade die Venen. Durch die Blutmenge, welche \u00bbach der Herzkontraktion aus ihnen str\u00f6mt, wird ihre urspr\u00fcngliche Spannung vermindert, eine Verminderung, die nach einer einmaligen Zusammenziehung allerdings nicht auff\u00e4llig sein kann, da der Inhalt des Herzens im Vergleich zu dem der Venen sehr unbetr\u00e4chtlich ist.\nAus bekannten Gr\u00fcnden kann nun aber in einem zusammenh\u00e4ngenden R\u00f6hrenwerk kein ungleicher Druck, ohne das Bestreben einer Ausgleichung desselben, bestehen, d. h. ohne dass die gespanntere Fl\u00fcssigkeit gegen die minder gespannte hinstr\u00f6mte, und somit muss von den Arterien durch die Capillaren hindurch eine Str\u00f6mung eintreten, welche auch dann noch fortdauert, wenn schon die Herzkontraktion beendet ist. In diesem Sinne k\u00f6nnen wir nun die Spannungsunterschiede in den Wandungen (oder in den Fl\u00fcssigkeitsschichten) als die wesentlichen Bedingungen des Stroms ansehen, und es wird demnach zun\u00e4chst die Untersuchung sch\u00e4rfer auf diesen Punkt hinzuf\u00fchren sein, namentlich ist genauer darzustellen, wie an jedem Orte des Gef\u00e4sssystems, in der Zeit w\u00e4hrend und nach dem Herzschlag, mit der H\u00e4ufigkeit und dem Umfang der Herzzusammenziehung sich die Spannungen \u00e4ndern.\nd. Spannungsunterschiede im Blute. Die Spannung, die in einem jeglichen Gef\u00e4ssabschnitt herrscht, ist unzweifelhaft abh\u00e4ngig von der Ausdehnbarkeit seiner Wandung und der Ausdehnung, die seine Wandung wirklich erfahren, mit andern Worten, bei gegebenem Elastizit\u00e4tscoeffi-zienten von dem Umfang des Fl\u00fcssigkeitsvolums, den es mehr enth\u00e4lt, als es im Ruhestand fassen kann. Die Ausdehnbarkeit wechselt an demselben Gef\u00e4ssquerschnitt mit dem Zustand (der Erschlaffung oder Zusammenziehung) der Wandmuskeln und noch mehr in dem Verlauf des Systems von einem Ort zum andern. Das Volum des Fl\u00fcssigkeitszuwachses ist abh\u00e4ngig von dem Verh\u00e4ltniss zwischen Zufluss und Abfluss. \u2014 Der erstere ist bedingt durch die Zahl und den Umfang der Herzzusammenziehungen, der letztere durch die Widerst\u00e4nde in dem betreffenden Abschnitt und an den Grenzen desselben, das will sagen: durch die Spannungsunterschiede, welche bestehen an der Einfluss- und Ausflussm\u00fcndung des betrachteten Abschnitts.\nAus allem diesen, in Combination mit dem, was schon \u00fcber den Bau des Gef\u00e4sssystems, die Herzschl\u00e4ge und deren Variation beigebracht","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Spannung in dem Anfang des Arterienwerkes.\n93\nist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Spannungen, welche in dem Gef\u00e4sssystem eines Menschen entweder gleichzeitig an verschiedenen Orten, oder an demselben Orte zu verschiedenen Zeiten erzeugbar sind, unendlich sein k\u00f6nnen ; zugleich ist ersichtlich, dass eine theoretische Voraussicht der einzelnen F\u00e4lle unm\u00f6glich ist.\nSehr zahlreiche Erfahrungen, die \u00fcber die durch den Herzschlag ver\u00e4nderten Spannungserscheinungen vorliegen, erlauben aber demnach einige allgemeine Bemerkungen von praktischer Wichtigkeit; wir werden bei ihrer Aufz\u00e4hlung den Weg Anschl\u00e4gen, dass wir an verschiedenen Orten der Reihe nach die mit den Herzzust\u00e4nden wechselnden Spannungen in das Auge fassen. \u2014 Die Thatsachen werden in der anschaulichen Form, in der sie gewonnen sind, der Betrachtung zu Grunde gelegt, nemlich als Curven, wie sie der in Fig. 42. dargestellte Spannungszeichner lieferte. Die Achse der X vou dem Coordinatensystem, in das sie eingetragen sind, giebt die Zeit, die der Y dagegen die Spannungen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedr\u00fcckte H\u00f6he einer Quecksilbers\u00e4ule.\nA. Anfang des arteriellen Systems; insbesondere a. carotis oder a. cruralis. Zuerst werden wir den Fall behandeln, in welchem sehr kr\u00e4ftige Herzschl\u00e4ge in langen Pausen einander folgen, wie man sie erh\u00e4lt, wenn man die nervi vagi in eine gelinde Erregung versetzt; und zwar darum, weil die Folgen der Herzwirkung an ihnen am deutlichsten hervortreten. M\u00e4ssigt man, nachdem die n. vagi so anhaltend und kr\u00e4ftig erregt sind, dass das Herz l\u00e4ngere Zeit vollkommen Stillstand und das Quecksilber des Manometers endlich auf einer H\u00f6he, die sich f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit constant erhielt, anlangte, die Schl\u00e4ge des Induktionsapparates, so zeichnet der Schreibmanometer die Curven von beistehender Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt sich der Druck, von dem der Ruhe (Fig. 43.) t/', und zwar zuerst sehr\nrasch, dann aber allm\u00e4hliger, bis er auf das Maximum seines Wer-thes angelangt ist, von hier f\u00e4llt er dann, und zwar zuerst rasch, dann aber immer langsamer, je n\u00e4her er der H\u00f6he kommt, von welcher der Druck bei Beginn des Herzschlags ausging, wie dieses an den Unterschieden der Ordi-naten abcdefg in den gleichen Zeitabst\u00e4nden 1 2 3 4 5 6 7 zu sehen ist. Folgen nun die Herzschl\u00e4ge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander, so werden, bevor die Einwirkungen des ersten von ihnen verschwunden sind, die des zweiten\nFig. 43.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nSpannungswechsel bei verschiedener Schlagfolge des Herzens.\neintreten und das Ansteigen, das der zweite veranlasst, somit von einem h\u00f6hern Druck beginnen. Bleibt sich nun der Umfang und der zeitliche Abstand dieser und der folgenden Zusammenziehungen gleich, so wird dieses auch mit den im zeitlichen Verlauf erscheinenden Dr\u00fccken der Fall sein. Genauer ausgedr\u00fcckt wird also die constante Gef\u00e4ssspannung von yir bis y\u201c vorhanden sein, so dass sie unter diesen Werth zu keiner Zeit herabsinkt; ausserdem aber wird in constanten Grenzen von y\" bis \u00ff\"\" ein variabler Ueberdruck vorhanden sein, dessen Maximum und Minimum f\u00fcr jeden Pulsschlag dasselbe bleibt, und endlich wird die mittlere Spannung *) yx) ydie sich aus den Spannungsschwankungen von einem zum andern Herzschlag berechnen l\u00e4sst, f\u00fcr alle Herzschl\u00e4ge ot, t th u. s. w. gleich sein.\nWenn sich nun die Herzschl\u00e4ge statt des bisher innegehaltenen Rhythmus sehr betr\u00e4chtlich beschleunigen (was jedesmal eintritt, wenn man nach den vorigen Versuchen die Erregung des n. vagus beendet), so erscheint die Curve, welche Fig. 44. wiedergiebt. Bei einer Vergleichung derselben mit der vorhergehenden ist sogleich einleuchtend,\ndass der constante Druck y\u00b0 yn ganz ausserordentlich gewachsen ist im Vergleich zum variablen; die Folge davon ist u. A. auch die, dass die Werthe des Mitteldrucks und des constanten Drucks sich sehr nahe kommen, indem die Grenzen des schwankenden Ueberdrucks \u00fcberhaupt sehr nahe bei einander liegen. \u2014 Was die Form der Curvenst\u00fccke, die w\u00e4hrend je eines Herzschlags erzeugt werden, anlangt, so bemerkt man, dass sie sich sehr derjenigen des Gipfels in Fig. 43. ann\u00e4hert; denn der kurze aufsteigende Theil wird sogleich stark convex nach oben und der absteigende\n&\nFig. 44.\ny\n________________,_ besitzt nur den steil abfallenden Abschnitt.\nDie zwischen diesen beiden Extremen liegenden Pulszahlen erzeugen Curven, welche sich mehr und mehr von der letztem zur erstem Form ann\u00e4hern, so dass man, wenn die Zahl der Pulsschl\u00e4ge gegeben, ungef\u00e4hr die Reihenfolge der in der Zeit wechselnden Spannungen angeben kann.\nWir haben demnach die allgemeine Form der zeitlichen Spannungs-curve abh\u00e4ngig gefunden von der Zahl der Herzzusammenziehungen; anders verh\u00e4lt es sich mit den absoluten Werthen der Spannungen und namentlich derjenigen, welche wir mit dem Namen der mittleren belegt haben ; * sie wechselten an demselben Thier trotz einer gleichen Zahl von\n*) Mittlere Spannung bedeutet also hier die Spannung, welche man erhalten w\u00fcrde, wenn man die in den einzelnen Zeittheilchen bestehende Spannung addirte und durch die Summe der Zeit-\ntheilehen dividirte. \u2014","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Absolute Werthe der mittleren Spannung.\n95\nHerzschl\u00e4gen. Mit Sicherheit l\u00e4sst sich nun angeben, dass der Werth\n*\nder mittlern Spannung, alles \u00fcbrige gleichgesetzt, steige, wenn sich die Anf\u00fcllung des Gef\u00e4sssystems mit Fl\u00fcssigkeit \u00fcberhaupt mehrt; wenn die Widerst\u00e4nde zwischen der beobachteten Stelle und den Capillaren zunehmen ; wenn der Umfang oder die Intensit\u00e4t der Herzzusammenziehungen sich steigern. Den Nachweis f\u00fcr diese Behauptungen kann man sehr leicht f\u00fchren, weil man mittelst einer vorsichtig geleiteten Erregung der n. vagi die Zahl der Schl\u00e4ge ann\u00e4hernd auf einer bestimmten, Zahl festhalten, zugleich aber durch Ablassen oder Einf\u00fcllen des Bluts aus den Gef\u00e4ssen, durch Unterbindung einiger Arterienst\u00e4mme u. s. w. die Normalspannung und den Widerstand in einem Thier ver\u00e4ndern kann. Weil nun aber trotz gleichbleibendem Widerstande und unver\u00e4ndertem Normaldruck und gleicher Zahl der Herzschl\u00e4ge die mittlere Spannung steigt, so schliessen wir daraus, dass auch der Umfang der Zusammenziehung des Herzens wechselvoll sein m\u00f6ge.\nWenn ein Mitteldruck von bestimmtem Werth, welcher w\u00e4hrend einer gewissen Zeit hindurch unver\u00e4ndert bestand, \u00fcbergeht in einen solchen von anderm Werth, so muss nothwendig w\u00e4hrend dieser Uebergangszeit der Mitteldruck von einem Herzschlag zum andern in einer Schwankung begriffen sein; dieser Uebergang, so mannigfaltig er auch sein kann, f\u00fchrt aber doch jedesmal zu einem neuen Zustand dynamischen Gleichgewichts, hei dem nemlich der Mitteldruck f\u00fcr die Zeit eines einzelnen Herzschlags gleich ist; demnach darf man behaupten, es bestehe f\u00fcr eine jede Combination von Herzzusammenziehungen, Widerst\u00e4nden und Gef\u00e4ssf\u00fcllungen ein Zustand, in dem die Menge der in der Zeiteinheit zu den Arterien str\u00f6menden Masse das Gleichgewicht h\u00e4lt der ausstr\u00f6menden, so dass mit der Geschwindigkeit des Zuflusses auch die des Abflusses steigt.\nB. Ende des arteriellen Systems. Wie sich in den feinen Arterien w\u00e4hrend der einzelnen Phasen des Herzschlags die Spannungs-curve gestaltet, hat noch nicht untersucht werden k\u00f6nnen. \u2014 Mit Sicherheit ist dagegen ermittelt, dass die der Systole und Diastole des Herzens entsprechenden Maxima und Minima der Spannungswerthe sich einander immer mehr n\u00e4hern, je enger die Arterien sind, in welche der Strom eindringt, bis endlich in den Capillarnetzen die Unterschiede ganz schwinden, so dass an diesem Ort w\u00e4hrend der ganzen Herzschlagsdauer die Spannung unver\u00e4ndert dieselbe bleibt. Um eine Vorstellung von dieser Thatsache zu erhalten, hat Volk mann die nebenstehende Curve (Fig. 45.) entworfen. Es ist dieselbe in ein Coordinatensystem eingetragen, dessen Abszissenachse A x die Achse eines Gef\u00e4ssrohrs darstellt von seinem Beginn am Herzen bis zu den Capillaren hin, so dass z. B. bei A der Mittelpunkt des Durchmessers von einem beliebigen St\u00fcck Aorta, bei D derjenige eines kleinsten Arterienastes gelegen w\u00e4re. \u2014 Die Ordinata Y","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96 Ende des Arterienwerkes. Umsetzung des variablen Stroms in einen constanten.\nFig. 45.\nbedeuten die Spannungen nach der schon fr\u00fcher festgestellten Ueber-einkunft. Wenn nun die Spannung in der Aorta in Folge einer Herzzusammenziehung auf A Y gestiegen w\u00e4re, so w\u00fcrde sie in einem Aste\nersterer Ordnung hierdurch etwa auf B F, in einem Aste dritter Ordnung aber nur auf CY und in einem Aste letzter Ordnung endlich nur auf D Y kommen. W\u00e4hrend der darauf folgenden Herzpause w\u00fcrde in A die Spannung bis auf A y herab gehen, in den Aesten erster Ordnung schon um weniger und in den daranf folgenden noch weniger, bis endlich bei D die Spannungen der Systole und Diastole zusammenfallen. \u2014 Mit dieser Abnahme der Spannungsdifferenzen nimmt aber zugleich die mittlere Spannung ab. Die ungef\u00e4hre Lage dieser Mittelspannung ist durch die\nOrdinaten AM, BM, CM angedeutet. \u2014\nMit R\u00fccksicht auf diese Thatsachen w\u00e4re nun zuerst zu \u00fcberlegen : Woher r\u00fchrt dieses Verschwinden der Spannungsunterschiede, oder anders a\u00fcsgedr\u00fcckt, warum str\u00f6mt in den Querschnitt bei D zu jeder Zeit so viel ein, als aus, obwohl am R\u00f6hrenanfang ein unterbrochenes Einstr\u00f6men stattfindet. WTenn die Spannungsunterschiede daher r\u00fchren, einmal, dass\npl\u00f6tzlich alle Theilchen eines Querschnitts einen Stoss bekommen, der sie gegen diejenigen eines n\u00e4chstgelegenen hineinzudr\u00e4ngen suchte, und ausserdem daher, dass in einen Querschnitt pl\u00f6tzlich mehr Fl\u00fcssigkeit eingeschoben werden konnte, als ans ihm austreten konnte, so wird unsere Erscheinung erkl\u00e4rt sein, wenn sich zeigen l\u00e4sst, dass die Wellenbewegung, d. h. die von Molekel auf Molekel fortgepflanzten St\u00f6sse, im Verlauf des R\u00f6hrensystems verschwinden, und wenn ausserdem nachgewiesen wird, wie sich das tumultuarische Einstr\u00f6men der Fl\u00fcssigkeit in den Beginn des Arteriensystems in diesem allm\u00e4hlig in einen gleichf\u00f6rmigen Strom umwandelt. \u2014 Beides ist aber in der allgemeinen Betrachtung der\nFl\u00fcssigkeitsbewegung durch elastische R\u00f6hren geschehen (vgl. p. 50 u. f.). Denn es ergab sich dort schon, dass die lebendige Kraft, welche die Welle besass, von Beginn gegen das Ende des Rohrs hin abnehmen musste, weil die Welle mit einer Bewegung der in ihr enthaltenen Theilchen verkn\u00fcpft war, so dass eine Reibung und damit ein Verlust an Kr\u00e4ften entstand. \u2014 Zugleich ist aber auch ersichtlich, dass eine jede Geschwindigkeit, bevor sie in dem Rohr eine constante geworden ist, sich bei Verlauf der Fl\u00fcssigkeit durch die R\u00f6hrenl\u00e4nge verlangsamen muss; dieses w\u00fcrde also die nothwendige Folgerung in sieh schliessen,","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abnahme der mittleren Spannung.\n97\ndass wenn ein und dasselbe Fl\u00fcssigkeitsquantum durch denselben Querschnitt str\u00f6mt, es am Ende des Rohrs hierzu l\u00e4ngere Zelt n\u00f6thig hat, als am Beginn desselben. Wendet man diese Betrachtung auf die arteriellen R\u00f6hren an, so w\u00fcrde die eben vorgelegte Thatsache nichts anderes sagen, als: es ist die Geschwindigkeit der Fl\u00fcssigkeit am Ende des Arteriensystems so verlangsamt, dass vom Beginn eines Herzschlags zum andern durch den viel grossem Gesammtquerschnitt gerade so viel str\u00f6mt, als w\u00e4hrend der Dauer einer Herzzusammenziehung durch die Aortenm\u00fcndung floss. Indem dieses geschieht, muss aber endlich eine Geschwindigkeit der in einen beliebigen Querschnitt einstr\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit erreicht werden, welche gerade so gross ist, als die der ausstr\u00f6menden. \u2014 Der Ort im Gef\u00e4sssystem, an welchem sich der Strom mit steigender und fallender Spannung umsetzt in einen solchen mit gleichf\u00f6rmiger, hat nun erfahrungsgem\u00e4ss keine feste Lage; er r\u00fcckt unter Umst\u00e4nden nicht allein weiter hinaus, z. B. in das Capillarensystem hinein, sondern es kommt zuweilen ein Ort gleichf\u00f6rmiger Spannung gar nicht zu Stande. Die Theorie behauptet, es m\u00fcsse das Hinausr\u00fccken des Ortes von gleichm\u00e4ssiger Spannung geschehen, entweder wenn bei gleichbleibenden Verh\u00e4ltnissen an der Herzm\u00fcndung die Widerst\u00e4nde, die sich dem Abfluss in die Capillaren und Venen entgegensetzen, vermehrt werden, oder wenn bei gleich bleibenden Widerst\u00e4nden an letzterer Stelle der Umfang und die Geschwindigkeit der Herzschl\u00e4ge in der Weise sich \u00e4ndern, dass in gleichen Zeiten mehr Fl\u00fcssigkeit in die Aorta dringt. In der That wird dieses von der Erfahrung best\u00e4tigt, insofern z. B. Arterien pl\u00f6tzlich zu pulsiren beginnen, die es vorher nicht thaten, wenn entweder ihre Abflussrohren verstopft sind (bei sog. Entz\u00fcndungen), oder wenn das Herz in grosser Aufregung sich bewegt. \u2014 Die Erscheinung, dass irgendwo im Gef\u00e4ssrohr ein Ort gleichbleibender Spannung zum Vorschein kommt, muss dagegen ganz ausbleiben, wenn die Herzschl\u00e4ge so sp\u00e4rlich aufeinanderfolgen, dass es Zeiten giebt, in denen \u00fcberhaupt keine Bewegung im Gef\u00e4ssrohr mehr statt findet. Dieses tritt aber gew\u00f6hnlich erst beim Absterben eines Thieres ein, weshalb auch dort noch ein, wenn auch schwacher, Puls in den Capillaren beobachtet wird.\nDie Curve (Fig. 45.) thut demn\u00e4chst dar, dass die mittlere Spannung in den Arterien von der Aorta nach den Capillaren in Abnahme begriffen sei. Diese Thatsache ist sogleich begreiflich, wenn man erw\u00e4gt, dass die mittlere Spannung nichts anderes ist, als ein Ausdruck f\u00fcr das Maass der spannenden Kr\u00e4fte, welche in dem gerade betrachteten Querschnitt von einer zur andern Zeit wirksam sind. Dass sie dieses aber bedeutet, geht aus der Definition der mittleren Kraft selbst hervor. Denn sie wird gefunden, wenn man alle die verschiedenen Spannungen addirt, welche an einem Ort w\u00e4hrend einer bestimmten Summe von Zeiteinheiten bestehen, und die hieraus gebildete Gesammtzahl dividirt\nLudwig1, Physiologie. II.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"Spannung in den Capillaren und Venen.\ndurch die Summe der genannten Zeiteinheiten. Nun sind aber alle Ordinaten uftserer Curve aus gleichen Zeiten abgeleitet, d. h. es sind alle die Spannungssummen dividirt worden durch dieselbe Zahl ; das Verh\u00e4ltnis zwischen den mittleren Spannungen verschiedener Orte ist also gleich demjenigen der Spannungssummen. In einem jeden Strom nehmen aber die lebendigen und damit auch die spannenden Kr\u00e4fte von dem Anfang zum Ende hin ab, wegen des Verlustes durch Reibung u. s. w. Der Verlauf dieser mittleren Curve bedeutet also, dass der Strom im Arteriensystem unter dieses allgemeine Gesetz f\u00e4llt. Wir kommen hierauf bei einer andern Gelegenheit noch zur\u00fcck.\nUnsere Curve l\u00e4sst endlich schliessen, dass es Zeiten geben m\u00fcsse, in welchen die Spannung in den vom Herzen entfernter liegenden Ge-f\u00e4ssabschnitten eine h\u00f6here sei, als diejenige, welche gleichzeitig in den dem Herzen n\u00e4her liegenden Theilen Vorkommen. Wir brauchen nur anzudeuten , dass diese Erscheinung mit der Wellenbewegung in Verbindung steht, indem sie die Folge einer raschen, durch das System fortschreitenden Stossbewegung ist.\nC. In den C api llaren und den Venen, welche nicht all zu nahe am Herzen liegen, leitet die Herzbewegung einen gleichm\u00e4ssigen Strom ein, der nach allgemeingiltigen Regeln in seinem Verlaufe mehr oder weniger rasch an Spannung verliert, je nach den Widerst\u00e4nden, die er in den einzelnen Abtheilungen findet. Der absolute Werth der Spannung in jedem Querschnitt wird nat\u00fcrlich bestimmt durch die lebendigen Kr\u00e4fte des Stroms am Reginn des Capillarsystems. \u2014 In den Venen dagegen, welche nahe am Herzen gelegen sind, wird jedesmal w\u00e4hrend der beginnenden Herzerschlaffung eine Thalwelle erregt, welche nach der Peripherie hin fortschreitet. Sie wird, offenbar weil ihre lebendigen Kr\u00e4fte gering sind, rasch zerst\u00f6rt, so dass sie selbst mit feinen Mitteln nicht jenseits der grossen Kopf- und Armvenen sichtbar ist. Diese Thalwelle hat man gew\u00f6hnlich von einer sog. Aspiration des Herzens ableiten wollen, indem man annahm, dass sich das Organ nach seiner Zusammenziehung verm\u00f6ge seiner elastischen Kr\u00e4fte erweitere. Diese Eigenschaft kommt aber in der That dem Herzen nicht zu, und zudem liegt eine andere Erkl\u00e4rung auch nahe. W\u00e4hrend der Vorhofszusammenziehung sind die Venen, weil sie sich nicht entleeren k\u00f6nnen, bedeutender gespannt worden. L\u00f6st sich nun die Zusammenziehung des Vorhofs und rasch hinterher die der Kammern, so wird die gespannte Fl\u00fcssigkeit in den wenig Widerstand bietenden Raum pl\u00f6tzlich entleert werden, wodurch ein ganz \u00e4hnlicher Effekt erzielt wird, als ob sich das Herz erweitert habe.\nUeber die Geschwindigkeiten, welche dem vom Herzen aus erregten Strom eigen sind, besitzen wir keine gesonderten Erfahrungen.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss dei1 Brustbewegung auf den Blutstrom.\n99\n2. Bewegungen des Brustkastens und seiner Eingeweide*). Da das Herz und die grossen Gef\u00e4sse von den Lungen und demn\u00e4chst von den Brustwandungen umschlossen werden, so m\u00fcssen deren Spannungen und Bewegungen von einem wesentlichen Einfluss auf den Blutlauf sein. \u2014\na. Die Beziehung der elastischen Kr\u00e4fte der Lungensubstanz auf den Blutstrom erl\u00e4uterten wir zun\u00e4chst f\u00fcr den Zustand des Brustkastens, in welchem er sich findet, nach der Ex- und vor der Inspiration, in welchem er also die Stellung eingenommen hat, die ihm verm\u00f6ge der elastischen Kr\u00e4fte seiner Bestandteile zukommt. In dieser Zeit wird auf die Lungenoberfl\u00e4che von Seiten der Brustwand kein Druck ausge\u00fcbt; denn es fehlt jede selbstst\u00e4ndige Bewegung des Brustkastens, und es ist ausserdem die Wandung desselben steif genug, um nicht bewegt zu werden von einem m\u00e4ssigen Unterschied des Luftdrucks, der auf der innern und \u00e4ussern Fl\u00e4che der Brustwand etwa vorhanden w\u00e4re. Die Lungenoberfl\u00e4che, welche an der Brustwand anruht, ist darum nur zwei Kr\u00e4ften ausgesetzt: dem Luftdruck und den elastischen Spannungen der Lungensubstanz. Diese beiden Kr\u00e4fte wirken aber in entgegengesetzter Richtung. Die Luft nemlich, die nur durch die Trachea, nicht aber von Seiten der innern Brustfl\u00e4che dr\u00fcckt, entfernt die Oberfl\u00e4che von der Wurzel der Lunge, indem er die Lunge entfaltet. Die elastischen Kr\u00e4fte der Lungensubstanz wirken dagegen von der Oberfl\u00e4che der Lunge gegen die Wurzel hin; sie suchen die entfaltete Lunge zusammenzudr\u00fccken. Der Beweis daf\u00fcr, dass diese Kraft, und zwar in der angegebenen Richtung, wirkt, liegt darin, dass eine m\u00f6glichst gesunde Lunge, welche man aus der Brusth\u00f6hle herausgenommen und zu dem Volum ausgeblasen hat, das sie in der Brusth\u00f6hle einnimmt, augenblicklich zusammenf\u00e4llt, sowde man die Trachea \u00f6ffnet, d. h. den Luftdruck aller Orten gleich macht. Die Lunge kam) in ihrer nat\u00fcrlichen Lage also nur darum ausgespannt erhalten werden, wresl der Luftdruck das Uebergewicht besitzt \u00fcber die elastischen Kr\u00e4fte der Lunge. Dieses Uebergewicht ist nun auch noch durch Messungen nachgewiesen, indem Donders durch ein besonderes Verfahren ermittelte, dass, im hydrostatischen Maasse ausgedr\u00fcckt, die elastischen Kr\u00e4fte der Lunge im Maximum 30 MM. Quecksilber betragen, w\u00e4hrend .der Luftdruck in den bewohnten Gegenden sich meist \u00fcber 500 MM. h\u00e4lt. \u2014 Aus allem diesen folgt nun, dass die Theile, welche innerhalb des Brustkastens an der von der Pleura umkleideten Lungenfl\u00e4che anliegen, einen geringem Druck, als den der Luft zu ertragen haben, und zwar einen um das Maass der elastischen Lungenkr\u00e4fte verminderter Luftdruck. Diese Verminderung des Druckes wird sich an\n*) Donders, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. III. 287. und dessen wichtige Abhandlung. ibid. IV. Bd. 241. \u2014 Handleiding. II. Bd. a. 396. \u2014 C. Ludwig, M\u00fcllers Archiv* 1847. p. 242. \u2014 Ed. Weber, Leipziger Berichte; mathemat. physik. Classe. 1850. p. 29.","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"Sangkraft cter Lunge.\nder Grenze zwischen Brustwand und Lunge nur als Spannung \u00e4us-sern k\u00f6nnen, da jene, wie erw\u00e4hnt, zu steif ist, um durch einen Druckunterschied von wenigen MM. Hg bewegt zu werden. \u2014 Anders gestalten sich dagegen die Dinge an der Grenze zwischen den Lungen und dem Herzen mit seinen Gef\u00e4ssausl\u00e4ufern. Der Inhalt dieser hohlen Organe steht nemlich unter dem Luftdruck, da er in unmittelbarer Ber\u00fchrung steht mk dem Blut, welches sich in den Gef\u00e4ssen ausserhalb des Brustkastens findet, die diesem Drucke zug\u00e4nglich sind, und ausserdem ist er noch in einer Spannung, welche von der Ueber-f\u00fcllung der Gef\u00e4ssr\u00f6hren mit Blut herr\u00fchrt. Von diesen Kr\u00e4ften wirkt nun der Luftdruck demjenigen entgegen, welcher von der L\u00e4ngenoberfl\u00e4che her auf das Herz trifft; sie w\u00fcrden sich also aufheben, vorausgesetzt, dass beide Dr\u00fccke gleichen Werth bes\u00e4ssen. Da nun aber der von der Lunge her treibende Luftdruck vermindert ist um den Werth der elastischen Kraft in der Lunge, so gewinnt der von dem Blutbeh\u00e4lter her wirkende Druck das Uebergewicht. Er sucht somit diese letztem auszudehnen. Da zu diesen ausdehnenden Kr\u00e4ften sich auch noch die hinzuz\u00e4hlen, welche von der Spannung des Bluts in den Gef\u00e4ssen herr\u00fchren, so m\u00fcssen unzweifelhaft die in den Lungen eingebetteten Blutbeh\u00e4lter ein Ausdehnungsbestreben besitzen. Diesem Bestreben kann aber in diesem Falle Folge geleistet werden, da die Wandungen der Herz- und Gef\u00e4ssh\u00f6hlen in der That sehr nachgiebig sind. Der Bewegung, welche durch diese Mittel eingeleitet wird, ist erst dann Grenze gesetzt, wenn unsere Gef\u00e4sse soweit durch Blut ausgedehnt sind, dass die elastische Spannung, in die ihre Wandungen treten, den ausdehnenden Kr\u00e4ften das Gleichgewicht h\u00e4lt. Zu diesem Grade der Spannung scheinen aber die ven\u00f6sen Wandungen der Gef\u00e4sse niemals zu kommen, indem aus ihnen nach jeder Herzbewegung schon wieder Blut entleert wird, bevor es sich in dem verlangten Maasse aufgeh\u00e4uft hat. Wir schliessen hierauf, weil im Leben immer Luft durch die vena jugularis in das Herz eindringt, wenn man sie blosgelegt und ihre Wand so durchschnitten hat, dass die Oeffnung klaffen kann; es muss also die Spannung, welche ihrem Inhalt zukommt, niedriger sein, als die der Luft. Um diese f\u00fcr den Kreislauf bedeutungsvolle Einrichtung zur Anschauung zu bringen, ist die Fig. 46. gezeichnet worden, welche ohne weitere Erkl\u00e4rung verst\u00e4ndlich sein muss. Die Pfeile in der Herzh\u00f6hle und auf der Lunge deuten die Richtung an, nach welcher die elastischen Kr\u00e4fte der Lunge wirksam sind, den Lungeninhalt pressen und den Herzinhalt auseinanderziehen.\nDiese Saugkraft der Lunge muss aber den Blutstrom, welcher schon in Folge der Herzth\u00e4tigkeit besteht, modifiziren, und zwar dadurch, dass sie alle Str\u00f6mungen aus dem Brustkasten hemmt, indem sie die Zusammenziehung der Aorta hindert, dagegen alle Str\u00f6mung nach dem","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"EiaathniungsbeweguDg.\nFig. 46.\nBrustkasten f\u00f6rdert, indem sie in die Venen desselben den Ort der niedrigsten Spannung legt, wohin selbst dann noch Fl\u00fcssigkeit l\u00e4uft, wenn auch die vom Stoss des Herzens und der Spannung der Gef\u00e4ss-w\u00e4nde herr\u00fchrenden Kr\u00e4fte verzehrt sind. \u2014 Nun ist aber nicht zu verkennen, dass der letztere Effekt seinem Werth nach das Uebergewicht \u00fcber den ersteren hat; denn da die Venen eine gr\u00f6ssere Fl\u00e4chenausdehnung haben, als die Arterien, so muss ihr Inhalt durch dieselben Zugkr\u00e4fte, die an mehreren Orten wirken, offenbar vielmehr erweitert werden, als die der Arterien ; zudem sind die Arterienwandungen auch viel steifer, als die der Venen. Man kann also sagen, es werde die Blutstr\u00f6mung durch diese Einrichtung unterst\u00fctzt\nb. Einathmungsbewegung. Bei dieser Bewegung verbreitert und verl\u00e4ngert sich der Brustraum, Diese Bewegung wird auf verschiedene Weise f\u00fcr die grossen Blutbeh\u00e4lter in der Brust wirksam.. 1) Da das Herz und die Gef\u00e4sse an der Brustwand selbst angewachsen sind, so werden sie geradezu durch die Bewegungen ausgespennt. 2) Die Lungen-oberfl\u00e4che folgt der innern Brustfl\u00e4che, und damit mindert sich hoch","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nAusathmuflgsbewegung.\nder Widerhalt, den die Lunge den grossen Gef\u00e4ssen bietet. Diese Verminderung des Widerhalts rtihrt nun nicht etwa daher, dass wahrend der Einathmung eine merkliche Differenz der Dichtigkeit in der \u00e4ussern und innern Luft vorhanden w\u00e4re. Denn in der That ist die Verbindung der \u00e4ussern mit der Lungenluft ergiebig genug, um es dahin zu bringen, dass in dem Moment, in welchem eine Luftverd\u00fcnnung in den Lungen eintritt, sie auch durch Nachstr\u00f6men aus der Atmosph\u00e4re ausgeglichen wird. \u2014 Es r\u00fchrt die Verminderung des Widerstandes, welche die \u00e4ussere Gef\u00e4ssfl\u00e4che erf\u00e4hrt, vielmehr von der gr\u00f6ssern Ausdehnung der Lunge her. Denn in Folge dieser Ausdehnung wird auch ihre zusammenziehende Kraft vermehrt und darum vernichtet sie einen grossem Antheil des Luftdruckes, der durch ihre Oberfl\u00e4che hindurch auf die \u00e4ussern Gef\u00e4ssfl\u00e4chen wirkt. Diese beiden Gr\u00fcnde vereinigen sich somit wiederum, den Strom des Bluts aus der Brust zu hemmen und den nach der Brusth\u00f6hle hin zu f\u00f6rdern. \u2014 Donders hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Folge ebenso giltig ist f\u00fcr den kleinen, als f\u00fcr den grossen Kreislauf, da in beiden F\u00e4llen die Capillaren desselben in Fl\u00e4chen laufen, die unmittelbar dem Luftdruck ausgesetzt sind, \u2014 Von\nbesonderer Wichtigkeit wird aber die Inspirationsbewegung f\u00fcr den Kreis-\u2022\nlauf in den Unterleibsh\u00f6hlen, weil mit der Erweiterung der Brusth\u00f6hle der Inhalt der Unterleibsh\u00f6hle zusammengepresst wird, so dass hierdurch vorzugsweise die Entleerung der Bauchvenen beg\u00fcnstigt wird.\nc. Ausathmungsbewegung. Da diese Bewegung im Gegensatz zur Inspiration den Brustkasten zusammendr\u00fcckt, so wird sie auch f\u00fcr die grossen Biutbeh\u00e4lter der Brust im entgegengesetzten Sinne wirken, indem sie nicht allein die Ausdehnungsf\u00e4higkeit derselben beschr\u00e4nkt, sondern auch geradezu dieselben auspresst. In Folge davon wird das Blut aus dem Brustkasten durch die Arterien mit gesteigerter Kraft geworfen und zugleich auch in die Venen zur\u00fcckgeschleudert, resp. wegen den anwesenden Klappen gestaut werden. \u2014 Unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden kann durch diese Stauung eine so vollkommene Unterbrechung des Einstr\u00f6mens von Blut in die Brusth\u00f6hle stattfinden, dass dadurch f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit eine vollkommene Unterbrechung des Kreislaufs bedingt wird. Dieses tritt nach Ed. Weber ein, wenn man tief inspirirt, die Stimmritze schliesst und dann eine kr\u00e4ftige Ausathmungsbewegung ausf\u00fchrt. Die comprimirte Luft kann die Venen vollkommen zuschliessen.\nMan wird nach diesen Auseinandersetzungen erkennen, dass die Bewegungen des Brustkastens im Ganzen und Grossen ganz dasselbe leisten, was auch die Herzbewegung vermag, denn auch sie pumpen das Blut aus den grossen St\u00e4mmen gegen die Peripherie. Neben dem unwesentlichen Unterschied, dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich die Brustbewegungen l\u00e4nger anhalten und seltener wiederkehren, als die des Herzens, besteht aber noch der eingreifendere, dass sie an den Arterien und Venen jedes-","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Bauchw\u00e4nde ; Schwerkraft.\n103\nmal in gleichem Sinn die Spannung \u00e4ndern; denn die Inspiration minderte, die Exspiration mehrte sie in beiden, w\u00e4hrend das Herz f\u00fcr beide gerade im ungleichen Sinne wirksam war. \u2014 Die besondern Herg\u00e4nge, welche die durch die Brustbewegung ver\u00e4nderten Spannungen in den Blutstrom einleiten, sind nach den fr\u00fcher mitgetheilten Regeln zu beurtheilen. Versuche, die den Einfluss der Respirationsbewegung auf das Blut, gesondert von der des Herzens, bestimmen, sind nicht ausgef\u00fchrt.\n3.\tDie Verk\u00fcrzung oder Erschlaffung der Bauchmuskeln, wodurch der Inhalt der Unterleibsh\u00f6hle sehr verschiedene Spannungen erf\u00e4hrt, muss nat\u00fcrlich auch unterst\u00fctzend oder hemmend auf den Blutstrom wirken, da durch die Unterleibsh\u00f6hle grosse Gef\u00e4sse eingeschlossen sind. Die Beurtheilung der Verh\u00e4ltnisse bietet keine Schwierigkeit. Auf einige kleine Besonderheiten werden wir noch sp\u00e4ter die Rede bringen, z. B. bei der Leber.\n4.\tDie Schwerkraft. Man sollte auf den ersten Blick denken, dass durch eine Lagenver\u00e4nderung einzelner Theile eines R\u00f6hrenwerks von den Eigenschaften des Blutgef\u00e4sssystems gar keine Bewegung erzeugt werden k\u00f6nnte. Betrachten wir in der That ein System (Fig. 47.), welches sich dadurch\nFig. 47.\thervorhebt, dass von\ndemselben Punkte, dem Herzen H aus, R\u00f6hren ausgehn und zu ihm zur\u00fcckkehren , so kann, vorausgesetzt, dass die Wandungen unnachgiebig sind, keine Bewegung dadurch eingeleitet werden, dass die einzelnen oder die Ge-sammtzahl der R\u00f6hren in eine andere Lage \u00fcbergehen. Setzen wir z. B., dass der R\u00f6hrenbogen A V aus der gehobenen Lage I in die gesenkte II \u00fcbergeht, so wird nun allerdings die Fl\u00fcssigkeit der Spitzen bei IL die vorher keine Last von Seiten der Schwere zu ertragen hatte, gedr\u00fcckt werden durch eine S\u00e4ule von der senkrechten H\u00f6he oq. Aber dieser Druck wird mit gleichem Werth ebensowohl durch den Zweig A als durch dett","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nMuskeln der Gef\u00e4sswand.\nvon V hindurch auf die Spitze ausge\u00fcbt, und somit ist die Bewegung unm\u00f6glich. Wenn aber, wie in unserm R\u00f6hrensystem, die Wandungen ausdehnbar sind, so muss beim Uebergang aus der einen in die andere Stellung unzweifelhaft eine Bewegung auftreten, denn in der ersten Stellung lastete auf der Spitze des R\u00f6hrensystems kein Druck, wohl aber auf dem Beginn desselben ein solcher von dem Werthe op. Gerade umgekehrt verh\u00e4lt sich die Sache bei der Stellung von //, wo die Spitze unter dem gr\u00f6ssern und der Anfang der Schlinge unter dem geringeren Druck steht; somit wird sich in dem erstem Fall der Anfang, in dem letztem die Spitze erweitern, und dieses geschieht dadurch, dass beim Uebergang aus I in 11 ein Strom von dem Anfang gegen das Ende der Schlinge und bei Ueberragung aus II in I das umgekehrte eintritt. Dieser Strom kann jedoch nur so lange andauern, bis die betreffende Stelle zu einer dem Druck entsprechenden Erweiterung oder Verengerung gekommen ist. Ebensowenig kann, wenn die neue Vertheilung des Inhalts einmal geschehen ist, durch den eben betrachteten Uebergang aus einer in die andere Stellung einer andern Bewegungsursache, die an der M\u00fcndung eines Rohrs wirkt, eine Hemmung oder Beg\u00fcnstigung zugef\u00fcgt werde, da die Schwere immer nur gerade so viel die andern treibenden Kr\u00e4fte in dem absteigenden R\u00f6hrenst\u00fcck steigert, als sie dieselben in dem aufsteigenden mindert.\n5. Verk\u00fcrzerung der Muskeln in der Gef\u00e4sswand und in den Umgebungen der Gef\u00e4sse. Die Wirkungen dieser Muskeln k\u00f6nnen trotz ihrer verschiedenen Lagerung doch gemeinsam behandelt werden, da sie in ihren Folgen zahlreiche Analogien bieten. \u2014 Die Zusammenziehungen dieser Muskeln erzeugen zun\u00e4chst in allen F\u00e4llen eine Verengerung des Gef\u00e4sslumens, und insofern m\u00fcssen durch dieselbe, vorausgesetzt, dass sie sich nicht \u00fcber das ganze, sondern nur \u00fcber einen gr\u00f6ssern oder kleinern Theil der Gef\u00e4sse erstrecken, Blutbewegungen eingeleitet werden, welche ganz den Charakter der durch die Herzbewegung eingeleiteten tragen. Denn es ist ersichtlich, dass durch eine mehr oder weniger pl\u00f6tzliche Verengerung, die die Gef\u00e4sse in beschr\u00e4nkter Ausdehnung erleiden, eine Welle entstehen muss, dass ferner wegen eintretender Spannungsungleichheit ein Strom entsteht, und endlich dass wegen der Ventile, die in das R\u00f6hrenwerk gelegt sind, der Strom die der Blutbewegung allgemein zukommende Richtung annehmen muss. \u2014 Trotz alle dem muss aber doch dem Strom aus diesen Gr\u00fcnden eine nur untergeordnete Bedeutung zugeschrieben werden. Denn einmal erfolgen diese Bewegungen zu unregelm\u00e4ssig, und namentlich fehlen sie oft lange Zeit, wie z. B. im Schlaf u. s. w. \u2014 Dann aber erfolgen die Be-wegungen der Gef\u00e4sse, da sie von glatten Muskeln ausgef\u00fchrt werden, sehr allm\u00e4hlig, und noch mehr die einmal eingetretene Verk\u00fcrzung bleibt, wie die nun schon sehr zahlreichen Erfahrungen an blosgelegten Gef\u00e4ssen","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6me durch die Gef\u00e4sswand.\n105\nerweisen, sehr lange stabil, so dass eine dauernde Ver\u00e4nderung des Lumens besteht. Endlich aber, und dieses ist besonders zu betonen, hemmen die verengerten Stellen den von dem Herzen ausgehenden Strom, so dass die Zusammenziehungen eher als Beschr\u00e4nkungs-, denn als F\u00f6rderungsmittel des Blutstroms anzusehen sind. Damit ist aber nicht gesagt, dass die physiologischen Folgen der muskul\u00f6sen Gef\u00e4ssverengung nicht von betr\u00e4chtlicher Wichtigkeit seien.\n6. Ein-und Austritt von Fl\u00fcssigkeiten in denGef\u00e4sslumina. W\u00e4hrend des Lebens treten ununterbrochen in die Gef\u00e4ssr\u00f6hren Fl\u00fcssigkeiten ; am hervorragendsten geschieht dieses durch einen bald st\u00e4rkern, bald schw\u00e4chern Einfluss in die venae jugulares aus denLymphg\u00e4ngen, und durch Diffusion in die Darmvenen w\u00e4hrend der Verdauung. Nicht minder entl\u00e4sst auch, insbesondere durch Verdunstung auf Lungen und Haut und durch fl\u00fcssige Entleerung in den Nieren-, Speichel-, Schweissdr\u00fcsen u. s. f., das Gef\u00e4sslumen einen merklichen Theil seines Inhalts. Durch den Eintritt wird unzweifelhaft an dem einen Orte die Spannung erh\u00f6ht und durch den Austritt an dem andern erniedrigt, und somit m\u00fcsste auch ohne Zuthun anderer Hilfsmittel ein Strom von den ersteren zu den letzteren Stellen gehen. Diese Str\u00f6mungen k\u00f6nnen aber neben den andern intensiven St\u00f6rungen des Gleichgewichts nur von untergeordneter Bedeutung werden, um so mehr, als der Zu- und Abfluss, den sie veranlassen, nur sehr allm\u00e4hlig geschieht. Sie sind dagegen, wie schon oben bemerkt wurde, von hervorragender Bedeutung f\u00fcr die Erhaltung der Gesammtspannung der Stromr\u00f6hren, resp. f\u00fcr die Anf\u00fcllung derselben mit Fl\u00fcssigkeit \u00fcberhaupt.\nAusser diesen Hilfsmitteln, welche mit messbaren Kr\u00e4ften zur Erhaltung des Kreislaufs beitragen, glauben viele Schriftsteller \u00e4lterer und neuerer Zeit noch zu der Annahme anderer gezwungen zu sein. Sie begr\u00dcDden diese Forderung entweder mit einem physikalischen Missverst\u00e4ndnis, oder durch meist sehr verwickelte, zum Theil pathologische Vorg\u00e4nge. Dem physikalische Missverst\u00e4ndnis, auf welches hier angespielt wird, liegt der Behauptung zu Grunde : dass die Kr\u00e4fte des Herzens und des Brustkastens nicht hinreichen, um die Reibungs- und sonstigen Widerst\u00e4nde zu \u00fcberwinden, welche sich dem Blutstrom in den kleinsten Gef\u00e4ssen entgegensetzen. Indem man dieses aussprach, bedachte man nicht, dass alle Widerst\u00e4nde, welche sich in einem beliebigen R\u00f6hrenlumen einem Strom entgegenstemmen, mit den lebendigen Kr\u00e4fte dieses letztem steigen und fallen, so dass ein langsam und mit geringer Spanming fliessender Strom auch geringe Widerst\u00e4nde zu \u00fcberwinden bat. Darum kann behauptet werden, dass die Bewegungen der Herz- und Brustmuskeln, auch wenn sie tausendmal weniger Kraft entwickelten, als sie in der That aus\u00fcben, doch einen Strom vom Herzen bis zur\u00fcck zu ihm erzeugen w\u00fcrden, vorausgesetzt nur, dass diese Bewegungen hinreichten, um einen Spannungsunterschied der Fl\u00fcssigkeit im arteriellen und ven\u00f6sen System hervorzurufen. Der Strom w\u00fcrde dann freilich mit einer viel geringeren Geschwindigkeit und Spannung dahin gehen. \u2014 Eine andere Reihe von Autoren giebt jenen Grund preis, beruft sich aber auf den reichlicheren Zufluss von Blut, welcher zu den K\u00f6rpertheilen zu Stande kommt, in denen eine vermehrte Absonderung von Fl\u00fcssigkeit, eine gesteigerte Neubildung von Gewebsbe-","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nUeber andere Str\u00f6mungsursachen.\nstandtheiien, oder eine Entz\u00fcndung vorkommt. Man glaubt diese Steigerung der Blutzufuhr erkl\u00e4ren zu m\u00fcssen aus einer Anziehung, welche sich entweder zwischen dem th\u00e4tigern Gewebe und dem Blute neu entwickelt hat, oder aus einer Steigerung einer schon bis dahin nur im schw\u00e4cheren Grade bestehenden Verwandschaft. Wenn - man nicht in ganz willk\u00fchrliche Annahmen verfallen will, so kann man mit dieser Verwandtschaft entweder nur eine partielle Stockung des Blutstroms erkl\u00e4ren, oder eine sehr unbedeutende Vermehrung des Stroms von den Arterien zu den Capillaren, verbunden mit einer Schw\u00e4chung desselben von den letztem Gef\u00e4ssen zu den Venen. Das erstere w\u00fcrde eintreten , wenn die auf das Blut wirkende Anziehung ihren Sitz an der innern Wandfl\u00e4che des Gef\u00e4sses bes\u00e4sse; sie w\u00fcrde die unmessbar d\u00fcnne Wandschiebt des Stromes hemmen, die Mittelschicht desselben dagegen ungest\u00f6rt str\u00f6men lassen, da alle chemischen Anziehungen nur in unmessbar kleinen Entfernungen wirken, \u2014 Der andere Fall aber w\u00fcrde eintreten, wenn die anziehende Substanz an der \u00e4ussern Wandfl\u00e4che gelegen w\u00e4re; sie w\u00fcrde dann aus der Wand die betreffenden, in sie eingedrungenen \u00dflutbestandtheile anziehen, und ihre Wand w\u00fcrde sich dann wieder aus dem Blute mit Fl\u00fcssigkeit tr\u00e4nken und somit einen Zweigstrom durch die Wand hindurch bedingen. Hierdurch w\u00fcrde die Spannung des str\u00f6menden Bluts an der Stelle des Bohrs erniedrigt, an welcher der Austritt von Fl\u00fcssigkeit stattgefunden, und somit auch der Widerstand, welcher sich dem vom Herzen nachr\u00fcckenden Blut entgegensetzt. Zugleich aber w\u00fcrden mit der Wegnahme bewegter Fl\u00fcssigkeit aus dem Bohr die lebendigen Kr\u00e4fte der Fl\u00fcssigkeit innerhalb der absondernden R\u00f6hren vermindert und damit die Triebkraft f\u00fcr den Strom von dieser Stelle aus geschw\u00e4cht. \u2014 Wollte man beides einen gesteigerten Zu- und Abfluss erkl\u00e4ren, mit Hilfe solcher Kr\u00e4fte, die an und in der Wand th\u00e4tig sind, so w\u00e4re man gen\u00f6thigt, ins Blaue hinein anziehende und abstossende Wirkungen in kurz aufeinanderfolgenden Zeiten abwechselnd von demselben Orte ausgehen zu lassen. \u2014 Bevor man nun die einfacheren Wege, welche zu einer Erkl\u00e4rung f\u00fchren konnten, verl\u00e4sst und sich zu dunklern wendet, w\u00e4re, wie billig, der Hergang, der zu solchen Annahmen f\u00fchrte, genauer zu untersuchen gewesen. Da man diese Bedingung bis dahin nur sehr mangelhaft befriedigt hat, so l\u00e4sst sich der einen nur die andere Hypothese entgegenstellen. Indem man sich hierzu versteht, kann man wahrscheinlich machen, dass die Anziehungen (ihr Bestehen vorausgesstzt) gar nicht im Stande sind, den\nBlustrom in der auffallenden Weise zu ver\u00e4ndern, in der dies meist in entz\u00fcndeten, hypertrophischen, stark absondernden Organen geschehen ist. \u2014 Zuerst \u00fcbersehen wir, indem wir die Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnisse zwischen Stromwandung und anziehenden Kr\u00e4ften \u00fcberlegen, dass der Strom in den Arterien in dem Maasse an Geschwindigkeit zunehmen musste, in welchem durch die Anziehung Fl\u00fcssigkeit aus dem Ge-f\u00e4sslumen herausgezogen wird. Wir sehen nun aber sogleich, dass in den meisten F\u00e4llen, besonders in allen Entz\u00fcndungen fester Theile, die aus der Gef\u00e4ssh\u00f6hle gef\u00fchrte Fl\u00fcssigkeitsmenge nur sehr gering sein kann und dass sie unter allen Umst\u00e4nden verschwind\u00e9t gegen das Fl\u00fcssigkeitsvolum, was aus andern Gr\u00fcnden durch das Stromrohr gef\u00fchrt wird. Also muss auch die geschwindigkeitsvermehrende Wir-nung der Anziehung verschwinden. \u2014 Dann aber ist ersichtlich, dass die Spannung in der zuf\u00fchrenden Arterie in den erw\u00e4hnten F\u00e4llen immer niedriger als im Normalzust\u00e4nde sein m\u00fcsste, wenn in Folge der Anziehung Blutfl\u00fcssigkeit aus den Capillaren entleert w\u00fcrde, und dass sie nur um ein unmessbares erh\u00f6ht sein d\u00fcrfte, wenn durch die Anziehung die stockende Wandschicht des Stroms anDurchmesser zun\u00e4hme. Nun sehen wir aber, dass auch Absonderungen, insofern sie von einer Aenderung des Blutstroms begleitet sind, immer eine erh\u00f6hte Spannung in den zuf\u00fchrenden Arterien mit sich bringen. Diese Erscheinungmacht also sogleich die Anziehuugshypotbese unwahrscheinlich, indem sie ihren Folgerungen widerspricht. \u2014 Viel annehmbarer erscheint darum die Behauptung, dass","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Wesentliche und unwesentliche Triebkr\u00e4fte\n1\u00d47\ndie Ver\u00e4nderung des Stroms sich erst einfindet, wenn aus irgend welchen Gr\u00fcnden eine Verengerung oder Erweiterung der ieicht beweglichen Gef\u00e4ssrohren des entz\u00fcndeten oder absondernden Organes eingetreten ist. Dass aber hieraus wesentliche Ver\u00e4nderungen des gew\u00f6hnlichen Stromes entstehen k\u00f6nnen, werden wir, soweit dieses nicht schon geschehen ist, demn\u00e4chst noch zu sehen Gelegenheit haben.\nWir haben einem alten Gebrauch zufolge *) wesentliche und unwesentliche Triebkr\u00e4fte des Blutstroms unterschieden. Nach unseren Mittheilungen kann sich diese Trennung nur beziehen auf den Antheil, welchen die einzelnen Bewegungsursachen an der Gesammtkraft des Stromes besitzen, so dass wir die Kr\u00e4fte, denen der Strom den gr\u00f6ssten Theil seiner Spannung und Geschwindigkeit verdankt, die wesentlichen nennen, Wir haben nun als wesentliche bezeichnet die Herz-und Brustbewegung, weil erfahrungsgem\u00e4ss der Blutstrom den bei weitem gr\u00f6ssten Theil seiner Spannung und Geschwindigkeit verliert, so wie diese bewegenden Kr\u00e4fte ausfallen. Die Versuche, auf welche sich dieser Ausspruch st\u00fctzt, sind vollkommen beweisend, wenn sie auch nicht bis zu dem Grade von Genauigkeit gef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, um den Einfluss eines jeden einzelnen Einflusses in scharfem Maasse anzugeben. \u2014 Denn wenn man z. B. durch Vaguserregung das Herz zum Stillst\u00e4nde zwingt, so sinkt alsbald die Spannung in den Arterien fast bis zur Spannung der Ruhe, der Strom in den Capillaren wird so langsam, dass in ihnen keine Bewegung zu sehen, selbst wenn die etwa bestehende Geschwindigkeit durch das Mikroskop um mehrhundertfach vergr\u00f6ssert wird, und die Spannung in den Venen mehrt sich in der Ruhe, Spannungsunterschiede und Geschwindigkeiten kehren aber wieder zur\u00fcck, in dem Maasse, in welchem die Herzschl\u00e4ge wiederkehren. Nichts \u00e4hnliches tritt ein, wenn wir die Gliederbewegung aussetzen, die Diffusionen und Absonderungen beschr\u00e4nken, w\u00e4hrend das Herz schl\u00e4gt. \u2014 N\u00e4chst dem Herzen setzten wir den Brustkorb, einmal darum, weil f\u00fcr gew\u00f6hnlich dieses Gebilde in die Gef\u00e4ssbahn einen Ort von sehr niederer Spannung bringt, dann aber auch, weil die Bewegungen des Brustkastens, wenn sie energisch sind, dem Blut sehr kr\u00e4ftige St\u00f6sse zu geben im Stande sind, wie uns das die Messungen noch zeigen werden. Wir sind leider nicht im Stande, die kr\u00e4ftigen einander rasch folgenden Brustbewegungen herbeizuf\u00fchren, wenn der Herzschag steht. \u2014 Aehnliche, aber schon untergeordnetere, Wirkungen zeigen die Bewegungen der Muskeln am Bauch , den Gliedmaassen und den Gef\u00e4ssw\u00e4nden. \u2014- Wenig einflussreich k\u00f6nnen der Natur der Sache nach auch die Kr\u00e4fte sein, welche durch die Gef\u00e4sswandungen hindurch Fl\u00fcssigkeit aus dem Gef\u00e4sssystem ausziehen oder in dasselbe treiben. Wie gross diese Kr\u00e4fte auch an und f\u00fcr sich sein m\u00f6gen, sie sind f\u00fcr den Blut str\u00f6m nur in so fern von Bedeutung, als sie im Stande sind, den Inhalt der Gef\u00e4ssrohren zu mehren oder zu mindern, oder anders\n*) Volk mann, Haemodynamik, p. 292,","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nAbsolute Werthe der Stromspannung.\nausgedr\u00fcckt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang des Stroms, welchen sie durch die Gef\u00e4sswandung f\u00fchren, denn es kann von den \u00fcbrigen Gef\u00e4ssprovinzen in die absondernden nur so viel einfliessen, als aus diesen letzteren durch die Absonderung entfernt wird. Nun treten in der That aus den Nieren oder den Lungen t\u00e4glich nur einige Tausend Cubikcentimeter Fl\u00fcssigkeit aus, der Blutstrom f\u00fchrt durch diese Organe, wie uns eine \u00fcberschl\u00e4gliche Rechnung zeigt, aber t\u00e4glich viele Millionen Cubikcentimeter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen den, welchen die andern Kr\u00e4fte erzeugen.\nMan bat zuweilen neben diesem hier bervorgebobenen Unterschied die erzeugenden Kr\u00e4fte des Blutstroms auch danach geschieden, ob sie im Stande w\u00e4ren, den Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl., oder auch s\u00e4mmtliche Abschnitte des Gef\u00e4sssystems zu fuhren. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth beizulegen, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System herbeifiihren muss. Es w\u00fcrde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als die Stosskraft des Herzens hinreichen , weil im kommunizirenden R\u00f6hrensystcm sich die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen.\nDie absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom.\nDie Versuche, welche die Spannungen im Blutstrom und die Ver\u00e4nderungen in der Zeit zu messen oder zu sch\u00e4tzen trachteten, sind meist so angestellt worden, dass der Antheil, den die einzelnen stromerzeugenden Kr\u00e4fte an ihnen nehmen, nicht gesondert dargestellt werden kann. \u2014 Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen zu Rathe ziehen kann, um den Werth der bestehenden Spannung zu messen, sind so unvollkommen, dass sie niemals mehr als ganz grobe Unterschiede zweier verschiedenen Werthe erkennen lassen; \u00fcber die absoluten Werthe der verglichenen Spannungen erhalten wir aber durch sie gar keinen Aufschluss. Genaue aber weitaus nicht \u00fcberall gen\u00fcgende Messungen dieser Verh\u00e4ltnisse lassen sich durch das Manometer bei Thieren gewinnen. \u2014 Gewisse Eigent\u00fcmlichkeiten der zeitlichen Ver\u00e4nderungen in den Dr\u00fccken sind dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei Thieren scharf zu bestimmen.\nDie beim Menschen anwendbaren Mittel, um den Grad der Gef\u00e4ssspannung zu erkennen, beschr\u00e4nken sich auf den mit dem Fingerdruck zu sch\u00e4tzenden Widerstand, den ein Gef\u00e4ss der Zusammenpressung entgegenstellt, oder auf die sichtbare Ausdehnung und Farbenver\u00e4nderung gewisser Gef\u00e4ssregionen. Diese Beobachtungsweise hat man verschiedentlich zu vervollkommnen getrachtet. Einmal durch die Anwendung eines Glasr\u00f6hrchens, das an seinem obern Ende zu einer o\u00f6enen Capillare ausgezogen , an seinem untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen war. Man soll dieses Gef\u00e4ss mit Fl\u00fcssigkeit f\u00fcllen, die Blase auf die Haut setzen, welche \u00fcber eine Arterie wegl\u00e4uft, andr\u00fccken, und das Spiel der Fl\u00fcssigkeit, welches durch das Klopfen der Arterie herbeigef\u00fchrt wird, in dem engen Ausl\u00e4ufer vergr\u00f6ssert beobachten. Oder man bat auch auf die Haut, welche ein sich ausdehnendes und dann wieder zusammenziehendes Gef\u00e4ss bedeckt, den kurzen Arm eines F\u00fcblbebels aufgesetztj","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Messung der Spannungen.\n109\n(Vier or dt)*) und die Exkursion des langem beobachtet. Wollte man nun aus diesen Beobachtungen Schl\u00fcsse auf die in dem Gef\u00e4ss wirksamen Spannungen ziehen, so d\u00fcrfte mau nicht vergessen: 1) dass die Ausdehnung eines Gef\u00e4sses um denselben Werth durchaus nicht einen gleichen Zuwachs von Spannung bedeutet, denn wenn der Durchmesser eines und desselben Gef\u00e4sses das einemal von 1 CM. zu 2 CM. und das anderemal von 2 CM. zu 3 CM. zugenommen hat, so m\u00fcssen die Spannungen, welche in den beiden F\u00e4llen gleiche Durchmesservergr\u00f6sserung erzeugten , ganz ungleichen Werth besessen haben, und zwar in dem letzteren Fall einen gr\u00f6sseren, als in dem ersteren. Und dieses muss darum statt haben, weil die Arterienh\u00e4ute die allgemeine Eigenschaft durchfeuchteter Thiergewebe besitzen, mit steigender Spannung ihre Elastizit\u00e4tscoefficienten zu erh\u00f6heu. Da nun aber die obigen Verfahren in beiden F\u00e4llen gleichen Ausschlag geben w\u00fcrden, so sind ihre Angaben keine vergleichbaren Werthe. \u2014 Diese Eigent\u00fcmlichkeiten der Gef\u00e4sshaut verlangen es nun auch, wenn nicht alle ihre auf Spannungswerthe bez\u00fcgliche Angaben illusorisch werden sollen, dass man jedesmal die Werkzeuge unter demselben Druck auf die das Gef\u00e4ss bedeckende Haut aufsetzt. Denn wenn man das einemal sie mehr und das anderemal weniger zusammendr\u00fcckt, so muss dieselbe Spannungsver\u00e4nderung einen ganz verschiedenen Ausschlag geben. Diese Forderung ist aber nicht zu erf\u00fcllen, wo es sich um so feine Ver\u00e4nderungen handelt, welche nun durch das Instrument (mit allen Fehlern versehen) vergr\u00f6ssert angegeben werden. \u2014 2) Die obigen Instrumente werden nicht auf das Gef\u00e4ss, sondern auf die dasselbe bedeckenden Gebilde (Bindegewebe, Scheiden und Haut) aufgesetzt. Jede w\u00e4hrend des Versuchs ver\u00e4nderte Spannung dieser Theile, sei diese durch die in ihr eingewebten Muskeln oder durch eine Anf\u00fcllung ihrer Blutcapillaren erzeugt, muss einen Fehler geben, denn hierdurch wird die Nachgiebigkeit dieser Theile und damit, unabh\u00e4ngig von der Spannung des Bluts, die Wirkung der Arterie auf das Instrument ver\u00e4ndert. 3) Endlich d\u00fcrfte es namentlich bei Anwendung des F\u00fchlhebels schwer zu vermeiden sein, dass derselbe bei der Erweiterung des Gef\u00e4sses nicht so weit von der Haut abgeschleudert wird und bei dem R\u00fcckg\u00e4nge, je nach der Geschwindigkeit desselben, mehr oder weniger tief eingedr\u00fcckt werde, dass die wesentlichsten Ungenauigkeiten erzeugt werden mussten. \u2014 Wenn sich somit diese Instrumente als Mittel zur Vergleichung der Spannungen unbrauchbar erweisen, so sind sie dagegen w erthvoll zur Bestimmung gewisser zeitlicher Ver\u00e4nderungen, z. B. des Abstandes zweier Pulsschl\u00e4ge von einander. Um diese Angaben zu gewinnen, gen\u00fcgt es, die Auf-und Abg\u00e4nge des langen Hebelarms auf einen mit bekannter Geschwindigkeit rotirenden Cylinder aufschreiben zu lassen (Vierordt).\u2014 In einzelnen F\u00e4llen ist es auch vortheilhaft gewesen, das Metronom zu gebrauchen, um ein ungef\u00e4hres Maass f\u00fcr den zeitlichen Abstand zweier Pulsschl\u00e4ge zu erhalten. Don-ders stellt das Instrument so ein, dass die Schl\u00e4ge desselben mit denen des Pulses zusammenfallen. Wird nun durch irgend welchen Umstand die Schlagfolge des Herzens vor\u00fcbergehend ge\u00e4ndert, so ist aus der Vergleichung mit dem Metronom leicht anzugeben, ob die Herzpausen verl\u00e4ngert oder verk\u00fcrzt sind.\nZur Messung der Spannungen bei Thieren hedient man sich auch hier des Druck\u201c Schreibers (Fig. 42.) Er hat vor allen \u00fcbrigen denkbaren Instrumenten den Vorzug, dass die \u00dflutspannung durch eine Fl\u00fcssigkeit gemessen wird ; es muss bei der Gleichartigkeit des messenden und gemessenen Mediums die vollst\u00e4ndigste Ausgleichung stattfinden, und es sind die Angaben des Messinstruments sogleich brauchbar, obne irgend welchen Umsatz in ein anderes Maass erfahren zu m\u00fcssen. \u2014 Aber trotz dieser Vorz\u00fcge ist das Instrument nicht vollkommen, weil es nicht im Stande ist, momentane Spannungsver\u00e4nderungen des Bluts richtig anzugeben. Denn da das Princip\n*) Archiv f\u00fcr physiologische Heilkunde. XIII. 284,","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nM\u00e4ngel des Druckzeicbners.\nder Messung eine Bewegung der Fl\u00fcssigkeit in dem gebogenen Rohr verlangt, so m\u00fcssen bei sehr raschen Spannungs\u00e4nderungen in den Gef\u00e4ssen, wie sie in der That beobachtet werden, F\u00e4lle eintreten: I) in welchen die spannungsanzeigenden Exkursionen im Manometer gr\u00f6sser sind, als die Spannungen in den Gef\u00e4ssen selbst. Dieser Fall wird nur eintreten, wenn man die Spannungswechsel in den Arterien misst, weil er ein rasches und sehr betr\u00e4chtliches Auf- und Absteigen des Druckes verlangt. In diesem Fall empf\u00e4ngt das Quecksilber des Manometers eine solche Beschleunigung, dass es \u00fcber das verlangte Ziel binausschiesst. 2) Die Exkursionen des Instruments werden aber auch kleiner sein k\u00f6nnen, als die des Gef\u00e4sses ; im Extreme muss sich dieses ereignen, wenn die Spannungen sich in der Zeit rasch in verschiedenem Sinne \u00e4ndern, indem sie z. B. rasch aufsteigt, pl\u00f6tzlich aber wieder absteigt, wobei zugleich das Auf- und Absteigen einen betr\u00e4chtlichen Weg zur\u00fccklegt. Da die Spannung zwischen Arterie und Manometer sich nur durch Einstr\u00f6men von Blut ausgleichen kann und dieses Einstr\u00f6men Zeit erfordert, so muss unter den beschriebenen Umst\u00e4nden die Zeit zur vollen Ausgleichung fehlen. Kehrt nun aber, weil im Gef\u00e4sssystem die Spannung wechselt, die Bewegung von oben nach unten um, so wird die Ausgleichung nach der entgegengesetzten Seite hin fehlerhaft sein, so dass das Instrument durch gegenseitige Aufhebung der Fehler das wahre Mittel der im Gef\u00e4ss bestehenden Spannung angibt. Man kann indess durch mancherlei Hilfsmittel die Spannung eines Instruments und das Gef\u00e4ss einander sehr nahe bringen. 3) Ein unvermeidlicher, aber an gr\u00f6sseren Thieren bis zum Unmerklichen herabzudr\u00fcckender Fehler liegt in dem manometrischen Verfahren darum, weil die gemessene Stelle w\u00e4hrend der Messung in das Instrument Fl\u00fcssigkeit giebt und aus ihm nimmt, sie spannt sich also, unabh\u00e4ngig von dem hinter und vor ihr gelegenen Blut, auf und ab. Aus diesem Grunde muss man die Dimension des Instruments richten nach denen des ab- und zuf\u00fchrenden Gef\u00e4sses. 4) Die Zeit der Spannungsum\u00e4nderung in dem Instrument und in dem Gef\u00e4ss ist endlich nicht genau dieselbe, sondern es geht die Umkehr nach oben oder nach unten im Manometer etwas hiuter der im Gef\u00e4ss her, des Beharrungsverm\u00f6gens wegen; ausserdem ist aber der Zeit nach die Bewegung im Instrument ein genauer Abdruck von der in dem Gef\u00e4sse. \u2014 Ueber die Verbindungen des Manometers mit dem Gef\u00e4ss, je nach der Messung des Seiten - oder Achsendrucks und je nach der Messung in Arterien und Venen, siehe C. Ludwig und Volk mann*)\nBeobachtete Spannungen in der grossen Blutbahn.\nArterien.\n1. Puls. Jede Zusammenziehung des Herzens bedingt in den Arterien eine rasch vor\u00fcbergehende, durch das ganze System fortlaufende Erweiterung, welche als Folge der Welle angesehen werden muss, die vom Herzen erregt wird. \u2014 Die Ausdehnung der Arterie geschieht, wie dieses namentlich an einem blos gelegten Gef\u00e4sse sichtbar wird, eben so wohl nach der L\u00e4nge als nach dem Durchmesser. Die Anschwellung nach der letztem Dichtung ist jedoch weniger augenf\u00e4llig, als die Verl\u00e4ngerung, welche sich durch eine Bewegung der bisher gestreckten Gef\u00e4sse besonders einleuchtend \u00e4ussert. Dieser Unterschied ist einmal begr\u00fcndet in der meist geringen Dehnbarkeit nach der queren Richtung und n\u00e4chstdem dadurch, dass das blos gelegte Gef\u00e4ss nach der L\u00e4nge hin mehr Maasseinheit sehen l\u00e4sst, als sie der Peripherie der Arterie\n\n*) Mogk, Henle u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. III. Bd. \u2014 Haemodynamik. 145.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtete Spannungen in den Arterien.\n111\nzukommen; wenn also die Ausdehnung, welche die Arterienwand nach beiden Richtungen hin erf\u00e4hrt, relativ gleich gross ist, so wird doch die nach der L\u00e4nge absolut bedeutender sein.\nPois euille *) hat in einigen F\u00e4llen bei Thieren die Vermehrung der R\u00e4umlichkeit gemessen, welche ein aliquoter Abschnitt einer Arterie erf\u00e4hrt; leider fehlen gleichzeitige Druckbestimmungen, so dass das Resultat auf kein allgemeines Interesse Anspruch machen kann. \u2014 Ueber den Streit, ob die Ausdehnung nach der Lange allein, oder nach beiden Richtungen erfolge, siehe E. H. Weber**),\nWenn die Erweiterung der Arterien beim Puls die Folge der fortschreitenden Wellenbewegung ist, so muss derselbe, wie dieses auch that-s\u00e4chlich der Fall, in jedem dem Herzen n\u00e4her gelegenen Arterienabschnitt fr\u00fcher erscheinen, als in den entfernteren. Kennt man nun die Zeit, welche nothwendig, damit das Maximum der Erweiterung von einem Ort zu einem andern von bekannter Entfernung fortschreitet, so ist damit die Geschwindigkeit des Fortschrei tens der Welle im Arteriensystem gegeben. E. H. Weber***) hat mit der Tertienuhr eine solche Bestimmung an sich ausgef\u00fchrt und gefunden, dass die Welle in 1 Sekunde um 11,250 Meter = 34,5 Fuss fortschreitet. Bemerkenswerther Weise stimmt diese Fortleitungsgeschwindigkeit mit der von ihm am Kautschouk3 rohr beobachteten \u00fcberein. \u2014 Macht man nun die Annahme, dass in einer Arterie die Wellen von einem zum andern Herzschlag andauern, so muss die Wellenl\u00e4nge gefunden werden, wenn man diese Zeit mit der Fortleitungsgeschwindigkeit multiplizirt. Aus einer solchen Betrachtung geht hervor, dass selbst bei einem sehr rasch auf einander folgenden Herzschlag die Arterienwelle den menschlichen K\u00f6rper an L\u00e4nge sehr \u00fcber-trifft.\n2. An einer und derselben Gef\u00e4ssstelle erscheint die Widerstandsf\u00e4higkeit der pulsirenden Arterie dem dr\u00fcckenden Finger ver\u00e4nderlich mit der Blutf\u00fclle des ganzen Gef\u00e4sssystems, mit der Zahl und Kraft der Athem- und Herzbewegungen, mit dem Eintritt von Stromhemmnissen im Allgemeinen, oder solchen, die diesseits und jenseits der untersuchten Stelle gelegen sind.\nDen genauen Ausdruck f\u00fcr diese Thatsachcn liefert der Druckzeichner; die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf die art. carotis, wenn nicht das Gegentheil bemerkt wird.\na. V er\u00e4nderlichkeit des Mitteldrucks eines Blutstroms mit der Blutf\u00fclle f). Nach einer Injection von erw\u00e4rmtem und geschlagenem Blut eines Thiers in die Adern eines gleichartigen andern pflogt, wie Volk mann, Go 11 u. A. erwiesen haben, die mittlere Spannung des Stroms in der Carotis zu steigen, w\u00e4hrend sie abnimmt nach grossen\n*) Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 2. Auflage. I. p. 448.\n**) Hildebrand\u2019s Anatomie. III. Bd. p. 73.\n***) Leipziger Berichte. Mathematisch - physisehe Classe. 1851. 196 u. 118. t) Volkmann, Haemodynamik. p. 464. \u2014 G oll, Henle u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. P. IV. p. 78. \u2014 Brunner, 1. c.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nVer\u00e4nderlichkeit der Stromspannung mit der Blutf\u00fclle.\nAderl\u00e4ssen. Dieser Erfolg muss jedoch nicht nothwendig eintreten, da eine Vermehrung oder Verminderung in der Beschleunigung und in dem Umfang der Herzschl\u00e4ge compensirend auftreten kann. Diese Compensation muss jedoch innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen sein, die sich aber vorerst nicht n\u00e4her bezeichnen lassen. \u2014 W\u00e4hrend eines Aderlasses muss nach denVersuchen, welche Volk mann an starren R\u00f6hren anstellte, die Spannungsabnahme am gr\u00f6ssten sein in den Gef\u00e4ssen, welche der Oeffnung zun\u00e4chst liegen, und namentlich in denjenigen, welche zwischen diesen letztem und den Capillaren sich befinden.\nb.\tWie sich unter dem Einfluss der ver\u00e4nderten Herzbewegung die Spannung \u00e4ndert, ist schon fr\u00fcher mitgetheilt worden, siehe\npag. 93 f.\nc.\tVer\u00e4nderlichkeit derSpannung mit den Athembewe-gungen *). Der Einfluss der Athembewegung auf die Spannung des arteriellen Blutes f\u00e4llt bei verschiedenen Thiergattungen und bei denselben unter abweichenden Umst\u00e4nden sehr verschieden aus. Wir betrachten hier als Prototype die Erscheinungen beim Hund und dem Pferd.\nHund. Hier ist zu unterscheiden: cc. Jeder einzelne Akt einer Athembewegung eine (In- und eine Exspiration), besitzt die Dauer meh-rer Herzschl\u00e4ge; die Zahl dieser letztem in der Minute ist eine mittlere (keine beschleunigte). \u2014 In diesem Fall gewinnt die Spannungscurve das\nin Fig. 48. wiedergegebene Ansehen. Mit der beginnenden Exspiration folgen die Zusammenziehungen des Herzens einander sehr rasch (1 bis 6). In dieser Zeit (\u00a3 bis R) steigt die mittlere Spannung sehr betr\u00e4chtlich, so dass selbst w\u00e4hrend der zwischen zwei Zusammenziehungen gelegenen Erschlaffung des Herzens entweder gar kein oder ein nur sehr unbedeutendes Sinken derSpannung zu Stande kommt. Jeder neu ein-\nFig. 48.\n\u00c6!\nM r\ntreffende Herzschlag trifft also eine h\u00f6here Spannung an, als der vorhergehende. Mit Vollendung der Exspirationsbewegung (\u00df), wenn der verengte Thorax zu seiner normalen Weite zur\u00fcckkehrt, tritt nun pl\u00f6tzlich eine lange Herzpause ein, w\u00e4hrend welcher die Spannung sehr betr\u00e4chtlich herabsinkt; auf diese folgen dann die Herzschl\u00e4ge seltener. In der darauf eintretenden Inspiration (/) ereignet es sich nun, dass w\u00e4hrend jeder Herzsystole die Spannung weniger steigt, als sie in der zugeh\u00f6rigen Diastole sinkt, so dass jeder folgende Herzschlag die Spannung auf einem\n*) C. Ludwig, M\u00fcller\u2019s Archiv. 1847. \u2014 Don der s an den angef\u00fchrten Orten.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Athembewegung beim Hunde.\t113\nniederem Grade antrifft, als der vorhergehende. \u2014 Um eine Vorstellung davon zu erhalten, wie sich der Mitteldruck von einem Herzschlage zum andern in einer vollendeten Respirationsbewegung \u00e4ndert, ist es noth-wendig, die Curve MM aus der unmittelbar gewonnenen dadurch zu con-struiren, dass man aus den w\u00e4hrend einer Herzzusammenziehung bestehenden Spannungen das Mittel nimmt, diese mittleren Werthe auf die halbe Zeit zwischen Anfang und Ende der Herzbewegung auftr\u00e4gt und darauf die Punkte durch eine Linie verbindet.\nDiese Ver\u00e4nderung in dem Werthe der mittleren Spannungen ist nun nachweislich von zwei Umst\u00e4nden abh\u00e4ngig, einmal von den Herzkr\u00e4ften und dann von dem Spannungszuwachse, welchen das Blut in der Brusth\u00f6hle durch die Bewegungen der Brustwandungen erh\u00e4lt. Der Beweiss f\u00fcr die Behauptung, dass den Bewegungen der Brustwandung ein Antheil an den Ver\u00e4nderungen der mittleren Spannung zugeschrieben werden m\u00fcsse, liegt schon darin, dass eine Proportionalit\u00e4t besteht zwischen den Spannungsver\u00e4nderungen des Inhalts der Brust und der Arterien; denn erfahrungsgem\u00e4ss steigt die arterielle Spannungscurve gerade so lange an, als die Exspirationsbewegung anh\u00e4lt, und dann erhebt sich oder sinkt dieselbe um so betr\u00e4chtlicher, je umf\u00e4nglicher die Aus- oder Einathmung geschieht. \u2014 Den Zuwachs, welchen die mittlere Spannung des Bluts w\u00e4hrend der Dauer einer Ausathmung erf\u00e4hrt, kann man sich aber nicht allein abh\u00e4ngig denken von dem Druck der zusammenfallenden Brust. Dieses vorausgesetzt, m\u00fcsste offenbar die Spannung, welche w\u00e4hrend der Exspiration zwischen Brust und der \u00e4ussern Fl\u00e4che der Gef\u00e4sswand besteht, gleich sein dem Zuwachs der Spannung in den Binnenr\u00e4umen der Gef\u00e4sse. Dieses ist aber nicht der Fall; denn eine Messung dieser Spannung in dem verschlossenen Brustkasten ergab, dass diese immer geringer als der Spannungszuwachs in den Arterien war (G. Ludwig). \u2014 Die Ver\u00e4nderung in der Zahl der Herzschl\u00e4ge kann bedingt sein entweder von einem erregenden Einfluss, welchen der zusammenfallende Brustraum auf das ausgedehnte Herz \u00fcbt, oder von reflektirten Erregungen des n. vagus. Die Annahme, dass der zuletzt erw\u00e4hnte Nerv hierbei im Spiel sei, wird durch die Thatsachen des folgenden Satzes best\u00e4tigt.\n\u00df. Jeder einzelne Akt einer Athembewegung besitzt die Dauer mehrerer Herzschl\u00e4ge, die Zahl der letzteren ist eine beschleunigte. Diesen\nFig. 49.\tFall kann man k\u00fcnstlich erzeugen, wenn man\ndie n. vagi durchschneidet. Die Erscheinungen, welche in Fig. 49. dargestellt sind, unterscheiden sich von den vorhergehenden dadurch, dass sich die Dauer und die Intensit\u00e4t der einzelnen Herzschl\u00e4ge in der Ausathmung von denen in der Einathmung nicht unterscheiden; der Spannungszuwachs ist somit nur abh\u00e4ngig\n8\nLudwig, Physiologie. II.","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Athembewegung beim Pferd.\n114\nvon dem Druck der Brustwandung, was die direkten Messungen best\u00e4tigen.\ny. Die Athem- und Herzbewegungen sind ungef\u00e4hr gleich an Zahl; bei dieser Combination sind an der arteriellen Spannungscurve die einzelnen Phasen der Athembewegung nicht mehr zu unterscheiden, obwohl ihr Einfluss offenbar noch vorhanden sein muss.\nPferd. Bei diesem Thiere gestalten sich die Erscheinungen darum sehr viel einfacher, weil die regelm\u00e4ssige Wiederkehr des Herzschlags durch die Bedingungen, welche die Athembcwegungen einleiten, nicht wesentlich beeintr\u00e4chtigt wird. Es beziehen sich demnach die durch die letzteren erzeugten Ver\u00e4nderungen in der arteriellen Spannungscurve nur auf eine Steigerung oder Minderung der durch die Herzkr\u00e4fte erzeugten Dr\u00fccke, so dass w\u00e4hrend der Herzpause die Spannung betr\u00e4chtlich abnimmt, wenn sie sich zu einer Inspirationsbewegung geseilt, w\u00e4hrend keine oder nur eine geringe Abnahme bemerkiich ist, wenn eine Herzpause und eine Exspirationsbewegung Zusammentreffen. Das Umgekehrte aber gilt von dem Steigen w\u00e4hrend der Herzzusammenziehung. \u2014 Diese Alteration der arteriellen Spannungscurve ist nun aber bemerkenswerther Weise nur dann wahrzunehmen, wenn die Herzzusammenziehungen wenig umfangreich sind und rasch aufeinander folgen und zugleich die Athem-bewegungen sehr intensiv werden. Im andern Faite ist ein Einfluss der Bewegungen der Brustwandung nicht bemerkiich.\nWendet man sich nun nach diesen Erfahrungen zu den Erscheinungen, welche der Puls beim Athmen des Menschen zeigt, so findet man, dass durch die gew\u00f6hnlichen Athembewegungen und insbesondere bei M\u00e4nnern die Pulsschl\u00e4ge weder in der zeitlichen Folge noch auch in der H\u00e4rte irgendwelche merkliche Ver\u00e4nderung erfahren, Die einzige schon fr\u00fcher hervorgehobene Beziehung zwischen dem Kreislauf und der Athem-\nbewegung, vorausgesetzt, dass der Umfang ihrer einzelnen Akte den mittleren Werth nicht \u00fcberschreitet, liegt darin, dass sich mit einer Beschleunigung der A them folge auch der Herzschlag h\u00e4ufiger einsteilt. \u2014 Bei tieferen Athembewegungen macht sich aber noch ein anderer Einfluss geltend, der sich ebensowohl durch eine Ver\u00e4nderung in der Folge als auch der Kraft der Herzschl\u00e4ge \u00e4ussert. Bei sehr tiefer Inspiration wird der Puls langsamer und weniger f\u00fchlbar, indem h\u00e4ufig der Herzschlag so schwach wird, dass man mittelst des aufgelegten Ohrs seine T\u00f6ne nicht mehr zu h\u00f6ren vermag. Diese Erscheinungsreihe wird beobachtet, gleichg\u00fcltig, ob Mund und Nase w\u00e4hrend der Erweiterung des Brustkorbs geschlossen oder ge\u00f6ffnet war. \u2014 Geht nun eine Inspiration in eine Exspiration \u00fcber, so wird der Pulsschlag schneller und voller, vorausgesetzt, dass aus dem verengerten Brustkorb die Luft entweichen konnte. Schliesst man dagegen w\u00e4hrend einer solchen Exspiration, die nach einer tiefen Inspiration gemacht wird, Mund und Nase, und presst","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Athembewegung beim Menschen.\t115\nman somit die Luft in der Brusth\u00f6hle zusammen, ohne dass sie entweichen kann, so wird der Puls zwar ebenfalls schneller, aber die Herzschl\u00e4ge werden dabei so schwach, dass bei vielen Individuen Puls u\u00fcd Herzt\u00f6ne g\u00e4nzlich zum Verschwinden kommen. Der innere Zusammenhang, der den zuletzt mitgetheilten Thatsachen gem\u00e4ss zwischen Athem- und Herzbewegungen besteht, ist noch nicht \u00fcberall klar, so viel scheint jedoch festzustehen, dass er zum grossen Theil bedingt wird durch die ver\u00e4nderten Pressungen, unter welche die Blutbeh\u00e4lter des Brustkastens gesetzt werden. \u2014 ln der tiefen Inspiration werden die Saugkr\u00e4fte der Lungen vermehrt; indem sich nun das Herz zusammenzieht, muss der linke Ventrikel nicht allein die Gewalt \u00fcberwinden, mit welcher das in der Aorta gespannte Blut die arterielle M\u00fcndung zupresst, sondern auch noch den Unterschied des Luftdrucks, welchem die \u00e4ussern Herzfl\u00e4chen und der Aorteninhalt ausgesetzt sind. Es ist denkbar, dass die Summe dieser beiden Dr\u00fccke gross genug wird, um die Entleerung des Herzens unm\u00f6glich zu machen. \u2014 In der Exspiration, und insbesondere wenn die Zusammenziehung des Brustkastens energisch ist, w\u00e4hrend die Stimmritze geschlossen und die Lungen mit Luft erf\u00fcllt sind, wird eine so starke Pressung auf die grossen K\u00f6rpervenen in dem Brust- und Bauchraum ausge\u00fcbt, dass er denjenigen des Bluts in den grossen Kopf- und Extremit\u00e4tenvenen \u00fcbertrifft; das Blut wird also aus ihnen nicht mehr nachstr\u00f6men k\u00f6nnen, und wenn dann das Herz den Vorrath an Blut, den es in der Brusth\u00f6hle findet, ersch\u00f6pft hat, so wird es bei weiteren Zusammenziehungen kein Blut mehr aus der Brusth\u00f6hle entleeren k\u00f6nnen, so dass dann der Pulsschlag verschwinden muss.\nDie Beschleunigung, welche die Herzschl\u00e4ge erfahren, kann man sich abh\u00e4ngig denken zum Theil von den Erregungen, welche das Herz durch das Zusammendr\u00fccken des Brustkastens empf\u00e4ngt, zum Theil aber auch durch Reflexe, weiche der n. vagus in Folge der ver\u00e4nderten Erregungsverh\u00e4ltnisse seiner peripheren Enden ausi\u00f6sst. \u2014 Diese Aufkl\u00e4rungen \u00fcber die Einwirkung der respiratorischen Bewegungen auf den Kreislauf des Menschen verdanken wir der Aufmerksamkeit und dem Scharfsinn von Bonders und Ed. Weber.\nd. Die Ver\u00e4nderung des Mitteldruckes*) miteinergleich-zeitigen Ver\u00e4nderung der Arterienlumina muss an zwei verschiedenen Orten untersucht werden; einmal in dem Gef\u00e4ss, welches verengert oder erweitert ist, und dann in den \u00fcbrigen R\u00f6hren, welche keine Ver\u00e4nderung ihres Durchmessers erfahren haben. \u2014 Als G oll die Messung in dem letztem Sinne f\u00fchrte, d. h. als er die Spann\u00fc\u00fcg in der Carotis bestimmte, w\u00e4hrend eine gr\u00f6ssere Zahl bedeutender Arterien unterbunden war, ergab sich eine Steigerung der Spannung im arteriellen System. S\u00f6 erhob\n*) Spengler, M\u00fcller\ns Archiv. 1844.\nVolkmann, 1. e. p. 446. \u2014 Goll, 1.\nc. p. 94.","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nEiofluss der ver\u00e4nderten Arterienlumina.\nsich z. B. bei einem Hunde nach Unterbindung der a. cruralis, carotidae, subclavia sinistra und transversa colli der Mitteldruck von 122 auf 157 MM. Hg; nach L\u00f6sung der Ligaturen ging derselbe wieder auf 129 MM. zur\u00fcck. Der Theorie entsprechend ist im Allgemeinen der Druck im Wachsen begriffen mit der vermehrten Zahl und der Gr\u00f6sse des Kalibers der unterbundenen R\u00f6hren. \u2014 Versuche \u00fcber die Folgen des Gegen-theils (der Erweiterung des Collateral-Kreislaufs) liegen nicht vor.\nSetzt man dagegen den Druckmesser in eine Arterie, welche verengert ist zwischen der gemessenen Stelle und den Capillaren, so muss der Theorie entsprechend unter allen Umst\u00e4nden eine Steigerung der Spannung an dem beobachteten Orte eintreten, weil bei unver\u00e4ndertem Zufluss der Abfluss gehemmt wird. Erfahrungsgem\u00e4ss ist nun aber diese Spannungsvermehrung viel merklicher in kleineren als in gr\u00f6sseren Arterien. So fanden u. A. Spengler und Volkmann die Spannungen nicht merklich verschieden, mochten sie dieselben messen bei vollkommen durchg\u00e4ngiger oder bei vollkommen geschlossener Carotis. Kleine Arterien, welche im Normalzust\u00e4nde niemals pulsiren, schlagen dagegen sehr heftig, wenn ihr zugeh\u00f6riges Capillarensystem geschlossen oder verengt ist, die Spannung ist also gesteigert. Der Grund f\u00fcr dieses abweichende Verhalten gr\u00f6sserer und kleinerer Gef\u00e4sse scheint in der zum Theil erfahrungsgem\u00e4ss feststehenden Bedingung gesucht werden zu m\u00fcssen, dass die Differenz der Spannungen, welche bei ungest\u00f6rtem Kreislauf zwischen zwei in einander \u00fcbergehenden Arterien grossem Kalibers bestehen, geringer ist, als zwischen zwei solchen kleineren Durchmessers. Setzen wir z. B. in dem St\u00fcck R\u00f6hrenwerk, welches Fig. 50. wiedergiebt, die Spannung in A \u2014\n100 MM. Hg, in B = 99 MM. Hg, in C = 90 MM. Hg, in D = 60 MM. Hg, so wird offenbar, wenn der Ausfluss aus B gehemmt wird, die Spannung in diesem St\u00fcck nur um (100\u2014 99) \u2014 1 MM. Hg steigen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend, wenn der Ausfluss aus D gehemmt wird, die Spannung um 30 MM. steigen muss. Diese Schlussfolgerung begr\u00fcndet sich dadurch, dass bei der Verschliessung eines Astes in diesem die ganze oder nahebei die ganze Spannung des n\u00e4chsth\u00f6her gelegenen eintreten muss, wie ohne weiteres ersichtlich, da das folgende Gef\u00e4ss ein blinder Anhang des vorhergehenden wird.\ne. Ver\u00e4nderlichkeit des Mitteldrucks mit der Entfernung des Arterien quer Schnitts vom Herzen*). Die Versuche, durch welche man festzustellen sucht, welche Spannungen gleichzeitig in\n\u25a0) C, Ludwig? r c. p. 224 und 3\u00d40. \u2014 Volkmanu, Haernodynannk, p. 173 u, f.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderung des Mitteldrucks mit der Entfernung vom Herzen.\n117\nverschiedenen Arterien bestehen, geh\u00f6ren zu den schwierigem; nach eigenen vielfachen Erfahrungen ist nur denjenigen Resultaten ein Werth beizulegen, welche mittelst des Druckzeichners gewonnen sind, und, wie sich von selbst versteht, nur denjenigen, bei welchen die untersuchten Arterien in gleichem Niveau gelegen sind , so dass die von der Schwere des Bluts herr\u00fchrenden Spannungsungleichheiten als eliminirt anzusehen sind. Die unter diesen Bedingungen gewonnenen Erfahrungen sind noch sehr wenig zahlreich. \u2014 Aus ihnen scheint aber mit Sicherheit hervorzugehen, dass in den grossen Arterien mit der wachsenden Entfernung vom Herzen die Spannung sehr wenig abnimmt, w\u00e4hrend in den Arterien kleinen Kalibers dieselbe sehr merklich abnimmt im Vergleich zu der in den grossem. Insbesondere ist festgestellt, dass die Spannung in der art. cruralis trotz ihrer betr\u00e4chtlichen Entfernung vom Herzen doch eben so gross ist, als in der art. carotis. Die Erl\u00e4uterung dieser Erscheinung hat keine Schwierigkeit, wenn man erw\u00e4gt, dass der Strom in den Arterien weder sehr rasch ist, noch auch, dass die St\u00f6sse und die Reibungen in der Aorta bis zur art. cruralis hin sehr betr\u00e4chtlich sind. In Anbetracht der Thatsache, dass das Blutgef\u00e4sswerk ein sehr komplizirtes Zweigsystem darstellt, l\u00e4sst es sich sogar denken, dass der Druck in der Cruralis noch h\u00f6her als in der Carotis sei, wie dieses in der That wiederholt beobachtet wurde. In den kleinen Arterien findet sich dagegen nach Volk mann die Spannung constant sehr viel niedriger als in den grossem ; aber auch hier f\u00e4llt sie keineswegs in dem Maasse, in welchem der Abstand das Refasses vom Herzen zu-nimml. Beispielsweise f\u00fchren wir an, dass bei einem Kalb der Mitteldruck in der a. carotis 165,5 MM. und gleichzeitig in der a. metatarsi 146 MM. Quecksilber betrug.\nf. lieber die Ergebnisse des Pulsf\u00fchle ns. Ein ge\u00fcbter Beobachter soll mit dem Finger ausser der H\u00e4ufigkeit der Wiederkehr an dem Puls unterscheiden: ob er rasch oder allm\u00e4hlig anschwillt (p. celer und tardus) ; wie weit dabei die Arterie ausgedehnt sei (plenus und vacuus) und in welchem Grade von mittlerer Spannung sich hierbei das Gef\u00e4ss befindet (p. mollis und durus). Wenn der Arzt das Zugest\u00e4nd-niss macht, dass selbst ein sehr feiner Finger nur grobe Unterschiede feststellen kann, so .wird derjenige, welcher den Strom mit scharfen Mitteln zu messen gewmhnt ist, in der That nichts einwenden gegen die Glaubw\u00fcrdigkeit der Behauptung; um so weniger, weil die obigen Angaben Bezeichnung wirklich vorkommender Zust\u00e4nde enthalten. \u2014 Denn celer oder tardus kann der Puls werden, wie die Curven des Druckzeichners darthun; der ansteigende oder absteigende Curvenast braucht zu einer gleichen Erhebung oder Senkung oft sehr verschiedene Zeit. Der Puls muss aber darum celer oder tardus werden k\u00f6nnen, weil z. B\u00bb das Herz erfahrungsgem\u00e4ss einen gleichen Umfang der Ver^","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nPulsf\u00fchlen.\nk\u00fcrzung zu verschiedenen Zeiten in ungleich langen Zeiten durchl\u00e4uft. \u2014 Dass die pulsirende Arterie bald gef\u00fcllt und bald leer sein kann, versteht sich nach einer ganzen Reihe von Mittheilungen \u00fcber den Puls von selbst. Dass aber die Arterien in gef\u00fclltem Zustande auch weich und im leeren auch hart sein k\u00f6nnen, l\u00e4sst sich nicht bestreiten, weil der Spannungsgrad, abgesehen von der F\u00fcllung, auch abh\u00e4ngig ist von dem Ela-stizit\u00e4tscoeffizienten der Wandung, so dass, wenn die Gef\u00e4sswandung schon an und f\u00fcr sich steif ist, auch die wenig gef\u00fcllte Arterie sich sehr hart anf\u00fchlen kann.\ng. lieber die zeitliche Abh\u00e4ngigkeit der Herz- und Pulsschl\u00e4ge; pulsus dicrotus. Alle Betrachtungen, die wir bis dabin anstellten, f\u00fchrten darauf, dass in bestimmten Zeitabschnitten die grossem Arterien mindestens so vielmal pulsiren m\u00fcssen, als w\u00e4hrend derselben das Herz geschlagen hat. Diese Behauptung wird so sehr durch die Erfahrung best\u00e4tigt, dass alles, was fr\u00fcher \u00fcber die Schlagfolge des Herzens angemerkt ist, auch f\u00fcr die Pulsfolge der Arterien gilt. Diese Behauptung schliesst aber die M\u00f6glichkeit nicht aus, dass auf einen Herzschlag mehrere Pulsschl\u00e4ge fallen, eine M\u00f6glichkeit, die erfahrungsgem\u00e4ss besteht, indem sehr h\u00e4utig bei einzelnen Thieren (z. B. beim Pferd) und zuweilen wenigstens beim Menschen auf je einen Herzschlag zwei Pulsschl\u00e4ge beobachtet werden, von denen der eine gew\u00f6hnlich weniger kr\u00e4ftig und k\u00fcrzer dauernd ist, als der andere. Diese Erscheinung ist unter dem Namen des pulsus dicrotus ber\u00fchmt. - Diejenigen Eigen-tb\u00fcmlichkeiten dieses Doppelschlags, welche bekannt sein m\u00fcssten, wenn der Mechanismus ihres Zustandekommens erkl\u00e4rt werden sollte, sind leider noch nicht beobachtet. Es bleibt also nichts \u00fcbrig, als einige M\u00f6glichkeiten zu er\u00f6rtern und daraus abzuleiten, auf welche Eigenth\u00fcmlich-keiten sich k\u00fcnftighin die Aufmerksamkeit zu richten hat.\nMit Hilfe des Apparats, der Seite 53 abgebildet wurde, lassen sich f\u00fcr eine H a b n \u00f6 ff-nung auf verschiedene Weise Doppelschl\u00e4ge in dem pulsirenden Rohr hervorbringen. 1) Die zweite Erhebung des Doppelschlags ist die Folge der elastischen Nachwirkung des ersten. Diese Nachschwingung ereignet sich jedesmal in einer ausgepr\u00e4gten Weise, wenn man den Wasserbeh\u00e4lter bis zu der H\u00f6he von ungef\u00e4hr t Meter mit Wasser gef\u00fcllt, das elastische Rohr und den Wasserbeh\u00e4lter mittelst eines Hahns von weiter Oeffnung in Verbindung gebracht und diesen letzteren sehr rasch ge\u00f6ffnet hat. Den auf den Seiten 3 t u. 35 entwickelten Grunds\u00e4tzen gem\u00e4ss muss die Fl\u00fcssigkeit in der Seblauehwelle zu einer hohem Spannung als in dem Wasserbeh\u00e4lter gelangen. In Folge hiervon wird sich die Schlauchwand mit einer grossen Geschwindigkeit aus= dehnen und ebenso rasch wieder zusammenfallen ; wenn nun die Schlauchwand nach der einen Seite hin verm\u00f6ge der Beharrung sich \u00fcber den Grad von Ausdehnung spannte, der ihr verm\u00f6ge des Drucks aus dem Wasserbeh\u00e4lter her zukam, so f\u00e4llt sie auch bei dem R\u00fcckgang aus dieser Spannung betr\u00e4chtlicher zusammen, als es ihr, ohne die grosse Geschwindigkeit ihrer Bewegung, die Widerst\u00e4nde der umliegenden Wandtheile m\u00f6glich machen w\u00fcrden. Hat sich aber die Geschwindigkeit eben in Folgte dieser Widerst\u00e4nde ersch\u00f6pft, so wird sie durch die Spaunung der Umgebung","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Pulsus dicrotus.\n119\nnun wieder aufw\u00e4rts getrieben ; dann erst entleert sieh das R\u00f6hrenstiick, vorausgesetzt, dass der Hahn geschlossen bleibt, allm\u00e4hlig. Der zweite Schlag ist also jedesmal weniger energisch, als der erste. \u2014 W\u00fcrde nach Analogie dieses Vorgangs der pulsus dicrotus auftreten, so m\u00fcssten: die Herzschl\u00e4ge nicht allzurasch einander folgen, damit sich die Arterie w\u00e4hrend der Herzpause bedeutend abspannen k\u00f6nnte, so dass die Bewegung der Arterienwand vom Beginn bis zum Ende des Herzschlags eine grosse Geschwindigkeit zu erlangen verm\u00f6gte ; die Herzzusammenziehung selbst m\u00fcsste aber sehr umf\u00e4nglich und dabei rasch vollendet sein ; der zweite Schlag m\u00fcsste de* ersten an Kraft nachstehen und in den vom Herzen entfernteren Arterienst\u00fccken schw\u00e4cher als in den ihm n\u00e4heren gef\u00fchlt werden. \u2014 2) In dem elastischen Rohr erfolgt ein Doppelschlag, wenn die Geschwindigkeit, mit welcher der Hahn ge\u00f6ffnet wird, eine ungleichf\u00f6rmige ist. Also z. B. wenn man die erste H\u00e4lfte der Hahnm\u00fcndung geschwind \u00f6ffnet, dann sehr kurze Zeit langsamer weiter dreht und darauf zur fr\u00fchem Umdrehungsgeschwindigkeit zur\u00fcck kehrt. In Folge dieser Art zu drehen, steigt die Spannung in dem R\u00f6hrenumfang in kurzer Zeit zuerst sehr bedeutend, dann vermindert sich die Pl\u00f6tzlichkeit derselben, um beim letzten Akt der Hahndrehung wieder rasch zu steigen. Damit erh\u00e4lt der Schlauchpuls eine f\u00fchlbare Einbiegung, die unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden einen deutlichen Doppelschlag zum Vorschein bringt. \u2014 Wenn sich im menschlichen Kreislauf dieses ereignen sollte, so m\u00fcsste die Zusammenziehung der Kammern mit einer w\u00e4hrend ihrer Dauer variablen Geschwindigkeit erfolgen; die Erscheinung w\u00fcrde wahrscheinlich sehr deutlich hervortreten. Man w\u00fcrde auf diesen Mechanismus des pulsus dicrotus schliessen d\u00fcrfen, wenn der erste Schlag desselben die Arterien zu einer geringem Spannung f\u00fchrte, als der zweite, so dass er gleichsam als ein Vorschlag des ersten erschien. Eine Best\u00e4tigung f\u00fcr die Annahme, dass der pulsus dicrotus auf diese Weise erzeugt sei, w\u00fcrde darin liegen, wenn der erste Herzton, der durch die Zusammenziehung der Kammern entsteht, sehr anhaltend und mit schwankender Intensit\u00e4t geh\u00f6rt w\u00fcrde. \u2014 3) Endlich kann man durch Wellen-retlexion einen Doppelschlag hervorbringen, vorausgesetzt nemlich , dass man in das Ruhr einen Widerstand, z. B. einem das Lumen desselben zum grossen Theil erf\u00fcllen-' den und zugleich feststehenden K\u00f6rper einf\u00fcgt, der die Bergwellen zur\u00fcckzuwerfen vermag. Auch in diesem Fall ist der zweite Schlag schw\u00e4cher, als der erste, er folgt aber diesem um so rascher, je n\u00e4her das R\u00f6hrenst\u00fcck an dem reflektirenden Widerstand liegt. Durch diese letztere Eigenschaft, durch den Nachweis des reflektirenden Widerstandes, und schliesslich dadurch, dass der pulsus dicrotus nur einzelnen, nicht aber allen Arterien zuk\u00e4me, w\u00fcrde sich im Leben diese Art von Entstehung eines Doppelpulses erkennen lassen. \u2014 Volkmann*) hat die unter den Bedingungen 1) und 2) entstehenden Doppelschl\u00e4ge vermuthungsweise abgeleitet aus Interferenzen zweier ungleich geschwinder Wellensysteme, deren Vorhandensein er im Schlauche statuirte. Der eine von diesen Wellenz\u00fcgen sollte in der Schlauchwand, der andere in der Fl\u00fcssigkeit fortschreiten. Abgesehen davon, dass \u00fcberhaupt kein Grund zur Annahme gesonderter Wellensysteme vorliegt, bleibt dieselbe immer noch die Erkl\u00e4rung daf\u00fcr schuldig, warum nur unter den geschilderten Bedingungen die Welle des Schlauchs und der Fl\u00fcssigkeit unabh\u00e4ngig von einander werden. \u2014 Die \u00e4lteren Pathologen, welche der Ansicht zuneigten, dass die Muskeln der Gef\u00e4sswand sich ebenso rythmisch contrahirten, wie die des Herzens, erkl\u00e4rten den pulsus dicrotus aus einem eigeuth\u00fcmlichen Rythmus der Gef\u00e4ssbewegung. Diese Annahme bedarf keiner Widerlegung mehr, seitdem die Bewegungen, welche in der arteriellen Gef\u00e4sswand Vorkommen k\u00f6nnen, genauer untersucht worden sind. \u2014\n2. Ueber den absoluten Werth der mittleren Spart\u201c\nv) Haemodynamik. 118 u. f.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"Verzeichnung der absoluten Spannungswertbe.\n120\nnung des Blut\u00ab in der art. carotis*). Aus zahlreichen Beobachtungen, welche sich meist auf eine minutenlange Beobachtungszeit beziehen, geht hervor, dass der Mitteldruck schwankte beim Pferd zwischen 321 bis 110 MM. Hg, beim Schaaf zwischen 206 bis 98 MM., beim Hund von 172 bis 88 MM. Hg, hei der Katze von 150 bis 71 MM. Hg, beim Kaninchen von 90 bis 50 MM. Hg.**). \u2014 Diese Erfahrungen lehren, dass zwar im Allgemeinen die Gr\u00f6sse des Thiers und der mittlere Blutdruck in der a. carotis abnehmen, aber keineswegs so, dass das bei einer kleinern Thierart beobachtete Maximum unter d?s bei dem gr\u00f6sseren gefundenen Minimum herahsinkt. Die auf den ersten Blick auffallende Erscheinung, dass Thiere von sehr verschiedener Gr\u00f6sse, wie Katzen und Pferde, einen so ann\u00e4hernd gleichen Blutdruck darbieten, beweist, dass in ihnen die den Blutdruck bestimmenden Umst\u00e4nde : Herzkraft, Blutmenge, Gesaxnmtblut der Arterien, Wandungsdicke im Verh\u00e4ltnis zum Lumen, Widerst\u00e4nde u. s. w. in den Kreislaufsapparaten der einzelnen Thiere jedesmal in der Weise gegeneinander geordnet sind, dass aus ihnen ein ann\u00e4hernd gleicher Werth des mittleren Druckes resultirt.\nEs darf nun als wahrscheinlich angenommen werden, dass der absolute Werth desMitteldrucks in der a. carotis des Menschen ebenfalls in die f\u00fcr die S\u00e4ugethiere festgestellten Grenzen f\u00e4llt; indem man dieses anerkennt, wird man aber zugleich die Unm\u00f6glichkeit des schon \u00f6fter unternommenen Beginnens einsehen, eine f\u00fcr den Menschen allgemein g\u00fctige Zahienan\u00bb g\u00e4be zu machen; denn offenbar wird beim Menschen gerade wie in den einzelnen Thiergattungen der Spannungswerth innerhalb sehr weiter Grenzen schwanken k\u00f6nnen. \u2014 Ueber Spannungsminderungen nach dem Einf\u00fchren von Arzneistoffen (Neutralsalzen, Digitalin, Chloroform, Brechweinstein) geben die schon erw\u00e4hnten Arbeiten von Blake, Brunner und Lenz Aufschluss.\nHaargef\u00e4sse.\nIhre durch Gesicht und Gef\u00fchl bestimmbare Ausdehnung, oder was dasselbe sagt, die Spannung ihres Inhalts in ein und derselben Provinz, wechselt mit dem Blutdruck in den Arterien und Venen, mit dem Durchmesser der Arterien und Venen und namentlich der zu- und abf\u00fchrenden, mit der Widerstandsf\u00e4higkeit und den Bewegungen der sie um-schliessenden Gewebe. Dem entsprechend str\u00f6mt wahrscheinlich f\u00fcr gew\u00f6hnlich das Blut in den verschiedenen Abtheilungen des Capillaren-svstems unter verschiedenen Spannungen.\na. Wenn die Spannung in den Arterien steigt, so ist damit zu-\n*) Volkmann, 1. c. p. 177.\u2014 Beutner, Henle und Pfeufer\u2019s Zeitschrift, Neue Folge. II. Bd.\n**) Dem weniger Ge\u00fcbten wird der betr\u00e4chtliche Werth der Dr\u00fccke, um die es sich handelt, vielleicht lebhafter werden, wenn er sich den Quecksilber- in den Wasserdruck \u00fcbersetzt, was in ledern Fall geschieht, wenn er die obige Zahl mit 13,5 MM. multiplizirt,","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Spannung in den Haargef\u00e4ssen.\n121\ngleich die Kraft gewachsen, welche den Einfluss in die Capillaren bestimmt, und damit die Spannung des Bluts in diesen selbst nach bekannten Grunds\u00e4tzen. Best\u00e4tigungen hierf\u00fcr finden wir an leicht ausdehnbaren Gef\u00e4ssregionen ; so dehnen sie sich aus, d. h. die von ihnen versorgten Hautst\u00fccke r\u00f6then sich, wenn das Herz rascher und intensiver schl\u00e4gt, oder wenn in anderen als den zuf\u00fchrenden Arterien der Strom unterbrochen ist; nach einem Aderlass dagegen werden die Ca-pillarenprovinzen blass u. s. w. \u2014 Gest\u00fctzt auf die Theorie, d\u00fcrfen wir vermuthen, dass die Spannung in den Capillaren nicht direkt proportional mit derjenigen in den Arterien steige, sondern immer weit hinter derselben zur\u00fcckbleibe. Denn wenn in Folge eines Spannungszuwachses in den Arterien das Einstr\u00f6men in die Capillaren auch beschleunigt wird, so kann dieses doch nicht in dem Maasse geschehen, in dem der Druck gestiegen ist, da in den engen und gebogenen Zuleitungsr\u00f6hren (den feinsten Arterien) der Widerstand mit der steigenden Stromgeschwindigkeit ungeheuer w\u00e4chst.\nb.\tSteigt dagegen die Spannung in den Venen, so muss in demselben Verh\u00e4ltnis auch diejenige in den Capillaren wachsen, welche die betreffenden Venen als Abflussr\u00f6hren benutzen. Dieses ist sogleich einleuchtend f\u00fcr den Fall, dass alle Venen, die den Abfluss aus einem Ca-pillarenrevier besorgen, verstopft sind, denn dann werden offenbar die Capillaren ein blindes Anh\u00e4ngsel an den zuf\u00fchrenden Arterien darstellen und es muss darum hier die Spannung so hoch steigen, als sie in der Arterie selbst steht. Da wir nun aus der Theorie schliessen d\u00fcrfen, dass im normalen Zustand in den Capillaren die Spannung eine viel niedrigere sei, als selbst in den letzten Arterien\u00e4sten, so muss unter den bezeichnten Umst\u00e4nden die Spannung in den erstem sehr betr\u00e4chtlich anwachsen. ln vollkommener Uebereinstimmung hiermit sehen wir denn auch, dass, wenn einigermaassen betr\u00e4chtliche Hemmungen in den abf\u00fchrenden Venen eines Capillarensystems eintreten, die Spannung in diesem ungemein ansteigt; so schwellen z. B. die Finger nach Umlegung einer Ligatur um dieselben sehr betr\u00e4chtlich an.\nc.\tMit der Verengerung des Durchmessers der kleinen in das Capillaren sys lern f\u00fchrenden Arterien muss unzweifelhaft die Spannung in den erstem niedriger werden, weil unter diesen Umst\u00e4nden die in dasselbe str\u00f6mende Blutmasse abnimmt; der Grund hierf\u00fcr liegt in der bekannten Thatsache, dass eine str\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit beim Durchgang durch enge R\u00f6hren an ihren lebendigen Kr\u00e4ften mehr einb\u00fcsst, als beim Flies-sen durch weite. Diese theoretische Folgerung hat man gew\u00f6hnlich bestritten unter Anf\u00fchrung der ebenfalls feststehenden Beobachtung, dass, wenn man innerhalb eines R\u00f6hfensystems statt eines vorher vorhandenen weiten St\u00fcckes ein enges einfiigt, w\u00e4hrend man die Kr\u00e4fte, welche die Fl\u00fcssigkeit in den Anfang des R\u00f6hrensystems eintreiben, unver\u00e4ndert er","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nAbnahme der Spannung bei verengerten Zuflussrohren,\nh\u00e4lt, in dem engen St\u00fcck die Fl\u00fcssigkeit nun geschwinder fliesst. Die obige Behauptung steht nun aber in gar keinem Widerspruch mit dieser letzten Thatsache; denn die aus dem engen St\u00fcck hervortretende Fl\u00fcssigkeitsmenge ist ein Produkt aus dem Querschnitt der R\u00f6hre in die Geschwindigkeit des in ihnen vorgehenden Stroms, und sie behauptet darum nur, dass die Geschwindigkeit nicht in dem Maasse steigt, wie der R\u00f6hrenabschnitt abnahm, eine Annahme, welche durch die hydraulischen Untersuchungen als vollkommen feststehend anzusehen ist, \u2014 Hieraus m\u00fcsste man nun folgern, dass, wenn eine Verengerung in den kleinen Arterien eintr\u00e4te, die zu ihnen geh\u00f6rigen Capillaren leerer und die von ihnen durchsetzten Gewebe somit blasser werden m\u00fcssten. Dieser Erfolg w\u00fcrde unm\u00f6glich ausbleiben k\u00f6nnen, wenn das Blut statt eines Gemenges aus fl\u00fcssigen und festen Stoffen von ungleicher Eigenschwere eine homogene Fl\u00fcssigkeit darstellte. Bei der ber\u00fchrten mechanischen Zusammensetzung kann aber eine verminderte Spannung, selbst wenn sich die Zuflussr\u00f6hren verengert haben, nur kurze Zeit bestehen, und zwar bis zu einem gewissen Grad um so k\u00fcrzere Zeit, je betr\u00e4chtlicher die kleinen Arterien verengert sind. Denn in dem langsamen Strom, der dann durch das Capillarsystem geht, m\u00fcssen sich die schweren Blutk\u00f6rperchen anh\u00e4ufen und zusammendr\u00e4ngen. Da nun aber zwei oder mehre aneinanderiiegende Blutk\u00f6rperchen leicht dauernd zusammenkleben, so wird sich unter diesen Umst\u00e4nden ein Blutpfropf bilden, der die Capillaren selbst verstopft; so wie dieses geschehen, muss die Spannung wieder steigen. Diese f\u00fcr die Entz\u00fcndungsvorg\u00e4nge wichtige Folgerung ist zuerst von Br\u00fccke*) gezogen worden, obwohl schon Poise ui Ile**) den Hergang mit dem Mikroskop beobachtet hat, als er k\u00fcnstlich den Zufluss in ein Capillarsystem minderte.\nMit der Erweiterung der kleinen Arterien muss dagegen die Spannung des Bluts der Capillaren zunehmen, da hiermit sich die Menge der in sie einstr\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit mehrt. Doch wird diese Steigerung der Spannung, analog derjenigen, welche von einem Spannungszuwachs in den Arterien herr\u00fchrt, niemals eine sehr betr\u00e4chtliche werden k\u00f6nnen. \u2014 Verbinden sich Arterienerweiterungen und ein kr\u00e4ftiger Herzschlag, wie dieses bei Uebern\u00e4hrung des Herzens beobachtet wird, so ereignet es sich zuweilen, dass sich der Pulsschlag noch bis in die Capillaren fortsetzt, so dass jedesmal unmittelbar nach einer Herzzusammenziehung\neine vermehrte R\u00f6thung derjenigen Hautstellen eintritt, in welche sich\n$\ndie Capillaren mit erweiterten Zuflussrohren begeben.\nDie Erscheinungen werden sich nun, wie ohne weiteres klar sein wird, gerade in umgekehrter Weise einlinden m\u00fcssen, wenn sich die kleinen Venen, in die die Capillaren \u00fcbergehen, verengern oder erwei-\n*) Heber die Mechanik des Entziindungsprozess.es. Archiv f. physiolog. Heilkunde. IX. Bd. 493.\n**) Recherches sur les causes du mouvement du sang dans les vaisseaux capillaires. Paris 1335\u00bb","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Durchmesserver\u00e4oderungen kleiner Arterien und Venen.\ntern; denn offenbar wird in dem erstem Fall der Abfluss beschr\u00e4nkt, in dem letztem beg\u00fcnstigt und somit die Spannung in dem einen steigen, in dem andern aber sinken m\u00fcssen.\nBei den wichtigen Folgen, die eine ver\u00e4nderte Spannung des Bluts in den Capillaren f\u00fcr die Absonderungserscheinungen und den W\u00e4rmeverlust mit sich f\u00fchrt, ist es von Bedeutung, dass gerade die den Capillaren zun\u00e4chst gelegenen Arterien und Venen mit Muskelfasern begabt sind, mit deren Zusammenziehung und Erschlaffung der Durchmesser dieser Gef\u00e4sse betr\u00e4chtlichen Schwankungen unterworfen ist; hierdurch ist ein regulatorischer Apparat gegeben, der den Stromlauf in der einen oder andern Capillarenabtheilung bis zu einem gewissen Grade unabh\u00e4ngig von allen \u00fcbrigen erhalten kann; und in Wirklichkeit deutet manche Erscheinung darauf hin, dass er diese Aufgabe, auch erf\u00fcllt. Die Untersuchung dieses Apparates in den verschiedenen Gef\u00e4ssprovinzen ist darum eine der n\u00e4chsten Aufgaben f\u00fcr den Bearbeiter des Kreislaufs, denn bis jetzt wissen wir \u00fcber denselben nur 1) dass er w\u00e4hrend des Lebens wirksam wird, indem pl\u00f6tzlich eine ganz beschr\u00e4nkte Hautstelle erblasst oder err\u00f6thet, ein Zustand, der ebenso rasch verschwindet, als er aufgetreten war. Die Oertlichkeit der Erscheinung lehnt den Einwand ab, dass die Ver\u00e4nderung der Gef\u00e4ssf\u00fclle Folge einer allgemeinen Kreislaufsver\u00e4n-derung sein m\u00f6chte; und das pl\u00f6tzliche Entstehen und Verschwinden beweist, dass die Erscheinung nicht von einer \u00f6rtlichen Verstopfung der Gef\u00e4sslumina durch Faserstoff, Blutk\u00f6rperchen u. s. w. herr\u00fchren kann. 2) ln einzelnen Regionen, insbesondere in der Haut, stehen die Muskeln nachweislich unter dem Nerveneinfluss, hierauf deutet bei Menschen das Err\u00f6then und Erblassen der Haut des Kopfes und Halses in Folge leidenschaftlicher Erregung; die verbreitete G\u00e4nsehaut, welche nach lokaler, sensibler Affektion eintritt. Die Nerven, die zu diesen Gelassen treten, sind nur erst an der Gesichtshaut bekannt; sie verlaufen nach den Versuchen von Bernard und Budge aus dem untern Halsmark durch den Grenzstrang an die Kopfgef\u00e4sse* \u2014 Nach dieser Mittheilung darf man nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass trotz mannigfacher besonders darauf gerichteter Versuche keine andern, den Gef\u00e4ssdurch-messer ver\u00e4ndernden Nerven entdeckt worden sind. \u2014 3) Neben der Nervenerregung werden namentlich die Gef\u00e4ssmuskeln verk\u00fcrzt durch eine geringe Erniedrigung ihrer Temperatur und durch elektrische Schl\u00e4ge, w\u00e4hrend sie durch eine geringe Steigerung derselben erschlaffen.\nd. Die steigende oder abnehmende Widerstandsf\u00e4higkeit der Gewebe, in welchen die Capillaren verlaufen, \u00e4ndert nothwendig den Durchmesser ihres Querschnitts und dem entsprechend nach bekannten Grunds\u00e4tzen ihren Strom. Beispiele f\u00fcr diese Verhalten liefert die G\u00e4nsehaut, Verlust der Epidermis, Erschlaffungen der Haut, Wassererg\u00fcsse in das Bindegewebe u. s. w?","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nSpannung in der vena jugularis.\nDie Annahme, dass an den verschiedenen Orten desselben Capillaren-systems, und noch mehr, dass in verschiedenen Capillarensystemen die Spannungen wechseln, gr\u00fcndet sich weniger auf messende oder sch\u00e4tzende Versuche am Strom selbst, als auf die Vergleichung der Formen der Capil-laren und auf die Anwendung hydraulischer Prinzipien f\u00fcr diese; bei den einzelnen Organen werden wir des genauem hierauf eingehen.\nZu Messungen \u00fcber den absoluten Werth der Spannung des Blutes in den Haargef\u00e4ssen fehlt es bis dahin an einer Methode.\nVenen.\nDie Spannung in den Venen ist erfahrungsgem\u00e4ss ver\u00e4nderlich mit der Blutf\u00fclle, der mittleren Spannung im arteriellen System und ausserdem noch mit den Herzschl\u00e4gen, den Bespirationsbewegungen, den Bewegungen und Stellungen der Glieder; da aber diese Umst\u00e4nde nicht in jeder Vene sich gleich geltend machen, so werden wir ihre Folgen zun\u00e4chst in einer derselben, der vena jugularis externa angeben und darauf die Variation der Erscheinung, so weit sie an andern Venen beobachtet ist, folgen lassen. Wir bemerken im Voraus, dass \u00fcber die Folgen der ver\u00e4nderlichen Blutf\u00fclle zu den wiederholt mitgetheilten Bemerkungen nichts Weiteres zuzuf\u00fcgen ist.\nVena jugularis. a. Wenn die vena jugularis sich in mittlerer F\u00fcllung befindet und die Herzschl\u00e4ge kr\u00e4ftig sind, so ist an ihr jede Vorhofsbewegung sichtbar, indem mit der beginnenden Zusammenziehung die Vene anschwillt, w\u00e4hrend sie mit der eintretenden Diastole zusammenf\u00e4llt; in allen, selbst in den g\u00fcnstigsten F\u00e4llen, ist die sichtbare Ver\u00e4nderung in dem Gef\u00e4ssdurchmesser nicht eben betr\u00e4chtlich. Wey-rich* *) fand, dass die Spannungsabnahme, welche w\u00e4hrend der Diastole des Herzens eintrat, h\u00f6chstens einigen MM. Quecksilber entspricht. H\u00e4mmern ik**) giebt an, dass die Erweiterung der Venen bei der Vorhofs-zusammenziehung am Halse niemals merklich sei, vorausgesetzt, dass die Klappen in den Gelassen hinreichend schlossen.\nb. Die analogen Wirkungen der Brustbewegungen treten bedeutsamer hervor, indem die Vene bei kr\u00e4ftiger Exspiration jedesmal deutlich anschwillt, w\u00e4hrend sie in der vorhergehenden Inspiration ebenso bedeutend zusammenf\u00e4llt. Das Uebergewieht dieser Schwankungen \u00fcber die vorhergehenden pr\u00e4gt sich nun auch in dem mit dem Lumen der Venen communizirenden Manometer aus. Es schwankt nemlich bei einer gew\u00f6hnlichen Einathmung der Druck um das doppelte und bei einer tiefen Inspiration um mehr als das vierfache von dem, um welche ihn die Herzbewegung ver\u00e4nderte. Schwerlich d\u00fcrfte es jedoch gelingen, den absoluten Werth der Druckschwankungen zu erhalten, da\n*) De cordis adspiratione exp\u00e9rimenta. Dorpat. 1853.\n*) Prager Vierteljahrscbrift. 1853. III. Bd. p. 68.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Brust- und Herzbewegung,\n125\nsie meist in zu rascher Folge wechseln, als dass eine vollst\u00e4ndige Ausgleichung der Spannung im Manometer und in der Vene erreicht werden k\u00f6nnte.\nc.\tDie eben erw\u00e4hnten Wirkungen des Herzschlags und der Athem-bewegung geschehen offenbar unmittelbar durch die hohlen und ungenannten Venenst\u00e4mme auf die Drosselvene. Von der anderen Seite her durch die Capillaren und die Venenzweige niederer Ordnung m\u00fcssen sich dagegen beide Bewegungen geltend machen, insofern sie die Spannung in den Arterien bestimmen. Auf diesem Wege erzeugen sie allerdings ebenfalls Druckver\u00e4nderungen in dem Blute der Jugularvene, jedoch keineswegs solche, welche zeitlich oder der Gr\u00f6sse nach genau den in den Arterien bedingten entsprechen, so dass man noch die einzelnen Herzschl\u00e4ge und Respirationsbewegungen unterscheiden k\u00f6nnte. Im Allgemeinen \u00e4ndert sich nur, wenn w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit hindurch eine mittlere Spannung in der Arterie constant bleibt, auch diejenige der Vene. Als eine im wesentlichen richtige Regel kann hiernach den Untersuchungen von Brunner angegeben werden, dass, wenn l\u00e4ngere Zeit hindurch die Spannung in den Arterien absinkt, sie in der Jugularvene zunimmt und umgekehrt; der absolute Werth, um welchen die Spannung in den Venen hiebei ge\u00e4ndert wird, ist immer sehr gering gegen den, um welchen sie in den Arterien schwankt. So wurde z. B. der mittlere Druck in der art. carotis eines Hundes, dessen n. vagi durchschnitten waren, auf 122,4 MM. Quecksilber, der gleichzeitige in der Vene \u00fcber dem Sternum zu 1 bis 1,9 MM. Quecksilber bestimmt. Als nun die mit den Herzen in Verbindung stehenden Enden der n. vagi ungef\u00e4hr 30 Sekunden hindurch erregt wurden, so dass in dieser Zeit gar keine Herz- (und auch keine Athem-) Bewegung zu Stande kam, fiel der Druck in der Arterie auf 13,3 MM., in der Vene stieg er aber auf 3,8 MM. W\u00e4hrend er also in der Carotis um 109,1 MM. gesunken, hatte er sich in der Vene nur um 2,8 bis 1,9 MM. erhoben. Diese Erscheinung ist daraus erkl\u00e4rlich, dass die Anf\u00fcllung des arteriellen Hohlraums nur auf Kosten des ven\u00f6sen geschehen kann und umgekehrt; es muss also, wenn der Druck in dem einen System sinkt, nothwendig im andern ein Steigen eintre-ten (Ed. Weber). Dieser Verlust der einen Seite kann aber den Ge-winn auf der andern nicht gleich sein, weil das arterielle Gesammtlumen im Vergleich zum ven\u00f6sen eng ist, so dass, was dort eine betr\u00e4chtliche Quote des Gesammtinhalts darstellt, hier nur als eine geringe betrachtet werden muss, und weil eine Ausdehnung des arteriellen Lumens wegen seinen starken elastischen Wandungen mehr Kraft erfordert, als die d\u00fcnne Venenwand verbraucht.\nd.\tDie Bewegungen der Muskeln in den Forts\u00e4tzen des Rumpfs, dem Hals, Arm u. s. w., bringen eine merkliche Steigerung der Spannung in der Jugularvene hervor; diese ist um so bedeutender, je gef\u00fcllter","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nSpannungen anderer K\u00f6rpervenen.\ndie Venen der bewegten K\u00f6rpertheiie sind, und je rascher und je mehr ihre Lumina durch die Bewegungen zusammengedr\u00fcckt werden.\nDie Sp a nn un gs erschein un gen in den \u00fcbrigen Venen. Die mittlere Spannung nimmt in den Venen von den Zweigen gegen die St\u00e4mme hin nach Versuchen an Pferden, K\u00e4lbern, Ziegen und Hunden ah.\nIn der Hohlvene des Hundes selbst ist die mittlere Spannung geringer als der Luftdruck gefunden worden (Volk mann, C. Ludwig)*), eine Thatsache, die in vollkommener Uebereinstimmung steht mit der von Donders gegebenen Entwickelung \u00fcber die Spannung in der Brusth\u00f6hle ausserhalb der Lungen (p. 101.) ; beim Hunde schwankt nach zahl reichen Versuchen der Mitteldruck in der vena jugularis von 2 bis zu 15 MM. Hg, in den venae hrachialis und cruralis von 10 bis MM. Hg M o g k **), V o 1 k m ann***) fand ihn in der ven. facialis der Ziege zu 41 MM. Hg und gleichzeitig in der vena jugularis desselben Thiers aber zu 18 MM. Hg.\nDie Wellen, welche der Herzschlag von den Vorh\u00f6fen her erzeugt, erstrecken sich beobachtungsgem\u00e4ss niemals weit in die Zweige der obern Hohlader hinein; sie sind z. B. nur in seltenen F\u00e4llen bis in die vena axillaris zu verfolgen. \u2014 ln gr\u00f6sserer Ausdehung sind aber die von den Brustbewegungen abh\u00e4ngigen Spannungen nachweislich, namentlich beobachtet man sie an andern Thieren noch in den Hirnvenen (Eckerf), Donders)ft) und in der vena cruralis, wobei wahrscheinlich die mit dem Athmen zusammenh\u00e4ngenden Bewegungen der Baucheingeweide vermittelnd wirken. Dass ihre Wirksamkeit sich beim Menschen nicht weniger weit erstreckt, geht daraus hervor, dass die Kopf- und Halsvenen bei tiefer Exspiration anschwellen und bei tiefer Inspiration zusammenfallen. Das Volum des Arms soll ebenfalls bei tiefer Inspiration geringer werden. H a mm ern ik fff). \u2014 Zusammenpressungen der Venen durch die Muskeln der Glieder, in welchen sich dieselben verbreiten, m\u00fcssen selbstverst\u00e4ndlich vorzugsweise in den Venen der Extremit\u00e4ten und der Rumpfwandungen Vorkommen. Diese Pressungen werden nun offenbar den R\u00f6hreninhalt zugleich nach dem Herzen und den Capillaren hintreiben; dieser letzte Weg wird dem Strom aber durch die Klappen abgeschnitten, die in den erw\u00e4hnten Venen besonders zahlreich Vorkommen.\nBeobachtete Spannungen innerhalb der kleinen Blutbahn.\n1. Die Spannungswerthe des Blutes in den Lungen k\u00f6nnen begreiflich entweder erst dann gemessen werden, wenn der Brustkasten er\u00f6ffnet\n\n*) Haemodynamik. p. 355.\n*) Henle und Peufer. in. Bd. p. 73.\n***) 1 c. p. 173.\nf) Physiologische Untersuchungen \u00fcber die Bewegungen des Gehirns etc. Stuttg. 1845. ++) De bewegingen der hersenen. Nederl. lancet 2. Serie. 1850. ff t) 1. c. p. 57.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Spannungen in der kleinen Blutbahn.\n127\nist und der zum Leben nothwendige Luftwechsel in den Lungen durch einen in die Luftr\u00f6hre eingesetzten Blasebalg (k\u00fcnstliche Athmung) erhalten wird (Beutner)* **)), oder nur dann, wenn zuf\u00e4llig der Beobachtung ein Thier zu Gute kommt, dessen Herz in Folge eines Bildungsfehlers ausserhalb des Brustkastens, in der Luft, gelegen ist (Hering). Da diese Umst\u00e4nde den Beobachter ausser Stand setzen, Aufschluss zu erhalten \u00fcber die Einwirkungen des Brustkastens auf den Blutstrom in den Lungen, so gewinnen wir augenscheinlich durch jene Versuche nur Kenntnisse \u00fcber einen Strom, der allein durch das Herz erregt ist. Aus diesem Grunde ist es r\u00e4thlich , neben den wirklich gefundenen Zahlen immer auch ihr Verh\u00e4ltniss zu den gleichzeitig gefundenen Spannungs-werthen in der a. carotis anzugeben.\nAls Beutner den Druckmesser gleichzeitig in den art. pulmonalis und carotis einsetzle, fand er das Verh\u00e4ltniss des Mitteldrucks in der a. pulmonalis zur a. carotis bei Kaninchen wie 1 : 4, bei Katzen wie 1:5, bei Hunden wie 1:3. \u2014 In diesen Versuchen n\u00e4herte sich die Spannung in der a. carotis derjenigen sehr an, welche man auch bei uner\u00f6ffneter Brusth\u00f6hle erh\u00e4lt; darum darf angenommen werden, dass mindestens die Herzkr\u00e4fte keine Schw\u00e4chung erlitten hatten; dagegen war durch Ein-\nsetzung der Canule in einen grossen Ast der Pulmonalarterie offenbar die Spannung in dieser weit jenseits der normalen Grenzen gesteigert. Demnach kann man wohl, ohne einen zu grossen Fehler zu begehen, behaupten, dass er eine \u00fcber das gew\u00f6hnliche Mittel gesteigerte Spannung in der Lungenarterie, so weit diese von der Herzkraft abh\u00e4ngig ist, sich verglichen habe mit der ann\u00e4hernd normalen in der Carotis. __\nDie absoluten Zahlen f\u00fcr den Mitteldruck betrugen an Kaninchen 22 MM., an Katzen 17 MM., an Hunden 29 MM. Quecksilber.\nBeutner hat auch f\u00fcr einen Fall die Spannung in den Lungern venen der Katzen untersucht und sie zu 10 MM. Hg gefunden.\nHering, welcher seine Beobachtungen an einem Kalbe anstellte, das die angegebene Bildungshemmung (ectopia cordis) zeigte, brachte seine Messr\u00f6hren unmittelbar in die linke und rechte Herzkammer, ln diesen R\u00f6hren, welche dicht von der Muskelsubstanz umschlossen wurden, stieg die Fl\u00fcssigkeit in einem Verh\u00e4ltniss von 1:1,7, die gr\u00f6ssere Zahl geh\u00f6rte dem linken Ventrikel an.\nDa nun der Einfluss der Brustbewegung auf den Lauf des Lungenblutes dem Versuch noch nicht zug\u00e4ngig gewesen ist, so k\u00f6nnen wir zur Aufhellung dieser wichtigen Verh\u00e4ltnisse nur gelangen durch theoretische Schl\u00fcsse \u00fcber die Ver\u00e4nderungen, welche die Athembewegungen an dem Verhalten der Gef\u00e4sse erzeugen. Mit R\u00fccksicht hierauf ist nun aber zweierlei zu unterscheiden. - Einmal nemlich \u00e4ndert sich die L\u00e4nge der\n*) He nie\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. II. Bd.\n**) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. IX. Bd.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nGeschwindigkeit des Blutstroms.\nGef\u00e4sse und insbesondere der Capillaren dadurch, dass sich die Lungenbl\u00e4schen bei der Inspiration ausdehnen, w\u00e4hrend sie bei der Exspiration zusammenfallen; die wesentliche Frage, ob sich hierbei die R\u00e4umlichkeit des Gef\u00e4ssinhalts steigert oder nicht, ist noch nicht festgestellt; sie kann auch nicht einmal vermuthungsweise entschieden werden, da sich m\u00f6glicher Weise der Durchmesser der Gef\u00e4sse verengert, w\u00e4hrend ihre L\u00e4nge zunimmt. \u2014 N\u00e4chstdem \u00e4ndert sich aber auch mit der Brustbewegung die Spannung: der grossen Lungengef\u00e4sse, welche ausserhalb des Pleurasackes gelegen sind. Auf sie ist nemlich offenbar alles das anwendbar, welches f\u00fcr die grossen Gef\u00e4sse des Aortenwerkes innerhalb der Brusth\u00f6hle galt, so dass in den Venen und Arterien der Lungen die Spannung mit der Exspiration steigt, mit der Inspiration aber abnimmt.\n2. Verbindung zwischen Lungen und K\u00f6rperkreislauf. Eine besondere Hervorhebung verdient schliesslich noch die eigenth\u00fcmliche Verbindung, welche zwischen dem Aorten- und Lungenwerk besteht durch die a. bronchialis; sie bezieht, wie bekannt, ihr Blut aus der Aorta und liefert es theilweise wenigstens unmittelbar in die v. pulmonalis. Diese Gef\u00e4sse d\u00fcrften vielleicht angesehen werden als Mittel, durch welche relative Ueberf\u00fcllungen der einen oder andern Abtheilung ausgeglichen werden k\u00f6nnen.\nlieber die Geschwindigkeit des B1 u ts tro.m s.\nDie Geschwindigkeit, welche den einzelnen im Blutstrom kreisenden Theilchen zukommt, wechselt mit der Zeit und dem Ort. \u2014 Zun\u00e4chst ist es offenbar, dass von den Theilchen, welche gleichzeitig in einen und demselben Stromquerschnitte enthalten sind, diejenigen, welche an der R\u00f6hrenwand laufen, sich langsamer bewegen, als die in der Mitte gelegenen, weil ausnahmslos in allen R\u00f6hren die Wandschicht an Geschwindigkeit der Mittelschicht unterlegen ist. Zudem ist die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes auf den Blutlauf erf\u00e4hrungsgem\u00e4ss festgestellt. \u2014 Ein und dasselbe Theilchen wird aber eine verschiedene Geschwindigkeit empfangen, je nachdem es in den St\u00e4mmen oder Aesten der Arterien und Venen, oder in den Capillaren sich bewegte, und dieses wird selbst noch gelten, wenn auch das Theilchen immer in derselben relativen Stellung zu den W\u00e4nden, z. B. in der Mittelschicht, bleibt. Denn da die Querschnitte der gesammten Blutbahn auf ihrem Verlauf bald gr\u00f6sser und bald kleiner werden, da trotzdem durch jeden Querschnitt der Ge~ sammtbahn immer gleich viel Blut str\u00f6men muss, so wird nothwendig in den grossem Querschnitten die Geschwindigkeit sich vermindern m\u00fcssen. \u2014 Mit der Zeit ver\u00e4ndert sich aber die Geschwindigkeit, weil die treibenden Kr\u00e4fte, oder anders ausgedr\u00fcckt, die Spannungsunterschiede zweier unmittelbar aufeinanderfolgender Querschnitte wechseln. Dieser Wechsel ist nun aber f\u00fcr die einzelnen Gef\u00e4ssabtheilungen, wie wir wissen, nicht gleich. Im normalen Blutstrom sind diese Unterschiede","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeitsm\u00e7ssung nach E. H. Weber.\n129\nin merklichster Weise und zwar ununterbrochen vorhanden in den grossen Arterien, insbesondere des Aortensystems, dann in den grossen K\u00f6rpervenen, am wenigsten ausgesprochen sind dagegen die erw\u00e4hnten zeitlichen Ver\u00e4nderungen in den Capillaren.\nWenn man also den Blutstrom messen will, so muss man sich vor Allem dar\u00fcber verst\u00e4ndigen, ob man eine Partialgeschwindigkeit, d. h. die an einem Ort und zu einer begrenzten Zeit bestehende, oder ein Mittel aus den zeitlichen und \u00f6rtlichen Variationen zu bestimmen gedenkt. Dieses hervorzuheben ist um so weniger unn\u00fctz, als in der That die Beobachter der Blutgeschwindigkeit nicht immer darauf aufmerksam gemacht haben, und als die verschiedenen bis dahin bekannt gewordenen Methoden bald das eine und bald das andere Ziel verfolgen.\na. Methode von E. H. Weher*). Sie ist nur anwendbar f\u00fcr durchsichtige Capillaren, indem sie unter dem zusammengesetzten Mikroskop, in dessen Okular ein Glasmikrometer gelegen ist, geradezu die Zeit beobachtet, welche ein rothes Blutk\u00f6rperchen n\u00f6thig hat, um den Raum zwischen einer bestimmten Zahl von Theilstri-chen zu durchlaufen. Aus dieser Bestimmung leitet sich die Geschwindigkeit des Blutk\u00f6rperchens sogleich ab, wenn man die beobachtete Geschwindigkeit dividirt durch die Vergr\u00f6sserungszahl des angewendeten Linsenwerkes, da offenbar genau in demselben Maasse die wirkliche Geschwindigkeit erh\u00f6ht ist, in dem der durchlaufene Raum vergr\u00f6s-sert wurde. - Weil nun erfahrungsgem\u00e4ss die rothen K\u00f6rperchen in der Mitte des Stroms schwimmen (Poi seuil le), so erh\u00e4lt man durch das Weber\u2019sche Verfahren nur eine\nAngabe \u00fcber das Maximum der im Capillarrohr vorhandenen Geschwindigkeit. \u2014 Die Versuche sind bis dahin zudem nur an Kaltbl\u00fctern gelungen, inwiefern aber die Geschwindigkeit des Blutstroms bei diesen Thieren vergleichbar mit dem der Warmbl\u00fcter sei, ist nicht anzugeben, da bei beiden der Durchmesser der Gef\u00e4sse und Blutscheiben, die Blulzusammensetzung, die Temperatur und die Spannungsunterschiede des Bluts abweicben \u2014 Am Menschen w\u00e4re eine Bestimmung vielleicht m\u00f6glich beim sog. Funkensehen, weiches bekanntlich von den in den Capillaren der art. centralis retinae str\u00f6menden Blutk\u00f6rperchen abh\u00e4ngt; an S\u00e4ugethieren ausserdem in den feinsten Gef\u00e4ssen der Conjunctiva oder einer entz\u00fcndeten Cornea u. s. w.\nb. Volkmann**) wendete zur Bestimmung der Geschwindigkeit ein von ihm erfundenes Instrument, das Haemadromometer, an, welches in ein durchschnittenes Ge-f\u00e4ss eingeschoben wird; das Schema dieser Einrichtung ist in Fig. 51. dargestelit ln ihr bezeichnen A A die Enden des durchschnittenen Gef\u00e4sses, in welche das Haemo-dromometer BCDBC eingebunden ist. Dieses letztere hat einen geraden Schenkel BCCB aus Messing und einen gebogenen (J DC aus Glas. An den Orten CC, wo die Arme des gl\u00e4sernen Rohrs in das gerade m\u00fcnden, sind zwei H\u00e4hne mit anderthalbfacher Durchbohrung angebracht, die in der Zeichnung im Grundriss dargestellt sind; die durchbohrten G\u00e4nge sind schwarz schraffirt. Man erkennt, dass, wenn die durchbohrten Theile der H\u00e4hne die gezeichnete Stellung einnehmen, das Blut aus dem Gef\u00e4sse A unmittelbar durch den geraden Schenkei BCCB dringt, w\u00e4hrend der gebogene abgeschlossen ist; werden nun dagegen die H\u00e4hne um ^0\u00b0 gedreht, so ist umgekehrt der gebogene Schenkel f\u00fcr den Blutslrom er\u00f6ffnet und der gerade ihm verschlissen. An diesen H\u00e4hnen ist endlich noch die hier nicht angegebene Einrichtung\n*) M\u00fcllers Archiv. 1838. **) Haemodynamik. p. 185. von Bidder verbessert etc. Dorpat 1853. p. 11.\nLudwig, Physiologie. II.\n\u2014 In Beziehung auf die Zeitmessung ist das \"Verfahren Volk mann's worden. Siehe Lenz, exp\u00e9rimenta de rationc inter pulsus frequentum\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"J30\tGeschwindigkeitsmessung nach Volkmann.\nFig. 51.j\nJ)\nangebracht, dass immer mit dem einen Hahne sich der andere zugleich umdrehen muss, so dass in sehr kurzen Zeiten der Strom BCCB in den von B CD CB umgesetzt werden kann, \u2014 Will man eine Messung ausf\u00fchren, so f\u00fcllt man das Haemadromo-meter mit Wasser und bringt einen seiner H\u00e4hne in eine solche Stellung, dass das einstr\u00f6mende Blut durch den geraden Schenkel BCCB dringen muss. Hierauf dreht man zu einer genau bestimmten Zeit die H\u00e4hne pl\u00f6tzlich um, so dass nun das Blut nur durch den gl\u00e4sernen Schenkel einen Ausweg findet, Das in ihn eindringende Blut treibt das Wasser vor sich her. Dieses geschieht jedoch nicht der Weise, dass unmittelbar die dunkle Farbe des Bluts sich absetzte gegen die heile des Wassers, sondern es mischen sich beide, so dass auf einer Wegstrecke hierdurch alle m\u00f6glichen Abstufungen des Blutroths vom Wasser bis zum reinen Blut hin Vorkommen. Da die L\u00e4ngenausdehnung dieser Mischung keineswegs verschwindet gegen die von dem Blut w\u00e4hrend der Beobachtungszeit durchlaufene Bahn, so muss man sich dar\u00fcber verst\u00e4ndigen, welche Tinte man als Marke w\u00e4hlen will, oder anders ausgedr\u00fcckt, wie tief die Farbe der am Ende des Rohrs ankommenden Mischung sein muss, wenn man die Beobachtung f\u00fcr geschlossen erkl\u00e4ren will; Volkmann wartete jedesmal so lange, bis die tiefste Farbe, die des ungemischten Blutes, an dem Grenzstrich angelangt war.\n\"Er versichert, dass unter Ber\u00fccksichtigung dieses Umstandes und bei der von ihm gew\u00e4hlten Art, die Zeit zu bestimmen, die Geschwindigkeit in der R\u00f6hre bis auf 0,9 ihres wahren Werthes genau gemessen werden kann, so dass von dieser Seite der Fehler in die Grenzen \u00b1 eines Zehntheils vom ganzen Werth eingeschlossen sei.\nGesetzt nun aber, es sei die Geschwindigkeit, welche im Dromometer w\u00e4hrend der Beobachtung bestand, mit hinreichender Sch\u00e4rfe gemessen worden, so bleibt noch zu erforschen, in welchem Verh\u00e4ltniss die Geschwindigkeit des Blutstroms in der Glasr\u00f6hre zu derjenigen steht, welche in dem Blutgef\u00e4ss vorhanden gewesen w\u00e4re, ohne dass die Einf\u00fchrung des Instruments stattgefunden h\u00e4tte. Gleich kann die Geschwindigkeit in beiden Umst\u00e4nden nicht sein, da das Verh\u00e4ltniss zwischen Widerstand und Triebkraft nicht dasselbe geblieben ist. Die Triebkraft des Bluts ist nemlich f\u00fcr","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeitsmessung nach Hering.\n131\nbeide F\u00e4lle gleich, das will heissen, die lebendigen Kr\u00e4fte, welche auf dem Querschnitt der Arterie vorhanden sind, aus welcher das Blut jetzt in das Dromometer und fr\u00fcher in den nun durchschnittenen Arterienraum ging, sind einander, wenn auch nicht ganz aber doch sehr ann\u00e4hernd gleich. Wir schliessen dieses aus den Versuchen von Spengler, wonach die Spannung in den grossen Arterien nicht messbar ge\u00e4ndert wird, selbst wenn sie auf ihrer Capillarenseite ganz verschlossen sind. \u2014 Dagegen sind die Widerst\u00e4nde, die diese lebendigen Kr\u00e4fte in dem Strome finden, ge\u00e4ndert; denn es hat sich mit der Einsetzung des Instruments die Blutbahn nach den Capillaren hin verl\u00e4ngert und auch verengert, weil unter allen Umst\u00e4nden das Lumen der eingebundenen Glasr\u00f6hre dem der Arterien nicht gleich kommen kann. Damit steigert sich der Widerstand, und es muss die Fl\u00fcssigkeit langsamer str\u00f6men. Zu dieser Betrachtung f\u00fcgt nun aber Volk mann die Behauptung, dass die Verlangsamung des Stroms nicht sehr bedeutend sei, weil der Wiederstand in den Capillaren in beiden F\u00e4llen gemeinsam sei und gegen diesen der in der Glasr\u00f6hre verschwinde. Zur Kr\u00e4ftigung seiner Annahme *) hat er den Widerstand ermittelt, der sich in einem Dromometer entwickelt, welcher in eine Arterie eingef\u00fcgt ist; dieses geschah auf die gebr\u00e4uchliche Weise, indem er einen Druckmesser am Beginn und am Ende des Dromometers ersetzt, ln der That best\u00e4tigte sich seine Ansicht durch den Versuch mindestens in so weit, dass der Widerstand im Dromometer gering ist gegen den jenseits desselben. Zu gleicher Zeit gewinnt man aber auch bei diesen Beobachtungen die Ueberzeugung, dass die R\u00f6hren des Dromometers nicht wohl l\u00e4nger und enger h\u00e4tten sein d\u00fcrfen.\nAus den Erl\u00e4uterungen zu Volkmann\u2019s Verfahren ist es wohl schon deutlich gewordeu, dass dieses das Mittel aus den verschiedenen zeitlichen und \u00f6rtlichen Geschwindigkeiten misst, und zwar ist das von dem Instrument erworbene Mittel um einen kleinen Bruchtheil niedriger, als das wahre, was namentlich noch f\u00fcr den Fall gilt, wenn man wie Volkmann als Grenze des vorschreitenden Blutes den dunkelsten Theil der Grenzmischung ansieht.\nc. Hering**) bedient sich zur Bestimmung der Blutgeschwindigkeit eines sehr sinnreichen Mittels; wenn seine besondere Anwendung noch weitere Verbesserungen erf\u00e4hrt, so d\u00fcrfte ihm das Uebergewicht \u00fcber alle anderen Methoden nicht abzusprechen sein. Er f\u00fcgt nemlich an einem Orte in den Blutstrom ein leicht erkennbares, das Blut nicht wesentlich ver\u00e4nderndes Salz, z. B. Blutlaugensalz, ein und f\u00e4ngt an einem andern Ort sehr vorsichtig in kleinen Zeitintervallen Blut auf, bis in letzterem das Salz nachgewiesen werden kann. Kannte man nun den r\u00e4umlichen Abstand der beiden Versuchsorte, so ist damit die Geschwindigkeit des Stromes zwischen beiden sogleich gegeben. Da dieses Verfahren nur Anwendung finden kann f\u00fcr zwei nicht unbetr\u00e4chtlich von einander abstehende Orte, so giebt es das Mittel aus den verschiedenen Geschwindigkeiten , die in den einzelnen Abschnitten des dem Versuch unterworfenen Stromes bestehen. Dagegen d\u00fcrfte es vielleicht gelingen, durch das Hering\u2019sche Verfahren auch die Mittel aus s\u00e4mmtlichen Wand- und Achsenstr\u00f6men gesondert zu gewinnen; deun offenbar'giebt, wenn der Querschnitt des Arterienstroms gleichm\u00e4ssig mit Salz durchtr\u00e4nkt wird, der zuerst an dem andern Querschnitt anlangende salzhaltige Tropfen einen Werth f\u00fcr das Maximum der zwischen beiden Orten bestehenden Geschwindigkeit (d. h. der mittlern Achsengeschwindigkeit), w\u00e4hrend der zuletzt anlangende ein Maass f\u00fcr das Minimum der Geschwindigkeit (derjenigen des Wandstroms) giebt. \u2014 Ueber die allerdings noch sehr zu verbessernde Anwendung\n*) 1. c. p. 233 u. f.\n\u201dVersuche, die Schnelligkeit des Blutiaufs zu mann und Treviranus. 111. Bd. \u2014 ibidem.\nBand. p. 112.\nbestimmen. Zeitschrift fur Physiol, von Tiede-V. Bd. \u2014 Archiv f\u00fcr phisiolog. Heilkunde. XII.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nMittlere Querschnitts- und L\u00e4ngengeschwindigkeit.\ndieses un\u00fcbertrefflichen Prinzips siehe die zuletzt erw\u00e4hnte Abhandlung von Hering.\nd. H\u00e4ufig macht man auch noch von einem Princip Anwendung, das an sich allerdings unverf\u00e4nglich ist; leider ruht die Ausf\u00fchrung desselben auf zu unsichern Unterlagen. H\u00e4tte man nemlich ermittelt : die Zahl der Herzschl\u00e4ge z in der Zeiteinheit, die Menge von Blut v, welche der Ventrikel bei jeder Zusammenziehung ausst\u00f6sst, und endlich einen beliebigen Querschnitt der gesammten zum rechten oder linken Ventrikel geh\u00f6rigen Blutbahn q, so w\u00fcrde offenbar die mittlere Geschwindigkeit g gleich sein der in der Zeiteinheit aus dem Ventrikel entleerten Blutmenge vz, dividirt durch\nden Querschnitt der Bahn also g\nvz\nVon den verlangten Werthen sind aber v\nund q entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft zu ermitteln.\n1. Ueber die verschiedenen Einzelgeschwindigkeiten der Bluttheilchen, welche gleichzeitig einen und denselben Stromquerschnitt erf\u00fcllen, wie z. B. \u00fcber das Verh\u00e4ltnis der Geschwindigkeit vom Wand- und Achsenstrom, ist nichts bekannt. Wir sind darum auf die Betrachtung der mittleren Querschnitts- und der mittleren L\u00e4ngengeschwindigkeit angewiesen. Die eine derselben ist begreiflich das Mittel aus allen verschiedenen gleichzeitig auf einem und demselben Querschnitt vorhandenen Geschwindigkeiten, und die zweite ist das Mittel aus den verschiedenen mittleren Querschnittsgeschwindigkeiten, welche auf einer Beihe hintereinanderfolgender Querschnitte eines Bohres vorhanden sind.\nDie mittlere Geschwindigkeit eines Stroms durch einen beliebigen R\u00f6hrenabschnitt empfing, wie wir aus dem fr\u00fcheren kurz wiederholen, ihre Bestimmung: I) durch das Maass von Triebkr\u00e4ften, welchen die Fl\u00fcssigkeit an dem ersten R\u00f6hrenquerschnitte (am Beginn des Stromes) hesass. Hierbei war es gleichgiltig, ob diese Kr\u00e4fte in der Form von Spannung oder Geschwindigkeit vorhanden waren. Denn wenn sie in einer Geschwindigkeit der einstr\u00f6menden Masse bestehen, so wird der zweite Querschnitt um so kr\u00e4ftiger gestossen werden, je geschwinder der erste auf ihn eindringt; sind aber die Triebkr\u00e4fte Spannungen, so wird wegen der allgemeinen Eigenschaft der Fl\u00fcssigkeiten, eine Verschiedenartigkeit ihrer Spannungen auszugleichen, mit der Spannung die Geschwindigkeit wachsen. Denn es wird die Fl\u00fcssigkeit h\u00f6herer Spannung um so rascher gegen diejenige niederer dringen, je gr\u00f6sser die Kraft ist, welche die Ausgleichung verlangt. \u2014 2) Bei gleichen Triebkr\u00e4ften muss aber die Geschwindigkeit der Fl\u00fcssigkeit beim Vordringen von einem zum Querschnitte um so mehr steigen, je geringer der Gegenhalt ist, den der Inhalt des zweiten Querschnitts dem Stoss des ersten entgegensetzt. D\u00e4chte man sich alle Triebkr\u00e4fte des ersten Querschnitts unter der Form des Druckes dargestellt, so w\u00fcrde unser Satz auch so ausgedr\u00fcckt werden k\u00f6nnen, die Geschwindigkeit zwischen zwei Querschnitt steigt, alles andere gleichgesetzt, mit den Spannungsunterschieden ihrer Fl\u00fcssigkeit; dieser Ausdruck ist nemlich darum richtig, weil der Widerhalt der Fl\u00fcssigkeit im zweiten Querschnitt nur durch eine Spannung derselben m\u00f6glich ist,\u2014","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Die Geschwindigkeit des Blutstroms steigt mit dem Druckunterschied. J33\n3) Die Geschwindigkeit des Stromes muss endlich, wenn der Widerhalt des zweiten Querschnitts und die Triebkr\u00e4fte im ersten gleichgesetzt werden, um so mehr steigen, je geringer der Verlust an Triebkr\u00e4ften ist, den die Fl\u00fcssigkeit auf dem Wege von einem zum andern Querschnitt erleidet. Dieser Verlust ist aber auf der einen Seite durch die Eigenschaften des R\u00f6hrenlumens, der R\u00f6hrenwand und des fl\u00fcssigen Stoffes bedingt und auf der andern Seite durch die Geschwindigkeit und die Spannung der str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit, indem der Verlust durch Reibung und Stoss um so bedeutender wird, je kr\u00e4ftiger der Stoss ist und unter je st\u00e4rkerm Druck die Reihung vor sich geht.\nDa nun der Blutstrom doch unbezweifelt ein Strom und zwar ein solcher in R\u00f6hren ist, so m\u00fcssen diese fundamentalen S\u00e4tze auch ihre Anwendung auf ihn finden. Die ausserordentliche Verwickelung der Verh\u00e4ltnisse und insbesondere der Umstand, dass alle die Geschwindigkeit bestimmenden Umst\u00e4nde meist gleichzeitig variabel sind, hindern uns, im Genauem die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen festzustellen. So weit n\u00e4here Einsichten aber reichen, sind die Thatsachen mindestens nirgends im Widerspruch mit den obigen Grunds\u00e4tzen. Denn :\na. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit steigt nicht mit der Spannung auf einem Querschnitt , wohl aber mit Unterschied der Spannung zweier aufeinanderfolgender Querschnitte. \u2014 F\u00fcr diese Behauptung sind mancherlei Belege beizubringen. Wir haben gesehen, dass mit der steigenden Blutf\u00fclle des gesammten Gef\u00e4sswerks die Spannung des Bluts stieg, denn ein Aderlass mindert den Druck des Bluts, gleichgiltig ob dieses in der Ruhe oder in der Bewegung war, und eine Einspriitzung von Blut in das Gef\u00e4sssvstem mehrte ihn; unter diesen Umst\u00e4nden mehrt oder mindert sich aber nach Volk mann und Hering die Geschwindigkeit nicht. Eine kurze Ueberlegung zeigt sogar, dass die Geschwindigkeit des Stroms Null werden m\u00fcsse, wenn die Anf\u00fcllung der gesammten Ge-f\u00e4ssh\u00f6hlen mit Blut zu einem gewissen Werthe angestiegen w\u00e4re. Dieser Werth w\u00fcrde aber dann erreicht sein, wenn das Gef\u00e4sssystem so weit durch seinen Inhalt ausgedehnt wr\u00e4re, dass die aus dieser Ausdehnung hervorgehende Spannung der Gef\u00e4ssw\u00e4nde hinreichend w\u00e4re, um allen den Dr\u00fccken das Gegengewicht zu halten, welche vom Herzen, dem Brustkasten u. s. w. ausgehend dieselben noch weiter auszudehnen oder zusammenzupressen strebten. \u2014 Lenz hat eine grosse Zahl von Beobachtungen gesammelt, aus welchen der Druck und die Geschwindigkeit in einem Dromometer bestimmt wurden; er best\u00e4tigte ebenfalls die oben ausgesprochene Behauptung.\nDas auffallendste Beispiel f\u00fcr die Unabh\u00e4ngigkeit der Geschwindigkeit von dem absoluten Werthe der Spannungen eines oder des andern Querschnitts eines Gef\u00e4sses gew\u00e4hrt die Betrachtung des Lungen- oder K\u00f6rperkreislaufs. In den Anf\u00e4ngen beider, in der a. pulmonalis und der","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\tSpaonungs- und Geschwindigkeitsunterschiede im Blutstrom.\na. aorta, muss die Geschwindigkeit gleich sein, weil der Durchmesser beider Gef\u00e4sse nicht wesentlich von einander abweicht und beide gleich viel Blut aus dem Herzen bef\u00f6rdern m\u00fcssen. Und dennoch sind die Spannungen in beiden Gef\u00e4ssen so ungemein verschieden.\nAnders aber verh\u00e4lt sich die Geschwindigkeit, wenn man die Spannungsunterschiede in zwei aufeinander folgenden Gef\u00e4ssabschnitten zu \u00e4ndern versteht. So sinkt bekanntlich die Spannung in den Arterien nach einer Erregung der nervi vagi sehr bedeutend, und sie nimmt in den grossen Venen zu, w\u00e4hrend nach Durchschneidung der erw\u00e4hnten Nerven das umgekehrte eintritt. Dem entsprechend fand Lenz die Geschwindigkeit in der Carotis verlangsamt im ersten und erh\u00f6ht im zweiten Fall. \u2014 Augenscheinlich beschleunigt jede Zusammenpressung einer oberfl\u00e4chlichen Vene den Strom aus derselben und umgekehrt str\u00f6mt mit grosser Geschwindigkeit das anliegende Blut in eine entleerte Vene. \u2014 Mit R\u00fccksicht auf den Spannungsunterschied zweier aufeinanderfolgender Querschnitte verhalten sich nun, wie bekannt, die Gef\u00e4sse unseres K\u00f6rpers sehr verschieden. In den grossen Arterien und Venen ist dieser nemlich mit der Zeit ununterbrochen ver\u00e4nderlich, in den R\u00f6hren kleinern und kleinsten Lumens giebt es dagegen wenigstens Zeiten, in denen die Spannungsunterschiede, die im Verlauf derselben bestehen, unabh\u00e4ngig von der Zeit sind. Wir haben dieses ausf\u00fchrlicher schon fr\u00fcher auseinandergesetzt. Unsere Behauptung verlangt also, dass in den Gef\u00e4ssen gr\u00f6ssern Durchmessers auch die Geschwindigkeit einem stetigen Wechsel unterworfen ist, w\u00e4hrend sie in den kleinsten Gef\u00e4ssen eine gleichf\u00f6rmige sein muss. So verh\u00e4lt sich die Sache auch in der That, wie man sieht, wenn man die kleinsten Gef\u00e4sse mit dem Mikroskop betrachtet und in die gr\u00f6ssern ein Dromo-meter einf\u00fcgt. In dieses Instrument st\u00fcrzt das Blut mit ab- und zunehmender Beschleunigung, welche der Zeit nach den Herz- und Athem-Bewegungen entspricht, w\u00e4hrend in den Capillaren der Strom' gleiehm\u00e4s-sig dahinfliesst.\nDiese Erfahrungen er\u00f6ffnen, wie es scheint, die Aussicht, auch im Blutstrom die gesetzm\u00e4ssige Beziehung zwischen der Geschwindigkeit und dem Spannungsunterschiede zweier Querschnitte festzustellen; aber leider tr\u00fcbt sich dieselbe sogleich, wenn man bedenkt, dass mit einer ver\u00e4nderten Spannung auch alle andern Verh\u00e4ltnisse, die auf die Geschwindigkeit einen Einfluss \u00fcben, sich umgestalten, und so insbesondere die Weite und L\u00e4nge der R\u00f6hren. So lange man nun weder die Gr\u00f6sse dieser Umgestaltung noch den Einfluss derselben auf den Widerstand festzustellen vermag, wird es unm\u00f6glich sein, die soeben liingestellte Aufgabe\nzu l\u00f6sen.\nb. Die Geschwindigkeit in den verschiedenen Durchschnitten des ge-sammten Stromlaufs verh\u00e4lt sich umgekehrt wie der Fl\u00e4cheninhalt derselben, Wenn also ein Querschnitt durch den Aortenbeginn einen germ-","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeits\u00e4nderung mit dem Querschnitt, der Reibung etc.\n135\ngeren Fl\u00e4cheninhalt besitzt als ein solcher durch alle Aeste der Fortsetzung des Stammes, so muss die mittlere Geschwindigkeit in diesem letzteren um so viel geringer sein, als ihr Fl\u00e4cheninhalt den des erw\u00e4hnten Aortenquerschnitts \u00fcbertrifft. Diese Behauptung findet ihre Best\u00e4tigung in den Beobachtungen von Volkmann, welcher die Geschwindigkeit bedeutender in der a. carotis als in der a. facialis, und in dieser wieder gr\u00f6sser als in der a. metatarsea fand ; in der vena jugularis, wo sich das Strombett wieder verengt hat, war dagegen die Geschwindigkeit wieder gestiegen. \u2014 Ein \u00e4hnliches Resultat, wie diese Versuche mit dem Dromometer, giebt auch die Betrachtungen derjenigen Stromabtheilungen, welche der mikroskopischen Untersuchung zug\u00e4nglich sind, nemlich die der kleinsten Arterien und Capillaren. Man erkennt sogleich auch ohne genaue Messungen, dass der Achsenstrom, dem die rothen Blutk\u00f6rperchen folgen, sich in den kleinen Arterien viel rascher als in den Haargef\u00e4ssen bewegt. \u2014 Alles dieses ist aber die noth wendige Folge der allgemeinen Bewegungsgesetze, wonach bei demselben Vorrath an lebendiger Kraft die Geschwindigkeit abnimmt, wenn die bewegte Masse zugenommen hat.\nc.\tMit einer Ver\u00e4nderung in den Bedingungen, welche die Reibung bestimmen, ver\u00e4ndert sich auch die Geschwindigkeit im Blutstrom. Zu den Beweisen f\u00fcr diesen Satz w\u00e4ren zu z\u00e4hlen die Erfahrungen von Poiseuille, wonach in erkalteten Gef\u00e4ssen die Geschwindigkeit viel geringer ausf\u00e4llt, als in denjenigen von normaler Temperatur. Diese Erscheinung muss nach den Beobachtungen von P o is e u ille*) abgeleitet werden aus der bekannten Erfahrung, dass die kalte Fl\u00fcssigkeit sich bedeutender reibt als die warme, und zwar ist dieses darum nothwendig, weil w\u00e4hrend der durch die Abk\u00fchlung eines beschr\u00e4nkten Gef\u00e4ssreviers erzeugten Verlangsamung nicht auch gleichzeitig eine Ver\u00e4nderung im Durchmesser der beobachteten Gef\u00e4sse zu Stande kam. \u2014 Cl. Bernard verdanken wir ebenfalls eine hierher einschlagende Bemerkung. Er fand, dass das Venenblut, welches aus den Capillaren der Gesichtshaut zur\u00fcckkommt, deren zuf\u00fchrende Arterien erweitert sind in Folge der Durchschneidung des sympathischen Grenzstranges, noch arterielle Eigenschaften besitzt; es scheint demnach, als ob das Blut so rasch durch die erweiterten Gef\u00e4sse geflossen sei, dass ihm die Zeit zu seiner Umwandlung gefehlt habe.\nd.\tIn einem so vielfach verzweigten System, wie das der Blutgef\u00e4sse, m\u00fcssen unzweifelhaft Beziehungen bestehen zwischen den Geschwindigkeiten der einzelnen Abtheilungen in der Art, dass, wenn dieselbe in einem oder einigen Aesten der Aorta sinkt, sie in andern zunimmt, und umgekehrt. Andeutungen f\u00fcr das Bestehen solcher Verh\u00e4ltnisse besitzen wir in der That; so blieb z. B. bei einem Kaninchen, an dem einseitig der Grenzstrang des Halses durchschnitten war, der Druck in beiden Ca-\n**) Sur les causes etc. p. 58. u. t,","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\tAbh\u00e4ngigkeit der Geschwindigkeit vom Herzschlag.\nrotielen derselbe, trotzdem nimmt die Anf\u00fcllung der Gef\u00e4sse auf der Seite des durchchnittenen Nerven zu und in der andern ab. Diese Erscheinung ist nur daraus erkl\u00e4rbar, dass durch die Verbindungs\u00e4ste beider Gesichtsh\u00e4lften der Strom von der Seite des unverletzten auf diejenige des verletzten Nerven geht. Cl. Bernard. \u2014 ln gleicherweise kann man die Gef\u00e4ssf\u00fclle aller \u00fcbrigen Theile mindern, wenn man durch Anlegung einer S\u00e4ugpumpe um ein Glied, z. B. durch Anbringung des sog. Schr\u00f6pfstiefels, den Luftdruck auf dieses Glied herabsetzt. Indem sich damit die Gef\u00e4sse des Gliedes erweitern, nimmt der Widerstand in den Strom-bahnen desselben ab, und darum beschleunigt sich der Strom hier, w\u00e4hrend er anderswo sich verlangsamt. Er w\u00fcrde unbezweifelbar von grosser Wichtigkeit sein, das Verh\u00e4ltniss der mittleren Geschwindigkeit in den einzelnen gr\u00f6sseren Gef\u00e4ssabtheilungen, z. B. den Darm-, Nieren-, Hirn-, Muskelarterien zu kennen, weil uns mit Ber\u00fccksichtigung des Querschnitts daraus mannigfache Aufschl\u00fcsse erwachsen w\u00fcrden \u00fcber den Stoffwechsel in den von diesen Gef\u00e4ssen versorgten Organen. Leider sind wir aber hier\u00fcber noch vollkommen im Unklaren.\n2. Ueber die Abh\u00e4ngigkeit der mittleren Geschwindigkeit des Bluts von der Schlagfolge des Herzens und den Athembewegungen. Man h\u00f6rt h\u00e4ufig die Bemerkung, dass die Geschwindigkeit des Blutstroms durch die Zahl der Herzschl\u00e4ge in der Zeiteinheit bestimmt werde. Dieser Behauptung liegt begreiflich nur dann ein Sinn unter, wenn sie die Voraussetzung einschliesst, dass in allen F\u00e4llen der Ventrikel gleich viel Blut entleert und dass auf dieses Blut gleich viel lebendige Kraft \u00fcbertragen werde. Denn nur in diesem Falle werden die treibenden Kr\u00e4fte proportional den Herzschl\u00e4gen sein. Diese Voraussetzungen treffen nun aber h\u00f6chst selten ein, und somit ist auch die obige Aussage nicht mehr g\u00fctig, wie dieses im Besonderen Lenz und Hering durch dromometri-sche Versuche bewiesen haben. Je nach dem Umfang und der Schnellte-keit der einzelnen Herzzusammenziehungen k\u00f6nnen bei gleichen Pulszahlen sehr verschiedene und umgekehrt bei ungleichen Pulszahlen ganz dieselben Geschwindigkeiten bestehen. \u2014 Aehnliches gilt f\u00fcr die Athembewegungen. Hering.\n3. Ueber die absoluten Werthe der Geschwindigkeit. Der Weg, welchen das Blut mit mittlerer Querschnittsgeschwindigkeit in der Sekunde zur\u00fccklegt, ist in folgender Tabelle verzeichnet:\nThierart.\tZahld.Beobachten. Blutgef\u00e4sse. Geschwindigkeit, aus denen d. Bemerkungen.\t\t\tBeobachter.\nHund\tart.\tmittel, geringste, gr\u00f6sste. carotis. 292 205 357\tMittel gezogen. 7\t\u2014\tVolkmann.\nZiege\t55\t\u201e\t293 240 358\t3\t\u2014\tVolkmann.\nKalb\t59\t\u201e\t431\t\u2014\t-\ti\t5?\nSchaf\t55\t\u201e\t288 241 350\t7\t\u2014\t??","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Absolute Werthe der Blutgescbwindigkeit.\n137\nZahl d.Beobachten.\nThierart. Blutgef\u00e4sse. Geschwindigkeit, aus denen d. Bemerkungen. Beobachter.\nmittel, geringste, gr\u00f6sste. Mittel gezogen.\nPferd\tart. carotis 220\nKalb \u201e\t\u201e\t193\nK\u00e4lber\n\u00bb\n\u00bb\ndies. Kalb. \u201e Kalb a \u00ab\n\n105\nflies. Kalb.\n\u00bb\n\n268\n303\t7\t\u2014\tVolkmann.\n285\t13\t\u2014\tLenz.\n423 289\t3 7\t>5 )Die durchschnittenen )Vagi erregt.\t\u201d\n237\t4 i |\t^die n. vagi durchschnit-I ten ; die Minima fallen Ijedesmal an die Enden\n483\t23 <\teiner langem Versuchs-reibe (nachdem viel Na0C02l\u00f6sung in das ^Blut gekommen?)\nHund\tart. cruralis\t114\nPferd\ta. metatarsea\t56\nPferd\ta. maxillaris\t165\nHund\tvena jugul.\t225\nJunger\tCapillaren d.\nHund Mesent.\n99 232\n1\n1\n2\n1\n\nVolkmann.\n\n0,8\nFrosch- Capillaren d.\nlarve\nFrosch\n0,57 0,45 0,67\nSchwanzhaut Capillaren d. ~\t~ . _ t ,,\nScliwinimlit. \u00b0-al \u00b0'17 , \"\n24\nDer Versuch wird als nicht ganz gelungen \u00ab bezeichnet.\nEd. und\n\u201c E. H. Weber. \u2014 Valentin.\nAus den Versuchen von Hering kann eine Angabe \u00fcber die Geschwindigkeit nicht abgeleitet werden, da er den Weg nicht gemessen hat, den das von ihm in den Kreislauf gebrachte Blutlaugensalz zur\u00fccklegte. Dennoch sind seine Angaben, die sich s\u00e4mmtlich auf Pferde beziehen, nicht ohne Interesse. Um aus den Schienbeinarterien bis in den Anfang der vena saphena zu kommen, braucht das Blutlaugensalz 5 bis 10 Sekunden und zuweilen noch weniger; um aber aus einer Jugular-vene durch das Herz in die Lungen, von da zum Herzen zur\u00fcck durch ein beliebiges ihr zugeh\u00f6riges Capillarensystem in die andere vena jugularis zu gelangen, w7aren nach 4\u00ce Versuchen 15 bis 45 Sekunden n\u00f6thig. In wie weit diese Besultate mit denjenigen von Volkmann vergleichbar sind, l\u00e4sst sich nicht sagen, denn abgesehen davon, dass man die Wegstrecke nicht kenn\u2019t, ist auch dar\u00fcber nichts anzugeben, in welchem der vielen ungleich geschwinden Fl\u00fcssigkeitsf\u00e4den eines jeden Querschnitts die Geschwindigkeit gemessen ist.\nWir vers\u00e4umen nicht, noch auf ein Resultat der Untersuchungen von Volk mann und Lenz aufmerksam zu machen; darauf nemlich, dass die Geschwindigkeit in der a. carotis bei den verschiedenen S\u00e4uge-thieren, \u00e4hnlich wie dieses auch f\u00fcr die dortige Spannung galt, sich in engen Grenzen bewegt.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nVerh\u00e4ltniss der Spannungs- und Geschwiodigkeitsh\u00f6he,\nUeber die zum Stromlauf verwendeten lebendigen Kr\u00e4fte.\n1. Eine Vergleichung der hydrostatischen Werthe, welche der Spannung und Geschwindigkeit entsprechen, oder wie sich die Hydrauliker ausdr\u00fccken, der Widerstands- und Geschwindigkeitsh\u00f6he, giebt das voraussichtliche Resultat, dass die hydrostatische Druckh\u00f6he, welche die Spannung ausdr\u00fcckt, im Vergleich zu derjenigen, welche die im Strom vorhandene Geschwindigkeit erzeugen kann, im Aortensystem vom Herz bis wieder zu ihm betr\u00e4chtlich abnimmt. \u2014 Wir brauchen, indem wir diese Vergleichung f\u00fcr die a. carotis und vena jugularis des Hundes ausf\u00fchren, kaum daran zu erinnern, wie man aus der bekannten Geschwindigkeit eines Stroms die sie erzeugende Druckh\u00f6he finden kann. Siehe hier\u00fcber p. 31. Zieht man aus allen bis dahin an der art. carotis unternommenen Versuchen das Mittel, so erh\u00e4lt man f\u00fcr die Spannung in derselben einen Werth von 110 MM. Quecksilber und f\u00fcr die Geschwindigkeit in der Sekunde einen Weg von 292 MM. Berechnet man f\u00fcr diese letztere Zahl die Geschwindigkeitsh\u00f6he, und dr\u00fcckt man sie in Quecksilber aus, so wird- sie = 0,44 MM. Das Verh\u00e4ltniss von 0,44 : 1J0\n\u2014 Die beobachtete Mittelspannung in der vena jugularis ist dagegen = 8,5 MM. Quecksilber; die Geschwindigkeit = 225 MM. und die daraus berechnete und in Quecksilber ausgedr\u00fcckte Geschwindigkeitsh\u00f6he \u2014 0,26; diese Zahl verh\u00e4lt sich nun zur Spannungsh\u00f6he = 1/-\nist aber gleich l/250.\nl32,o*\nDiese Verh\u00e4ltnisszahlen haben nun, wie schon erw\u00e4hnt, gar keinen allgemein g\u00fctigen Werth, weil die Spannung auch noch von mancherlei andern Dingen, als von der Geschwindigkeit, abh\u00e4ngt. Ihre Betrachtung gew\u00e4hrt uns dagegen vollkommenen Aufschluss dar\u00fcber, warum in dem Spannungsmesser das Quecksilber immer gleich hoch stieg, mochten wir einmal seine M\u00fcndung gegen das Herz und das anderemal gegen die Capillaren kehren. Denn wenn auch in dem erstem Fall das Blut auf das Quecksilber mit seiner Spannung und seiner Geschwindigkeit zugleich dr\u00fcckte, w\u00e4hrend es in dem letztem das Quecksilber nur mit seiner Spannung zu heben suchte, so war doch der Unterschied beider Wirkungen so gering, dass er mit unseren Verfahrungsarten nicht mehr herausgestellt werden konnte.\n2. Ueber die Summen aus den lebendigen und spannenden Kr\u00e4ften des str\u00f6menden Blutes. \u2014 Um die gesammte Kraft kennen zu lernen, die einem gegebenen Abschnitte des arteriellen Systems zugef\u00fchrt werden musste, damit sich das Blut darin in dem wirklich vorhandenen Zustande (Bewegung unter einer gewissen Spannung) befinde, hat man zweierlei Kraftgr\u00f6ssen zu untersuchen. Erstens nemlich die vorhandene lebendige Kraft der Str\u00f6mung, welche bekanntlich ihren Aus-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Die Summe der lebendigen und spannenden Kr\u00e4fte.\n139\ndruck findet in dem halben Produkte aus der str\u00f6menden Masse (m) und dem Quadrate der Geschwindigkeit (c) = {rac2, wo die Masse m nach den\nin der Mechanik \u00fcblichen Einheiten auch durch - bezeichnet werden kann,\n\u00a7\nwenn p das Gewicht der betreffenden Masse und g die Beschleunigung der Schwere w\u00e4hrend einer Sekunde (=9,8 Met.) bedeutet. Zweitens aber ist die Kraftgr\u00f6sse zu betrachten, welche n\u00f6thig w\u00e4re, um dem in dem Arterienabschnitte befindlichen Blute die Spannung zu ertheilen, unter welcher es gerade gefunden wird. Nach den Grundprinzipien der Mechanik, d. h. nach dem Prinzip der Erhaltung der Kraft, muss diese Kraft auch als lebendige wieder hervorgehen, wenn man sich vorstellt, die in einem Ge-f\u00e4ssring gespannt vorhandene Blutmasse w\u00e4re in Ruhe und k\u00e4me nun unter dem Einfl\u00fcsse der Spannung in Bewegung. Sie w\u00fcrde offenbar alsdann nur so lange abfliessen, bis der Gef\u00e4ssring sein normales Lumen wieder erlangt h\u00e4tte und zwar w\u00fcrde die Geschwindigkeit des Abflusses im Verlaufe desselben ab-nehmen, da ja die Spannung selbst offenbar mit der Entleerung abnimmt. Theilt man nun die ganze Zeit dieses gedachten ungleichm\u00e4ssigen Abflusses in sehr kleine Abschnitte, so dass w\u00e4hrend eines solchen die Ausflussgeschwindigkeit f\u00fcr constant gelten darf, multiplizirt man dann die halbe Masse, die w\u00e4hrend jedes einzelnen Abschnittes ausfliesst mit dem Quadrate der Geschwindigkeit, mit welcher sie ausfliesst, und summirt alle diese Produkte, so hat man den Ausdruck der lebendigen Kraft, welche die fragliche Spannung hervorzubringen vermag und die folgeweise auch erfordert wurde, um sie zu erzeugen. Jede Spannung misst man nun durch die H\u00f6he einer S\u00e4ule derselben Fl\u00fcssigkeit, die durch ihren hydrostatischen Druck derselben das Gleichgewicht h\u00e4lt, und ist diess Maass auch namentlich geeignet, in der eben ausgef\u00fchrten Betrachtung sofort verwandt zu werden. Denn man weiss, dass ein Fl\u00fcssigkeitstheil-eben unter dem Drucke einer S\u00e4ule von der H\u00f6he h ohne Widerstand sich selbst \u00fcberlassen mit einer Geschwindigkeit entweicht, die gleich der ist, welche es erlangt haben w\u00fcrde, wenn es von der H\u00f6he h herabge-fallen w\u00e4re. Sie ist aber nach den Fallgesetzen = j/2gh, oder wenn die Fl\u00fcssigkeitsmasse, welche unter dem Drucke h, also mit dieser soeben berechneten Geschwindigkeit abfliesst = m ist, so hat sie beim Abfl\u00fcsse die lebendige Kraft,m. 2g h, die folglich unmittelbar, wenn man f\u00fcr m wieder seinen Werth \u2014 setzt, dargestellt werden kann durch ph. Jedenfalls\ner\n\u00d6\nist die Fl\u00fcssigkeitsmenge, die wirklich unter dem Druck li ausfliesst, welcher jetzt die anf\u00e4nglich in dem Gef\u00e4ssring vorhandene Spannung bedeuten mag, nur unendlich klein, also mag ihr Gewicht durch dp im Geiste der der h\u00f6heren Analysis eigenen Bezeichnungsweise vorgestellt werden. Dann w\u00e4re h.dp die Kraft, welche beim Ausflusse w\u00e4hrend des ersten kleinen Zeitabschnittes wieder lebendig wird. Bei diesem Ausfluss ist aber der Ge-","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nSumme der lebendigen uud spannenden Kr\u00e4fte.\nf\u00e4ssdurchmesser kleiner geworden, und folglich hat die Spannung, die mittels der Elastizit\u00e4tscoeffizienten der Wandungssubstanz von diesem Durchmesser abh\u00e4ngt, um etwas abgenomrnen, mag sie hL h geworden sein, nun fliesst also eine zweite Quantit\u00e4t dp unter der neuen Spannung hx ab und es ergiebt sich die Kraft dp.hx. Indem dadurch der Durchmesser von neuem vermindert wird, geht die Spannung \u00fcber in h2 < hx und im folgenden Zeitabschnittchen bekommen wir eine lebendige Kraft d p. h2 u. s. w., bis das Gef\u00e4ss auf sein normales Lumen gekommen und die Spannung ~ 0 geworden ist, daher nichts mehr ausfliessen macht. Die Summe aller dieser Gr\u00f6ssen, oder die der ganzen ausfliessenden Menge mitgetheilte lebendige Kraft w\u00e4re demnach\n= dp [h -j- h, + h .........+ hn], w'o n die sehr grosse Anzahl der\nZeitabschnitte ist, in die wir die ganze Ausflusszeit getheilt haben, die letzte Spannung jenes hn unterscheidet sich dann von 0 nur unendlich wenig, dp ist bei dieser Annahme der nte Theil der ganzen ausfliessenden Menge, die leicht so berechnet werden kann: sei L die L\u00e4nge*) und R der Halbmesser der unter der Spannung h ausgedehnten Arterie, 1 und r die L\u00e4nge und Halbmesser der ungespannten Arterie und s das spez. Gew. des Blutes, dann ist die ausfliessende Menge die Differenz zwischen dem Inhalte der ausgedehnten und ungedehnten Arterie also ;r.R2Ls \u2014 5Tr21 s oder tzs.(R2L\u2014r21 ) setzt man f\u00fcr dp jetzt seinen Werth, nem-lich den nten Theil dieser Gr\u00f6sse, in die Formel f\u00fcr die Gesammtkraft,\n, .\t,lN h+hj+h2+.............hn\nso hat man n s (R2 L r1!).------------\nd. h. die leben\nn\ndige Kraft, die der Spannung in der Arterie aequivalent ist, ist gleich dem Inhaltsunterschied der gedehnten und ungedehnten Arterie, multi-plizirt mit dem arithmetischen Mittel aus allen den Spannungen, welche heim Ausfliessen der Reihe nach Platz greifen w\u00fcrden.\nDa uns nun die Geschwindigkeiten des Stroms nur in sehr wenigen Gef\u00e4ssen bekannt ist, der Inhaltsunterschied der gedehnten und ungedehnten Gef\u00e4sse, das arithmetische Mittel aus allen Spannungen dagegen unbekannt ist und demn\u00e4chst auch nicht werden wird, so ist wenig Hoffnung zu einer allgemeinen L\u00f6sung der Aufgabe vorhanden, und noch weniger haben wir die Aussicht, die lebendigen Kr\u00e4fte allerw\u00e4rts auf ihre Quellen (das Herz, die Brustmuskeln u. s. w.) zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nNur in einem einzigen, aber gl\u00fccklicher Weise sehr bernerkenswer-then Fall, ist eine angen\u00e4herte Auswerthung der lebendigen Kraft m\u00f6glich; es ist dieses die Kraft der Blutmenge, welche in der Zeit vom Anfang einer bis zum Anfang einer zweiten Herzzusammenziehung durch das ringf\u00f6rmige St\u00fcck eines beliebigen Querschnitts der aufsteigenden Aorta str\u00f6mt, um welches, sich dieser Querschnitt erweitert hat in Folge\n) Es wurde zwar vorhin die L\u00e4nge unver\u00e4nderlich gesetzt, indessen mag hier der Allgemeinheit wegen auch diese gr\u00f6sser und kleiner werden, je nach der Spannung.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Die Absonderungen.\n141\nder Entleerung des Herzens. Da wir uns nemlich f\u00fcr berechtigt halten d\u00fcrfen, die mittlere Spannung des Bluts von einem Herzschlag zum andern in der Carotis und Aorta gleichzusetzen, und da wir annehmen k\u00f6nnen, dass die von Volk mann abgeleitete Zahl f\u00fcr die mittlere Geschwindigkeit des Bluts in der Aorta auch ann\u00e4hernd die Geschwind^-keit in dem soeben bezeichnten Ring des Aortenquerschnitts darstelle, so sind alle Bedingungen zur Berechnung vorhanden, weil der Inhalt des Bings eben nichts anderes war, als das durch einen Herzschlag entleerte\nBlut. J. B. Mayer*) und nach ihm Vierordt haben eine solche Auswertung vorgenommen. \u2014 Indem wir die in diesem Werke aufgef\u00fchrten Mittelzahlen zu Grunde legen, wonach der in der Aorta entleerte Kammerinhalt = 0,175 Kilogr., die Geschwindigkeit des Bluts in der Aorta = 0,4 Meter, die Mittelspannung in der a. carotis (u. Aorta) =2,240 Meter Blut betragen, so gelangen wir zu dem Ergebniss, dass die lebendige Kraft des durch die Aorta tretenden Herzinhaltes = 0,406 Kilogrammeter ausmache. \u2014 Diese Zahl hat nat\u00fcrlich nur die Bedeutung einer angen\u00e4herten Sch\u00e4tzung.\nII. Von den Absonderungen.\nDie Bewegungen der fl\u00fcssigen Bestandtheile des Blutes beschr\u00e4nken sich nicht bloss auf die Bahnen, welche ihnen durch die Gef\u00e4ss-r\u00f6hren vorgezeichnet sind, sondern sie durchbrechen auch die unverletzte Gef\u00e4sswand. Diesem Vorgang, den man als Absonderung (secretio) bezeichnet, steht ein anderer, die Aufsaugung (resorptio), entgegen, welcher Fl\u00fcssigkeiten, die die Gef\u00e4ssr\u00f6hren umsp\u00fclen, in diese selbst hineinf\u00fchrt. Diese beiden Bewegungen von entgegengesetzter Richtung erscheinen h\u00e4ufig gleichzeitig an demselben Orte, h\u00e4ufig auch getrennt von einander. Die Vermischung und Sonderung derselben ist wohl Veranlassung geworden, dass man diese Prozesse zum Theil vereint, zum Theil getrennt, gerade wie sie im Organismus erscheinen, abgehandelt hat. Wir werden im Nachfolgenden, dem Gebrauch der physiologischen Lehrer folgend, zwar vorzugsweise die H\u00earg\u00e2nge besprechen, welche mit einer Bewegung der fl\u00fcs-\nsigen Blutbestandtheile von der innern auf die \u00e4ussere Gef\u00e4sswand verbunden sind; dabei beschr\u00e4nken wir uns aber nicht auf diese Betrachtung, sondern wir verfolgen auch die ausgetretenen S\u00e4fte in ihren weiteren Schicksalen und nehmen zugleich die Untersuchung einer um-\ngekehrten Saftbewegung, einer Aufsaugung, mit auf, wenn sie innig mit der Absonderung verbunden sein sollte.\n*) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. IX. Bd. p. 373 und X. Bd. p. 40 u. 512.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nDie bei der Absonderung th\u00e4tigen Bedingungen.\nAllgemeiner T h e i 1.\nDie allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Einsicht in die Eigenschaften des Gef\u00e4ssinhalts gestellt werden m\u00fcssen, wenn wir die Absonderungserscheinungen begreifen sollen, verlangen: dass wir zu erfahren trachten die Eigenschaften der Fl\u00fcssigkeit (S\u00e4fte, Sekrete), welche auf der \u00e4ussern Gef\u00e4sswand zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit der Wege, auf welchen die S\u00e4fte durch die Gef\u00e4sswand dringen, und endlich die Wirkungsweise der Kr\u00e4fte, welche die S\u00e4fte aus den Gef\u00e4ss-r\u00f6hren herausbef\u00f6rdern. Ueber die Eigenschaften der.S\u00e4fte l\u00e4sst sich, wie es scheint, nichts allgemein g\u00fctiges sagen, vorausgesetzt, es wollte die Aussage dar\u00fcber hinausgehen, dass dieselben tropfbar oder gasf\u00f6rmig sein m\u00fcssten. Anders verh\u00e4lt es sich dagegen mit den beiden andern Punkten.\n1. Die H\u00e4ute, durch welche die Absonderung statt finden soll, m\u00fcssen unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weil sonst der Durchgang einer Fl\u00fcssigkeit geradezu unm\u00f6glich sein w\u00fcrde. Die Umst\u00e4nde, durch welche die H\u00e4ute auf die Absonderung von Einfluss werden, lassen sich somit zur\u00fcckf\u00fchren auf die Eigenschaften der Poren. Weiter gef\u00fchrte Ueberlegungen zeigen nun sogleich, dass in diesem Sinne zu ber\u00fccksichtigen ist: Durchmesser und L\u00e4ngen der Kan\u00e4le, resp. die Umst\u00e4nde, durch welche diese Dimensionen innerhalb einer und derselben Haut ver\u00e4nderlich werden ; ferner die Zahl der Poren in der Fl\u00e4cheneinheit der Haut; und endlich die chemische Besonderheit der innern Porenwand, resp. Einfl\u00fcsse, durch welche jene ver\u00e4nderlich werden.\nJn fr\u00fcherer Zeit pflegte man die Streitfrage zu behandeln, oh die H\u00e4ute und insbesondere die der Gef\u00e4sse mit feinen Oeffnungen, Poren, versehen oder nicht versehen seien. Dieser Streit muss aber als ein vollkommen unn\u00fctzer angesehen werden, so lange nicht jene zahlreichen in diesem Werke wiederholt vorgetragenen Gr\u00fcnde widerlegt sind, welche die Annahme bedingen, dass alle w\u00e4gbaren K\u00f6rper aus einer Zusammenh\u00e4ufung von einzelnen sehr kleinen gewichtigen Theilchen bestehen, die durch Zwischenr\u00e4ume von einander getrennt sind, und so lange, bis man es begreiflich machen kann, wie durch ein zusammenh\u00e4ngendes, den Raum gleichartig erf\u00fcllendes Gef\u00fcge w\u00e4gbarer Massen andere auf gleiche Weise gebildete Stoffe dringen sollen.\na. Poren weite. Die Durchmesser der Poren sind nicht bekannt; geradaus sind sie nicht zu messen, weil sie selbst dem Auge, das mit sehr starken Vergr\u00f6sserungen bewaffnet ist, unsichtbar bleiben, ein indirekter Maassstab ist aber noch nicht gefunden. Immerhin aber l\u00e4sst sich behaupten 1) dass die eine Membran engere Poren besitzt, als die andere ; denn es gehen beim Filtriren durch die eine Membran feine, in der Fl\u00fcssigkeit aufgeschwemmte K\u00f6rperchen hindurch, welche von einer andern zur\u00fcck gehalten werden. Der Punkt, auf den Oe st er len*) die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist durch H. Meyer\n-) Henle\u2019s und Pfeufer's Zeitschrift. V. Bd. p. 434.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Poren der H\u00e4ute.\n143\nund Donders*) weiter verfolgt worden. Nach ihnen dringen feinstes Kohlenpulver, St\u00e4rkek\u00f6rnchen, Quecksilbertr\u00f6pfchen aus dem Darmkanal in die Blutgef\u00e4sse und werden von dort wieder ausgeschieden, ohne dass Spuren von Gef\u00e4ssverletzung beobachtet werden konnten, die zud^m auch schwerlich durch die St\u00e4rkek\u00f6rnchen h\u00e4tten veranlasst werden k\u00f6nnen. Die \u00e4rztliche Erfahrung behauptet (man weiss freilich nicht mit welchem Recht), dass auch unter gewissen Umst\u00e4nden Blutk\u00f6rperchen durch die unverletzten Gef\u00e4ssw\u00e4nde hindurch gelangen k\u00f6nnten. Kann in der That der Durchtritt aller dieser Stoffe ohne die Gegenwart einer Wunde zu Stande kommen, so m\u00fcssen nat\u00fcrlich die Poren der H\u00e4ute denen des gew\u00f6hnlichen Filtrirpapiers an Gr\u00f6sse gleichkommen. \u2014 2) Ein und dieselbe Membran, welche durch eine Nebeneinanderlegung verschiedener, gleichgiltig ob gleichartiger oder ungleichartiger, Gewebs-elemente gebildet ist, wird Poren von ungleichem Durchmesser besitzen m\u00fcssen; bei einer solchen Zusammensetzung m\u00fcssen nemlich ausser den Poren zwischen den kleinsten Theilchen des homogenen Stoffes auch noch solche an den Grenzen zweier Gewebselemente zu Stande kommen. Aus diesem Grunde ist es sehr zu beachten, dass an so vielen, sonst gleichartigen H\u00e4uten und namentlich an den Wandungen der Capillargef\u00e4sse kleine Zellen, Kerne u. dgl. eingelagert sind. Eine solche Einrichtung muss nemlich den Thatsachen, die im l. Bd. p. 60. \u00fcber Quellung aufgef\u00fchrt sind, f\u00fcr den Durchtritt der Fl\u00fcssigkeiten durch Membranen von Bedeutung werden. \u2014 3) Dieselben Poren einer Membran m\u00fcssen endlich mit der Spannung dieser letztem von ver\u00e4nderlichem Durchmesser sein. Dieses folgt daraus, weil ein elastisches Gebilde bei seiner Ausdehnung eine Volum Vermehrung erf\u00e4hrt. Diese Erfahrung erl\u00e4utert sich am einfachsten aus der Annahme, dass bei der Ausdehnung die w\u00e4gbaren Atome in eine gr\u00f6ssere gegenseitige Entfernung treten, weil es nicht wohl denkbar ist, dass die festen Theile selbst, soweit sie den Raum continuirlich erf\u00fcllten, sich ausdehnen k\u00f6nnten. Wir sind um so mehr geneigt, unsere Annahme festzuhalten, weil wir sogleich bei den Filtrationserscheinungen Best\u00e4tigungen derselben lernen werden. \u2014 b) Die L\u00e4nge der Poren d\u00fcrfte, alles andere gleichgesetzt, proportional der Dicke der H\u00e4ute sein, welche sie durchbrechen; demnach m\u00fcssen sehr d\u00fcnne H\u00e4ute, wie ,z. B. diejenigen der Capillargef\u00e4sse, die k\u00fcrzesten Poren besitzen. \u2014 c) Ueber die Porenzahl in der Fl\u00e4cheneinheit einer Membran l\u00e4sst sich vielleicht aussagen, dass sie mit der Abnahme des spezifischen Gewichtes steigt. \u2014 d) Zu den Thatsachen, die wir \u00fcber die verwandtschaftlichen Eigenth\u00fcmlichkeiten der Porenwand unter dem Artikel Quellung mitgetheilt haben, ist hier nichts Neues hinzuzuf\u00fcgen; wir erinnern nur daran, dass diese Eigenschaften nicht\n*) Ibidem. N. F. I. p. 406.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nDie absondernden Kr\u00e4fte. Filtration.\nallein von der chemischen Zusammensetzung der Wand, sondern auch von der Natur der Fl\u00fcssigkeiten abh\u00e4ngig waren, welche den Porenkanal erf\u00fcllten.\n2. Die Kr\u00e4fte, welche die Fl\u00fcssigkeiten und Gase des Bluts durch die Poren treiben, bestehen nachweislich in Spannungsunterschieden* der Fl\u00fcssigkeit auf den beiden Seiten der Gef\u00e4sshaut (Filtration und Gasdiffusion), in Anziehungen zwischen den Stoffen, die ausserhalb und innerhalb der Gef\u00e4sse liegen (Hydrodiffusion), und endlich in eigent\u00fcmlichen Wirkungen der erregten Nerven auf den Gef\u00e4ssinhalt. .\nDaraus, dass uns keine weiteren Absonderungskr\u00e4fte bekannt sind, sehliessen wir nat\u00fcrlich nicht, dass ihre Aufz\u00e4hlung mit diesen dreien ersch\u00f6pft sei.\na. Filtration. Da die Gef\u00e4sswand von feinen Oeffnungen durchbrochen ist, so muss auch sogleich Fl\u00fcssigkeit durch dieselben sickern, wenn die Spannung der S\u00e4fte, welche sie innen und aussen umsp\u00fclen, eine ungleiche ist. Denn es wird sich diese ungleiche Spannung durch die Oeffnungen, mittelst der die beiden Fl\u00fcssigkeiten in Verbindung stehen, auszugleichen streben. Die Geschwindigkeit eines solchen Stromes muss aber abh\u00e4ngig sein: a. von dem Spannungsunterschied der beiden durch den Porus verbundenen Fl\u00fcssigkeiten, oder anders ausgedr\u00fcckt, von der Kraft, mit der an dem einen Porenende die Fl\u00fcssigkeit getrieben wird, und dem Widerstand, den an dem andern Ende die dort liegende Fl\u00fcssigkeit entgegengesetzt. Die gesetzlichen Beziehungen zwischen den zur Bewegung verwendbaren Dr\u00fccke und der im Porus bestehenden Geschwindigkeit, werden sich auf dem Wege der Erfahrung schwerlich ermitteln lassen, da sich noth wendig mit einer Steigerung des einseitigen Druckes auch die Poreneigenschaften \u00e4ndern. \u2014 ln den normalen Verh\u00e4ltnissen des Blutstroms \u00fcberwiegt nun gew\u00f6hnlich der Druck auf der innern Ge-f\u00e4ssfl\u00e4che denjenigen auf der \u00e4usseren; somit ist also eine aus dem Ge-f\u00e4sslumen in die Gewebe wirkende Triebkraft vorhanden. Diese letztere wird nun nicht allein gesteigert mit dem Wachsthum des Blutdruckes, sondern auch bei gleichem Blutdruck mit einer Erniedrigung der Spannung in den Gewebss\u00e4ften. Demgem\u00e4ss sehen wir, wenn nicht besondere Vorrichtungen vorhanden sind, dass der Strom aus den Blutgef\u00e4ssen den umgekehrt gerichteten \u00fcberwiegt. Und n\u00e4chstdem ist die Absonderung im Steigen begriffen, wenn der Blutdruck zunimmt, sei es, dass die Blutmenge sich gemehrt, oder einzelne Abtheilungen des arteriellen Systems verengert oder gar zugeschn\u00fcrt sind, oder den secemirenden Gef\u00e4ssabtheilungen eine relativ niedrigere Lage zugetheilt ist u. s. w. Zugleich steigert sich aber auch die Sekretion bei un-ge\u00e4ndertem Blutdruck, wenn Umst\u00e4nde in die secemirenden Organe eingef\u00fchrt werden, durch welche der dem Blut geleistete Gegendruck gemindert wird, z. B. nach der Entleerung gespannter Fl\u00fcssigkeiten (der","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"/\nFiltration, Porenweite, Natur der Fl\u00fcssigkeit.\nw\u00e4sserigen Augenfeuchtigkeit, der Cerebrospinalfl\u00fcssigkeit u. s. w.) der Abhebung des Epitheliums, der Erniedrigung des Luftdrucks u. s. w. \u2014 \u00df. Die Geschwindigkeit in dem Porenkanal \u00e4ndert sich, der Theorie gem\u00e4ss, mit der L\u00e4nge und Weite desselben, weil hier, wie bei einer jeden Str\u00f6mung in Kan\u00e4len von den Dimensionen derselben die Widerst\u00e4nde f\u00fcr die Bewegung abh\u00e4ngig sind. Aus diesem Grundsatz ist es abzuleiten, dass durch d\u00fcnne H\u00e4ute bei gleichem Filtrationsdrucke und\ngleichem Fl\u00e4cheninhalt mehr Fl\u00fcssigkeit dringt, als durch dicke, und ferner, dass die durch ein und dieselbe Membran ausfliessende Menge rascher w\u00e4chst, als der Druck, indem durch den Druck wahrscheinlich zugleich die Poren erweitert werden. Eine der vorliegenden \u00e4hnliche Betrachtung hat auch zu der Behauptung gef\u00fchrt, dass durch eine homogene Substanz die Filtration unm\u00f6glich sei. Man nimmt, wie es scheint, hierbei an, dass die intermolekularen Poren zu eng seien, um einer Fl\u00fcssigkeit den Durchgang zu gestatten, in Folge eines solchen Druckes, wie ihn eine Haut, ohne zu zerreisse\u00e7, ertragen kann. Dieser wichtige Gegenstand ist durch neue Versuche aufzuhellen. \u2014 y. Die Geschwindigkeit*) \u00e4ndert rieh mit der chemischen Zusammensetzung der durchgetriebenen Fl\u00fcssigkeit. Wistingshausen stellt die Regel auf, dass der Druck, welcher nothwendig sei, um in gleichen Zeiten eine merkliche Menge von Fl\u00fcssigkeit durch eine Haut zu treiben, in dem Maasse abnehme, in welchem das Quellungsverh\u00e4ltniss zunehme. In der That ist es eine bekannte Erfahrung, dass man den Druck der Reihe nach steigern muss, wenn man durch Harnblasenwand oder Peritonnal-haut in gleichen Zeiten ann\u00e4hernd gleich viel Wasser, Salzl\u00f6sung, Oel, Alkohol (Quecksilber?) hindurch treiben will. Wie aber Wasser zur Filtration den niedrigsten, Alkohol den h\u00f6chsten Druck verlangt, so quellen auch die erw\u00e4hnten Membranen viel mehr in Wasser als in Alkohol auf. \u2014 Diese Erscheinung erkl\u00e4rt sich mindestens theilweise dadurch, dass die Poren\u00f6ffhungen um so weiter werden m\u00fcssen, je mehr die Haut, in der sie enthalten sind, durch die eingedrungene Fl\u00fcssigkeit ausgedehnt wird. \u2014 Hier ist auch zu erw\u00e4hnen, dass durch die Anwesenheit einer Fl\u00fcssigkeit in den Poren der Durchtritt einer andern erschwert oder erleichtert werden kann ; so giebt z. B. die Anwesenheit von Oel in einer Harnblpsenwand eine Hemmung f\u00fcr den Durchgang von Wasser, und umgekehrt hindert das eingedrungene Wasser den Durchtritt des Oels. Der Grund dieser Erscheinung wird zum Theil wenigstens abh\u00e4ngig sein von der Spannung, in welche die einander zugekehrten Oberfl\u00e4chen zweier sich ber\u00fchrenden, aber nicht mischenden Fl\u00fcssigkeiten gerathen m\u00fcssen, weil die auf der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che gelegenen Theil-\n*) Liebig, Untersuchungen \u00fcber einige Ursachen der Saftbewegung. 1848. 6. \u2014 Wistinghau-sen, exp\u00e9rimenta quaed. endosmotica. Dorp. 1851. \u2014 C. Hoffmann, \u00fcber die Aufnahme des Quecksilbers und der Fette. W\u00fcrzburg 1854.\nLudwig, Physiologie. II.\n10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"|46\tFiltration; Dauer derselben, chemische Scheidung.\neben von Seiten der gleichartigen einen starkem Zug empfangen, als von Seiten der ungleichartigen. Diese Spannung dr\u00e4ngt die Theil-cben der Oberfl\u00e4che zusammen, so dass jede derselben gleichsam mit einer Haut \u00fcberzogen ist, welche ihr den Eintritt in den Porus verwehrt. Die Festigkeit dieser Haut wird sich aber steigern mit dem Unterschied der Z\u00fcge nach der einen und der andern Richtung; indem diese alle m\u00f6glichen Werthe zwischen einem Maximum und einem Minimum annehmen kann, je nachdem tlie beiden Fl\u00fcssigkeiten entweder gar keine oder eine merkliche Anziehung zu einander zeigen, wird auch die Oberfl\u00e4chenspannung sehr verschiedenartig ausfallen. Es scheint nun, als ob auf diesem Wege eine Ver\u00e4nderung in der Dichtigkeit der einander ber\u00fchrenden Oberfl\u00e4chen zweier sich nicht mischender Fl\u00fcssigkeiten, z. B. des Oels und Wassers, dadurch erzeugt werden k\u00f6nnte, dass man in dem Wasser gewisse Salze, z. B. gallensaures Natron, aufl\u00f6st. Denn es sollen Fette durch eine mit einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung dieses Salzes getr\u00e4nkte Haut hindurchtreten k\u00f6nnen (Och le no witz, Hoffmann). \u2014 d. Endlich erleidet auch, gleichen Druck vorausgesetzt, die Geschwindigkeit des Filtrationsstroms eine Ver\u00e4nderung mit der Dauer desselben, und zwar in der Art, dass die Geschwindigkeit entweder steigt, oder abnimmt. Das erstere tritt gew\u00f6hnlich ein, wenn reine, leicht bewegliche Fl\u00fcssigkeiten, das letztere, wenn salzige, vorz\u00fcglich aber wenn klebrige (z. B. eiweisshaltige) Fl\u00fcssigkeiten durch die Poren hindurchgehen. Man vermuthet, dass sich in dem Falle, in welchem sich der Widerstand mit der Dauer der Filtration mehrt, sich die Poren alim\u00e4hlig verstopfen durch einen Absatz aus der durchgehenden Fl\u00fcssigkeit. Das andere Ergebniss ist noch nicht hinreichend untersucht; es w\u00e4re namentlich interessant, zu wissen, in welcher Weise die Geschwindigkeiten mit der Zeit zunehmen.\nDie Geschwindigkeit eines Filtrationsstromes durch eine thierische Haut wird unter allen Umst\u00e4nden aber gering sein, weil in den ausserordentlich engen Kan\u00e4len, selbst wenn sie sehr kurz sind, sich doch betr\u00e4chtliche Widerst\u00e4nde finden m\u00fcssen. Diese Behauptung wird bekanntlich durch die Erfahrung best\u00e4tigt.\nDie Frage, ob mittelst der Filtration durch eine thierische Haut in einer homogenen Fl\u00fcssigkeit eine chemische Scheidung veranlasst werden k\u00f6nne, ist durch die bisherigen Versuche verneinend entschieden worden. Jedesmal zeigte die durch das Filter gedrungene Fl\u00fcssigkeit die Zusammensetzung der urspr\u00fcnglich aufgegossenen. Diese Erscheinung ist besonders dann auffallend, wenn man die Fl\u00fcssigkeiten auf die Membran bringt, welche von dieser scheinbar gar nicht aufgenommen werden k\u00f6nnen, wie z. B. conzentrirte L\u00f6sungen von Glauber- und Kochsalz. Diese Thatsache scheint in Verbindung mit anderen einmal zu erweisen (Bd. I. p. 62 .), dass die in die Poren der aufquellenden H\u00e4ute einge-","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Diffusion.\n147\ndnmgenen Fl\u00fcssigkeiten dort auf eine verschiedene Weise angeordnet sind, und dann, dass die Dr\u00fccke, welche man zur Erzeugung des Filtrationsstromes angewendet hat, gerade nur hinreichen, um die Mittelschicht, nicht aber die Wandschicht der eingedrungenen L\u00f6sung zu be-wegen. Sollte sich in der That ein allgemeiner Beweis f\u00fcr die Behauptung erbringen lassen, dass die Dr\u00fccke, weiche thierische H\u00e4ute, ohne zu zerreissen, ertragen k\u00f6nnen, nicht gen\u00fcgten, um die Wandschicht in Bewegung zu setzen, so w\u00fcrde damit dargethan sein, dass \u00fcberhaupt die Filtration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung veranlassen k\u00f6nnte. Jedenfalls m\u00fcssen wir aber, so lange ein empirischer Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz festhalten. Mit dieser Vorsicht ist man freilich nicht immer zu Werke gegangen, indem man sich auf die Ergebnisse der Filtration durch Kohle, Ziegelsteine u. s. w. berief, bei denen in der That die Zusammensetzung der durchgegangenen und der aufgegossenen Fl\u00fcssigkeit verschieden sein k\u00f6nnen. Man \u00fcbersah aber hierbei, dass die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu den im Filtrat fehlenden Bestandtheilen jene Scheidung erzeugt. Denn der Stoff, welcher der durchgelaufenen Fl\u00fcssigkeit fehlt, ist, wie die chemische Untersuchung des Kohlenfilters erweist, in ihm zur\u00fcckgehalten worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige Menge von Kohle auch nur so lange als Scheidungsmittel brauchbar, als sie sich nicht mit jenem Stoff ges\u00e4ttigt hat; so wie dieses geschehen, geht auch die aufgegossene Fl\u00fcssigkeit unver\u00e4ndert durch dieselbe. K\u00e4me nun in der That den thierischen H\u00e4uten eine \u00e4hnliche Eigenschaft, dem Blut oder andern Fl\u00fcssigkeiten gegen\u00fcber, zu, so w\u00fcrde dadurch doch keine chemische Scheidung bewirkt werden k\u00f6nnen. Denn die thierischen H\u00e4ute, welche sich an der Sekretion betheiligen, sind sehr d\u00fcnn, und die Filtrationsstr\u00f6me gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit durch sie hindurch, so dass der Stoff ihrer Porenwandungen sehr bald mit dem Stoffe, den sie zur\u00fcckhalten k\u00f6nnten, ges\u00e4ttigt sein w\u00fcrde. Dauernd w\u00fcrde sie nur dann als chemisches Scheidungsmittel zu benutzen sein, wenn ihnen die Eigenschaft zuk\u00e4me, gewissen Bestandtheilen einer aufgegflssenen Fl\u00fcssigkeit geradezu den Eintritt in ihre Poren zu verwehren.\nb. Diffusion. Auf dem Wege der Diffusion m\u00fcssen unzweifelhaft BiutbestandtheHe aus den Gef\u00e4ssr\u00f6hren in die umgebenden Gewebe gef\u00fchrt werden, weil diese letztem mit w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeiten erf\u00fcllt sind, deren Zusammensetzung von der Blutfl\u00fcssigkeit abweicht. Ueber diese Str\u00f6mungen l\u00e4sst sich allgemein angeben 1) Sie werden nach den Prinzipien f\u00fcr die endosmotischen Str\u00f6mungen zu beurtheilen sein, weil die beiden Fl\u00fcssigkeiten durch eine thierische Haut getrennt sind. \u2014 2) Die Str\u00f6me werden w\u00e4hrend der ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbe-stehen, weil nemlich zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es verh\u00fcten, dass die Fl\u00fcssigkeiten zu den beiden Seiten der Membran eine\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nNervenerregung.\ngleiche Zusammensetzung erlangen. Diese ununterbrochene Dauer des Stroms schliesst aber nat\u00fcrlich ein Steigen oder Fallen in seiner Geschwindigkeit nicht aus, im Gegentheil, es verh\u00e4lt sich aus verschiedenartigen Gr\u00fcnden die mittlere Geschwindigkeit der Diffusionsstr\u00f6me sehr Wechsel voll. \u2014 3) Die Fl\u00fcssigkeit, welche sich in dem Strom bewegt, kann niemals die Zusammensetzung des Blutes haben; denn es besitzen die einzelnen Blutbestandtheile eine ganz ausserordentlich ungleiche Diffusionsgeschwindigkeit, ein Unterschied, der namentlich zu gross zu sein scheint, als dass er durch die ungleichen Prozentgehalte wieder compensirt werden k\u00f6nnte. \u2014 4) Die Str\u00f6me, welche an verschiedenen Orten des thierischen K\u00f6rpers Vorkommen, werden Fl\u00fcssigkeiten von ganz abweichender Zusammensetzung f\u00fchren. Dieses geschieht nachweislich darum, weil die auf der \u00e4ussern Gef\u00e4ssfl\u00e4che dem Blute entgegengesetzten Stoffe nicht \u00fcberall dieselben sind. So ist z. B. an dem einen Orte das Gef\u00e4ss von Luft, an dem andern aber von w\u00e4sseriger Feuchtigkeit umgeben und demnach tritt dort eine Gas- und hier eine Hydrodiffusion ein. Dabei bleibt aber der Unterschied nicht bestehen, sondern es finden sich auch bedeutende Abweichnungen in den die Gef\u00e4sshaut umgebenden w\u00e4sserigen L\u00f6sungen. Je nachdem also der eine oder andere Stoff in der L\u00f6sung vorkommt, wird auch bald dieser oder jener Blutbestandtheil lebhafter angezogen werden oder auf seinem Wege durch die Haut mehr oder weniger Widerstand finden. \u2014 Zu diesen nachweislichen Gr\u00fcnden f\u00fcr eine grosse Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung der aus dem Blute tretenden S\u00e4fte f\u00fcgt man vermuthungs-weise noch einen andern, den nemlich, dass die verschiedenen thierischen H\u00e4ute wegen der urspr\u00fcnglichen Abweichung in ihrer Zusammensetzung oder in ihrer sonstigen molekularen Anordnung eine ungleiche Durchgangsf\u00e4higkeit f\u00fcr dieselben Fl\u00fcssigkeiten besitzen sollen. Diese Vermu-thung st\u00fctzt man auf die im I. Bd. p. 67. 3. angef\u00fchrten Versuche, welche allerdings noch einer weitern Best\u00e4tigung bed\u00fcrfen. \u2014 5) Die auf Diffusion beruhenden Absonderungen sind jedesmal mit einem Strom im umgekehrten Sinn, mit einer Resorption, verbunden.\nc. Nervenerr egung*). Eine beschr\u00e4nkte Zahl von Dr\u00fcsen bringen die Absonderung ihrer S\u00e4fte zu Stande unter Mitwirkung der in sie eintretenden Nerven. Der Mechanismus, durch welchen der erregte Nerv die Absonderung einleitet, ist unbekannt; keines Falls aber ist der Nerv dadurch wirksam, dass er den Blutdruck innerhalb der Ge-f\u00e4sse, welche die Dr\u00fcse durchsetzen, partiell steigert, indem er die Durchmesser jener Gef\u00e4sse ver\u00e4ndert. Dieses wird darum zur Gewissheit, weil der Druck, unter welchem der abgesonderte Saft in den Dr\u00fcsengang einstr\u00f6mt, weit gr\u00f6sser ist, als der, unter welchem gleichzeitig\n*) C. Ludwig in Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I. Bd.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Messung des Absonderungsdruckes.\n149\nder Inhalt der Blutgef\u00e4sse gespannt ist; ja noch mehr, es kann der erregte Nerv auch noch zu einer Zeit die Absonderung hervorrufen, in welcher das in der Dr\u00fcse enthaltene Blut weder str\u00f6mt, noch \u00fcberhaupt gespannt ist.\nDer Absonderungsdruck wird dadurch gemessen, dass man in den Ausf\u00fcbrungsgang einer Dr\u00fcse A (in der schematischen Fig. 52.) ein Manometer B einbindet. Dringt Fl\u00fcssigkeit durch die Poren der Dr\u00fcsenwand hhm das Innere des Dr\u00fcsenbl\u00e4schens, so wird sieallm\u00e4hlig auch in das den Ausf\u00fchrungsgang verschliessende Manometer dringen und das Quecksilber desselben so lange emporheben, bis der Druck, den die Quecksibers\u00e4ule aus\u00fcbt, gross genug ist, um der Gewalt, mit welcher der Dr\u00fcsensaft durch die Poren str\u00f6mt , das Gleichgewicht zu halten. Der Absonderungsdruck ist also nichts anderes, als die in einer beliebigen Fl\u00fcssigkeit ausgedr\u00fcckte Druckh\u00f6he , unter welcher die abgesonderten S\u00e4fte in die Dr\u00fcse gepresst werden.\nDen Eigenschaften der Nerven entsprechend wird die von ihnen abh\u00e4ngige Absonderung keine stetige, sondern eine durch l\u00e4ngere oder k\u00fcrzere Zeiten unterbrochene sein, sie wird nur ein-treten, wenn der Nerv erregbar ist. In der That tritt sie aber, die Erregbarkeit der Nerven vorausgesetzt, nur dann ein, wenn der Dr\u00fcsennerv wirklich erregt wird ; dieses geschieht aber, soweit wir wissen, ganz unter denselben Umst\u00e4nden, unter denen auch der Muskelnerv zur Erregung kommt. \u2014 Besteht nun einmal die Absonderung, so w\u00e4chst, alles andere gleichgesetzt, die Geschwindigkeit derselben mit der gerade vorhandenen Intensit\u00e4t der Erregung.\nDie S\u00e4fte, welche durch dieses Hilfsmittel dem Blute entzogen werden, sind erfahrungsgem\u00e4ss durchaus anders zusammengesetzt, als die Blutfl\u00fcssigkeit. Ob sie aber in allen dem Nerveneinfluss unterworfenen Dr\u00fcsen gleich oder ungleich sind, l\u00e4sst sich nicht angeben. Allerdings weicht die Zusammensetzung der einzelnen Ner-vensekrete, wie zum Beispiel Thr\u00e4nen und Speichel, von einander ab, aber es kann diese Thatsache nicht als ein Beweis daf\u00fcr angesehen werden, dass durch Vermittelung des Nerven in die beiden Dr\u00fcsen verschiedenartige S\u00e4fte gef\u00fchrt worden seien, und zwar darum nicht, weil es sich nicht darthun l\u00e4sst, ob nicht noch andere Sekretionsursachen, z. B. eine Diffusion, sich an der Bildung von Thr\u00e4nen oder Speichel betheiligt haben.\n3. Weitere Ver\u00e4nderungen der abgeschiedenen S\u00e4fte. \u2014 Die Fl\u00fcssigkeiten, welche durch irgend eine der bezeichneten Kr\u00e4fte aus dem Blutstrom auf die \u00e4ussere Fl\u00e4che der Gef\u00e4sshaut bef\u00f6rdert sind, gelangen nun, je nach dem Organ, in welchem die Absonderung vor sich ging, unter besondere Bedingungen, welche bei aller sonstigen Verschiedenheit\nFig. 52.\nB","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nChemische Umsetzung der ausgesehiedenen S\u00e4fte.\ndoch darin \u00fcberein stimm en, dass sie eine Ver\u00e4nderung der ausgeschiedenen S\u00e4fte anbahnen und vollenden; diese Ver\u00e4nderungen betreffen ebensowohl die chemische Zusammensetzung, als auch den Aggregatzustand\nderselben.\na. Chemische Umsetzungen der a us geschiedenen Sto ffe. Die Tbatsachen, auf welche eine theoretische Uebersicht derselben gebaut werden k\u00f6nnte, sind gegenw\u00e4rtig noch in keinem Falle mit gen\u00fcgender Sch\u00e4rfe festznstellen. Hierzu geh\u00f6rte vor Allem eine genaue Einsicht in die Zusammensetzung ebensowohl der urspr\u00fcnglich apsgeschiedenen als auch der sp\u00e4ter ver\u00e4nderten Fl\u00fcssigkeiten, und nicht minder eine Kennt-niss aller der Umst\u00e4nde, durch welche der jedesmal in Betracht gezogene Ort eine chemische Umwandlung einzuleiten verm\u00f6chte. Der organischen Chemie kann es nicht zum Vorwurf gereichen, dass sie die Schwierigkeiten, welche sich der L\u00f6sung einer solchen Aufgabe entgegensteilen, bis dahin nicht zu heben vermochte.\nWir vermuthen mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit dass die chemischen Umsetzungen, welche in den ausgeschiedenen Blutbestand-theilen vor sich gehen, sich erstens vorzugsweise beziehen auf die organischen Substanzen derselben und insbesondere auf die eiweiss- und fett-artigen Stoffe. Diese Vermuthung entspringt aus der nicht unbetr\u00e4chtlichen Zahl von Erfahrungen \u00fcber die Zusammensetzung einzelner in den thierischen Geweben vorkommender Stoffe; diese letztem bestehen nem-lich fast s\u00e4mmtlich aus Atomen, welche nur mittelst des Eiweisses oder der Fette in die Gewebe gelangt sein k\u00f6nnen. Die einzigen Ausnahmen von dieser Regel bilden, so weit wir wissen, die Salzs\u00e4ure des Magens und einige Verbindungen organischer S\u00e4uren mit Natron, welche durch die Zersetzung des Chlornatriums und des koblensauren Natrons entstanden\nsein m\u00fcssen.\nWir geben nun sogleich ein Verzeichnis derjenigen Stolle, deren Entstehung aus einer Umsetzung des Eiweisses und der Fette abgeleitet werden muss. Aus dieser Aufz\u00e4hlung schliessen wir jedoch aus alle diejenigen Produkte, die uns, wie das Thymin, Lecithin, Cerebrin, Oleo-phosphors\u00e4ure (?) ? einige Farbstoffe u. s. w., nur nach ihren Verwandtschafts- oder Crystallisationseigenschaften, nicht aber nach ihrer Zusammensetzung bekannt sind.\nDie in die Tabelle aufgenommenen Stoffe sind in zwei Spalten geordnet, von denen die eine alle diejenigen Atomgruppen enth\u00e4lt, welche man mit Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit als Abk\u00f6mmlinge des Eiweisses ansieht, w\u00e4hrend die andere die Abk\u00f6mmlinge der Fette enth\u00e4lt. \u2014 Die Reihenfolge der komplizirten Atomgruppen ist bestimmt worden nach ihrem relativen Gehalt an Stickstoff, in der Art; dass diejenigen,^welche arm an diesem Elemente sind, vorangestellt wurden.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Abk\u00f6mmlinge der Fette und des Eiweisses.\n151\nZersetzungsprodukte, an deren Bildung betheiligt war Ji i w e i s s = C72 H56 N9 022 St (L i e b e r k \u00fc h u), Verh\u00e4ltoiss des C : N = 8:1.\t\t\tZersetzungsprodukte, an deren Bildung betheiligt wird Stearin = Fi 14Hi 14016 u. Olein = C42H40O8.\t\nNamen der Abk\u00f6mmlinge.\tZusammen- setzung.\tVerk\u00e4lt-nisszahl zwischen C-und N-atomen ; N \u2014 1.\tNamen der Abk\u00f6mmlinge.\tZusammen- setzung.\nZucker\tCl2 Ul2 Di2\t\tMargarins\u00e4ure\tF34 H34 04\nMilchs\u00e4ure\tc6 h6 o6\t\tPalmitins\u00e4ure\tF32 H32 O4\nStickgas\tN\t\tFapryls\u00e4ure\tFi\u00f6the 04\nPhenyls\u00e4ure\tC1S H. Oa\t\tCaprons\u00e4ure\tFi 2\t04\nTauryls\u00e4ure\tCj 4 Hg O2\t\tButters\u00e4ure\tC8 H8 04\nDainalurs\u00e4ure\tc14h12o4\t\tPropions\u00e4ure\tf4h4o4\nTaurochols\u00e4ure\tC52 ffi5 014 S2\t52\tAmeisens\u00e4ure\tCa H2 04\nGivcochols\u00e4ure\tc5\u00ee h43 n, o12\t52\tOxals\u00e4ure\tC2 03\nTv rosin t\tDis Hn Ni 06\t18\tGlycerin\tf6 h8 o6\nHippurs\u00e4ure\tC18H9Ni 06\t18\tCholestearin\tc28h24o\nBiliverdin\tFl6 K9N1 05\t16\tKohlens\u00e4ure\tco\u00e4\nBiliphain\tF32 Kis N2 00\t16\tWasser\tHO\nLeucin\tCi2Hi3Ni 04\t12\t\t\nHydrots\u00e4ure\tCioHgNi On\t10\t\t\n\u00c7hondrigen\tC32H26N4014S(?)\t8\t\t\nElastischer Stoff\tC52 H40 N7 014 j\t\t\t\nColla\tC13Ht0N2O5\t6,5\t\t\nInosins\u00e4ure\tC10 H7 n2 Oh\t5\t\t\nKreatin\tc8 h9 n3 o4\t2,6\t\t\nKreatinin\tc8 h7n3o2\t2,6\t\t\nHypoxantin\tc5 h2 n, 0 1\t2,5\t\t\nHarns\u00e4ure\tc5 h2 n2 o3\t2,5\t\t\nAlantoin\tCs H6 N4 06\t2\t\t\nHarnstoff\tC2H4N202\tt\t\t\nAmmoniak\tH3N1\t\t\t\nSchwefels\u00e4ure\tso3\t\t\t\nKohlens\u00e4ure\tco2\t\t\t\nWasser\tHO\t\t\t\nDie Arbeiten der Chemiker haben uns nun die wichtige Aufkl\u00e4rung verschafft, dass zwischen den verschiedenen Gliedern dieser grossen Reihe eine eigenth\u00fcmliche Beziehung besteht, die darin liegt, dass alle Abk\u00f6mmlinge des Eiweisses innerhalb des thierischen Leibes, so verschieden sie auch urspr\u00fcnglich gewesen sein m\u00f6gen, sich doch schliesslich verwandeln in Harnstoff, Ammoniak, Stickgas, Schwefels\u00e4ure, Kohlens\u00e4ure und Wasser, und diejenigen der Fette in Kohlens\u00e4ure und Wasser. Diese zuletzt erw\u00e4hnten Stoffe haben nun eine physiologische Eigentlnimlichkeit gemein, welche darin besteht, dass sie s\u00e4mmtlich in die Organe (Lunge, Haut, Niere) abgesondert werden, deren Inhalt im regelm\u00e4ssigen Verlaufe des Lebens aus dem thierischen K\u00f6rper wieder entleert wird. Darum ist","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\tAbk\u00f6mmlinge erster und zweiter Ordnung.\nman auch \u00fcbereingekommen, sie mit dem Namen der Ausw\u00fcrflinge zu bezeichnen.\nZwischen den Fetten und dem Eiweiss einerseits und den Ausw\u00fcrflingen oder den letzten Produkten des thieriseben Stoffwechsels anderseits liegt somit eine grosse Zahl von Atorngruppen in der Mitte, welche man als die allm\u00e4hligen Ueberg\u00e4nge der wesentlichen Bestandtheile des Bluts in die des Harns, der Lungen und des Hautdunstes ansehen kann, Diese Mittelprodukte verdienen hier noch einige Aufmerksamkeit.\nR\u00fccksichtlich ihrer Entstehung kann als gewiss ungesehen werden, dass die Bedingungen f\u00fcr diese Umsetzungen erster Ordnung, wie wir sie nennen wollen, sich nicht gleichm\u00e4ssig durch den ganzen K\u00f6rper hindurch vertheilt finden, so dass in einem jeden Organe ein jedes dieser Produkte zum Vorschein kommen k\u00f6nnte, im Gegentheil, es kn\u00fcpfen sich an bestimmte Organe auch ganz bestimmte Umsetzungsprozesse. In diesem Sinne kann also ein jedes Organ als ein spezifischer chemischer Herd betrachtet werden. So wird u. A. gebildet: im Hirn Cerebrin, Lecithin, Oleophosphors\u00e4ure, Gholestearin (?) (Fremy und Gobley); in den Muskeln die niedern Glieder der Fetts\u00e4urenreihe von der Butters\u00e4ure abw\u00e4rts, Milchs\u00e4ure, Inosins\u00e4ure, Kreatin, Kreatinin und Muskel-zucker (Liebig und Scherer); in der Leber Biliphain und Biliverdin (Heintz), Glyco- und Taurochols\u00e4ure (Strecker), Tyrosin und Leucin (Frerichs und Staedeler), Traubenzucker (Bernard); in der Milz und dem Pankres Leucin (Frerichs, Staedeler, Virchow), Hypoxanthin und Harns\u00e4ure (Scherer); in der Lunge neben andern cry-stallinischen S und Nhaltigen Produkten Harns\u00e4ure (Gloetta); in den Synovials\u00e4cken, Schleim- und Speicheldr\u00fcsen Schleimstoff; in den Milchdr\u00fcsen Casein und Milchzucker; in dem Bindegewebe und den Knochen Collagen; in dem elastischen Gewebe elastischer Stoff; in den Knorpeln Chondrin (J. M\u00fcller); in den Epithelialzellen und den Haaren eine sehr schwefelreiche Atomgruppe (Mulder) u. s. w.\nDer Mechanismus, durch welchen in den bezeichneten Orten die Umsetzung eingeleitet wird, ist nun freilich noch in Finsterniss geh\u00fcllt, welche, so tief sie auch sein mag, uns doch wenigstens erkennen l\u00e4sst, dass die aufgez\u00e4hlten Produkte aus Fetten und Eiweiss gebildet wurden, entweder mittelst einer blossen Umlegung ihrer Atome ohne gleichzeitige Ver\u00e4nderung ihrer Zahl, oder durch eine einfache Spal-tung, oder durch eine Spaltung mit nachfolgender Wiedervereinigung einzelner Spaltungsprodukte, oder endlich durch eine Spaltung, wrelche von einer theilweisen Oxydation begleitet wurde. Es wird erst die Aufgabe der besondern Absonderungslehre sein k\u00f6nnen, im einzelnen Fall auf die wahrscheinlichste Entstehungsweise hin zu deuten; im Allgemeinen l\u00e4sst sich aber hier gleich einsehen, dass das gleichzeitige Erscheinen vo\u00fc stickstofffreien und stickstoffreichen oder schwefelfreien und Schwefel-","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Oxydation der sekund\u00e4ren Abk\u00f6mmlinge.\nreichen Atomgruppen in einem und demselben Organe sich am einfachsten erkl\u00e4rt durch eine Spaltung der Eiweissatome.\nDie Zusammensetzung der Ausw\u00fcrflinge oder derjenigen Stoffe, welche als Abk\u00f6mmlinge aus diesen Umsetzungsprodukten ersten Ranges anzu-sehen sind, deutet auf eine einfachere Entstehungsweise. Sie tragen nemlich s\u00e4mmtlich den Stempel des Oxydationsprozesses, indem sie entweder, wie das HO, C02, S03 und Harnstoff, selbst sehr sauerstoffreiche Atome darstellen, oder, wie ISH3 und Ngas, zu den Produkten geh\u00f6ren, welche bei einer energischen Oxydation der ei weissartigen Stoffe immer auftreten. Da nun die gesammten aus dem Blut ergossenen und dem Umsatz anheimgegebenen Eiweiss- und Fettstoffe schliesslich in diese Verbrennungsprodukte \u00fcbergehen, so ist es erlaubt, den thierischen Stoffumsatz im Ganzen mit einem Verbrennungsprozess zu vergleichen; dieser\ny\tu s a 1) e r immer erst eine anderweite Zerlegung der wesent-\nlichen Blutbestandtheile vorausgegangen sein, welche ihr die Brennstoffe\nliefert.\nDieser letzte Akt des thierischen Stoffumsatzes, die Verbrennung, findet ihre Bedingungen demnach auch im thierischen K\u00f6rper h\u00e4ufiger vor als der, welcher die Bildung jedes einzelnen der Zersetzungsprodukte erster Ordnung veranlasst; denn es muss \u00fcberall, wo \u00fcberhaupt eine Zersetzung statt findet, auch die Verbrennung sich einfinden, vorausgesetzt nur, dass dem mit Sauerstoff geschw\u00e4ngerten Blutstrom Zutritt zu dem Herde der Umsetzung gestattet ist. Aber selbst die erstere der eben a:\u00eff-gestellten Bedingungen braucht nicht einmal erf\u00fcllt zu sein. Denn es werden auch Zersetzungsprodukte nach den Orten, welche selbst keine erzeugen konnten, hingef\u00fchrt werden m\u00fcssen; viele derselben sind nicht allein l\u00f6slich, sondern sie diffundiren auch leicht durch die Gef\u00e4ssh\u00e4ute, so dass sie mit dem Blute \u00fcberall hindringen. M\u00f6glicher Weise fin ihm sich sogar in diesen Orten die Bedingungen f\u00fcr die weitere Umsetzung g\u00fcnstiger entfaltet als in den Ursprungsstellen, so dass man sagen kann, es f\u00fchre das zweite Organ die Zersetzung weiter, welche das erste eingeleitet hatte.\nDiese allgemeinen Betrachtungen k\u00f6nnen nun aber vielleicht zu zwei irrth\u00fcmlichen Schlussfolgerungen verleiten; man k\u00f6nnte erstens zu der Annahme verf\u00fchrt werden, dass erst dann eine Zersetzung der wesentlichen Blutbestandtheile m\u00f6glich sei, nachdem sie ausserhalb des Ge-f\u00e4ssraums getreten w\u00e4ren. Dieses ist aber weder zu beweisen noch auch wahrscheinlich, denn wenn man auch von allen andern Gr\u00fcnden absieh f, die erst sp\u00e4ter verst\u00e4ndlich sind, so ist doch mindestens sogleich einleuchtend, dass im Blute die leicht oxydablen Abk\u00f6mmlinge der Fette und des Eiweisses eben so gut der Verwesung anheimfallen m\u00fcssen, als in diesem oder jenen Organe. \u2014 Tm Gegensatz hierzu k\u00f6nnten die obigen Bemerkungen zu der Behauptung veranlassen, dass all&g","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nVer\u00e4nderungen des Aggregatzustandes in den S\u00e4ften.\nEiweiss und alle Fette, welche einmal die Blutgef\u00e4sse verlassen h\u00e4tten, auch nothwendig eine Beute des Umsatzes w\u00fcrden, so dass die Atome, welche dieses Eiweiss zusammensetzten, nicht eher wieder in das Blut zur\u00fcckkehren k\u00f6nnten, bis sie sich zu Zersetzungsprodukten erster oder zweiter Ordnung umgestaltet h\u00e4tten. Diese Annahme w\u00fcrde aber mit der Erfahrung nicht \u00fcbereinstimmen, dass aus allen Organen, und insbesondere aus deren Birulegewebsr\u00e4umen, eigenth\u00fcmliche Kan\u00e4le, die Lymphgef\u00e4sse, entspringen, welche neben andern Stoffen auch Eiweiss und Fett aus den Geweben in das Blut zur\u00fcckleiten.\nb. Ver\u00e4nderungen im Aggregatzustande der ausgeschiedenen S\u00e4fte. Die fl\u00fcssigen Bestandtheile der S\u00e4fte nehmen je nach ihrer Natur und den Umst\u00e4nden, in die sie gelangen, den gasf\u00f6rmigen oder den festen Aggregatzustand an. Die erstere Umformung erfolgt unter den einfachen Bedingungen, die wir jedesmal bei einer Verdunstung auftreten sehen. Da diese aller Orten und namentlich auch wiederholt schon in diesem Werke mitgetheilt sind und noch mitgetheilt werden sollen, insofern sie sich eigent\u00fcmlich gestalten, so wird ihnen hier keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Anders verh\u00e4lt es sich aber mit dem Festwerden des Fl\u00fcssigen.\nDer feste Aggregatzustand, wo er auch entstehen mag, f\u00fchrt im tierischen K\u00f6rper jedesmal zur Bildung eigent\u00fcmlicher Formen. So weit dieselben mit unseren Vergr\u00f6sserungsgl\u00e4sern zerlegt werden k\u00f6nnen, sind dieselben so beschaffen, dass sie aus allgemein wiederkehrenden Massenanordnungen, die man gemeinhin als Korn, Faser und Haut bezeichnet, aufgebaut sind. K\u00f6rner, Fasern und H\u00e4ute sind nemlich, entweder jedes f\u00fcr sich oder in Verbindung mit einander und zugleich mit Fl\u00fcssigkeit, benutzt zur Herstellung eigent\u00fcmlich begrenzter Gebilde, der Zellen, R\u00f6hren, Fasernetze u. s. w., welche immer noch von mikroskopischer Gr\u00f6sse von den Anatomen als Elementarformen der Organe oder als Ge-webselemente bezeichnet werden. Solche Elementarformen gruppiren sich endlich in sehr verschiedenartiger Weise zu Organen.\nWir wenden unsere Blicke zuerst zu den Elementarformen; indem wir dieses tun, gewahren wir zun\u00e4chst, dass einer jeden derselben eine besondere Lebensgeschichte zukommt, deren sichtbarster Inhalt zun\u00e4chst darin besteht, dass sich ein jedes Gewebselement aus der Fl\u00fcssigkeit allm\u00e4hlig hervorbildet und sich dann unter stetiger, wenn auch oft sehr langsamer, Ver\u00e4nderung seiner Form wieder aufl\u00f6st; zu dieser Erfah-rung \u00fcber das Auftreten der Gewebselemente f\u00fcgt der Chemiker die Beobachtung, dass mit der Form sich auch gleichzeitig die Mischung \u00e4ndert.\nIndem die Anatomen bis vor Kurzem g\u00e4nzlich absehen mussten von den Einzelheiten des Mechanismus, der diese Bildungen und Umwandlungen einleitet, bedienten sie sich genereller Bezeichnungen f\u00fcr denselben, und setzten ihn, was weniger vorsichtig war, entweder in die Fl\u00fcssig-","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Fester Aggregatzustand, Form folge,\n155\nkeil, aus welcher das Gebilde hervorwuchs, oder in die Stoffe selbst, welche die einmal dargestellte Form in sich schloss; mit einem Worte, sie sprachen von einem Bildungsverm\u00f6gen der Fl\u00fcssigkeit, die sie u. A. Keim-Aiissigkeit oder Blastema nannten, oder von einem Entwickelungsbestre-ben der Elementargebilde. Noch weiter detaillirend bestimmten sie'nun mit einer gewissen Willk\u00fchrlichkeit einige hervorleuchtende Stadien der Formfolge, je nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens, der Dauer ihres Bestehens oder der grossem und geringem Zahl ihrer wohl unterscheidbaren Merkmale, als Keim, aufsteigende, vollendete, r\u00fcckg\u00e4ngige Entwicke-lungsstufen. Unzweifelhaft ist es eine sch\u00f6ne und schwierige Aufgabe f\u00fcr den Anatomen, alle die Ver\u00e4nderungen festzustellen, weiche eine Form\nw\u00e4hrend ihres aesammten Bestehens anzunehmen vermag. Denn erst wenn dieses geschehen, wird die weiterschreitende Untersuchung den Mechanismus ihrer Erzeugung und Umbildung in Angriff nehmen k\u00f6nnen. W\u00fcrde diese endlich dahin f\u00fchren, angeben zu k\u00f6nnen, welche Kr\u00e4fte in jedem Falle die Atome bestimmen, den festen mit dem fl\u00fcssigen Aggregaten stand zu vertauschen, und weiter, welcher Art die Anziehungen sind, die ihnen jedesmal ihre Stellung zu allen benachbarten anweisen, so w\u00fcrde damit eine Entwickelungsgeschichte der Elementarformen im wahren Sinne des Worts gegeben sein.\nDiesen Ausdruck hat man nun aber, wie bekannt, zur Bezeichnung des Inhalts einer andern Beobachtungsreibe gew\u00e4hlt, f\u00fcr die nemlich, welche die zeitliche Folge der einander abwechselnden Formen eines Gebildes darstellt. Wenn man damit sagen wollte, dass die Lagerungsverh\u00e4ltnisse, welche die Atome annehmen, als sie in eine zuerst auftretende Form gebannt waren, zugleich bestimmend wirken f\u00fcr ihre Anordnung in einer darauf folgenden Phase, so ist gegen eine solche Bezeichnung nur einzuwenden, dass der Ausdruck zu vielsagend ist. Man konnte nemlich denselben auch so auffassen, als ob er bezeichnen wollte, die erste Anordnung der Atome enth\u00e4lt s\u00e4mmtliche Bedingungen, aus denen die sp\u00e4tem hervorgehen m\u00fcssen. Um allen Missverst\u00e4ndnissen vorzubeugen, werden wir in Zukunft statt des von den Anatomen gebrauchten Ausdrucks einen andern, die Formfolge, einf\u00fchren.\nDer Physiologe, welcher es unternimmt, nach dem Grunde f\u00fcr die Entstehung, Umformung und Aufl\u00f6sung der Elementargebilde zu forschen, wird sich zu fragen haben: wie wird der feste Aggregatzustand in jedem Falle m\u00f6glich; warum nehmen die festgewordenene Massen die von den Anatomen erkannten Formen an; und endlich, was bedingt die Ver\u00e4nderungen derselben.\na. Aus welchen Gr\u00fcnden entsteht in den Fl\u00fcssigkeiten des thieri-schen Leibes ein Niederschlag? Indem wir zur Aufz\u00e4hlung der H\u00fclfs-mittel schreiten, welche der Organismus besitzt, um den fl\u00fcssigen Aggre-gatzustand seiner Bestandteile in den festen zu verkehren, darf die Be-","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nEntstehung' des festen Aggregatzustandes.\nmerkung nicht unterdr\u00fcckt werden, dass sie uns, so weit wir sie keimen, nicht etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gegentheil nur ein beil\u00e4ufiger Erwerb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Bestandteilen des Thierleibes inner- und ausserhalb dieses letzteren angestellt wurden. Diese Mitteilung b\u00fcrgt hinl\u00e4nglich daf\u00fcr, dass die folgenden Angaben nur einen sehr kleinen Theil der wirklich vorhandenen Mittel umgreifen.\nDie Salze mit alkalischer und ammoniakalischer Basis, ferner GaCl, MgCl, Zucker, Milchs\u00e4ure, Harnstoff, Kreatin, die niedern Glieder der Fetts\u00e4urenreihe, sind immer fl\u00fcssig im tierischen Organismus vorhanden; dieses steht in Uebereinstimmung mit unseren Einsichten in die chemischen Eigenschaften der aufgez\u00e4hlten K\u00f6rper, da wir in der That keine Veranlassung anzugeben wussten, warum das \u00fcberall vorhandene Wasser sein Verm\u00f6gen, sie zu l\u00f6sen, einb\u00fcssen sollte.\nDa die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur in S\u00e4uren l\u00f6slich sind, so m\u00fcssen sie aus ihren L\u00f6sungen ausfallen, so wie die freie S\u00e4ure neutralisirt oder gar \u00fcbers\u00e4ttigt wird. \u2014 Die gew\u00f6hnliche Verbindung mit eiweissartigen Stoffen, in der die phosphorsaure Kalkerde'in den tierischen S\u00e4ften gel\u00f6st vorkommt, ist nur fl\u00fcssig mit H\u00fclfe eines alkalischen oder schwachsauren Zusatzes. Um sie zu f\u00e4llen, gen\u00fcgt also eine Neutralisation der einen oder andern Reaktion.\nDie Fette und ihre S\u00e4uren werden entweder fest, indem aus einem Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Theile (die Oelfette) entfernt werden, so dass nur noch die Zur\u00fcckbleiben, welche bei der Temperatur des tierischen K\u00f6rpers erstarren; oder es werden durch st\u00e4rkere S\u00e4uren die l\u00f6slichen Kali- und Natronverbindungen der an und f\u00fcr sich unl\u00f6slichen fetten S\u00e4uren zersetzt, so dass nun diese letztem ausgeschieden werden.\nDie Eiweissk\u00f6rper, welche vorzugsweise in Betracht kommen, da aus ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten tierischen Formen zum weitaus gr\u00f6ssten Theil bestehen, k\u00f6nnen auf sehr vielf\u00e4ltige Art zur Entstehung des festen Aggregatzustandes Veranlassung geben. Einmal ereignet sich dieses, wenn sie in unl\u00f6sliche Modificationen verwandelt werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem Lebenshergang erfahren. Als Beispiele hierf\u00fcr sind vorzuf\u00fchren die Entstehung des festem aus dem gel\u00f6sten Faserstoff, die Umwandelung des Eiweisses in das sog. Proteinbioxyd, in den leimartigen und in den elastischen Stoff. Dann kann die F\u00e4llung geschehen durch eine Ver\u00e4nderung in den Eigenschaften der l\u00f6senden Fl\u00fcssigkeit. Hierher w\u00e4re zu rechnen die Ausf\u00e4llung des Eiweisses aus alkalisch oder schwach sauer reagirenden Fl\u00fcssigkeiten durch Neutralisation, durch Zusatz von conzentrirten Salzl\u00f6sungen oder auch durch sehr reichliche Verd\u00fcnnung mit Wasser. So wird z. B. durch Zusatz einer beliebigen verd\u00fcnnten S\u00e4ure zu L\u00f6sungen ym Casein und Natronalbummat, durch Zusatz von fetten S\u00e4uren zu","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00fcge des festen Aggregatzustandes.\n157\nH\u00fchnereiweiss und Blutserum (Wittich)*) ein Niederschlag gebildet; fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu Blutserum und noch mehr zu dem Inhalt ser\u00f6ser Sacke eine F\u00e4llung (Virchow)**), und endlich tr\u00fcbt eine reichliche Beimengung reinen Wassers das Blutserum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugeln (B i s c h o ff). \u2014 Drittens ist es m\u00f6glich, die eiweissartigen Stoffe unl\u00f6slich zu machen durch Herbeif\u00fchrung einer Verbindung derselben mit andern chemischen K\u00f6rpern. F\u00e4lle, welche unter dieser letzten Rubrik aufzuz\u00e4hlen w\u00e4ren, sind uns in den Vorkommnissen des thierischen Lebens nicht bekannt.\n\u00df. Wovon sind die Gestalten der prim\u00e4ren Niederschl\u00e4ge abh\u00e4ngig? Die geometrischen Eigenschaften der Fl\u00e4chen, welche einen Niederschlag begrenzen, m\u00fcssen entweder hervorgerufen sein von Kr\u00e4ften, welche innerhalb seiner Masse th\u00e4tig sind, also von innern, oder von Umst\u00e4nden, welche mit R\u00fccksicht auf die Masse, aus welcher der Niederschlag besteht, \u00e4ussere zu nennen sind. Da im erstem Fall der Niederschlag, wie gross und klein er auch erscheinen mag, immer mit einer bestimmten Form auftreten muss, weil diese ja von den Eigenschaften seiner (w\u00e4g- und unw\u00e4gbaren) Substanz abh\u00e4ngig ist, so nennt man alle Massen, zwischen deren Molekeln formbestimmende Kr\u00e4fte sich geltend machen, geformte, alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Umst\u00e4nden richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose. Die Erfahrung hat nun l\u00e4ngst Kennzeichen aufgestellt, aus welchen entschieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder andern Kategorie zu stellen sei. Die Richtkr\u00e4fte nemlich, welche die Molekeln der geformten Masse anordnen, f\u00fchren jedesmal zur Bildung von Krystallen, d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche unter bestimmten Winkeln zusammenstossen, begrenzt sind; zugleich sind die Molekeln innerhalb der Krystalle mindestens in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche durch die sog. Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen Anordnung enthalten, verm\u00f6ge deren die Widerst\u00e4nde, welche sich dem Durchgang des Lichtes, der W\u00e4rme und Elektrizit\u00e4t entgegensetzen, und ebenso die Coh\u00e4sion und Elastizit\u00e4t nach der einen der bezeichneten Richtungen gr\u00f6sser sind, als nach den andern. \u2014 Gerade umgekehrt verhalten sich die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, W\u00e4rme und Elektrizit\u00e4t den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise gebahnt, und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch Elastizit\u00e4t und Coh\u00e4sion bevorzugt.\nDie Zahl der festen am Menschen vorkommenden Stoffe, deren Gef\u00fcge sich unzweifelhaft bestimmen l\u00e4sst, ist gering; sie besitzen s\u00e4mmt-lieh ein krystallinisches Gef\u00fcge. Zu ihnen geh\u00f6ren krystallinische Fette\n*) Liebigs Annalen. 91. Bd. 334.\n**) De hymenogenia albuminis. Regiomontii 1850.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nKrystailinisches Und amorphes Ge f\u00fcge.\nund Fetts\u00e4uren, die zuweilen in dem Inhalte der Fettzellen befindlich sind, das Gholestearin in ser\u00f6sen Fl\u00fcssigkeiten und in Gallensteinen, einige Farbstoffkrystalle, die Harns\u00e4ure, phosphorsaures Ammoniak, Magnesia und der kohlensaure Kalk (Geh\u00f6rssteine). Diese Aufz\u00e4hlung weist schon hin auf die untergeordnete Bedeutung der unzweifelhaften Kristallbildung f\u00fcr die Physiologie.\nEine nach Zahl und Verbreitung weitaus gr\u00f6ssere Menge von festen Thierstoffen, insbesondere die niedergeschlagenen Eiweissk\u00f6rper, die leimgebenden und elastischen Gewebe, die Gemenge von mehreren neutralen Fetten, besitzen dagegen ein Gef\u00fcge, von dem es vorerst noch ungewiss bleiben muss, ob es krystallinisch oder amorph sei. F\u00fcr eine krystaili-nische Struktur spricht nemlich nicht allein die Eigenschaft einzelner aus den genannten Stoffen erzeugter Gebilde, das Licht doppelt zu brechen (Boeck, Erlach)*)', sondern auch die Bef\u00e4higung einiger Stoffe, z. B. des Fibrins, beim Festwerden in Fasern zu gerinnen, eine Bildung, welche darauf hindeutet, dass die in der Masse wirksamen Anziehungskr\u00e4fte nach der einen Richtung hin bevorzugt sind. Sie unterscheiden sich dagegen \\;on dem geformten Gef\u00fcge dadurch, dass die Begrenzung der niedergeschlagenen Massen durch gebogene Fl\u00e4chen geschieht, und dadurch, dass, so weit wir wenigstens wissen, ihre Elastizit\u00e4t und ihr Leitungsverm\u00f6gen f\u00fcr W\u00e4rme und Elektrizit\u00e4t nach allen Richtungen hin dasselbe ist. Da nun offenbar ein Gef\u00fcge nicht krystallinisch und amorph zugleich sein kann, so wird man bei der Gegenwart positiver Beweise f\u00fcr die krystallinische Struktur geneigt sein, sie dieser beizuz\u00e4hlen, vorausgesetzt, dass sich bei dieser Annahme ein Ausweg findet, die Abweichungen von der Erscheinungsweise einer krystallinischen Struktur zu erkl\u00e4ren. Dieser w\u00fcrde aber nach Frankenheim**) einfach darin liegen, dass die Stoffe aus einem sehr innigen Gemenge verschiedenartiger und zugleich ausserordentlich kleiner Krystallindividuen von gleicher Eigenschwere best\u00e4nden, welche eine grosse Adh\u00e4sion zu einander bes\u00e4ssen.\nIndem wir es bei den wenigen Untersuchungen, welche die genannten Baustoffe unseres Leibes nach dieser Richtung erfahren haben, unentschieden lassen m\u00fcssen, ob sie im Sinne.der Physiker amorph oder krystallinisch seien, halten wir fest, dass zwischen ihnen und den ausgepr\u00e4gten krystallinischen ein wesentlicher Unterschied bestehe, r\u00fccksichtlich der aus ihnen geformten Gestalten. \u2014 Die Form eines Krystalls ist wesentlich abh\u00e4ngig nur von der chemischen (und thermischen) Constitution seiner Masse, die Gestalt jener Thierstoffe, wie sie im Menschen Vorkommen, ist dagegen von andern Umst\u00e4nden abh\u00e4ngig. Hierher z\u00e4hlt u. A. die Form, welche ein solcher Stoff besitzt, bevor er fest wurde, die Menge desselben, welche in einer festwerdenden L\u00f6sung ent-\n*) M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1847. 313.\n**) Crystallisation und Amorphie. Breslau 1831","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Pr\u00e4gung <W formlosen Massen.\nm\nhalten w\u00e4re, die Gestalt der Umgrenzung, in welcher der Niederschlag geschah u. s. w. \u2014 Zur Erl\u00e4uterung des Gesagten heben wir hervor, dass die Krystallformen des Margarins, Stearins, des kohlensauren Kalkes ii. s. w. in keinem Fall sich \u00e4ndern mit den Gestalten des Tropfens oder der Dichtigkeit der L\u00f6sung, aus der sie herauskrystallisirten ; alles dieses hat aber Einfluss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder der Faserstoff beim Gerinnen annehme, aus verd\u00fcnnten L\u00f6sungen fallen Flocken, aus eonzentrirten compakte Massen heraus; sie gerinnen hautartig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach der Zahl, der Anordnung und dem zeitlichen Wirken der Ber\u00fchrungspunkte des Eiweisses mit einer andern Fl\u00fcssigkeit, welche die Gerinnung erzeugt; Eiweiss und Faserstoff nehmen beim Gerinnen die Gestalt der Gef\u00e4sse an, in der dasselbe vor sich ging u. s. w.\nDaraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondern Gestalten, welche jene Stoffe beim Festwerden im Thierleib annehmen, die Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen kurz sagen, einer Pr\u00e4gung, sein m\u00fcssen.\nUm diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe hergeleitet ist, welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen Formen verwendet sind, aus dem Bereich der Probabilit\u00e4t zu heben, m\u00fcssten wir im Stande sein, die besondern pr\u00e4genden Einrichtungen, die bei der Gewebsbildung th\u00e4-tig sind, nachzuweisen. Aus Mangel an gen\u00fcgenden Beobachtungen ist dieses freilich bis dahin nicht m\u00f6glich; darum mag es gestattet sein, von allgemeinen Gesichtspunkten aus mindestens den Nachweis zu versuchen, dass solche Einrichtungen dem thierischen K\u00f6rper nicht fehlen.\nGehen wir aus von den einfachsten Bedingungen zur Bildung des K\u00f6rnchens, der Faser und der Platte, so ist sogleich einleuchtend, dass der Niederschlag einer amorphen Substanz als K\u00f6rnchen erscheinen muss, wenn die F\u00e4llung desselben unter Umst\u00e4nden geschieht, welche entweder das Zusammenkleben zweier in unmittelbarer Nachbarschaft niederfallender Massen verh\u00fcten, oder wenn die L\u00f6sung, aus der die F\u00e4llung entsteht, in sehr kleinen Tr\u00f6pfchen, die nicht unmittelbar auf einander folgen, in das f\u00e4llende Medium einstr\u00f6mt. \u2014 Die Faser muss dagegen zu Stande kommen, wenn sich ein feiner zusammenh\u00e4ngender Strahl von der Fl\u00fcssigkeit,\u00bb welche die amorphe Substanz aufgel\u00f6st enth\u00e4lt, in die f\u00e4llende ergiesst, oder wenn die beiden Fl\u00fcssigkeiten an einer feinen Spalte in Ber\u00fchrung treten. \u2014 Die Platte endlich, wenn die Grenzen der beiden aufeinanderwirkenden Fl\u00fcssigkeiten eine gr\u00f6ssere Ausdehnung besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Ber\u00fchrung erfolgt, sodass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Vermischung der beiden Fl\u00fcssigkeiten gehemmt ist. \u2014 Diese ganz einfachen Bedingungen werden oft genug erf\u00fcllt sein in dem formenreichen Organismus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich verschiedenartig zu-","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nK\u00f6rner, Fasern, Platten.\nsammengesetzten Fl\u00fcssigkeiten durchtr\u00e4nkt ist. Nun lehrt aber zu dem noch die anatomische Beobachtung, dass ausser diesen einfachsten M\u00f6glichkeiten f\u00fcr die bezeichneten Massenanordnungen andere complizirtere bestehen m\u00fcssen. Denn es sollen pl\u00f6tzlich da Platten oder Fasern auf-treten, wo kurz vorher noch K\u00f6rnchen vorhanden waren; diese m\u00fcssen also, indem sie aneinander lagerten, Eigenschaften angenommen haben, die ihr Zusammenkleben erm\u00f6glichten ; oder umgekehrt, es sollen Platten in Fasern und diese wieder in K\u00f6rnchen zerfallen, ein Vorgang, der ein L\u00f6sungsmittel irgend welcher Art verlangt, welches, entweder partiell wirkt, oder welches in der Platte oder Faser einen mit ihrem Ort wechselnden Widerstand findet , sodass die Aufl\u00f6sung der Faser oder Platte nicht gleichmassig und gleichzeitig vor sich gehen kann.\nDie thierischen Elementarformen sind nun aber, wie bekannt, meist eigenth\u00fcmlich angeordnete Platten, Fasern und K\u00f6rnchen; denn die Platte stellt den Mantel eines kugelartigen, r\u00f6hrenf\u00f6rmigen u. dergl. Gebildes vor, die Fasern sind zu B\u00fcndeln und Netzen zusammengebracht u. s. w. Demnach m\u00fcssen auch Veranstaltungen getroffen sein, um die Platte und Faser in diese Formen zu pr\u00e4gen. Da es uns hier offenbar zu erm\u00fcdenden, breiten und ausserdem auch noch wenig fruchtbringenden Er\u00f6rterungen f\u00fchren w\u00fcrde, wenn wir alle M\u00f6glichkeiten in Erw\u00e4gung ziehen wollten, so ziehen wir es vor, nur einen Fall, der bis dahin die Anatomen am meisten besch\u00e4ftigt hat, zu er\u00f6rtern. Wir meinen die Zellenbildung.\nDie Gestalt und die chemische Zusammensetzung der Zeilen dieses verbreiteten Formelementes ist so verschieden, dass eine allgemein passende Bezeichnung derselben nur aussagen kann : die Zellen bestehen aus einer dehnbaren, por\u00f6sen Haut, welche einen kleinen, Fl\u00fcssigkeit enthaltenden Binnenraum umgrenzt, dessen verschiedene Durchmesser nicht gar zu betr\u00e4chtlich voneinander abweichen*). \u2014 Die Anatomen geben an, beobachtet zu haben, dass an den Orten, an welchen sich Zellen entwickeln, eine grosse Reihe verschiedener Einrichtungen vorhanden sind, welche in innigster Beziehung zu jenem Bildungsakte stehen. 1) In einer Fl\u00fcssigkeit schwimmen feine Tr\u00f6pfchen einer andern; ein h\u00e4utiger Niederschlag an der Ber\u00fchrungsstelle beider Fl\u00fcssigkeiten f\u00fchre zur Zellenbildung. \u2014 2) Eine gr\u00f6ssere oder kleinere Menge von K\u00f6rnchen ballt sich zu einem H\u00e4ufchen; es erfolge in die Unebenheiten der \u00e4ussern Begrenzung ein zusammenh\u00e4ngender Niederschlag, und damit w\u00fcrde eine Zelle gebildet sein. \u2014 3) Einige K\u00f6rnchen lagern sich in der Art zu-\nUm diese noch immerhin vage, aber einzig m\u00f6gliche Definition zu zertr\u00fcmmern, hat man neuerlichst angefangen, noch das Bl\u00e4schen und die Zelle zu trennen. Man setzt den Unterschied dieser beiden in die Eigenschaft, dass das Bl\u00e4schen ein in der Zeit unver\u00e4nderliches, die Zelle ein ver\u00e4nderliches, entwicklungsf\u00e4higes Gebilde sei. Mit diesem Kennzeichen ist aber nichts ge-tlian, wenn nicht zugleich bewiesen wird, dass der Grund f\u00fcr dieses verschiedene Verhalten in 1er Zelle selbst gelegen sei. Denn dann k\u00f6nnte man auch zwei St\u00fccke reinen Eisens f\u00fcr verschieden erkl\u00e4ren wollen, wenn man die Absicht hegte, das eine in luftfreies Wasser und das andere ill Salpeters\u00e4ure zu werfen.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung der Zelle.\n161\nsammen, dass sie einen mit Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllten Hohlraum umschliessen ; wenn sie verschmelzen, so ist eine Zelle fertig. \u2014 4) Fertig gebildete Zellen sind vorhanden, um welche auf der innern und \u00e4ussern Oberfl\u00e4che Niederschl\u00e4ge aus der umgebenden Fl\u00fcssigkeit geschehen, die an der Wand der vorhandenen Zelle entweder gar nicht oder nur an wenigen Punkten haften. \u2014 5) Zwei gegen\u00fcberstehende Wandungen einer Zelle n\u00e4hern sich einander, bis sie auf dem Querschnitt die Form einer 8 annehmen; trennt sich der eingeschn\u00fcrte Theil, so sind aus einer zwei Zellen gebildet worden.\nDiese anatomischen Erfahrungen decken uns nun in der That nichts anderes auf, als Mechanismen, wie man sie sich nicht naheliegender h\u00e4tte denken k\u00f6nnen, wenn man eine Zelle innerhalb einer Fl\u00fcssigkeit h\u00e4tte bilden wollen ; sie sind in der That zum gr\u00f6ssten Theile so einfach, um nicht zu sagen gew\u00f6hnlich, dass man unter Ber\u00fccksichtigung des Scharfsinns und der Feinheit in allen \u00fcbrigen Werken der Natur geneigt sein -konnte, sie f\u00fcr Erfindungen menschlicher Einbildungskraft zu halten.\nGesetzt nun aber, diese Mechanismen bestehen wirklich, so m\u00fcssen, damit in ihnen die Veranlassung zur Zellenbildung gefunden werden kann, noch eine Reihe chemischer Bedingungen hinzu treten, welche entweder die F\u00e4llung einer elastischen Haut erm\u00f6glichen, oder die Substanz der zusammengeballten K\u00f6rnchen ver\u00e4nderen. Wir m\u00fcssen eingestehen, dass uns eine Aufkl\u00e4rung \u00fcber dieselben in jedem einzelnen Fall noch vollkommen fehlt. Dieses gen\u00fcgt aber nicht, um ihr Bestehen f\u00fcr unm\u00f6glich, ja nicht einmal, um es f\u00fcr unwahrscheinlich zn halten. Denn jene Mechanismen sind in Fl\u00fcssigkeiten enthalten, deren aufgel\u00f6ste Bestandtheile in stetigen Umwandlungen begriffen sind, welche sich sehr h\u00e4ufig mit Ver\u00e4nderungen des Aggregatzustandes paaren. Die hieraus fliessende Wahrscheinlichkeit wird aber noch wesentlich erh\u00f6ht durch den Umstand, dass die Zellenbildung gew\u00f6hnlich, wo nicht immer, an Orten vorgeht, an denen zwei verschiedene Fl\u00fcssigkeiten durch eine Haut getrennt sind, welche nur sehr allm\u00e4hlig die Vermischung beider zul\u00e4sst. Bei dieser Auffassung der Dinge gewinnt auch die Erfahrung Bedeutung, dass in Fl\u00fcssigkeiten, in denen man ihrer chemischen Zusammensetzung nach eine Entstehung von Zellen erwarten sollte, diese doch nur dann eintritt, wenn andere noch in Ver\u00e4nderung begriffene Zellen in sie gelangen. Denn mit der Einf\u00fchrung dieser letzteren ist eben die M\u00f6glichkeit einer eigenth\u00fcmlichen chemischen Umwandlung von beschr\u00e4nkten Herden aus gegeben.\nDie anatomische Erfahrung lehrt nun weiter, dass die einmal entstandene Zelle nicht unter allen Umst\u00e4nden ihre erste Form bewahrt, sondern dass sie dieselbe unter gewissen Bedingungen ver\u00e4ndert, wie dieses namentlich unter dem Einfluss bestimmt vorgezeichneter Tempera-turgrafle und einer ebenso bestimmten chemischen Zusammensetzung der\nLudwig, Physiologie. II,\tll","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nVer\u00e4nderung der fertigen Zelle.\nsie umsp\u00fclenden Fl\u00fcssigkeiten geschieht. Diese Ver\u00e4nderungen, worin sie auch bestehen m\u00f6gen, lassen sich, so weit sie die Zellenhaut angehen, zur\u00fcckf\u00fchren auf einfaches Aufquellen, auf eine totale oder partielle Auflegung neuer Stoffe oder auf eine partielle oder totale Aufl\u00f6sung derselben. Im Inhalt dagegen k\u00f6nnen neue Formbestandtheile entstehen, fr\u00fcher bestandene untergeben, oder es kann der fl\u00fcssig gebliebene Inhalt sich mehren oder mindern.\nSo bemerkenswert!!, um nicht zu sagen sonderbar, die Umwandelungen oft genug ausfallen, so stellt sich doch nirgends einer Erkl\u00e4rung derselben aus den gew\u00f6hnlichen Molekularkr\u00e4ften eine prinzipielle Schwierigkeit entgegen. Man weiss allgemein, dass die Wandungen niemals aus einer einzigen stabilen chemischen Verbindung aufgebaut sind, sondern dass sie jedesmal ein Gemenge aus festen und fl\u00fcssigen Massen zugleich darstellen ; ihre festen Massen sind von Fl\u00fcssigkeit durchtr\u00e4nkt. Warum soll also eine Zelle sich nicht ausdehnen k\u00f6nnen, wenn in ihren Fl\u00fcssigkeiten Niederschl\u00e4ge erfolgen? in der That lag diese Hypothese f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der einfachen und abseitigen Vergr\u00f6sserung der Zellenhaut so nahe, dass Schwann, dem wir so viele anatomische Entdeckungen \u00fcber die thierischen Elementartheile verdanken, nicht allein sogleich auf sie verfiel, sondern sie auch zugleich so wahrscheinlich zu machen wusste, dass dieselbe allseitig Eingang gewann. \u2014 F\u00fcr die Erkl\u00e4rung der partiellen L\u00f6sungen oder Auflagerungen ist uns freilich keine Hypothese von \u00e4hnlicher Tragweite und Einfachheit bekannt, aber jedenfalls ist doch einzusehen, dass die chemische Natur der Haut, wenn sie auch urspr\u00fcnglich \u00fcberall dieselbe war, (loch mit der Zeit von Ort zu Ort variabel werden kaum Denn die Haut hat doch immerhin eine endliche Ausdehnung, mag dieselbe auch sehr klein sein; dazu ist sie in allen uns bekannten F\u00e4llen, in denen sie eine theilweise Ver\u00e4nderung erf\u00e4hrt, so gelagert, dass die Einfl\u00fcsse, welche die eine oder andere Stelle erfahren m\u00fcssen, nothwendig verschieden sind von denjenigen auf alle \u00fcbrigen. Denn sie sitzen, durch Adh\u00e4sion verbunden, in anderen Geweben fest und kehren verschiedenen Fl\u00e4chen Ge-webstheile von untereinander abweichender Zusammensetzung zu.\nDiese Darlegung zeigt uns zur Gen\u00fcge, wie nothwendig neue Untersuchungen \u00fcber die Entstehung und Weiterbildung der Zelle sind. Sollen diese aber mit Erfolg angestellt werden, so m\u00fcssen Beobachtung und Versuch sich die Hand reichen. Die Beobachtung der Anatomen muss vor Allem darauf ausgehen, noch sch\u00e4rfer als bisher die Formfolge festzustellen, indem sie einmal die Zahl der zeitlichen Beobachtungen, welche ein und dasselbe Gebilde betreffen, vervielf\u00e4ltigt, so dass man in Wahrheit sicher sein kann, alle Uebergangsstufen gesehen zu haben, welche bei der Umformung der einen in die andre Gestalt zum Vorschein kommen, dann aber muss sie aus der Lage oder irgendwelchen andern Umst\u00e4n-","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Gedanken \u00fcber die Art der Entstehung\nden Kennzeichen f\u00fcr das relative Alter eines Zellenindividuums aufdecken. Denn da man gew\u00f6hnlich an einem und demselben Orte Zellen findet, welche von \u00e4hnlichen Ausg\u00e4ngen zu sehr verschiedenen Endpunkten gelangen, so bleibt der Willk\u00fchr oft genug die Verkn\u00fcpfung der Formen untereinander \u00fcberlassen. Kein einsichtiger Anatom wird die Bedeutung dieser Anforderungen untersch\u00e4tzen. \u2014 Die chemische Beobachtung, welche an diesem Punkte noch alles zu leisten hat, wird gleichzeitig mit der Stofffolge in einem seiner Form nach ver\u00e4nderlichen Gebilde auch alle die Umwandlungen zu studiren haben, welche die umsp\u00fclenden Fl\u00fcssigkeiten w\u00e4hrend dieser Zeit erleiden. \u2014 Die Befriedigung solcher Anforderungen, weiche sich sehr bequem aussprechen aber sehr schwer erf\u00fcllen lassen, w\u00fcrde aber nach unsern jetzigen Einsichten noch nicht einmal gen\u00fcgen, um eine vollendete Entwickelungstheorie aufzustellen, vorausgesetzt, dass sie, wie billig, uns Aufschluss geben sollte, in wie weit und in weicher Art und Weise jede der vorhandenen chemischen und mechanischen Bedingungen sich an einer jeden Form- oder Stoffver\u00e4nderung betheiligte. Dieses k\u00f6nnte offenbar nur durch einen Versuch gel\u00f6st werden, welcher willk\u00fchrlich an den urspr\u00fcnglich gegebenen Formen und Stoffen \u00e4ndert und daraus entspringende Entwickelungsabweichungen feststelit. Die Nothwendigkeit des Versuchs wird um so mehr erkannt werden, wenn man die M\u00f6glichkeit erw\u00e4gt, dass unter den zahlreichen Stoffen und Formen, welche gleichzeitig in den Orten vorhanden sind, die wir Entwickelungsst\u00e4tten nennen, mannigfache vorhanden sein k\u00f6nnen, welche sich einer gerade eingeleiteten Zellenbildung gegen\u00fcber ganz gleich-giltig verhalten.\nDiese Beobachtungen und Versuche k\u00f6nnen selbst dem nicht vollkommen \u00fcberfl\u00fcssig erscheinen, welcher behauptet, dass die anziehenden und abstossenden Kr\u00e4fte der Masse bei der Zellenentwickelung beherrscht werden durch ein regulatorisches Prinzip, durch eine Lebenskraft. Denn diese selbst, mag sie wirken wie sie will, geht doch nur als eine besondere Bedingung in einen Prozess ein, in dem neben ihr noch viele andere th\u00e4tig sind. Dieses kann um so weniger gel\u00e4ugnet werden, als es eine allbekannte Erfahrung ist, dass schon sehr zarte Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung aller zur Zeilenbildung verwendeten Fl\u00fcssigkeit, wie namentlich in ihrem Gehalt an C02, Salzen, Wasser u. dergl., im Stande sind, die Zellenbildung ganz zu hemmen, oder mindestens sehr zu modifiziren. Die Vertheidiger der Lebenskr\u00e4fte, jener Kr\u00e4fte, welche die Form der Zelle abh\u00e4ngig machen von einem instinktiven, den organischen Gebilden eingeborenen Willen, werden aber vielleicht die von einer einfacheren und strengeren Gedankenfolge vorgeschlagenen Versuche f\u00fcr zu m\u00fchselig halten im Vergleich zu dem aus ihnen bevorstehenden Erwerb. Sie werden uns Vorhalten, dass ein und dieselbe wie es scheint \u00fcberall gleichartige Zelle oft Ofen u g nur an beschr\u00e4nkten Theilen ihres \u00e4ussern oder innern\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"Und Ver\u00e4nderung der Zelle.\n164\n\\\nUmfangs Ver\u00e4nderungen erleidet, obwohl sie an allen Orten von einer gleich zusammengesetzten Fl\u00fcssigkeit umsp\u00fclt werde. Steht eine solche Thatsache fest, so wird man es immer erst noch zu gew\u00e4rtigen haben, ob nicht schon bei der ersten Bildung jene nachtr\u00e4glich besonders ver\u00e4nderten Stellen durch eigene Anordnungen bevorzugt waren, welche vielleicht weder durch die chemische Zerlegung noch durch das Mikroskop festgestellt werden k\u00f6nnen. Denn diese Hilfsmittel sind auch nicht bef\u00e4higt, die abweichende Lagerung der Molekeln in zwei aufeinander senkrechten Krystallachsen ans Licht zu bringen, und\u00ab doch ist diese vor- -handen und in zahlreichen F\u00e4llen von bedeutendem Einfluss auf physikalische Vorg\u00e4nge. \u2014 Der Theoretiker aus der alten Schule wird uns ferner entgegensetzen, dass gewisse Zellen sehr verschiedener Thiere in ihrer Entwickelung sehr ann\u00e4hernd dieselbe Formfolge durchlaufen ; und dass umgekehrt bei einem und demselben Thiere in einem und demselben Organe zwei aneinander grenzende Gebilde, die urspr\u00fcnglich einander sehr \u00e4hnlich, wenn nicht gleich, waren, doch ganz verschiedene Formfolgen w\u00e4hrend des Lebens erfahren. Er wird in diesen allerdings sehr gew\u00f6hnlichen Vorkommnissen den Beweis finden, dass die Formbildung von den umsp\u00fclenden S\u00e4ften vollkommen unabh\u00e4ngig sei. Diese Thatsachen erlauben aber noch andere viel n\u00e4her liegende Deutungen; wer weiss nicht, dass die verschiedensten Componenten zu ganz denselben Besultirenden f\u00fchren k\u00f6nnen. Und wenn dieses der Fall, so muss es auch m\u00f6glich sein, dass Frosch und Menschen trotz aller Abweichung ihrer Ern\u00e4hrungss\u00e4fte Deck- und Dr\u00fcsenzellen und Tochterformen derselben von ann\u00e4hernd gleicher Form erzeugen. \u2014 Wenn aber umgekehrt die urspr\u00fcnglich ganz \u00e4hnlichen Gebilde eine verschiedene Formfolge erfahren, so beweist dieses nur, dass dem Organismus eben so zahlreiche als feine Hilfsmittel zu Gebote stehen, um auf beschr\u00e4nktem Baume zahlreiche chemische Prozesse einzuleiten, ohne dass sie sich gegenseitig st\u00f6ren oder gar aufheben. In dem Ei, einer chemischen Werkst\u00e4tte von relativer Einfachheit, ist doch schon ein so h\u00e4ufiger Wechsel von Fetten und in Wasser l\u00f6slichen Bestandtheilen gegeben, in ihm geht wegen der geringen Diffussibilit\u00e4t seiner Bestandtheile eine so langsame Ausgleichung chemischer Differenzen von Statten, dass es uns nicht auffallen kann, wenn sich an dem einen Ende desselben durch das Eindringen von W\u00e4rme oder Fl\u00fcssigkeiten Produkte bilden, welche dem andern Ende fehlen. Wie viel leichter muss dieses aber in einem Organe m\u00f6glich sein, das aus zahlreichen Zellen, Fasern und B\u00f6hren gebaut ist und dazu noch in mikroskopischen Zwischenr\u00e4umen von Blut- und Lymphgef\u00e4ssen durchzogen wird. Welche Widerst\u00e4nde werden die vielen H\u00e4ute der Verbreitung eines eindringenden und neugebildeten Stoffes entgegensetzen, und wenn diese endlich \u00fcberwunden sind, so wird der diffuntirte Stoff von den","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Epithelien.\n165\nBlut- und Lymphgef\u00e4ssen aufgeleckt und aus den Organen ganz entfernt werden. Bedenkt man, dass die in unmittelbarer Ber\u00fchrung mit den Ge-f\u00e4ssen befindlichen Gewebstheile von dem Blute ganz anders angegriffen werden m\u00fcssen, als die entfernteren, zu welchen die Blutfl\u00fcssigkeit erst gelangen kann, nachdem sie andre auf ihre Zusammensetzung ver\u00e4ndernd wirkende Atomhaufen durchsetzt hat; bedenkt man ferner, wie langsam die meisten chemischen Umwandlungen im Organismus geschehen und wie h\u00e4ufig aus denselben unl\u00f6sliche Produkte hervorgehen ; erw\u00e4gt man endlich, dass wegen der schlechten Leitungef\u00e4higkeit der thierischen Gewebe f\u00fcr W\u00e4rme und Elektrizit\u00e4t in nahe aneinander grenzenden Partien h\u00f6here und niedere Temperaturen, schw\u00e4chere und st\u00e4rkere Str\u00f6me mit einander wechseln k\u00f6nnen, so wird es unsere Verwunderung nicht mehr erregen, dass solche Unterschiede in den Wirkungen scheinbar gleicher Einfl\u00fcsse zum Vorschein treten. \u2014 Der Anh\u00e4nger der Lebenskraft wird endlich darauf hinweisen, dass trotz alle dem doch immer noch tausenderlei r\u00e4thselhaft bleibt; warum beschr\u00e4nkt sich das Wachsthum der Elementarformen auf mikroskopische Grenzen? warum ordnen sich ganz analoge Zellenformen in der ersten Entwickelung zu Gruppen von den verschiedensten Formen und Gr\u00f6ssen an und geben damit Veranlassung zur Entstehung der Organe? und was dergl. Dinge mehr sind, die wir heute nur anstaunen aber nicht deuten k\u00f6nnen.\nIn der That, jeder, der vor den ungeheuren Schwierigkeiten, welche hier zu \u00fcberwinden sind, nicht muthlos die Arme sinken l\u00e4sst, kann nicht zweifelhaft sein \u00fcber den Weg, welchen er demn\u00e4chst zu betreten hat. Auf der einen Seite steht eine Hypothese, welche nichts erkl\u00e4ren kann und will, weil sie die Gewebsbildung von vorne herein der Wirkung gew\u00f6hnlicher Naturkr\u00e4fte entr\u00fcckt, auf der andern die Aussicht, durch m\u00fchevolle Arbeit einzudringen in die verschlungenen Wege der thierischen Kr\u00e4fte, mit der Gewissheit, dass mit dem erreichten Ziele uns\n?\nentweder die volle Herrschaft gegeben ist, die organischen Prozesse zu leiten nach unserm Belieben, oder dass uns mindestens die Klarheit geworden, wie die Natur jene Formen bildet und umbaut, welche uns aufgedeckt wurden durch die vereinten Bem\u00fchungen eines reichen Kranzes von hervorragenden Anatomen, deren Reigen durch C. v. B\u00e4r, Purkinje, J. M\u00fcller* E. H. Weber, Schwann, Henle, Bischoff und K\u00f6lliker angef\u00fchrt wird.\nSpezieller Theil.\nOberh\u00e4ute, Epithelien.\nDie anatomischen Elemente der Oberh\u00e4ute sind Zellen, deren Form sich der kugeligen, cylindrischen oder plattenartigen ann\u00e4hert.\nGeschichtete Pflasterh\u00e4ute. Sie bedecken die Cutis und die Fortsetzungen derselben in die Mund-, After-, Harn- und Geschlechts\u00f6ffnung,","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomischer und chemischer Bau der Epithelien.\n1.\tAnatomische Eigenschaften* **)). Um ihre Aufhellung hat sich Henle besondere Verdienste erworben. Die geschichteten Pflasterh\u00e4ute enthalten cylindrische, kugelige und plattenf\u00f6rmige Zellen. Die zuerst genannte Formation, welche meist mit l\u00e4nglichen Kernen versehen ist, sitzt unmittelbar auf der Cutis auf (K\u00f6Hiker). Ueber dieser finden sich mehrere Lagen von kleinen Kugelzellen, die immer einen relativ grossen Kern einschliessen, welcher nahebei den ganzen Binnenraum der Zellen ausf\u00fcllt; in den noch weiter nach aussen gelegenen Schichten trifft man dann gr\u00f6ssere Zellen, deren Form die Mitte half zwischen der Kugel und Platte, und endlich sind die \u00e4ussersten Lagen aus Pl\u00e4ttchen gebildet; der geringe Binnenraum in diesen platten Zellen ist durch einen Kern ausgef\u00fcllt, welcher an Gr\u00f6sse den der kugeligen kaum\u00fc hertrifft.\u2014 Zwischen den Zellen der tieferen Schichten findet sich noch etwas Fl\u00fcssigkeit ergossen, die zwischen den oberfl\u00e4chlicheren fehlt.\nDie Gesammtzahl der Zellen, welche in einem senkrecht gegen die Cutis gef\u00fchrten Schnitte \u00fcbereinander liegen (oder die Dicke der Epidermis), und ebenso die Verh\u00e4ltnisszahl zwischen cylindrischen und kugeligen einerseits und plattenf\u00f6rmigen andererseits ist ver\u00e4nderlich mit den Hautstellen, deren Bedeckung sie bilden. Diese mit dem Standort ver\u00e4nderlichen Verh\u00e4ltnisse pr\u00e4gen sich schon im f\u00f6talen Leben aus (Albin, Krause), so dass sie als eine Folge der eingeborenen Bildungsmechanismen angesehen werden m\u00fcssen. Die Messungen von Krause, K\u00f6 Hiker und Wendt stellen heraus, dass die Dicke der gesammten Oberhaut am m\u00e4chtigsten in der Fusssohle und den Handtellern, am geringsten an dem Kinn, den Lippen, der Stirn, den Wangen, den Augenlidern und dem \u00e4ussern Geh\u00f6rgang ist. In einzelnen F\u00e4llen \u00fcbertrifft die Zahl der \u00fcbereinander geschichteten Cylinder und Kugelzellen (rete Malpighi) diejenige der plattenf\u00f6rmigen (Hornschicht); f\u00fcr gew\u00f6hnlich gilt jedoch das umgekehrte.\nDie Gr\u00f6sse der einzelnen Zellen ist unabh\u00e4ngig vom Lebensalter, diejenigen des Neugeborenen sind eben so gross wie die des Erwachsenen.\nHartin g*\n2.\tChemische Zusammensetzung*). Die vorliegenden Untersuchungen beziehen sich vorzugsweise auf die Hornschicht; die aus ihnen gewonnenen Resultate gen\u00fcgen nicht, um eine Vorstellung \u00fcber die qualitative, geschweige denn \u00fcber die quantitative Zusammensetzung zu gewinnen.\na. Hornschicht. Kaltes Wasser zieht aus derselben eine salzhaltige, sauer rea-girende Fl\u00fcssigkeit aus, welche nach altern Analysen aus Verbindungen von Ammoniak, Natron, Kali, Eisenoxyd mit Essigs\u00e4ure, Milchs\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure und Chlor besteben sollen (Berzelius). Kochendes Wasser l\u00f6st unter Schwefelwasser-\n*) Krause, Haut in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. II. Bd. \u2014 Harting, Recherches mikrome-triques. Utrecht 1845. p. 47. \u2014 K\u00f6 Hiker, Mikroskop. Anatomie. II. Bd. 1. Abth. p. V, Henle, Jahresbericht \u00fcber allgem. Anatomie f\u00fcr 1850. p. 20.\n**) Mulder, Versuch einer allgemeinen physiolog. Chemie. Braunschweig, p, 548.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Quellungserscheinungen der Epithelien.\t\u00cf67\nStoffentwicklung einen leimartigen K\u00f6rper auf (John); Alkohol und Aether entziehen ihm Fett. \u2014 Die nach dieser Behandlung zur\u00fcckbleibende Masse (der sog. Hornstoff) gal) bei der Verbrennungsanalyse von Scherer und Mulder in lOOTheilen: C50,S;\nH 6,7 ; N 17,2 ; 0 27,0; S0,7. \u2014- Dass diese Zahlen nicht die Zusammensetzung einer geschlossenen Atomgruppe angeben , folgert sich daraus, weil durch Behandlung mit Kali und ebenso durch Ammoniak und Salpeters\u00e4ure die analysirte Zellenmasse in drei verschieden reagirende Stoffe zerlegt werden kann \u2022 Mit Salpeters\u00e4ure gewinnt man die sog. Xanthoproteins\u00e4ure (Bd. I. p. 40.) aus derselben; bei der Aufl\u00f6sung der Epidermiszellen in Bali bildet sich SH und INH3 und ein durch Essigs\u00e4ure f\u00e4llbarer, dem Protein nach prozentischer Zusammensetzung und Reaktionen \u00e4hnlicher Stoff. Beim Verbrennen entwickeln sie den Geruch eiweissartiger Stoffe. Aus allem diese\u00ab ist der Schluss erlaubt, dass die Hornschuppen einen zur Eiweissgruppe geh\u00f6rigen Bestandteil enthalten. \u2014 Die verbrannten HornzelJen hinterlassen eine Asche, w elche bis zu 2 pCt. der trockenen Substanz ausmacht und aus 3Ca0P05 und Fe203 besteht.\nb. Von den Zellen der Schleimschicht wissen wir, dass sich ihre H\u00fcllenmembranen im Gegensatz zu denen der Hornschicht (mit Hinterlassung des Kerns) in kalter Essigs\u00e4ure nufl\u00f6sen.\nt\n3. Quellungserscheinungen *). Reines Wasser dringt sehr schwierig in die Epidermis ein; legt man dickere St\u00fccke derselben in Wasser, so findet man selbst nach tagelanger Einwirkung nur die obersten Lagen der Hornschicht aufgeweicht. In einer auf diese Weise behandelten Deckhaut ist der Zusammenhang zwischen den Zellen gel\u00f6st, der Umfang dieser letzteren selbst aber nur um ein Unbedeutendes vergr\u00f6ssert. \u2014 Bindet man einen mit Epidermis bedeckten Hautlappen \u00fcber die eine M\u00fcndung eines Glasrohrs und f\u00fcllt dieses letztere bis zu betr\u00e4chtlichen H\u00f6hen mit Wasser an, so dringt dieses durch die Lederhaut und hebt die Epidermis von derselben ab, so dass sich die letztere in Form einer Blase auftreibt. \u2014 Als endosmotische Scheidewand aufgestellt, verwehrt die Epidermis, so weit wir wissen, durchgreifend die Ausgleichung zwischen Wasser und w\u00e4sserigen Salzl\u00f6sungen ; sie erlaubt dieselbe dagegen zwischen Wasser und verd\u00fcnnten S\u00e4uren; wie zwischen Alkohol, alkoholischen oder \u00e4therischen Salzl\u00f6sungen und Wasser; in beiden F\u00e4llen geht der st\u00e4rkere Strom vom Wasser zum Alkohol (Krause).\nDie Epidermis ist im trocknen und feuchten Zustand f\u00fcr Gase jeder\nArt durchg\u00e4ngig,\nKrause reinigt die zur Filtrations- oder Diffusionsmembran angewendete \u00c8pider-mis mit Wasser, Seife und Aether; es k\u00f6nnte auffallend erscheinen, dass die Schweiss-kan\u00e4lcben (die von ifim angew endeten St\u00fccke w aren aus dem Handteller genommen) sich nicht er\u00f6ffnet und einen raseben und beliebigen Diffusionsstrom erlaubt haben. Dieses geschah wahrscheinlich darum nicht, weil Krause den Fl\u00fcssigkeitsdruck auf der einen Seite h\u00f6her, als auf der andern machte, wodurch die schief laufenden G\u00e4nge zusammengepresst werden.\nUeber den Durchgang der tropfbaren und gasartigen Fl\u00fcssigkeiten durch die unverletzte Epidermis des lebenden Menschen in die Fl\u00fcssigkeiten\n*) Krause, 1. c, 153, \u2014 K\u00f6lliker, 1. c. p. 59,","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nDurchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden.\nresp. die Blutgef\u00e4sse der Cutis, sind zahlreiche Versuche von Aerzten*) angestellt. Der Unterschied zwischen diesen und den erw\u00e4hnten Versuchen von Krause leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die endosmotische Scheidewand zwischen den auf die K\u00f6rperoberfl\u00e4che gebrachten Stoffen und den in der Lederhaut enthaltenen Fl\u00fcssigkeiten offenbar nicht mehr allein dargestellt wird durch die Epidermis, sondern dass auch durch die mit Schweiss und andern Fl\u00fcssigkeiten erf\u00fcllten Schweisskan\u00e4lchen die Ausgleichung erfolgen muss. \u2014 Die hierhergeh\u00f6rigen Versuche bieten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sich f\u00fcr gew\u00f6hnlich mit einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche wohl etwas \u00fcber das Zustandekommen, nichts aber \u00fcber die Geschwindigkeit des Durchgangs der betreffenden Substanzen aussagte. \u2014 Aus den vorliegenden Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass von aussen nach innen eindringt: Wasser, und zwar laues besser als heisses, die in der Fleischbr\u00fche und Milch gel\u00f6sten Stoffe (?), verd\u00fcnnte Schwefel-, Salz-, Salpeters\u00e4ure, verd\u00fcnnte L\u00f6sungen von Chlorbarvum, Brechweinstein, Quecksilberchlorid, Blutlaugensalz, Jodkalium, Croton\u00f6l, aromatische Oele, Can-tharidin, Jod und Quecksilber. Umgekehrt gehen aus der Haut in ein Wasserbad \u00fcber Kochsalz; nach Barrai hatte ein Bad aus 174 Kilogr. von 37\u00b0 C. w\u00e4hrend einer Stunde 1 Gr. dieses letztem Salzes aus der Haut ausgewaschen.\nDem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut in Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand entgegen, als die von ihr losgel\u00f6ste.\nDer Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen l\u00e4sst sich jedesmal leicht feststellen, wenn er im Beginnen des Versuchs entweder im Organismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die chemische Reaktion meist gen\u00fcgende Hilfsmittel, und wo diese nicht mehr anwendbar, tritt oft eine physiologische an ihre Stelle ; dieses gilt z. B. unter den oben angef\u00fchrten Stoffen f\u00fcr Croton\u00f6l, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigen-thiimliche Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis f\u00fcr den Ueber-tritt solcher Stoffe, welche schon im Organismus Vorkommen, oder gar die genaue quantitative Bestimmung der \u00fcbergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie z. B. die des \u00fcbergehenden Wassers, muss man entweder Gewichtsverlust des Bades oder die Gewichtszunahme des thierischen K\u00f6rpers feststellen. Beide W\u00e4gungen sind aber mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn einmal nimmt der menschliche K\u00f6rper w\u00e4hrend des Bades auch an Gewicht ab durch die Lungenausd\u00fcnstung, diese m\u00fcsste also w\u00e4hrend des Bades bestimmt werden, was bis dahin noch nicht geschehen ist, und n\u00e4chstdem m\u00f6chte man einem Menschen wohl schwerlich die Haut gerade soweit wieder abzutrocknen im Stande sein, wie vor dem Bade. Die W\u00e4gung des Bades f\u00fchrt Unsicherheit ein, wegen der Verdunstung der Fl\u00fcssigkeit w\u00e4hrend des Abtrocknens, des H\u00e4ngenbleibens derselben an der Haut u. s. w.\n4. Auch ohne dass eine besondere Untersuchung vorliegt, k\u00f6nnen\n*) Die \u00e4lteren Beobachtungen von Young, Madden, Collard, Emmert u. s. w. siehe bei Krause 1. c. Ausserdem Oesterlen in Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. V. Bd. 434.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Ern\u00e4hrung der Epidermis.\tJ09\nwir behaupten, dass die Epidermis ein schlechter W\u00e4rmeleiter sei ; Elektrizit\u00e4t leitet sie nur, insofern sie Wasser enth\u00e4lt; also leitet eine'sog. feuchte Haut besser als eine trockene und eine warme besser als eine kalte (Ed. Weber)*).\n5. Von der Ern\u00e4hrung der Epidermis. \u2014 Den Muttersaft der Pflasterzellen liefern die oberfl\u00e4chlichsten Gef\u00e4sse der Cutis. Aus ihm entstehen zun\u00e4chst die Zellen, welche in den tiefsten Schichten der Oberhaut enthalten sind. Der Beweis hierf\u00fcr liegt in der bekannten Erfahrung, dass eine L\u00fccke, die man in die Epidermis geschnitten, sich nicht dadurch ausf\u00fcllt, dass auf der freien Oberfl\u00e4che der L\u00fccke neue Zellenlagen entstehen, sondern in der Weise, dass sich der Boden derselben allm\u00e4hlig erhebt, durch einen von der Cutisoberfl\u00e4che her erfolgenden Nachschub von Zellen. \u2014 Die Ursachen der Absonderung jenes Bildungssaftes sind uns unbekannt, und nicht minder die Zusammensetzung der prim\u00e4ren Fl\u00fcssigkeit. \u2014 Zwischen der Absonderungsgeschwindigkeit des Muttersaftes und der Zellenbildung scheint das Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltniss zu bestehen, dass sich nur bis zu einem gewissen Grade die Bildung neuer Zellen mehrt mit der Menge der abgesonderten Fl\u00fcssigkeit; steigert sich die Absonderungsgeschwindigkeit noch weiter, so h\u00f6rt alle Bildung von Epidermis auf. \u2014 Diesen Satz st\u00fctzen wir damit, dass eine Erweiterung der Capillarengef\u00e4sse in der Cutis, also eine vermehrte Spannung des Bluts in ihnen, wie wir sie gewahren nach gelindem Druck, h\u00f6heren Erw\u00e4rmungen u. dgl., die Epidermisbildung mehrt (Schwielen der Hand- und Feuerarbeiter) ; eine weiter getriebene Ausdehnung der Gef\u00e4sse, die in kurzer Zeit den Austritt gr\u00f6sserer Mengen von Fl\u00fcssigkeit zur Folge hat, hebt dagegen die Epidermis ab, und in der Blasenfl\u00fcssigkeit entstehen keine Epithelien ; ihre Bildung beginnt erst wieder mit dem Austrocknen der Blase. In der That scheint ein grosser Theil der oberhautbildenden Mittel der Aerzte die Aufgabe zu haben, das Maass der Absonderung zu regeln, indem sie entweder auf die Erh\u00f6hung des Elastizit\u00e4tscoeffizienten der Gef\u00e4ssh\u00e4ute (Blei-, Silbersalpeter) oder auf die Verringerung des Gef\u00e4ssdurchmessers (Einwickelungen) einwirken.\u2014 Der chemische und mechanische Vorgang, der die Ueberf\u00fchrung der Fl\u00fcssigkeit in die Zelle bedingt, ist unbekannt. Man behauptete mit R\u00fccksicht auf den \u00bbletztem fr\u00fcherhin, dass aus dem Muttersaft zuerst aus irgend welchem Grunde Zellenkerne entst\u00e4nden, welche sich mit einer Haut umh\u00fcllten; neuerlichst bestreitet man dieses und setzt an die Stelle der alten Hypothese eine andere, wonach die tiefsten, cylindrisch geformten Zellen sich an ihrem freien, von der Cutis abgewendeten Ende abgewendeten Ende abschn\u00fcren und damit, zur Entstehung der kleinen Kugelzellen Veranlassung geben sollen. Die Gr\u00fcnde f\u00fcr die Feststellung\n*) Quaestiones physiologicae de phaenom. etc, 1836,","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nNagel.\nder einen oder andern Formfolge sind aber noch wenig befriedigend. Es w\u00e4re wiinschenswerth, die Epithelialbildung auf vernarbenden Wunden genauer zu studiren. \u2014 Die Zellen der Hornschicht gehen unzweifelhaft aus denen der Kugelschicht hervor, was sich ohne Weiteres durch die Lagerungsverh\u00e4ltnisse beweisen l\u00e4sst. Man stellt sich das Zustandekommen der Abplattung in der Weise vor, dass die im Zellenraume enthaltenen l\u00f6slichen Bestandtheile allm\u00e4hlig unl\u00f6slich w\u00fcrden, und das Wasser durch Diffusion oder Verdunstung entfernt w\u00fcrde. Gesetzt, diese Meinung w\u00e4re bewiesen, so m\u00fcsste nun noch gezeigt werden, warum das 'Zusammenfallen der Wand in der Richtung des Dickendurchmessers der Oberhaut erfolgt. \u2014 Unerkl\u00e4rt ist es ferner, woher der Zusammenhang der Zellen r\u00fchrt; nachweislich schuppen sich (durch Verlust dieses Zusammenhangs) unter gewissen, nicht n\u00e4her bestimmten Umst\u00e4nden die oberfl\u00e4chlichsten Lagen leichter ab. Aus dem Verh\u00e4ltniss zwischen Neubildung und Abschuppung ist nat\u00fcrlich auch die Dicke der Epidermis an den verschiedenen K\u00f6rperregionen zu erkl\u00e4ren. In diesem Sinne ist es auch bemerkenswerth, dass aller Orten eine Grenze f\u00fcr die Dicke der Epidermis besteht, und dass eine \u00fcber das Normale gehende Dicke derselben, wie wir sie bei Schwielenbildung beobachten, wieder auf den gew\u00f6hnlichen Werth herabsinkt, wenn die Ursachen verschwinden, welche eine reichlichere Absonderung des Muttersaftes veranlassten. \u2014 Ob in der ausgewachsenen Plattenzelle auch Stoffumsatz geschieht, wissen wir nicht; es ist aber kaum wahrscheinlich, da die Pl\u00e4ttchen so schwer und nur unter ganz besondern Bedingungen der F\u00e4ulniss anheimfallen.\nN\u00e4gel.\n1.\tAnatomische Eigenschaften. Der Nagel ist ein Gebilde aus Zellen von derselben Form und Anordnung wie in den geschichteten Pflasterh\u00e4uten. Vor diesen ist er ausgezeichnet einmal durch das Verh\u00e4ltniss zwischen der Dicke der Horn- und Schleimschicht, indem an den N\u00e4geln die erstere die letztere ganz ausserordentlich \u00fcbertrifft, und dann dadurch, dass die Zellen in der Hornschicht des Nagels noch trockner, fester und inniger mit einander vereinigt sind.\n2.\tChemische Eigenschaften. Am Nagel ist bis dahin nur die Hornschicht untersucht; ihre Eigenth\u00fcmlichkeiten stimmen im Allgemeinen mit denen der Pflasterhaut \u00fcberein.\nDer sog. Hornstoff des Nagels besteht uach Scherer und Mulder in 100 Thei-len aus C5J,0; H0,9; N17,5; 021,7; S 2,8. Sein S gehalt ist also dem der Epidermis \u00fcberlegen; verbrannt hinterl\u00e4sst er 1 pCt. Asche aus 3Ca0P05.\n3.\tVon der Ern\u00e4hrung. \u2014 Die Bildung des Nagels geht nur dann vor sich, wenn ein besonders geformter Boden der Cutis, 1er Nagelfaiz und das Nagelbett, vorhanden ist. Diese Einrichtung, worin auch sonst noch ihre Wirkungen bestehen m\u00f6gen, hat jedenfalls die Folge, dass die neugebildeten Zellen sich durch das Entgegenwachsen von zwei verschio-","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Einfachere Deckh\u00e4ute.\ndenen Seiten her zusammenpressen. Durch die Aufschichtung von Zellen im Falz wird die L\u00e4ngenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum Theil mindestens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. Weher). \u2014 Nach Berthold*) wachsen die N\u00e4gel in der Jugend und im Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand mehr als an der linken ; unter allen Fingern geht am mittleren das Wachsthum am raschesten und in abnehmender Reihenfolge am Ring-, Zeige-, Ohrfinger und Daumen vor sich. Schneiden der N\u00e4gel bef\u00f6rdert die Zellenneubildung; wenn man dieselben niemals verk\u00fcrzt, so erreichen sie eine bestimmte, nicht weiter ver\u00e4nderliche L\u00e4nge.\nBeispielsweise sei erw\u00e4hnt, dass sich nach Bert hold der Nagel in 11 Tagen um etwa 1 MM. verl\u00e4ngert.\nAn diese Pflasterepithelien vollkommenster Ausbildung schliessen sich nun eine Reihe anderer Oberh\u00e4ute an, welche entweder nur aus einer oder aus mehreren der beschriebenen Zellenformen zusammengesetzt sind. Die einfachsten Oberh\u00e4ute sind die einschichtigen; sie bestehen immer nur aus einer Lage und zwar entweder aus platten, wie z. B. in den ser\u00f6sen H\u00e4uten, oder aus cylindrischen Zellen, wie im Darmkanal u. s. w. \u2014 Die complizirteren enthalten dagegen entweder kugelige und cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, kugelige und platte (Mundschleimhaut). Die letztem, welche der Epidermis am n\u00e4chsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch, dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug der pap. filiformes als d\u00fcnne Hornsch\u00fcppchen erscheinen.\nUnsere chemische Kenntniss dieser Gebilde sagt aus, dass sie unter dem Mikroskop ann\u00e4hernd dieselben Erscheinungen bieten, wie die Epi-dermiszellen.\nNach Gorup**) enth\u00e4lt das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wallfische 2,5 pCt. Schwefel, also so viel wie die N\u00e4gel des Menschen; ob dieses auch f\u00fcr die Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt?\nDie Durchdringbarkeit der weniger ausgebildeten Oberh\u00e4ute f\u00fcr gasf\u00f6rmige und namentlich fl\u00fcssige Stoffe ist viel betr\u00e4chtlicher als die der Epidermis; am leichtesten durchg\u00e4ngig sind diejenigen, welche nur aus einer Zellenlage bestehen; zum Theil mag dieses daher r\u00fchren, dass in den Zwischenr\u00e2um\u00e9n zwischen je zwei Zellen Poren gelegen sind, die der Diffusion weniger Widerstand bieten, zum Theil aber sind die Zellen selbst leicht durchg\u00e4ngig, wie die Cylinder des Darms, die freilich auch besondere Einrichtungen zeigen (siehe hier\u00fcber Aufsaugung im Darmkanal). Die Wachsthumserscheinungen der einfachen Epithelien sind unbekannt. Bemerkenswerth ist es nur, dass sich\n*) A. Berth old, Beobachtungen \u00fcber das quantitative Verhaltniss der Nagel- und Haarbildung. G\u00f6ttingen 1850.\n**) Journ. f\u00fcr prakt. Chemie. 39, Bd. p, 244,","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nFlimmerhaare.\nauch Uebergangsstufen zwischen den kugeligen und den cylindrischen Zellen finden. Die kugeligen Zellen sollen sich durch Theilungen fortpflanzen k\u00f6nnen *).\nFlimmerhaare.\nAuf einzelnen Standorten tragen die Pflaster- und Cylinderzellen gegen ihre freie, von Fl\u00fcssigkeit oder Luft begrenzte Fl\u00e4che feine weiche, haarf\u00f6rmige Anh\u00e4nge, die Wimper- oder Flimmerhaare.\nDiese Haare sind unter gewissen Umst\u00e4nden, und namentlich w\u00e4hrend ihres Aufenthaltes im lebenden K\u00f6rper in einer Bewegung, bei der ihre Spitze ungef\u00e4hr ein Viertel von der Peripherie eines Kreises zur\u00fccklegt, welcher mit der ganzen L\u00e4nge als Radius beschrieben wird. Genauer betrachtet, verh\u00e4lt sich nun diese Bewegung so, dass ein Haar, welches so eben senkrecht gegen den Boden, auf dem es eingepflanzt ist, stand, pl\u00f6tzlich zusammenknickt und sich dabei mit seiner Spitze gegen den Boden biegt, kaum hier angelangt, wieder aufsteht, um von Neuem die eben vollendete Bahn umgekehrt zu durchlaufen. Diese Bewegungen folgen sehr rasch aufeinander, so dass namentlich an den Wendepunkten keine Zeiten des Stillstandes zu beobachten sind, und nicht minder werden die Bewegungen rasch vollendet, indem nach den Messungen von Valentin und Krause ein Haar zu einem Auf- und Niedergang 0,2 bis 0,8 Sec. n\u00f6thig hat. \u2014 Die Kraft, mit welcher die Schwingung geschieht, ist nicht nach beiden Richtungen gleich, sondern nach der einen bedeutender als nach der andern. Dieses erkennt man aus der einseitigen Str\u00f6mung, welche das flimmernde Haar in einer sie bedeckenden Fl\u00fcssigkeit zu erzeugen vermag, eine Str\u00f6mung, welche statt einer einseitigen offenbar ebenfalls eine pendelnde sein m\u00fcsste, wenn die St\u00f6sse, welche ihr von dem Haar nach den verschiedenen Richtungen hin mit-getheilt w\u00fcrden, an Kraft einander gleich k\u00e4men. \u2014 Die Richtung der Schwingung ist zwar nicht auf den Zellen verschiedenen, wohl aber auf denen desselben Standortes gleich, sodass alle Haare der Bronchial-, der Tubenschleimhaut u. s. w. immer nach derselben Seite hin zusammenfallen und somit auch aufstehen.\nVon den Haaren auf den Epithelien der Muschelkiemen behauptet Valentin jedoch das Gegentbeil, sie sollen unter Umst\u00e4nden pl\u00f6tzlich ihre Schwingungsrichtung \u00e4ndern.\nDie Beschleunigung der Bewegung ist nach den Beobachtungen von Purkinfe, Valentin, Sharpey und Virchow**) abh\u00e4ngig 1) von der chemischen und mechanischen Unversehrtheit des einzelnen Wimperhaars ; ist diese erhalten, so kann die Zelle von ihrem nat\u00fcrlichen Standort entfernt, oder gar bis zur Zerst\u00f6rung der benachbarten Haare verst\u00fcmmelt sein, ohne dass die Bewegung erlischt. \u2014 Wird dagegen das\n*) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 1852. p. 343.\n**) Valentin, Lehrbuch der Physiologie, ill. a, 19 u, b. 611* \u2014 Virchow\u2019s 4rehiy. VI. Bd*","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Beschleunigung ihrer Bewegung.\nm\nHaar durch conzentrirte S\u00e4uren, Alkalien, Salze, durch Eintrocknen u. s. w. zerst\u00f6rt, so ist die Bef\u00e4higung zur Bewegung verloren ; sie kehrt namentlich auch nicht wieder, wenn man das einmal eingetrocknete Haar wieder aufweicht. \u2014 2) Die Schlagf\u00e4higkeit der Haare auf solchen Zellen, welche aus ihrem nat\u00fcrlichen Standort entfernt sind, wird verl\u00e4ngert, wenn sie in Lymphe, Blutserum oder in verd\u00fcnntem H\u00fchnereiweiss aufgehoben werden. \u2014 3) Die verlangsamt^ oder auch kurze Zeit erloschene Bewegung kann wieder belebt werden durch verd\u00fcnnte Kalilauge. (Virchow). \u2014 Die verlangsamte Bewegung soll wieder bechleunigt werden k\u00f6nnen durch mechanische Ersch\u00fctterungen (Valentin und Purkinje). \u2014 4) Die Bewegung erh\u00e4lt sich nur zwischen bestimmten Temperaturgrenzen, welche nach Valentin durch +6\u00b0 und 81 +\u00b0 C. gegeben sind. \u2014 5) Je nach dem Standorte erlischt die Bewegung mehr oder weniger rasch nach dem Tode des Individuums oder in Folge der ver\u00e4nderten Temperatur. Am empfindlichsten sind die Haare in den Geschlechtstheilen. \u2014 6) Als negative Charakteristik, den Muskel- und Nervenmassen gegen\u00fcber, ist bemerkenswert!!, dass durch verd\u00fcnnte L\u00f6sungen von Blaus\u00e4ure, Opium, Strychnin, Kreosot u. s. w. und ebensowenig durch elektrische Str\u00f6me die Bewegungen beschleunigt oder verlangsamt werden.\nVon den Ern\u00e4hrungserscheinungen der Flimmerhaare ist nichts bekannt.\nHaare.\n1. Anatomische Eigenschaften*). Der Haarknopf, oder der Theil des Haars, welcher unmittelbar an die Warze grenzt, besteht durchweg aus kugeligen, kernhaltigen Zellen und freien Kernen (?), \u00e4hnlich denen, welche in der Oberhaut auf den Cylinderenden ruhen. Im Haarschaft treten dagegen drei wesentlich verschiedene Formen auf; die Oberfl\u00e4che desselben wird rings umkleidet von einer einfachen Lage dachziegelf\u00f6rmig \u00fcbereinandergeschichteter kernloser Hornsch\u00fcppchen; dieses Haarepithelium schliesst nun eine mehrfache Schicht bandartiger Fasern ein, von denen jede einzelne aus l\u00e4nglichen kernhaltigen Hornschuppen besteht,\nwelche an ihren schmalen Seiten mit einander verwachsen sind: die\n\u00bb. *\nauf einer Peripherie des Haars liegenden Fasern sind jedoch ebenfalls untereinander verklebt; im Centrum der Faserschicht endlich liegt das Haarmark. In dieses ragen, so weit das Haar noch in dem Balg versteckt liegt, Forts\u00e4tze aus der Haarwarze, die auch h\u00e4ufig noch eine Blutgef\u00e4ssschlinge in sich fassen, und ausserdem ist es aus kugeligen Zellen gebildet, die jedoch an dem freistehenden Theile des Haars vertrocknen und somit zur Bildung lufthaltiger L\u00fccken Veranlassung geben. Zur Einsicht in den Bau des Haars und seines gleich zu erw\u00e4hnenden\n*) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. Leipzig 1855. p. 136.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\tChemische und physikalische Eigenschaften des Haars.\nS\u00e4ckchens haben uns vor Allem die Arbeiten von Heu singer, E. H. Weber, Gurlt, He nie, Steinlin und K\u00f6lliker verholfen.\n2.\tChemische Zusammensetzung *). Die festen Theile des Haars sind innerhalb des Balgs mit w\u00e4sserigen und ausserhalb desselben mit \u00f6ligen Fl\u00fcssigkeiten durchtr\u00e4nkt. Diese letztem sind ein Gemenge aus Olein und Margarin, Olein- und Margarins\u00e4ure. \u2014 Die geformten Bestandteile des Markes, der Rinde und der Deckschicht sind von ungleichartiger Zusammensetzung; und ebenso sind die Zellenindividuen einer jeden Formation ein Gemenge mehrerer Substanzen; man schliesst dieses aus dem Verhalten jener Formen gegen Kali, Schwefel- und Essigs\u00e4ure. \u2014 Eine Elementaranalyse des mit Wasser, Alkohol und Aether ausgekochten Haars gab nach v. Laer und Scherer in 100 Theilen; C 50,6; H 6,4; N 17,1; 0 20,8; S 5,0. Da die diesen Zerlegungen unterworfenen Haare aus ganz verschiedenen Orten stammten, so deutet jene Uebereinstimmung darauf hin, dass das Haar ein constantes Gemenge aus den verschiedenen Stoffen darstelle. Die Zersetzungsprodukte des Haars mit Schwefel-, Salpeters\u00e4ure und Kali stellen fest, dass dasselbe Substanzen enthalte, welche zur Gruppe der eiweissartigen K\u00f6rper geh\u00f6ren.\nDurch Behandlung mit warmer verd\u00fcnnter Kalilauge gewinnt man aus ihm sog. Protein und Proieiobioxyd unter Abscheidung von S und NH3 (Mulder). Durch S03 kann man Tyrosin und Leucin aus dem Haar gewinnen (Lever und Koller), und N05 verwandelt sie zum Theil in Xanthoproteins\u00e4ure (Mulder). Es bedarf kaum des Hinweises auf den grossen Sgehalt, um den Unterschied zwischen Haar und Epidermis deutlich zu machen.\nDer Gehalt des Haares an Asche wechselt zwischen 0,5 bis 1,8 pCt. Sie besteht aus Eisenoxyd, Kiesels\u00e4ure, phosphorsaurem Kalk und Magnesia (v. Laer und Gor up).\n3.\tPhysikalische Eigenschaften. Im trocknen Zustand zieht es begierig Wasserdampf an und condensirt ihn; in Wasser gelegt quillt es ein wenig auf. Mit Fetten durchtr\u00e4nkt sich das trockene Haar ebenfalls leicht. In welchem Verh\u00e4ltnis seine Adh\u00e4sionskr\u00e4fte zum Fett und Wasser stehen, ist unbekannt. \u2014 Das durch Fett und Wasser getr\u00e4nkte Haar ist sehr dehnbar, und dehnbarer als im trocknen Zustand. Die wenigen \u00fcber, Elastizit\u00e4t und Coh\u00e4sion des Haars vorliegenden Beobachtungen**) gen\u00fcgen nicht, um eine Vorstellung \u00fcber die hierauf bez\u00fcglichen Kr\u00e4fte desselben zu gewinnen. \u2014 Das Haar ist ein schlechter Leiter der W\u00e4rme und ein Isolater der elektrischen Str\u00f6mung.\n4.\tErn\u00e4hrung des Haares. \u2014 Die Anordnung der Zellen in der Form des Haars kann niemals ohne Hilfe einer eigenth\u00fcmlichen in die Cutis eingelagerten Vorrichtung, die Haarwarze und den Haarbalg, gesche-\n*) Mulder, physiol. Chemie. Braunschweig, p. 570. \u2014 Leyer u. K\u00f6lliker, Liebig\u2019s Anna len. 83. Bd. p. 332. \u2014 Gorup, ibid\u00ab 66. Bd. p. 321.\n**) E. H. Weber, Allgemeine Anatomie. Stuttgart 1844. p. 216.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ern\u00e4hrung des Haars; S\u00e4ckchen.\n175\nhen. Die Warze ist ein kugelf\u00f6rmiger Auswuchs auf dem Boden des Haars\u00e4ckchens, in welchen eine Gef\u00e4ssschlinge einkehrt; aus ihrer Oberfl\u00e4che dringt der Saft, in welchem dfe Zellen des Haarknopfs entstehen. Die H\u00f6hle des Haars\u00e4ckchens stellt einen kolbenf\u00f6rmigen Raum dar, der sich \u00fcberall auf das innigste an das Haar anlegt, so dass es entsprechend den Durchmessern dieses letztem unten am Knopf desselben weiter und oben gegen den Schaft hin enger wird. Die Wand, welche den engern, dem Kolbenhals entsprechenden Theil der H\u00f6hle umschliesst, ist aus sechs Schichten gebaut; z\u00e4hlt man von aussen nach innen, so trifft man zuerst auf einer Lage von dem anatomischen Bau der Cutis, nemlieh auf ein Gemenge von elastischem und Bindegewebe; dann folgt eine einfache Lage von kerntragenden Fasern, welche die kreisf\u00f6rmige Peripherie des Balgs umschlingen. Diese Fasern schliessen eine strukturlose Haut ein, auf welcher zuweilen feinstreifige Netzformen aufsitzen; sie wird wiederum bedeckt von einer Lage kugeliger Zellen, welche an der M\u00fcndung des S\u00e4ckchens in die Schleimschicht der Oberhaut \u00fcbergehen und darum als die tiefste Lage von Epithelium angesehen werden; auf sie folgen mehrere Schichten innig mit einander verbundener Hornsch\u00fcppchen und schliesslich eine Lage von Platten, welche denen vollkommen gleichen, welche als sog. Oberhaut des Haars die Faserschicht derselben einschliessen. \u2014 Nahe an der Ausm\u00fcndung des Haarbalgs \u00f6ffnen sich in denselben die G\u00e4nge kleiner Fettdr\u00fcsen, welche auf der \u00e4ussern Seite des Balgs gelegen sind. An den Grund des Sackes geht ein kleiner, aus Faserzellen zusammengesetzter Muskelstreifen, der in den oberfl\u00e4chlichen Schichten der zun\u00e4chst gelegenen Cutis entspringt.\nDer Hergang, durch den die Kugelzellen des Knopfs aus der Fl\u00fcssigkeit entstehen, welche sich aus den Gef\u00e4ssen der Warze ergiesst, ist hier wie \u00fcberall unbekannt; es ist sogar noch zweifelhaft, wie die Form beschaffen sei, welche urspr\u00fcnglich auftritt. Einige Autoren, namentlich Heule, stellen die Behauptung auf, dass in die Warze unmittelbar begrenzenden Schichten des Haarknopfs nur Gebilde von der Form der Kerne jener Kugelzellen enthalten seien; sie sind geneigt, aus dieser Beobachtung abzuleiten, dass zuerst diese Kerne und mit Beihilfe derselben dann erst die fertigen Zellen entstehen. Andere Mikroskopiker, namentlich K \u00f6l liker, l\u00e4ugnen aber die best\u00e4ndige Anwesenheit dieser Kerne. \u2014 Unzweifelhaft gehen aber die ausgebildeten Zellen des Haarknopfs in die Hornsch\u00fcppchen der Faserschicht und die vertrockneten Markzellen \u00fcber, w\u00e4hrend die Pl\u00e4ttchen des Oberh\u00e4utchens aus der oberfl\u00e4chlichsten Epithelienlage des Haarbalgs abstammen, die das emporwachsende Haar an sich klebt und mit sich emporschiebt. \u2014 Rinde und Mark des Haares ist somit nichts anderes, als ein Epithelial\u00fcbergang der Warze, der insofern eigenth\u00fcmlich ist, als nur die Rindenzellen verhornen, w\u00e4hrend die Markzellen, ehe sie zu dieser Umwandlung gekommen","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nErn\u00e4hrung des Haars.\nsind, vertrocknen, so dass sich in den Epithelialfortsatz die mumifi-zirten. Zellen der Schleimschicht hinein erstrecken. \u2014 Aus den Eigenschaften der Warze ist es begreiflrch, dass das Haar, gleich ihr, an seinem nat\u00fcrlichen Ende zugespitzt ist ; aus dem f\u00fcr die Blutfl\u00fcssigkeit undurchdringlichen Epithelial\u00fcbergang des Haarbalgs, im Gegensatz zu der f\u00fcr sie durchg\u00e4ngigen Warzenoberfl\u00e4che, wird es erkl\u00e4rlich, dass das Haar nur von der letzteren aus neue Zellen ansetzen kann, und endlich ist einleuchtend, dass der Hals des Balges den am Knopfe breitem Querschnitt des Haars beim Uebergang desselben in den Schaft zusammenpresst, und soweit wenigstens mit dazu beitr\u00e4gt, dass die Kugelzellen in l\u00e4ngliche Sch\u00fcppchen umgewandelt werden. Die St\u00e4rke des Haarschaftes muss darum bestimmt sein von dem Durchmesser des Hohlraums, welchen der Balg umschliesst.\nDie Geschwindigkeit des Haarwuchses ist, nach absolutem Maasse bestimmt, immer gering; sie ist nach Berthold im Sommer, bei Tag und in der Jugend gr\u00f6sser, als im Winter, bei Nacht und im Alter. Der allt\u00e4glichen Erfahrung nach wachsen kurzgeschnittene Haare rascher als l\u00e4ngere. L\u00e4sst man sich die Haare, ohne sie zu schneiden, wachsen, so erreichen sie schliesslich ein Maximum ihrer L\u00e4nge. Alles dieses bedeutet also, dass mit Haarl\u00e4nge ein Widerstand f\u00fcr die Neubildung von Zellen auf der Warze eingef\u00fchrt wird. \u2014 Bemerkenswerther Weise ist die Haarl\u00e4nge, bei welcher dem weitern Wachsthum ein Ziel gesetzt wird, verschieden mit den Haarb\u00e4lgen; so erzeugen sich in den B\u00e4lgen der Sch\u00e4deldecken und den m\u00e4nnlichen Lippen sehr lange Haare, w\u00e4hrend sie auf der Haut der Extremit\u00e4ten nur eine unbedeutende L\u00e4nge erreichen. Dieses L\u00e4ngenmaximum ist namentlich auch unabh\u00e4ngig von dem Querschnitt des Schaftes oder Knopfes, indem feine Haare oft lang und stark, wie z. B. die Augenbrauen und Wimpern nur kurz werden. Als Begel scheint es jedoch gelten zu k\u00f6nnen, dass sehr feine Haare auch immer sehr kurz sind.\nDer Stoffwechsel in dem fertigen Haar ist gering, aber nicht immer g\u00e4nzlich fehlend. Einmal nemlich wird das Haar durch die S\u00e4fte, welche aus den Fettdr\u00fcsen der Haarb\u00e4lge austreten, einge\u00f6lt; dieses Oel muss nat\u00fcrlich in dem der Luft ausgesetzten Schafte verwesen, und der daraus erfolgenden Abgang wird wenigstens in allen fetten Haaren durch neues aus dem Balge nachdringendes ersetzt. \u2014 Auf eine Umwandlung der Stoffe des fertigen Haares deutet das Ergrauen derselben; dieses kommt durch eine Vermehrung seines Luftgehaltes zu Stande, indem sich derselbe nicht mehr auf das Mark beschr\u00e4nkt, sondern auch auf die Rinde ausdehnt. Diese merkw\u00fcrdige L\u00fcckenbildung in der Rinde tritt h\u00e4ufig auch in den Theilen des Haares ein, welche den Balg schon verlassen haben (Ergrauen der Spitzen).","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Elastisches Gewebe.\nni\nUeber den periodischen Haarwechsel der Thiere \u00bbnd insbesondere \u00fcber das anatomische Verhalten der Warze und der aus ihren Fl\u00fcssigkeiten herr\u00fchrenden Zellen hat Steinlin*) sehr genaue Beobachtungen mitgetbeilt. Siehe hier\u00fcber auch K\u00f6l-liker und Langer.\nDie Bewegungen des Haars (das Haarstr\u00e4uben) bestehen, wie es die Anlegung des Balgmuskels erwarten l\u00e4sst, in einem Aufrichten des schiefgelegten Haares.\nElastisches Gewebe.\n1.\tSeine elementare anatomische Anordnung**) ist mannigfaltig; bald erscheint es als homogene oder auch als durchl\u00f6cherte Haut, bald in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschl\u00e4ngelt und ver\u00e4stelt oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind, und endlich soll es auch in feinen, einfachen oder ver\u00e4stelten R\u00f6hren, die mit den anliegenden zu einem feinen Gef\u00e4sswerk verschmolzen sind, auftreten (Virchow, D o n d e r s).\n2.\tChemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit, welche die festen Theile des elastischen Gewebes durchtr\u00e4nkt oder zwischen den L\u00fccken und H\u00f6hlen desselben enthalten ist, kennen wir nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch ihre Unl\u00f6slichkeit in kalten verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren und ihre Schwerl\u00f6slichkeit in Kalilauge. Mit S\u00e4uren, Kali, Aether, Alkohol und Wasser gereinigt, zeigt der Stoff die im I. Bd. p. 49 angef\u00fchrte prozentische Zusammensetzung. Seitdem jene Mittheilungen \u00fcber unsern Stoff gemacht sind, hat Zolli-kofer***) beobachtet, dass durch anhaltende Einwirkung von kochender verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure nur Leucin, nicht aber Tyrosin oder Glycin, aus ihm gewonnen werden kann.\n3.\tPhysikalische Eigenschaften, a) Im durchfeuchteten Zustand ist seine Elastizit\u00e4t sehr vollkommen und sein Elastizit\u00e4tscoef\u00dfzient ein niedriger. Seine Coh\u00e4sion ist unter allen Umst\u00e4nden betr\u00e4chtlich, sie scheint dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin nicht gleichm\u00e4ssig zu sein. \u2014 b) Seine endosmotischen Eigenschaften sind sehr unvollkommen bekannt. Es zieht begierig Wasser an, quillt in kaltem Wasser bedeutender als in heissem auf; im Gegensatz zum Bindegewebe wird es durch Essigs\u00e4ure nicht aufgeschwellt. Als Scheidewand zwischen diffundirende Fl\u00fcssigkeit aufgestellt, verh\u00e4lt es sich unter Umst\u00e4nden eigenth\u00fcmlich; so verwehrt z. B. 'nach Br\u00fccke das aus elastischem Stoff bestehende Schaalenh\u00e4utchen des H\u00fchnereis dem fl\u00fcssigen Eiweiss den Durchgang; dasselbe leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zweiprozentigen Kochsalzl\u00f6sung gelegen (C. Ludwig). Eine genauere Untersuchung der hier einschlagenden Eigenschaften w\u00e4re insbesondere w\u00fcn-\n*0 Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. IX. Bd.\n**) K\u00f6lliker, Gewebelehre. 2. Auflage, p. 52 u. 64. \u2014 Virchow, W\u00fcrzburger Verhandlungen.\nII. Bd. p. 150. \u2014 He nie, im Jahresbericht \u00fcber allgem. Anatomie f\u00fcr 1851 p. 28 u. 1852 p. 20.\n***) Liebig\u2019s Annalen. 82. Bd. 162.\nLudwig, Physiologie. II,\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nElastisches Gewebe.\nschenswerth, wenn sich die Vermuthung rechtfertigt, dass die Haut der Blutgef\u00e4sscapillaren und die der feinsten Dr\u00fcseng\u00e4nge aus elastischem Gewebe gebildet ist.\n4. Ern\u00e4hrung, a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs beweist, dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss; eine Hindeutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung gew\u00e4hrt die eben mitgetheilte Erfahrung von Zoliikofer, welche darthut, dass aus dem Eiweiss, indem es in elastisches Gewebe \u00fcbergegangen, die Atom-gruppe entfernt wurde, aus der das Tyrosin hervorgeht bei der durch Schwefels\u00e4ure eingeleiteten Eiweisszersetzung. \u2014 Die Formfolge, welche bei der Hervorbildung des elastischen Stoffs aus der Fl\u00fcssigkeit auftritt, ist bis dahin noch Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen Schwann, K\u00f6lliker, Virchow und Donders, behaupten, dass es ein Umwandelungsprodukt vorg\u00e4ngig entstandener Zellen sei, w\u00e4hrend He nie*) aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechtigung f\u00fcr eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gr\u00fcndlichkeit beider Parteien kann die Ursache der Abweichung nur in der noch mangelhaften Methodik gefunden werden. Die elastischen Gewebsformen geh\u00f6ren zu denjenigen, welche sich auch im ausgewachsenen Organismus neu bilden k\u00f6nnen. \u2014 b) Von den Ver\u00e4nderungen des einmal aufgebauten Gewebes ist wenig bekannt. Seine Armuth an Blutgef\u00e4ssen l\u00e4sst schliessen, dass sein Umsatz w\u00e4hrend des Lebens gering sei ; hiermit in Uebereinstimrnung steht die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller \u00fcbrigen K\u00f6rperbestand-theile an Gewicht und Umfang nicht betr\u00e4chtlich abnimmt. Von einer jeglichen Ver\u00e4nderung w\u00e4hrend des Lebens ist es jedoch nicht ausgeschlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden schwinden, wie dieses thats\u00e4chlich an den Wandungen solcher Gef\u00e4sse, deren Lumen verschlossen wurde, feststeht. \u2014 Einen besondern Weg w\u00fcrde die sich in ihm verbreitende Fl\u00fcssigkeit finden, wenn die R\u00f6hrennatur der sog. Kernfasern festgestellt w\u00fcrde; in diesem kleinen geschlossenen Canalsystem w\u00fcrde sich die Fl\u00fcssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmotischem Wege eingedrungen w\u00e4re, leicht verbreiten k\u00f6nnen.\nBindegewebe.\n1) Der anatomischen Untersuchung**) nach besteht das Bindegewebe aus strukturlosen sehr d\u00fcnnen H\u00e4utchen (Reichert), in welche feinste Fasern eingewebt sind; diese verlaufen, zu B\u00fcndeln vereinigt, der homogenen Grundlage bald gleichgerichtet und bald gekreuzt. Wo das Bindegewebe in gr\u00f6ssern Massen zusammengeh\u00e4uft auftritt, sind die Faserb\u00fcndel in mehr oder weniger regelm\u00e4ssigen Abst\u00e4nden inniger zusammengeballt, so dass auf dem Querschnitt relativ faserfreie mit faserhaltigen\n*) 1. c. 1851. p 29.\n**) Siehe die Litteratur des elastischen Gewebes.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Bindegewebe.\nPartien abwechseln. In diesen Zwischenr\u00e4umen (oder L\u00fccken) liegen in der strukturlosen Grundlage Zellen und auch Kernfasern oder Kernfasernetze, welche auch unter dem Namen Bindegewebsk\u00f6rperchen und Saftzellen gehen. Dieser letzte Name deutet darauf hin, dass die Arme jener Netze, wie dieses Donders und Virchow vermuthen, hohl sind.\n2.\tChemische Beschaffenheit. Die Formbestandtheiie des Bindegewebes sind im Leben mit einer Feuchtigkeit durchtr\u00e4nkt, und ausserdem liegt in den L\u00fccken zwischen den Bl\u00e4ttern und Faserb\u00fcndeln Feuchtigkeit eingeschlossen. Ihre Zusammensetzung ist unbekannt. \u2014 Die festen organischen Bestandtheile bieten, mit Alkohol, Aether und Wasser gereinigt, die prozentische Zusammensetzung des Leims dar (Scherer und Winkler). Wenn man aus dieser Thatsache schliesst, dass sich das Bindegewebe beim Kochen ohne Ver\u00e4nderung seiner Zusammensetzung in Leim aufl\u00f6se, so ist damit nur ausgesprochen, dass die Analyse dieses K\u00f6rpers in sehr weiter Fehlergrenze nur das Gichtige trifft. Ohne dieses m\u00fcsste man nemlich gerade das entgegengesetzte behaupten, weil Bindegewebe selbst da, wo es am reinsten vorkommt, einen noch sehr bedeutenden Antheil anders zusammengesetzter Gewebe enth\u00e4lt, welche sich beim Kochen nachweisslich nicht aufl\u00f6sen. Z eil in sk y *) fand den unl\u00f6slichen R\u00fcckstand der 4 \u2014 6 Tage lang gekochten Sehnen zu 4 \u2014 5 pCt.\nMan hat sich erlaubt, auf die chemische Beschaffenheit der Bindegewebsfl\u00fcssigkeit zu schliessen aus derjenigen, welche beim Zellgewebs\u00f6dem das Bindegewebe erf\u00fcllt, oder gar aus dem Safte, welcher in Folge von Entz\u00fcndungen aus den Gef\u00e4ssen des Bindegewebes austritt**). Diese letzte Annahme verdient keine Ber\u00fccksichtigung. Die Oedein erzeugende Fl\u00fcssigkeit, welche nach Schmidt stark alkalisch reagirt, besteht in 100 Theilen aus 0,30 pCt. organischer Bestandtheile (die vorzugsweise Eiweiss aber keinen Faserstoff enthalten), aus 0,77 Salzen und 98,w7 Wasser. \u2014 Die Annahme einer Uebereinstimmung zwischen dieser und der normalen Zellgewebsfeuchtigkeit d\u00fcrfte darum gewagt erscheinen, weil, so weit wir wissen, ein Oedem nur eintritt, wenn eine wesentliche Ver\u00e4nderung in der Zusammensetzung des Bluts vor sich gegangen , oder wenn der Strom in den Blutgef\u00e4ssen des Bindegewebs in Folge einer Hemmung desselben in den Venen unter einer erh\u00f6hten Spannung fliesst. \u2014 Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Lymphgef\u00e4sse, und namentlich ehe sie in die Dr\u00fcse eintreten, den Saft der Zellgewebsl\u00fccken enthalten, welchem wir, gest\u00fctzt auf die Quellungserscheinungen, nicht ohne Weiteres dieselbe Zusammensetzung zuschreiben d\u00fcrfen mit demjenigen, der die feste Masse selbst durchfeuchtet.\t*\n3.\tErn\u00e4hrungserscheinungen. Das leimgebende Bindegewebe entsteht unzweifelhaft aus eiweissartigen Stoffen, denn es enth\u00e4lt das Blut (oder die Eistoffe) keinen Leim, und die Analogie in der Zusammensetzung und der chemischen Constitution b\u00fcrgt daf\u00fcr, dass der Leim ein umgewandeltes Eiweiss ist. Hiermit befindet sich die Thatsache wenigstens\n*) Henle\u2019s Jahresbericht f\u00fcr allgem. Anatomie f\u00fcr 1853. p. 28.\n**) C. Schmidt, Charakteristik der epidem. Cholera. Mitau 1850. 123.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nBindegewebe.\nnicht im Widerspruch, dass die sog. Granulationsgebilde, welche im Begriff stehen, zu Bindegeweben zu werden, und ebensowenig das in der Bildung begriffene Bindegewebe des F\u00f6tus beim Kochen keinen Leim liefern (Gilterbock, Schwann)*). Wie diese Umwandlung des Eiweisses in Leim vor sich geht, kann so lange nicht einmal vermuthungsweise ausgesprochen werden, als man die Atomzahl beider Stoffe nicht kennt; der gew\u00f6hnliche Ausdruck, dass dieser Vorgang zu den Oxydationsprozessen z\u00e4hle, ist zwar begr\u00fcndet, denn es enth\u00e4lt in 100 Thln. der Leim mehr Sauerstoff, als das Eiweiss, aber er ist in dieser Unbestimmtheit wenig befriedigend.\nDas Bindegewebe**) geh\u00f6rt zu den festen Bestandteilen des Thierk\u00f6rpers, welche sich w\u00e4hrend des Wachsthums und auch in erwachsenem Zustande sehr leicht neu bilden. Die Formen, welche man an den Orten findet, an welchen neues Bindegewebe entsteht, sind mannigfache, und zwar: 1) eine gedr\u00e4ngte Masse von rundlichen Kernzellen; 2) dieselben Zellen in einer gallertartigen oder z\u00e4hen formlosen Substanz eingebettet ; 8) eine homogene z\u00e4he Masse, in der einzelne Zellen liegen, deren Wandungen mit jener Masse verschmolzen sind; 4) kernhaltige Zellen, von deren Wand Ausl\u00e4ufer abgehen, die mit den entsprechenden Verl\u00e4ngerungen der benachbarten Zellen verschmelzen und somit Zellennetze darstellen; in dem Raum, den diese Netze umschliessen, ist eine formlose Masse eingebettet; 5) eine gedr\u00e4ngte Masse von platten, oblongen oder aber von spindelf\u00f6rmigen K\u00f6rperchen, die einen sog. Zellenkern enthalten. Die schmalen Enden dieses Gebildes sind \u00f6fter mit den entsprechenden R\u00e4ndern der anstossenden verwachsen.\nJe nachdem man diese Thatsachen verkn\u00fcpft, lassen sich daraus verschiedene Vorstellungen bilden \u00fcber die Formenfolge des entstehenden Bindegewebes. Man hat u. A. nachstehende Zusammenstellungen versucht: I) Das Bindegewebe geht hervor aus den vergr\u00f6sserten und verschmolzenen Zellenh\u00e4uten. 2) Die freien Kerne, welche in der formlosen Grundmasse liegen, bestimmen ihre n\u00e4chste Umgebung dahin, sich loszureissen von den Nachbarorten, so dass damit die Grundmasse in einzelne Pl\u00e4ttchen oder Fasern zerf\u00e4llt. 3) Die ver\u00e4stelten Zellenh\u00e4ute verwandeln sich in Bindegewebe. 4) Die urspr\u00fcnglich strukturlose gallertartige Masse wird z\u00e4he, faltet oder fasert sich aus, die eingesprengten Kerne verschmelzen mit derselben. 5) Die strukturlose Masse ver\u00e4ndert sich, wie unter 4 angegeben wurde, und die ver\u00e4stelten Zellen stellen die Virchow\u2019sehen Bindegewebsk\u00f6rper dar. 6) Aus den Zellen gehen Formen hervor, welche mit dem Bindegewebe im engern Wortsinn nichts\n*) J. Vogel, Pathol. Anatomie, p. 143.\n**) Henle, Rationelle Pathologie. II. 1. Abth. p. 716 u. f. u. 821. \u2014 Reichert, Bemerkungen zur vergl. Naturforschung. 1845. p. 106. \u2014\u25a0 K\u00f6l liker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage, p. 71. \u2014 Henle\u2019s Jahresbericht \u00fcber allgem. Anatomie f\u00fcr 1852. p. 20. \u2014 Remak, M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1852. p. 63. \u2014 Thierfelder, De regene ratione tendinum. Misenae 1852. \u2014 J. Meyer, Annalen der Charit\u00e9. IV. Bd.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Gemenge aus elastischem und Bindegewebe.\n181\ngemein haben, wie z. B. Gef\u00e4sse, elastische Fasern u. dergl. \u2014 Es d\u00fcrfte kaum anzugehen sein, welche Meinung das Uebergewicht \u00fcber die andere hat, oder ob gleichzeitig mehrere oder vielleicht keine von ihnen berechtigt ist.\nR\u00fccksichtlich der \u00fcbrigen Erfordernisse f\u00fcr die Neubildung von Bindegewebe steht fest, dass sich dasselbe nur in denjenigen fl\u00fcssigen Absonderungen bildet, welche in geringer Menge zwischen den festen Theilen des thierischen K\u00f6rpers sich finden, dass sich aber niemals die festen Massen, welche frei in einer Fl\u00fcssigkeit schwimmen, zu Bindegewebe umformen. So tritt z. B. an die Stelle eines Blutpfropfs, der sich in einer unterbundenen Arterie findet, mit der Zeit eine Bindegewebsmasse, w\u00e4hrend eine Flocke von Faserstoff, die in einer Fl\u00fcssigkeit schwimmt, welche in einem ser\u00f6sen Sacke ausgetreten ist, niemals zu Bindegewebe wird, und ebenso bilden sich auf dem Boden einer eiternden Fl\u00e4che Bindegewebsmassen, aber die Eiterk\u00f6rperchen selbst, welche im Eiterserum suspendirt sind, wandeln sich nicht darin um. Eine andere Frage, die man \u00f6fter erhoben aber niemals mit Sicherheit beantwortet hat, besteht darin, ob die Fl\u00fcssigkeit Faserstoff enthalten m\u00fcsse, wenn sie zur Entstehung neuen Bindegewebes Veranlassung geben solle.\nFeber den Umsatz des einmal fertigen Bindegewebes ist nichts bekannt. Die gew\u00f6hnliche Annahme geht dahin, dass es sich unver\u00e4ndert erhalte oder mindestens sehr wenig ver\u00e4ndere. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr findet man darin, dass dasselbe nach dem Tode durch F\u00e4ulniss langsamer als die Muskeln und Nerven ver\u00e4ndert werde; darin, dass bei einer eintretenden Abmagerung die vorzugsweise aus Bindegewebe bestehenden Theile, wie z. B. die Sehnen, wenig an ihrem Umfang verlieren; und endlich darin, dass viele der Bindegewebsorgane (Sehnen, Unterhautzellgewebe, ser\u00f6se H\u00e4ute) mit nicht sehr zahlreichen Gef\u00e4ssen versehen sind. \u2014 Der Bindegewebssaft dagegen scheint einer stetigen Erneuerung unterworfen zu sein ; dieses geht daraus hervor, weil durch die Lymph-gef\u00e4sse, welche vorzugsweise (wenn nicht einzig) aus dem Bindegewebe ihren Inhalt beziehen, w\u00e4hrend des Lebens ein ununterbrochener Strom geht. Es scheint aber, als ob die Menge des Saftes, welche in das Gewebe ergossen wird, nicht zu allen Zeiten ein gleicher sei, weil auch die Lymphgef\u00e4sse bald mehr bald weniger strotzend gef\u00fcllt sind, ohne dass irgend welcher Grund f\u00fcr eine nachweisliche Stromhemmung in ihnen vorhanden w\u00e4re.\nGemenge aus elastischem und Bindegewebe.\nAus einer Verbindung des elastischen und des Bindegewebes, bei der bald das eine und bald das andere \u00fcberwiegt, sind sehr zahlreiche Platten, Str\u00e4nge, Beutel, Falten u. s. w. aufgebaut. Wir erinnern hier nur an die Cutis mit dem panniculus, die Schleimh\u00e4ute mit der tunica pervea, die Faszien, die weiten und engen Gef\u00e4ss-, Muskel- und Sehnen**","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nSer\u00f6se H\u00e4ute.\nscheiden, die Sehnen, die ser\u00f6sen H\u00e4ute, die Sclerotica, Cornea u. s. w. Woher die auffallenden Abweichungen, die sich beziehen auf das Ueber-gewicht entweder des Binde- oder des elastischen Gewebes, die Anordnung und Gedr\u00e4ngtheit der Bindegewebswindeln u. s. w., r\u00fchren, ist unbekannt. Je nach dem Gef\u00e4ssreichthum und ihrer Einordnung in andere Gewebe und Fl\u00fcssigkeiten werden ihre Lebenseigenschaften mannigfach verschieden sein, Verschiedenheiten, die wir an mancherlei Orten hervorgehoben haben und noch hervorheben werden.\nDie Rolle, welche die auf diese Art zusammengesetzten Gebilde spielen, ist, soweit wir wissen, meist bedingt durch ihre coh\u00e4siven und elastischen Eigenschaften. Unter diesem Gesichtspunkte haben wir Sehnen und Faszien schon erw\u00e4hnt; hier heben wir nur noch kurz die Cutis hervor, welche einmal ein elastischer Ueberzug \u00fcber alle andern tiefer gelegenen Organe darstellt, und dann als Lager der Haarb\u00e4lge, der Ge-f\u00e4sse f\u00fcr die Absonderung der Oberhaut, der Schweiss- und Fettdr\u00fcsen und endlich als ein Hilfswerkzeug f\u00fcr den Tastsinn hervorragt.\nIn anderer Weise als die bisher aufgez\u00e4hlten Gebilde sind die ser\u00f6sen H\u00e4ute, die Sehnenscheiden und die Cornea wichtig. Wir f\u00fchren sie darum noch besonders vor.\nSer\u00f6se H\u00e4ute.\n1.\tAnatomische Beschaffenheit. Die ser\u00f6sen H\u00e4ute bestehen bekanntlich aus elastischem und Bindegewebe, auf ihrer freien Fl\u00e4che sind sie meistenteils mit einem Epithelium besetzt, das bald ein einschichtiges und bald ein mehrschichtiges ist. Die Zellen selbst gleichen denen in der mittleren Lage der Epidermis. Nach einzelnen Autoren (T o d d und Bawmann) sitzen diese nicht unmittelbar auf dem Bindegewebe, sondern auf einer sehr d\u00fcnnen, glashellen, strukturlosen Membran, die sich zwischen die Deckzellen und das Bindegewebe einschiebt.\n2.\tSer\u00f6se Fl\u00fcssigkeiten. In der H\u00f6hle der ser\u00f6sen S\u00e4cke ist eine Fl\u00fcssigkeit enthalten, die an den verschiedenen Orten nach Zusammensetzung und Menge Abweichungen bietet. Wir werden sie der Reihe nach aufz\u00e4hlen.\na. Hirnwasser*). In den L\u00fccken zwischen Arachnoidea und der Hirn- und R\u00fcckenmarksfl\u00e4che, wenn man will in den Maschen der oberfl\u00e4chlichsten Gef\u00e4sshautschichten, liegt eine Fl\u00fcssigkeit, welche aus Ei-weiss, Extraktivstoffen und den Salzen des Bluts besteht. \u2014 Die quantitative Zusammensetzung derselben scheint bei verschiedenen Individuen und selbst dann, wenn sie in krankhaft vermehrter Menge abgesondert wird, wenig Verschiedenheit zu bieten.\n*) Berzelius, Handbuch d. Chemie. IX. Bd. p. 198. \u2014 L'heritier, chimie pathol. p. 578. \u2014\u2022 L\u00e4nderer, Buchner\u2019s Repertorium. 25. Bd. \u2014 Tennant, Journal de chimie medic. 1S-38. \u2014 Schmidt, /Charakteristik der epidemischen Cholera, p. 116 u, f, \u2014 Valentin, Lehrbuch,\nBd. p. m*","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Hirn-, Herz-, Brust-, Bauchwasser.\nNach den Analysen von T e n n a n t, Bo stock, Marcet, Lassaigne, L \u2019 heritier, Barruel, Ha Id at, Berzelius, Mulder, L\u00e4nderer und G. Schmidt liegt ihr Wassergehalt zwischen 98,0 und 99,1 pCt. Unter den festen Bestandtheilen findet sich 1,3 bis 0,05 Eiweiss, 0,4 bis 0,2 Extrakte und 1,0 bis 0,5 Salze; in diesen letztem ist das Na Gl das vorwiegende. Als Beispiel geben wir eine vollkommene Analyse von G. Schmidt: Wasser = 98,67; 2NaOPO:> = 0,06; K0S03 = 0,01; NaO = 0,18; Ka CI = 0,22; Na Gl = 0,44; 3Ca0P05 u. 3Mg0P05 = 0,03. Nach den Beobachtungen von Schmidt soll ein wesentlicher Unterschied zwischen den in der Hirnh\u00f6hle und den auf der Hirnoberfl\u00e4che enthaltenen Fl\u00fcssigkeiten bestehen. Die erstere soll constant nur Spuren von Eiweiss zeigen, w\u00e4hrend die letztere eiweisshaltiger ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zusammensetzung den Fl\u00fcssigkeiten w\u00e4hrend dem Leben angeh\u00f6re und namentlich nicht in der Leiche wesentliche Ver\u00e4nderungen erfahren habe, wird begr\u00fcndet durch die gleichlautende Analyse des Hirnwassers, was man durch Punktion von lebenden Wasserk\u00f6pfen (L\u00e4nderer, Schmidt) oder aus lebenden Thieren gewonnen hat (La ss eigne, Schmidt). Wenn die Fl\u00fcssigkeit durch Punktion entleert wird, so bildet sie sich rasch von Neuem, und es zeigt die neue Fl\u00fcssigkeit die Zusammensetzung der fr\u00fchem (Schmidt).\nb.\tHerzwasser*). Der fl\u00fcssige Inhalt des Herzbeutels ist bei gesunden Enthaupteten von Lehmann und G or up untersucht. In 100 Theilen wechselte das Wasser zwischen 95,51 bis 99,2, das Eiweiss zwischen 2,47 bis 0,88, die Extrakte zwischen 1,27 bis 0,1 , die Salze zwischen 0,73 bis 0,1. Ein faserstoffhaltiges Gerinnsel liess unter den drei Beobachtungen nur eine Fl\u00fcssigkeit fallen.\nKraokbafte Ansammlungen sind h\u00e4ufiger mit sehr wechselnden Besultaten untersucht worden; sie erwiesen sich ebenfalls bald faserstoffhaltig und bald faserstofffrei. Unter den Salzen \u00fcberwog immer das Kochsalz.\nc.\tBrustwasser**) Der Inhalt der Pleura ist noch nicht aus dem lebenden gesunden Menschen oder Thier untersucht worden. \u2014 Wenn das Brustwasser krankhaft vermehrt ist und dann abgelassen wird, so ersetzt es sich rasch wieder, vorausgesetzt, dass sich die Lunge nicht mehr bis zur vollst\u00e4ndigen Ausf\u00fcllung des Brustraums ausdehnen kann. Wird dann die Fl\u00fcssigkeit wiederholt abgelassen, so besitzt sie jedesmal ann\u00e4hernd dieselbe Zusammensetzung (Vogel, Scherer, Schmidt).\nd.\tBauch wasser. Dasselbe ist nur dann untersucht, wenn es in krankhafter Menge abgeschieden war. Man fand dann in ihm constant Eiweiss, Extrakte und die Blutsalze ; in einzelnen F\u00e4llen Faserstoff, Harnstoff (bei Nierenleidenden?), Zucker, Fette und Gallenpigment. \u2014 Wird\n*) L\u2019heritier, 1. c. \u2022\u2014 Lehmann, Lehrbuch der physiol. Chemie. II. Bd. 309. \u2014 Gornp, Jahresbericht von Scherer f\u00fcr 1851. p. '-\u00bb7.\t.\t,\t-\n-*) L'heritier, 1. c. \u2014 J. Vogel, Patholog. Anatomie, p. 26. \u2014 Scherer. Chemische Lnter-\nsucbungen zur Pathologie. 1813, 106 u. f, \u2014 Schmidt, 1* c, p. 122.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"Hodenwasser, Gelenkschmiere, Schleimbeutel.\ndie Fl\u00fcssigkeit entleert, so entsteht sie meist rasch wieder und beh\u00e4lt die Zusammensetzung, die sie urspr\u00fcnglich besass (Schmidt, J. Vogel).\nVergleichung der Eigenschaften von den Fl\u00fcssigkeiten der Hirn-, Brust- und Bauchh\u00f6hle. Aus einer grossem Zahl von Beobachtungen des Hirn-, Brust- und Bauchwassers an verschiedenen Individuen und einer gleichzeitigen an den drei Fl\u00fcssigkeiten desselben Menschen zieht Schmidt einige allgemeine Schl\u00fcsse. \u2014 a. Der Eiweissgehalt der w\u00e4ssrigen Erg\u00fcsse in den genannten H\u00f6hlen erreicht niemals den des Blutserums. \u2014 b. Findet gleichzeitig in einem Individuum eine vermehrte Absonderung in den drei H\u00f6hlen statt, so ist in dem Hirnwasser am wenigsten und in dem Brustwasser am meisten Eiweiss. \u2014 c. Der Gehalt der Fl\u00fcssigkeiten an Salzen ist derselbe. \u2014 d. Diese Positionen bed\u00fcrfen noch weiterer Best\u00e4tigungen, namentlich widersprechen der zweiten die Erfahrungen von Lehmann*).\ne.\tHodenwasser. Die Fl\u00fcssigkeit der vagina testis propria, die nur bei krankhafter Vermehrung derselben untersucht wurde, enth\u00e4lt ausser den wiederholt aufgez\u00e4hlten Bestandtheilen der \u00fcbrigen ser\u00f6sen S\u00e4fte meist nach Cholestearin in reichlicher Menge. Die Verh\u00e4ltnisse, in denen die genannten Stoffe gemischt sind, und namentlich die Menge des Eiweisses und Cholestearins wechselt ohne bekannte Veranlassung so ausserordentlich, dass die Zahlenwerthe ohne Bedeutung sind.\nf.\tG e 1 e n k s c h m i e r e. Ihre Bestandtheile sind diejenigen, welche den ser\u00f6sen Fl\u00fcssigkeiten \u00fcberhaupt zukommen und ausserdem noch Schleimstoff und unter allen Umst\u00e4nden abgestossene Epithelialzellen. Die quantitative Zusammensetzung soll nach Fr er ich s**) mit dem Alter und dem Bewegungszustande des Gelenkes wechseln; er st\u00fctzt sich hierbei auf die Untersuchung je eines Falles.\nNach Frerichs enth\u00e4lt die Synovia:\nWasser .\t.\t.\t.\t.\nSchleim und Epithelien\nFett...................\nEiweiss und Extrakte . NaO CI, K0S03, CaO C02,\nKalb.\n96,56\n0,32\n0,06\n1,99\n1,06\nIm Stall gem\u00e4- Ochse, der auf der Weide steter Ochse.\tzugebracht hatte.\n96,99\t94,85\n0,24\t0,56\n0,06\t0,08\n1,57\t3,51\n1,13\n1,00\nphosphorsaure Salze\nDie Gelenke des jungen und des ruhenden Thiers enthielten mehr Fl\u00fcssigkeit als die des sich bewegenden. \u2014 Die abgestossenen Epithelialschuppen sollen sich nach Frerichs mit Hinterlassung der Zellenkerne in der alkalisch reagirenden Gelenkschmiere aull\u00f6sen und diese Aufl\u00f6sung soll die Quelle des Schleims sein. Nach Lu sch ka***) dagegen soll sich die H\u00f6hlung der Zellen mit Fett f\u00fcllen, worauf diese selbst allm\u00e4hlig zu Grunde gehen.\nSehnenscheiden und Schleimbeutel. Die Wand dieser\n*) Lehrbuch der physiolog. Chemie. II. Bd. 309.\n-**) Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. HI. I. p. 463.\n***) Structur der ser\u00e7g\u00e7n H\u00e4ute. T\u00fcbingen 18\u00a71, p. 13.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Hornhaut.\n185\nH\u00f6hlungen schliesst sich den ser\u00f6sen S\u00e4cken insofern an, als sie aus einer Grundlage von Bindegewebe und einer diesem aufsitzenden, nach der H\u00f6hlung gerichteten einfachen Pflasteroberhaut besteht; die vollkommene Uebereinstimmung wird aber getr\u00fcbt, einmal dadurch, dass die Bindegewebshaut der meisten Schleimbeutel und alle Sehnenscheiden keinen vollkommenen Sack von den anliegenden Bindegewebs-r\u00e4umen abschliesst, und n\u00e4chstdem auch durch die unvollkommene Ueber-kleidung der vorhandenen W\u00e4nde mittelst Oberhaut. \u2014 Die schleimige, nach dem \u00e4ussern Ansehen der Gelenkschmiere \u00e4hnliche Fl\u00fcssigkeit, welche in diesen H\u00f6hlen enthalten ist, hat noch keine Untersuchung erfahren. In ihr setzen sich h\u00e4ufig durchscheinende, gelbliche Kl\u00fcmpchen eines stark mit Fl\u00fcssigkeiten durchtr\u00e4nkten Stoffes ab. Nach Virchow*) reagiren sie stark alkalisch, l\u00f6sen sich nur theilweise in Wasser, hinterlassen verbrannt eine stark alkalische Asche und stellen sich durch ihre Reaktion unter die eiweissartigen Stoffe. Mit Schleim sind sie nicht identisch.\nHornhaut.\n1.\tDer anatomische Bau der Hornhaut**) im engern Wortsinn ist aus zwei Elementen aufgef\u00fchrt; aus faserigen Platten und aus sternf\u00f6rmig ver\u00e4stelten Zellen (Virchow und Toynbee). Die ersteren, welche unmittelbar in die Bindegewebsb\u00fcschel der Sclerotica \u00fcbergehen, verlaufen in Ebenen, die der Hornhautfl\u00e4che gleichl\u00e4ufig sind. In eben solchen Ebenen h\u00e4lt sich auch die gr\u00f6sste Zahl der sternf\u00f6rmig ver\u00e4stelten und mit ihren Armen anastomisirender Zellen, so dass Faser und Zellenlage abwechseln. He nie sch\u00e4tzt die Zahl dieser Schichten auf 300. Die Scheidung zwischen je zweien derselben ist nun freilich keine vollkommene, weil die faserigen B\u00fcndel sehr h\u00e4ufig Verbindungs\u00e4ste von einer zur andern Platte schicken; immerhin erzeugt aber dieser Bau auf dem dicken Durchmesser der Cornea ein ann\u00e4hernd regelm\u00e4ssiges Abwechseln der Coh\u00e4sion. Innen und aussen liegen der Hornhaut bekanntlich elastische Pl\u00e4ttchen und Deckzellen auf, welche als Binde- und Wasserhaut bekannt sind.\n2.\tChemische Eigenschaften. Das Fasergewebe giebt beim Kochen Chondrin (J. M\u00fcller). Die eingelagerten K\u00f6rperchen zeigen die Reaktionen des elastischen Gewebes. Die Fl\u00fcssigkeit, welche die Hornhaut durchtr\u00e4nkt, ist nach Funcke eiweiss- und caseinhaltig.\n3.\tDie einzige physikalische Eigenschaft, welche genauer untersucht wurde, der Brechungscoeffizient, ist im I. Bd. p. 204 erw\u00e4hnt. Neuerlich ist er von W. Krause***) in einer ausgedehnten Arbeit einer gr\u00fcndlichen Revision unterworfen worden und im Mittel aus 20 Bestimmun-\n*) W\u00fcrzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 281.\n**) Strub e, Normaler Bau der cornea. W\u00fcrzburg 1851. \u2014 Todd und Bow mann, physiological anatomy. 111. Heft p. 18. \u2014\u2022 Hen le, Jahresbericht f\u00fcr 1852. p. 27. u. 1853. p. 26.\n.***) Die Brcchungsindices der durchsichtigen Medien des menschlichen Auges, Hannover 1855, -","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nCornea, Augenwasser.\ngen am Menschenauge (Wasser = 1,3358) zu 1,3516 gefunden worden. Die Grenzen lagen zwischen 1,3447 und 1,3586. Die Durchsichtigkeit der Cornea ist wesentlich mit bedingt durch die Anwesenheit der eigen-th\u00fcmlich zusammengesetzten in ihrem Gewebe enthaltene Fl\u00fcssigkeit. Dieses geht daraus hervor, dass sich die Cornea beim Trocknen und beim Aufquellen im destillirten Wasser tr\u00fcbt.\n4. Ern\u00e4hrungserscheinungen. Von der Entstehung der Hornhautstoffe und Formen ist uns so gut wie nichts bekannt; die Erfahrung lehrt, dass sich auch im ausgewachsenen Kaninchen ein aus der Cornea geschnittenes St\u00fcck vollkommen wieder herstellen k\u00f6nne. Auf der verletzten Oberfl\u00e4che erscheinen zuerst kleine Fetttr\u00f6pfchen, dann kugelige Kernzellen, die sich nach wenigen Tagen schon in ein deutliches Epithelium umgewandelt haben. Von der kugeligen Zellenschicht aus sieht man dann die Entstehung neuer Hornhautschichten vor sich gehen, di\u00ab genau das optische Verhalten der \u00e4lteren darbieten. Gef\u00e4ssbildung wurde hierbei nicht beobachtet (Bonders)*). Die Ver\u00e4nderungen der fertigen Hornhaut, soweit dieselben \u00fcberhaupt stattfinden m\u00f6gen, geschehen unter dem Einfluss der Fl\u00fcssigkeiten, welche in den Blutgef\u00e4ssen des Cornealrandes, in den kleinen rautenf\u00f6rmigen L\u00fccken zwischen den Hornhautplatten (Bowm aim\u2019s Hornhautr\u00f6hren), in den H\u00f6hlen der sternf\u00f6rmigen Zellen und in der vordem Augenkammer enthalten sind. Der Einfluss der w\u00e4sserigen Augenfeuchtigkeit, welcher vielfach bestritten worden ist, kann nicht mehr gel\u00e4ugnet werden, seitdem Coccius gezeigt hat, dass in der vordem Augenkammer eingespr\u00fctzte Farbstoffl\u00f6sung durch die des-zemetische Haut hindurch in das Hornhautgewebe eindringt. Worin aber die Umsetzungen der lebenden Hornhaut bestehen, und wie sich die in den einzelnen Beh\u00e4ltern eingeschlossenen Fl\u00fcssigkeiten an derselben betheiligen, ist noch nicht bekannt.\nAugenwasser. Diese Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt Eiweiss, Extrakte, Chlornatrium und geringe Mengen der andern Blutsalze in Aufl\u00f6sung. Nach einer Analyse von Berzelius**) und zw\u00f6lfen von Lohmeyer***) schwanken in Kalbsaugen ihre festen Bestandtheile zwischen 1,07 und 1,50 pCt., der organische Antheil derselben bewegt sich zwischen 0,38 und 0,59 (== 28,1 bis 45,4 pCt. des R\u00fcckstandes). \u2014 Zieht man aus allen Analysen Lohmeyer\u2019s das Mittel, so erh\u00e4lt man: Wasser ~~ 98,60; feste Bestandtheile = 1,31; davon organische = 0,467; unorganische = 0,846; Natronalb. = 0,122; Extrakte = 0,421; Na Ci = 0,689 ; Ka CI \u2014 0,011 ; KO S03 = 0,022; phosphorsaure Erden = 0,021; Kalkerde = 0,026. Den Brechungscoeffizienten bestimmt W. Krause im Mittel aus 20 Versuchen zu 1,3428 (Wasser = 1,3358). Wenn das\n*) Holl\u00e4ndische Beitr\u00e4ge. 1848. p. 387.\n**) Handbuch der Chemie. IX. Bd. p. 580.\n***) Henle\u2019\u00a7 u. Pfegfey\u2019.s Zeitsehr. V, \u00dfd\nDoge an, o n der gelangen etc. Ute Ib\u00f6y\u201454. tu*","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Glask\u00f6rper. Lipse.\n187\nAugenwasser durch Punktion der Hornhaut entleert wird, so sammelt es sich rasch wieder an; die neu entstandene Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt h\u00e4ufig so viel Faserstoff, dass sie nach der Entleerung durchweg gerinnt. \u2014 Die Gef\u00e4sse, aus denen sie ausgeschieden wird, sind wahrscheinlich diejenigen der Iris- und der Ciliarforts\u00e4tze, weil mit einer Stockung des Blutlaufs in denselben sich die Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit so weit \u00e4ndern kann, dass in ihr Eiterk\u00f6rperchen entstehen.\nGlask\u00f6rper.\nEr besteht aus regelm\u00e4ssig geschichteten H\u00e4uten, die durch eine w\u00e4sserige L\u00f6sung von Eiweiss, Harnstoff (Millon, W\u00f6hler, Marchand), Extrakten und Salzen von einander getrennt sind. Nach den Beobachtungen von Berzelius, Frerichs und Lohmeyer schwankt der Wassergehalt des Glask\u00f6rpers zwischen 98,23 und 98,86 pCt. ; der feste B\u00fcckstand, welcher im Mittel 1,36 pCt. betr\u00e4gt, enthielt von 0,39 bis 0,48 pCt. organische Bestandtheile. Aus seinen Analysen leitet Lohmeyer die mittlere Zusammensetzung des Glask\u00f6rpers ab, zu Wasser = 98,64; H\u00e4ute = 0,02; Natronalbuminat = 0,14; Fettspuren; Extrakte = 0,32; Na Gl = 0,77; KaCl = 0,06; Ka S03 = 0,01; 3 (MgO, CaO, Fe ,03) P05 = 0,02; CaO == 0,01.\nDie Schwankungen in der Zusammensetzung lassen die endosmotischen Beziehungen zwischen der Blut- und der w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit erkennen; ein Verhalten, was best\u00e4tigt wird durch die Erfahrung, dass in dem mit Krapproth gef\u00fctterten Thier sich seine Fl\u00fcssigkeit f\u00e4rbt. \u2014 Wird der Glask\u00f6rper nach der Geburt zerst\u00f6rt, so bildet er sich nicht wieder.\nVirchow giebt an, dass der Glask\u00f6rper Schleim enthalte; diese Thatsache erwartet noch ihre Best\u00e4tigung. \u2014 Nach Lohmeyer enth\u00e4lt derselbe nicht immer Harnstoff.\nNach Krause ist der Brechungsindex im Mittel = 1,3506 (Wasser = 1,3358), die Grenzen liegen bei 1,3586 und 1,3377.\nLinse.\n1.\tAnatomische Eigenschaften. Die strukturlose Linsenkapsel tr\u00e4gt auf der Innenfl\u00e4che ihrer Vorderwand eine Decke von kernhaltigen Pflasterzellen (Henle)*), an der sich nach Innen unmittelbar die Linsenr\u00f6hren mit ihren feinen Wandungen und sehr durchsichtigem Inhalt anschliessen. An dem Rand zwischen hinterer und vorderer Fl\u00e4che befinden sich nach K\u00f6lJiker**) Ueberg\u00e4nge zwischen den Epithelialzellen und Linsenr\u00f6hren. Der Kern enth\u00e4lt keine deutlichen R\u00f6hrenelemente mehr. Die Schichtung der Linsenfaserung f\u00fchrt zu Bl\u00e4ttern, welche der Kapselwand gleich laufen.\n2.\tChemische Zusammensetzung. Von der Kapselhaut weiss man bis dahin nur, dass sie sich bei anhaltendem Kochen in zwei durch ihre Reaktionen verschiedene in Wasser l\u00f6sliche Stoffe umsetzt (Strahl). \u2014\nHenle'\u00ab u. Pfcufer\u2019s Zeitschrift. N. F. V. Ed. ') Handbuch der Gewebelehre. II. Bd. 731,","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nLinse.\nDer fl\u00fcssige R\u00f6hreninhalt h\u00e4lt einen Stoff in Aufl\u00f6sung, der nach Mulder\u2019s Analyse zu den eiweisshaltigen mit locker gebundenem Schwefel geh\u00f6rt; seiner Reaktion nach stellt ihn Rerzelius zum Globulin. F\u00e4llt man denselben durch Erhitzen aus der Fl\u00fcssigkeit, so soll, wie Rerzelius berichtet, eine saure Extraktfl\u00fcssigkeit Zur\u00fcckbleiben, welche in ihren Eigenschaften an die Fleischfl\u00fcssigkeit erinnert. Nach Lohmeyer kommt in der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. \u2014 Sie enth\u00e4lt 0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel als im humor aqueus vorhanden ist.\n3.\tPhysikalische Eigent\u00fcmlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr elastisch, aber nicht sehr fest. \u2014 Das spez. Gewicht der Faserung soll an dem Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 betragen (Ch even ix). Zu den brechenden und polarisirenden Eigenschaften der Linse, die schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt (Bd. 1. p. 204 u. 222) sind, f\u00fcgt W. Krause, dass der Brechungscoeffizient des \u00e4ussern Linsenstratum = 1,4071, der mittlere = 1,4319 und des Kernes = 1,4564 (Wasser = 1,3358) sei. Die F\u00fcllung der Linsenr\u00f6hren mit einer conzentrirten Eiweissl\u00f6sung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit zu Gute. Diese Fl\u00fcssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip, nach welchem Br\u00fccke mit einer \u00e4hnlichen die Darmhaut zu mikroskopischen Untersuchungen durchsichtig machte. Die Gegenwart des Eiweissstoffes hebt nemlich den Unterschied des Brechungscoeffizienten zwischen Wasser und den H\u00e4uten der Linsenr\u00f6hren auf.\n4.\tDie Linsenern\u00e4hrung. \u2014 Bei der Vergr\u00f6sserung der Linse w\u00e4hrend des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang der R\u00f6hren zu (Harting). Die Linsenr\u00f6hren bilden sich nur unter Beihilfe der Kapsel, wie von Valentin*) durch Versuche am Kaninchen, Som-rn er ing und Tex tor durch Beobachtungen am Menschen erwiesen ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Entstehung vorkommt, beschreibt H. Meyer**) in der Art, dass zun\u00e4chst Epithelialzellen auftreten, wrelche allm\u00e4hlig zu R\u00f6hren auswachsen und sich dabei \u00fcber die vordere und hintere Linsenfl\u00e4che gleichzeitig hin\u00fcberschlagen. Die j\u00fcngsten Schichten der Linse sind demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten Wand zu suchen, w\u00e4hrend die \u00e4ltesten den Kern einschliessen. Die Kapselwand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. \u2014 Daraus folgt, wie Valentin best\u00e4tigt, dass die Schichtung der Linse, welche sich in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelm\u00e4ssigkeiten zeigen muss, da die Verderwand der letztem durch den Einschnitt theilweise zerst\u00f6rt und jedenfalls verbogen ist. Die chemischen Umsetzungen, welche diese Entstehung begleiten, sind unbekannt; der zur Bildung f\u00fchrende Stoff wird bei dem ersten Auftreten aus einem Blutgef\u00e4ssnetz geliefert, welches in\n*) He nie\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. II. Bd,\nmy M\u00fcller\u2019s Archiv. 185?,","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Knorpel.\n189\nder F\u00f6talperiode bis zu der Kapsel reicht. Bei der Regeneration der ausgeschnittenen Linse muss er durch die w\u00e4sserige Feuchtigkeit hindurch wandern. \u2014 Verwundungen der Kapsel heilen beim Thier leicht, schwerer beim Menschen (Dieterich). Die ausgebildete Linse soll w\u00e4hrend der Lebensdauer in Umsetzungen begriffen sein. F\u00fcr diese Behauptung fehlt allerdings das beweisende Maass, aber sie ist sehr wahrscheinlich. Denn einmal ist die Natur der fl\u00fcssigen Linsensubstanz zur Umsetzung geneigt, und die von Berzelius, wenn auch noch so unvollkommen beobachteten Extrakte deuten auf das Bestehen einer solchen Umsetzung hin Dabei braucht man aber nicht nothwendig an ein stetiges Aufl\u00f6sen und Neubilden von Linsenr\u00f6hren zu denken, obwohl dieser Vorgang Vorkommen k\u00f6nnte. Man f\u00fchlt sich sogar veranlasst, an ihn zu denken, weil nur die Vorderfl\u00e4che der Linsenzellen und der Linsenr\u00e4nder Mittelstufen zwischen diesen und ausgebildeten R\u00f6hren tragen. Analog der Epithelienlagen kommen also die j\u00fcngern Formen an der Seite vor, wo die Linse mit einer Gef\u00e4ssschicht, in unserm Fall mit den hintern Iris-gef\u00e4ssen und den Ciliarforts\u00e4tzen in Ber\u00fchrung ist. \u2014 Die eigent\u00fcmliche Lagerung der Linse scheint auch eine Regeneration der Eiweissstoffe zu verlangen ; denn es sind diese in dem Wasser der vordem Augenkammer und in der Glasfeuchtigkeit l\u00f6slich (Aufl\u00f6sung der Linse bei der Zerst\u00fcckelung), die Kapselhaut erlaubt ihren Durchgang, also m\u00fcssen sie in diese Fl\u00fcssigkeiten diffundiren, und weil sie hier nicht Vorkommen, so m\u00fcssen sie auch wieder von da entfernt werden, sodass die Diffusion zwischen Linseninhalt und umgebenden Fl\u00fcssigkeiten unver\u00e4ndert fortdauert.\nK n orpel.\n1. Anatomische Beschaffenheit*) Im Knorpel unterscheidet der Anatom die eingeschachtelten oder Tochterzellen, die umschliessenden oder Knorpelzellen und die Zwischen- oder Grundsubstanz. Diese drei Bestandtheile sind so zusammengeordnet, dass in der Grundsubstanz kleine, scharf begrenzte H\u00f6hlen eingelagert sind, deren selbstst\u00e4ndige Wandung mehr oder weniger innig mit der Grundsubstanz verwachsen ist. Diese H\u00f6hlen (Knorpelzellen) schliessen einen fl\u00fcssigen Inhalt ein, in welchem constant kernhaltige Zellen (Tochterzellen) zuweilen neben Fetttr\u00f6pfchen und dunklen Kr\u00fcmeln schweben. W\u00e4hrend die umschliessenden und eingeschachteltfcn Zellen an den verschiedenen Fundorten der Knorpel neben untergeordneten Abweichungen in der Gr\u00f6sse und der Gestalt\n*) He nie, Allgemeine Anatomie. Leipzig 1842. \u2014 Mulder, Physiologische Chemie, p. 597. \u2014 H. Meyer, Der Knorpel und seine Verkn\u00f6cherung. M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1849. \u2014 Donders, Mikroskopische und mikrochemische Untersuchungen ihier. Gewebe. Holl\u00e4ndische Beitr\u00e4ge. 260. \u2014 Derselbe, Zeitschrift f\u00fcr wissenschaftliche Zoologie. III. Bd. 348. \u2014 Virchow, Verhandlungen der physikal. mediz. Gesellschaft in W\u00fcrzburg. II. Bd. p. 152. \u2014 Remak, Ueber extracellulare Entstehung thierischer Zellen. M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1852. 53 u. 55; Entstehung des Bindegewebes und Knorpels, ibid. 58. \u2014 Rhein er, Beitr\u00e4ge zur Histologie des Kehlkopfs. W\u00fcrzburg 1852. \u2014 Bergmann, Disquisitiones microsp. de cartilaginibus. Dorp. 1850. \u2014 Bruch, Beitr\u00e4ge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Basel 1851. p. 29. u. f, \u2014\u00bb Brandt, Disquisitiones de ossi\u00fccationis processu. Dorpat 1852.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nKnorpel.\n\u00fcberall dieselben bleiben, ist die Struktur der Grundsubstanz tiefgreifenden Ab\u00e4nderungen unterworfen, die zum Theil mit bestimmten chemischen Eigenschaften Hand in Hand gehen. An einigen Orten ist nem-lich die Grundsubstanz homogen und durchscheinend, oder k\u00f6rnig und mit unregelm\u00e4ssigen, weiche Masse enthaltenden, L\u00fccken versehen; oder sie ist faserig; diese Fasern k\u00f6nnen nun bald steif und geradlinig begrenzt, bald aus den fein gewellten Bindegewebs\u00fcbrillen, bald endlich aus den netzf\u00f6rmigen, elastischen Fasern gebildet sein. An den Orten, an welchen die Grundsubstanz durch elastisches Gewebe gebildet wird, sollen von der Wand der umschliessenden Zellen feine Fasern aus-laufen.\nRernak beschreibt an den Wandungen der umschliessenden Zellen eine doppelte Haut, die innere, die H\u00f6hle unmittelbar umgrenzende, und eine \u00e4ussere, welche von der innern durch eine mehr oder weniger dicke Lage durchsichtiger, chondrinhaltiger Masse (der sog. Grundsubstanz) getrennt ist. \u2014 Die Anwesenheit von eingeschachtelten Zellen scheint neuerlichst ganz gei\u00e4ugnet zu werden (Bruch).\n2. Chemische Zusammensetzung*). \u2014 Die durchscheinende, k\u00f6rnige oder glattfaserige Zwischensubstanz enth\u00e4lt vorzugsweise diejenigen Bestandteile, aus denen beim Kochen das Chondrin entsteht. Denn es wird beim Kochen nur die Grundsubstanz aufgel\u00f6st, w\u00e4hrend die Zellen ungel\u00f6st Zur\u00fcckbleiben (Mulder, Donders). Die Wand der Knorpelzellen soll ann\u00e4hernd die Reaktionen des elastischen Gewebes darbieten; der Inhalt der Knorpelzellen besteht zum Theil aus Fett. \u2014 Der hyaline Knorpel ' hinterl\u00e4sst beim Verbrennen eine Asche, die aus CI, S03, P06, C02, MgO, CaO, NaO besteht. \u2014 Von diesen Mineralbestandtheilen bildet sich sicherlich die S03 aus dem Schwefel der Chondrigens; die P05, welche mit CaO verbunden ist, scheint in dem Chondrigen enthalten zu sein; denn jede Chondrinl\u00f6sung f\u00fchrt phosphorsaure Kalkerde. Die prozentische Zusammensetzung des Knorpels ist sehr variabel, wie es schon die mikroskopischen Ansichten desselben erwarten lassen. Bibra fand in !0G Theilen festem R\u00fcckstand 30 bis 46, und in diesem Asche 2 bis 7 Th eile. \u2014 Der Knorpel mit einer Grundsubstanz aus Bindegewebe liefert beim Kochen Colla; ob auch Chondrin, ist zweifelhaft. Man erh\u00e4lt dieses letztere dagegen aus elastischem Knorpel; da sich hierbei die Knorpelzellen erhalten und nur insofern sich ver\u00e4ndern, als ihre Wand sich verd\u00fcnnte (Mulder, Donders, Hoppe), so muss Chondrigen in den Verdickungsschichten enthalten sein. Das Zwischengewebe der zuletzt erw\u00e4hnten Knorpelart ist elastischer Stoff.\n*) Simon, medizinische Chemie. II. Bd. 510. \u2014 Mulder, physiolog. Chemie. 597. \u2014 v. Bibra, Chem. Untersuchungen \u00fcber Knochen und Z\u00e4hne des Menschen. Schweinfurt 1844. \u2014 Hoppe, Virchow\u2019s Archiv. V. Bd. \u2014 Derselbe, Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 56. Bd. 129. \u2014 Zel-linsky in Henle\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1853. p. 57. \u2014 Scherer, Liebig\u2019s Annalen. 40. Bd. p. 49.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Knorpel.\n191\nZu den \u00fcber Chondrin mitgetheiiten Thatsachen ist nach neuern Beobachtungen noch mitzutheilen : durch S03 kann aus ihm Leucin, aber kein Glyeocoll erhalten werden. Beim Behandeln mit Kalil\u00f6sung soll es dagegen unter Ammoniakenlwick-lung Glyeocoll liefern. Im schmelzenden Kali soll es sich in Leucin, Oxals\u00e4ure und eine neue S\u00e4ure zersetzen, durch Chroms\u00e4ure ist aus ihm Blaus\u00e4ure, aber keine Ameisen- und Essigs\u00e4ure zu gewinnen; bei der F\u00e4ulniss entsteht ausser einem andern kristallinischen K\u00f6rper Leucin. Salpeters\u00e4ure giebt zur Entstehung von Xanthoproteins\u00e4ure Veranlassung (Hoppe). Da die erw\u00e4hnten Stoffe nicht durch die Elementaranalyse als solche festgestellt sind , so verdient die Untersuchung eine Wiederholung. \u2014 Durch l\u00e4ngeres Kochen wandelt sich das Chondrin in eine nicht gerinnbare Modifikation um (Hoppe). Die Reaktionen der Chondrinl\u00f6sung seien nicht immer dieselben, behauptet Zellinsky; insbesondere soll dieses der Fall sein mit verschiedenen Portionen l\u00f6slicher Substanz, die man aus dem Knorpel je nach der Dauer des Kochens gewinut.\n3. Wachstlium und Ern\u00e4hrung. In der F\u00f6talperiode werden die einfachen Bildungszellen an den Orten, die sp\u00e4terhin Knorpel enthalten, allm\u00e4hlig gr\u00f6sser, und nehmen statt der kugeligen eine Eiform an, zugleich verdickt sich die Wand. Die Ver\u00e4nderungen im wachsenden Knorpel sind nun nicht an allen Oertlichkeiten \u00fcbereinstimmend. \u2014 Vergleicht man die Rippenknorpel eines Neugeborenen und Erwachsenen, so zeigt sich, dass die Gesammtsumme der H\u00f6hlen im erwachsenen Knorpel abgenommen, die H\u00f6hlungen selbst gr\u00f6sser geworden und durch eine st\u00e4rkere Einlagerung von Grundgewebe auseinander gedr\u00e4ngt sind (Harting)* ). Macht man zu diesen Erfahrungen die allerdings noch zu beweisende Voraussetzung, dass die einmal gebildete Knorpelzelle w\u00e4hrend der ganzen Lebensdauer Bestand hat, so w\u00fcrde gefolgert werden m\u00fcssen, dass Zellenraum und Grundgewebe gleichzeitig an Ausdehnung\nzunehmen ; zugleich aber darf die Einlagerung auf der einen und die Auf-\n\u2666\nl\u00f6sung auf der andern Seite nicht gleichen Schritt halten; namentlich muss die Aufl\u00f6sung \u00f6fter so weit sich erstrecken, dass zwei Knorpelh\u00f6hlen miteinander verschmelzen, weil sonst die Zahl derselben im Erwachsenen nicht geringer als in der Jugend sein k\u00f6nnte. Neben den geschilderten Wachsthumserscheinungen treten in den hyalinen Knorpeln noch andere sichtbare Ver\u00e4nderungen auf. Insbesondere wird die Grundsubstanz k\u00f6rnig, faserig, zuweilen auch so erweicht, dass sich gr\u00f6ssere oder kleinere unregelm\u00e4ssige H\u00f6hlen bilden, die sich mit Fetttr\u00f6pfchen, Blutgef\u00e4ssen, Bindegewebe f\u00fcllen (H. Meyer, Donders). Dazu kommt, dass an einzelnen Orten die Knorpelh\u00f6hlen sich wiederum verkleinern, wobei es das Ansehen gewinnt, als sei eine Scheidewand durch eine gr\u00f6ssere H\u00f6hlung gewachsen, welche einen Raum in zwei getheilt habe. \u2014 In den Faserknorpeln dagegen, namentlich in der lig. intervertebralia und den Synchondrosen sind ausnahmslos die Zellenh\u00f6hlen des sp\u00e4tem Lebens kleiner als die des fr\u00fchem, da die \u00e4ltere Wand aus conzentrischen\n\u201c) Recherches rnicrometr. p. 76.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nKnochen.\nSchichten besteht, so scheint es fast, als sei die Zellenh\u00f6hle durch periodisch auf die innere Wandfl\u00e4che erfolgende Abs\u00e4tze verengert worden (D on ders).\nDer Knorpel geh\u00f6rt zu den Formbestandtheilen, welche sich auch im Erwachsenen neu bilden k\u00f6nnen. Um so auffallender ist es, dass Knorpelwunden durch Bindegewebe heilen (Redfern)*).\nDa der Knorpel nur \u00e4usserst selten mit Gef\u00e4ssen durchzogen ist, so m\u00fcssen die Fl\u00fcssigkeiten durch Diffusion fortschreiten, welche die Atome ein- und ausf\u00fchren zum Vortheil des Stoffumsatzes, der nach den anatomischen Beobachtungen unzweifelhaft vorhanden ist.\nDas Wenige, was wir \u00fcber physikalische Eigenschaften kennen, ist schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt (Bd. I. p. 364).\nKnochen.\n1. Anatomische Beschaffenheit**). Die Knochenmasse setzt sich aus d\u00fcnnen miteinander verwachsenen Platten zusammen, welche in conzen-trischen Lagen um die mikroskopischen R\u00f6hren geschichtet sind, die als Leitungsr\u00f6hren der Blutgef\u00e4sscapillaren den Knochen netzf\u00f6rmig durchziehen. Die Substanz der Knochenpl\u00e4ttchen (also die kn\u00f6cherner Wandungen der Gef\u00e4ssr\u00f6hren), welche \u00f6fter optisch homogen, zuweilen aber auch gek\u00f6rnt erscheint, ist abermals von einem besondern H\u00f6hlensystem, den Knochen- oder Strahlenk\u00f6rperchen und ihren Ausl\u00e4ufern, durchbrochen. Ein jedes dieser Strahlenk\u00f6rperchen ist nemlich nichts anderes als eine eif\u00f6rmige L\u00fccke in der Knochensubstanz, von welcher eine gr\u00f6ssere oder geringere Zahl hohler Ausl\u00e4ufer ausstrahlt; die Ausl\u00e4ufer benachbarter Knochenk\u00f6rperchen anastomisiren mit einander, und diejenigen, welche unmittelbar an die Gef\u00e4ssr\u00f6hren und an die Kn och en Oberfl\u00e4che grenzen, m\u00fcnden frei in die ersteren und unter das Periost, so dass durch jeden Knochen ausser dem Netz der Gef\u00e4ssr\u00f6hren noch ein zweites ausserordentlich viel feineres, aber daf\u00fcr dichteres und verbreiteteres,, herl\u00e4uft. Da die Knochenk\u00f6rperchen in den Knochenschichten in ziemlich regelm\u00e4ssigen Abst\u00e4nden gelagert sind, so bilden die Verbindungslinien derjenigen von ihnen, welche in einer Horizontalebene liegen und zu einem der conzentrisch gelagerten Knochenpl\u00e4ttchen geh\u00f6ren, eine \u00e4hnliche Form wie die Contour der Knochenpl\u00e4ttchen selbst, d. h. die Zellenh\u00f6hlen liegen abermals in mehreren Lagen conzentrisch um die Gef\u00e4ssr\u00f6hren. Zu den beiden eben beschriebenen L\u00fcckensystemen kommt endlich noch ein drittes sehr unregelm\u00e4ssig gestaltetes, welches vorzugsweise das Innere des Knochens durchzieht, wo es als Markh\u00f6hle, diploetisches oder spongi\u00f6ses Gewebe bekannt ist. \u2014 Jede der drei H\u00f6hlenarten schliesst nun auch besondere Weichgebilde ein. Die . strahlenf\u00f6rmigen H\u00f6hlen\n*) Henle\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1851. p. 52.\n**) H. Meyer, der Knorpel und seine Verknochung. M\u00fcl 1 er5 s Archiv. 1849. \u2014 K \u00f6llik er mikroskopische Anatomie. II. Bd. 1. Abthl.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Knochen.\n193\nfc\nund ihre Strahlen sind nach Virchow*) ausgekleidet mit einem ihren Wandungen eng anliegenden H\u00e4utchen; fasst man also die Haut der eif\u00f6rmigen H\u00f6hle als einen Zellenk\u00f6rper und die der Ausl\u00e4ufer als Zellenstrahlen auf, so kann man sich auch dahin ausdr\u00fccken, dass der Knochen von einem Netz strahlig ver\u00e4stelter, anastomosirender Zellen durchzogen sei. Jedes K\u00f6rperchen schliesst ausserdem noch ein anderes kleines Zellengebilde, einen sog. Kern, und Fl\u00fcssigkeiten in sich. Die Gef\u00e4ss-kan\u00e4le umschliessen die Blutgef\u00e4sse, Bindegewebe, Nerven, und in den Markl\u00fccken ist ein Gemenge von Bindegewebe, Fetttropfen, Fett- und Markzellen, Blutgef\u00e4ssen und w\u00e4sserigen Feuchtigkeiten enthalten. Die Knochenoberfl\u00e4che ist schliesslich von einer Bindegewebshaut, dem Periost, \u00fcberzogen, in welcher die Gef\u00e4sse und Nerven laufen, bevor sie in die Gef\u00e4sskan\u00e4lchen des Knochens eindringen.\n2. Chemische Zusammensetzung**). Die feste Masse des Knochens (das Grundgewebe) ist ein Gemenge aus leimgebenden Stoffen, dem sog. Knochenknorpel und Erdsalzen (Knochenerde). Das Grundgewebe und ebenso auch der Knorpel und die Erde desselben ist bis dahin noch nicht rein dargestellt worden, weil sie nicht voi* den anh\u00e4ngenden Zellenh\u00e4uten, dem Bindegewebe u. dergl. und deren Salzen befreit werden k\u00f6nnen. Der Knocbenknorpel, oder anders ausgedr\u00fcckt, der durch Salzs\u00e4ure von seinen Erden und durch Aether und Alkohol von seinen Fetten befreite Knochen, gab bei der Verbrennungsanalyse die prozentische Zusammensetzung des Colla, nemlich C 50,1; H 7,1;\nN 18,4; 0 und S 24,3 (v. Bibra). \u2014 Die Knochenerde, welche durch Ein\u00e4scherung eines Knochen dargestellt wird, der vorher vollkommen mit Wasser ersch\u00f6pft war, besteht aus Fluorcalcium, Ca0C02, 3Ca0P05, 3Mg0P05 (Heintz); ein frisch verbrannter Knochen liefert ausserdem noch Na CI, Fe203, Na0C02 u. s. w. \u2014 Nach den Analysen von Heintz, den genauesten, welche wir besitzen, bestehen 100 Theile Knochenerde aus CaO C02 = 9,1; 3Ca0P05 = 85,7; 3Mg0P05 = 1,7; Ca Fl = 3,0. Alle \u00fcbrigen Analysen, welche Ausstellungen man auch sonst an ihnen machen kann, best\u00e4tigen doch, dass immer die phosphorsaure Kalkerde alle \u00fcbrigen Bestandtheile weit \u00fcberwiegt, und zeigen deutlich, dass das Verh\u00e4ltnis zwischen den einzelnen Erdarten durchaus kein constantes sei. Nach F rem y soll es im Ganzen und Groben erlaubt sein, die Annahme zu machen, dass auf 1 Aeq. Kohlens\u00e4ure 3 Aeq. Phosphors\u00e4ure kommen. \u2014 Der Knorpel und die Erden sind in den Knochen innig nebeneinandergelegt, aber nicht nach Aequivalenten\n*) W\u00fcrzburger Verhandlungen. II. Bd. 150. \u2014 Hoppe, Virchow\u2019s Archiv. V. Bd. 174. \u2014 Virchow, ibid. p. 446.\n**) Berzelius, Lehrbuch der Cehmie. IX. Bd. 1840. \u2014. Marchand, physiolog. Chemie. Berlin 1842. 81. \u2014 v. Bibra, chem. Untersuchungen etc. Schweinfurt 1844. \u2014 Heintz, \u00fcber die Zusammensetzung der Knochenerde. Berliner Monatsberichte. 1849. 1. Heft. \u2014 Regnauldu. Gosselin, Archiv, general, de med. 1849. Juliheft. \u2014 Mulder, physiolog. Chemie, p. 610.\u2014 Fremy, Annales de chimie et physique 1855. Bd. 43. p. 47.\nLudwig, Physiologie. II.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nKnochen.\nverbunden. Man kann bekanntlich aus dem Knochen die Erde durch S\u00e4uren und den Knorpel durch Kalien ausziehen, ohne dass die anatomische Elementarstruktur verloren gellt.\nDas Verh\u00e4ltnis, in dem die organischen (Knorpel, Bindegewebe und Gef\u00e4sse) und unorganischen Stoffe im Knochen enthalten sind, ist nicht constant. \u2014 a) Ordnet man die substantia dura der trockenen Knochen der Erwachsenen nach ihrem Gehalt an Erde, so erh\u00e4lt man folgende Reihe: os temporum, humerus, femur, ulna, radius, tibia, fibula, os ilium, clavicula, vertebrae, costae, sternum, os metatarsi, scapula. Das os tempor. enthielt 63,5, die scapula 54,5 pCt. Knochenerde (Rees)*). \u2014 Bibra fand beim Weib eine etwas andere Reihenfolge : humerus, femur, tibia, fibula, ulna, radius, metacarpus, os occipitis, clavicula, scapula, costa, os ilium, vertebrae, sternum ; in dem ersten Glied 69, und in dem letzten 51 pCt. Knochenerde. Diese Unterschiede sind, wie wohl zu merken, nur g\u00fctig f\u00fcr die Knochen des Geborenen, nicht aber f\u00fcr die des Foetus (v. Bibra). \u2014 b) Die spongi\u00f6se Knochensubstanz enth\u00e4lt einige Prozente feuerfl\u00fcchtiger Bestandteile mehr, als die com-pakte (Rees, Fremy). Theilt man willk\u00fchrlich einen R\u00f6hrenknochen seiner Dicke nach (vom Periost zur Markhaut) in mehrere Schichten, so hinterl\u00e4sst die \u00e4ussere zuweilen um 1 bis 2 Prozent weniger Asche, als die innere, zuweilen ist der Knochen auch durchweg gleich zusammengesetzt (Fremy). \u2014 c) An einer und derselben Knochenstelle nimmt der Gehalt an Kalkerde mit dem Alter zu; so betrug er z. B. in dem Femur m\u00e4nnlicher Individuen beim Foetus = 59 pCt., beim dreiviertelj\u00e4hrigen S\u00e4ugling = 56,4, beim f\u00fcnfj\u00e4hrigen 67 pCt. und endlich beim 25j\u00e4hrigen 68 pCt. \u2014 Das Steigen des Kalkgehaltes geht nun aber keineswegs in allen Knochen gleich rasch vor sich. So n\u00e4hert sich u. A. die Knochensubstanz in den obern Gliedmaassen fr\u00fcher ihrem h\u00f6chsten Werth an, als in den untern (v. Bibra). Im Gegensatz hierzu f\u00fchrt Fremy\u2019s Analyse \u00fcberhaupt zu keinem Altersunterschied; den Femur\nas*i\ndes F\u00f6tus, des Erwachsenen und Greises fand er ann\u00e4hernd gleich reich an Erden, vorausgesetzt, dass aus dem F\u00f6tus die Knochenpunkte ausgesch\u00e4lt w\u00fcrden. \u2014 d) Ein bemerkenswerther Unterschied zwischen dem prozentischen Erdgehalt in den gleichnamigen Knochen des Mannes und des Weibes hat sich nicht herausgestellt.\nDas Knochenmark unterscheidet man seinem Ansehen nach in ein fettes und ein gelatin\u00f6ses. Das erstere besteht vorzugsweise aus einem sehr oleinhaltigen Fett und daneben aus einer eiweiss- und salzhaltigen Fl\u00fcssigkeit, den H\u00fcllensubstanzen der Mark- und Fettzellen, Gef\u00e4ssh\u00e4uten und Bindegeweben. Das gelatin\u00f6se enth\u00e4lt dagegen \u00fcberwiegend die salz\u00ab und eiweisshaltige L\u00f6sung und sehr geringe Mengen von Fett; die bei-\n*) Berzelius vermuthet, dass die von Rees untersuchten Knochen nicht vollkommen getrocknet gewesen seien.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Knochen.\n195\nden Markarten scheinen also Gemenge derselben Stoffe in verschiedenen Verh\u00e4ltnissen zu sein. \u2014 Das Periost enth\u00e4lt die Bestandteile des Binde-gewebes und der elastischen Faser. Die Fl\u00fcssigkeit, welche neben den Gelassen die Gef\u00e4ssr\u00f6hren und die Zellenr\u00e4ume f\u00fcllt, ist unbekannt. Einige Angaben , die \u00fcber den Gehalt des Gesammtknochens an Wasser vorliegen, sind ohne Bedeutung, da dieser mit zahlreichen, zuf\u00e4lligen Umst\u00e4nden, z. B. dem Markgehalt, der Menge der Zellen und Gef\u00e4ssr\u00f6hren u. s. w., wechseln muss.\n3. Das Wenige, was von den physikalischen Eigenschaften des Kno-\nchens bekannt ist, wurde schon Bd. I. p. 363 mitgetheilt.\n4. Ern\u00e4hrung. Der ersten Entstehung des Knochengewebes *) im Foetus, dem Primordialknochen, geht jedesmal die Bildung einer weichen, knorpeligen Grundlage von der Form des sp\u00e4tem Knochens voraus. Bevor diese der Verkalkung anheimf\u00e4llt, mehrt sich mit der gleichzeitigen Ver-gr\u00f6sserung der Knorpelh\u00f6hlen die Grundsubstanz betr\u00e4chtlich, und zwar in der Art, dass die H\u00f6hlen in Reihen angeordnet werden, welche senkrecht stehen gegen die Fl\u00e4che, auf welcher die Verkalkung ihren Anfang nimmt; anders ausgedr\u00fcckt bedeutet dieses, dass zwischen den einzelnen Knorpelh\u00f6hlen ein und derselben Reihe weniger Grundgewebe gelegen ist, als in dem Zwischenraum, der je zwei Reihen trennt. Die Verkalkung selbst beginnt nun jedesmal von einer beschr\u00e4nkten Stelle (Knochenpunkt) aus, in welche gew\u00f6hnlich ein Blutgef\u00e4ss aus der Umgebung hineinw\u00e4chst. In der Umgebung verdunkelt sich nun das Knochengewebe durch eine kr\u00fcmelige Einlagerung, die sich zuerst auf das Grundgewebe, dann auf die Wand der einschliessenden Zellen, darauf auf den Zwischenraum zwischen dem umschliessenden und eingeschachtelten und endlich auf die Wand und zum Theil auch auf die H\u00f6hle der eingeschachtelten Zellen erstreckt. Die zur\u00fcckbleibende H\u00f6hle kann auf den\no\nQuerschnitt eine stern- oder auch eine eif\u00f6rmige Gestalt annehmen, wie aber auch ihre Grenzen beschaffen sind, in jedem Fall ist sie mit einem Kern und einer klaren Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllt. Wenn die Kalkerde bis zu den bezeichneten Punkt gedrungen, so ist damit zugleich bis auf die H\u00f6hle Alles in eine homogene und nun auch wegen der gleichm\u00e4ssigen Kalkeinlagerung wieder hellere Masse umgeformt, indem die sichtbaren Unterschiede zwischen Grundgewebe und den beiden Zellenw\u00e4nden verwischt ist. Kaum aber ist der primordiale Knorpel in Knochen umgewandelt, so beginnt auch sogleich wieder eine Aufl\u00f6sung desselben, durch welche in den Knochen unregelm\u00e4ssige L\u00fccken, die sp\u00e4tem Markh\u00f6hlen, eingefressen werden, welche sich dann auch alsbald mit Mark anf\u00fcllen. \u2014 Daraus folgt nun, dass der Theil des Primordialskeletts, welcher im\n*) H. Meyer, M\u00fcll er !s Archiv. 1849. \u2014 K \u00f6l liker, Mikroskopische Anatomie. II. Bd. l.Abth. 351. \u2014 Bruch, Beitr\u00e4ge zur Entwickelungsgeschichte des Knochensystems. Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. II. Bd.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nKnochen.\nF\u00f6talleben verkn\u00f6chert, auch sogleich wieder verschwindet. \u2014 Die Verkn\u00f6cherung in dem Theil des urspr\u00fcnglichen Knorpelskeletts, welcher auch noch nach der Geburt unverkalkt zur\u00fcckblieb, in den sog. permanenten Knorpeln, geht theilweise \u00e4hnlich vor sich, zum Theil aber beginnt auch die Infiltration der Erde zuerst in den Wandungen der eingeschachtelten Zellen, welche dann als harte Kapseln vereinzelt in der weichen Zwischenmasse gelegen sind. \u2014 Ueber die Entstehung der Strahlenk\u00f6rperchen des Knochens ist man noch im Unklaren. Die gr\u00f6ssere Zahl der Anatomen neigt sich, ohne Uebergangsstufen gesehen zu haben, der Ansicht zu, dass die H\u00f6hlenreste der eingeschachtelten Zellen dem mittleren Theil des Strahlenk\u00f6rpers entspr\u00e4chen und dass die von ihnen abgehenden Ausl\u00e4ufer durch eine den Knochen treffende Aufl\u00f6sung erzeugt w\u00fcrden; andere, und insbesondere Bruch, sind der Meinung, dass im Primordialskelett niemals die Zellenh\u00f6hlen mit Ausl\u00e4ufern versehen\nwurden.\nDie Formfolge, welche beobachtet wurde in den Zus\u00e4tzen, welche das Primordialskelet beim Knochenwachsthum zum sog. st\u00e4ndigen Knochenger\u00fcste empf\u00e4ngt, ist eine verschiedenartige. Wir betrachten zuerst den Fall, in welchem innerhalb eines Knochens die Verkn\u00f6cherung von zwei entfernten Orten begonnen hat und gegen einander so weit vorgeschritten ist, wie z. B. im Mittelst\u00fcck und den Enden der K\u00f6hrenknochen, dass die beiden Knochenst\u00fccke nur noch durch ein d\u00fcnnes Knorpelblatt getrennt werden. Hier geht in dem Knorpel fortw\u00e4hrend eine Neubildung von Knorpelzellen vor sich in der Art, dass die Knorpelh\u00f6hlen (die einschliessenden Zellen) sich immer mehr nach der Richtung der L\u00e4ngenachse des Knochens ausdehnen, w\u00e4hrend zugleich in dem ver-gr\u00f6sserten Raume neue Zellen entstehen. Diese r\u00f6hrenf\u00f6rmigen Mutterzellen w\u00fcrden demnach den reihenweise gestellten Knorpelh\u00f6hlen des primordialen Skelets entsprechen. Indem sich aber die Zelle nach der einen, von dem Verkn\u00f6cherungsrand abgewendeten Seite verl\u00e4ngert, verkalken ihre Wandungen nach der dem Knochenrand zugekehrten, und kaum sind sie verkn\u00f6chert, so beginnt auch schon wieder der Aufl\u00f6sungsakt, durch welchen die Markh\u00f6hlen erzeugt werden. Der ganze Vorgang schliesst sich also sehr innig an die Verkn\u00f6cherung des primordialen Skelets an. \u2014 Ganz eigent\u00fcmlich gestaltet sich aber die Sache an den Orten, an welchen der Primordialknochen mit dem Periost zusammentrifft, wie z. B. an der Peripherie eines R\u00f6hrenknochens. Alle Beobachter stimmen darin \u00fcberein, dass auf die innere Fl\u00e4che des Periosts zuerst eine weiche, aus Zellen- und strukturloser Zwischenmasse bestehende Ablagerung geschehe, die so bald verkn\u00f6chere, dass beide Vorg\u00e4nge nahezu gleichen Schritt halten; es ist also jederzeit nui wenig von dem verkn\u00f6cherungsf\u00e4higen, weichen Material vorhanden. Die Verkn\u00f6cherung beginnt auch hier um die Gef\u00e4sse herum, welche vom Periost","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Knochen.\n197\nin das aufgelagerte Gewebe eindringen. Da die Gef\u00e4sse nach vollendeter Verkalkung noch bestehen bleiben, so ist mit diesen Angaben auch sogleich die Entstehung der Gef\u00e4ssr\u00f6hren erkl\u00e4rt. Ueber den Antheil, den die in der formlosen Masse liegenden Zellen an der Knochenbildung nehmen, herrscht dagegen Controverse. Bruch theilt denselben eine untergeordnete Bedeutung zu; er giebt an, dass in den R\u00e4umen zwischen Periost und Knochenoberfl\u00e4che erhabene Streifen entstehen, welche sich netzf\u00f6rmig verbinden; die L\u00fccken zwischen diesen Streifen sind weiter und enger, der Durchmesser der ersteren entspricht dem der sp\u00e4tem Gef\u00e4ssr\u00f6hren, derjenige der kleineren aber dem Umfang der centralen H\u00f6hlen der Knochenk\u00f6rperchen, von diesen H\u00f6hlen gehen nun auch sogleich als feine Linien die hohlen Ausl\u00e4ufer hervor. Die Ablagerung von Knochenmasse soll dann in den Streifen, nicht aber in den L\u00fccken und Spalten geschehen ; diejenigen L\u00fccken, welche der centralen H\u00f6hle der sp\u00e4tem Knochenk\u00f6rperchen entsprechen, sind mit einer kleinen Zelle avisgef\u00fcllt. Im Gegensatz hierzu behauptet H. Meyer, dass die unter das Periost gelagerten Zellen ann\u00e4hernd die Form der Knor-pelzellen besitzen sollen und dass sie sich bei der beginnenden Verkn\u00f6cherung auch \u00e4hnlich den im Innern des Knorpels vorkommenden verhalten. \u2014 Virchow endlich sah aus jeder Zelle hohle Aeste hervortreten, welche sich strahlenf\u00f6rmig nach allen Richtungen hin verbreiten und mit denen der benachbarten sich zu einem communizirenden R\u00f6hrensystem verbinden; wenn die an ihren W\u00e4nden unmittelbar anliegende Grundmasse mit Kalk inkrustirt ist, so seien damit die Knochenk\u00f6rperchen hergestellt. Aus dem \u00fcbereinstimmenden Theil der obigen Erfahrungen , welche zuerst von H. Meyer ausgesprochen sind, ist es m\u00f6glich, ein Schema abzuleiten zur Erl\u00e4uterung des Wachsthums der R\u00f6hrenknochen. Wenn in (Fig. 53.) 1 2 2 1 den Primordialknochen , in welchem 2 2 das Mittel- und 1 2 die Endst\u00fccke und III II I den erwachsenen Knochen darstellt, so muss ac ca durch Wachsthum und Verkn\u00f6cherung des Knorpels entstanden sein, welcher Mittel- und Endst\u00fccke trennt, w\u00e4hrend nur ab ba aus der Verkn\u00f6cherung der Periostauflagerung hervorgegangen ist. Damit wird auch die Behauptung von E. H. Weber*) best\u00e4tigt, dass das Wachsthum alter Knochen nach einer Richtung hin beendet sei mit der Verkn\u00f6cherung der zwischen ihnen eingelagerten Knorpelst\u00fccke, also das Wachsthum der Sch\u00e4del- und Wirbelh\u00f6hlen mit der Verkn\u00f6cherung in den N\u00e4hten zwischen den Sch\u00e4delknochen oder den Knorpelst\u00fccken zwischen K\u00f6rper und Bogen, und ebenso das L\u00e4ngenwachsthum der R\u00f6hrenknochen mit der\n*) Hildebrandt\u2019s Anatomie. II. Bd. p, 40,","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"Knochen.\nVerkalkung des Knorpels zwischen Mittel\u00bb und Endst\u00fccken u. s. w. Unklar bleibt es aber, warum nun auch zu dieser Zeit die Knocbenbildung nach andern Seiten stillsteht, warum sich also der nach der L\u00e4nge ausgewachsene Knochen nicht noch fortw\u00e4hrend verdickt u. s. w.\nDer Knochen geh\u00f6rt zu denjenigen Geweben, welche sich im Erwachsenen leicht neu bilden. Am gew\u00f6hnlichsten geschieht dieses entweder an oder innerhalb der vorhandenen Knochen (Knochenbr\u00fcche) oder wenigstens innerhalb eines schon vorhandenen Periosts. Doch kann er auch ohne diese Bedingungen entstehen, wie die'Beobachtungen von H. Meyer, R. Wagner, Wittich u. A. nachweisen, welche wahre Knochenbildung in der Haut, der Linse, dem Glask\u00f6rper aufdeckten.\nDie chemische Entwickelung des Knochens ist so gut wie unbekannt. Da sich bei der Verkn\u00f6cherung des Primordialknorpels die weiche Grundlage aus Collagen in Chondrigen verwandelt, so k\u00f6nnte man zur Vermuthung kommen, dass zu den an den gr\u00f6sseren Gestaltver\u00e4nderungen sichtbaren Ein- und Umlagerung der Atome noch eine zweite unsichtbare kommt. \u2014 Kolli ker behauptet, dass der aus der Periostauflagerung hervorgehende Knochen sogleich in collagenes Bindegewebe eingelagert werde; nach den mikrochemischen Reaktionen von Bruch kann dieses noch zweifelhaft erscheinen.\nDer ausgewachsene Knochen ver\u00e4ndert*) sich w\u00e4hrend des Lebens, und zwar unzweifelhaft mit H\u00fclfe des Blutes und der S\u00e4fte, welche durch die zahlreichen Blutgef\u00e4sse und die zahllosen Sp\u00e4ltchen und L\u00fccken der corp. radiata in ihm umhergef\u00fchrt werden. Beweise hierf\u00fcr liegen schon in den angef\u00fchrten chemischen Thatsachen, dass der Erdgehalt der Knochen von der Geburt bis zur Reife, und dass er im Knochen der stark angestrengt worden, zunimmt. Hier f\u00fcgen wmlnoch hinzu, dass die Knochen sich verd\u00fcnnen, wenn ihre Muskeln gel\u00e4hmt sind, oder wenn man die Nahrungsmittel, oder auch nur den Kalkgehalt derselben mindert. Diese letztere Erfahrung f\u00fchrt zu der Ableitung, dass w\u00e4hrend des Lebens stetig Knochenmasse aufgel\u00f6st und daf\u00fcr neue eingesetzt wird, sie beweist aber nicht, dass w\u00e4hrend des ganzen Lebens ununterbrochen unter das Periost neue Knochenmassen eingelagert und in der Markh\u00f6hle alte aufgel\u00f6st werden. Diese Anschauungsweise empf\u00e4ngt auch nicht einmal eine Best\u00e4tigung durch die Ergebnisse zweier ber\u00fchmter Versuchsreihen. Schiebt man ein St\u00fcck eines edlen Metalls, ohne Verletzung des Knochens zwischen Periost und Knochenoberfl\u00e4che, so findet man dieses nach l\u00e4ngerer Zeit in der Markh\u00f6hle, w\u00e4hrend es vom Periost durch eine Lage von Knochenstoff getrennt ist. Offenbar ist hier das vom Periost getrennte Knochenst\u00fcck der Aufl\u00f6sung anheim gefallen und eine vom Periost ausgehende Neubildung an seine Stelle getreten, aber damit ist nur die alte chirurgische Erfahrung best\u00e4tigt, dass ein Knochen\n*) Bibra, 1. c. \u2014 Valentin, Lehrbuch d. Physiologie. 2. Aufl. I. Bd. 700. \u2014 Schuchardt, Quaedam de effectu etc. Marb. 1847. in Valentin\u2019s Jahresb. f\u00fcr 1848. p. 144. \u2014 Floureus, compt. rend. XIX. Bd. p. 1061 u. ibid, XXL \u2014 B. Heine in Graefe u\u00bb Walther\u2019s Journal f. Chirurgie, 1836,\nf","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00e4hne.\n199\nabstirbt, dessen zuf\u00fchrende Gef\u00e4sse, resp. dessen Periost, zerst\u00f6rt ist, und dass ein Knochen sich innerhalb eines wohlerhaltenen St\u00fcckes Periost wieder bilden k\u00f6nne. \u2014 Mischt man l\u00e4ngere Zeit hindurch Krapp-roth zur Nahrung eines Thieres und f\u00fcttert sie darauf ohne diesen Zusatz, so sollen die durchs\u00e4gten R\u00f6hrenknochen um die Markh\u00f6hle roth und unter dem Periost weiss sein, Leider hat sich aber bei vielfacher Wiederholung nicht einmal diese Thatsache best\u00e4tigt.\nDer Fettgehalt des Knochenmarkes schwankt sichtlich mit dem des ganzen K\u00f6rpers.\nZ\u00e4hne.\n1.\tDie anatomische Beschreibung*) unterscheidet an ihnen die Schmelzoberhaut, den Schmelz, das Zahnbein, den Kitt und das in seiner H\u00f6hle liegende Mark. \u2014 Das Schmelzoberh\u00e4utchen ist ein d\u00fcnner, sehr harter und strukturloser Ueberzug des Schmelzes; dieser selbst setzt sich aus kurzen und breiten auf dem Querschnitt sechseckigen Fasern zusammen, die dichtgedr\u00e4ngt ohne verbindenden Stoff an einander und nahezu senkrecht auf der Oberfl\u00e4che der Krone des Zahnbeins aufstehen. \u2014 Das Zahnbein, welches den weitaus gr\u00f6ssten Theil von Wurzel und Krone einnimmt, ist aus einem homogenen Grundgewebe aufgef\u00fchrt, welches von zahlreichen feinen R\u00f6hren, den Zahnr\u00f6hrchen, durchzogen wird. Diese R\u00f6hrchen beginnen mit einer offenen M\u00fcndung in der Zahnh\u00f6hle und laufen von ihr nach allen Seiten gegen die \u00e4ussere Begrenzung des Zahnbeins; auf diesem Wege theilen sie sich unter sehr spitzen Winkeln in einige Haupt\u00e4ste, und aus diesen Aesten gehen zahlreiche Zweige ab, welche theils mit den Nachbarn, theils auch mit den Ausl\u00e4ufern der Knochenh\u00f6hlen des Kitts anastomisiren. Neben den Zahnr\u00f6hren finden sich auch noch sp\u00e4rliche kugelige Hohlr\u00e4ume in dem Zahnbein. \u2014 Der Kitt endlich ist ein feines Knochenlager, welches die Wurzel \u00fcberzieht. \u2014 Der Kern des Zahnmarkes, in dem sich Gef\u00e4sse und Nerven verbreiten, ist aus undeutlichen Fasern mit eingestreuten Kernen gewebt und an seiner gegen die H\u00f6hlenwand gekehrten Oberfl\u00e4che mit einer mehrfachen Schicht cylindrischer, kernhaltiger Zellen \u00fcberzogen, die von dem Zahnbein durch ein strukturloses H\u00e4utchen abgegrenzt werden, so dass die M\u00fcndungen der Zahnr\u00f6hren nicht direkt auf die Zellenoberfl\u00e4che treffen. \u2014 Zur Befestigung des Zahns in den kn\u00f6chernen Zahnf\u00e4chern dient das Periost dieses letztem und das Zahnfleisch.\n2.\tChemische Zusammensetzung**). Schmelzoberhaut, Schmelz, Zahnbein und Kitt besitzen eine weiche Grundlage, in welche Erden eingelagert sind. Die von letzteren befreite Schmelzoberhaut n\u00e4hert sich ihrer Reaktion nach dem elastischen Gewebe, die der Schmelzprismen\nK \u00f6l liker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 388.\n-*) Berzelius, Chemie. 1840. IX. Bd. 551. \u2014 v. Bibra, Chemische Untersuchungen \u00fcber Uno-\nchen und Z\u00e4hne, 1844. \u2014 Hoppe, Virchow\u2019s Archiv. V. Bd, 185,","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00e4hne.\n200\naber den Epithelialstoffen (Hoppe); das erweichte Zwischengewebe im Zahnbein und Kitt ist Collagen, die n\u00e4chste Umgebung der R\u00f6hren, Kugelr\u00e4ume und Knochenk\u00f6rperchen aber eine besondere in kochendem Wasser unl\u00f6sliche Substanz (Hoppe). \u2014 Die in diesen Substanzen eingelagerten Salze enthalten nach Berzelius phosphorsauren Kalk und Talk, kohlensauren Kalk, Fluorcalcium und Talk; die phosphorsaure Kalkerde \u00fcberwiegt hier in derselben Weise wie im Knochen. Die Verh\u00e4ltnisse, in welchen die organischen und unorganischen Bestandtheile in den einzelnen der erw\u00e4hnten Gebilde enthalten sind, wechseln. In der Oberhaut und Prismen des getrockneten Schmelzes fand v. Bibra zwischen 3,6 bis 6,0 pCt. organische und 94,0 bis 96,4 pCt. unorganische, in dem Zahnbein 21,0 bis 29,4 pCt. organische und 79,0 bis 70,6 unorganische Bestandtheile. Aus der Fl\u00fcssigkeit, welche das Zahnmark durchtr\u00e4nkt, kann durch Essigs\u00e4ure ein schleimartiger K\u00f6rper gef\u00e4llt werden ; das Streifengewebe desselben reagirt dem Bindegewebe nicht in allen St\u00fccken \u00e4hnlich.\n3. Ern\u00e4hrung. Der Entstehung des Zahns muss der Aufbau eines besondern Werkzeugs vorausgehen, das aus einem S\u00e4ckchen, den Zahn-und Schmelzkeimen besteht. Das S\u00e4ckchen ist eine Aush\u00f6hlung in den Zahnr\u00e4ndern des Kiefers, die, von einer derben Haut umgeben, nach der einen Seite von dem Knochen und nach der andern von dem knorpel-harten Zahnfleisch begrenzt wird. An den entgegengesetzten Wandungen des S\u00e4ckchens treten die beiden Keime hervor und zwar der Zahnkeim von der Seite des Knochens und der des Schmelzs von der Zahnfleischseite. Damit ist zugleich ausgedr\u00fcckt, dass der erste nur einen kleinen Theil von der Wandung des Zahnsacks bedeckt, w\u00e4hrend der zweite dem weitaus gr\u00f6ssten Theil der innern Wandfl\u00e4che anliegt. Umgekehrt wie der Querschnitt verh\u00e4lt sich die H\u00f6he beider Ausw\u00fcchse, denn w\u00e4hrend der Zahnkeim wie eine starke an dem freistehenden Theil verbreiterte Warze in den Zahnsack hineinragt, bildet der Schmelzkeim nur eine niedrige Lage. \u2014 Beide Keime f\u00fcllen den Sack vollkommen aus, so dass sie mit ihren freien in die H\u00f6hle schauenden Oberfl\u00e4chen unmittelbar wider einander liegen. Der Schmelzkeim besteht nun, vom Zahns\u00e4ckchen aus gerechnet, aus einer Schicht Bindegewebe mit Gef\u00e4ssen, dann einer st\u00e4rkern Lage schwammigen Gewebes, das von ver\u00e4stelten und commu-nizirenden Zellen durchzogen und mit einer eiweisshaltigen Fl\u00fcssigkeit durchtr\u00e4nkt ist, auf diesem sitzt ein Cylinderepithelium, dessen Oberfl\u00e4che von einer strukturlosen Haut bedeckt wird, auf der endlich die Schmelzprismen stehen. \u2014 Der Zahnkeim ist an die Wand des S\u00e4ckchens geheftet durch eine faserigen bindegewebsartigen Masse, welche von Blutgef\u00e4ssen durchzogen ist; auf ihm sitzt ein Zellenlager, welches gegen den Schmelz hin in lange Aeste ausw\u00e4chst, zwischen denen eine strukturlose Ausf\u00fcllungsmasse liegt. Diese Ausl\u00e4ufer stossen unmittelbar an die","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00e4hne.\n201\nSchmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit entgegen und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen die Blutgef\u00e4sse und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem geschlossenen S\u00e4ckchen erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern und Zahnr\u00f6hren beginnt nun auch jedesmal die Verkalkung und zwar gleichzeitig in beiden Gebilden ; Wachsthum der Grundlagen und Verkn\u00f6cherung derselben schreitet dann in dem Schmelz und Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen fort. Da das S\u00e4ckchen einen starken Widerstand leistet, so muss die in dasselbe abgesonderte Masse allm\u00e4hlig die eintretenden Gef\u00e4sse zusammendr\u00fccken; dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims begegnen, weil ihre zuf\u00fchrenden Arterien enger und darum auch der Strom in ihnen schw\u00e4cher ist; die Schmelzbildung ist dann nat\u00fcrlich geschlossen. Wenn dieses geschehen ist, so verl\u00e4ngert sich das S\u00e4ckchen gegen die Alveolarh\u00f6hle aus unbekannten Gr\u00fcnden; das Zahnbein, welches in dieser Verl\u00e4ngerung entsteht, kann aber nat\u00fcrlich nicht mehr mit Schmelz \u00fcberzogen sein, es stellt die sp\u00e4tere Wurzel dar; da die ihn umkleidende Wand des S\u00e4ckchens zum Periost der Alveolarh\u00f6hle wird, so scheidet dieses nun nach zwei Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den Zahn als Kitt und ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der Wurzeltheil des Zahns gegen den Kieferknochen sich andr\u00e4ngt, muss bei noch weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt und seine Gef\u00e4sse zusammengedr\u00fcckt werden, und darum wird der Zahn dasselbe durchbrechen, wobei die zuerst gebildete Krone durch die allm\u00e4hlich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. \u2014 Ein gr\u00f6sserer Theil der zuerst hervorbrechenden Z\u00e4hne, die Milchz\u00e4hne, fallen bekanntlich in der Kindheit wieder aus, um durch neue ersetzt zu werden. Die neuen Z\u00e4hne entstehen aber genau wie die Milchz\u00e4hne in S\u00e4ckchen, welche schon in der F\u00f6talperiode gebaut wurden. Indem sie sich entwickeln, schieben sie nicht einfach den alten Zahn vor sich her, sondern sie leiten eine Aufl\u00f6sung der Wurzel ein.\nVon den Milchz\u00e4hnen brechen zuerst die innern und dann die \u00e4ussern Schneidez\u00e4hne durch, hierauf die ersten Back-, dann die Eck-und schliesslich die zweiten Backz\u00e4hne. Der erste von diesen Z\u00e4hnen pflegt gegen den 7., der letzte gegen den 30. Monat nach der Geburt hervorzukommen. Von den bleibenden Z\u00e4hnen erscheint zuerst der dritte Backzahn, darauf die innern Schneidez\u00e4hne und die \u00fcbrigen in einer \u00e4hnlichen Reihenfolge wie die Milch z\u00e4hne. Das zweite Zahnen beginnt, mit dein 7. und endet mit dem 18. Jahre.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche die ausgewachsenen Z\u00e4hne darbieten, sind \u00e4usserst unbedeutend. Sie beschr\u00e4nken sich, abgesehen von Krankheiten, auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen und die Einlagerung von Kalksalzen in die Zahnh\u00f6hle, die im hohen Alter oft sehr verengt angetroffen wird, \u2014 Pie Zahnr\u00f6hren f\u00fchren, wie es danach scheint, keine","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nFettzellen.\nFl\u00fcssigkeit, die umsetzend auf das Zahnbein wirkt; ihre Wirksamkeit beschr\u00e4nkt sich wahrscheinlich darauf, das Zahnbein gleichm\u00e4ssig zu durchfeuchten, wodurch die Spr\u00f6digkeit desselben vermindert wird.\nDas Periost des Zahnf\u00e4chers kann dagegen mancherlei Ver\u00e4nderungen in der Zahnstellung herbeif\u00fchren. Namentlich kann es einen locker gewordenen oder gar schon einmal ausgezogenen Zahn wieder befestigen durch Anlagerung von neuem Kilt; mit seiner Hilfe sollen sich sogar die Nerven und Blutgef\u00e4sse des Zahns wieder hersteilen. Das Periost kann aber auch schwinden, so dass der Zahn in dem F\u00e4cher gelockert wird, oder aber es kann von ihm die Knochenbildung in dem F\u00e4cher so weit vorschreiten, dass der Zahn ausgedr\u00e4ngt wird.\nDie Caries der Z\u00e4hne wird durch den deutschen Namen F\u00e4ule gut bezeichnet, da sie in einem der F\u00e4nlniss \u00e4hnlichen von Pilzbildung begleiteten chemischen Prozess besteht.\nFettzellen.\nGemenge von neutralen und sauren Fetten sind im menschlichen K\u00f6rper sehr verbreitet; sie durchtr\u00e4nken die Hornstoffe, schwimmen als Tr\u00f6pfchen oder K\u00fcgelchen in w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeiten, die entweder frei (ser\u00f6se S\u00e4fte, Galle, Speichel u. s. w.) Vorkommen, oder f\u00fcllen, mit ei weissartigen Stoffen gemengt oder verbunden, Nerven und Muskelr\u00f6hren. Ausserdem aber sind sie abgelagert in zahlreichen Zellen, welche von den Anatomen als Fettzellen bezeichnet in dem lockern Bindegewebe zu grossen oder kleinen Haufen vereinigt Vorkommen; diese sollen hier besprochen werden,\n1.\tAnatomische Beschaffenheit*), ln die strukturlose Zellenhaut soll immer ein wandst\u00e4ndiger Kern eingelagert sein, der aber gew\u00f6hnlich nur dann sichtbar wird, wenn die Zelle durch Entfernung ihres tr\u00fcben Inhalts durchsichtig gemacht wurde. Der Binnenraum ist entweder strotzend mit Fett erf\u00fcllt, das bei der Normaltemperatur des Menschen (36\u00b0 bis 37\u00b0 C.) halb und auch ganz fl\u00fcssig ist, oder er enth\u00e4lt neben einer w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit Tropfen oder Krystalle eines Fettes, oder endlich die zusammengefallene Zelle schliesst nur w\u00e4sserige Fl\u00fcssigkeit in sich. Die Gr\u00f6sse der Zellen ist zwar sehr variabel, sowohl an gleich- als verschiedenartigen Lagerungsst\u00e4tten, aber an einzelnen Orten doch durch dieselbe ausgezeichnet; so enth\u00e4lt z. B. das Bindegewebe in den Markh\u00f6hlen des Knochens constant eine kleine Art von Fettzellen (Markzellen) (K \u00f6l liker, Bob in). Die einzelnen Zellen eines Fettkl\u00fcmpchens sind gew\u00f6hnlich durch eine strukturlose Haut zusammengekettet; in dieser verlaufen Blutgef\u00e4sse.\n2.\tChemische Zusammensetzung**). Die Membran, welche die Zellen\n*) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Auflage. 1855. p. 102 u. 229.\n**) Mulder, Physiolog. Chemie. Braunschweig, p. 619. \u2014 Heintz, Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. p. 386 und 436. \u2014 Derselbe, Berichte der Berliner Akademie. 1854. p. 207 und 484. \u2014 Redtenb\u00e2cher, Liebig\u2019s Annalen. 59. Bd. 41, \u2014 Lassaigne, Phannaz, Cen\u00fc% 1851. 701, \u2014 Berzelius, 1. c, IX. Bd, 560s","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Fettzellen,\n203\nzu einem Tr\u00e4ubchen vereinigt, zeigt die Eigenschaften des Bindegewebes. \u2014 Die Haut der Zelle selbst n\u00e4hert sich, so weit dieses aus ihrer chemischen Reaktion geschlossen werden kann, dem elastischen Stoff (Mulder). \u2014 Der fette Antheil des Inhalts besteht aus Stearin (nach Heintz aus Tristearin), Margarin (?), Palmitin (Heintz), Olein und einem andern \u00f6l-artigen Fette (Hei ntz). Das Verh\u00e4ltniss, in welchem die einzelnen Be-standtheile dieses Gemenges zu einander stehen, bewegt sich in weiten Grenzen. Lassaigne giebt nach einer allerdings ungenauen Methode an, dass z. B. beim Rind das Netzfett das der Nierenkapsel und dieses das der Kreuzbeingegend an Stearingehalt \u00fcbertreffe. Aus der Erfahrung von Berzelius, dass das Nierenfett des Menschen bei 25\u00b0, das Zellgewebs-fett und das der Wade aber erst bei 15\u00b0 C. erstarrt, w\u00fcrde man auf einen gr\u00f6ssern Oelgehalt des letztem schliessen d\u00fcrfen, wenn Heintz nichtdarge-than h\u00e4tte, dass die Fette ihre Schmelzbarkeit vollkommen \u00e4ndern durch ihre Mengung mit einander. Die Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit, welche entweder nur die Zellenhaut durchtr\u00e4nkt, oder auch einen Theil des Inhalts ausmacht, ist noch nicht untersucht; in strotzend mit Fett gef\u00fcllten Zellen ist sie nur in sehr geringer Menge vorhanden (Berzelius).\nVon den wesentlichen physikalischen Eigenschaften dieser Fettgemenge ist schon fr\u00fcher (Bd. I. p. 27) gehandelt.\n3. Ern\u00e4hrung*). Die Fettzellen entwickeln sich aus Bildungszellen. Beim Wachsthum des Kindes scheint der Umfang des Fettgewebes weniger durch eine Neubildung von Zellen als vielmehr durch ein Wachs-thum der vorhandenen zuzunehmen (Harting). Wahrscheinlich kann jedoch im sp\u00e4tem Leben eine Neubildung derselben vor sich gehen.\nDer Fettsehalt des Zellenraums, der sich bekanntlich w\u00e4hrend des\nUv\nLebens betr\u00e4chtlich \u00e4ndert, wechselt mit a) der Nahrung. Ein Futter, welches viel Fette und Amvlon zugleich enth\u00e4lt, m\u00e4stet die Thiere. Die Fettmenge, um welche die Thiere zunehmen, \u00fcbersteigt den Fettgehalt der Nahrungsmittel (Gun dl ach, Liebig, B o us s i n gau 11). Dagegen m\u00e4stet sich ein Thier nicht, wenn bei einer vollkommenen Entziehung des Fettes das Futter einen starken Amvlonzusatz erf\u00e4hrt (Boussin-gault), und ebensowenig ist bei voIJkommenener Entziehung des Amy-lons ein starker Zusatz von Fett hierzu gen\u00fcgend (Emanue 1). Bei der zuletzt erw\u00e4hnten F\u00fctterungsart soll jedoch, wenn auch alles \u00fcbrige Fett abnimmt, das Netzfett wachsen. \u2014 Bei g\u00e4nzlicher Entziehung der Nahrung schwindet, das Wasser ausgenommen, kein Bestandtheil unseres K\u00f6rpers so rasch, als das Fett (C h o s s a t, Schuchardt).\u2014b) Unter\n*) Harting, Recherches micrometr. Utrecht 1845. 51. \u2014 Chossat, Recherches experiment, sur l\u2019inanition. Paris 1843. \u2014 Schuchardt, Quaedam de effectu. Marburg 1847. und Valentin s Jahresbericht. \u2014 Emanuel, Quaedam de effectu etc. Marburg 1847. und Valentin s Jahresbericht. \u2014 Liebig in seinen Annalen. 41. Bd. 273. 45. Bd. 112. 48. Bd. 126. \u25a0\u2014 Dumas, Annales de chimie et physique. VIII. Bd. 63. und XI. Bd. \u2014 Letellier, Observation sur 1 action du sucre, ibid. \u2022\u2014 Person, L\u2019institut. 1844. N. 573. \u2014 Bo us sin g au H, Recherches experimen--taies sur le deve loppemeni de graisse, Annales de chimie et de physiqne, XIV.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nFettzellen,\nsonst g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden h\u00e4uft k\u00f6rperliche Ruhe das Fett, w\u00e4hrend es durch Muskelanstrengung verzehrt wird. \u2014 c) Das Auftreten neuer oder die Steigerung bestehender fetthaltender Absonderungen (Eiter, Milch u. s. w.) bedingt ein Schwinden des fettigen Zelleninhalts. \u2014 d) Das sp\u00e4tere Lebensalter, insbesondere bei Frauen die Zeit jenseits der Men-strualperiode, sind der Fettablagerung g\u00fcnstig.\nUm den Einfluss irgend einer Bedingung auf die Fetterzeugung zu bestimmen, w\u00e4hlt man nach Chossat und Boussingault m\u00f6glichst gleiche Exemplare eines und desselben Wurfs oder derselben Brut heraus, in denen man denselben Fettgehalt voraussetzen darf. T\u00f6dtet man ein Thier vor Beginn und das andere nach Vollendung der Versuchsreihe, so ist der absolute Unterschied des Fettgehaltes beider Thiere wenigstens ann\u00e4hernd zu finden. Dieser Unterschied stellt nun aber wahrscheinlich nicht\ndie ganze Menge des Fetts dar, welches von Beginn bis zu Ende des Versuchs in\n%\nden Fettzellen deponirt war; denn der jeweilige Grad ihrer F\u00fcllung durfte wiederum nichts anderes sein , als der Unterschied der w\u00e4hrend der Versuchszeit in sie und aus ihnen getretenen Mengen. Auf die Gegenwart eines solchen stetigen Verkehrs deuten nemlich obige Thatsachen von selbst hin.\nDie Anh\u00e4ufung des Fetts in den Zellen geht gewissermaassen mit einer Auswahl des Orts von Statten. Die meiste Anziehung zum Fett haben die Zellen der Augenh\u00f6hle, die Wangenl\u00fccken, panniculus adiposus der Fusssohle und der Fingerspitzen und die Markh\u00f6hlen, welche selbst in der \u00e4ussersten Abzehrung nie fettleer gefunden werden. Mehrt sich das Fett, so tritt es zuerst im panniculus der Hinterbacken, dem Bauch, den Waden, der Brust und gleichzeitig oder noch fr\u00fcher in der Umgebung des Kniegelenks und in den spongi\u00f6sen Gelenkenden auf; erst wenn hier die F\u00fcllung einen gewissen Grad erreicht hat, schwellen auch die Zellen des Bauchfells und der Nierengegend.\nNach den Erfahrungen von Liebig und Gundlach, welche Boussingault best\u00e4tigt hat, kann kein Zweifel dar\u00fcber sein, dass das Fett des Zelleninhaltes nicht unter allen Umst\u00e4nden seinen Ursprung verdanken kann dem mit der Nahrung eingef\u00fchrten Fett; aus welchen Atomen es nun aber seinen Ursprung zieht, ob aus Amylon oder eiweissartigen Stoffen, l\u00e4sst sich nicht angeben. \u2014 Noch weniger entschieden ist die Frage, ob das Fett in die Zellen aus- und eingef\u00fchrt werde, oder ob es in ihnen entstehe und vergehe. \u2014 Nachdem nemlich einmal die M\u00f6glichkeit der Entstehung des Fettes aus andern in Wasser l\u00f6slichen Atomgruppen nicht mehr bestritten werden kann, gewinnt die Annahme, dass dieselbe innerhalb der Fettzellen vor sich gehe, an Wahrscheinlichkeit, wenn man die Schwierigkeiten erw\u00e4gt, welche sich dem Uebergang des Fettes aus den Nahrungsmitteln in die Fettzellen entgegenstellen ; kaum ist es nemlich aus dem Darmrohr auf einem wie es scheint bequemen Weg in die Lympbgef\u00e4sse eingegangen, so wird jedes kleinste Tr\u00f6pfchen mit einer von Wasser getr\u00e4nkten Haut umgeben; um aus dem Blut in seine neue Lagerst\u00e4tte zu gelangen, muss das Fett die H\u00fclle der Lymph-","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Fettzelten.\n205\nk\u00f6rperchen, die Wandung der Capillargef\u00e4sse und die H\u00e4ute der Fettzellen durchbrechen. Dazu kommt noch, dass in der That hei einem reichlichen Zusatz von Fett zu Nahrung nur die Zellen des Netzes, wohin dasselbe unmittelbar aus den Lymphgef\u00e4ssen gedrungen sein konnte, sich mit Fett f\u00fcllen. Hiergegen l\u00e4sst sich allerdings einwenden, dass es Stoffe giebt, welche dem Fette auch den Durchgang durch Wasser erleichtern , wohin namentlich die Seifen und die Galle z\u00e4hlen. Ausserdem k\u00f6nnte man f\u00fcr die Hypothese von der einfachen Ueberfiihrung auch noch die Thatsache anf\u00fchren, dass die Steigerung der Butterausscheidung u. dergl. die Fettablagerung in dem Bindegewebe hemme; bei genauerer Ueberlegung zeigt sich aber sogleich, dass diese Beobachtung nur daf\u00fcr einsteht, dass das Fett der Butter und des Eiters einerseits und des Bindegewebes anderseits ihr Bildungsmaterial aus einer Quelle ziehen. \u2014-Zur Entscheidung k\u00f6nnen auch nicht die Versuche von R. Wagner*), Bur dach und Wittich**) dienen, aus denen hervorgeht, dass eine Crystalllinse, Muskelst\u00fccke, Hollundermark u. dergl., welche in die Unterleibsh\u00f6hle geschoben werden , nach einiger Zeit sich in Fette umgewandelt oder damit durchtr\u00e4nkt haben. Denn selbst das Fett, welches in das Hollundermark abgesetzt war, kann seinen Ursprung aus Stoffen gezogen haben, welche in w\u00e4sserigen L\u00f6sungen in dasselbe eingedrungen und dort erst ver\u00e4ndert sind. Siehe hier\u00fcber noch Michaelis***).\nDas Schwinden des Fettes in den Zellen l\u00e4sst sich ebenfalls nach Analogie bekannter Fettzersetzungen wohl erkl\u00e4ren, aber es fehlt uns ein Beweis f\u00fcr das Bestehen eines solchen Prozesses in der Fettzelle. Man konnte nemlich voraussetzen, dass in dieser letztem nach Art der oxydirenden Fettg\u00e4hrung die neutralen Fette erst in Glycerin und fette S\u00e4uren und diese dann wieder durch allm\u00e4hlige Abspaltung in C^H2 und C02, HO und eine fette S\u00e4ure niederer Ordnung zerfiel. Um dieser Hypothese Eingang zu verschaffen, fehlt selbst der Nachweiss von Capron-, Capryl-, Baldrian-, Butters\u00e4ure u. s. w. in dem Fettgewebe.\nNervenr\u00f6hren.\n1.\tDie anatomischen Eigenschaften derselben sind schon fr\u00fcher (Bd. I. p. 71 auseinandergesetzt.\n2.\tChemische Zusammensetzung. Die mikrochemische Untersuchung, deren Ergebnisse ebenfalls schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt sind, l\u00e4sst die Scheide des Rohrs aus elastischem Gewebe und den Inhalt desselben aus einem Gemenge von Fetten, Eiweissstoffen, Salzen und Wasser bestehen, v. Bibra f) hat die Fette und Salze der Nerven und ebenso einige quantitative Verh\u00e4ltnisse derselben im Grossen untersucht; die Fette be-\n*) Mittheilungen einer einfachen Methode etc. G\u00f6ttinger gelehfte Anzeigen 1851.\n**) W. Burdach, exp\u00e9rimenta quaedam de commutatione etc. K\u00f6nigsberg 1853.\n***) Prager Vierteljahrschrift. 1853. XII. Bd.\n*|-) Liebigs Annalen. 91. Bd.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nNervenr\u00f6hreo.\nstehen nach ihm aus Olein und Margarin, Cerebrins\u00e4ure, Cholestearin und einigen andern nicht n\u00e4her bestimmbaren festen und fl\u00fcssigen Fettarten; die Asche enthielt Eisen, Kochsalz und Verbindungen der Phosphors\u00e4ure mit Kali, Natron, Kalk- und Talkerde.\nQuantitativ sind v. Bibra bestimmt worden die in Aether l\u00f6slichen und unl\u00f6slichen Bestandteile, das Wasser und die Aschen am nerv, opticus, brachialis , cru-ralis, ein oberer und unterer Abschnitt des ischiadicus bei Menschen von B bis 93 Jahren , m\u00e4nnlichen und weiblichen Geschlechts. Diese Beobachtungen lassen erkennen, dass das analytische Objekt von sehr variabler Natur ist und in keiner Abh\u00e4ngigkeit zum Alter des Menschen und der Lokalit\u00e4t des Nerven steht. So schwankt z. B. der Fettgehalt in 100 Theilen im n. cruralis zwischen 13 und 44 pCt., im n. brach, zwischen 4 und 36 pCt., im obern St\u00fcck des n. ischiadicus zwischen 18 und 44 pCt. und im untern zwischen ii. und 43 pCt.. Aehnliche Unterschiede zeigt der Gehalt des Wassers und der in Aether unl\u00f6slichen Bestandtheile. Zugleich zeigen die Zahlen, das kein bestimmtes Verh\u00e4ltniss zwischen dem Wasser- und Fettgehalt besteht ; die Nerven geringsten Fettgehaltes erweisen sich allerdings am wasserreichsten, aber sehr h\u00e4ufig ist der Wassergehalt zweier Nerven ann\u00e4hernd einander gleich, w\u00e4hrend ihr Fettgehalt weit von einander abweicht. \u2014 Der Gehalt an Asche steigt dagegen mit demjenigen der in Aether unl\u00f6slichen Stoffe. Er wechselt zwischen 3,2 bis 0,6 des feuchten Nerven. Die Zusammensetzung der Fette ist ebenfalls qualitativ und quantitativ wechselvoil ; gew\u00f6hnlich \u00fcberwiegt Margarin und Olein, das bis zu 94,9 pCt. des trockenen \u00e4therischen Auszugs sich erhebt. Die Asche besteht wesentlich aus phosphorsauren Salzen, unter denen bald die phosphorsauren Alkalien und bald die Erden \u00fcberwiegen. In I\u00d60 Theilen Asche h\u00e4lt sich das Chlornatrium zwischen 18 und 27 pCt. und das Eisen zwischen ! und 2 pCt. \u2014 Die n. cruralis und ischiadicus einer einseitig gel\u00e4hmten 78j\u00e4hrigen Frau waren beiderseits sehr saftreich, der n. brachialis, welcher nur auf der gel\u00e4hmten Seite untersucht wurde, dagegen keineswegs.\n3. Ern\u00e4hrung. Die entstehenden Nervenr\u00f6hren sollen aus verl\u00e4nger-\nV\nten und mit einander verwachsenen Bildungszellen hervorgehen. Eine vollkommene Neubildung ist auch im erwachsenen Menschen m\u00f6glich (Virchow)*)^ obwohl sie selten vorzukommen scheint. Der Wiederersatz eines ausgeschnittenen St\u00fccks Nervenrohr mit der Wiederherstellung seines Kanals ist dagegen sehr h\u00e4ufig beobachtet und tritt, obwohl sehr langsam, im gesunden Individuum jedesmal ein, vorausgesetzt, dass die beiden zugeh\u00f6rigen Enden des durchschnittenen Nerven durch einen Zwischenraum von nicht mehr als h\u00f6chstens 8\u201412 Linien getrennt und mit ihren Schnittfl\u00e4chen einander zugekehrt sind. Diese Thatsachen in Verbindung mit den Ergebnissen, welche die mikroskopischen Beobachtungen von K\u00f6Hiker und Valentin**) lieferten, lassen darauf schlies-sen, dass die beiden Enden wieder mit einander verwachsen. Im Gegensatz hierzu behauptet Walther***), dass das peripherische von seiner Verbindung mit Hirn oder R\u00fcckenmark getrennte St\u00fcck ganz ahsterbe und sich an der Stelle desselben ganz neue Nervenr\u00f6hren entwickelten,\n*) W\u00fcrzburger Verhandlungen. II. Bd. 141.\n**) Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. p. 716.\n***) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 356.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Nervenr\u00f6hren.\n207\ndie mit denen im centralen Stumpf enthaltenen sich verbinden. \u2014 Die Zahl der R\u00f6hren, welche von gleichnamigen Nervenst\u00e4mmen eines Kindes und eines Erwachsenen eingeschlossen werden, ist ann\u00e4hernd gleich, der mittlere Querschnitt der kindlichen Nervenr\u00f6hren ist dagegen viel geringer, als im sp\u00e4tem Lebensalter (H a r t i n g). Daraus darf wohl gefolgert werden, dass sich beim Wachsthum des K\u00f6rpers nicht die Zahlen, sondern nur die Dimensionen der Nervenr\u00f6hren vergr\u00f6ssern.\nIm ausgewachsenen Nerven setzt man einen lebhaften Stoffwechsel voraus; dieses gr\u00fcndet man, in Ermangelung chemischer Beweise darauf, dass ein Nerv seine F\u00e4higkeil, lebendige Kr\u00e4fte zu entwickeln, rasch ein-b\u00fcsst, wenn ihm die Blutzufuhr abgeschnitten wird, und sie ebenso rasch nach dem Zutritt von Blut wieder gewinnt. \u2014 Die einzigen sicheren Erfahrungen \u00fcber die inneren Umsetzungen des Nerven, hat die mikroskopische Anschauung geliefert. Sie lehrt, dass%ein Nerv, der l\u00e4ngere Zeit den Zustand der Erregung entbehrt hat, blass und zusammengefallen ist und zuweilen mit kleinen Fetttr\u00f6pfchen gef\u00fcllt ist (K\u00f6lliker, Virchow). Diese Ver\u00e4nderung kann aber, so lange als die Verbindung des Nerven mit dem Hirn und R\u00fcckenmark noch besteht, wieder aufgehoben werden; denn ohne diese Annahme w\u00fcrde es unerkl\u00e4rlich sein, dass die atrophischen Muskeln und Nerven eines Klumpfusses wieder in normale Funktion treten, nachdem durch eine passende orthop\u00e4dische Behandlung die Beweglichkeit des Gliedes wiederhergestellt ist. \u2014 Die mikroskopische Untersuchung thut ausserdem dar, dass ein von den nerv\u00f6sen Centren getrennter Nerv rasch seine Struktur einb\u00fcsst, indem namentlich das Mark gerinnt und die doppelten Gontouren verloren gehen. Diese Beobachtungen zeigen, dass der Nerv, um seine chemische Zusammensetzung zu behaupten, ebensowohl die Beihilfe des Blutes, als auch der Einwirkungen bedarf, welche vom Hirn- und R\u00fcckenmark aus auf sie zu geschehen pflegen. Ob diese in noch etwas andern, als in der von dort ausgehenden Erregung bestehen, ist nicht bekannt.\nVon den Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnissen der \u00fcbrigen nerv\u00f6sen Elementarformen, z. B. der Ganglienkugel, der St\u00fcbchenschicht u. s. w., weiss die Physiologie noch nichts dem betreffenden Inhalt der histologischen Lehrb\u00fccher zuzusetzen.\nHirn- und R\u00fcckenmark.\n1. Chemische Zusammensetzung*). Die w\u00e4sserige Fl\u00fcssigkeit, welche aus dein Hirn gewonnen werden kann, enth\u00e4lt mehrere Eiweissstoffe, Milchs\u00e4ure (v. Bibra), phosphorsaure neben Spuren von Schwefel- und salz-\n*) Fremy, Annales de chim. et phys. 3sieme ser. 2. Bd. 463. \u2014 Berzelius, Lehrb. d. Chemie. IX. Bd. \u2014 v. Bibra, Vergleichende Untersuchungen \u00fcber das Gehirn des Menschen. Mannh. 1854. \u2014 Derselbe in Liebig\u2019s Annalen. 91. Bd. \u2014 Hauff u. Walther, Archiv f\u00fcr phy-siolog. Heilkunde. 1853. 100. \u2014 Schlossberger, Liebigs Annalen. 86. Bd. 119 u. ibidem, 90. Bd. 381. \u2014 Breed, ibidem. 80, Bd. 124.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nHirn- und R\u00fcckenmark.\nsauren Alkalien in L\u00f6sung; ausserdem hat mamin ihm gefunden die H\u00e4ute der Gef\u00e4sse und Nervenr\u00f6hren, unl\u00f6sliche eiweisshaltige (?) K\u00f6rper, Glycerinphosphors\u00e4ure, Cerebrins\u00e4ure, Cholestearin, Olein, Margarin und ein Gemenge anderer nicht n\u00e4her untersuchter, fettartiger Stoffe, Eisen, Kiesels\u00e4ure, phosphorsaurer Kalk und Talk. \u2014 Das Verh\u00e4ltnis, in welchem diese Stoffe in den verschiedenen Hirntheilen Vorkommen, ist nicht gleich. John und Lassaigne hatten schon gefunden, dass die weisse, nur aus Nervenr\u00f6hren zusammengesetzte Substanz viel reicher an Fett und dagegen viel \u00e4rmer an Wasser sei, als die graue. Diese Beobachtung ist durch eine ausgedehnte Versuchsreihe von Hauff, Walther und v. Bibra best\u00e4tigt worden, welche in der weissen Substanz 69,6 bis 70,6 pCt., in der grauen dagegen nur 84,8 bis 86,4 pCt. Wasser fanden, w\u00e4hrend die erstere 14,9 bis J7,0 pCt., die letztere dagegen 4,8 bis 5,1 pCt. Fett enthielt* Schlossberger f\u00fcgt hierzu die Erfahrung, dass diese Unterschiede zwischen weisser und grauer Substanz in dem Hirn von Neugeborenen noch nicht bestehen, indem beide zwischen 88,5 und 89,8 pCt. Wasser und 8,5 bis 3,8 Fett enthalten. Die Fette der beiden Substanzen unterscheiden sich dadurch, dass in der weissen die Cerebrins\u00e4ure, in der grauen dagegen die unbekannten Fettarten \u00fcberwiegen, Cholestarin scheint in beiden Fettarten ungef\u00e4hr gleich viel zu sein (v. Bibra), und ebenso ist auch die Asche beider Hirnmassen nicht gleich zusammengesetzt, da diejenige der weissen Substanz stark sauer, die der grauen aber alkalisch reagirt (Lassaigne, Schlossberger). Der Grund f\u00fcr die saure Beschaffenheit der Weisshirnasche ist gelegen in dem starken Gehalt ihrer phosphor- und phosphors\u00e4urehaltigen Fette.\nBeliebige St\u00fccke der Hirnsubstanz, die man ohne Sonderung der weissen und grauen Masse ausgeschnitten hatte, sind demnach begreiflich nicht \u00fcberall gleich zusammengesetzt. Vauquelin beobachtete, dass medulla spinalis und oblongata am fettreichsten sei, und Bibra, der dieses best\u00e4tigt, setzt hinzu, dass dann mit abnehmendem Fettgehalt der Reihe nach folgen die Grosshirnhemisph\u00e4ren, cerebellum und pons, crura cerebri, corpora striata und thalami optici. Dieser Fettgehalt ist bei Embryonen und jungen Kindern geringer, sp\u00e4terhin, namentlich jenseits der Pubert\u00e4t ist er unabh\u00e4ngig vom Alter; dasselbe gilt von dem Fettreichthum des \u00fcbrigen K\u00f6rpers, indem magere und fette Personen ganz denselben Fettwerth bieten (v. Bibra). Um einen Begriff von der Zusammensetzung der mineralischen Hirnbestandtheile zu geben, f\u00fcgen wir eine Analyse derselben von Breed bei. 100 Theile frischen Hirns hinter-liessen 0,027 Asche, welche in 100 Theilen aus 55,24 pyrophosphor-saurem Kali; 22,93 pyroph. Natron; 1,23 pyroph. Eisen; 1,62 pyroph. Kalk; 3,4 pyroph. Magnesia; 4,74 Chlornatrium; 1,64 schwefelsaurem","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Muskeln.\n209\nKali, 9,15 Phosphors\u00e4ure und 0,42 Kiesels\u00e4ure bestanden. Analysen der entfetteten Hirnmasse theilt v. Bibra*) mit.\nDer Gef\u00e4ssreichthum der Nervencentren und insbesondere derjenige der grauen Substanz erwecken die Vermuthung, dass dort eine lebhafte chemische Th\u00e4tigkeit stattfinden m\u00f6ge; diese Anschauung wird unterst\u00fctzt durch die bekannte Erfahrung, dass das Hirn rasch abstirbt, wTenn der Strom des arteriellen Blutes zum Hirn oder R\u00fcckenmark nur kurze Zeit unterbrochen ist. Hiergegen spricht aber scheinbar die mehrfach best\u00e4tigte Erfahrung Chossat\u2019s, dass das Hirn verhungerter Thiere im Gegensatz zu Fett, Muskeln u. s. w. einen nur unbedeutenden Gewichtsverlust erlitten hat; eine kurze Ueberlegung f\u00fchrt uns aber sogleich noch eine andere Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung zu; denn es steht uns nichts entgegen, anzunehmen, es sei das Hirn mit so energischer Verwandtschaft zu den Blutbestandtheilen begabt, dass es auch noch aus dem Blut des hungernden Thiers, gleichsam auf Kosten der \u00fcbrigen Organe, den Verlust ersetze, welchen es w\u00e4hrend seines Bestehens fortdauernd erleidet. \u2014 Da die chemische Zusammensetzung des Hirns nicht \u00fcberall dieselbe ist, so wird es daraus wenigstens ganz im Groben erkl\u00e4rlich, warum Gifte, insbesondere Kohlens\u00e4ure und Narkotika nicht alle Orte desselben gleichm\u00e4ssig angreifen, so dass z. B. Digitalin die Urspr\u00fcnge des n. vagus, Opium die mit dem Bewusstsein in Verbindung stehenden Stellen, Kohlens\u00e4ure eher das grosse Gehirn als das verl\u00e4ngerte Mark abt\u00f6dtet.\nMusk ein.\nDer anatomische und chemische Bau der glatten und gestreiften Muskelr\u00f6hre ist schon abgehandelt**).\n1. Ern\u00e4hrungserscheinungen. Die Muskelr\u00f6hre entsteht urspr\u00fcnglich aus einer oder mehreren verl\u00e4ngerten und mit einander verwachsenen Primitivzellen; der Hohlraum dieser R\u00f6hre f\u00fcllt sich dann von der Peripherie gegen das Centrum hin mit kleinen Prismen oder Fasern. In der F\u00f6talperiode entsteht ein Muskelrohr nur dann, wenn die ihm zugeh\u00f6rigen Nerven vorhanden sind (E. H. und Ed. Weber)***). Im erwachsenen Individuum geh\u00f6rt ihre Neubildung ebenso wie die Verheilung eines durchschnittenen Rohres mit Muskelsubstanz zu den h\u00f6chsten Seltenheiten; sie ist nur zweimal von Rokitansky und Virchowf) beobachtet wnrden; ob sich mit ihnen gleichzeitig Nerven entwickelten? \u2014 Bei dem Wachsthum der Muskeln nimmt nicht die Zahl, sondern der Umfang der in ihnen enthaltenen R\u00f6hren zu (Harting, He pp) ff). Damit in Uebereinstimmung fand Liebig, dass verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure,\n*) Vergl. Untersuchungen u. s. w. p. 75.\n**) I. Bd. p. 312 u. 349.\n***) Leipziger Berichte. 1849. p. 136.\nt) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. p. 210. tt) Hartung 1. c. \u2014 Hepp, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. 257.\nLu dwig, Physiologie. II,\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nMuskeln,\nwelche die R\u00f6hremv\u00e4nde und Scheiden zuriickl\u00e4sst, das R\u00f6hrenmark aber l\u00f6st, aus den Muskeln alter Thiere einen gr\u00f6ssern proportionalen Antheil aufl\u00f6st, als aus denen junger.\nDie Muskelzelle entsteht durch Auswachsen der Rildungszellen; im sp\u00e4tem Leben bildet sie sich sehr leicht nach ihrer Zerst\u00f6rung wieder, ohne dass die gleichzeitige Entwickelung von Nerven beobach-\ntet wird.\nDer Inhalt des lebenden Muskelrohrs kommt niemals zu einem chemischen Gleichgewicht. Aus den fr\u00fchem ausf\u00fchrlichen Mittheilungen hier\u00fcber heben wir nur noch hervor, dass der Inhalt erstarrt, wenn der zu ihnen f\u00fchrende Blutstrom unterbunden ist, dass sie aber, so lange dieser zu ihnen tritt, auch Kohlens\u00e4ure und zu den Zeiten der Ene-gung Kreatin, Kreatinin, Michs\u00e4ure u. s. w. liefern. Ueber die Geschwindigkeit des Stoffwechsels fehlen\tAngaben ; etwas weniges\tist\tuns nur\tbekannt \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der\tzu- und abgehenden Str\u00f6mung. Die\tZu-\nfuhr \u00fcberwiegt den Abfluss, wenn bei hinreichender und insbesondere bei fleischhaltiger Nahrung die Muskeln h\u00e4ufig und angestrengt in Verk\u00fcrzung gerathen. In diesem\tFalle nehmen nemlich\tdie\tMuskeln\tan\nUmfang zu. \u2014 Umgekehrt verhalten sich die Dinge hei Entziehung der Nahrung, namentlich verd\u00fcnnen sich die Muskelr\u00f6hren auch, wenn die Thiere nur mit Eiweiss gef\u00fcttert werden, so dass sie aus Mangel an Fett oder Amylon verhungern. Doch ist die Abnahme derselben dann geringer, als wenn sie umgekehrt durch Entziehung des Eiweisses verhungern (Schuchardt)* *). Die\tMuskeln nehmen auch\tan\tGewicht\tab,\nwenn sie bei noch so guter Ern\u00e4hrung lange Zeit in dem verl\u00e4ngerten Zustand verharren, hierbei ist es gleicbgiltig, ob das Verharren in diesem Zustand bedingt war durch Abwesenheit der Nervenerregung, Zerst\u00f6rung eines Gelenkes u. s. w, \u2014 Die Umsetzung der Stoffe im Rohr wird damit auch qualitativ. ge\u00e4ndert, da die verk\u00fcmmerten Muskeln sehr reich an Fett werden.\nDie Muskeln sind \u00f6fter auch im Ganzen analysirt worden; bei einem Mangel an gen\u00fcgenden Hilfsmitteln, um Bindegewebe, Gef\u00e4sse, Fett, Muskelr\u00f6hren, Blut und Muskels\u00e4fte zu scheiden, sind diese Beobachtungen nat\u00fcrlich unvollkommen ; f\u00fcr die Physiologie der Muskelern\u00e4hrung sind sie auch noch nicht von Bedeutung geworden; dagegen nehmen sie ihren wahren Platz ein in den Verzeichnissen der Nahrungsmittel. \u2014 Das einzige, was vielleicht schon hier bemerkt werden musste, ist die Beobachtung von Schottin, nach welcher das Blutserum eines Thiers 10 pCt. Wasser mehr enth\u00e4lt, als die Muskeln, welche m\u00f6glichst von Fett und Bindegewebe befreit sind. Damit kommt nun allerdings die Erfahrung von Schlossberger und Bibra**) nicht \u00fcberein, wonach die Muskeln junger Thiere um 2 pCt. wasserhaltiger sind, als die der altern.\n*) Q.uaedam de effectn etc. Marburg 1847.\n*n Schlossberger im Jahresbericht v. Berzelius. XXIII. Bd. 608.\nrieht y. Scherer f\u00fcr 1845. 131.\nv. Bibra\nim Jahresbe-","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Blutgef\u00e4ssw\u00e4nde.\n311\nBlutgef\u00e4sswandungen.\nDie anatomischen Eigenschaften der ausgebildeten Gef\u00e4sswandungen sind auf Seite 75 u. f. dieses Bandes beschrieben.\n2.\tDie chemische Zusammensetzung* **)) der Gef\u00e4sshaut wechselt mit ihrer anatomischen Struktur; je nach dieser bietet sie bald die Eigen-thtimlichkeiten des elastischen oder eines Gemenges aus elastischem Muskel- und Bindegewebe dar. Die Fl\u00fcssigkeit, welche die grossen Arterien durchtr\u00e4nkt, reagirt alkalisch und enth\u00e4lt ausser den Bestandteilen der Fleischfl\u00fcssigkeit einen eiweissartigen K\u00f6rper, welcher seiner Reaktionen wegen f\u00fcr Casein angesprochen wird (S chulze, L ehmann).\n3.\tErn\u00e4hrungserscheinungen. Die ersten Anlagen der Gef\u00e4sse*) bestehen nach K\u00f6lliker und Remak aus tr\u00fcben Str\u00e4ngen, welche sich aus Zellen zusammensetzen, von denen jedesmal mindestens zwei auf dem Querschnitt eines Stranges liegen. Die auf der Aussenfl\u00e4che des Stranges gelegenen Zellen verwachsen, die gegen das Centrum liegenden werden aufgel\u00f6st. Die primitive R\u00f6hrenwand ist also immer nur aus Zellen zusammengesetzt; ihren sp\u00e4tem Platten, Fasern, Zellen sollen zellige Auflagerungen auf die \u00e4ussere Fl\u00e4che der primitiven Wand vorausgehen. Beim Auftreten aller sp\u00e4tem Gef\u00e4sse im F\u00f6tus und Gebornen und namentlich auch derjenigen, welche sich bei der Vernarbung von Wunden u. dgl. bilden, zeigt sich dagegen eine ganz andere Formfolge. Die fertigen Gef\u00e4ssr\u00f6hren werden nach Remak und J. Meyer da, wo eine Neubildung im Werke ist, verbunden durch sehr feine und solide Faden, welche von einem stumpfen Ende eines bestehenden Ge-f\u00e4sses ihren Anfang nehmen; der Faden wird breiter und zugleich erweicht sich sein Inhalt, so dass eine H\u00f6hle in ihm entsteht, welche sich in die anf\u00e4nglich noch viel weiteren Gef\u00e4ssr\u00f6hren \u00f6ffnet, und dann sich bis dahin ausweitet, dass ihr Binnenraum Blutk\u00f6rperchen aufnehmen kann. Schwann und nach ihm K\u00f6lliker u. A. beschreiben im Gegensatz zu diesen Erfahrungen an den Orten, wo neue Gef\u00e4sse auftre-ten, sternf\u00f6rmig ver\u00e4stelte Zellen; die benachbarten Aeste der Zellen erreichen sich zum Theil und verschmelzen vollkommen, so dass die H\u00f6hlungen derselben sich einander \u00f6ffnen ; andere Ausl\u00e4ufer treffen dagegen auf die Wandungen schon fertiger Capillargef\u00e4sse, mit den sie verwachsen; an diesen Verwhchsungsstellen verschwindet endlich auch die Scheidewand zwischen Zellen und Gef\u00e4ssh\u00f6hlen, so dass nun die Blutfl\u00fcssigkeit aus der letztem in die erstere eindringt und den Binnenraum derselben erweitern kann. \u2014 Die fertigen Capillaren wandeln sich nun unter gewissen Bedingungen in Gef\u00e4sse h\u00f6herer Ordnung um, indem sich ihre\n*) Schultze, Liebig\u2019s Annalen. 71. Bd. 277. \u2014 Lehmann, physiolog. Chemie. 3, Bd. p. 64.\n**) K\u00f6l liker, mikroskopische Anatomie. II. 2. Abthlg. \u2014 Remak, Untersuchungen \u00fcber Entwickelung der Wirbelthiere. Berlin 1851. 13. \u2014- Jos. Meyer, Annalen der Berliner Charit\u00e9. IY. Bd. p. 41.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nMilz.\nH\u00f6hle ausweitet und ihre Wand durch Auflagerung von elastischem und muskul\u00f6sem Gewebe verdickt. Dem Anschein nach spielt hierbei der Blutdruck selbst eine Rolle, in der Art, dass wenn derselbe zunimmt, auch die H\u00f6hle und Wandung umf\u00e4nglicher werden. Diese Meinung gr\u00fcndet, sich auf die Erfahrung, dass sich die Aeste eines Stammes erweitern, wenn dieser letztere unterbunden w\u00fcrde, eine Erscheinung, welche bei den Chirurgen unter dem Namen der Entwickelung des Colla-teralkreislaufes bekannt ist.\nDie weissartigen Bestandteile der Gef\u00e4sswand und wahrscheinlich diejenigen der Muskelzellen, setzen sich w\u00e4hrend des Lebens in andere Atome um, wie dieses aus der Untersuchung der sie durchtr\u00e4nkenden Fl\u00fcssigkeit hervorgeht. Unter welchen Bedingungen dieser Stoffwechsel steigt und f\u00e4llt, und wie umfangreich er \u00fcberhaupt ist, wissen wir nicht. Man konnte vermuten, dass er nicht unbedeutend w\u00e4re, wenn man die zahlreichen Capillaren, welche sich in der Wand der gr\u00f6ssern Arterien verbreiten, bedenkt. \u2014 Die Anwesenheit der vasa vasorum gew\u00e4hrt ausserdem noch Interesse, weil es zeigt, dass die tunica elastica derselben selbst bei dem hohen Druck, unter welchem das Blut in ihnen str\u00f6mt, die Stoffe, welche zur Muskelern\u00e4hrung notwendig sind, nicht in gen\u00fcgender Menge durchl\u00e4sst.\nDie Neubildung von Gef\u00e4ssen in Geborenen ist von Bruch, Rokitansky, Wedl*) u. A. abweichend von den gegebenen Mittheilungen dargestellt worden, wor\u00fcber die untenstehende Litteratur und die auf sehr genaue Untersuchungen gest\u00fctzten Gegenbemerkungen von J. Meyer und He nie nachzusehen sind.\nDie Milz.\n1. Anatomische Zusammensetzung**). In den Bau der Milz gehen ein die Kapsel mit ihren Forts\u00e4tzen, den sog. Balken, Blut- und Lymph-gef\u00e4sse, Nerven, die Milzbl\u00e4schen und das Mark. \u2014 Kapsel und Balken sind aus den Elementen des Bindegewebes geformt. Die Kapsel, welche die \u00fcbrigen anatomischen Bestandteile der Milz einschliesst, sendet von ihrer innern Fl\u00e4che zahlreiche Forts\u00e4tze aus, die sich vielfach ver\u00e4steln und sich untereinander verbinden, so dass im Hohlraum der Kapsel ein Netzwerk mit weitern und engern Maschen entsteht, r\u2014 Die Blutgef\u00e4sse st\u00fclpen an ihren Eintrittsstellen die Kapselwand in den Hohlraum, oder mit andern Worten, sie \u00fcberziehen sich mit einer Scheide, welche die grossen St\u00e4mme der Venen und Arterien nebst Lymphgef\u00e4ssen und Nerven umkleidet, und schliesslich, indem sie den feinen Arterienzweigen folgt, mit eingeht in das Balkenwerk der Milz. Die Arterien zerfallen nach ihrem Eintritt in den Milzraum sehr rasch, und vertheilen sich\n*) Bruch, Diagnose der b\u00f6sartigen Geschw\u00fclste. Mainz 1847. \u2014 Rokitansky, patholog. Anatomie. I. Bd. Wien 1846. p. 271. \u2014 Wedl, Zeitschrift d. Wiener Aerzte. IX. Jahrg. I. Bd. 495. \u2014 Engel, Zeitschrift d. Wiener Aerzte. IV. Jahrg. I. Bd. 1. \u2014 He nie, Jahresbericht f\u00fcr 1851. p. 41.\n**) Ecker, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. IV. Bd. 130. \u2014 K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 1855. 461. \u2014 Hlasek, de structura lienis. Dorpat. 1852.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"schliesslich pinself\u00f6rmig in Capillaren, welche auf dem Milzbalken verlaufen, insofern sie nicht in das Innere der Milzbl\u00e4schen eingehen. Der weitere Verlauf der Lumina zun\u00e4chst jenseits dieser Capillaren ist nicht vollkommen klar, weil es nemlich nicht gelingt, eine Injektionsmasse durch die Arterie in die Vene oder durch letztere in erstere zu treiben, ohne die Gelasse zu zerreissen. Man vermuthet, dass die Capillaren sich in gr\u00f6ssere, von sehr d\u00fcnnen Wandungen bekleidete S\u00e4cke ergiessen, und dass aus diesen kleine Venen entspringen, welche sich rasch zu den grossen St\u00e4mmen sammeln. Daneben ist aber auch die Meinung ausgesprochen, dass die Capillaren in die R\u00e4ume zwischen den Balken aus- und diese wieder in die Venen einm\u00fcndeten, so dass der ges\u00e4mmte zwischen den Balken freibleibende Hohlraum von den Venens\u00e4cken eingenommen w\u00fcrde. Die Wandungen der Blutgef\u00e4sse und namentlich die der feinen Venen\u00e4ste sind sehr d\u00fcnn, auf ihrer innern Fl\u00e4che mit einer Oberhaut aus Spindelzellen bekleidet und in ihrer Media mit Muskelzellen versehen. \u2014 Die grossem Lymphgef\u00e4ssst\u00e4mme folgen den Blutgef\u00e4ssen; \u00fcber ihre Anf\u00e4nge steht nur so viel fest, dass ein Theil derselben aus dem Mark und ein anderer von der Milzoberfl\u00e4che sich sammelt. \u2014 Die Nerven, welche von sehr vielen Rem ak\u2019sehen Fasern begleitet werden, folgen den Arterien, an deren feinsten Zweigen sie noch aufzufinden sind, wie und wo sie enden, ist noch aufzudecken. \u2014 Die Milzbl\u00e4schen sind kleine kugelartige Kapseln, welche vorzugsweise von Lymphk\u00f6rperchen, feinen Kernen und einer geringeren Menge von Fl\u00fcssigkeit ausgef\u00fcllt sind, zwischen denen sich ein Capiliarnetz aus Blutgef\u00e4ssen ausbreitet; dieses zieht seinen Ursprung aus einem besondern kleinen Arterien\u00e4stchen, welches die Kapsel des Bl\u00e4schens durchbohrt. Die Milzbl\u00e4schen, welche ihre Lagerungsst\u00e4tte in den Scheiden an den Aesten der Arterienpinsel haben, sollen ihren Hohlraum in den Lymphgef\u00e4ssen \u00f6ffnen. Diese Annahme, welche aus ihrem, den Lymphdr\u00fcsen analogen Bau hervorgegangen ist, w\u00fcrde, wie es scheint, bewiesen sein, wenn sich die Beobachtung von G er lach best\u00e4tigt, welcher die in ihren Arterien injizirte Leimmasse in die Lymphgef\u00e4sse \u00fcbergehen sah, wenn die ersteren in Folge des Injektionsdruckes gerissen waren. \u2014 Das Mark, welches man aus den durchschnittenen Hohlr\u00e4umen der Milz auspressen kann, stellt eine weiche r\u00f6thliche Masse dar. In seiner sparsamen Fl\u00fcssigkeit sind zahlreiche, feste und geformte Gebilde vorhanden, welche weitaus zum gr\u00f6ssten Theil aus den im Blutgef\u00e4sse und Milzbl\u00e4schen enthaltenen Zellenformen bestehen, nemlich: aus Kernen, Lymph- und Blutk\u00f6rperchen und Epithelialzellen der Gef\u00e4sswand. Dazu gesellen sich aber sehr h\u00e4ufig als besondere Gestalten gr\u00f6ssere Zellen, welche Blutk\u00f6rperchen oder Blutk\u00f6rperchen \u00e4hnliche Formen einschliessen, welche letztere sich, obwohl sie verschrumpften Blutscheiben sehr \u00e4hnlich sehen, durch ihre chemischen Reaktionen sehr weit von ihnen entfernen, Dann erscheinen Zellen","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"Milz.\n214\nmit einzelnen Pigmentk\u00f6rnchen, ferner H\u00e4utchen von zusammengeklebten gelb oder br\u00e4unlich gef\u00e4rbten K\u00f6rnchen und endlich auch H\u00e4ufchen unregelm\u00e4ssig gestalteter farbloser K\u00f6rnchen.\n2.\tChemische Zusammensetzung. \u2014 a. Die Fl\u00fcssigkeit des ven\u00f6sen Bluts der Milz unterscheidet sich nach den vorliegenden Untersuchungen von der des arteriellen Bluts nicht durch besondere nur in diesem Organ vorkommenden Merkmale; der Inhalt der ven\u00f6sen Blutscheiben kry-stallisirt dagegen vorzugsweise leicht ; die Zahl der farblosen Blutk\u00f6rperchen des Milzvenenblutes ist im Verh\u00e4ltniss zu den i;othen gr\u00f6sser, als im Arterienblut (Funcke). \u2014 In den Milzbl\u00e4schen beobachteten Virchow*) und Meckel einen Stoff, welcher nach Zusatz von Jod hell-roth oder blassblau, nach Zusatz von Schwefels\u00e4ure und Jod sch\u00f6n blau, \u00e4hnlich wie die St\u00e4rke, gef\u00e4rbt wird. Dieser Stoff widersteht der F\u00e4ul-niss viel l\u00e4ngere Zeit als die ei weissartigen K\u00f6rper und ist in Aether unl\u00f6slich (Naegli). Virchow vermuthet darum, dass er aus einer Art von Cellulose bestehe. Dieser sehr wahrscheinlichen Vermuthung gegen\u00fcber h\u00e4lt Meckel denselben f\u00fcr Cholestearin, welches sich seinen Beobachtungen gem\u00e4ss durch Jod und Schwefels\u00e4ure ebenfalls bl\u00e4uet. \u2014 Die Milzlymphe unterscheidet sich, soweit bekannt, dadurch von anderer, dass sie h\u00e4ufiger, und zwar ebensowohl w\u00e4hrend der Verdauungsperiode (Tiedemann, G m e 1 i n), als auch w\u00e4hrend des Hungers (H. Nasse) Blutk\u00f6rperchen enth\u00e4lt. \u2014 Aus der Milz l\u00e4sst sich ein Extrakt gewinnen, der nach Scherer**) Milch-, Butter-, Essig-, Ameisens\u00e4ure, Hypoxanthin, Harns\u00e4ure, einen eisenreichen eiweissartigen K\u00f6rper, kohlenstoffreiche Farbstoffe und nach Frerichs und Staedeler Leucin***) enth\u00e4lt.\n3.\tDer Blutstrom in der Milz. Die unvollkommene Kenntniss der Gef\u00e4sslumina in der Milz erlaubt es uns nicht, zur Bildung einer Vorstellung zu kommen \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse der Spannung oder Geschwindigkeit in den aufeinanderfolgenden Querschnitten. Die Spannung in den Venen und insbesondere in den Sinuosit\u00e4ten derselben muss aber nach den vorliegenden Beobachtungen wechselnd sein f), weil die Milz an-und abschwillt und zwar so rasch, dass diese Volumver\u00e4nderungen nur abgeleitet werden k\u00f6nnen von St\u00f6rungen oder Erleichterungen im Aboder Zufluss ihres Blutes. Da diese periodischen Schwellungen mit der Verdauung zusammenfallen, also zu einer Zeit, in welcher sich auch die \u00c7ppillaren der Pankreas-, Magen- und Darmschleimhaut ausdehnen, so liegt es nahe, anzunehmen, dass sie eine Folge des ver\u00e4nderten Stromlaufs in den Collateral\u00e4sten der Milzgef\u00e4sse sind. Ob dieses der\n*) Virchow, Archiv f. patholog. Anat. VI. Bd. p. 135. 268. 416. \u2014 Luschka, ibid. 271. \u2014 Donders, Nederland. Lancet. 1853. p. 278. \u2014 H. Meckel, Annalen d. Berliner Charit\u00e9. IV. p. 264.\n**) W\u00fcrzburger Verhandlungen. Bd. II. 208.\n***) Virchow, Offenes Schreiben an Sch\u00f6nlein. G\u00f6schen\u2019s deutsche Klinik. 1855,\nt) M\u00fcller\u20198 Handbuch der Physiqlogie. 4. Auflage. 488.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Milz.\n215\nFall, und wie sich hierbei der Stromlauf gestalte, ist um so weniger klar, als sich nicht angeben l\u00e4sst, ob nicht etwa zu jener Zeit die Muskeln in den Milzarterien im Zustande der Abspannung sind.\n4. Stoffbewegungen im Milzparenchym, a. Der Inhalt der Bl\u00e4schen ist unzweifelhaft in einer chemischen Bewegung von verschiedener Intensit\u00e4t begriffen; f\u00fcr das Bestehen eines Stoffwechsels b\u00fcrgt das Auftreten der ihnen vor allen andern Orten der Milz eigent\u00fcmlichen Zellenarten, und f\u00fcr eine Ver\u00e4nderlichkeit desselben stehet das abweichende Aussehen ihres Inhaltes ein. Bei Thieren findet man dieselbe nemlich bald prall und bald nur wenig gef\u00fcllt. Dieser Unterschied stellt sich nach Ecker auch dann noch heraus, wenn man die Gef\u00e4sse, welche aus dem Hilus der Milz austreten, nach dem Tode sogleich unterbunden hat. Da sich der Inhalt der Bl\u00e4schen immer rasch minderte, wenn diese Vorsichtsmaassregel unterlassen wurde, so sind die \u00e4ltern Beobachtungen, dass die Milzbl\u00e4schen nach Wassertrinken oder \u00fcberhaupt w\u00e4hrend der Verdauung mehr gef\u00fcllt seien, als w\u00e4hrend des Hungerns, mit Misstrauen zu betrachten, und zwar mit um so gr\u00f6ssern, als Ecker bei seinen Versuchen eine Anschwellung der Bl\u00e4schen zu der angegebenen Zeit nicht beobachtet ; er fand im Gegentheil bei hungernden Katzen die Bl\u00e4schen auffallend deutlich. Noch deutlicher weist auf eine Verschiedenartigkeit des chemischen Umsatzes die wechselnde Consistenz und F\u00e4rbung des Bl\u00e4scheninhaltes hin; Ecker und Giesker fanden ihn zuweilen zu einem Kl\u00fcmpchen geronnen, Spring und Ecker zuweilen r\u00f6thlich oder gelb, w\u00e4hrend er von den \u00fcbrigen Beobachtern als farblos angegeben wird. In menschlichen Leichen ist das Milzbl\u00e4schen gew\u00f6hnlich nur dann deutlich sichtbar, wenn der Tod pl\u00f6tzlich oder w\u00e4hrend der Verdauung erfolgte (v. Hessling); ihre h\u00e4ufige Abwesenheit erkl\u00e4rt sich entweder aus einer rasch eintretenden F\u00e4ulniss, oder aus der Abwesenheit eines festen oder fl\u00fcssigen Inhalts.\nb. Das Mark der Milz geht ebenfalls Umsetzungen ein, welche durch die Gegenwart der von Schere r, Frerichsu. Staedeler entdeckten chemischen K\u00f6rper, der eigenth\u00fcmlichen Zellen- und Kl\u00fcmpchenformationen, unzweifelhaft best\u00e4tigt wird. Ueber den Umfang derselben ist man ganz im Unklaren ; \u00fcber Beginn oder Ziel derselben besteht eine lebhafte Controverse, indem man entweder das Entstehen oder das Vergehen der Blutk\u00f6rperchen innerhalb des Milzmarkes behauptet. Die erste Meinung st\u00fctzen Gerl ach, Funcke u. A. auf die reichliche Gegenwart von farblosen Zellen in dem Milzvenenblut; hier ist aber zu bedenken, dass nur eine Vermehrung derselben im Verh\u00e4ltniss zu den farbigen Blutk\u00f6rperchen, keineswegs aber ihre absolute Zunahme erwiesen ist. N\u00e4chstem heben sie hervor das ausserordentliche Uebergewicht der farblosen Blutzellen und das Zur\u00fccktreten der farbigen, welches nach Virchow mit einer eigenth\u00fcmlichen Krankheit der Milz, dem Tumor derselben, Hand in Hand geht,","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nMilz. Thymus, Schilddr\u00fcse, Nebenniere.\nIn der That ist nach den Beobachtungen unseres ber\u00fchmten Pathologen das Missverh\u00e4ltnis beider Blutzellenarten so gross, dass das Blut statt der normalen rothen eine weisse Farbe annimmt. \u2014 Ecker und K\u00f6l-liker halten diesen Gr\u00fcnden entgegen die h\u00e4ufigen Extravasate von Blut, denen man in der Milz begegnet, und die Ergebnisse der Beclard\u2019-sehen Blutanalyse, wonach das Milzvenenblut weniger rothe K\u00f6rpereben enthalten soll, als das Arterienblut. Abgesehen davon, dass keine Analyse des Bluts in Wahrheit eine gesonderte Bestimmung der K\u00f6rperchen auszuf\u00fchren vermag, w\u00fcrde selbst, die Richtigkeit der Beobachtung vorausgesetzt, aus der Beclard\u2019sehen Untersuchung nur dann der abgeleitete Schluss annehmbar erscheinen, wenn sehr zahlreiche Versuche dasselbe Resultate ergeben h\u00e4tten. Denn es liegt sehr nahe, anzunehmen, dass in den Sinuosit\u00e4ten der Milzvenen sich \u00f6fter Blutk\u00f6rperchen anh\u00e4ufen, welche von einer folgenden Str\u00f6mung wieder ausgesp\u00fclt werden k\u00f6nnen; es w\u00fcrde also gar nicht auffallend sein, wenn das aus der Milz hervortretende Blut einmal \u00e4rmer und das anderemal reicher an Blutk\u00f6rperchen w\u00e4re, als das einstr\u00f6mende. Beide Parteien f\u00fchren endlich zum Beweis f\u00fcr ihre Meinung die eigenthiimlichen Formen und insbesondere die Zellen an, welche Blutk\u00f6rperchen und blutk\u00f6rper\u00e4hnliche Formen und Pigmentk\u00f6rperchen enthalten. Die Unsicherheit, welche in der Farmfolge entstehender und vergehender thierischer Elementargebilde herrscht, erlaubt dem Einen, das f\u00fcr eine zum Blutk\u00f6rperchen aufsteigende Formenreihe anzusehen, was der Andere f\u00fcr eine absteigende erkl\u00e4rt. Die gr\u00f6ssere Wahrscheinlichkeit haben allerdings Ecker und K\u00f6lliker f\u00fcr sich, weil nemlich dieselben Formen an solchen Orten beobachtet werden, an welchen unzweifelhaft eine Vernichtung von Blutk\u00f6rperchen vor sich geht, wie z. B. in den umgewandelten Bluterg\u00fcssen, welche nach einer Gef\u00e4ssverletzung in dem Bindegewebe mannigfacher Organe ^geschehen sind. W\u00e4re man aber bereit, der Annahme von K\u00f6lliker und Ecker zu folgen, so w\u00fcrde immerhin daraus noch nicht gefolgert werden k\u00f6nnen, dass die Zerst\u00f6rung der Blutk\u00f6rperchen in der Milz ein normaler Hergang sei; denn man vermisst die Blutk\u00f6rperchen f\u00fchrenden Zellen und deren Derisate bei der mikroskopischen Untersuchung sehr h\u00e4ufig. \u2014 Da nun offenbar die f\u00fcr beide Meinungen vorgebrachten That-sachen sich gar nicht ausschliessen, so ist es auch erlaubt, anzunehmen, dass unter Umst\u00e4nden eine Neubildung und unter andern eine Zerst\u00f6rung der Blutk\u00f6rperchen in der Milz Vorkommen k\u00f6nnen.\nDie Bedeutung, welche die Umsetzungen in der Milz, gleichgiltig worin sie bestehen, f\u00fcr das Leben gewinnen, ist nun aber keinenfalls eine hervorragende, da die Milz nach den Beobachtungen von Bardeleben ebne jeglichen Nachtheil, ja ohne alle merklichen Folgen f\u00fcr das Bestehen des thierischen Organismus, ausgeschnitten werden k\u00f6nne.\nDie Schilddr\u00fcse, Thymus und Nebenniere \u00fcbergehen wir, weil","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Leber.\n217\ndie physiologische Darstellung nichts zuzuf\u00fcgen weiss den Mittheilungen,' welche in den allgemein anatomischen Lehrb\u00fcchern zu finden sind,\nLeber.\nJ. Anatomische Eigenschaften*). Die v. portarum vertheilt, indem sie in die Leber eindringt, ihre Aeste in der Ordnung, dass schliesslich zwei oder vier benachbarte Endzweige, die (Ringvenen, v. rnterlobulares) in ein und derselben Ebene einander gegen\u00fcbertreten, einen kleinen Raum der Leber umgreifen und ihn von den benachbarten St\u00fccken abgrenzen. In diese Leberinseln (oder Leberl\u00e4ppchen) schicken alle zugeh\u00f6rigen Ringvenen Capillaren, die zu einem sehr engmaschigen Netze zu-sammenfliessen. In der Mitte eines solchen Raumes sammeln sich dann wieder ziemlich pl\u00f6tzlich die feinen Lumina zu einem grossem, der Mittelvene (vena centralis), welche nach der vollbrachten Verbindung mit den benachbarten als vena hepatica auf dem k\u00fcrzesten Wege gegen den Ort der vena cava zu dringen sucht, wo sie sich mit dem Zwergfell kreuzt. \u2014 Die L\u00fccken zwischen den Capillaren und Rlutgef\u00e4ssen der Leberinseln sind ausgef\u00fcllt durch grosse Kernzellen, deren Hohlraum von einer br\u00e4unlichen Fl\u00fcssigkeit strotzt. Diese Gebilde (Leberzellen) h\u00e4ngen nun unter einander zusammen und stellen in ihrer Gesammtheit somit ein Netz dar, welches denen der Rlutgef\u00e4sse entspricht. Die sorgf\u00e4ltigste mikroskopische Untersuchung dieses Netzes thut nun dar, dass die Str\u00e4nge desselben von keiner gemeinsamen Haut umschlossen werden, oder anders ausgedr\u00fcckt, dass die einzelnen Zellen frei zwischen den Rlutgef\u00e4ssen liegen (Henie). Dieser Anschauung konnte man fr\u00fcher entgegenhalten die Erfahrungen, welche durch die Ausspr\u00fctzung der Galleng\u00e4nge von E. H. Weber gewonnen sind ; nach ihnen verbreitet sich ein zusammenh\u00e4ngendes Netz von Kan\u00e4len zwischen den Blutgef\u00e4ssen, die die Leberzellen einschliessen. Durch die Untersuchungen von G er lach hat dieser Einwurf aber betr\u00e4chtlich an Gewicht verloren; denn er zeigte, dass die eingespr\u00fctzten Massen sich Wege zwischen den Leberzellen bahnen. \u2014 Unzweifelhaft dringen aber gegen den Umfang der Zellennetze, ganz analog den Milzvenen, feine Galleng\u00e4nge an, deren Wand nach aussen von einer strukturlosen Haut, nach innen von einer einfachen Lage Zellen, die kleiner und durchsichtiger als die Leberzellen sind, gebildet ist (He nie, Kolli k\u00f6r). Man ist darum jedenfalls geneigt, die Netze der Leberzellen mindestens als virtuelle Fortsetzungen der Galleng\u00e4nge anzusehen. Die kleinen Galleng\u00e4nge vereinigen sich, indem sie immer neben den Pfortader\u00e4sten laufen, zu gr\u00f6ssern; in die Wandung der letztem lagert sich zu den vorhergehenden Bestandtheilen ein streifiges Bindegewebe, elastische Fasern, einzelne muskul\u00f6se Faserzellen, und endlich\n*) K\u00f6lliker, Mikroskop. Anatomie. II. b. \u2014 E. H. Weber, Zus\u00e4tze zu seinen Untersuchungen. Leipziger Berichte; mathemat.-physische Klasse. 1849. p. 151. \u2014 Derselbe, ibid, 1850. p. 15, \u2014 G er lach, Handbuch der Gewebelehre. Mainz 1849,","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nLeber; chemische Bestandteile.\nist die innere Fl\u00e4che statt des fr\u00fchem mit einem deutlichen Cylinder-epithelium \u00fcberzogen, ln gleicher Weise ist auch die Wand der Gallenblase gebaut, mit dem Unterschied jedoch, dass die Muskelmassen eine vollkommene Haut um die Gallenblase bilden. In den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen des gallenerzeugenden Apparats, die Gallenblase mit eingerechnet, m\u00fcnden auch zahlreiche traubige Schleimdr\u00fcschen, welche in den Wandungen der Galleng\u00e4nge liegen.\nDie H\u00e4ute der grossen Blutgef\u00e4sse, der Galleng\u00e4nge, die Bl\u00e4schen der Schleimdr\u00fcsen und der ser\u00f6se Ueberzug der Leber empfangen ihr Blut aus einem besondern Gef\u00e4ssstamm, der art. hepatica; die Capillar-netze derselben senden ihren Inhalt in allen F\u00e4llen wieder in die vena portarum, und zwar entweder mittelst kleiner Venen, die in die kleinen Aeste der Pfortader gehen (Th eile), oder es h\u00e4ngen unmittelbar die Capillarensysteme beider Gef\u00e4sse zusammen (E. H. Weber).\nAus der Leber, und zwar an der Oberfl\u00e4che, als aus der Porta, treten zahlreiche Lymphgef\u00e4sse hervor.\nIn die Leber gelangen aus der plex. coeliac. Nervenzweige, deren letzter Ursprung ebenso wie ihr Ende unbekannt ist.\n2. Chemischer Bau der Leber. Das Ger\u00fcst der Leber, insbesondere die H\u00e4ute der Blut- und Gallengef\u00e4sse, besteht aus den gew\u00f6hnlichen Stoffen,dieser Formelemente. Die Fl\u00fcssigkeit, welche aus der zerquetzsch-ten Leber erhalten wird, ist ein Gemenge des Inhaltes der Blutgef\u00e4sse, der Leberzellen, Lymphgef\u00e4sse und Schleimdr\u00fcsen. Ausser den zu erwartenden Blutbestandtheilen enth\u00e4lt nun diese Fl\u00fcssigkeit als besondere: a) Traubenzucker*). Der Gehalt der Leber an diesem Stoff schwankt nach den vorliegenden Beobachtungen an den Leichen Hingerichteter von 1,10 bis 2,14 pCt. des frischen Lebergewichts; er steht in inniger Beziehung zu der Art und Zeit der Nahrung und zu dem Erregungszustand des n. vagus. \u2014 Fleisch, Leim, Zucker oder Mehl im Gemenge oder auch jedes einzeln genommen, mehren den Zucker der Leber, Wasser oder Oel sind dieses nicht zu thun im Stande, Nahrungsentziehung mindert ihn. Das Maass, in welchem der Zuckergehalt steigt mit Fleisch-, Leim- und Zuckergenuss, ist noch zu ermitteln; gewiss ist nur, dass keineswegs der Zuckergehalt der Leber wie der der Nahrungsmittel w\u00e4chst, und dass er bei ausschliesslicher Fleischnahrung mindestens eben so bedeutend ist, als bei ausschliesslichem Genuss von Zucker und Mehl. \u2014 Die zeitliche Beziehung zwischen der F\u00fctterung und der Ver\u00e4nderung des Zuckergehaltes in der Leber stellt sich so, dass die letztere 4\u20145 Stunden nach dem Genuss von Fleisch, Leim, Mehl oder Zucker sich mehrt, dann einige Stunden \u00fcber dem Werth vor der Mahlzeit bleibt und sich endlich wiederauf diesen herabsenkt; nach voll-\n#) \u00c71. Bernard, Neue Funktion der Leber. W\u00fcrzburg 1853*","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; chemische Bestandteile.\n219\nkommener Nahrungsentziehung, auch wenn man die Thiere bei Fett und Wasser verhungern l\u00e4sst, nimmt der Zuckergehalt allm\u00e4hlig ab, so dass noch 10 bis 14 Tage nach Verfluss der letzten Mahlzeit die Leber zuckerhaltig gefunden wird. Gew\u00f6hnlich verschwindet derselbe erst einige Stunden vor dem Tod. \u2014 Daraus geht hervor, dass die Leber des gesunden Menschen und sogar die des F\u00f6tus immer Zucker enth\u00e4lt. \u2014 Durchschneidet man bei einem Thier die n. vagi, so schwindet schon nach 24 Stunden aller Zucker aus der Leber; erregt man das Central- (mit dem Hirn zusammenh\u00e4ngende) Ende des durchschnittenen Nerven, so wird der Zucker in solcher Menge gebildet, dass er selbst in den Harn \u00fcbergeht. \u2014 Welchem Ort der Leber der Zucker angeh\u00f6rt, ist nicht mit Sicherheit anzugeben; da das Pfortaderblut zuckerfrei ist, so muss er in der Leber und, wie man vermuthet, in den Leberzellen gebildet sein. \u2014 Alles, was wir von diesen bemerkenswert})en Erscheinungen kennen, verdanken wir einem gl\u00fccklichen Griff und den ausdauernden Bem\u00fchungen von Cl. Bernard. \u2014 b) G a lien s \u00e4 uren*). Sie finden sich jeder Zeit in der Leberfl\u00fcssigkeit; da sie nun im Pfortader- und Lebervenenblut der S\u00e4ugethiere fehlen (Lehmann) und bei Fr\u00f6schen dort selbst dann nicht beobachtet werden, wenn sie noch 21 Tage nach Ausschneidung ihrer Leber gelebt haben (Moleschott), so sind sie unzweifelhaft als eine chemische Neubildung der Leber anzusehen. Die mikrochemische Reaktion hat sie auch schon l\u00e4ngst als einen Bestandtheil des Leberzelleninhalts nachgewiesen. \u2014 c) Die Fette und d) Gallenfarbstoffe der Leberfl\u00fcssigkeit leitet der Mikrochemiker aus den Leberzellen ab. \u2014 e) Milchs\u00e4ure soll nach Bibra ein Bestandtheil der Leberfl\u00fcssigkeit sein. \u2014 f) und g) Leucin und Tyrosin, die bekannten Umsetzungsprodukte eiweissartiger K\u00f6rper, kommen in der Leber und insbesondere typh\u00f6ser Individuen vor. Diese interessante Entdeckung verdanken wir Fre-r i c h s u. S t \u00e4 d e 1 e r **). \u2014 h) Bernard fand nach reichlichem Genuss von\nZucker einen eigenth\u00fcmlichen nicht n\u00e4her bezeichneten Stoff in der Leber.\nQuantitative Analysen der ganzen Leber siehe bei Bibra***)\u00ab\n3. Zusammensetzung des Leberbluts. Mit Hinweisung auf p. 23 dieses Bandes heben wir hier nur das Eigenth\u00fcmliche unserer Blutarten hervor. -\u2014 Das Pfortaderblut ist bis dahin in seiner qualitativen Zusammensetzung wenig, abweichend von dem der andern Venen gefunden worden. Dieses gilt selbst f\u00fcr das Blut, welches zur Zeit der Verdauung in den ausgedehnten Wurzeln der Pfortader vom Darminhalt umsp\u00fclt worden ist. Nur einmal fand Bernard bei einem Pferd, das reichlich mit Rohrzucker gef\u00fcttert war, diesen Stoff in dem Pfortaderblute. Wenn man diese Erfahrungen nicht auf die Mangelhaftigkeit der analytischen Hilfsmittel\n*) Moleschott, Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. XI. Bd. 479. \u2014 He nie, Allgemeine Anatomie. 1841. 903.\n**) M \u00fc 11 e r \u2019 s Archiv. 1854.\n'*) Chemische Fragmente \u00fcber Leber und Galle. Braunschweig 1849,","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nLeber; Blut derselben.\nschieben will, so bleibt nur die Annahme \u00fcbrig, dass, ganz g\u00fcnstige F\u00e4lle ausgenommen, die Menge von Fl\u00fcssigkeit, welche durch den Diffusions-strom in die Gef\u00e4ssr\u00f6hren gef\u00f6rdert wird, verschwindet gegen die, welche der Blutstrom selbst in sie f\u00fchrt. Mit dieser letzten Annahme stimmt auch die quantitative Zusammensetzung des Serums, welches 5 und 10 Stunden nach der F\u00fctterung analysirt, gleiche Zusammensetzung bot (Lehmann). Auffallender Weise gab dagegen diesem letztem Beobachter das gesammte Pfortaderblut der Pferde 10 Stunden nach der F\u00fctterung 0,4 pCt. Extrakte und die ungeheure Quantit\u00e4t von 9,6 pCt. Wasser mehr als 5 Stunden nach derselben. Diese Abweichung, weiche bei gleicher Zusammensetzung des Serums nur bedingt sein konnte durch eine Ver\u00e4nderung in der Menge oder in der Zusammensetzung der Blutk\u00f6rperchen, verdient best\u00e4tigt zu werden. \u2014 Im Blut der Lebervenen (Pferd) fand Lehmann die gef\u00e4rbten K\u00f6rperchen kleiner, kugeliger und durch Wasser weniger leicht zum Platzen zu bringen; im Verh\u00e4ltniss zu den ungef\u00e4rbten ist ihre Zahl geringer als in andern Blutarten, Milzblut ausgenommen. Daraus schliesst man auf eine Neubildung von farblosen Zellen in dem Leberbiute, und, um dieses wahrscheinlich zu machen, setzt man mit diesen Thatsachen in Verbindung die allerdings bemerkens-werthen Beobachtungen von E. H. Web er*) und K\u00f6lliker an Embryonen und aus dem Winterschlaf erwachten Fr\u00f6schen, welche deutlicher aul ein zu dieser Zeit stattfindendes Entstehen von Blutk\u00f6rperchen in der Leber hinweisen. Auch aus einer Versuchsreihe von Moles chott k\u00f6nnte auf eine besondere Beziehung zwischen Leber und Blutk\u00f6rperchen geschlossen werden ; er fand nemlich, dass Fr\u00f6sche, die noch l\u00e4ngere Zeit am Leben erhalten, nachdem sie ihrer Leber beraubt waren, im Verh\u00e4ltniss zu den farblosen viel weniger farbige Blutk\u00f6rper besassen als gesunde Thiere oder auch als solche, welche nach verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig starken Blutverlusten lange Zeit hungernd zugebracht hatten. Da uns aber nichts bekannt ist \u00fcber die absolute Zahl der Blutk\u00f6rperchen vor und nach der Leberausschneidung, so kann man aus der vorliegenden Beobachtung entweder auf eine Zunahme der farblosen, oder auf eine Hinderung des Uebergangs farbloser in farbige, oder auf eine Beschleunigung des Untergangs der gef\u00e4rbten Zellen schliessen. Ob aber einer dieser Herg\u00e4nge in direkter Beziehung zum Verlust der Leber steht, d\u00fcrfte schwer anzugeben sein. \u2014 Dem Plasma des Lebervenenbluts fehlt beim Pferd der Faserstoff (Lehmann), dem des Hundes kommt er dagegen zu (CI. Bernard). Unter allen Umst\u00e4nden f\u00fchrt das Lebervenenserum Traubenzucker, und zwar in demselben Maasse, in welchem er in dem Lebergewebe selbst beobachtet wird (Cl. Bernard). Eine von Lehmann angestellte Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung des zu ver-\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. IV. Bd. p, 112 und 160, \u2014 Leipziger Berichte, Mathematisch-physische Classe. 1650. p, 15.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; Blutstrom io derselben.\n221\nschiedenen Zeiten aufgefangenen Bluts ergab auch hier, dass 5 Stunden nach der F\u00fctterung sein Wassergehalt bedeutend geringer war, als 10 Stunden nach derselben.\nWurde das Gesammblut der Pfort- und Leberader desselben Thiers verglichen, so ergab das erstere 7,3 bis 8,8 pCt. Wasser mehr, als das letztere, das Serum beider Blutarten war aber nicht in demselben Grade verschieden, indem das der Pfortader nur 1,9 bis 2,9 pCt. Wasser mehr enthielt, als das der Leberader. Demnach haben sich die K\u00f6rperchen entweder vermehrt, oder sie haben relativ mehr Wasser verloren. Um diese ganz ungeheuren Unterschiede zu erkl\u00e4ren, muss man voraussetzen entweder es sei durch die Leberarterie eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig bedeutende Menge eines dichten und namentlich an K\u00f6rperchen reichen Bluts in die Leber gef\u00fchrt worden, als durch die Pfortader; diese Vermuthung ist nicht zu halten und auch nicht zu widerlegen, weil eine Zerlegung des Arterienbluts der betreffenden Thiere nicht vorliegt. Oder man musste annehmen, dass eine ausserordentliche Menge sehr wasserhaltiger Lymphe abgesondert worden sei, die namentlich ihr Wasser aus den Blutk\u00f6rperchen bezogen habe. Denn im Verh\u00e4ltniss zu der unzweifelhaft sehr grossen Menge von Blut, welche den Tag \u00fcber durch die vena portarum und die art. hepatica in die Leber einstr\u00f6mt, ist die ann\u00e4hernd bekannte t\u00e4gliche Gallenabsonderung viel zu gering, um den Unterschied des Wassergehalts im Blute dies- und jenseits der Lebercapillaren begreiflich zu machen. Man kann eine Wiederholung der Versuche, bei denen namentlich alle Sorgfalt auf das Auffangen des Bluts verwendet wird, nur dringend w\u00fcnschen. Das Blut der Pfortader ist reicher an Fetten, als das der Lebervene.\nUeber die Zusammensetzung des Bluts der Leberarterie und insbesondere \u00fcber seine Ver\u00e4nderungen beim Durchgang durch die Leber ist nichts bekannt. Wahrscheinlich d\u00fcrfte es sein, dass es bei der innigen Ber\u00fchrung, die es in den ersten Capillarnetzen mit der Galle und dem Pfortaderblut erf\u00e4hrt, mit diesen seine Bestandtheile austauscht.\n4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms in den Blutgef\u00e4ssen der Leber wird f\u00fcr gew\u00f6hnlich von der Porta zu der Lebervene gehen; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen in den Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit der Darm-gef\u00e4sse auch das Umgekehrte m\u00f6glich. \u2014 Die Geschwindigkeit des Stroms in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher Widerst\u00e4nde in und jenseits der Leber ver\u00e4nderlich sein ; denn einmal sind die Durchmesser der Blutgef\u00e4sscapillaren in den Wendungen der Unterleibsdr\u00fcsen ver\u00e4nderlich, wie die in diesen Organen vor sich gehende Saftbildung, die insbesondere zunimmt zur Zeit der Verdauung; da nun in den weiteren R\u00f6hren die Reibung relativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist, als in den engeren, so muss w\u00e4hrend der Verdauungsperiode das Blut mit gr\u00f6sserer Kraft in die Pfortader einstr\u00f6men, als in anderen Zeiten","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLeber; Blutstrom in derselben.\nDann wird aber auch bei jeder Inspiration die schlaffe Masse des Bauchinhaltes zusammengedr\u00fcckt, entsprechend der Kraft, mit welcher das Zwergfell sich zusammenzieht, und dieser Druck muss nothwendig das Blut in der Pfortader beschleunigen', das durch die steife Leber seinen ungehemmten Ausweg findet. \u2014 Aber auch bei gleicher Triebkraft muss die Geschwindigkeit ver\u00e4nderlich sein, weil die Widerst\u00e4nde namentlich jenseits der Leber in der Brusth\u00f6hle gar nicht unbetr\u00e4chtlich variabel sind. Bei jeder Inspiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er sich bekanntlich. So deuten also alle Umst\u00e4nde darauf hin, dass in der Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Einathmung rascher ist. \u2014 Aehnliches gilt auch f\u00fcr den Strom in der Leberarterie. \u2014 Ueber das Verh\u00e4ltnis der Geschwindigkeiten in den beiden Gef\u00e4ssen pflegt man sich gew\u00f6hnlich dahin auszudr\u00fccken, dass die Str\u00f6mung in der Leberarterie viel rascher als in der Pfortader sei, weil die lebendige Kraft des frisch aus dem Herzen dringenden Arterienbluts weit bedeutender sei, als die des Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zur\u00fcckkehrt, w\u00e4hrend die Hemmungen, welche beiden in der Leber bevorstehen, vollkommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch das Blut der a. hepatica durch zwei Capillarennetze, die beide in der Leber liegen, wandern muss ; von denen das erstere so angeordnet ist, dass es den Strom der Leberarterie wahrscheinlich mehr hemmt, als dasjenige, welches der Pfortader vorausgeht. Das Bett der Darmarterien erweitert sich nemlich dem Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem der Darm- und Dr\u00fcsenw\u00e4nde viel betr\u00e4chtlicher, als das der Leberarterie bei ihrer Vertheilung in vasa vasorum; unter dieser Voraussetzung w\u00fcrde aber nach bekannten hydraulischen Grunds\u00e4tzen unsere obige Behauptung eintreffen. So viel ist jedoch klar, dass die Sache sich gegenw\u00e4rtig nicht entscheiden l\u00e4sst.\nDie absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt; man vermuthet, dass der Strom in der vena porta sehr langsam sein m\u00f6chte. Daf\u00fcr spricht aber nicht einmal die Theorie; denn gesetzt, es bes\u00e4sse das Pfortaderblut nur schwache lebendige Kr\u00e4fte, so w\u00fcrden sie doch hinreichen, um bei geringen Widerst\u00e4nden in der Leber immer noch Geschwindigkeit zu erzeugen, die, verglichen mit der des Kreislaufes \u00fcberhaupt, betr\u00e4chtlich genannt werden k\u00f6nnte. Nun spricht die enorme Zahl der Lebercapillaren und demnach der langsame Strom in ihnen sehr daf\u00fcr, dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erf\u00e4hrt, und die Einf\u00fcgung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer so g\u00fcnstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die m\u00f6glichst geringe Hemmung entgegen steht. Mit dieser Anschauung stimmt die Erfahrung von Volk mann, welcher den Centralstrom in den Mesente-rialcapillaren eines Hundes noch einmal so geschwind fand, als in den feinsten Gef\u00e4ssen der Froschschwimmhaut.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Leber ; Galle.\n223\nIn den Capillaren der Leberinseln wird der Strom jedenfalls langsam sein, aus schon angef\u00fchrten Gr\u00fcnden, aber trotzdem wird dennoch durch die Gesammtsumme derselben sehr viel Blut gehen, da die R\u00e4umlichkeit eines Durchschnittes durch ihr Gesammtlumen den gr\u00f6ssten Querschnitt der Leber um vieles \u00fcbertreffen muss; denn von der Fl\u00e4che eines jeden Partialschnitts derselben geh\u00f6rt den Gef\u00e4ss\u00f6ffnungen mindestens ein Dritttheil zu; und wie oft kann sich bei dem geringen Durchmesser und dem kurzen L\u00e4ngsverlauf der Capillaren dieser Antheil in der dicken Leber wiederholen.\nDie Spannung des Blutstroms muss dem Vorstehenden gem\u00e4ss ebenfalls variiren; unter Umst\u00e4nden steigert sich dieselbe in den Lebercapilla-ren so betr\u00e4chtlich, dass eine sehr merkliche Ausdehnung der Leber erzeugt wird (Anschoppungen der Leber). Leber ihren absoluten Werth ist nichts bekannt.\n5. Galle im engern Wortsinn. Die Fl\u00fcssigkeit in den gr\u00f6ssern Leberg\u00e4ngen und der Gallenblase ist ein Gemisch des Absonderungsproduktes der Leberzellen und der Schleimdr\u00fcsen. Aus diesem Gemenge lassen sich zum Theil nur vermuthungsweise die Bestandtheile ausschei-den, welche aus dem Inhalt der Leberzellen ausgetreten sind. Wir z\u00e4hlen zu ihnen: taurocholsaures (und glycocholsaures) Natron, Cholestea-rin, Olein, Margarin, Biliphain und Biliverdin, Chlornatrium, kohlensaure und phosphorsaure Kalk- und Talkerde, Eisenoxyd, zuweilen Kupferoxyd, Wasser. \u2014 Dieses L\u00f6sungsgemenge reagirt, vorausgesetzt, dass ihm kein Schleim beigemengt ist, neutral.\nNach Gorup*) fehlt der Menschengalle die Glycochols\u00e4ure ; ihre Anwesenheit erschliesst er aus dem Mangel von Glycin unter den Zersetzungsprodukten der Galle; Strecker**) zeigte schon fr\u00fcher dasselbe Verhalten f\u00fcr die Hundegalle. \u2014 Galle, welche unmittelbar aus den Leberg\u00e4ngen oder nach nur kurzer Anwesenheit in der Blase aufgefangen wird, enth\u00e4lt nur Gallenbraun, aber kein Gallengr\u00fcn. Der letztere Farbstoff geht also erst w\u00e4hrend des Aufenthalts der Galle in der Blase aus dem erstem hervor, eine Umwandlung, welche nach den Untersuchungen von Heintz***) auf einer Oxydation beruht, indem 1 Atom Gallenbraun (C32H18N209) unter Aufnahme von 1 Atom Sauerstoff in 2 Atome Gallengr\u00fcn (C16H9N03) zerf\u00e4llt.\na. Die Zusammensetzung der Gallef) ist ver\u00e4nderlich: 1) mit der Nahrung. Ein reichlicher Zusatz von Wasser zu einer hinreichenden Brot- oder Fleischkost, und ebenso Entziehung der Nahrung mindert den Prozentgehalt der festen Bestandtheile (Bidder, Schmidt, H. Nasse). \u2014 2) Die Galle verliert durch einen l\u00e4ngern Aufenthalt in der Blase Wasser und zwar in einem solchen Grade, dass die Blasengalle in 100 Theilen meist doppelt so viel festen R\u00fcckstandes enth\u00e4lt,\n*) Prager Vierteljahrsschrift. 1851. III. Bd. 86.\n**) Liebig\u2019s Annalen. 70. Bd. 149.\n***) Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. p. 791.\nI) Bidder und Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte. Leipzig 1852. p. 125 und 212, \u2014 H. Nasse, Commentatio de bilis quotitie a cane s\u00e9cr\u00e9ta etc. Marb, 1851.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nLeber; Galle,\nals die aus den Leberg\u00e4ngen gefangene. \u2014 \u25a0 In der Blase \u00e4ndert sieh die braune Farbe der Galle in die gr\u00fcne (Bidder, Schmidt). Auch soll sich in ihr die Gallens\u00e4ure in harzige Produkte umsetzen (Mulder). \u2014 3) Der Wassergehalt der Galle, welche bei Nacht abgesondert wird, ist etwas niedriger, als der am Tage gelieferte (H. Nasse). \u2014 4) Die Schwankungen, welche die Prozente des festen B\u00fcckstandes betreffen, r\u00fchren vorzugsweise von einer Ver\u00e4nderlichkeit der organischen Bestandtheile her, w\u00e4hrend der Prozentgehalt an Salzen sich ann\u00e4hernd gleich bleibt (H. Nasse). \u2014 5) Der Gehalt der Galle an festen Bestandteilen steht in keiner notwendigen Beziehung zu der Geschwindigkeit der Absonderung, so dass z. B. der erstere in dem Grade abnimmt, in welchem der letztere zunimmt.\nDie Schwankungen des Prozentgehalts der Galle an festen Bestandteilen wechseln nach Bidder und Schmidt bei S\u00e4ugetieren zwischen 1,2 bis 11,0 pCt.\nUeber die quantitative Zusammensetzung der schleimhaltigen Menschengallen besitzen wir Untersuchungen von Frerichs*) u. Gorup**). Das Beobachtungsmaterial bezog Gor up aus den Leichen zweier Hingerichteten.\nFrerichs.\tGorup.\nWasser\t\t. 85,92\t\u2014 89,81 -\t- 82,27\nGallensaures Natron .\t. 9,14\t\u2014 5,65 -\t- 10,79\nCholestearin\t\t Margarin und Olein .\t.\t0,26 j . 0,92!\t!\t- 3,09 -\t- 4,73\nSchleim- und Farbstoff\t. 2,98\t\u2014 1,45 -\t- 2,21\nNa CI\t\t.\t0,20 \u00ef\t\t\n3NaOPO\u00e4\t\t. 0,25\t\t\n3CaO) F\u00dc5\t\t. 0,28\t,0,77\u2014 0,63 -\t- 1,08\nCa0S03\t\t. 0,04\t\t\n^e2 ^3\t\tSpurenj\t\t\nDiese Zahlen deuten zwar auf kein festes Verh\u00e4ltniss zwischen den einzelnen Stoffen der festen Bestandtheile hin, doch scheinen die Salze ungef\u00e4hr wie die Gallens\u00e4uren zuzunehmen. Die analytische Methode der Galle, welche von Frerichs herr\u00fchrt, siehe bei Heintz***).\nb. Geschwindigkeit der Gallenabsonderung. Wir verstehen hierunter den Quotienten aus dem Lebergewicht in die Gallenmenge, welche w\u00e4hrend einer beliebigen (aber jedesmal festgesetzten) Zeiteinheit aufgefangen wurde; dieser Ausdruck ist also auch gleichbedeutend mit der Gallenbildung in der Einheit des Lebergewichts. Wenn man nach einem Mittel\n*) Scherer\u2019s Jahresbericht f\u00fcr physiologische Chemie f\u00fcr 1845. p. 145.\n**) 1. c.\n***) 1. c. p. 939.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; Galle.\n225\nsucht, um die an verschiedenen Thieren gewonnenen Beobachtungen vergleichbar zu machen, so verdient der soeben aufgestellte allgemeine Maassstab jedenfalls den Vorzug vor dem gebr\u00e4uchlichen Quotienten der Gallenmenge in das K\u00f6rpergewicht. Denn es bildet sich nicht, wie es z. B. mit der Kohlens\u00e4ure der Fall, an allen Orten des Organismus Galle, sondern nur in der Leber. Darum d\u00fcrfte statt des Gewichts der Leber nur dann das des Gesammtk\u00f6rpers substituirt werden, wenn ein bestimmtes Verh\u00e4ltniss zwischen diesen beiden letzten Gewichten nachgewiesen w\u00e4re; bekanntlich ist dieses, wie zu erwarten, nicht der Fall*). \u2014 Da nun aber gerade in den gr\u00fcndlichsten und ausf\u00fchrlichsten Beobachtungen der Gallenmenge, welche Bidder und Schmidt angestellt haben, das Lebergewicht fehlt, und selbst da, wo es bestimmt wurde, nach ihrer eigenen Aussage dieses nicht mit allen Lautelen geschah, so ist man f\u00fcr die meisten F\u00e4lle beschr\u00e4nkt auf den Vergleich zwischen den verschiedenen Absonderungsmengen eines und desselben Thieres.\nAus den Mittheilungen \u00fcber die ver\u00e4nderliche Zusammensetzung der Galle geht schon hervor, dass die Geschwindigkeit, mit welcher die einzelnen Gallenbestandtheile abgesondert werden, mindestens innerhalb gewisser Grenzen von einander unabh\u00e4ngig ist, so dass namentlich w\u00e4hrend ein und derselben Zeit die Absonderung der festen Stoffe vermehrt sein kann, w\u00e4hrend die des Wassers vermindert ist. Wir m\u00fcssen darum beide gesondert vornehmen; 1) Das Gewicht an festen Gallenbestand-theilen, welches in der Zeiteinheit aus der Gewichtseinheit der Leber entleert wird, ist abh\u00e4ngig von der Zeit, dem Gewicht und der Art der aufgenommenen Nahrung. \u2014 Mit R\u00fccksicht auf das zeitliche Abh\u00e4ngig-keitsverh\u00e4ltniss zwischen Nahrungsaufnahme und der Absonderung von festen Gallenstoffen ist festgestellt, dass die letztere nach einer g\u00e4nzlichen Entziehung von Nahrung bedeutend abnimmt, ohne dass sie jedoch vollkommen zum Stillstand gebracht werden k\u00f6nnte, indem selbst bei Katzen, welche 10 Tage gefastet hatten, noch merkliche Mengen von Gallenstoffen ausgeschieden wurden (Schmidt). Diese bedingte Unabh\u00e4ngigkeit von der durch den Mund aufgenommenen Nahrung wird auch bewiesen durch die Gallenabsonderung im normalen Leben. Der Einfluss der genossenen Nahrung macht sich dagegen in der Weise geltend, dass einige Zeit nach derselben die Absonderung der festen Gallenstoffe steigt und nach Verfluss von einer (Arnold)**) bis zu 14 Stunden (Bidder und Schmidt) ihr Maximum erreicht und von da zuerst rascher und dann langsamer absinkt. Diese Unbestimmtheit f\u00fcr die Zeit des eintretenden Maximums ist wahrscheinlicher Weise bedingt durch die Verdaulichkeit der Speisen und die Energie der Verdauungsorgane. \u2014 Der Werth deL beobachteten Maximums steigt mit der Menge der genossenen Nah-\n*) Bidder und Schmidt, 1. c. p. 152.\n**) Zur Physiologie der Galle. Mannheim 1854.\nLudwig, Physiologie, II,\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nLeber; Galle.\n.rungsmittel, woraus diese auch bestehen m\u00f6gen, vorausgesetzt nur, dass sie bef\u00e4higt sind, das Leben zu unterhalten (H. Nasse). \u2014 Von einem sehr eingreifenden Einfluss erweist sich endlich die Art der Nahrung. Ganz unwirksam auf die Steigerung der Abscheidung ist der ausschliessliche Genuss von Fetten (Bidder und Schmidt), so dass sich hierbei die Gallenabsonderung verh\u00e4lt, wie bei g\u00e4nzlichem Nahrungsmangel ; eine rein vegetabilische Nahrung (Brod und Kartoffeln)'steigert die Absonderung weniger, als eine reine Fleischkost (Schmidt, Bidder, H. N a s s e, Arnold), mageres Fleisch weniger als fetthaltiges, und ein Zusatz von Leber zur Nahrung scheint noch eingreifender als der von Fetten zu wirken (Bidder und Schmidt). Zusatz von kohlensaurem Natron (H. Nasse) oder Quecksilberchlor\u00fcr (H. Nasse, K\u00f6lliker und H. M\u00fcller)*) zur Nahrung mindern den g\u00fcnstigen Einfluss anderer Speisen. \u2014 Beim Uebergang von einer zur andern Kost tritt die entsprechende Wirkung derselben nicht sogleich, sondern erst einen Tag nach dem Nahrungswechsel hervor. \u2014 2) Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers ist abh\u00e4ngig von dem Genuss desselben; der Zeitraum, welcher verfliesst zwischen dem Eindringen des Wassers in den Magen und dem Erscheinen in dem Lebergang ist sehr wechselnd befunden worden. Ein Zusatz von anderthalbfach kohlensaurem Natron zum Wasser vermindert die Ausscheidung dieses letztem durch die Galle (H. Nasse).\nHiermit ist die Aufz\u00e4hlung der Bedingungen f\u00fcr die Geschwindigkeit des Absonderungsstroms der Leber zwar noch nicht beendet, aber sie kann nur durch die unbefriedigenden Worte weiter fortgesetzt werden, dass entweder die Individualit\u00e4t des Gesammtorganismus oder die der Leber ihn bestimmen helfe. Dass das erste noth wendig, ergiebt sich schon aus einer Ueberlegung der mitgethe\u00fcten Thatsachen; denn die Nahrung wird, theilweise wenigstens, dadurch von Bedeutung f\u00fcr die Gallenabsonderung werden, dass sie zun\u00e4chst die Blutzusammensetzung \u00e4ndert. Diese ist aber nicht blos eine Funktion der Nahrung, sondern sie ist auch abh\u00e4ngig von den Zus\u00e4tzen und den Verlusten, die dem Gef\u00e4ssinhalt in den verschiedenartigen Organen des K\u00f6rpers zugef\u00fcgt werden. Insofern nun nicht in jedem Thier die Massen und Kr\u00e4fte der verschiedenen Organe in demselben Verh\u00e4ltniss zu einander stehen, muss auch das Resultat aus ihren Wirkungen verschieden ausfallen; d. h. trotz gleicher Nahrung wird die Zusammensetzung des Bluts und damit auch die Gallenabsonderung in verschiedenen Thieren abweichen. Aus einer \u00e4hnlichen Betrachtung k\u00f6nnte nun aber auch die Individualit\u00e4t des Lebergewebes abgeleitet werden, und da unter dessen Einfluss die Gallenahsonderung vor sich geht, so muss sich die Geschwindigkeit derselben auch mit den Besonderheiten der Leber ver\u00e4ndern.\n*) W\u00fcrzburger Verhandlungen. V. Bd. 231.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; Galle.\n2 27\nUm die Gallenmenge zu erfahren, weiche in der Zeiteinheit abgesondert wird, legt man nach dem Vorgang von Schwann meist permanente Fisteln der Gallenblase an, nachdem man den gemeinschaftlichen GalleDgang unterbunden hat. Die Beobachtung beginnt man erst dann, wenn die Wunde vollkommen vernarbt und die in Folge des operativen Eingriffs eingetretene Bauchfellentz\u00fcndung gehoben ist. Bei Anwendung dieses allerdings unsch\u00e4tzbaren Verfahrens hat man zu ber\u00fccksichtigen : 1) Der Abschluss der Galle von dem Darmrohr ver\u00e4ndert die Verdauung insofern, als sie die Aufnahme der genossenen Fette in das Blut hindert oder mindestens erschwert; zugleich aber wird die Galle, welche unter normalen Verh\u00e4ltnissen in den Darmkanal ergossen und von dort wieder in das Blut zur\u00fcckgef\u00fchrt worden w\u00e4re, jetzt aus dem Kreislauf des Lebens entfernt. Aus beiden Gr\u00fcnden magern die Thiere, vorausgesetzt, dass man ihnen das Maass der im gew\u00f6hnlichen Leben hinreichenden Kost giebt, so betr\u00e4chtlich ab, dass sie in Folge davon zu Grunde gehen. Man muss also, um diesen Ausfall zu decken, das Gewicht ihrer Nahrung steigern; aber eine einfache Deckung desselben scheint nach den Beobachtungen von Arnold nicht zu gen\u00fcgen, sondern es muss ein sehr betr\u00e4chtlicher Uebersehuss gegeben werden. Wenn sich diese interessante Entdeckung best\u00e4tigt, so kann sie nur durch die Annahme erkl\u00e4rt werden, dass bei der Anwesenheit der Gallenbestandtheile im Blut der Stoffumsatz im tbierischen K\u00f6rper langsamer als bei ihrer Abwesenheit vor sich geht. Daraus resultirt aber, dass die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Gallenabsonderung nicht die normalen sein k\u00f6nnen. Arnold ist geneigt anzunehmen, dass sie wegen der reichlichen F\u00fctterung gesteigert sein m\u00f6chte. \u2014 2) Die Zust\u00e4nde der Leber oder des K\u00f6rpers \u00fcberhaupt scheinen sich w\u00e4hrend des Bestehens der Fistel allm\u00e4hlig dahin zu \u00e4ndern , dass aus denselben eine Verminderung der Gallenabsonderung resultirt; es ist also die Gallenabsonderung bei ein und demselben Thier zu Anfang und zu Ende einer l\u00e4nger dauernden Beobachtungsreihe nicht vergleichbar (H. Nasse).\nDiesen Uebelst\u00e4nden suchten Bidder und Schmidt dadurch aus dem Wege zu gehen, dass sie tempor\u00e4re Gallenfisteln benutzten, indem sie einige Stunden nach der Anlegung derselben, und namentlich bevor entz\u00fcndliche Erscheinungen im Unterleibe eingetreten, die Galle auffingen. So sehr es nach den vorliegenden Beobachtungen den Anschein hat, als ob dieses freilich nur f\u00fcr kurze Zeitr\u00e4ume verwendbare Verfahren die obigen Bedenken ausschliesst, so w\u00e4re es doch wiinschenswerth, an einem und demselben Thiere beide Methoden zu benutzen, um sich von ihrem relativen Werthe zu \u00fcberzeugen. \u2014 3) Der Ableitung und dem Auffangen der Galle aus der Fistel\u00f6ffnung muss endlich die gr\u00f6sste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird sie nicht sorgsam entleert, und verstopft sich namentlich die Fistel\u00f6ffnung, so dass der Inhalt der Gallengef\u00e4sse unter eine erh\u00f6hte Spannung kommt, so tritt ein Theil und unter Umst\u00e4nden die ganze Galle in das Blut zur\u00fcck (K \u00f6l liker und M\u00fcller), so dass aus der Fistel, selbst wenn sie nun er\u00f6ffnet wird, gar keine Galle zum Vorschein kommt. Um diesen Ausfluss zu reguliren, sind verschiedene Can\u00fclen angegeben, unter denen die von Arnold empfeblenswerth zu sein scheint, indem ihre Anwendung den Vortheil gew\u00e4hrt, dass die ausgetretene Galle in einen vor Verdunstung gesch\u00fctzten Ort zu liegen kommt. \u2014 Ein ganz eigent\u00fcmlicher Fehler wird in die Gallenbestimmung noch dadurch eingef\u00fchrt, dass der unterbundene und durchschnittene Gallengang sich h\u00e4ufig wieder herstellt, so dass sich dann die Galle ganz oder teilweise wieder in den Darmkanal ergiessen kann. Im zweifelhaften Fall kann am lebenden Thier die Wiederherstellung des Gallengangs ermittelt werden durch eine Injektion der Gallenblase mit Wasser, in dem gef\u00e4rbte Partikelchen aufgeschwemmt sind. Erscheinen diese im Kot wieder, so war der Gang nat\u00fcrlich wieder hergestellt; meistentheils leistet den Dienst des eben vorgeschlagenen Mittels schon der Gallenfarbstoff,","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nLeber ; Galle.\nDas Lebergewicht wissen wir bis dahin noch auf keine sichere Weise zu unserm Zweck zu bestimmen ; es w\u00fcrde nat\u00fcrlich f\u00fcr die Bildung des vorhin erw\u00e4hnten Quotienten eigentlich nothwendig sei\u00f6, entweder das Gewicht der Leberzellen f\u00fcr sich zu kennen, oder die Leber jedesmal vor der W\u00e4gung in einen solchen Zustand zu versetzen, dass das Gewicht derselben jenen Zellen proportional w\u00e4re. Da nun aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Gewichte der Galleng\u00e4ng- und Blutgef\u00e4ssh\u00e4ute mit dem der Leberzellen proportional steigen, so w\u00e4re nur daf\u00fcr zu sorgen, dass der Inhalt der Galleng\u00e4nge und Blutgef\u00e4sse vor der W\u00e4gung bis auf ein Minimum entfernt wird.\nUm eine Anschauung von dem Umfang der Absonderungs - Schwankungen zu verschaffen, welche oben erw\u00e4hnt wurden, geben wir einige \"Zahlen; wir beschr\u00e4nken uns bei der Auswahl unter den vorhandenen auf die Beobachtungsresultate an Hunden und Katzen, weil nachweislich die Galle der Grasfresser anders zusammengesetzt ist, als die des Menschen.\nDie folgende Tabelle ist nach Bidder und Schmidt entworfen; die Beobacb-tungsthiere sind Katzen, die Fisteln tempor\u00e4re, die Beobachtungszeit immer drei Stunden.\nCit\u00e2t des Versuchs.\tTermin d. letzten\tBeobachtete Menge.\t\tLeber- gewicht.\tQuotient des fest. Rckstds. in d. Lebergewicht.\tQuotient des Wassers in d. Lebergewicht\n\tF\u00fctterung v. dem Versuch.\tFester R\u00fcckstand.\tWasser.\t\t\t\n2\t2,5 St.\t0,190 Gr.\t2,751 Gr.\t52,66 Gr.\t0,0036\t0,0522\n4\t3)0\t\u201e\t0,364 \u201e\t6,893 \u201e\t99,2 \u201e\t0,0036\t0,0695\n5\t2,0St. V.Beginn d. Versuchs 100 Gr. Wasser eingenommen.\t0,362 \u201e\t3,574 \u201e\t85,6 \u201e\t0,0042\t0,0417\n7\t12 St.\t0,432 \u201e\t6,806 \u201e\t97,0\t\u201e\t0,0044\t0,0701\n8\t12 \u201e\t0,306 \u201e\t5,125 \u201e\t61,5\t\u201e\t0,0050\t0,0833\n9\t14 \u201e\t0,323 \u201e\t6,463 \u201e\t120,2 \u201e\t0,0027\t0,0537\n10\t14 \u201e\t0,591 \u201e\t7,238 \u201e\t97,5 \u201e\t0,0060\t0,0742\n12\t24 \u201e\t0,277 \u201e\t6,606 \u201e\t151,6\t\u201e\t0,0018\t0,0436\n14\t24 \u201e\t0,168 \u201e\t1,574 \u201e\t67,86\t\u201e\t0,0025\t0,0232\n15\t48 \u201e\t0,171 \u201e\t2,729 \u201e\t112,0 \u201e\t0,0019\t0,0243\n16\t48 \u201e\t0,209 \u201e\t2,063 \u201e\t109,8\t\u201e\t0,0019\t0,0188\n18\t168 \u201e\t0,131 \u201e\t1,293 \u201e\t65,65\t\u201e\t0,0023\t0,0197\n19\t168 St. Thier schwanger.\t0,081 \u201e\t1,415 \u201e\t120,0 \u201e\t0,0008\t0,0139\n20\t240 St.\t0,094 \u201e\t1,033 \u201e\t83,97\t\u201e\t0,0010\t0,0123\nSehen wir von Versuch 9 ab, welcher stark aus der Reihe f\u00e4llt, so f\u00fchren die Resultate dieser Beobachtungen auf die Behauptung, dass die Absonderungsgeschwindigkeit der festen Gallenbestandtheile von der 2. bis 17. Stunde nach der Essenszeit im Wachsthum begriffen ist, dass sie von da aber absinkt und sich von der 24. bis 168. Stunde in ann\u00e4hernd gleichem Wertbe erh\u00e4lt und von da bis zur 240. Stunde sich sehr allm\u00e4hlig erniedrigt. \u2014 Die Absonderung des Wassers geschieht dagegen nach einem sehr unregelm\u00e4ssigen Modus.\nDie folgenden Beobachtungen sind (die vier ersten von H. Nasse, die letzten von Arnold) an Hunden mit permanenten Fisteln gewonnen; die Beobachtungszeit ist 24 Stunden.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"1\nLeber; Galle,\n229\nGewicht des\tFutter.\tR\u00fcckstand\tWasser\tLeber-\tQuotient aus festem Rckstd. u. Lebergewicht.\tQuotient aus dem Wasser u. Leber- gewicht.\nHundes.\t\tder Galle.\t\tgewicht.\t\t\n9,08 Kilo.\t1,75 Kilo Fleisch.\t6,742 Gr.\t174,258 Gr.\t299,5\t0,0225\t0,5818\n9,54\t\u201e\t\u00dfrod und Kartoffeln nach Belieben.\t6,252 \u201e\t164,548 \u201e\t99\t99\t0,0209\t0,5494\n\u2022\t1,4 Kilo Fleisch.\t6,168 \u201e\t167,234 \u201e\t99\t99\t0,0206\t0,5583\n8,89\t\u201e\t0,78 Kilo Brod.\t4,490 \u201e\t104,110 \u201e\t99\t99\t0,0150\t0,3476\n7,75\t\u201e\t0,75 Kilo Fleisch und 0,340 Kilo Wasser.\t2,89 \u201e\t88,03 \u201e\t460,0\t0,0063\t0,1914\n8,00 \u201e\t0,47 Kilo Brod und 0,45 Kilo Wasser.\t2,64 \u201e\t60,38 \u201e\t\u00bb ?> 1\t0,0057\t0,1313\nEine Vergleichung dieser Beobachtungen ergiebt ausser den im Text mitgetheil-ten Resultaten, dass die Absonderungsgeschwindigkeit in dem Hunde, welchen Nasse beobachtete, um das 3 bis 4fache diejenige in dem von Arnold beobachteten Hunde \u00fcbertraf. Der Grund ist theilweise wenigstens darin zu suchen, dass der erste Hund in einem Zustand starb, der mit grosser Magerkeit und Blutleere verbunden war, in Folge dessen wohl das Gewicht der Leber geringer ausgefallen ist; wahrscheinlich war das Lebergewicht zur Beobachtungszeit, welche zu Beginn der ganzen Versuchsreihe fiel, betr\u00e4chtlich h\u00f6her gewesen*). \u2014 Vergleichen wir nun aber auch den Ar* n old\u2019sehen Hund mit den von Katzen gelieferten Zahlen, so finden wir, dass die mittlere t\u00e4gliche Absonderungsgeschwindigkeit der festen Bestandtheile bei Hunden das t\u00e4gliche Maximum derselben bei den Katzen erreicht und \u00fcbertrifft. Es muss dahin gestellt bleiben, ob dieses eine Folge der Verschiedenheit der Thiere oder der grossem relativen Futtermenge ist, welche bei Anwesenheit permanenter Fisteln verzehrt wird. Die Geschwindigkeit der Wasserabsonderung ist bei Hunden sehr viel bedeutender, als bei den Katzen.\nDer Versuch, aus den vorliegenden Beobachtungen an Thieren die Geschwindigkeit f\u00fcr die Gallenabsonderung des Menschen abzuleiten, m\u00f6chte freilich gewagt erscheinen; beh\u00e4lt man aber im Auge, dass das Tagesmittel derselben auch bei Menschen, je nach Individualit\u00e4t und Lebensart, bedeutend schwanken mag, so kann man immerhin die bei Hunden beobachteten Grenzf\u00e4lle, welche f\u00fcr die Absonderungsgeschwindigkeit der festen Bestandtheile = 0,0225 und, 0,0057 waren, auch f\u00fcr solche annehmen, die einmal beim Menschen Vorkommen k\u00f6nnen. Um mit Hilfe derselben den absoluten Werth der t\u00e4glichen Gallenmenge des Menschen abzuleiten, hat man darauf nur n\u00f6thig, die obigen Zahlen mit dem mittleren Lebergewicht des Menschen (nach Huschke, offenbar zu hoch, = 2500 Gr.) zu multipliziren. Das Ergebniss dieser Operation w\u00fcrde sein, dass aus der Menschenleber t\u00e4glich zwischen 13 bis 45 Gr. fester Substanz austreten. Da nun die Menschengallen nach Frerichs und Gor up (nach Abrechnung von 1 bis 2 pCt. Schleim) zwischen 8 und 16 Procent fester Bestandtheile enthalten, so w\u00fcrde\n*) Bidder und Schmidt beobachteten u. A. in sehr verschiedenen Bedingungen und zu den verschiedensten Tageszeiten einen Hund 8 Wochen hindurch. Aus dem Versuch leiten sie ab, dass der Hund im Mittel t\u00e4glich 8,45 R\u00fcckstand und 155,30 Wasser entleert habe. Die Leber des 5390 Gr. schweren Thiers wog 276 Gr. Dieses w\u00fcrde einer Absonderungsgeschwindigkeit von gar 0,0306 f\u00fcr die festen Stoffe und von 0,5625 f\u00fcr das Wasser entsprechen,","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nLeber; Galle.\ndie angenommene Menge des festen R\u00fcckstandes entsprechen einem Gallengewicht, das zwischen 80 und 600 Gr. liegt. Da nun aber die Galle, welche jene Analytiker zerlegten, Blasengalle war und diese nach Nasse ungef\u00e4hr noch einmal so conzentrirt ist, als die Galle des Lebergangs, so w\u00fcrde man diese Gewichte verdoppeln k\u00f6nnen u, s. w. \u2014 So schwankend unsere Grundlagen aber auch sind, sie f\u00fchren jedenfalls zu der Ueberzeugung, dass die Masse von Fl\u00fcssigkeit, welche aus den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen der Leber ausgef\u00fchrt wird, keine sehr betr\u00e4chtliche ist.\n6/ Chemische Vorg\u00e4nge in der Leberzelle. Sie bestehen zum Theil in Diffusionen, welche Cholestearin, Fette, Natron, Kochsalz, phosphorsaure Alkalien und Erden aus dem Blute in die Galle \u00fcberf\u00fchren, zum Theil aber auch in eigenth\u00fcmlichen Umsetzlingsprozessen, aus denen, so weit uns bekannt, Traubenzucker, Gallens\u00e4ure und Bilifulvin hervorgehen. Dass diese Produkte in der Leber ihren Ursprung finden, kann als eine feststehende Thatsache angesehen werden , seit es erwiesen ist, dass sie, die durch bestimmte Reaktionen leicht kenntlich sind, in dem Pfortaderblut nicht Vorkommen, und noch mehr, dass sie in Fr\u00f6schen, die nach der Exstivpation der Leber noch einige Wochen lebten, \u00fcberhaupt gar nicht angetroffen werden (Moleschott).\nDiese neuen von der Leber zusammengeordneten und in die Galle \u00fcbergehenden Atomgruppen werden s\u00e4mmtlich unter Mitwirkung des Eiweisses oder aus Abk\u00f6mmlingen desselben dargestellt. Daf\u00fcr spricht sowohl der N-gehalt des Farbstoffs, der Glyco- und Taurochols\u00e4ure als auch der Schwefelgehalt der letztem. Eine Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung dieser Gallenk\u00f6rper mit der des Eiweisses lehrt aber sogleich, entweder dass sie nicht die einzigen Produkte sein k\u00f6nnen, welche aus der Eiweisszersetzung hervorgehen, oder dass noch ein anderer K\u00f6rper sich an der Entstehung derselben betheiligen muss. Denn im Eiweiss steht der C : N im Verh\u00e4ltnis von 8:1, in dem Gallenfarbstoff dagegen wie 16 : 1 und in der Glyco- und Taurochols\u00e4ure gar wie 52 : 1. Demnach muss also entweder noch ein anderes Atom aus dem Eiweiss ausfallen, welches relativ zum Kohlenstoff viel stickstoffreicher ist, als das Eiweiss selbst, oder es muss noch ein stickstofffreies Atom, z. B. ein Fett, in die Zersetzung mit eingegangen sein. \u2014 Wir vermuthen aber auch, dass der Zucker aus dem Eiweiss entstanden sei; denn einmal ist es aus fr\u00fcher erw\u00e4hnten chemischen Gr\u00fcnden nicht unwahrscheinlich, dass in dem Eiweiss eine Atomgruppe enthalten sei, welche dem Zucker sehr nahe steht, und dann geht auch die Zuckerbildung noch sehr lebhaft in der Leber von Statten, wenn zu dem Blute (ausser den Mineralien) Fette und Eiweiss, oder auch wenn nur Eiweiss, nicht aber, wenn nur Fette zu ihm gef\u00fchrt werden. Zudem besteht ein inniger physiologischer Zusammenhang zwischen der Gallen- und der Zuckerbildung; denn eine Durch-","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; Leberzellen.\n231\nmlistening der Umst\u00e4nde, unter denen die Geschwindigkeit der Gallenabsonderung steigt, l\u00e4sst sogleich erkennen, dass sie identisch mit denen sind, welche den Zucker im Lebervenenblut vermehren; zur Best\u00e4tigung der Annahme , dass sie aus demselben Zersetzungsprozesse hervorgeben, dient endlich noch die bemerkenswerthe Erfahrung von Frefichs und Staedeler, dass in Lebern, welche krankhafter Weise statt der Galle Tyrosin und Leucin darstellen, der Zucker fehlt.\nSeit wir durch die bahnbrechenden Versuche von Strecker aufgekl\u00e4rt worden sind \u00fcber die Zusammensetzung und Atomgliederung der Gallens\u00e4ure, hat man auch Versuche gemacht, die Atomgruppen genauer zu bezeichnen, welche sich an ihrer Entstehung betheiligen. Man scheint mit Beziehung darauf allgemein der Ansicht zu sein, dass jede der beiden S\u00e4uren aus zwei Gruppen, die vorher getrennt waren, hervorgehen, einerseits aus der Chols\u00e4ure und anderseits aus Taurin oder Glycin. \u2014 Die Chols\u00e4ure glaubt Lehmann *) aus der Oels\u00e4ure ableiten zu k\u00f6nnen, welche einen andern Atomeomplex (C12H606) aufgenommen habe. In der That ist Oels\u00e4ure .C36H3303+H0)-1-(C12H606) = Chols\u00e4ure (C48H3909-f-H0) ; diese Annahme begr\u00fcndete er durch die Beobachtung von Redtenbacher, welcher durch N05 aus der Chols\u00e4ure , gerade so wie aus der Oels\u00e4ure , alle Glieder der Reibe (C2H2)n04 von der Caprius\u00e4ure abw\u00e4rts und daneben andere Produkte erhielt, die sich nicht aus der Oels\u00e4ure ableiten lassen, und u. A. auch ein solches, in welchem C, H und 0 in \u00e4hnlichem Verh\u00e4ltniss stehen, wie in dem oben supponirten Paarling; er macht ausserdem geltend, dass ein Zusatz von Fett zu den Nahrungsmitteln die gallenbildende Kraft derselben erh\u00f6ht. \u2014 Frerichs und St\u00e4deler scheinen zu vermuthen, dass das Glycin aus Tyrosin, dem bekannten Zersetzungsprodukte des Eiweisses, entstehe. Tyrosin (C18Hi1N06) = (C4H5N04-p2H0-pC14H804) ; Tyrosin haben sie aber, wie schon erw\u00e4hnt, in solchen Lebern aufgefunden, deren Gallenbildung gehemmt war; sie scheinen zu vermuthen, dass der Abfall des Tyrosins in das Blut \u00fcbergehe; denn es sind Verbindungen der Salicylgruppe im Harn mit Sicherheit nachgewiesen. \u2014 Ueber die Taurinbildung bestehen noch keine Vermuthungen; wir heben die Entdeckung von Strecker**) hervor, welcher es durch Erhitzen eines Gemenges von Aether und schwefelsaurem Ammoniak k\u00fcnstlich dargestellt hat.\nAls Thatsachen, die mit dem chemischen Mechanismus in den Leberzellen in Verbindung stehen, sind noch zu erw\u00e4hnen: 1) Das Milzvenenblut besitzt unzweifelhaft eine eigenth\u00fcmliche Constitution, denn es kry-stallisirt leicht und es kommt aus einem Organ, in dem wir ganz eigenth\u00fcmliche Umsetzungen kennen; m\u00f6chte, wie man aus der Anwesenheit der Harns\u00e4ure vermuthen kann, nicht hier schon vielleicht die Zerfallung des Eiweisses in stickstoff\u00e4rmere und stickstoffreichere Atomgruppen vor sich gehen? \u2014 2) Die Leber schwillt im Beginn der Verdauung und namentlich eine oder einige Stunden vor dem Eintritt der gr\u00f6ssten Absonderungsgeschwindigkeit der Galle an (Bidder und Schmidt)***). Da diese Anschwellung auch noch als eine Gewichtsvermehrung des ausgeschnittenen Organs zum Vorschein kommt, so besteht sie unzweifelhaft in einer vermehrten Anf\u00fcllung der Leberzellen. Ihre Schwellung kann\n*) Physiolog. Chemie. 2. Aufl..I. Bd. 131,\n**) Pharmaz. Centralbl. 1854. 667,\n***) 1. p. 153,","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nLeber; Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe.\neine Folge sein der neuen Stoffe, welche die Verdauung in das Blut f\u00fchrt, oder die Folge der h\u00f6hern Spannung, unter der das Blut w\u00e4hrend der Verdauung die Leber durch str\u00f6mt. \u2014 Diese Thatsache weist aber jedenfalls darauf hin, dass die Gallenbildung langsam yor sich gehe, und es schliesst sich dieselbe somit an die fr\u00fcher erw\u00e4hnte Erfahrung, dass der Uebergang von einem Futter zum andern nicht momentan in der Gallenabsonderung f\u00fchlbar sei.\n7. Ausfuhr der neu gebildeten Stoffe aus der Leber. Der Inhalt der Leberzellen entleert sich nach zwei Seiten hin, nach der einen, dem Blut, geht der Zucker (und die stickstoffreichen Bestandtheile?), nach der andern, den Leberg\u00e4ngen, die Galle. Die Str\u00f6mung nach dem Blute kann nur ein Diflusionsvorgang, die nach den Leberg\u00e4ngen zugleich eine Filtration sein. Die auf den ersten Blick r\u00e4thselhafte Scheidung dieser beiden L\u00f6sungen ist zu erkl\u00e4ren, entweder, wenn man annimmt, dass die Diffusionsgeschwindigkeit der Gallenbestandtheile in das Blut hinein geringer ist, als die des Zuckers; die Scheidung w\u00fcrde dann nach der Seite des Bluts hin unvollst\u00e4ndig sein, indem der Zucker mit einer Beimengung von Galle dort erschiene. Oder man muss die Unterstellung machen, dass der Zucker zu irgend einem Bestandtheile des Bluts Anziehungen besitzt, die der Galle fehlen.\nDer Zucker tritt mit dem Lebervenenblut in das Herz und von dort in die Lungen. Auf diesem Wege verschwindet er rasch, so dass schon in dem linken Herzen keine Spur desselben mehr nachweisbar ist, wenn nicht sehr grosse Mengen von Zucker aus der Leber traten (Cl. Bernard).\nDie Galle kommt in die Leberg\u00e4nge und wird in diesen weiter bef\u00f6rdert durch die Kr\u00e4fte, welche sie in den Anfang derselben einpressten. Wir sind zu dieser Vermuthung gedr\u00e4ngt durch die Abwesenheit von Muskelfasern in den W\u00e4nden der G\u00e4nge, oder mit andern Worten durch die Unm\u00f6glichkeit, den Strom durch die G\u00e4nge anders zu erkl\u00e4ren. \u2014 Anders verh\u00e4lt es sich mit dem Blaseninhalt; er kann nicht durch die von den Wurzeln der Lebergef\u00e4sse herr\u00fchrenden Dr\u00fccke aus ihr gepresst werden. Man ist darum geneigt, ihrer Muskelschicht die Austreibung der Galle zuzuschreiben, und zwar um so mehr, als man zuweilen wenigstens Zusammenziehungen derselben gesehen hat(H.Meyer*), E. Br\u00fccke)**). Jedenfalls geschieht aber diese Zusammenziehung in grossen Intervallen, \u00e4hnlich den Darmmuskeln. Wie es scheint, fallen die Zeiten lebhafter Gallenabsonderung zusammen mit denen der erh\u00f6hten Erregbarkeit in den Blasenmuskeln; denn es fanden Bidder und Schmidt***) die Blase bei hungernden Thieren immer gef\u00fcllt, bei gef\u00fctterten dagegen leer.\n') De musculis in ductu effer. glandular. Berolini 1837. p. 29.\n') Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1851. 420.\n***) 1. c. p\u201e 209,\n","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Leber; Schleim.\n233\nDie Galle gelangt nun weiter aus den G\u00e4ngen in den Darmkanal, Hier geht abermals eine Scheidung mit ihr vor; die gallensauren Salze, die Fette, zum Theil der Farbstoff, die alkalischen Mineralsalze und das Wasser gehen in das Blut \u00fcber, der andere Theil des Farbstoffs, das Cholestearin (?) und die mit dem Schleim (?) verbundenen Erdsalze werden mit dem Faeces entleert. \u2014 Der in das Blut \u00fcbergegangene Theil unserer Fl\u00fcssigkeit tritt .zum Theil im Harn aus, insbesondere begegnet dieses dem Farbstoff; die Gallens\u00e4uren werden innerhalb des Blutes umgesetzt und zwar so rasch, dass es bisher noch niemals gelungen ist, sie dort nachzuweisen. \u2014 Wir werden der in den Darm ergossenen Galle noch einmal bei der Verfolgung der Verdauung begegnen.\n8.\tDer Leberschleim Der Saft, welchen die Schleimdr\u00fcsen in die Leberg\u00e4nge und Gallenblase ergiessen, mengt sich f\u00fcr gew\u00f6hnlich mit der Galle, und somit ist es bis dahin unm\u00f6glich gewesen, seine Zusammensetzung und seine Absonderungsverh\u00e4ltnisse zu ergr\u00fcnden. \u2014 Um beides m\u00f6glich zu machen, w\u00e4re es nur n\u00f6thig, den Blasengang zu unterbinden und darauf eine Blasenfistel anzulegen ; es d\u00fcrfte sich dann leicht heraussteilen, dass mancherlei Ver\u00e4nderungen in der Absonderung, die man jetzt auf die Vorg\u00e4nge in den Leberzellen schiebt, in den Schleimdr\u00fcsen begr\u00fcndet sind; namentlich deutet die st\u00e4rkere Anschwellung der Blasenblutgef\u00e4sse zur Zeit der Verdauung (Bidder und Schmidt) darauf hin, dass auch dann diese Dr\u00fcsen rascher absondern.\nDas Wenige, was wir von dem Schleimsaft wissen, beschr\u00e4nkt sich darauf, dass er, wie die ihm verwandten S\u00e4fte, einen K\u00f6rper enth\u00e4lt, der alkalisch reagirt (Bidder und Schmidt*) und die Eigenschaften und die Zusammensetzung des Mucins (Gorup)**) tr\u00e4gt. Da er mit der Galle in den Darm entleert wird, so theilt er dort die Schicksale des \u00fcbrigen Darmschleims.\nDie Leberlymphe ist uns nur dem Namen nach bekannt.\n9.\tErn\u00e4hrung der Leber. Beim F\u00f6tus nimmt den Ort der sp\u00e4teren Leber zuerst ein kleines mit dem Darmrohr communizirendes Hohlgebilde ein, dessen Wandungen ans verschiedenen Zellenlagen bestehen, von denen die eine in die Epithelialschicht und die andere in die Zellenfaserschicht der Darmwandung \u00fcbergeht; an der einander zugekehrten Grenze beider Lagen treten mit dem steigenden Alter des F\u00f6tus aus der Epithelialschicht neue Zellen auf, welche, indem sie sich zu netzf\u00f6rmig verbundenen B\u00e4lkchen anordnen, die ebenfalls an Zahl zunehmenden Zellen der Faserschicht vor sich hertreiben, sodass diese letztem immer die \u00e4usseren Fl\u00e4chen der Epithelialschicht umkleiden. Aus den B\u00e4lkchen gehen die Galleng\u00e4nge und Leberzellen, aus den umkleidenden Zellen die Nerven, Gef\u00e4sse und das Bindegewebe der Leber hervor (Bischoff,\n*) 1. c. p. 214.\n**) Liebig, Annalen, 59. Bd. 129.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"284\tLeber ; Ern\u00e4hrung.\nR e m a k). \u2014 Beim Wachsthum der Leber verhalten sich die Gef\u00e4sse und das Bindegewebe derselben, so weit bekannt, wie an allen andern Orten; wie sich dagegen die Umfangszunahme der Leberzellenregionen gestaltet, ist noch nicht hinreichend klar; am wahrscheinlichsten ist es nach den Messungen von Harting allerdings, dass nicht die Zahl, sondern der Umfang der Zellen zunimmt. Denn es verhalten sich nach ihm die Durchmesser der Leberzellen des 4 monatlichen F\u00f6tus zu denen des Erwachsenen wie 1 : 4.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche die festen Bestandteile der ausgewachsenen Leber und namentlich die Wandungen der Gef\u00e4sse erleiden, scheinen, in Anbetracht des grossen Durchmessers der Leberarterie, nicht unbetr\u00e4chtlich zu sein. Dieser Schluss ist allerdings gewagt, da das arterielle Blut der Leber auch in die Capillaren der Schleimdr\u00fcsen eingeht. \u2014 Der Umfang der Leber wechselt bei einem und demselben Erwachsenen, wie es scheint, nicht unbetr\u00e4chtlich ; namentlich nimmt sie beim Hungern ab und bei der M\u00e4stung sehr zu. Der Zusammenhang zwischen der Umfangs\u00e4nderung und der Gallenbildung ist schon erw\u00e4hnt; hier ist nur noch hervorzuheben, dass bei einer Anh\u00e4ufung des Fettes im thierischen K\u00f6rper der Inhalt der Leberzellen sich ebenfalls betr\u00e4chtlich m\u00e4stet*), und zwar so weit, dass die durch Fett weit ausgedehnten Zellen die Blutge-f\u00e4sse zudr\u00fccken. \u2014 Ebenso h\u00e4ufen sich in der Leber die Metalloxyde und namentlich Kupferoxyd an, welche in das Blut \u00fcbergingen; sie verbinden sich wahrscheinlich mit den Gallens\u00e4uren. \u2014 Die \u00f6fter ausgesprochene Annahme, dass die Leberzellen, welche an die Galleng\u00e4nge grenzen, aufgel\u00f6st und an ihrer Stelle neu gebildet werden, entbehrt vorerst noch der Begr\u00fcndung.\nSpeicheldr\u00fcsen.\n1. Anatomischer Bau. Ein Abguss der Speicheldr\u00fcsenh\u00f6hlen besitzt bekanntlich eine grosse Aehnlichkeit mit einer sehr dicht-und feinbeerigen Weintraube (E. H. Weber, Joh. M\u00fcller). Die Gr\u00f6sse derselben, oder was dasselbe bedeutet, die Zahl der Beeren und die der Nebenstiele, weiche in den Hauptstiel einm\u00fcnden, ist sehr ver\u00e4nderlich. \u2014 Die R\u00f6hrenw\u00e4nde bestehen in den Endbl\u00e4schen aus einer sehr feinen, durchsichtigen Grundhaut und einem Epithelium. Die Zellen des letztem sitzen dicht gedr\u00e4ngt und sind \u00fcberall kugelig, kernhaltig. In der Parotis weicht ihr Inhalt von dem in den \u00fcbrigen Speicheldr\u00fcsen etwas ab, es fehlt ihm das k\u00f6rnige, getr\u00fcbte Ansehen und er wird durch Wasser und Essigs\u00e4urezusatz nicht gef\u00e4llt (Donders) **). In den grossem Dr\u00fcseng\u00e4ngeo ist die Grundmasse der Wand aus elastischem Bindegewebe gebildet, in\n*) Lereboullet, Memoire sur la structure intime de la foie etc. Paris 1853,\n**) Onderzoekingen in het physiol. Laborat= Utrecht 1852\u201453, 61.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Speicheldr\u00fcsen ; Speichel der gl. submaxillaris.\n235\ndas meist sehr sparsame und nur in den Unterkieferdr\u00fcseng\u00e4ngen h\u00e4ufigere Muskelzellen eingestreut sind (K\u00f6lliker). \u2014 Die Arterien der Speicheldr\u00fcsen ver\u00e4steln sich auf \u00bbden Bl\u00e4schen zur Bildung eines weitmaschigen Netzes. Die kleinsten zuf\u00fchrenden Arterien sind mit sehr kr\u00e4ftigen Muskelha\u00fcfen versehen. \u2014 Nervenfaden erhalten die Speicheldr\u00fcsen aus den nn. trigeminus, facialis, sympathicus; in ihrem Verlauf durch dieselben schlingen und ver\u00e4steln sich die Primitivr\u00f6hren wie in den Muskeln (Donders).\nEine chemische Untersuchung der Speicheldr\u00fcsen fehlt.\n2. Speichel. Die qualitative chemische Zusammensetzung des Speichels aus den verschiedenen Speicheldr\u00fcsen stimmt allerdings zwar in den meisten, aber nicht in allen St\u00fccken \u00fcberein.\na. Der Speichel der Unterkieferdr\u00fcse*) enth\u00e4lt unter allen Umst\u00e4nden Wasser, Mucin, einen weissartigen Extraktivstoff, dessen Eigenschaften von der Darstellungsart (nach Berzelius, Gmelin oder G. Mitscherlich) abh\u00e4ngig sind**), einen in Alkohol l\u00f6slichen Extraktivstoff, eine Kaliseife, Chlorkalium, Kochsalz, phosphorsaure Salze und Wasser, zuweilen f\u00fchrt er auch Rhodankalium und schwefelsaures Kali. \u2014 Die quantitative Mischung***) dieser Stoffe ist ver\u00e4nderlich: 1) Mit der Zeitdauer der Speichelabsonderung. Zum Verst\u00e4ndnis dieses Ausdrucks ist zu bemerken, dass nicht stetig, sondern durch l\u00e4ngere oder k\u00fcrzere Zeiten unterbrochen aus den Speichelg\u00e4ngen der Saft abfliesst, so dass die absondernde Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcse nur unter bestimmten, im Organismus nicht immer vorhandenen Umst\u00e4nden besteht. Beginnt nun nach einer l\u00e4ngern Unterbrechung die Speichelabsonderung wieder und h\u00e4lt dann einige Zeit hindurch an, so ist der im Beginn einer solchen Speichelungsperiode austretende Saft reicher an festen Bestandtheilen, als der sp\u00e4ter erscheinende; es nimmt also mit der Dauer der Speichelungsperiode der prozentische Gehalt an festen Bestandtheilen ab. Diese Verd\u00fcnnung unseres Saftes ist vorzugsweise bedingt durch die Verminderung der organischen Bestandtheile; denn diese werden in einer langen Speichelungszeit bis zur H\u00e4lfte oder zum Viertel des urspr\u00fcnglichen Gehaltes herabgedr\u00fcckt, w\u00e4hrend der Salzgehalt- sich entweder gar nicht, oder jedenfalls um viel weniger als die H\u00e4lfte, ver\u00e4ndert. \u2014 2) Mit einer bedeutenden Steigerung des Kochsalzgehaltes im Blut mehrt sich der Salzgehalt des Speichels um ein Geringes; die organischen Bestandtheile erhalten sich unver\u00e4ndert. \u2014 Auffallender Weise erleidet dagegen die Zusammensetzung des Speichels keine merkliche Ver\u00e4nderung durch eine betr\u00e4chtliche Vermehrung der prozentischen Menge des Blutwassers,\n*) Bidder und Schmidt, Verdauungss\u00e4fte, p. 7.\n\"*) Lehmann, physiolog. Chemie. II. Bd. 17.\n\u2014) Heintz, Zoochemie, p. 827. \u2014 E. Becher u. C. Ludwig, Henle\u2019s und Peufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 278.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nSpeicheldr\u00fcsen ; Ohr- und Munddr\u00fcsenspeichel.\nwelche man durch eine Einspr\u00fctzung von Wasser in den Venen erzeugt hat (E. Becher, C. Ludwig).\nAus diesen Beobachtungen geht hervor, dass der Speichel, welchen man zu verschiedenen Zeiten auff\u00e4ngt, nicht gleichartig zusammengesetzt sein kann, wie dieses in der That Cl. Bernard und C. Schmidt best\u00e4tigt haben; aus ihren Erfahrungen l\u00e4sst sich jedoch nicht sehen, ob die Abweichungen durch die oben erw\u00e4hnten Umst\u00e4nde bedingt waren. Donders*) hat bei einem Hunde den Speichel der Mundh\u00f6he vor und nach dem Fressen aufgefangen und aus der Analyse desselben das unerwartete Besultat erhalten, dass der erstere weniger feste Bestandtheile enthielt, als der letztere.\nNach den bis dabin bekannt gewordenen Bestimmungen schwanken beim Hunde in 100 Theilen: der R\u00fcckstand von 1,98 zu 0,39, die Salze von 0,79 bis 0,24, die organischen Bestandtheile von 1,26 zu 0,15. \u2014 Ein Speichel von ann\u00e4hernd mittlerer Zusammensetzung enthielt nach C. Schmidt: Wasser = 91,14; organ. Stoffe = 0,29; Ka und Na CI = 0,45; Kalksalze = 0,12.\nb.\tDer Speichel der Ohrdr\u00fcse unterscheidet sich von dem vorhergehenden nur dadurch, dass er noch kohlensauren Kalk enth\u00e4lt, w\u00e4hrend er das Mucin entbehrt (Gurlt); darum fehlt ihm die fadenziehende Eigenschaft; seine quantitative Zusammensetzung zeigt ebenfalls grosse Variationen, deren Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltniss von andern physiologischen Zust\u00e4nden noch zu ermitteln ist. \u2014 Nach Mitscherlich bewegt sich beim Menschen der Prozentgehalt der festen Stoffe von 1,6 zu 1,4, von diesen letzteren waren 0,9 verbrennlich und 0,5 unverbrennlich; beim Hunde schwankt nach Gmelin und Mitscherlich der R\u00fcckstand zwischen 2,6 bis 0,5 pCt. \u2014 Ueber das ungef\u00e4hre Verh\u00e4ltnis der Salze zu einander giebt die nachstehende Analyse von C. Schmidt Rechenschaft: Wasser = 99,53; organ. Stoffe =0,14; Ka und Na CI = 0,21; CaO C02 0,12.\nc.\tMundspeichel. Der Speichel der Sublingual-, Lingual-, Lippen-und Backendr\u00fcsen ist noch nicht gesondert untersucht worden. Trotzdem l\u00e4sst sich aussagen, dass seine Zusammensetzung nicht wesentlich abweiche von derjenigen der untersuchten Speichelsorten, weil nemlich der Mundspeichel, oder das Gemenge aus den S\u00e4ften aller Speicheldr\u00fcsen, wie es aus der Mundh\u00f6hle gewonnen werden kann, ann\u00e4hernd gleich mit jenen constitu\u00e2t ist. Die einzigen wesentlichen Unterschiede, die sich finden, bestehen nach Berzelius, Gmelin, Schmidt, Frerichs, L\u2019heritier und Lehmann darin, dass der Mundspeichel losgestossene Epithelialzellen der Mundschleimhaut und phosphorsaures Natron enth\u00e4lt. In 100 Theilen wechselt sein fester R\u00fcckstand zwischen 1,35 bis 0,35.\n*) 1. c. p. 66.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Speicheldr\u00fcsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels. ,\t237\nUngew\u00f6hnliche Speichclbestandtheile. Wenn man in das Blut Jodkalium bringt, so zeigt sich dieses im Speichel wieder und zwar sehr bald, w\u00e4hrend Blutlaugensalz unter gleichen Bedingungen nicht in ihm vorkommt (Cl. Bernard).\n3. \u00c0bsonderungsgeschwindigkeit des Speichels. \u2014 Die Absetzung der organischen Speichelbestandtheile in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume scheint ziemlich ununterbrochen vor sich zu gehen, keinenfalls steigert sie sich in gleicher Weise wie die des Wassers und der in ihm gel\u00f6sten Salze. W\u00e4re dieses der Fall, so k\u00f6nnte der Gehalt an organischen Stoffen mit der Dauer der Absonderung nicht sinken. Da dieses geschieht, so scheint der Schluss erlaubt, dass das in die Dr\u00fcse eindringende Wasser allm\u00e4h-lig die vorher in der Dr\u00fcse abgesetzten, l\u00f6slichen oder stark aufquellbaren Stoffe ausw\u00e4scht. \u2014 Die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers und der Salze ist ausser einer gewissen, nicht n\u00e4her bekannten Constitution der Dr\u00fcsenelemente und des Bluts abh\u00e4ngig von der Erregung gewisser Nerven (C. L u dwig)*), und insbesondere vom dritten Ast des n. trigeminus (ram. lingualis und auriculo-temporalis (?)), n. facialis (chorda tympani und ram. parotidei postici), und glossopharyngeus (C. Rahn)**). Von diesen Nerven wirken die ersteren, so weit sie sich in die Dr\u00fcsensubstanz einsenken, durch direkte Erregung derselben, die letztem und wahrscheinlich auch die Zungen\u00e4ste des ram. lingualis durch reflektorische Uebertragung auf die Absonderung. \u2014 Aus diesem Abh\u00e4ngigkeits-verh\u00e4ltniss ergiebt sich, dass bei vollkommenem Ruhezustand der Nerven die Absonderung des Speichelwassers vollkommen still steht, w\u00e4hrend sie bei irgend einer Erregungsart der genannten Nerven beginnt. Die Bedingungen, unter denen diese letztere eintritt, sind beim Lebenden einmal Kau- und Sprechbewegungen, wobei auf unwillk\u00fchrliche Weise die direkten Speichelnerven vom Hirn aus mit angeregt werden, und dann die Anwesenheit Geschmack erzeugender Substanzen auf der Zunge, welche auf reflektorischem Wege die direkten Speichelnerven erregen. Aus diesem Grunde speicheln wir am st\u00e4rksten w\u00e4hrend der Essenszeiten , wo sich Kaubewegungen und Geschmacksempfindungen gleichzeitig erstellen. Die vorliegenden Beobachtungen berechtigen uns zu dem Schluss, dass die Absonderungsgeschwindigkeit in irgend welchem Ver-h\u00e4ltniss steigt mit der St\u00e4rke der Nervenerregung, und ferner, dass, alles andere gleichgesetzt, die Erregung des vom Hirn getrennten n. facialis die Absonderung mehr beschleunigt, als der nerv, trigeminus unter denselben Umst\u00e4nden.\nEin Zahlenausdruck f\u00fcr die Geschwindigkeit der Speichelabsonderung, z. B. ein Quotient aus dem Gewicht der Speicheldr\u00fcse in das Gewicht des in der Zeiteinheit abgesonderten Speichels, ist aus Mangel der n\u00f6thi-gen Beobachtungen noch aufzustellen. \u2014 Die mittlere t\u00e4gliche\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I, 255.\n**) ibid. 285.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nSpeicheldr\u00fcsen ; Speichelbereitung. _\nSpeichelmenge (das Produkt aus der Absonderungsgeschwindigkeit in das Dr\u00fcsengewicht) kann demgem\u00e4ss ebenfalls nicht angegeben werden.\nMitscherlich konnte aus einer Fistel des duct, stenonianus eines kr\u00e4nklichen, sehr massig lebenden Mannes t\u00e4glich ungef\u00e4hr 100 Gr. auffangen. Bidder und Schmidt waren im Stande, in einer Stunde, w\u00e4hrend welcher sie weder schmeckten, noch kauten, 100\u2014120 Gr. aus\ndem Munde zu entleeren. Wenn w\u00e4hrend der ganzen Zeit des Wachens\n(17 Stunden) ihre Speichelabsonderung mit derselben Geschwindigkeit vor sich geht, so w\u00fcrden sie t\u00e4glich mindestens 170Q bis 2000 Gr. Speichel abgesondert haben. Inwiefern die Bewegungen der Kiefer-, Zungen-und Lippenmuskeln erh\u00f6hend auf die Absonderung wirkten, wie sich die Absonderung w\u00e4hrend des Essens steigert, ist nicht zu ermitteln. Die gegebenen Zahlen k\u00f6nnen darum auf keine allgemeine Giltigkeit f\u00fcr die Speichelmenge der beobachteten Individuen Anspruch machen.\n4. Speichelbereitung. Die organischen Bestandteile und insbesondere das Mucin des Speichels sind nicht im Blute vorgebildet, man muss sie darum als eine Neubildung im Innern des Dr\u00fcsenraums ansehen. Da man nun das Mucin in den Epithelialzelien der Dr\u00fcsenbl\u00e4schen auf-\ngefunden hat, so ist Donders*) geneigt, anzunehmen, dass sich das Mucin durch Aufl\u00f6sung der Zellenwandung in dem alkalisch reagirenden Speichel bilde; er st\u00fctzt seine Meinung durch eine Beobachtung von Frerichs, wonach verd\u00fcnnte alkalische L\u00f6sungen im Stande sind, die\nEpithelien zu einer schleimigen Fl\u00fcssigkeit zu l\u00f6sen; ferner, dass frischer Speichel bei 37\u00b0 C. in 24 Stunden die in ihn gebrachten Epithelialzelien aus den Bl\u00e4schen der Speicheldr\u00fcsen vollst\u00e4ndig l\u00f6se, w\u00e4hrend mit Essigs\u00e4ure neutralisirter Speichel sie unber\u00fchrt lasse. Hiergegen w\u00e4re das Bedenken zu erheben, dass die Parotis kein Mucin liefert, obwohl die Wandung ihrer Epithelialzelien und die aus ihr hervortretende Salzl\u00f6sung, so weit wir wissen, nicht abweicht von der Mucin liefernden Submaxil-laris. \u2014 Die alkalisch reagirende Salzl\u00f6sung des Speichels wird offenbar direkt aus dem Blute bezogen. Das \u00fcebertreiben derselben aus den Blut-\ngef\u00e4ssen in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume wird besorgt durch die Nerven, und zwar durch eine solche Ver\u00e4nderung der Dr\u00fcsensubstanz , welche einen Fl\u00fcs-\nsigkeitsstrom aus dem Blut in den Dr\u00fcsenanfang zu bewerkstelligen vermag. Diese Behauptung gr\u00fcndet sich darauf, dass bei anhaltender Nervenerregung aus den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen in ununterbrochenem Strom ein die Dr\u00fcse weit \u00fcbertreffendes Volum von Speichel ausfliesst (E. Becher, C. Ludwig), also kann der etwa in der Dr\u00fcse enthaltene Saft nicht ausgedr\u00fcckt worden sein. Und ferner ist auch der Druck, unter dem die Fl\u00fcssigkeit in die Dr\u00fcse geliefert wird, oft sehr viel h\u00f6her, als derjenige, welcher zur Zeit in der a. carotis besteht, und noch mehr, es kann\n*) 1. c. p. 67.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Speicheldr\u00fcsen ; Ausstossung des Speichels.\t\u00e2\u00e29\nselbst, die Erregbarkeit der Nerven vorausgesetzt, Speichel abgesondert werden, wenn der Blutstrom vollkommen still steht (G. Ludwig). Daraus geht hervor, dass der Blutdruck nicht die Ursache der Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6mung in die Dr\u00fcsenanf\u00e4nge sein kann. Man k\u00f6nnte sich n\u00e4mlich die Vorstellung bilden, dass der erregte Nerv entweder die Muskeln der Speichelarterien erschlaffte oder diejenigen der Venen verk\u00fcrzte, wodurch dann-der Druck des Blutstroms auf seine Gef\u00e4sswandung in der Dr\u00fcse erh\u00f6ht w\u00fcrde. In keinem Fall w\u00fcrde aber diese Erh\u00f6hung \u00fcber den in der. a. carotis vorhandenen steigen k\u00f6nnen, und somit w\u00fcrde auch der Druck, mit welchen die Fl\u00fcssigkeit in die Dr\u00fcse einstr\u00f6mt, nicht bedeutender als dort sein d\u00fcrfen. \u2014 Eine genauere Darlegung der Beziehung der Nerven zu den Speicheldr\u00fcsen l\u00e4sst sich aber ohne weitergehende Untersuchungen nicht geben; bemerkenswerth ist es nur, dass sich das Gewebe derselben gegen die Nerven analog der Muskelsubstanz verh\u00e4lt, wenn man den Fl\u00fcssigkeitsstrom statt der Zusammenziehung substituirt, indem ausser andern schon erw\u00e4hnten Aehnlichkeiten die bestehen, dass ein elektrischer Strom von schwankender Dichtigkeit nothwendig ist, um den Speichelnerv in die Absonderung erzeugende Erregung zu versetzen, und dass mehrere Sekunden zwischen dem Beginn der Nervenerregung und dem Eintritt der Absonderung verstreichen. \u2014 Da nun in den Muskeln die Zusammenziehung abh\u00e4ngig ist von einer besonderen Anordnung elektrischer Molekeln, so k\u00f6nnte man auch eine solche in der Dr\u00fcsensubstanz voraussetzen und den Fl\u00fcssigkeitsstrom abh\u00e4ngig denken von einer elektrischen Str\u00f6mung, die aus dem Blut in die Dr\u00fcsenr\u00f6hren geht, und zwar um so mehr, als bekanntlich die str\u00f6mende Elektrizit\u00e4t die Fl\u00fcssigkeitstheilchen, welche sie durchwandert, in Bewegung setzt. Diese Hypothese muss aber so lange f\u00fcr eine gewagte gelten, als man damit nicht einmal erkl\u00e4ren kann, warum dieser vorausgesetzte elektrische Strom nur einzelne, nicht aber alle fl\u00fcssigen Bestandtheile des Bluts in die Dr\u00fcse \u00fcberf\u00fchrt.\n5.\tDie Austreibung des Speichels aus den Bl\u00e4schen und G\u00e4ngen wird unzweifelhaft besorgt durch die Kr\u00e4fte, welche ihn in erstere eintreiben; denn einmal fehlt den Dr\u00fcsenelementen jede selbstst\u00e4ndige Beweglichkeit, und dann gen\u00fcgt der Absonderungsdruck der Aufgabe vollkommen, da er \u2666unter Umst\u00e4nden einer S\u00e4ule von mehr als 200 MM. Hg druck das Gleichgewicht h\u00e4lt.\nNachdem der Speichel irl die Mundh\u00f6hle getreten, wird er durch Schlingbewegungen in den Magen niedergebracht, wo er gr\u00f6sstentheils in das Blut zur\u00fccktritt. Wir werden ihm bei der Verdauungslehre auf diesem Wege wieder aufsuchen.\n6.\tDie Ern\u00e4hrungserscheinungen des fertigen Dr\u00fcsengewebes bieten die Aehnlichkeit mit denen der Muskeln, dass dasselbe bei einer dauernden Hemmung der Absonderung, wie sie z. B. in Folge der Unterbindung der Ausf\u00fch-","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nSchleimdr\u00fcsen.\nrungsg\u00e4nge auftritt, . allm\u00e4hlig zu Grunde geht; namentlich wird ihm die F\u00e4higkeit geraubt, Speichel zu liefern. Etwas weiteres ist nicht\nbekannt.\nSchleimdr\u00fcsen.\nZu ihnen z\u00e4hlt man die Schleimdr\u00fcsen der Mundh\u00f6hle, des Rachens, der Speiser\u00f6hre, der Gallenblase, die Brunn\u2019sehen Dr\u00fcsen; die Dr\u00fcsen der Schneider\u2019schen Haut, des Kehlkopfes, der Bronchien, der Harnblase, der Harnr\u00f6hre (Cowper\u2019sche und Littre\u2019sche) und der Scheide.\n1.\tDiese Gebilde haben in der Anordnung ihrer H\u00f6hlen weder etwas gemeinsames, noch etwas charakteristisches. Eine gr\u00f6ssere Zahl derselben geh\u00f6rt nemlich zu den traubigen Dr\u00fcsen, die dann auch in allen St\u00fccken den Speicheldr\u00fcsen gleichen; ein anderer Theil, wie die der Harnblase, sind einfache Schlauchdr\u00fcsen, und die Littr\u00e9 sehen endlich n\u00e4hern sich in ihrer Form, durch die Weite und den gezogenen Verlauf der Endbl\u00e4schen den Samendr\u00fcsen an. Die Struktur der Wandungen ist dagegen bei allen diesen Dr\u00fcsen diejenige, welche den Speicheldr\u00fcsen zukommt. Diesen Mangel an anatomischer Charakteristik ersetzte bis vor Kurzem scheinbar ein gemeinsames physiologisches Merkmal, die Absonderung eines eigenth\u00fcmlichen Stoffes, des Schleims; dieses ist aber ebenfalls durch genauere Beobachtungen aufgehoben. Alle diese Dr\u00fcsen sondern allerdings Schleimstoff ab, aber diese Eigenschaft theilen sie mit noch andern, z. B. der gl. submaxilla-ris, und sogar mit Fl\u00e4chen, welche gar keine Dr\u00fcsen enthalten, wie die Synovialhaut.\n2.\tSchleimsaft*). In den Absonderungen der erw\u00e4hnten Dr\u00fcsen hat man constant gefunden Schleimstoff, Extrakte, s\u00e4mmtliche Salze des Bluts und Wasser, zuweilen auch Eiweiss. \u2014 Die quantitative Zusammensetzung der einzelnen S\u00e4fte ist aber zu wenig untersucht, um bestimmen zu k\u00f6nnen, wie sie sich zu verschiedenen Zeiten verhalten, und ob oder wie die verschiedenen Dr\u00fcsens\u00e4fte von einander abweichen.\nDie Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung entgegenstellen, sind ausser den allgemeinen noch vorzugsweise darin zu suchen, dass es theils nicht gelingt, die S\u00e4fte rein zu erhalten. Der Nasenschleim mischt sich z. \u00df. mit den Thr\u00e4nen, der des - Mundes mit dem Speichel u. s. w. ; theils aber wird der Schleim in zu geringer Menge abgesondert, um f\u00fcr Analysen hinzureichen, so namentlich in der Scheide. Wir verzichten darum auf weitere Angaben und verweisen auf die Analysen von Berzelius, Nasse, Scherer und L\u2019heritier.\nThr\u00e4nendr\u00fcsen.\n1. Anatomischer Bau**). Zu dieser Dr\u00fcsengattung z\u00e4hlt man die\n*) Berzelius, Chemie. IX. Bd. 534. \u2014 L\u2019h\u2019eritier, 1. c. 581. u. 642. Scherer, Chemische Untersuchungen, p. 93. \u2014 Tilanus, De saliva et muco. Amst. 1849. p. 56. Lehmann, Physiol. Chemie, n. Bd. 354. ~ Nasse, Journal f. prakt. Chemie. XXIX. 59.\n**) W. Krause, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 337.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Thr\u00e4nendr\u00fcse.\n\u00fcber der \u00e4ussern Seite des bulbus oculi gelegenen Dr\u00fcsen, welche das obere Augenlid durc-hboren und sich auf der Conjunctiva \u00f6ffnen, und die Krause\u2019sehen Dr\u00fcsen, welche unter der Conjunctiva und zwar an ihrer Umbiegungsstelle vom Bulbus auf die Lider liegen. Sie gleichen in ihrem Bau den Speicheldr\u00fcsen vollkommen. Ihre Nerven empfangen sie aus dem ersten Aste des Trigeminus.\n2.\tThr\u00e4nen*) Sie bestehen aus einem eiweissartigen Stoff, Schleim, Spuren von Fett (welches aus den Epithelien der Dr\u00fcsenr\u00f6hre stammt), Na CI, phosphorsauren Erden, Alkalien und Wasser. Die Reaktion der Fl\u00fcssigkeit ist alkalisch. Ueber eine Variation in der Zusammensetzung ist nichts bekannt. Nach Frerichs enthalten Thr\u00e4nen, welche in reichlicher Menge abgesondert wurden, zwischen 0,8 und 0,9 feste Bestandteile in L\u00f6sung; die Aschenprozente variirten zwischen 0,42 und 0,54, welche vorzugsweise aus Na CI und aus sehr geringen Mengen phosphorsauren Alkalien bestehen (V auquel in, Fourcroy, Frerichs). Die Erdphosphate waren an den eiweissartigen Stoff gebunden.\n3.\tDie Absonderungsgeschwindigkeit der Thr\u00e4nen variirt mit leidenschaftlichen Erregungen der Seele und reflektorischer Erregungen, die von der Oberfl\u00e4che der Conjunctiva, der innern Nasenfl\u00e4che und dem Opticus (?) ausgehen.\nDa die Dr\u00fcse der Speicheldr\u00fcse analog gebaut ist, da die Thr\u00e4nen wesentlich mit dem Parotisspeiehel \u00fcbereinstimmen und die gesteigerte Absonderung unter denselben Bedingungen wie in der Speicheldr\u00fcse auf-tritt, so kann man nicht anstehen, unsere Dr\u00fcsen f\u00fcr eine Modifikation der Speicheldr\u00fcsen zu halten.\n4.\tDie aus den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen getretenen Thr\u00e4nen verbreiten sich \u00fcber die Conjunctiva, gelangen in den sog. Thr\u00e4nensee und dringen dort, eine m\u00e4ssige Absonderung vorausgesetzt, in die Thr\u00e4nenpunkte und Thr\u00e4nenr\u00f6hrchen ein, von wo sie durch den Thr\u00e4nenkanal in die Nase gelangen. An dieser Stelle verdunstet ihr Wasser in dem Luftstrom, der durch die Athembewegungen in die Lunge gef\u00fchrt wird. Die Bewegung aus dem Thr\u00e4nensack in die Nase kann ausser der Schwere beg\u00fcnstigt werden durch die Muskeln des ersten Beh\u00e4lters. Ein Eindringen von Nasenschleim in den Thr\u00e4nenkanal wird verh\u00fctet durch eine Klappe, die sich an seiner M\u00fcndung in der Nase vorfindet.\nBauchspeicheldr\u00fcse.\n1. Der anatomische Bau des Pankreas gleicht im Wesentlichen dem der Kopfspeicheldr\u00fcsen; unterschieden ist er dadurch, dass die beiden Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Dr\u00fcsen vor ihrer Ausm\u00fcndung communiziren\n*) Freric Ludwig,\nhs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. III. Bd. 1. Abthl. 617 Physiologie, II,\tlfo","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nPankreas ; Bauchspeichel.\n(V erneu il). \u2014 Die Nerven erh\u00e4lt es aus der plex. coeliacus, hepa-ticus, lienalis, mesenteric, superior. (Verneui 1)*).\n2. Bauchspeichel**). Seiner chemischen Zusammensetzung nach besteht er aus einem besondern eiweissartigen Fermentk\u00f6rper, einem butterartigen Fett, Chlor, Schwefels\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure, Kohlens\u00e4ure, Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd und Wasser. \u2014 Er stellt eine klare, klebrige, alkalisch reagirende Fl\u00fcssigkeit dar. \u2014 Die quantitative Zusammensetzung des Bauchspeichels ist, so weit wir wissen, bis zu einem gewissen Punkte ver\u00e4nderlich mit der Absonderungsgeschwindigkeit; die Ver\u00e4nderungen betreffen vorzugsweise das Verh\u00e4ltniss zwischen dem Wasser und den organischen Stoffen. Der prozentische Gehalt an Wasser steht nun in der eigenth\u00fcmlichen Beziehung zu der Menge von Saft, welche in der Zeiteinheit abgesondert wird, dass er innerhalb gewisser Grenzen mit der Absonderungsgeschwindigkeit zunimmt , jenseits derselben sich aber unver\u00e4ndert h\u00e4lt, wie auch die Saftmenge anwachsen mag. So fiel beim Hunde der prozentische Wassergehalt von 98 auf 94, als die in der Minute abgesonderte Saftmenge von 0,5 Gr. bis zu 0,05 Gr. abnahm ; und es hielt sich dagegen der Wassergehalt unver\u00e4ndert auf 98, als das Gewicht des in der Minute abgesonderten Saftes von 0,5 auf 2,2 Gr. wuchs (Weinmann). \u2014 Aehnlich den beim Kopfspeichel beobachteten Verh\u00e4ltnissen kommt auch hier die Ver\u00e4nderlichkeit des R\u00fcckstandes vorzugsweise auf Rechnung der organischen Bestandtheile. Denn in den von Gmelin, Frerichs und Schmidt ver\u00f6ffentlichten Analysen des Saftes vom Hund, Schaaf und Esel wechselte der Gehalt an organischen R\u00fcckstandsprozenten von 9,0 bis zu 1,3 und derjenige der Salzmasse nur zwischen 1,0 bis 0,7. \u2014 Die Zusammensetzung gestaltet sich in den Grenzf\u00e4llen nach Schmidt (beim Hunde I. und 11.) und nach Frerichs (beim Esel III.) folgendermaassen :\nMit d. Ferment verbunden.\nI.\tH.\nWasser\t=\t90,08\t98,04\nOrgan. Stoffe =\t9,04\t1,27\n(Natron\t=\t0,06\t0,33\njCaO\t=\t0,03\t\u2014\n'MgO\t=\t\u2014\t0,01\nNa CI\t=\t0,74\t0,21\nKaO\t=\tSpuren\t0,07\n3 CaO P05\t=\t0,01\t0,04\n3MgO P05\t=\tSpuren\t0,01\n3Na0P05\t=\tSpuren\t\nIII.\nWasser\t\u2014\t98,64\nOrgan. Stoffe\t=\t0,05\nL\u00f6sliche Salze\t=\t0,89\nUnl\u00f6sliche Salze\t\u2014\t0,12\n*) Gazette medicale. 1851. Nr. 25. u. 26.\n**) Bidder u. Schmidt, die Verdauungss\u00e4fte. Mitau 1852. 240. \u2014 Frerichs, Artikel Verdauung in Wagner\u2019s Handbuch. HI. a. 842. \u2014 Berzelius, Handbuch der Chemie. IX. Bd. \u2014 Weinmann, Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. III. Bd. 247. \u2014 C. Schmidt, Liebig\u2019s Annalen. 92. Bd. 33. \u2014 Kr\u00f6ger, de succo pancreatico. Dorpat 1854.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Pankreas ; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes.\n243\n3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Bauchspeichels ist *a) von der Nahrung abh\u00e4ngig, jedoch nicht in dem Grade, dass sie bei vollkommener Entziehung derselben Null w\u00fcrde. Weinmann beobachtete, dass ein Hund in der ersten Stunde nach einer reichlichen Nahrung = 97,8 Gr. Pankreassaft, nach 45st\u00fcndigen Hungern aber in derselben Zeit nur 0,48 Gr. lieferte. Kroeger fand die Saftmenge des Hundes f\u00fcr je eine Stunde in der ersten Stunde nach der Nahrung = 24,9 Gr.; in der 2ten = 17,58; in der 3ten bis 6ten = 14,6; in der 7ten bis 9ten = 11,43; in der lOten bis 14ten \u2014 10,7; in der 19ten bis 24ten = 6,66. \u2014 Die Beschleunigung der Absonderung macht sich so rasch geltend, dass l/i bis 1/2 Stunde nach dem Genuss von fester Nahrung und einige Minuten nach dem Genuss von Wasser (Weinmann) schon das Maximum der Geschwindigkeit erreicht ist; der absolute Werth der erzeugten Geschwindigkeitserh\u00f6hung scheint der Menge der genossenen Nahrung proportional zu gehen und ist nach dem Fressen bedeutender, als nach den) Saufen. \u2014 b) Die Absonderungsgeschwindigkeit wird weiterhin bestimmt durch gewisse, nicht n\u00e4her gekannte Zust\u00e4nde der die Bauchspeicheldr\u00fcse umgebenden Organe, wie sie insbesondere erzeugt werden durch Er\u00f6ffnung der Unterleibsh\u00f6hle; nach einer solchen Operation stockt die Absonderung fast vollst\u00e4ndig. In Folge dieser Erfahrungen statuirten Bidder und Schmidt die Beziehungen zwischen der Absonderung des alkalischen Bauchspeichels und des sauren Magensaftes, dass mit der steigenden Bildung des letzteren auch die des erste-ren zunehme.\nZur Gewinnung\u2019 des Saftes legt man entweder tempor\u00e4re (Tiedemann, Leuret und Lassaigne, Frerichs u. s. w.) oder dauernde (C. Ludwig) Fisteln des Wirsung\u2019schen Ganges an. Je nach der Anwendung des einen oder andern Verfahrens erh\u00e4lt man ganz verschiedene Resultate bez\u00fcglich der Absonderungsgeschwindigkeit ; im erstem Fall gewinnt man nur wenig Saft, im letztem dagegen, besonders einige Tage nach der vollendeten Operation, sehr viel gr\u00f6ssere Mengen. Diese Unterschiede ist man geneigt auf die St\u00f6rungen zu schieben, welche durch die Operation selbst in der Unterleibsh\u00f6hle, resp. der Dr\u00fcse, hervorgerufen werden; diese Annahme findet eine Unterst\u00fctzung in den neuen Beobachtungen von Schmidt, welche unzweifelhaft beweisen, dass der aus permanenten Fisteln fliessende Saft mindestens seiner qualitativen Zusammensetzung nach als ein normaler Bauchspeichel angesehen werden muss.\n\u00bb\nEin absoluter Werth f\u00fcr die Geschwindigkeit der Absonderung (Quotient aus dem Gewicht des Pankreas in das des in der Zeiteinheit abgesonderten Bauchspeichels) kann nicht gegeben werden. Statt dessen substituirt man etwas willk\u00fchrlich den Quotient aus dem Gewicht des ganzen Thiers in das Gewicht des in der Zeiteinheit gelieferten Saftes. Nimmt man nach Schmidt unter Anwendung dieser Berechnungsweise das Mittel aus s\u00e4mmtlichen zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen F\u00fctterungsarten angestellten Beobachtungen eines und desselben Thiers, so erh\u00e4lt man f\u00fcr die drei Hunde, deren Saft er aus permanenten Fisteln auffing:\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nPankreas; Bereitung des Bauchspeichels.\nNr. des Versuchs.\t\tK\u00f6rper- gewicht.\tMittlere Saftmenge in d. Stde.\tpCt.gehalt des Saftes\t\t1 Kilogr. Thier\t\tliefert st\u00fcndlich\t\n\t\t\t\tan festen Stoffen.\tan organ. Stoffen.\tSaft.\tRckstd.\torgan. Stoffe.\tunorgan. Stoffe.\n1.\tHund.\t8 Kilogr.\t40,24\t2,16\t1,27\t5,03 Gr.\t0,106\t0,063\t0,043\n2.\t\u00bb\t18 \u201e\t55,98\t1,99\t1,11\t3,11 \u201e\t0,061\t0,035\t0,020\n3.\tV\t26 \u201e\t67,74\t2,45\t1,58\t2,99 \u201e\t0,730\t0,047\t0,083\nAus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass ein Thier von geringem K\u00f6rpergewicht verh\u00e4ltnissmassig mehr Wasser durch das Pankreas ausgiebt, als ein solches von grossem, und dass diese Beziehung zwischen den festen Bestandteilen nicht besteht. \u2014 Unter diesen Umst\u00e4nden m\u00f6chte es gewagt sein, die Beobachtungen am Thier auf den Menschen zu \u00fcbertragen.\n3. Die Bereitung des Bauchspeichels. Der fermentartige K\u00f6rper scheint in den Zellen des Dr\u00fcsenepitheliums zu entstehen, da er nicht im Blute, wohl aber durch mikrochemische Beaktion in diesem aufgefunden werden kann ; aus diesen geht er \u00fcber in das Drtisenrohr, wohin ihn der zeitweise st\u00e4rkere Strom der alkalischen Salzl\u00f6sung, welche aus dem Blute in das Pankreas dringt, sp\u00fclt. Diese Annahme, dass die Bildung des Fermentk\u00f6rpers stetig in die Dr\u00fcsen vor sich gehe, w\u00e4hrend die Salzl\u00f6sung zeitweise verst\u00e4rkt in dieselbe dringe, wird wahrscheinlich aus den Erfahrungen, dass die Zusammensetzung der letztem immer ann\u00e4hernd gleich ist, w\u00e4hrend der Gehalt an organ. Stoffen so ausserordentlich sich ver\u00e4ndert ; die Thatsache, dass der Fermentgehalt des Pankreassaftes ebenfalls constant wird, wenn die Absonderung \u00fcber einen grossen Grad von Geschwindigkeit hinausgeht, w\u00fcrde sich daraus erkl\u00e4ren lassen, dass die Zeit, w\u00e4hrend welcher die in die Dr\u00fcse eingetretene Salzl\u00f6sung in ihr verweilte, dann ann\u00e4hernd sich gleich blieb, d. h. sie w\u00fcrde dann aus der Dr\u00fcsenzelle gleich viel Ferment auswaschen. \u2014 Die Bedingungen, welche den Eintritt der w\u00e4sserigen Salzl\u00f6sung in die Dr\u00fcse bedingen, sind nicht festgestellt; man k\u00f6nnte auch hier an eine Nervenwirkung denken, in Anbetracht des raschen Wechsels der Absonderungsgeschwindigkeit, der Constanz ihrer Zusammensetzung, resp. ihrer Unabh\u00e4ngigkeit von dem Inhalt der Dr\u00fcsenzellen und endlich des Nervenreichthums der Dr\u00fcse. Bis dahin hat es aber noch nicht gelingen wollen, durch einen Versuch, d. h. durch Erregung der betreffenden Nerven, die Absonderung zu beschleunigen (Weinmann), ein Besultat, das aber an Werth verliert, wenn man erw\u00e4gt, dass nach Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle die Dr\u00fcse \u00fcberhaupt in ihrer Saftbereitung gest\u00f6rt ist. \u2014 Nimmt man aber eine Nervenwirkung an, so ist es zweifelhaft, ob diese auf die Dr\u00fcsensubstanz oder auf den Blutstrom geschieht. Die letztere Alternative darf darum\nnicht aus den Augen verloren werden, weil die Speicheldr\u00fcse des Bauchs im Gegensatz zu denen des Kopfs sich w\u00e4hrend der lebhaften Absonderung mehr als gew\u00f6hnlich mit Blut f\u00fcllt.\n4. Ausstossung des Bauchspeichels. Den G\u00e4ngen fehlen Muskeln,","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Magendr\u00fcsen ; Labdr\u00fcsea,\n245\nalso muss die Austreibung des Saftes durch die Kr\u00e4fte geschehen, welche ihn in die Dr\u00fcsen f\u00fchren, welche oft stark genug sind, um ihn in einem Strahl austreten zu lassen. \u2014 In dem Duodenum mengt er sich mit dem sauren Magensaft, wird neutralisirt und wirkt ver\u00e4ndernd auf die Speisen. Da dem Koth der Fermentk\u00f6rper fehlt, so muss dieser in das Blut zur\u00fcckkehren, zugleich mit den reichlichen Wassermengen, welche er mit f\u00fchrt. Die Bedeutung, welche er f\u00fcr die Verdauung gewinnt, ist sp\u00e4ter zu behandeln.\n5. Ueber die Ern\u00e4hrung der Dr\u00fcsen ist ausser der Formfolge bei der ersten Entwickelung wenig bekannt. Die unterbundenen und durchschnittenen Dr\u00fcseng\u00e4nge stellen sich leicht wieder her.\nIn einigen Krankheiten fand Virchow bemerkenswerther Weise viel Leucin im Pankreasgewebe*).\nM a g e n d r \u00fc s e n.\nIn die Magenw\u00e4nde sind zwei Dr\u00fcsenarten eingebettet, die sich durch ihre Form sehr wenig, durch ihre absondernden Kr\u00e4fte aber bedeutend unterscheiden (Wassmann).\n\u00c0. Labdr\u00fcsen.*\n1. Anatomischer Bau**). Die Labdr\u00fcsen erstrecken sich von der Cardia bis zum Pf\u00f6rtner. In dieser Ausdehnung ist die Schleimhaut des Magens durchbohrt von so dichtgedr\u00e4ngten Dr\u00fcsenschl\u00e4uchen, dass von der Substanz derselben nur \u00e4usserst wenig \u00fcbrig bleibt. Die H\u00f6hlen dieser Dr\u00fcsen sind nahe an der innern Magenoberfl\u00e4che cylindrisch, gegen die Zellenhaut des Magens hin, wo die H\u00f6hle blind endigt, ist sie seitlich mit rundlichen Ausbuchtungen versehen (Sprott Boyd, Henle). Meist sind die H\u00f6hlen vom Grund bis zur M\u00fcndung hin einfach und nur zuweilen, namentlich in der unmittelbaren N\u00e4he der Cardia, m\u00fcnden mehrere solcher Dr\u00fcsenschl\u00e4uche durch eine Oeffnung in den Magen aus (Bischoff, K\u00f6lliker). \u2014 Die Wand ist durchweg durch eine strukturlose Haut dargestellt, deren innere Fl\u00e4che nahe an der Dr\u00fcsenm\u00fcndung von einem Cylinderepithelium und von da ab bis zum blinden Ende mit einer kugeligen Zellenformation, den Labzellen, bedeckt ist. Der Binnenraum dieser letztem ist ausgef\u00fcllt durch einen Kern und eine tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit. In dem Grunde der Dr\u00fcsen findet sich statt der Labzellen \u00f6fter auch nur eine k\u00f6rnige Masse mit eingestreuten kleinen Zellen, welche dem Ansehen nach den Kernen der Labzellen vollkommen gleichen (Sprott Boyd, F r e r i c h s). \u2014 Um die Dr\u00fcsen ist in der Schleimund Zellhaut des Magens ein langer, glatter Muskel geschlagen; er besteht aus einem Geflecht von Muskelzellen, welche theils nach der L\u00e4ngen-\n*) Offenes Schreiben an Sch\u00f6nlein. G\u00f6schens deutsche Klinik. 1855. 1. Heft.\n\") Henle, in seiner und Pf eu f er\u2019s Zeitschrift. N. F. II. Bd. 299. \u2014 E. Br\u00fccke, Berichte der Wiener Akademie. 1851. \u2014 H. Frey, Henle\u2019s und Pfcufer\u2019s Zeitschrift. IX. Bd. 315. \u2014 K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. 423. \u2014 Ponders, Onderzoekingen in het phys. Lab orator, to Utrecht, 1852 \u2014 53. p, 70,","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nLabdr\u00fcsen ; Labsaft.\nund theils nach der Querrichtung der Dr\u00fcsenschl\u00e4uche verlaufen und, unmittelbar an die strukturlose Haut derselben sich anschliessend, sie bis in die Schleimhaut hinein verfolgen (E. Br\u00fccke). \u2014 Die Blutgef\u00e4sse beziehen ihr Blut aus den Arterien, welche in die Zellhaut des Magens eindringen; aus dieser treten feine Aestchen empor mit der allgemeinen Richtung gegen die Magenoberfl\u00e4che, indem sie sich an die Dr\u00fcsen anschmiegen, zerfallen sie in feine Capillaren, welche, netzf\u00f6rmig sich verbindend , die Dr\u00fcsenschl\u00e4uche umspinnen. Diese Netze schicken darauf st\u00e4rkere Zweige gegen die Schleimhautoberfl\u00e4che, wo# sich dieselben von neuem zu gr\u00f6ssern Maschen anordnen, aus denen endlich die Venen hervorgehen (H. Frey).\n2. Labsaft*). Obwohl die Gewinnung des reinen Lahsaftes in gr\u00f6sserem Maassstah bis dahin nicht gelungen ist, so hat man doch vermocht,\neinige chemische Eigenth\u00fcmlichkeiten desselben nachzuweisen.\nDen Labsaft f\u00e4ngt man auf zwei verschiedene Weisen auf. 1) Man schneidet die Stellen der Magenschleimhaut, in welche die Labdriisen eingebettet sind, aus, sp\u00fclt sie mit Wasser ab und presst dann entweder die Fl\u00fcssigkeit aus, oder man zieht die St\u00fccke mit Wasser aus. 2) Man legte bei Thieren Magenfisteln an (Blond-lot), oder benutzte die seltenen F\u00e4lle, in denen bei Menschen Magenlisteln Vorkommen (Beaumont, Schmidt). Da nun aber in den Magen enthalten sind: Speisereste, Speichel, Schleim aus den Dr\u00fcsen des Oesophagus und des Magens selbst, so gewinnt man auch auf diesem Wege den Labsaft nicht rein. Um ihm aber wenigstens das Uebergewicht \u00fcber die andern Gemengtheile zu verschaffen, hat man den Inhalt des Magens bei hungernden Thieren aufgefangen, nachdem man vorg\u00e4ngig von der Fistel\u00f6ffnung aus den Magen mit Wasser ausgesp\u00fclt hatte. Dadurch sicherte man sich vor der Verunreinigung mit Speisen (Bidder und Schmidt, Heintz). \u2014 Um den Speichel ganz oder theilweise zu eliminiren, legt Bardeleben neben der Magenfistel auch noch eine Speiser\u00f6hrenfistel an, durch welche der verschlungene Speichel nach aussen abfloss, oder es wurden die Ausf\u00fcbrungsg\u00e4nge der wesentlichen Speicheldr\u00fcsen unterbunden (Bidder und Schmidt). \u2014 Eine Befreiung des Labsaftes von dem Schleim ist also noch nicht versucht worden. In keinem Fall gen\u00fcgt also die gewonnene Saftart, um alle Eigenschaften der Labfl\u00fcssigkeit festzustellen, aber sie reicht hin, um diejenigen derselben aufzudecken, welche ihm vor dem Schleim und Speichel zukommeii, und zwar darum, weil uns die Zusammensetzung dieser letztem bekannt ist.\nDem Labsaft kommen als eigenth\u00fcmliche Stoffe zu: ein besonderer Fermentk\u00f6rper (Pepsin) (Eberle, Schwann), Salmiak, Chlorcalcium und eine freie S\u00e4ure. Diese letztere ist bald als Salz- (Gmelin, Pr out, Schmidt) und bald als Milch- oder Butters\u00e4ure (L eh m a n n, Schmidt, Heintz) bestimmt worden. Will man sich nun nicht zu der Annahme bequemen, dass in den Labdr\u00fcsen bald die eine und bald die andere S\u00e4ure abgesondert werde, so bleibt nur ein Ausweg \u00fcbrig. Man muss nemlich behaupten, dass die in den Labdriisen frei gemachte Salzs\u00e4ure\n*) Berzelius, Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 1840. 205. \u2014 Frerichs, Artikel Verdauung in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. HI. Bd. \u2014 Lehmann, Physiol. Chemie. II. Bd. p. 39. \u2014 Bidder und Schmidt, Verdauungss\u00e4fte, p. 29. \u2014 Schmidt, Liebig\u2019s Annalen. 92. Bd. 42. \u2014 Gr\u00fcnewaldt, Succi gastrici humani indoles. Dorp. 1853. p. 42. \u2014 Schr\u00f6der, Succi gastrici humani vis digestiva, Dorp. 1853. p. 34.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Labdr\u00fcsen; Absonderungsgeschwindigkeit des Saftes.\t247\nbutter- oder milchsaure Salze zerlegt habe, die in dem Mageninhalt gel\u00f6st gewesen sind. Diese Unterstellung wird gest\u00fctzt durch die Erfahrung, dass die zuletzt erw\u00e4hnten Salze wirklich Bestandtheile des Mageninhalts sind, wenn vorher eine gew\u00f6hnliche F\u00fctterung statt fand, und ferner dadurch, dass Schmidt in dem Magen der von ihm beobachteten Frau freie Salzs\u00e4ure fand, wenn der Saft aus dem n\u00fcchternen, dagegen Milch- oder Butters\u00e4ure, wenn er aus dem speisehaltigen Magen entzogen wurde.\nDas Pepsin ist geradezu in dem Inhalt der Labzellen aufgefunden worden (Fre-richs. Ueber die h\u00e4ufige Anwesenheit der Salzs\u00e4ure in dem Labsaft der Menschen und Thiere kann nach den tadelfreien Versuchen von C. Schmidt kein Zweifel mehr bestehen ; er bestimmte n\u00e4mlich aus der frischen Fl\u00fcssigkeit die Menge des Chlors und Ammoniaks und aus der Asche des eingetrockneten Saftes die Menge der Basen. In dem ersten Falle reichte der Gehalt an Ammoniak und fixen Basen hin, um das ganze Gewicht des Chlors zu s\u00e4ttigen; er zeigt zugleich, dass gew\u00f6hnlich keine andere freie S\u00e4ure vorhanden gewesen sein konnte, indem zur Neutralisation des frischen sauren Saftes gerade so viel Basis n\u00f6thig war, als die freie Salzs\u00e4ure zur Darstellung eines neutralen Salzes bedurfte. \u2014 Lehmann dagegen fand Milchs\u00e4ure im Magen von Hunden, die er nach vorg\u00e4ngigem Hungern mit entfetteten Knochen gef\u00fcttert und 10 bis 15 Minuten danach get\u00f6dtet hatte. Ueber die Natur der von ihm gefundenen S\u00e4ure kann kein Zweifel bestehen, weil sie durch die Elementaranalyse festgestellt wurde. Ebenso traf Heintz in einer erbrochenen Fl\u00fcssigkeit Milchs\u00e4ure an, und Schmidt selbst konnte in den mit Zucker, Eiweiss u. s. w. verunreinigten Magensaft, welcher aus der von ihm beobachteten Magenfistel des Menschen genommen war, keine freie Salzs\u00e4ure, wohl aber Butter- und Milchs\u00e4ure auffinden.\nOb und wie die Zusammensetzung des Labsaftes ver\u00e4nderlich ist, muss dahingestellt bleiben; die Thatsache, dass der Mageninhalt bald sauer und bald alkalisch reagirt, kann ihren Grund begreiflich eben so gut finden in einer ver\u00e4nderlichen Zusammensetzung des Labsaftes, als auch in einer ungleich reichlichen Absonderung der verschiedenen (alkalischen und sauren) S\u00e4fte, welche in den Magen entleert werden.\n3. Die Absonderungsgeschwindigkeit scheint f\u00fcr die einzelnen Bestandtheile des Labsaftes nicht dieselbe zu sein, da man zu allen Zeiten in dem Magen Pepsin und nur zeitweise eine freie S\u00e4ure antrifft. \u2014 Die Menge von saurer und pepsinhaltiger Fl\u00fcssigkeit, welche in der Zeiteinheit, und zwar sichtlich aus den zu Tage gelegten innern Wandfl\u00e4chen des Magens ausgestossen wird, ist sehr ver\u00e4nderlich. Zur Zeit, in welcher der Magen feer oder nur mit verschlucktem Speichel gef\u00fcllt ist, wird gar kein Saft aus den Dr\u00fcsenm\u00fcndungen geliefert. Dieses geschieht aber sogleich, wenn in den leeren Magen beliebige feste oder fl\u00fcssige nervenerregende Stoffe (Speisen, Steine, Pfeffer, Kochsalz u. s. w.) eingebracht werden, ja nach Bidder und Schmidt*) selbst dann, wenn man hungrigen Thieren (deren Speichelg\u00e4nge unterbunden waren) Nahrungsmittel vorh\u00e4lt, ohne sie ihnen zum Fressen zu geben. Daraus\n*) 1, c. p. 32.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\tLabdr\u00fcsen ; Bereitung des Saftes,\nschliessen wir nun, dass die Absonderungsgeschwindigkeit steige mit der bestehenden Nervenerregung des Magens, ein Schluss, der noch dadurch best\u00e4tigt wird, dass nach Durchschneidung der n. vagi am Halse die Absonderung, wenn auch nicht vollkommen aufgehoben, doch zum mindesten beschr\u00e4nkt wird (Bidder, Schmidt, Frerichs, Bernard).\nEine sinnreiche Methode haben Bidder und S ch mi d t in Vorschlag gebracht, die t\u00e4gliche Menge des vom Menschen abgesonderten Pepsins und der freien S\u00e4ure zu bestimmen. \u2014 Setzt man, wie es ann\u00e4hernd mindestens geschehen darf, voraus, dass die festen Eiweissstoffe unserer Nahrung mit Hilfe jener K\u00f6rper (in dem Magen oder D\u00fcnndarm) aufgel\u00f6st werden, und h\u00e4tte man aus k\u00fcnstlichen Verdauungsversuchen ermittelt, wie viel Pepsin und S\u00e4ure n\u00f6thig sind, um die Gewichtseinheit des Muskelfleisches, K\u00e4ses u. s. w. zur Aufl\u00f6sung zu bringen, so kann man, vollkommene Aufl\u00f6sung vorausgesetzt, aus dem bekannten Gewicht der eiweisshaltigen Nahrung die vom Magen gelieferten Pepsin- und S\u00e4urenmengen berechnen. W\u00fcrde schliesslich das Verh\u00e4ltniss dieser beiden Stoffe zum Wasser des Labsaftes bekannt sein, so w\u00fcrde man damit auch das Volum des ganzen Saftes gefunden haben. \u2014 Eine genaue Ausf\u00fchrung ist diesem Vorschlag noch nicht zu Theil geworden.\n4. Bereitung des Labsaftes. Pepsin und freie S\u00e4ure geh\u00f6ren nicht zu den Blutbestandtheilen, sie m\u00fcssen also beide in den Labdr\u00fcsen entstanden sein. Das erste, welches seiner Eigenschaften wegen zu den eiweissartigen K\u00f6rpern gestellt werden muss, wird wahrscheinlich aus dem Bl\u00fcteiweiss gebildet, welches in dem Innern der Labzellen abgeschieden wurde; diese letzten enthalten mindestens den bezeichneten Stoff (Frerichs). \u2014 Die freie S\u00e4ure, insofern sie Salzs\u00e4ure ist, wird durch die Zerlegung der Chloralkalien gewonnen werden m\u00fcssen; wie und wo dieses geschieht, ist bis dahin ein R\u00e4thsel. \u2014 Die schon vorhin mit-getheilten Gr\u00fcnde deuten darauf hin, dass das zeitweise verst\u00e4rkte Hervortreten von Fl\u00fcssigkeit unter dem Einfluss einer pl\u00f6tzlich eintretenden Nervenerregung geschieht. Wie die Fl\u00fcssigkeit beschaffen ist, die in die Labdr\u00fcsen \u00fcbergef\u00fchrt wird, wissen wir nicht. Wir vermuthen aber, dass sie-eine (saure?) Salzl\u00f6sung sei, welche auf ihrem Wege durch die Dr\u00fcse das Pepsin aus den Labzellen ausw\u00e4scht (Donders). \u2014 Der Mechanismus, durch welchen die Nerven die Absonderung einleiten, ist uns unbekannt; f\u00fcr die Annahme, dass dieses durch eine Ver\u00e4nderung im Durchmesser der Blutgef\u00e4sse gesch\u00e4he, spricht die lebhaftere R\u00f6thung des Magens zur Zeit der gesteigerten Absonderung. Die Bahnen, in welchen die Absonderungsnerven laufen, sind ebenfalls noch problematisch, in dem Halstheil des n. vagus scheint nach \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen mindestens ein Theil derselben gesucht werden zu m\u00fcssen, ln dem n. splanchnicus oder in den sympathischen Zweigen, welche in der","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Schleimdr\u00fcsen des Magens. Magensaft.\n249\nBrusth\u00f6hle zum n. vagus sich gesellen, liegt vielleicht ein anderer Theil.\n5. Die Ausstossung des Saftes aus den Dr\u00fcsen kann mindestens unter dem Einfluss der Br\u00fc cke\u2019sehen Muskelschicht geschehen. Fre-richs hat die Meinung ausgesprochen, dass bei der Entleerung des Saftes die Labzellen in den Magen gesp\u00fclt wurden ; durch die Untersuchungen von K\u00f6lJiker undDonders ist dieselbe dahin beschr\u00e4nkt worden, dass die Ausf\u00fchrung der ganzen Zellen nicht zu den nothwendigen Ereignissen geh\u00f6re, da nach geschlossener Verdauung, also zu einer Zeit, in welcher die reichlichsten Ausleerungen aus den Dr\u00fcsen stattgefunden haben, die Dr\u00fcsen noch durchweg mit Zellen gef\u00fcllt sind. \u2014 Der Saft, welcher in den Magen gelangte, wird dort mit den andern S\u00e4ften und den durch ihn ver\u00e4nderten Speisen in den Zw\u00f6lffingerdarm gef\u00fchrt.\nB. Schleimdr\u00fcsen.\nDer anatomische Bau dieser Dr\u00fcsen n\u00e4hert sich sehr dem vorher beschriebenen an ; der wesentlichste Unterschied zwischen Beiden besteht einmal in dem Mangel seitlicher Ausbuchtungen der schlauchf\u00f6rmigen H\u00f6hle und der Epithelialbildung auf der Grundhaut; in den Schleimdr\u00fcsen ist sie nemlich mit einem Cylinderepithelium belegt, welches dem in der innern Magenfl\u00e4che vollkommen gleicht (Wassmann). Gegen den Pylorus ist der einfache Schlauch \u00f6fter getheilt, d. h. es m\u00fcnden durch eine Oeffnung mehrere Dr\u00fcsenr\u00f6hren in den Magen; diese Anordnung bildet den all-m\u00e4hligen Uebergang zu den Brunn\u2019sehen Dr\u00fcsen des Duodenums (Don d ers).\nDer Saft, welchen sie absondern, enth\u00e4lt Mucin, das nachSchrant und Donders aus den sich allm\u00e4hlig aufl\u00f6senden Epithelialzellen hervorgeht; Pepsin sondern sie nicht ab (Wassmann, G oll) und wahrscheinlich auch keine freie S\u00e4ure.\nDer Magensaft, oder das Gemenge aus dem Speichel, dem Schleim und dem Labsaft, welche sich in den Magen ergiessen, verdient als ein wichtiges Verdauungsmittel noch der Erw\u00e4hnung.\nDie chemische Zusammensetzung desselben ist nat\u00fcrlich so mannigfach ver\u00e4nderlich, je nachdem der Erguss des einen oder andern Dr\u00fcsensaftes \u00fcberwiegt, dass sich\u201eallgemeine Regeln \u00fcber dieselbe selbst dann nicht aufstellen lassen, wenn auch eine Verunreinigung durch Speisen fern gehalten worden ist. Das einzige, was man constant beobachtet hat, besteht nach Schmidt, Bidder und Grunewaldt darin, dass nach l\u00e4ngerem Entbehren von Nahrung, beim Menschen also constant nach dem Erwachen aus dem Schlafe, der Magen eine stark schleimhaltige, alkalisch reagirende Fl\u00fcssigkeit in sich fasst, w\u00e4hrend nach dem Genuss von Speisen oder irgend welchen andern festen K\u00f6rpern eine saure Fl\u00fcssigkeit in ihm vorkommt. Schmidt hat bei der schon erw\u00e4hnten Frau mit einer Magenfistel die Fl\u00fcssigkeit aufgefangen und zerlegt, welche in","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nMagensaft.\ndem Magen enthalten war, nachdem die Frau morgens n\u00fcchtern einige Erbsen verschlungen hatte. Im Mittel aus zwei wenig von einander abweichenden Analysen ergab sich: Wasser = 99,44; Ferment mit Spuren von Ammoniak = 0,32; Salzs\u00e4ure = 0,02; Chlorcalcium = 0,01; Kochsalz = 0,15; phosphorsaure Erden = 0,06. Die Menge von Fl\u00fcssigkeit, welche t\u00e4glich aus dem Magen der Frau aufgefangen werden konnte, war \u00fcber alle Erwartung gross. Sie betrug bei einem K\u00f6rpergewicht von 53 Kilogr. im Mittel aus 62 Versuchen = 649 Gr. in der Stunde, welches, auf den Tag berechnet, = 15,576 Kilogr. ergiebt. Nun waren allerdings die aufgefangenen Fl\u00fcssigkeiten immer mit Speisen verunreinigt, aber immerhin ist die Menge derselben trotz des grossen Nahrungsbed\u00fcrfnisses der Frau, noch gering anzuschlagen gegen eine solche Masse von Mageninhalt, und zudem ist zu-bedenken, dass durch den Pf\u00f6rtner eine grosse Masse von Mageninhalt abgetlossen sein mag. So merkw\u00fcrdig und wichtig diese Beobachtung ist, so kann sie aber nicht gen\u00fcgen, um daraus ein Mittel f\u00fcr die t\u00e4glich abgesonderte Menge des menschlichen Magensaftes zu ziehen. Siehe \u00fcber ein solches Schmidt und Gr\u00fcnewaldt an den bezeichneten Orten.\nAnalysen von m\u00f6glichst speichelfreiem und stark speichelhaltigem Magensaft des Hundes gaben Bidder und Schmidt.\n1.\tMittel aus 9 Analysen; die Hunde waren in 8 F\u00e4llen mit Fleisch gef\u00fcttert, die wesentlichsten Speichelg\u00e4nge unterbunden ; der Saft wurde aus dem leeren Magen nach vorg\u00e4ngiger Erregung des Magens durch mechanische Mittel aufgefangen.\n2.\tBei einem wie vorher behandeltem Hund, dessen n. vagi durchschnitten waren.\n3.\tMittel aus 3 Analysen bei Fleisch- und Pflanzendi\u00e4t; Speichelg\u00e4nge nicht unterbunden.\n4.\tSpeichelg\u00e4nge nicht unterbunden ; 12 bis 24 Stunden vorher die n. vagi durchschnitten.\n\tWasser\tFerment\tC1H\tKaCl\tNaCl\tCaCl\tNH3C1 3 CaO PO5\t\tMgOPOg Fe203P05\t\n1.\t97,30\t1,71\t0,31\t0,11\t0,25\t0,06\t0,05\t0,17\t0,02\t0,01\n2.\t97,18\t1,57\t0,20\t0,08\t0,14\t0,01\t0,45\t0,30\t0,04\t0,03\n3.\t97,12\t1,73\t0,23\t0,11\t0,31\t0,17\t0,05\t0,23\t0,03\t0,01\n4.\t97,11\t1,72\t0,19\t0,13\t0,49\t0,04\t0,07\t0,23\t0,01\t0,01\nDie mittlere Menge des st\u00fcndlich aus dem Hundemagen zu erhaltenden Saftes sch\u00e4tzen Bidder und Schmidt zu 4,6 Gr. f\u00fcr ein Kilogr. Thier, indem sie, wie es scheint, voraussetzen, dass INahrungsbed\u00fcrfniss und Dr\u00fcsenoberfl\u00e4che anwachsen wie das K\u00f6rpergewicht.\nSchlauchf\u00f6rmige Darmdr\u00fcsen.\nIhrem Bau nach stimmen sie ganz \u00fcberein mit der einfacheren Form der Magenschleimdr\u00fcsen. \u2014 Von den Absonderungen kennt man mit Sicherheit nur die eine, dass die Cylinderzellen ihres Epitheliums mit Schleim gef\u00fcllt sind. \u2014 Frerichs untersuchte eine Fl\u00fcssigkeit, die er f\u00fcr ein normales Absonderungsprodukt jener Dr\u00fcsen h\u00e4lt, aus dem Katzendarm. Um sie aufzufangen, hatte er ein Darmst\u00fcck durch zwei Ligaturen von den benachbarten Stellen abgeschn\u00fcrt ? nachdem dasselbe vor\u00ab","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Schlauchf\u00f6rmige Darmdr\u00fcsen; Fettdr\u00fcsen.\t251\nher von seinem Inhalt durch Streichen mit den Fingern m\u00f6glichst befreit worden. Die Fl\u00fcssigkeit reagir te stark alkalisch und enthielt in 100 Thei-len : Wasser = 97,6; unaufgel\u00f6ste Stoffe 0,9; l\u00f6sheb er ,, Schleif === 0,5; Fett == 0,2; Salze = 0,8. Die Fl\u00fcssigkeiten D\u00fcnn-, umkD.i\u00e7k\u00f4anns waren gleich zusammengesetzt. \u2014 Bidder uni] g\u00e7hmi4t, die auf diesem Wege keinen Darmsaft erhalten konnten,, suchten 4hfn zu gewinnen aus einer Darmfistel, nachdem sie vorher Gallen- und Pankreasg\u00e4nge unterbunden hatten. Sie erhielten jedoch auch auf diesem Wege eine so geringe Menge einer alkalisch reagirenden Fl\u00fcssigkeit, dass sie nicht hinreichte, um eine Analyse damit anstellen zu k\u00f6nnen. Aus dem Dickdarm erhielten sie auch nicht einmal dieses geringe Quantum.\nNach Bidder und S c m i d t soll sich unmittelbar nach dem Wassertrinken die Absonderung etwas vermehrt haben.\nFettdr\u00fcsen.\nZu dieser Dr\u00fcsengattung rechnet man die Hautfollikel (Haarbalgdr\u00fcsen) die Meibom\u2019sehen B\u00e4lge und die Ohrenschmalzdr\u00fcsen. Die Berechtigung f\u00fcr die Zusammenstellung dieser in vielen Beziehungen von einander abweichenden Werkzeuge findet man in dem grossen Fettgehalt des von ihnen abgesonderten Saftes. Obwohl dieser Grund mehr als nichtssagend ist, wollen wir doch das Wenige, welches von diesen Dr\u00fcsen bekannt ist, hier zusammenstellen.\n1.\tHaarbai gdr \u00fc s en*). Ihre H\u00f6hle besitzt entweder die Gestalt eines einfachen bimf\u00f6rmigen oder die eines ver\u00e4stelten Schlauchs. Die Wand besteht nach aussen aus Bindegewebe, auf dessen innerer Fl\u00e4che ein Epithelium aufsitzt, dessen einzelne Zellen einen grossen oder mehrere kleinere Fetttr\u00f6pfchen umschliessen. Gegen das Centrum des Dr\u00fcsenbalges folgen dann Zellen, die reichlicher mit Fett gef\u00fcllt sind, vermischt mit freien Oeltr\u00f6pfchen, die endlich gegen die M\u00fcndung des Balges hin das Uebergewicht bekommen. \u2014 Die freie Oeffnung des Schlauchs geschieht immer in einen Haarbalg hinein, und der einzige Unterschied, der in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Talgdr\u00fcsen besteht, liegt darin, dass bald der Haarbalg an Gr\u00f6sse die Fettdr\u00fcse und umgekehrt bald die letztere den erstem \u00fcbertrifft. \u2014 Das Fett, welches aus den Dr\u00fcsen zum Vorschein kommt, ist ein Gemenge von Elain und Mar-garin. Ausserdem' kommt in ihrem Sekret vor ein eiweissartiger Stoff, Cholestearin, Margarin- und Elainseifen, Kochsalz, Salmiak, etwas phosphorsaures Natron und Wasser. \u2014 Der fettige Antheil geht meist in die Haare \u00fcber.\n2.\tMeibom\u2019 sehe Dr\u00fcsen **). Sie schliessen sich r\u00fccksichtlich ihrer Form und des Baues von Wandung und H\u00f6hle an die Talgdr\u00fcsen\n*) K\u00f6lliker, Gewebelehre. 2. Auflage, p. 175. \u2014 Lehmann, Physiologische Chemie. II. Pd, p. 372.\t^\n**) K\u00f6lliker, 1. c. p. 653.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nMeibom\u2019sehe und Ohrensehmalzdr\u00fcsen.\nan. Ihr Sekret ist noch nicht untersucht; sie liefern dasselbe auf die Augenlidr\u00e4nder,' welche, mit dem fettigen Saft bestrichen, den Thr\u00e4nen dezl-liebertritt*auf die Wangen erschweren.\n\u00b0 8: 'Oh\u2019r e a s c h m \u00e4 i k vbr \u00fc son. In dem \u00e4ussern Geh\u00f6rgang kommen zwei Dr\u00fc&enarten vor, die eine, welche in die Haarb\u00e4lge m\u00fcndet und somit den Talgdr\u00fcsen; vollkommen'gleichartig gebaut ist, und eine andere, die Ohrenschmalzdr\u00fcsen im engern Wortsinn, welche dem Bau ihrer H\u00f6hlung und Wandung nach den mit Muskeln versehenen Schweissdr\u00fcsen sehr \u00e4hnlich ist. Der einzige Unterschied, welcher zwischen Schweissund Ohrenschmalzdr\u00fcsen besteht, wird durch das Epithelium gegeben, welches in den leztern durch seinen fetthaltigen Inhalt ausgezeichnet ist (K\u00f6lliker)*).\nDie Bestandtheile des Ohrenschmalzes**), das vorzugsweise der zuletzt erw\u00e4hnten Dr\u00fcse seinen Ursprung verdanken m\u00f6chte, sind: Olein, Margarin, eine eiweisshaltige Materie, ein in Wasser l\u00f6slicher, gelbgef\u00e4rbter, bitterschmeckender K\u00f6rper und die gew\u00f6hnlichen Blutsalze. \u2014 Die quantitative Zusammensetzung des Ohrenschmalzes ist unzweifelhaft sehr variabel, da es einmal dunkel und fest, das anderemal sehr hell und mehr wasserhaltig abgesondert wird.\nSchweis s d r \u00fcs en.\nJ. Anatomischer Bau***). Das r\u00f6hrenf\u00f6rmige Lumen der Schweissdr\u00fcsen m\u00fcndet auf der Epidermisoberfl\u00e4che, dringt spiralig durch die Epidermis zur Cutis, verengert sich innerhalb derselben und geht dann gestreckt bis in die tiefsten Schichten der Haut, wo es sich abermals etwas erweitert, dann knaulf\u00f6rmig aufwindet, um schliesslich blind zu enden. An den grossem Schweissdr\u00fcsen, z. B. denen der Achselh\u00f6hle theilt sich das Rohr in mehrere Aeste, von denen ein jeder sich verh\u00e4lt wie eine einfache Dr\u00fcse. Die Wand der Dr\u00fcse besteht, wo sie auch Vorkommen mag, so lange sie durch die Cutis l\u00e4uft, aus einer strukturlosen Grundhaut (Virchow). Diese fehlt aber, wenn das Dr\u00fcsenlumen die Epidermis erreicht hat, so dass sich der Canal zwischen den Zellen derselben hinzieht. Auf der innern Fl\u00e4che der Grundhaut sitzt ein Epithelium, das in den Dr\u00fcsen von mittlerer und geringerer Gr\u00f6sse aus einer einfachen Lage rundlicher Zellen besteht, deren Binnenraum ausser dem Kern meist auch Fetttr\u00f6pfchen enth\u00e4lt. In den Schweissdr\u00fcsen der Achselh\u00f6hle, der Peniswurzel und den Schamlippen kommt dazu eine tr\u00fcbe, fettige Masse, welche K\u00f6rnchen, kleinere und gr\u00f6ssere Zellen in sich schliesst. Auf der \u00e4ussern Fl\u00e4che der Grundhaut tragen die zuletzt erw\u00e4hnten Dr\u00fcsen eine Schicht l\u00e4ngs verlaufender Muskel-zellen, und an diese schliesst sich eine streifige Bindegewebsh\u00fclle an,\n*) 1. c. p. 171.\n**) Berzelius, Lehrbuch der Chemie. IX. Bd. 587.\n***) K\u00f6lliker, Hapdbu\u00e7h der Gewebelehre. 2. Aufl. 1855. 162,","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Schweissdr\u00fcsen ; Schwe\u00eess.\n253\nwelche in allen andern Dr\u00fcsen, denen die Muskeln fehlen, sich unmittek bar an die Grundhaut anlegt. \u2014 Das dichte Netz von Blutgef\u00e4ssen, welches dem Dr\u00fcsenkn\u00e4uel umspinnt, entsteht aus den Arterien des Unterhautbindegewebes und geht durch Verbindungszweige, welche dem Ausf\u00fchrungsgang entlang laufen, in das Netzwerk der Cutisgef\u00e4sse \u00fcber. \u2014\nNerven hat man in die Schweissdr\u00fcsen noch nicht verfolgen k\u00f6nnen.\n2.\tSchweiss * *). Der reine Saft der Schweissdr\u00fcsen ist noch keinmal Gegenstand einer gr\u00fcndlichen Untersuchung gewesen; meist ist ein Gemenge des Schweisses mit verdichtetem Hautdunst, Hautschmiere und Epidermisschuppenextrakt, oder auch ein solches aus den festen R\u00fcckst\u00e4nden der erw\u00e4hnten Fl\u00fcssigkeit zur Analyse verwendet worden.\nMan f\u00e4ngt den sog. Schweiss entweder in luftdichten Beuteln auf, in die man den ganzen K\u00f6rper oder einzelne Gliedmaassen w\u00e4hrend der Sehweissbildung einschloss , oder man umkleidet den vorher gewaschenen K\u00f6rpertheil mit reiner Leinwand, die man dann auslaugt, oder endlich, man sp\u00fclt auch nur die Haut mit destil-lirtem Wasser ab, um den R\u00fcckstand zu gewinnen, den der auf der Haut verdunstende Schweiss zur\u00fcckgelassen hat. Qualitative Proben sind \u00f6fter mit den auf der Haut stehenden Schweisstropfen vorgenommen.\nEin solches Gemenge, welches meist sauer reagirt, enth\u00e4lt Stearin, Margarin, Cholestearin (Butter-und Propion-?), Essig- und Ameisens\u00e4ure, Ammoniak, Natron, Kali, Kalkerde, Salz-, Schwefel-, Phosphor- und Kohlens\u00e4ure (Anselmino, Schottin, Gillibert). Hierzu f\u00fcgt Favre Milchs\u00e4ure (durch die Analyse des Zinksalzes nachgewiesen), Hydrot-s\u00e4ure (C10HsN013; HO) Harnstoff, er l\u00e4ugnet dagegen die Anwesenheit von Ammoniak und fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren.\nAndeutungen von Variationen in der Zusammensetzung geben sich zu erkennen : der zuerst abgesonderte Schweiss ist schleimiger (?), fetthaltig und sauer, der sp\u00e4tere*neutral und fettfrei (Gillibert). In der Asche des Fussschweisses fand Schottin nach Prozenten: 3Ca0P05 = 4,1; 3MgO und 3Fe2030P5 = 1,4; K = 11,1; Na = 28,2; CI = 31,3; S03 = 5,5; PO- = 2,2. \u2014 In der Armschweissasche stand das Ka zum Na im Verh\u00e4ltnis von 15,7:27,5.\nlu J00 Theilen eines sog. Armschweisses fand Schottin: Wasser = 97,7; Epithelien = 0,4; l\u00f6sliche organ. Bestandteile = 1,1; Salze = 0,7. \u2014 In den Schweiss gingen, innerlich genommen, Jod, Chinin, Salicin nicht \u00fcber, dagegen Bernstein-, Weinstein-, Benzoes\u00e4ure (Schottin).\n3.\tAbsonderungsgeschwindigkeit. Die Schweissbildung kann Tage und Monate Jang unterbrochen sein; sie tritt gew\u00f6hnlich nur dann ein, wenn aus innern (gesteigerte W\u00e4rmebildung) oder \u00e4ussern (verhinderte Abk\u00fchlung) Gr\u00fcnden die Temperatur der Haut steigt; da aber begreiflich die Temperatursteigerung nicht die einzige Bedi\u00fcgung ist, von welcher die\n#) Anselmino (u*B, Gmelin), Zeitschrift von Tiedemann und Treviranus. II. Bd. \u2014\n\u2022 Schottin,- Zeitschrift f.' physiol\u00f6g. Heilkunde. XI. Bd. \u2014 Favre, compt. rend. XXXV. 721.\nu. Archiv, gener. Juli 1853. \u2014 Gillibert d\u2019Hereourt, Valentin\u2019s Jahresbericht \u00fcber Physiologie f\u00fcr 1853. p. 168.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\tSchweissdr\u00fcsen ; Schweissbildung.\nSchweissbildung abh\u00e4ngt, so tritt sie nicht nothwendig mit der Temperaturerh\u00f6hung ein (trockne Hitze), ja sie scheint nicht einmal eine noth-wendige Bedingung (kalte Schweisse). \u2014 Die Absonderung wird gesteigert durch den Genuss von sehr viel Wasser und durch den Gebrauch einzelner fl\u00fcchtiger Stoffe (?). Beim hydrotherapeutischen Verfahren soll die von einem Erwachsenen abgesonderte Sch weissmenge bis zu 800 Gr. in 1 bis 172 Stunde steigen k\u00f6nnen. Die einmal eingeleitete Schweissbildung unterbricht sich allm\u00e4hlig von selbst, wenn auch die g\u00fcnstigsten Bedingungen zu ihrer Erhaltung bestehen (Gillibert). \u2014 Die Th\u00e4tig-keit der einzelnen Dr\u00fcsen ist von einander unabh\u00e4ngig, wie aus der lokalen Schweissbildung hervorgeht.\n4.\tSchweissbereitung. Die fetten und die fl\u00fcchtigen S\u00e4uren gehen unzweifelhaft aus den Epithelien hervor, da namentlich die Dr\u00fcsen, welche einen starkriechenden Schweiss hervorbringen, reichlich mit Fett gef\u00fcllte Zellen bergen. \u2014 Die Absonderung der Salzl\u00f6sung w\u00fcrde man wegen ihres periodischen Auftretens, und auch darum, weil leidenschaftliche Erregungen \u00f6fter mit Schweissbildung gepaart sind, wohl bereitwillig von einer Beih\u00fclfe der Nerven ableiten, wenn nur irgend eine Art von Nerv zu den Dr\u00fcsen verfolgt werden k\u00f6nnte. \u2014 Da die von Blut strotzende Haut leicht und die zusammengezogene nicht schwitzt, so w\u00e4re daran zu denken, dass eine Erschlaffung der Gef\u00e4ssmuskeln und die daraus entspringende Erweiterung des Gef\u00e4sslumens eine nothwendige Bedingung zur Einleitung der Schweissbildung sei. Damit ist es aber nicht zu vereinigen, dass die Absonderung, welche schon eingetreten war, auch wieder zur\u00fccktritt, trotz der noch bestehenden Blutf\u00fclle. Sollte etwa die Haut der Schweissdr\u00fcsen sich unabh\u00e4ngig von Nerven und Muskeln ver\u00e4ndern k\u00f6nnen?\n5.\tAus den Dr\u00fcsen, welchen Muskeln fehlen, kann der Inhalt nur durch die absondernden Kr\u00e4fte selbst ausgetrieben werden ; die Muskeln in den grossem Dr\u00fcsen sind vielleicht geeignet, den z\u00e4hfl\u00fcssigen Inhalt, der auf ihrem Grund sitzt, zu entleeren. \u2014 Der auf die Hautoberfl\u00e4che ergossene Saft wird uns bei der thierischen W\u00e4rme noch einmal Veranlassung zu Bemerkungen geben.\nHarnwerkzeuge.\nA. Nieren.\n1. Anatomischer Bau. Ein jedes Haarkan\u00e4lchen beginnt in der Nierenrinde mit einem kugeligen S\u00e4ckchen und geht dann in einen engen Schlauch \u00fcber, der gewunden durch die Rinde, gestreckt durch das Nierenmark hinl\u00e4uft. Auf diesem Wege verbindet sich vorerst ein jedes unter einem spitzigen Winkel mit einem benachbarten R\u00f6hrchen; und der aus beiden zusammengeflossene Schlauch l\u00e4uft wieder mit einem \u00e4hnlich entstandenen Nachbar zusammen. Diese Verbindungen wieder-","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Harnwerkzeuge ; Niere.\n2^5\nholen sich nun \u00f6fter, so dass schliesslich eine grosse Anzahl von R\u00f6hren in eine einzige zusammen m\u00fcndet, um auf der Papille sich zu \u00f6ffnen. Das Gesammtlumen der Harnr\u00f6hren nimmt auf dem Wege von der Rinde zur Papille zuerst sehr rasch und dann allm\u00e4hliger ab, da die aus den ersten Zusammenfl\u00fcssen entstandenen R\u00f6hren von demselben die durch die sp\u00e4tem Vereinigungen entstandenen von nicht sehr bedeutend gr\u00f6sseren Durchmesser sind, als jede der einzelnen vor der Vereinigung. \u2014 Die Wandung des Harnkan\u00e4lchens ist aus einer strukturlosen, sehr feinen, aber festen Haut gebildet, auf deren Innenfl\u00e4che eine einfache Lage von Kernzellen aufsitzt, die mit Fl\u00fcssigkeit m\u00e4ssig gef\u00fcllt sind. \u2014 Die Papille, auf welche das bis dahin beschriebene Harnkan\u00e4lchen zugleich mit vielen andern aus der Niere in den Kelch tritt, ist eine kegelf\u00f6rmige Warze, die mit der Base an den Nieren festsitzt und mit der Spitze frei in den Kelchraum ragt. \u2014 Zwischen die Harnkan\u00e4lchen zertheilt sich die art. renalis, die alle diejenigen ihrer Zweige, welche f\u00fcr die Niere selbst bestimmt sind, zuerst durch die Rinde sendet. Aus diesen Zweigen, welche meistens auf dem k\u00fcrzesten Wege von der Grenze des Markes und der Rinde gegen die freie Oberfl\u00e4che gelangen, treten in ziemlich regelm\u00e4ssigen Abst\u00e4nden schon mikroskopische und kurze Zweige aus, welche die Wand des sackartigen Anfangs der Harnr\u00f6hrchen durchbrechen (vas afferens), und dann innerhalb ihres Lumens in ein B\u00fcndel von feinsten Gef\u00e4ssen zerfallen (glomerulus), die sich wieder zu einem grossem (vas efferens) sammeln, das die Wand des Haars\u00e4ckchens abermals durchbricht, so dass der Blutstrom in dem Hohlraum des Harnkan\u00e4lchens ein- und ausbiegt (Bowmann), Man giebt an, dass der Theil des Glomerulus, welcher gegen die H\u00f6hle (im Gegensatz zur Wand) des Harnkan\u00e4lchens gerichtet sei, noch mit einer Epitheliallage bedeckt werde. \u2014 Wenn das ausf\u00fchrende Blutgef\u00e4ss wieder zwischen die Harnkan\u00e4lchen getreten ist, so zerspaltet es sich noch einmal zu einem weitmaschigen Netze, das in Verbindung mit den Ver\u00e4stelungen der umliegenden vasa efferentia die Harnkan\u00e4lchen auf ihren gewundenen und geraden Wegen umspinnt und aus dem die Wurzeln der Nierenvenen ihren Ursprung nehmen. Dieser Beschreibung entsprechend w\u00fcrde das f\u00fcr die Niere bestimmte Blut der a. renalis durch ein doppeltes Capillarensystem laufen, von denen das erste in das Lumefi des Gef\u00e4sskan\u00e4lchens ragt und das zweite ausserhalb auf der Wandung desselben liegt. In der That gilt dieses aber nicht f\u00fcr alles Nierenblut. Ein Rest der kleinsten Arterienzweige nem-lieh, welche, von dem Mark zur Rinde aufsteigend, die vasa afferentia abgegeben haben, gelangt schliesslich auf die Oberfl\u00e4che der Niere, wo sich keine kugeligen Anschwellungen der Harnkan\u00e4lchen mehr vorfinden; an diesem Orte zerfallen darum sogleich die arteriellen End\u00e4stchen in ein Netz, dem \u00e4hnlich, das aus den ausf\u00fchrenden Gef\u00e4ssen des Glomerulus hervorgeht.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nHarnwerkzeuge ; Niere.\nDie Ver\u00e4nderung des Lumens, welche die Gef\u00e4ssr\u00f6hren innerhalb der Nieren und insbesondere von den zuf\u00fchrenden Gef\u00e4ssen des Glomerulus abw\u00e4rts erfahren, verh\u00e4lt sich sehr wahrscheinlich in der Art, dass der Querschnitt in dem zuf\u00fchrenden und abf\u00fchrenden Gef\u00e4sse sehr viel kleiner ist, als derjenige, welcher von der Summe der Gef\u00e4sse des Kn\u00e4uels dargestellt wird; die Summe der Querschnitte s\u00e4mmtlicher Capillaren des zweiten Netzes d\u00fcrfte gr\u00f6sser sein, als diejenige des ausf\u00fchrenden Gef\u00e4sses, aber kleiner, als der Querschnitt der Nierenvene. Das Schema dieser Anordnung des Lumens dr\u00fcckt Fig. 54. aus; a ent-\nFig. 54.\nspricht dem vas afferens, g sind die vereinigten Querschnitte der einzelnen Gef\u00e4sse im Glomerulus, e passt auf das vas ef\u00eferens und v auf das zweite Netz und die Venenwurzeln. \u2014 Von dem Bau der H\u00e4ute w\u00e4re hervorzuheben, dass vas af- und efferens Muskelzellen tragen und dass die \u00e4usserste Wandschicht des Nierenvenenstammes mit einer starken Muskellage ausgestattet ist. \u2014 Aus der Niere tritt eine nicht sehr betr\u00e4chtliche Zahl von d\u00fcnnen Lymphgef\u00e4ssen aus, die ebensowohl aus der Tiefe wie von der Oberfl\u00e4che ihren Zufluss beziehen. \u2014 In die Niere und zwar l\u00e4ngs der Arterie gehen Nerven ein, welche aus dem plex. coeliacus stammen; sie sind auf ihrem Wege mit kleinen Ganglienhaufen belegt; die Anordnung der anatomischen Elemente innerhalb derselben ist noch nicht dargelegt. Der letzte Ursprung derselben ist theilweise wenigstens unzweifelhaft in dem Hirn zu suchen, da die Verletzung derselben sehr schmerzhaft empfunden wird. \u2014 Alle diese Gebilde sind in der Niere selbst eingebettet in eine meist strukturlose Zwischensubstanz und umschlossen von einer festen Bindegewebskapsel.\n*\n2. Chemischer Bau der Nieren*). Die strukturlose Membran der Harnkan\u00e4lchen n\u00e4hert sich nach ihren chemischen Beaktionen dem elastischen Gewebe. Die H\u00e4ute der in den Harnkan\u00e4lchen liegenden Zellen tragen die Eigenschaften der jungen Deckzellen; den Inhalt giebt man verschieden an, zum Theil als Eiweiss, als Harnbestandtheile (?),\nals Fett; er mag wohl ver\u00e4nderlich sein. \u2014 Die Gef\u00e4sse zeigen die be-\n\\\n*) Simon, Mediz. Chemie. Berlin 1842. II. Bd. 533. \u2014 G. Lang, De adipe in urina et renibus.\nDorpat 1852. \u2014 Frerichs, Bright\u2019sche Krankheit. Braunschw. 1851. 42.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Niere; Blut uod Blutstrom.\nkannten Eigenschaften. \u2014 Wie die Zwischensubstanz und der sie durchtr\u00e4nkende Saft beschaffen sei, ist unbekannt.\n3.\tDa kein Grund vorliegt, dem Blut in der Nierenarterie die Zusammensetzung des arteriellen \u00fcberhaupt abzusprechen, so m\u00fcssen wir auch annehmen, dass es die wesentlichen Bestandtheile des Harns enth\u00e4lt. Diese letztem mehren sich in dem Blute nach Ausrottung der Nieren (Dumas und Pr out), oder wenn die Ausscheidung des Harns in den Nieren unterdr\u00fcckt wird (Babington). \u2014 Ein anderer als der allgemeine Unterschied in der Zusammensetzung des arteriellen und ven\u00f6sen Blutes hat in den entsprechenden Blutarten aus den Nieren offenbar aus Mangel an hinreichend feinen analytischen Mitteln noch (vid. p. 24)\nnicht nachgewiesen werden k\u00f6nnen.\nDas Blut oder \u00fcberhaupt die K\u00f6rpermasse eines Thieres, dem man die Nieren genommen bat, enth\u00e4lt nach den Angaben von Bernard, Barreswill*) und Stannins**) immer auffallend viel weniger Harnstoff, als in der Zeit, w\u00e4hrend welcher die Niere fehlt, dureb diese ausgesondert sein w\u00fcrde. Dieses scheint vorzugsweise dadurch bewirkt zu werden, dass der zur\u00fcckgehaltene Harnstoff sich in kohlensaures Ammoniak umsetzt.\ngegeben werden.\nFisr. 55.\n4.\tWenn die Spannung und Geschwindigkeit, unter und mit der das Blut in der Nierenarterie fliesst, wie nicht zu zweifeln, denjenigen in den a. carotis und cruralis sich ann\u00e4hert, so muss in kurzen Zeiten durch das Nierengewebe relativ viel Blut dringen, bei dem grossen Querschnitt, den die Nierenarterie darbietet. \u2014 Das ungef\u00e4hre Gesetz f\u00fcr die Formen der Spannungscurven innerhalb der beiden Capillarensysteme kann nach den Angaben \u00fcber die fortlaufende Ver\u00e4nderung des Lumens (Fig. 54)\nSie muss, entsprechend den Grunds\u00e4tzen, welche\nS.\t44 u. f. entwickelt sind, die in Fig. 55 angegebene annehmen. Ueber die absoluten Werthe der Spannungen l\u00e4sst sich einzig die Angabe machen, dass die in den Venen vorhandene ann\u00e4hernd derjenigen gleich sein muss, welche in der vena jugularis beobachtet wurde.\nDa die Zu- und Abflussr\u00f6hren f\u00fcr die Glomeruli sowohl als auch die Nierenvenenst\u00e4mme in ihren Wandungen Muskeln enthalten, so liegt die M\u00f6glichkeit vor, dass sich der Strom in den Nieren je nach den Verk\u00fcrzungen dieser Muskeln \u00e4ndere, selbst wenn die Herzbewegungen und die Blutf\u00fclle des ganzen Organismus unge\u00e4ndert bleiben.\n5.\tHarn. Die Fl\u00fcssigkeit, welche aus den Harnkan\u00e4lchen ausgeschieden wird, enth\u00e4lt sehr verschiedene Stoffe in L\u00f6sung, je nach der Lebensart, den Nahrungsmitteln und besonderen allgemeinen k\u00f6rperlichen Zu-\n*) Archives generales. 1847.\n**) Scheven, Ueber die Ausschneidung der Niere u. deren Wirkung. Rostock 1848. Ludwig, Physiologie. II.\t17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"259\nNiere ; Harn.\nst\u00e4nden. Man hat sich darum bestimmt, denjenigen Harn als den normalen anzusehen, welcher entleert wird bei g\u00e4nzlichem Enthalten von Nahrung, oder bei Aufnahme einer solchen, welche wesentlich aus eiweissartigen K\u00f6rpern, Fetten, Amylon, den gew\u00f6hnlichen Blutsalzen und Wasser besteht. Unter dieser Voraussetzung erscheinen im Harn: Harnstoff, Kreatinin, Harns\u00e4ure, Hippurs\u00e4ure, Farbstoffe, Zucker, Fette, Ammoniak, NaO, KO, CaO, MgO, C1H, C02, P05, S03 und dazu eine geringe Menge organischer Stoffe von unbekannter Zusammensetzung (Extrakte).\nDa die quantitative Zusammensetzung des Harns zu verschiedenen Stunden des Tags ungemein ver\u00e4nderlich ist, w\u00e4hrend bei gleicher Lebensweise die des mittleren t\u00e4glichen Harns sich von einem Tag zum andern ann\u00e4hernd gleich bTeibt, so haben es die meisten Experimentatoren vorgezogen, den in 24 Stunden gelassenen Harn zu vereinigen und ibn zu analysiren.\nDamit ist also zugleich eine Beziehung der Absonderungsmenge zur Zeit gegeben, aus der sich ein Ausdruck f\u00fcr die Absonderungsgeschwindigkeit ermitteln l\u00e4sst. Die physiologischen Chemiker sind nun \u00fcberein gekommen, als Absonderungsgeschwindigkeit den Quotienten zu betrachten, welcher gewonnen wird durch Division der Kilogramme des gesammten K\u00f6rpergewichts in die Gramme der w\u00e4hrend der Zeiteinheit abgesonderten Harnbestandtheile. Bei dieser Stellung des Begriffs geht man von der Voraussetzung aus, dass die zuletzt genannten Stoffe in allen oder wenigstens in der dem Gewicht nach \u00fcberwiegenden Mehrheit der Organe des thierischen K\u00f6rpers gebildet und nur durch die Nieren ausgeschieden werden. Diese Annahme ist, so weit wir wissen, unverf\u00e4nglich f\u00fcr eine gr\u00f6ssere Zahl der Harnbestandtheile.\nHarnstoff. Wahrscheinlich ist dieser K\u00f6rper im Harn im freien Zustand gel\u00f6st; man vermuthet jedoch auch die Anwesenheit einer Verbindung von Harnstoff mit Kochsalz. Das Gewicht des in 24 Stunden entleerten Harnstoffs ist ver\u00e4nderlich: 1) Mit der Menge und Art der Lebensmittel *). Eine g\u00e4nzliche Entziehung aller Nahrungsmittel verringert die t\u00e4gliche Harnstoffausscheidung in den ersten Tagen des Hungerns rascher, als in den sp\u00e4tem; so dass namentlich bis zum eintretenden Hungertode noch Harnstoff ausgeschieden wird. (Lassaigne, Scherer, Becher am Menschen), (Schmidt, Frerichs, Bischoff am Thier). \u2014 Die Harnstoffmengen, welche ein und derselbe Hund w\u00e4hrend des Hungerns lieferte, sind gr\u00f6sser, wenn derselbe vor Beginn der Hungerkur gem\u00e4stet, geringer, wenn er nur so weit gef\u00fcttert war, dass sich sein K\u00f6rpergewicht unver\u00e4ndert erhielt (Bischoff). \u2014 b) Der Genuss von\n*) Lehmann, Physiolog. Chemie. II. Bd. 167. \u2014 Frerichs, M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1848. 467. \u2014 Bidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. 1852. p. 292 u. f. -\u2014 Scherer, W\u00fcrzburger Verhandlungen. II. Bd. 180. \u2014 Bischoff, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen 1853. \u2014\u2019Barrai, Statique chim. des animaux. Paris 1850.,437. \u2014 E. Becher, Studien \u00fcber Respiration. Z\u00fcrich 1855. \u2014 J. Lehmann, Liebig\u2019s Annalen. 87. Bd. 205. \u2014 Bischoff, Liebig\u2019s Annalen. 88. Bd. 102.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Niere; Harn, Harnstoff.\n259\nFett und Amylon mindert die Harnstoffabscheidung; namentlich liefert ein und dasselbe Thier weniger Harnstoff beim ausschliesslichen Gen\u00fcsse von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen Futter aus Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweissartiger Stoffe, als bei vollst\u00e4ndiger Nahrungsentziehung. Eine aus Mehl, Fett und Fleisch gemischte Nahrung erzeugt weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von Fleisch f\u00fcr sich allein genommen hervorbringt. \u2014 c) Eine Nahrung von Eiern, Muskelfleisch, leimgebendem Gewebe steigert die Harnstoffbildung (Bi sch off), und zwar nimmt das t\u00e4gliche Harnstoffgewicht in dem Maasse zu, in dem die Menge jener Nahrungsstoffe w\u00e4chst. Der ausgeschiedene Harnstoff enth\u00e4lt aber nie den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingef\u00fchrt wurde (B o u s s i n g a u 11, Lehmann, Barrai, B i s c h o f f), selbst dann nicht, wenn sich das K\u00f6rpergewicht durch die Nahrung nicht mehrt, mit andern Worten, wenn das Gewicht der t\u00e4glichen Ausgaben und Einnahmen gleich ist. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen, welche mit der Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgef\u00fchrt werden, ist nach Bisch off in weiten Grenzen unabh\u00e4ngig von der Quantit\u00e4t der Nahrung, so dass er insbesondere bei einer k\u00e4rglichen und \u00fcberm\u00e4ssig reichlichen Fleischf\u00fctterung sich gleich bleibt; nur wenn Fett, Kochsalz und Wasser in den Nahrungsmitteln stark vertreten sind, vermindert sich die Menge des auf anderen Wegen ausgeschiedenen Stickstoffs. \u2014 d) Ein reichlicher Wasserzusatz zu der Nahrung bewirkt, dass mehr Harnstoff ausgeschieden werde, als bei Genuss derselben Speisen ohne Wasser geschehen w\u00e4re (Bi sch off, Becher). Der letztere Beobachter fand, als er in einem Tage 10,85 Ltr. Wasser trank, dass an diesem die Harnstoffmenge das gew\u00f6hnliche Maass weit \u00fcberstieg und dann, als die folgenden Tage die gew\u00f6hnliche Lebensweise ohne Wasser gef\u00fchrt wurde, erst nach dreimal 24 Stunden die normale Harnstoffquantit\u00e4t wieder erschien. \u2014 e) Aehnliches bewirkt das Kochsalz (Boussinga ult, Barrai, Bi sch off). \u2014 f) Ein Kaffeeaufguss, der Nahrung zugesetzt, mindert die Harnstoffausscheidung (Bocker, Jul. Lehmann).\nHarnstoff, Harns\u00e4ure, Thein, Theobromin (W\u00e4hler, Frerichs*), Lehmann)**), Cubeben lind Cautharidentinktur (Sigmund)***) mehren, Digitalis (?) (Sigmund, Becher) mindert die Harnstoffausscheidung, wenn sie der Nahrung zugesetzt werden. ,\nNach Lehmann soll 2) die t\u00e4gliche Harnstoffmenge um etwas wachsen mit der Anstrengung unserer Muskeln. \u2014 3) ln einigen Krankheiten, z. B. dem Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in anderen, z. B. der Bright\u2019sehen Nierenregeneration und der Zuckerruhr, mindert sich die Menge des ausgeschiedenen Harns sehr merklich. In\n*) Liebig\u2019s Annalen. 65. Bd. 335.\n**) 1. c. H. Bd. 414.\n**\u2022) Virchow\u2019s Archiv, VI. Bd. 245.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nNiere; Harn, Harnstoff.\ndem ersten Fall h\u00e4uft er sich im Blute an, der Grund der Verminderung liegt darum nur in dem ausscheidenden Apparat; im zweiten Fall (Zuckerharnruhr) wird aber gar kein Harnstoff gebildet, selbst wenn man den Kranken reichlich mit Fleisch n\u00e4hrt (Gorup)*).\nEine Vergleichung der mittleren t\u00e4glichen Absonderungsgeschwindigkeit des Harnstoffs in verschiedenen Lebensaltern und Geschlechtern hat Thatsachen ergeben, welche, wie es scheint, in vollkommener Uebereinstimmung mit den Ableitungen aus den bis dahin mitgetheil-ten Thatsachen sind, insofern im Allgemeinen M\u00e4nner und Kinder mehr essen und sich bewegen, als Frauen und Greise. \u2014 1) Bei Kindern ist die Bildung des Harnstoffs lebhafter, als bei Erwachsenen, sehr bedeutend gehemmt ist sie im Greisenalter (Lecanu**), Scherer***), Bi sch off). 2) Im m\u00e4nnlichen Geschlecht soll im Allgemei-\nFigt 56,\tnen die Harnstoffbildung beschleunig-\nter vor sich gehen, als im weiblichen (Becquerel I), Lecanu, Bisch off). Ueber die Harnstoffab-scheidung schwangerer Frauen siehe\nB\u00f6cker ft).\nDie t\u00e4gliche Variation der Abson-derungsgeschwindigkeit ist bis dahin noch wenig beachtet worden. Bisch off giebt an, dass die st\u00fcndliche Menge des abgesonderten Harnstoffs von 1011 Abends bis Mittags lh etwas geringer ist, als von lh bis 10h. Auf Fig 57\tlh fiel die Hauptmahlzeit. \u2014 Becher\nbestimmte die Harnstoffmenge\nQfMarju\nf\u00fcr die einzelnen Stunden von Morgens 8h bis Abends 11 h und die Menge des Harnstoffs in dem Harn von Abends 11 h bis Morgens 8h. Das beobachtete Individuum nahm kein Fr\u00fchst\u00fcck, Mittags 12h 30 ein gew\u00f6hnliches Mittagsessen und Abends 9h ein Abendessen mit Bier. Hierbei fand sich, dass die Harnstoff-\n*) Scherer\u2019s Jahresbericht \u00fcber physiolog. Chemie f\u00fcr 1848. 90. **) Journal de pharmacie. XXV. Bd. 1839.\n***) W\u00fcrzburger Verhandlungen. III. Bd. 180.\n-{\u2022) Der Urin. Leipzig 1842. 26. ff) Scherer\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1848. 93.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"261\nNiere ; Harn, Harnstoff.\ndem Erwachen (7 \u2014 8h) allm\u00e4hlig absank, dann bis um lh zu steigen anfing, bis sie zwischen 4 und 5h ihren h\u00f6chsten Werth erreichte, von da bis um 9h wieder absank, um bis zu 11 h wieder anzusteigen und die Nacht durch allm\u00e4hlig zu sinken (?). \u2014 An einem andern Tage, an welchem dasselbe Individuum gar keine Nahrung zu sich nahm, stieg sie von Morgens 7h und erreichte zwischen 5h und IIh Abends ein Maximum und sank in der Nacht wieder ab; als am darauf folgenden Tage um lheine reichliche Fleischmahlzeit eingenommen ward, erhob sich die Ausscheidung gegen 3h auf ein Maximum und sank von da an rasch zur\u00fcck. \u2014 Becher fand, indem er an dem ersten der erw\u00e4hnten Beobachtungstage die gesammte llarnmenge der einzelnen Stunden wog, keine direkte Bezieiiung zwichen dem ausgeschiedenen Harn- und Harnstoffgewicht; namentlich fiel das Maximum der Harnentleerung zwischen 2 und 3h und 10 und 11h pm. Eine gewisse Beziehung ist jedoch aus den graphischen Darstellungen beider Absonderungen (Fig. 56 der Harnstoff in Grammen und Fig. 57 der Harn in Grammen, auf die Abszisse der Zeit aufgetragen) erkennbar.\nEinige Mittelzahlen aus Beobachtungen am Menschen sind zum Beleg der aufgestellten Regeln in der folgenden Tafel verzeichnet.\nGeschlecht.\tAlter.\tK\u00f6rpergew. in Kilogr.\tNahrung. i\tHarnstoffgewicht in 24 Stden.\tQuot. aus d. K\u00f6rper-u. d. Harn-stoffgew.\tZahl d. zu Grunde gel. Beob.-Tage.\tBeobachter.\n\t\tj\t) - Gemischte\t32,0 G.\t\t15\t\n\t\t\t1 Fleisch und Eier\t53,0 \u201e\t\t12\t\nM\u00e4nnlich\t35 J.\t9 S ' |\t| Reine Pflanzenkost\t22,5 \u201e\t\t12\tLehmann.\n\t\t!\tk Zucker\t15.4 \u201e\t\t3 )\t\\\n\t\t\tf Gemischte\t47,2 \u201e\t\t2 \u00cf\tk\n\t\t\tV2 Pfd. Fleisch\t38,8 \u201e\t\t1\t\n\t\t\tOhne Nahrung\t30,6 \u201e\t\t1\t\n\t\t\tOhne Nahrung; digitalis\t\t\t\t\n\t\t\tinfus, von 29 Gr. auf\t\t\t\t\nM\u00e4nnlich\t24 J.\t? <\t218 Gr. Wasser\t29,31 \u201e\t\t1\t\n\t\t\u00bb\tGemischt (wie vorhin)\t\t\t\t\" Becher.\n\t\t\tmit 10,850 Litr. Was-\t\t\t\t\n\t\t\tser\t71,16 \u201e\t\t1\t\n\t\tt\t1 Tag nachher gleiche\t\t\t\t\n\t\t\tKost ohne Wasser\t40,36 \u201e\t\tJ\t\n\t\t\t1,2 Tage nachher idem.\t47,79 \u201e\t\t1 /\t\nM\u00e4nnlich\t45 \u201e\t108\t\\\t37,70 \u201e\t0,35 -\t\\ > )\t\nWeiblich\t43 \u201e\t89,75 i\t1 Reichliche Kost der\t25,32 \u201e\t0,28 |\t6\tBischoff.\nM\u00e4nnlich\t16 \u201e\t48,5\t( h\u00f6heren St\u00e4nde\t19,86 \u201e\t0,41 j\t1\t\nWeiblich\t18 \u201e\t65,6\t) f\t20,91 \u201e\t0,32 i ' /\t1 )\t\nM\u00e4nnlich\t3,5 \u201e\t\u2022 38,6\tGemischte\t12,98 \u201e j\t0,81\t^ i m\t\n91\t7 \u201e\t&\tGemischte\t18,29 \u201e j\t[\t\tScherer.\n71\t22\tI 135,0\tGemischte\t! 27,00 \u201d\t0,42\t\t\u2022?\ti \u2022\t\u00ab\t\n99\t38 \u201e\tj\tGemischte\t| 29,82 \u201eJ\ti\t\tt\t","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nNier&; Harn, Kreatinin, Harn-, Hippurs\u00e4ure.\nZur quantitativen Bestimmung des Harnstoffs d\u00fcrften von nun an nur noch die Methoden von Liebig, Bunsen oder Heintz angewendet werden, da die altern Ver-fahrungsarten zu Verlusten f\u00fchren. Die Zahlen von Bischoff, Scherer und Becher, welche nach Li e h ig\u2019 s Vorschrift analysirten, sind darum nicht vergleichbar mit den L e h m a n n\u2019 sehen.\nKreatinin ist zwar ein constanter aber quantitativ noch nicht bestimmbarer Harnbestandtheil (Heintz, Pettenkofer, Liebig). Die Anwesenheit des Kreatins behauptet Liebig gegen Heintz*).\nHarns\u00e4ure. Sie soll durch phosphorsaures Natron des Harns gel\u00f6st werden, indem hei ihrer Gegenwart aus 2Na0P05, HO* entstehe Na02Ur undNaOP05, 2HO.(Liebig)**). \u2014 In normalen Zust\u00e4nden ist immer nur wenig von dieser S\u00e4ure im Harn vorhanden; ihr Vorkommen ist namentlich von der Nahrung unabh\u00e4ngig, da sie bei reiner Fleisch- und Zuckerkost erscheint (Lehmann). Die Menge der in 24 Stunden gelieferten Harns\u00e4ure wechselt in etwas mit den Nahrungsmitteln, indem sie bei anhaltendem Gebrauche von Pflanzenkost in etwas geringerm Maasse vorhanden zu sein scheint. \u2014 In den ersten Tagen nach der Geburt sind die Harnkan\u00e4lchen mit krystallinischer Harns\u00e4ure gef\u00fcllt (Virchow). Nach Verminderung der Hautausd\u00fcnstung und dadurch vermehrter Urinentleerung soll sich die Harns\u00e4ureausscheidung steigern (Marcet). Vorzugsweise steigert sich aber die Harns\u00e4ure in Krankheiten, Verdauungsst\u00f6rungen u. s. w. \u2014 Becquerel fand die mittlere t\u00e4gliche Harns\u00e4uremenge = 0,5 Gr. (beim weiblichen und m\u00e4nnlichen Geschlecht gleich viel), B. Jones***) = 0,4 bis 0,6 Gr., Lehmann bei Fleischkost = J,48 Gr., bei gemischter ~ 1,20 Gr., bei vegetabilischer = 1,02 Gr., bei Zuckernahrung = 0,74 Gr.\nNach Schweig wechselt die t\u00e4gliche Harns\u00e4uremenge mit den Mondphasen; die Grenzen, innerhalb der nach seiner Angabe die Variationen fallen, sind enger, als die der Fehler in seiner Methode. \u2014 Die Niederschl\u00e4ge der Harns\u00e4ure aus dem gelassenen Urin finden ihren Grund in der Abk\u00fchlung desselben; saures harnsaures Natron ist in der h\u00f6heren Temperatur l\u00f6slicher.\nHippurs\u00e4ure. Sie ist auf dieselbe Weise wie Harns\u00e4ure im Urin gel\u00f6st (Liebig). Ihre mittlere t\u00e4gliche Menge \u00fcbertrifft die der Harns\u00e4ure nicht. Am reichlichsten erscheint sie nach dem Genuss von Benzoe- und Zimmts\u00e4ure (Ure, Wohl er), welche sich auf dem Wege durch den K\u00f6rper mit dem irgendwo vorhandenen Glycin paaren (vergl. I. Bd. p. 32), und umgekehrt soll sie nach mehrt\u00e4giger reiner Fleischkost vollkommen verschwinden (Ranke) f); nach Pflanzenkost wird sie reichlicher abgesondert (Pettenkofer, Lehmann). Sie scheint sich somit im Gegensatz zur Harns\u00e4ure zu finden. Quantitativ ist sie noch nicht genauer bestimmt.\n*) Poggendorf, Annalen. 74. Bd. 125.\n**) Dessen Annalen. 50. Bd. 161.\n\u2022\u00bb**) philosophical Transactions. 1849. p. 250. t) H. Ranke, Physiolog.-ch\u00e9imsche Untersuchungen etc. Erlangen 1851,","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Niere; Harn* Ammoniak, Farbstoffe, Extrakte, Chlor\u00bb\n263\nBei der zuckerigen Harnruhr bleibt sie auch nach tagelanger reiner Fleischnahrung im Harn (Lehmann).\nAmmmoniak. Der frische Harn entwickelt immer Ammoniak, selbst bei Anwendung eines analytischen Verfahrens, welches die Harnstoffzersetzung vermeidet (Boussingault, Neubauer)*).\nFarbstoffe**). In dem gew\u00f6hnlichen Harn scheinen mindestens zwei gef\u00e4rbte K\u00f6rper gel\u00f6st zu sein, ein rother und ein brauner. Der rothe, Urohaematin, tr\u00e4gt die Reaktionen des Blutroths, enth\u00e4lt wie dieses Eisen (Harley) und ist stickstoffreich (Scherer); man wird ihn darum f\u00fcr Blutroth ansprechen d\u00fcrfen. \u2014 Der braune ist seinen Reaktionen nach Gallenfarbstoff. \u2014 In nicht gar zu seltenen F\u00e4llen bildet sich beim Stehen oder beim Behandeln des Harns mit Salpeters\u00e4ure noch ein dritter blauer, krystallinischer Farbstoff (Prout, Martin, Vir-c h o w), der nach Fr. Simon und Mitscherlich Indigo ist, was Hassal und Sicherer best\u00e4tigen. Durch welche Bedingungen sich die Farbstoffe w\u00e4hrend des gesunden Lebens \u00e4ndern, ist noch nicht fest* gestellt.\nIn Ermangelung einer Abscheidungsmethode bedient sich J. Vogel***) der f\u00e4rbenden Kraft des Urins, um die relativen Mengen von Farbstoff zu finden, welche in zwei Harnen vorhanden sind. Da nach seinen Beobachtungen die dunkeln von den hellen Harnen sich nicht durch eine besondere Art, sondern eine st\u00e4rkere Conzen-tration des Farbstoffs unterscheiden, so stellte er Normalf\u00e4rbungen (Farbenskala) her und zugleich die Verd\u00fcnnung fest, welche die tieferen Farben erfahren m\u00fcssen, um in die helleren \u00fcberzugehen.\nHarzef) (Omychmyl) erinnern nach Scharling durch ihre pro-zentige Zusammensetzung an die K\u00f6rper der Salicylgruppe; wann und wie ihre Menge im Harn steigt und f\u00e4llt, ist noch unbekannt.\nExtrakte. Farbstoff, Harnharze, die Spuren der fl\u00fcchtigen S\u00e4uren des Harns ft) (S ta edel er) und wahrscheinlich noch einige andere K\u00f6rper, die man nicht von einander scheiden kann, bestimmt man gew\u00f6hnlich zusammen und nennt dann dieses Gemenge Extrakte. Nach Lehmann sollen die. t\u00e4glich entleerten Mengen zunehmen bei vegetabilischer Kost; Scherer fand relativ zum K\u00f6rpergewicht im Harn zweier Kinder (3 und 7 Jahre) weniger Extrakte, als bei Erwachsenen.\nChlorfft), an Kalium und Natrium gebunden. Die t\u00e4gliche Menge desselben wird bestimmt: a) Die Chlorentleerung besteht, so lange der Organismus CI haltig ist; da dieses aber immer der Fall, so wird auch ein l\u00e4ngeres Chlorfasten den Chlorgehalt des Harns wohl mindern, aber\nAnnales de chimie et physique. XXIX. 472. (1851). \u2014 Pharmazeut. Centralbl. 1855. Nr. 1\u00ab. u. 18.\n**) Harley, W\u00fcrzburger Berichte V. Bd. April. *\u2014 Virchow, ibid. H. Bd. 303. Simon, Beitr\u00e4ge. I. Bd. 118. \u2014 Hassal, Pharmazeut. Centralblatt. 1854. 255 und 768. \u2014 Sicherer, Liebig\u2019s Annalen. 90. Bd. 131.\n***) Archiv des Vereins f\u00fcr wissensch. Arbeiten. I. Bd. p. 96. j) Liebig\u2019s Annalen. 42. Bd. 295.\n*H) I. Bd. p. 32.\t, . ,\n+t+) Bisch off, Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen 1853. \u2014 Derselbe, Lie big s Annalen. 88. Bd. 109. \u2014 He gar, Scherer\u2019s Jahresbericht \u00fcber physiolog. Chemie f\u00fcr 1852. p. 121. \u2014 Wundt, ibid, f\u00fcr 1853. p. 135,","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nNiere ; Harn, Schwefels\u00e4ure,\nnicht zum Verschwinden bringen. Nach Wundt nimmt bei g\u00e4nzlicher Enthaltung von Chlorkost in den ersten Tagen der Chlorgehalt des Harns rasch ab, in den sp\u00e4teren bleibt er sich ann\u00e4hernd gleich. So fand er bei Chlorhunger an sich selbst 1. Tag = 7,207 Gr.; 2. Tag = 3,623 Gr.; 3. Tag =r 2,437 ; 4.Tag=l,359; &.Tag= 1,091. Vom Abend des 3. Tags an wurde der Harn eiweisshaltig. Diesem Befunde am Menschen widersprechen die Beobachtungen von Schmid t an Katzen. Beim anhaltenden Hungern verschwand das CI g\u00e4nzlich. \u2014 b) Durch den Kochsalzgehalt der Nahrung; die Ausscheidung nimmt zu wie die aus der Nahrung in das Blut \u00fcbergegangene Menge = Kochsalzgehalt der Speisen weniger dessen des Koths. Nach Bisch o ff tritt jedoch (beim Hund) nicht das ganze in das Blut \u00fcbergegangene Kochsalzgewicht durch den Harn wieder aus. Entweder geht es also auch hier, wie beim Menschen, durch den Schweiss verloren, oder es wird Kochsalz zu andern Verbindungen zersetzt und in diesen entfernt. \u2014 c) Ein reichliches Trinken kochsalzfreien Wassers vermehrt das t\u00e4gliche Kochsalzgewicht des Urins. \u2014 d) 1st einige Zeit hindurch (Fasten und Wassertrinken) mehr Kochsalz durch den Harn ausgeschieden, als durch die Nahrung aufgenommen, so steigert eine Vermehrung des Kochsalzgehaltes in den Speisen den des Urins erst dann, wenn der Organismus wieder vollst\u00e4ndig mit Chlor ges\u00e4ttigt ist (Hegar). \u2014 Das Stundenmittel der Absonderungsgeschwindigkeit ist bei gew\u00f6hnlicher Kost zwischen 10 bis 1 Uhr Nachmittags = 0,807 Gr., Nachts von 10 bis 7 Uhr = 0,280 Gr. und Morgens von 7 bis I Uhr = 0,783 Gr.\nDer mittlere Werth des t\u00e4glichen Kochsalzes im Urin schwankte nach den bisherigen Beobachtungen beim erwachsenen Menschen und gew\u00f6hnlicher Kost zwischen 7,0 bis 21,8 Gr.\nAus der Thatsache, dass nach dem Erwachen die Cblorausseheidung viel lebhafter ist, als w\u00e4hrend des Schlafs, war man geneigt zu scbliessen, dass die Muskelbewegung seine Ausscheidung bef\u00f6rdere (Hegar)j Mesler scheint aus seinen Beobachtungen diese Folgerung zu bestreiten.\nSchwefels\u00e4ure*) Sie ist im Harn an Alkalien gebunden, a) Die Bildung der Schwefels\u00e4ure scheint Folge der zur Lebenserhaltung noth-wendigsten Vorg\u00e4nge zu sein; sie ist demnach, so lange das Thier lebt, in ihm enthalten und wird somit auch bei g\u00e4nzlicher Entziehung der Nahrung bis zum Hungertode ausgeschieden (Schmidt). \u2014 b) Die t\u00e4gliche Schwefels\u00e4ureausscheidung w\u00e4chst mit dem Gehalte der Nahrung an Schwefel, namentlich also bei Fleischnahrung, ferner mit einem Zusatz von Schwefel, Schwefelkalium, verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure und vorzugsweise von schwefelsaurem Natron (W\u00f6hler, Lehmann, Gr\u00fcner, B. Jones). Das Ansteigen des Schwefels\u00e4uregehaltes im Harn erfolgt nach einem Zusatz von schwefelhaltigen Stoffen zur Nahrung, findet sich\n*) Simon, Mediz. Chemie. II. Bd. p. 474.\u2014 Dumas, Chimie physiologique. Paris 1846. p.549.'\u2014 Gr\u00fcner in Scherer\u2019s Jahresb. f\u00fcr physiolog. Chemie f. 1852. p. 122.\t\u2014 Bence Jones,\nPhilosophical transactions. 1849. I. Thl. p. 252 u. ibid. 1850. p. 661. \u2014 Bidder il. Schmidt, Verdauungss\u00e4fte, p. 296. u. 313,","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Niere ; Haro , Phosphorsaure.\n265\nerst einige Stunden nach Aufnahme derselben ein und h\u00e4lt bis zu 20 Stunden nach derselben an (Gr\u00fcner, B. Jones). \u2014 c) Ein reichlicher Genuss von Wasser erh\u00f6ht, alles andere gleichgesetzt, die t\u00e4gliche Menge der Schwefels\u00e4ure im Harn. \u2014 d) Eine lebhafte K\u00f6rperbewegung (Gr\u00fcner) oder Krampfkrankheiten (B. Jones) steigern die t\u00e4gliche Schwefels\u00e4ureausscheidung. Auch in diesem Falle steigert sich erst nach einigen Stunden der Schwefels\u00e4uregehalt des Harns. \u2014 e) Wurde durch reichlichen Wassergenuss oder durch Fasten mehr Schwefels\u00e4ure aus dem Blute als in dasselbe gef\u00fchrt, so erreicht erst in einigen Tagen nach dem Uebergang zu der gew\u00f6hnlichen Kost die t\u00e4gliche Schwefels\u00e4uremenge des Harns den Werth wieder, den sie vorher besessen (Gr\u00fcner). \u2014 f) Im hohem Alter wird weniger Schwefels\u00e4ure ausgeschieden, als im mittleren (Lecanu). \u2014 g) Bei gew\u00f6hnlicher Lebensweise f\u00fchrt der Urin, welcher nach dem Mittagsmahl entleert wird, mehr Schwefels\u00e4ure aus, als der in der Nacht gelassene; am wenigsten aber der w\u00e4hrend des Morgens abgesonderte (Gr\u00fcner). \u2014 h) Bei gleicher Nahrung entleeren verschiedene Menschen ungleich viel Schwefels\u00e4ure, wahrscheinlich weil nicht gleich viel dieses Stoffes aus der Nahrung in das Blut aufgenommen wird (Gr\u00fcner).\nDas t\u00e4gliche Mittel der Schwefels\u00e4ure schwankt zwischen 1,9 bis 3,7 Gr. (Lecanu, Gr\u00fcner).\nPh o sph or s\u00e4 u r e*). Sie ist an Alkalien, Kalkerde und Magnesia gebunden ; je nach dem Gehalt des Urins an S\u00e4uren bildet sie mit den Basen Salze, die 1, 2, oder 3 Atome fixer Basis enthalten. \u2014 a) Sie ist bei vollkommener Nahrungsentziehung bis zum Tode im Harn enthalten; die t\u00e4gliche Menge scheint sich w\u00e4hrend des Hungers gleich zu bleiben (Schmidt), aber nur den halben Werth von derjenigen zu erreichen, welche bei gew\u00f6hnlicher Kost entleert wird (Mosier). \u2014 b) Nach dem Genuss von phosphors\u00e4urehaltigen Nahrungsmitteln steigt sie, also namentlich nach der Aufnahme von Brod und Fleisch (Lehmann, B. Jones). \u2014 c) Nach reichlicher Entleerung des Harns in Folge des Trinkens von phosphors\u00e4urefreien Fl\u00fcssigkeiten, mehrt sich die t\u00e4gliche Menge (Breed, Winter); daraus folgt aber nicht, dass die Menge der entleerten Phosphors\u00e4ure dem t\u00e4glichen Gewicht des durch die Niere ausgesclriedenen Wassers proportional steige, indem einzelne Portionen eines reichlich gelassenen Harns vollkommen frei von Phosphors\u00e4ure sein k\u00f6nnen (Liebig). \u2014 d) Nach geistigen (M osier) und Muskelanstrengungen (Lehmann, B. Jones) mehrt sich die t\u00e4gliche Menge. \u2014 e) Lecanu fand keine feste Beziehung zwischen dem Alter und dem Phosphors\u00e4uregehalt des Harns. \u2014 Das st\u00fcndliche Mittel ist\nLiebig, dessen Annalen. 50. Band. p. ISO. \u2014 Bence Jones, Philosophical transactions. 1845. p. 335. \u2014 Winter, in Scherer\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1852. p. 122. \u2014 Hosier, ibid, f\u00fcr 1853. p. 134. \u2014 Breed, Liebig\u2019s Annalen. 78. Bd. p. 150, \u2014 Dnncklenberg, ibidem. 9-3. Bd. p. 88,\t,Kletjsinsky, in. Scherer's Jahresbericht \u00fcber physiol. Chemie, 1852. 125,","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nNiere; Harn, Oxal-, Kohlens\u00e4ure, Alkalien, Erden.\nnach dem Mittagsessen am h\u00f6chsten und sinkt von da bis wieder zum Mittagsessen (W inter).\nDie Grenzen, innerhalb der nach den bis dahin unternommenen Beobachtungen die t\u00e4gliche Phosphors\u00e4uremenge schwankt, liegen zwischen 3,0 und 6,4 Gr. (Breed, Winter) und nach Duncklenberg zwischen 2,1 und 3,1 Gr., welcher nachweist, dass die Methode von Liebig, deren sich die soeben erw\u00e4hnten Beobachter bedienten, zu hohe Werthe giebt.\nDie Salzverbindungen der Phosphors\u00e4ure im Harn sind ver\u00e4nderlich mit der Nahrung und der gesteigerten Anstrengung. \u2014 Bence Jones giebt an, dass je nach dem Gehalt der Speisen an phosphorsauren Alkalien oder Erden bald die eine und bald die andere Salzverbindung in dem Harn \u00fcberwiege ; M o s 1 e r will nach gesteigerten Anstrengungen vorzugsweise den Gehalt des Harns an phosphorsauren Erden haben wachsen sehen. \u2014 Auch die Verh\u00e4ltnisse zwischen phosphorsaurer Magnesia und phosphorsaurer Kalkerde, sind wechselvoll (Kletzinsky).\nOxals\u00e4ure. W\u00e4hrend sie bei fleischfressenden Thieren g\u00e4nzlich fehlen soll*), ist sie ein h\u00e4ufiger Bestandtheil des Menschenharns, namentlich nach einer solchen Pflanzennahrung, die Oxals\u00e4ure oder ihre Verbindungen enth\u00e4lt; ihr Auftreten wird auch durch Genuss kohlens\u00e4urehaltiger Getr\u00e4nke beg\u00fcnstigt (Wilson, Donn\u00e9, Lehmann) **).\nKohlens\u00e4ure. Aus frischem Harn kann durch die Luftpumpe Kohlens\u00e4ure entwickelt werden (Marchand)***). Der Gehalt des Harns an freier Kohlens\u00e4ure wird vermehrt durch den Genuss kohlens\u00e4urehaltiger Getr\u00e4nke (Lehmann)f). Ausser dieser diffundirten C02 enth\u00e4lt der Harn noch solche, die an Alkalien gebunden ist; die dieser Form vermehrt sich nach Genuss von pflanzensauren und kohlensauren Alkalien (W\u00fchler).\nAlkalien und Erden, insbesondere Kali, Natron, Kalk und Magnesia des Harns sind einzeln f\u00fcr sich und von den S\u00e4uren nur noch wenige male getrennt bestimmt worden, und in diesen wenigen F\u00e4llen ff) hat man ihr Vorkommen nicht untersucht, mit R\u00fccksicht auf andere Variationen physiologischer Erscheinungen. \u2014 Dennoch scheinen auch die Harnanalysen, in denen keine gesonderten Bestimmungen der Basen unternommen sind, schliessen zu lassen, dass das Chlor und die Schwefels\u00e4ure des Harns immer mit Kali oder Natron ges\u00e4ttigt sind, so dass also in demselben Maasse, wie diese S\u00e4ure, auch jene Basen zu- oder abnehmen m\u00fcssen. R\u00fccksichtlich der S\u00e4ttigung der \u00fcbrigen S\u00e4uren l\u00e4sst sich jedoch keine solche Regel aufstellen, da die Harn-, Hippur-, Oxal-\n*) C. Schmidt, 1. c. 388.\n**) Physiologe Chemie. I. Bd. 47.\n***) Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 44. Bd. 250.\n]_ c> jj. 409.\nff) Becquerel, Der Urin. Leipzig. 1842. 52. \u2014 Kletzinsky, Heiler\u201c\u00ab Archiv. 1852.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Niere ; Haru, Verh\u00e4ltnis^ zwischen S\u00e4uren und Basen.\n267\nlind Kohlens\u00e4ure bald frei und bald ges\u00e4ttigt erscheinen und die Phosphors\u00e4lire bald mit Kali oder Erden, und zwar entweder mit einem oder mehreren Atomen verbunden, auftreten. \u2014 Freie Basen sind dagegen im Harn niemals beobachtet, indem immer genug Kohlens\u00e4ure vorhanden zu sein scheint, um diejenigen derselben zu binden, welche durch die \u00fcbrigen S\u00e4uren nicht aufgenommen wurden.\nVon diesem Gesichtspunkte aus gewinnt es nun aber noch Werth, die Umst\u00e4nde, unter denen die S\u00e4uren ein Uebergewicht \u00fcber die Basen gewinnen, und diejenigen, die eine Ver\u00e4nderlichkeit des S\u00e4uregehaltes der fixen Harnbestandtheile (der Harnasche) im Ganzen bedingen, zu ermitteln*\nVerh\u00e4ltniss der S\u00e4uren zu den Basen. Die S\u00e4uren oder sauren Salze sind in vorwiegender Menge im Harn enthalten, so dass dieser letztere eine stark saure Reaktion annimmt nach dem Genuss von Schwefels\u00e4ure, Weins\u00e4ure, von kohlensaurem und weinsaurem Ammoniak, Zucker, Brod, Gem\u00fcse (B. Jones)*) und nach l\u00e4ngerer Entziehung der Nahrung. Die S\u00e4uren, welche in diesem Falle im Ueber-schuss auftreten, sind verschieden; so bildet sich z. B. nach dem Genuss von Ammoniak Salpeters\u00e4ure.\u2014 B. Jones hat zugleich bestimmt, dass der steigende Gehalt der S\u00e4uren nicht vorzugsweise Hand in Hand geht mit dem Auftreten der Harns\u00e4ure, denn er fand, dass oft ein an dieser S\u00e4ure sehr reicher Urin sehr viel weniger freies Alkali zur vollkommenen Neutralisation bedurfte, als ein daran \u00e4rmerer. Nach den Beobachtungen von Winter scheint dagegen mit dem steigenden Gehalt des Harns an Phosphors\u00e4ure im Allgemeinen auch derjenige an freier S\u00e4ure zu wachsen.\nDie basischen Salze (kohlensaure Alkalien und phosphorsaure Alkalien mit 2 Atomen fixer Basis) treten dagegen in das Uebergewicht nach Fleischkost und dem Genuss von Kalien, die mit Kohlens\u00e4ure oder organischen S\u00e4uren (Weins\u00e4ure, Aepfels\u00e4ure, Essigs\u00e4ure u. s. w.) ges\u00e4ttigt sind; bemerkenswerther Weise wirken in diesem Sinne die organisch-sauren Salze m\u00e4chtiger, als die kohlensauren (B. Jones).\nBei sehr regelm\u00e4ssiger Di\u00e4t aus Fleisch, Eier und Kartoffeln, oder auch nur aus Fleisch und Kaffee, fand B. Jones, dass der S\u00e4uregehalt sein Maximum erreicht vor dem Essen; einige Stunden nach der Mahlzeit reagirt der Harn dagegen alkalisch ; diese letztere Beschaffenheit h\u00e4lt dann mehrere Stunden, je nach der Reichlichkeit der Mahlzeit, an und geht darauf wieder in die saure \u00fcber. \u2014 Winter beobachtete dagegen, dass die freie S\u00e4ure in der Nacht am gr\u00f6ssten, vor dem Mittagsessen am geringsten und w\u00e4hrend der Verdauungszeit durch einen mittleren Werth vertreten war.\n*) Philosophical transactions, 1849. p. 2B7. und 1850, 6(59,","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nNiere; Harn, Asche, Wasser,\nDen Gehalt an freier S\u00e4ure bestimmte B. Jones und Winter nach der Menge von Kali, welche zur Neutralisation des Harns nothwendig war.\nDie feuerbest\u00e4ndigen Harnbestandtheile insgesammt. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der Einfl\u00fcsse, welche die Abscheidung der einzelnen Salzbestandtheile in dem Urin beherrschen, ist es einleuchtend, dass das Gesammtgewicht der in 24 Stunden durch den Harn entleerten Salze nicht unbedeutend ver\u00e4nderlich sein m\u00fcsse. Der Gang dieser Variation wird sich aus der schon mitgetheilten Thatsache im Allgemeinen wieder Voraussagen lassen. Wir stellen hier noch einige Angaben dar\u00fcber zusammen.\nNach Lecanu betr\u00e4gt die t\u00e4gliche Salzmenge:\nIm Mittel. Im Maximum. Im Minimum.\nbei M\u00e4nnern............16,9\tGr.\t24,5\tGr.\t9,9\tGr.\nbei Frauen.............14,4\t\u201e\t19,6\t\u201e\t10,8\t\u201e\nbei Kindern v. 8 Jahren 10,1\t\u201e\t10,9\t\u201e\t9,9\t\u201e\nbei Greisen.............8,1\t\u201e\t9,7\t\u201e\t4,8\t\u201e\nNach Chambert*) enthielt der Harn desselben Mannes in 1590 Gr., die den Tag \u00fcber entleert wurden, = 28,8 Gr. Salze und 685 Gr. Nachtharn = 7,0 Salze.\nZugleich fand sich, dass der Ham, der nach dem Essen gelassen wird, reicher an Salzen ist, als der Morgenharn, und dass dieser letztere um so mehr feuerbest\u00e4ndige Salze enth\u00e4lt, je mehr salzhaltige Nahrung den vorhergehenden Tag genossen worden war.\nZu den Analysen von Lecanu ist zu bemerken, dass er die Asche nach einem Zusatz von N05 zum Harnr\u00fcckstand darstellte , wodurch seine Angaben offenbar mit Fehlern behaftet sind.\nDie Erscheinung, dass die Abweichungen der Gewichte nicht noch gr\u00f6sser sind, verliert'einen grossen Theil ihres Auffallenden, wenn man erw\u00e4gt, dass die Nieren aus einem salzarmen und zu jeder Zeit ann\u00e4hernd gleich zusammengesetzten Material (dein durch ihre Gef\u00e4sse str\u00f6menden Blut) ihre Salze sch\u00f6pfen, und dass die Aufnahme der letzteren aus der Nahrung in das Blut beschr\u00e4nkt ist durch besondere Einrichtungen des Darmkanals.\nWasser**). Das Volum des t\u00e4glichen Harnwassers wird bestimmt a) durch das Gewicht der l\u00f6slichen festen Bestandteile, welche aus den Nieren ausgeschieden werden. Daraus folgt, dass die Wasserausscheidung nahe zu Null wird, wenn, wie es in einzelnen Krankheiten geschieht, der Harnstoff durch Harns\u00e4ure vertreten wird. Dagegen wird selbst nach Entziehung aller Nahrung (oder auch nur alles Wassers in der Nahrung [Falk, Scheffer]) immer noch Wasser aus den Nieren gef\u00f6rdert, da die Ausstossung des Harnstoffs, der salz-, schwefel- und phosphorsauren Salze und der Extrakte bis zum Tode fortdauert; im Gegensatz zu diesen F\u00e4llen wird die Wasserausscheidung sehr reichlich, wenn sich die in den Harn \u00fcbergehenden l\u00f6slichen Stoffe, Harnstoll, Salze, Zucker, sehr mehren. Hierauf beruht bekanntlich die Wirkung\n*) Compt, rend. XX. Bd. 1661.\n**) J. Vogel, Archiv f\u00fcr gemeinschaftliche Arbeiten. I. Bd. p. 96. \u2014 Scheffer, Valentin's Jahresbericht f\u00fcr 1853. p. 187. \u2014 Falk. Archiv f\u00fcr physiologische Heilkunde. XI. Bd. 125 u. 754. \u2014 Derselbe, ibid. XII. Bd. 150, \u2014 Kierulf, Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschr, N. F, III. 279,","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Niere ; Harn , Wasser.\n269\nvieler sog. Diuretica (Kramer). \u2014 Das Verh\u00e4ltniss zwischen dem Gewicht des ausgeschiedenen Wassers und der l\u00f6slichen Bestandteile kann nicht festgestellt werden, weil noch andere Umst\u00e4nde die Ausscheidung des Wassers vermehren, und man bei der Beobachtung keine Garantie daf\u00fcr hat, dass diese vollkommen eliminirt gewesen sind. Die Erfahrung hat uns aber bis dahin beim Menschen noch keinen Harn kennen gelehrt, der mehr als 8,7 pCt. fester Bestandteile in L\u00f6sung gehalten habe. Bei Hunden sind dagegen schon Harne von 15 pCt. l\u00f6sl. Riick-standes gefunden worden. Zudem ist es nicht einmal wahrscheinlich, dass alle l\u00f6slichen flarnbestandtheiie zu ihrer Ausscheidung ein gleiches Minimum von Wasser verlangen. So scheint z. B. der Traubenzucker, welcher durch den Harn hervortritt, vorzugsweise viel Wasser mit sich zu ziehen (Harnruhr). \u2014 b) Die t\u00e4gliche Wassermenge ist abh\u00e4ngig von dem Wassergehalte des Bluts; dieses wird bewiesen durch die allt\u00e4gliche Erfahrung, dass in demselben Maass, in weichem Wasser aus unserem Getr\u00e4nk in das Blut \u00fcbergeht, es auch im Harn erscheint; ferner dadurch, dass bei einer Minderung oder Hebung anderer w\u00e4sseriger Ausscheidungen (aus Haut, Lunge oder Darm) die t\u00e4gliche Wassermenge des Harns steigt und f\u00e4llt. Erfahrungsgem\u00e4ss geht niemals aber selbst bei der reichlichsten Harnentleerung die Wasserausscheidung unabh\u00e4ngig von derjenigen der festen Bestandteile vor sich, da noch kein Urin beobachtet worden ist, der weniger als 0,2 pCt. R\u00fcckstand hinterlassen h\u00e4tte. \u2014 Ein bestimmtes Verh\u00e4ltniss zwischen der Absonderungsgeschwindigkeit des Harnwassers und dem prozentischen Wassergehalt des\nBlutes ist nicht festzustellen, weil offenbar immer noch andere Bedin-\n\u00bb\ngungen die Beobachtung compliziren. Sicher ist nur, dass nach einer pl\u00f6tzlichen, sehr bedeutenden Verd\u00fcnnung des Bluts die Wasserabsonderung in den ersten Tagen gar nicht steigt, offenbar darum, weil die Niere selbst dadurch sehr alterirt wird; denn es erzeugt diese Blutver\u00e4nderung eine Absonderung eiweisshaltigen Harns (Kierulf); eine Ein-spr\u00fctzung gr\u00f6sserer Wassermengen in kleinen von Viertelstunde zu Viertelstunde auf einander folgenden Portionen mehrt zwar meist die Wasserausscheidung, aber keineswegs immer, und niemals erfolgt fr\u00fcher als 1 bis 2 Stunden nach der Einf\u00fcllung des Wassers eine wesentliche Steigerung der Harnmehge, und ist einmal die Steigerung eingetreten, so erh\u00e4lt sich dieselbe nicht jedesmal auf der erreichten H\u00f6he, sondern schwankt auf und ab, und zwar f\u00e4llt sie zuweilen auf sehr niedrige Wertbe (Westphal). Dieselbe Erscheinung beobachtete Falk nach Einf\u00fchrung von destillirtem Wasser in den Magen. \u2014 c) Bei Krampfkrankheiten soll zuweilen die Wasserausscheidung durch die Nieren vermehrt werden.\nBei gew\u00f6hnlicher Lebensweise ist die Wasserabsonderung des Harns am niedrigsten w\u00e4hrend der Nacht, sie steigt des Morgens an und er-","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nNiere; Harn, physikalische Eigenschaften.\nreicht nach dem Mittagsessen ein Maximum. \u2014 Die Grenzen, innerhalb der bei gesunden Erwachsenen das t\u00e4gliche Harnwasser variirt, liegen zwischen 500 und 25,000 Gr. \u2014 Nach Becquerel und Vogel liegt bei jungen M\u00e4nnern das Tagesmittel zwischen 1200 bis 1600 Gr.\nGesammtharn*). Die mitgetheilten Thatsachen gen\u00fcgen, um sich eine Vorstellung zu bilden von dem ungemeinen Wechsel der prozentischen Zusammensetzung des Harns; indem man innerhalb der mitgetheilten Grenzen einen beliebigen Werth des Wassers, der Salze, des Harnstoffs, der Harns\u00e4ure u. s. w. nimmt, kann man \u00absich alle m\u00f6glichen und wirklich vorkommenden Harne zusammensetzen.\nDie Aerzte legen nun mit Recht noch einen Werth auf die Feststellung der sog. physikalischen Eigenschaften des Harns und insbesondere auf die F\u00e4rbung, die Durchsichtigkeit und das spezifische Gewicht.\nDie F\u00e4rbung des Harns ist im normalen Zustand zwischen rothgelb und hellgelb der Vogel\u2019sehen Farbenskala. Die dunkleren Nuancen sind im Allgemeinen dem sparsam gelassenen Harn eigen; darum ist der Morgenharn (w\u00e4hrend der Nacht bereitet) dunkler als der'Getr\u00e4nk- und Mittagsharn. \u2014 Rinderharn ist im Allgemeinen heller, als der der Erwachsenen.\nDurchsichtigkeit. Schwachsaurer und schwachalkalischer Harn ist meist klar; eine starke Reaktion nach der einen oder der andern Seite ist meist von Niederschl\u00e4gen begleitet. Diese bestehen im alkalischen Harn meist aus phosphorsaurer Kalkerde und Magnesia; im sauren aus harnsaurem Ammoniak oder Natron, zuweilen auch aus reiner Harns\u00e4ure.\nDas spezifische Gewicht des mittleren t\u00e4glichen Harns liegt bei 1020 (Vogel). Da es nat\u00fcrlich in einiger Beziehung zu den gel\u00f6sten Stoffen steht, so muss es nat\u00fcrlich sehr variiren, und namentlich wird hei reichlicher Harnentleerung das spez. Gewicht niedriger als bei sparsamer Ausscheidung des Harns sein. \u2014 Man hat, um den Zusammenhang zwischen spez. Gewicht und dem Gehalt an festen Stoffen festzustellen, empirische Regeln aufgestellt (Becquerel, Millon, Trapp, Haeser). Wir erw\u00e4hnen hier nur die Trapp\u2019sehe, wobei wir die von ihm selbst gegebene Bemerkung wiederholen, dass sie nur eine Ann\u00e4herung an die Wahrheit giebt. \u2014 Setzt man die Einheit des spezifischen Gewichts (die des Wassers) \u2014 1000, so soll man von dem gefundenen spez. Gewicht des Harns diese Einheit abziehen ; die hintere Zahl des Restes soll man durch ein Komma abschneiden von der vordem und dann den Rest verdoppeln. Die hier ausgefundene Zahl dr\u00fcckt den Prozentgehalt des Harns an festen Stoffen aus; w\u00e4re also z. R. das gefundene spezifische\n*) J. Vogel, Archiv f\u00fcr gemeinsame Arbeiten. I. Bd. p. 79. \u2014 Becquerel, Der Urin, \u00fcbersetzt von Neu b er. \u2014 Millon, compt. rend. XXVI. 120. \u2014 Trapp, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss u. s. w. Giessen 1850. \u2014 Haeser u. Vogel, Archiv, f. gern. Arbeiten. I. Bd. p. 267.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Niere ; Harn , seltenere Bestandtheile.\t271\nGewicht eines Harns = 1020, so w\u00fcrde sein prozentischer R\u00fcckstand = 4,0 sein.\nSeltenere Harnbestandtheile. \u2014 Ausser den erw\u00e4hnten erscheinen nun noch zahllose andere Stoffe im Harn; wir z\u00e4hlen mit Auswahl folgende auf:\n1. Uebergang l\u00f6slicher \u00dflutbestandtbeile in den Harn.\nEiweiss*). Man beobachtet, auch ohne dass Blutungen in der Niere statt finden, bei Abwesenheit von Blutk\u00f6rperchen, im Harn h\u00e4ufig Eiweiss ; dieses ereignet sich nachweislich nach Unterbindung der Nierenvene oder der Hohlader (H. Meyer), nach ergiebigen Aderl\u00e4ssen und Ersetzung des gelassenen Blutes durch Wasser, so dass die in den Gef\u00e4ssen kreisende Blutfl\u00fcssigkeit sehr stark verd\u00fcnnt wird (Kierulf), nach Kochsalzhunger (Wundt). In einzelnen F\u00e4llen ausserdem nach Unterdr\u00fcckung der Milchsekretion, nach Exzessen im Essen, nach lebhaftem Herzschlag, nach Krankheiten des Herzens, die die Spannung des Bluts im Gef\u00e4sssystem anhaltend erh\u00f6hen (?), bei besondern Ver\u00e4nderungen der Nierenstruktur (Bright\u2019sehe Krankheit) u. s. w.\nFette**). Menschen und Thiere (namentlich Katzen), welche anhaltend mit fettreicher Nahrung gef\u00fcttert werden, entleeren fetthaltigen Harn (Lang).\nZucker***). Nach Injektion von Trauben-, Milch-, Rohrzucker in das Blut oder bei \u00fcberm\u00e4ssiger Bildung des Traubenzuckers im K\u00f6rper (diabetes) erscheint dieser immer im Harn (Bernard, Baumert, Uhle, Limpert, Lehmann). Diese Zuckerabsonderung halt mehrere Stunden lang an ; bei Einspr\u00fctzung gleicher Mengen von Trauben- und Rohrzucker soll der erstere fr\u00fcher aus dem Harn verschwinden und bei S\u00e4uglingen gar nicht in den Harn \u00fcbergehen (Limpert). ln keinem Falle wird die ganze Menge des in das Blut gespr\u00fctzten Zuckers wieder durch den Harn entleert (Limpe r t). \u2014 Eine oberfl\u00e4chliche Verletzung der medulla oblongata oberhalb des grauen Keils und seitlich von der hinlern L\u00e4ngsspalte erzeugt bei Kaninchen einen zuckerhaltigen Harn (Bernard, Schrader). Wenn das Thier nach dieser Operation l\u00e4ngere Zeit am Leben bleibt, so verschwindet nach 24 Stunden der Zucker wieder (Uhle). Aehnliches bat man behauptet von Hirnersch\u00fctterung, Vergiftung mit Curara (Bernard). Nach Genuss von zuckerreicher Nahrung und nach der Durchschneidung der n. vagi (Bernard), nach Aetherisation (Reynoso) soll Zucker im Harn erscheinen, was Schrader und Uhle bestreiten. \u2014 Nach einer Injektion von Chloroform, Aether und Ammoniak in der Pfortader wird der Harn zuckerhallig (Harley). \u2014 Bei alten Leuten soll sich h\u00e4ufig Zucker im Harn finden (Reynoso) und bei W\u00f6chnerinnen nach Unterdr\u00fcckung der Milchsekretion.\nKiesels\u00e4ure fanden Berzelius und Duncklenberg im Harn. Vielleicht stellt sie einen gew\u00f6hnlichen Harnbestandtheil dar.\nEisensalze sind zuweilen nach vermehrtem Genuss derselben gefunden worden; h\u00e4ufig aber fehlten sie auch dann (Wohler, Aldrige)|).\nLeucin, Tyrosin fanden Fr er ich s und Staedeler im Harn der Hunde und Menschen, z. B. fyei gelber Lebererweichung, in welcher jene Stoffe reichlich in der Leber u. s. w. Vorkommen.\nAl la n toi n. Wenn einem erwachsenen Hunde so viel Oel in die Lunge einge\u00ab\n\u00ae) Frerichs, Die Bright\u2019sche Nierenkrankheit. Braunschweig 1851. 180 u. 276. \u2014 H. Meyer, Zeitschrift f\u00fcr physiologische Heilkunde, 1844. p. 114.\n**) Lang, De adipe in urina et renibus. Dorpat 1852.\n***) Uhle, Exp\u00e9rimenta de saccharo in urinam etc. Leipzig 1852. \u2014 Bernard, Compt. rend. XXII. 534. XXVIH. 393. XXXI. 574.\u2014 Baumert, Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 54. Bd. 557. \u2014 Schrader, Pharmazeut. Centralblatt. 1852. 241. \u2014 Reynoso, Compt. rend. XXXIII. 410. \u2014 Limpert, Symbolae ad physiologiam sacchari. Marburg 1854. \u2014 Baumert, Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 54. Bd. p. 357. \u2014\u2022 Harley, Gazette medic, de Par. 1853. Ao\u00fbt. 506. t) Scherer, Jahresber. f\u00fcr physiolog. Chemie. 1844. p. 125.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nNiere; Haro, seltene Bestaridtheile. Harnbereitung.\nspr\u00fctzt wurde, dass eine betr\u00e4chtliche Athenmoth entstand, oder auch nach anhaltendem Einathmen von Chlor, wurde Allantoin im Harn gefunden (Staedeler).\nXanthin kommt zuweilen im Harn als Harnstein vor.\nVon Cystin, einem starken schwefelhaltigen K\u00f6rper, gilt dasselbe.\n2.\tWenn Salicin, harnsaure Salze, Eichengerbs\u00e4ure, Senf\u00f6lammoniak, citronen-, \u00e4pfel-, wein-, essigsaures Natron, Ammoniaksalze und Schwefelkalium genossen werden, so erscheinen nicht diese Stoffe, sondern Umwandlungsprodukte derselben im Harn wieder:\nSalicin*) = C\u00a36H18014 liefert spiroylige S\u00e4ure = C14H604 (Millon und Lev\u00e9 ran). Diese S\u00e4ure ist, wie man glaubt, hervorgegangen aus einer Spaltung des Salici os. Es w\u00fcrde demnach das Salicin, nach Aufnahme Von 2 At. Wasser = C26H2oOi6, Zucker = C12H12012 und Saligenin C11H804 zerf\u00e4llt, welches letztere nach Austritt von 2H in spiroylige S\u00e4ure \u00fchergeht.\nGerbs\u00e4ure **) = C18H8012 erscheint im Harn als Galluss\u00e4ure = C\u201eH,010 und Brenzgalluss\u00e4ure C12H606 (Wohler und Freriehs). Diese Umwandlung ist dieselbe, welche Gerbs\u00e4ure u. A. in schwach alkalischen L\u00f6sungen erleidet; sie geschieht, wie man sieht, unter Abscheidung nur von C4H202, oder gleichzeitig von 2C02.\nHarns\u00e4ure = C5H2N203 bewirkt das Erscheinen von Oxals\u00e4ure C203 und Harnstoff C2H4N202 (Wohler und Freriehs); um in diesen Stoff zerfallen zu k\u00f6nnen, muss, abgesehen von der Bildung anderer Zwischenprodukte, die Harns\u00e4ure 2 HO aufgenommen haben.\nThiosinammin = N2C8H8S2 gab Rhodanammonium = N2C2H4S2 ; aus dem ersten sind also C4H4 ausgeschieden worden.\nEssigs\u00e4ure (= C4H303), \u00e4pfelsaure (C4H204), weinsaure (C4H205), citronensaure (C6H306) Kalien erscheinen im Harn als kohlensaure (W \u00f6hl e r), vorausgesetzt, dass sie in nicht grosser Menge gereicht werden, in welchem Fall sie unver\u00e4ndert in den Harn \u00fcbergehen (Millon). Organische Ammoniaksalze kommen im Harn als Salpeters\u00e4ure wieder ( B. Jones)***). Schwefelkalium erscheint im Harn als schwefelsaures Kali.\n3.\tZimmt- und Benzoes\u00e4ure, oder Stoffe, welche eine dieser S\u00e4uren enthalten (Benzoe\u00e4ther und Perubalsam), oder durch Oxydation leicht in sie \u00fcbergehen (Bittermandel\u00f6l), erscheinen im Harn als Hippurs\u00e4ure (Ure, W\u00f6hler, Marchand, Fre-richs). Nach der vorg\u00e4ngigen Umwandlung dieser Stoffe in Benzoes\u00e4ure C14H604 tritt zu dieser der Paarling = C4H3N02 zur Bildung von Hippurs\u00e4ure = C18H9N06. \u2014 In gleicher Weise geht Nitrobenzoes\u00e4ure in Nitrobippurs\u00e4ure \u00fcber (B e r t a gin i) f). \u2014 Die der Benzoes\u00e4ure homologe Ammins\u00e4ure geht aber unver\u00e4ndert in den Harn \u00fcber (W. H o fm a n n).\nFerrocyanid kommt im Harn als Ferrocyan\u00fcr wieder, in Folge einer von der Harns\u00e4ure ausge\u00fcbten Desoxydation (B uch h e im) ff).\nNach einem l\u00e4ngern oder kiirzern Gebrauch gehen Quecksilber, Wismuth, Blei, Zinn, Blutlaugensalz, Bernsteins\u00e4ure, Jod, der Farbstoff des Rhabarbers, des Lakmus, der Cochenille u. s. w., in den Urin \u00fcber.\n6. Harnbereitung. \u2014 a) Die wesentlichen Stoffe des Harns sind keine Produkte einer chemischen Th\u00e4tigkeit der Niere; sie sind schon mit dem Blute in die Niere gef\u00fchrt und dort nur abgeschieden worden. Daf\u00fcr spricht einmal die chemische Analyse der Blutextraktivstoffe und\n*) Mulder, 1. c. 1279.\nj**) Liebig\u2019s Annalen. 65. Bd.\n***) Li ebig\u2019s Annalen. 78. Bd. 251. \u2014 Proceedings of the royal society, vol.VII. 94. t) Compt. rend. XXXI. 490.\n-pf) Mayer, De ratione qua ferrum nutetur in corpore. Dorp. 1850.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Niere; Harnbereitung.\n273\ndann die Erfolge der Nierenausrottung, welche nach Pr\u00e9vost und Dumas die Anh\u00e4ufung einiger wesentlichen Harnbestandtheile und insbesondere die des Harnstoffs im Blute bedingt. Wenn nun auch nach diesen bemerkenswerthen Versuchen, die sp\u00e4ter vielfach mit \u00e4hnlichem Erfolg wiederholt worden, sich der Harnstoff nicht in dem Maasse im Blut wiederfindet, wie man nach der vollkommenen Unterdr\u00fcckung seiner Ausscheidung erwarten sollte, so liegt der Grund daf\u00fcr offenbar darin, dass der zur\u00fcckgehaltene Harnstoff sich noch weiter und namentlich in kohlensaures Ammoniak umsetzt (Stannius, Sthamer, Bernard, Bares will)*), das durch den Darmkanal und die Lungen ausgestossen wird. \u2014 b) Da aus einer gesunden Niere nicht alle, sondern nur eine beschr\u00e4nkte Zahl von Blutbestandtheilen austreten, und noch mehr, da die wirklich ausgetretenen Stoffe in einer ganz andern Delation zu einander stehen, so m\u00fcssen besondere eine Scheidung des Bluts bedingende Umst\u00e4nde vorhanden sein. Man hat verschiedene Erkl\u00e4rungen hierf\u00fcr zu gehen gesucht, von denen jedoch keine gen\u00fcgend erscheint.\nEine erste Hypothese nimmt an, dass die in die Nieren tretenden Nerven ver\u00e4ndernd einwirken auf die Wand der Gef\u00e4sse oder Harnkan\u00e4lchen, in der Art, dass durch sie die Bestandtheile des Harns auf der einen Fl\u00e4che angezogen und auf der andern abgestossen wurden. Man sieht sogleich, dass diese gewagte Hypothese nichts erkl\u00e4rt, indem es gerade darauf ankommt, anzugeben, worin diese Eigenth\u00fcmlichkeit der betreffenden H\u00e4ute ruht. Zudem steht es noch dahin , ob die Nerven \u00fcberhaupt einen direkten Einfluss auf die Harnausscheidung \u00fcben; nach den Beobachtungen von Br\u00e4chet, M\u00fcller und Peipers **) wird allerdings die Harnabsonderung unterdr\u00fcckt, wenn man einen Faden um die Gef\u00e4sse und Nerven der Niere legt, diesen bis zur Zerquetzsebung der Nerven schliesst und dann wieder \u00f6ffnet, so dass die Niere wieder vom Blut durchflossen wird. Diese Erscheinung tritt aber nicht ein , wenn man, wie dieses an der Katze leicht gelingt, die Nierennerven isolirt durchschneidet, ohne den Blutstrom einmal unterbrochen zu haben. Es scheint also die zuerst erw\u00e4hnte Operation eine St\u00f6rung des Kreislaufs in den complizirten Capillaren der Nieren berbeizufiihren ; diese Annahme wird um so wahrscheinlicher, weil nach der momentanen Unterbindung meist Nierenbrand, die gew\u00f6hnliche Folge einer Stockung des Blutlaufs, eintritt. \u2014 Eine zweite Voraussetzung behauptet, die Epithelialzellen der Harnkan\u00e4lehen z\u00f6gen aus dem Blute die wesentlichen Harnstoffe an, und ihr Inhalt werde ausgewaschen durch das Wasser, welches aus den Gef\u00e4ssen der Glomeruli in die Harnkan\u00e4lchen trete (Bowmann, Goodsir, Hessling***). Es sind keine Thatsachen bekannt, welche diese Vermuthung zu unterst\u00fctzen verm\u00f6chten. \u2014 Eine andere Hypothese zieht in Betracht die eigenth\u00fcmliche Art des Blutstroms durch die Nieren und die Erscheinung, dass die Wandung zahlreicher Capillarsysteme des thierischen K\u00f6rpers f\u00fcr eiweissartige Stoffe und Fette undurchdringlich ist. Von diesem Boden ausgehend, stellt sie nhn die Vermuthung auf, es m\u00f6chte der Blutdruck, welcher auf der innern Fl\u00e4che der Gef\u00e4sse des Glomerulus ruht, das gesammte Blutserum, weniger Eiweissstoffe, Fette und die mit denselben verbundenen Salze, durch die Blutgef\u00e4sswandungen in das Lumen der Harnkan\u00e4lchen\n*) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. IX. Bd. 201. \u2014 Archives generales. Avr. 1847. 449.\n**) M\u00fcller\u2019s Handbuch der Physiol. 4. Auflage. I. Bd. 376 u. f. \u2014 C. Lu dwig, in Wagner\u2019s\nHandw\u00f6rterbuch. H. Bd. 628. \u2014 Schulz, Valentin\u2019s Jahresbericht \u00fcber Physiologie f. 1851.\np. 134.\n***) Hessling, Histologische Beitr\u00e4ge. Jena 1851,\nLudwig, Physiologie. II.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nNiere ; Harnbereitung.\neintreiben. Die hier angelangle Fl\u00fcssigkeit w\u00fcrde allm\u00e4hlig durch die Haarkan\u00e4lchen treten und auf diesem Wege in endosmotische Beziehung kommen zu dem con-zentrirten Blut, welches in den Capillaren l\u00e4uft, die jenseits der Glomeruli die Harnkan\u00e4lchen umspinnen (G. Ludwig). Im Einklang zu dieser Hypothese ist zuerst die Beobachtung, dass die Geschwindigkeit der Harnabsonderung in einer unbezweifelbaren Beziehung zur Spannung des arteriellen Blutstroms steht (Go 11)*), da die von demselben Thier in der Zeiteinheit gelieferte Harnmenge steigt, wenn die Blutmasse des Thiers (durch Einspritzung eines gleichartigen Bluts) vermehrt, oder die n. vagi durchschnitten, oder endlich mehrere grosse Arterienst\u00e4mme (crurales, carotides, subclaviae) gleichzeitig unterbunden werden, und weil sie umgekehrt f\u00e4llt nach einem Aderlass oder Erregung der n. vagi. \u2014 Diese Annahme empfiehlt sich ferner durch eine Reihe von Thatsachen, welche das Eingreifen eines Dilfusionsstroms in den Gang der Harnabsonderung mehr oder weniger dartbun So wird u. A. nach der Abscheidung von so viel Harns\u00e4ure, dass sie in den Harnkan\u00e4lchen schon krystallinisch niederf\u00e4llt, verbunden mit gleichzeitigem Mangel an Harnstoff, ein sehr wasserarmer Harn abgesondert. Da die Harns\u00e4ure, um aus dem Blute in die Harnkan\u00e4lchen \u00fcberzugehen, sehr viel Wasser braucht, so ist die Abwesenheit dieses Wassers in den sp\u00e4tem Harnwegen nur erkl\u00e4rlich, wenn man annimmt, dass dieses durch den r\u00fcckg\u00e4ngigen Diffusionsstrom wieder in das Blut ebigekehrt ist, eine Vorraussetzung, der nichts im Wege steht, weil nach der Ausf\u00fcllung der Harns\u00e4urekrystalle eine destillirtem Wasser sich ann\u00e4hernde Fl\u00fcssigkeit in den Harnkan\u00e4lchen \u00fcbrig bleibt. N\u00e4chstdem wird daraus erkl\u00e4rlich, warum die Conzentration des Harns eine gewisse obere Grenze, die von der des Bluts bestimmt wird, nicht \u00fcbersteigen kann; ferner, dass bei einer raschen Entleerung des Harns aus den Kan\u00e4lchen dieser weniger feste Stoffe in L\u00f6sung h\u00e4lt, als nach einem l\u00e4ngern Aufenthalt in denselben; ferner, warum die prozentische Menge der wesentlichen Harnbestandtbeile in dem Urin zur\u00fccktritt, wenn andere abnorme in ihm reichlich auftreten (Zucker, Eiweiss) ; ferner endlich, warum die Stoffe des Harns reichlicher in ihm enthalten sind, wenn sie in reichem Maasse im Blut Vorkommen. \u2014 Die Hypothese verschliesst uns mindestens auch nicht die Erkl\u00e4rung der Erscheinung, dass die in den Harn \u00fcbergehenden Blutbesiandtheile in diesem nicht in demselben Verh\u00e4ltnis auftreten, in welchem sie in dem Blute Vorkommen. Denn einmal k\u00f6nnte schon die aus dem Glomerulus hervorkommende Fl\u00fcssigkeit Na CI, K0S03, 2Na0P05, HO, Harnstoff u. s. w. in einer andern Relation enthalten, als sie im Blutserum Vorkommen, weil nemlich der eine oder andere Stoff grosse Verwandtschaften zu den in dem Gefasslumen zur\u00fcckbleibenden Eiweissk\u00f6rpern bes\u00e4sse, oder es w\u00e4re auch denkbar, dass durch den Diffusionsstrom, der in den gewundenen Haarkan\u00e4lchen auftritt, aus dem vorhin schon erw\u00e4hnten Grunde mehr des einen als des andern Stoffs in das Blut zur\u00fcckkehrt. \u2014 Diesen empfehlenswerthen Eigenschaften der vorliegenden Hypothese stehen aber andere, nicht zu vernachl\u00e4ssigende entgegen. Dahin w\u00e4re sogleich zu rechnen, dass nicht momentan mit einer prozentischen Vermehrung des Blutwassers die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, oder allgemein ausgedr\u00fcckt, dass trotz gleicher Spannung und gleicher Zusammensetzung des Bluts in den Arterien die Menge des in der Zeiteinheit erscheinenden Harns so verschieden ausfallen kann. Dieser Einwurf w\u00e4re allerdings noch zu beseitigen, wenn es gel\u00e4nge, nachzuweisen, dass sich die muskul\u00f6sen Wandungen an den vasa afferentia oder effe-rentia der Glomeruli zeitweise betr\u00e4chtiich genug zusammenzieheu k\u00f6nnten, um den Blutstrom durch die letztem wesentlich zu verlangsamen. Schwieriger dagegen d\u00fcrfte es sein , Rechenschaft davon zu geben, wie mit Hilfe eines Filtrationsdruckes von der Gef\u00e4sshaut der Glomeruli eine chemische Scheidung erzielt werden kann (vid.\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. HI, Bd.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Niere ; Ern\u00e4hrung derselben.\n275\np. 146). Diese Bedenken bleiben hier um so mehr in Kraft, weil aus den Nieren eines eben get\u00f6dteten Tbieres eine farblose, eiweisshaltige, dem Blutserum \u00e4hnlich zusammengesetzte Fl\u00fcssigkeit hervortritt, wenn man das entfaserstolfte Blut desselben Thieres durch die Nierengef\u00e4sse leitet (L\u00f6bell)*), und noch mehr, weil nach einer wesentlichen Hemmung des Blutstroms in den Nieren des lebenden Thiers, z. B. durch Verengerung der Nierenvene (H. Meyer, Frerichs), der Urin eiweisshaltig wird.\nDer Druck, unter welchem der Harn in die Harnkan\u00e4lchen tritt, ist von C. L\u00f6bell zu 7 bis 10 MM. Hg gefunden worden; wenn die Hg S\u00e4ule des in den Ureter eingef\u00fcgten Manometers bis zu der bezeichneten H\u00f6he gestiegen war, so h\u00f6rte, wie es schien, die Harnabsonderung auf.\n7.\tDie Ausstossung der Haros aus der Niere geschieht unzweifelhaft durch den aus den Blutgef\u00e4ssen nachdringenden Harn ; ist er einmal aus der Papille, oder besser ausgedr\u00fcckt, aus der leicht zusammendr\u00fcckbaren Verl\u00e4ngerung der Harnkan\u00e4lchen \u00fcber die Nierenoberfl\u00e4che getreten, so kann er in die Niere nicht wieder zur\u00fcckkehren; denn die Papille wirkt genau wie ein R\u00f6hrenventil (E. H. Weber).\n8.\tErn\u00e4hrung der Niere. In der fertigen Niere geht ein selbstst\u00e4ndiger Stoffwechsel vor sich, denn einmal wird h\u00e4ufig ein sauer reagiren-der Harn aus dem alkalischen Blute abgesondert, es muss also in der Niere selbst eine S\u00e4ure entstehen, und dann kommt immer das arterielle Blut aus ihr ven\u00f6s zur\u00fcck. \u2014 Nach reichlicher Fettnahrung f\u00fcllen sich namentlich bei der Katze die Zellen der Harnkan\u00e4lchen mit Fett (Lang). Krankhafter Weise schuppt sich h\u00e4ufig das Epithelium ab und es mehrt sich der formlose Bindestoff zwischen Harn- und Blutgef\u00e4ssen. \u2014 Nach Unterbindung der Nierenarterie schwinden unter vorg\u00e4ngiger Erweichung (Brand) die Nieren h\u00e4ufig so rasch, dass 36 Stunden nach vollendeter Operation keine Spur mehr von denselben aufzufinden ist (Schultz). Die Erweichung beginnt in der Cortikalsubstanz und ergreift zuerst die Gef\u00e4sshaut der Glomeruli. \u2014 In der fertigen Niere bilden sich zerst\u00f6rte Harn- und Blutkan\u00e4le nicht wieder.\nB. Ureteren und Blase**).\n1. Das untere Ende des Ureters durchbohrt die Blasenwand schief, so dass er auf einer kurzen Strecke zwischen Schleim- und Muskelhaut hingeht. Die nothwendige Folge dieser so oft im Organismus wiederkehrenden Verbindungsart von Kanal und Beh\u00e4lter besteht darin, dass bei einem jeden Druck, der von der innern Blasenfl\u00e4che her wirkt, der Ureter geschlossen wird; mit einem Worte, es ist dadurch ein Ventil gegeben, welches den Strom des Harns nur vom Ureter zur Blase m\u00f6glich macht. \u2014 An dem Uebergang der Blase in die Harnr\u00f6hre A (Fig. 57) faltet sich die vordere Blasenwand B zu einer Grube ein. Daraus folgt, dass bei gef\u00fcllter Blase die Harnr\u00f6hre ohne Zuthun eines Muskelapparats geschlossen wird\n*) Valentin\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1849. 157.\n**) Kohlrausch, Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. 1854.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nUreter; Harnblase.\nFig. 57.\t(K o h 1 r a u s ch). Die Gegenwart\nBeckenneigung, einer solchen Einrichtung beweist\ndie bekannte Thatsache, dass die Blase der Todten meist gef\u00fcllt gefunden wird.\n2. Die Muskeln des Ureters \\\tsind bekanntlich quer und l\u00e4ngs\n\\\tlaufende; ihre Nerven treten aus\nJ\tdem Lendengrenzstrang ein; der\n/ Horizont Ursprung derselben soll nach V a-\nlen tin und Kilian bis in die Harnr\u00f6hre. Sehh\u00fcgel hinauf verfolgt werden\nk\u00f6nnen. Die Bewegungen, welche sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es laufen dieselben immer in der Dichtung von der Niere zur Blase. Wenn man, w\u00e4hrend eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein beliebiges St\u00fcck Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedr\u00fcckten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung verk\u00fcrzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. \u2014 Die Zusammenziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beiderseitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten aus erregt werden m\u00fcssen. \u2014 Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch (Donders)*).\nDie Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt sind, stehen nach Ko hl rausch in der Beziehung zu einander, dass sich die Enden des ersteren in die Z\u00fcge des letzteren einflechten; es verh\u00e4lt sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein die Blasenm\u00fcndung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammenziehung die Harnr\u00f6hren\u00f6ffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln treten ans dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie sollen nach Kilian und Valentin durch das R\u00fcckenmark hindurch bis in das Hirn hinein zu verfolgen sein. \u2014 Die Erregungen des m. detrusor treten unwillk\u00fchrlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege ein, da sie immer bei Anf\u00fcllung der Blase mit Harn beobachtet werden. Durch Ber\u00fchrung der Blasenschleimhaut in der N\u00e4he der Ureterenm\u00fcn-dungen kann nach Ch. Bell**) am leichtesten die Zusammenziehung des Detrusors ausgel\u00f6st werden; er vermuthet darum, dass der Druck,\n(* Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52.\n**) Romberg, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406,","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Umsetzung des Harns in der Blase.\n277\nwelcher bei gleichzeitiger Anf\u00fcllung der Blase und der Ureteren auf jene Schleimhautnerven ausge\u00fcbt werde, die gew\u00f6hnliche Veranlassung zur reflektorischen Erregung abgebe. Eine Erregung der Nerven des Detrusors h\u00e4lt einige Zeit an und verschwindet dann wieder, selbst wenn die Blase nicht entleert wurde. \u2014 Die harnaustreibende Wirkung des m. detrusor kann durch die Zusammenziehung der Bauchmuskeln unterst\u00fctzt werden. \u2014 Der Sphincter der Blase ist willk\u00fchrlich beweglich. Reflektorisch erregbar ist er von der Schleimhaut in der Blasenm\u00fcndung und in dem Beginn der Harnr\u00f6hre (Ch. Bell).\n3.\tDie Schleimhaut der Ureteren und der Blase ist mit einem geschichteten, aus cylindrischen und platten Zellen zusammengef\u00fcgten Epithelium bekleidet. In der Umgebung der Blasenm\u00fcndung sind in die Schleimhaut einfach traubige Dr\u00fcsen eingebettet , welche einen schleimhaltigen Saft absondern.\n4.\tUmsetzung des Harns in der Blase; Harng\u00e4hrung. W\u00e4hrenddes Aufenthaltes in der Blase ver\u00e4ndert sich der Harn; die hervorstechendste Eigenschaft, die aus dieser Umsetzung hervorgeht, besteht darin, dass er entweder eine stark alkalische oder stark saure Reaktion annimmt.\nDie alkalische Reaktion ist abh\u00e4ngig von einer Umwandlung des Harnstoffs, welcher unter Aufnahme von Wasser in kohlensaures Ammoniak \u00fcbergeht. In Folge dieser Ammoniakbildung wird der Harn durch einen Niederschlag von phosphorsaurem Kalk getr\u00fcbt. Sie erreignet sich selten und scheint vorzugsweise bei R\u00fcckenmarksl\u00e4hmungen, bei denen sich auch eine reichliche Blasenschleimabsonderung einstellt, beobachtet zu werden. In diesen F\u00e4llen geht die Umsetzung des Harnstoffs so rasch vor sich, dass sie selbst eintritt, wenn der Harn nur kurze Zeit in der Blase verweilte, nachdem diese vorher mit lauem Wasser wiederholt ausgesp\u00fclt worden war (Smith)*).\nDie saure G\u00e4hrung**) wird eingeleitet durch den Harnblasenschleim, wie daraus hervorgeht, dass sie, die in dem gelassenen Harn noch fortgeht, unterbrochen werden kann durch Filtration desselben, wobei der Schleim auf dem Filtrum zur\u00fcckgehalten wird, ln den sp\u00e4teren Stadien derselben entstehen aber auch Pilze (Virchow, Lehmann). Ihre hervorragendsten Produkte sind Essig-, Benzoe-, Oxal- und Milchs\u00e4ure. An der Bildung der ersten betheiligt sich wahrscheinlich der Farbstoff (Liebig), w\u00e4hrend die Benzoes\u00e4ure aus der Zerfallung der Hippurs\u00e4ure hervorgeht. Ist die saure G\u00e4hrung ausgepr\u00e4gt vorhanden, so tr\u00fcbt sich der Harn durch Ausscheidung von Harns\u00e4ure oder saurem harnsauren Natron. Scherer macht darauf aufmerksam, dass dieser Prozess Veranlassung zur Entstehung von Harns\u00e4ureconcretion werden kann.\n*) Ro'noberg, 1. c. p. 735.\n**) S ch er er,#i Li ebig's Annalen. 42. Bd. 171. \u2014 Liebig, ibid. 50. Bd. 161. \u2014 Virchow's Archiv f\u00fcr pathol, Anatomie. VI. Bd. 259. \u2014 Lehmann ,_Physiolog. Chemie. JI, Bd, 401,","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nM\u00e4nnliche Geschlechtswerkzeuge ; Hoden.\nM\u00e4nnliche Geschlechtswerkzeuge.\nA. Hoden.\n1. Anatomischer Bau. Das Charakteristische der Samenkan\u00e4lchen besteht darin, dass ein jedes sich ununterbrochen schl\u00e4ngelt und oft anastomisirt, bevor es zuletzt in das vas deferens ausl\u00e4uft, und dass jedes einzelne der zahlreich vorhandenen von verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weitem Lumen ist, w\u00e4hrend der Gang, in dem alle R\u00f6hrchen ausmtinden, ein verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr schwaches Kaliber besitzt; es verengert sich also das Gesammtlumen der Samenr\u00f6hren, vom Anfang zum Ende des Hodens. Diese Verengung scheint aber keineswegs eine stetig fortschreitende, sondern eher eine auf- und absteigende zu sein; so hat es offenbar den Anschein, als ob das in den ductus efferentes so ungemein verschm\u00e4lerte Bett der (vereinigt gedachten) Samenr\u00f6hrchen in den coni vasculosi sich wieder erweitere und gegen das vas deferens wieder verengere. \u2014 Die Wand der Kan\u00e4lchen ist muskelfreies elastisches Bindegewebe, das\nnach innen durch eine Lage von Epithelialzellen gedeckt ist; das vas deferens ist dazu noch ausgestattet mit einer cirkularen und l\u00e4ngsverlaufenden Schicht Faserzellen. \u2014 Die Capillargef\u00e4sse des Hodens, welche aus der langen und engen art. spermat. entspringen, sind nicht zahlreich; sie sammeln sich in ein vielfach anastomisirendes Netz von weiten Venen. \u2014 Aus den Hoden gehen sehr volumin\u00f6se Lymphgef\u00e4sse hervor. \u2014 Die Nerven des Hodens und insbesondere des vas deferens, welche aus dem Lenden- und Sakraltheil des Grenzstrangs hervortreten, sollen ebenfalls bis in das Hirn zu verfolgen sein. \u2014 Die feste Kapselhaut des Hodens (tunica albuginea) schliesst eine Lage von muskul\u00f6sen Faserzellen ein (K\u00f6lliker).\n2. Samen*). Eine mechanische Scheidung zerlegt den von dem Hoden abgesonderten Saft in einen fl\u00fcssigen und aufgeschwemmten Theil. Dieser letztere enth\u00e4lt bestimmt geformte Gebilde, und zwar entweder Samenfaden und Samenzellen zugleich oder auch nur Samenzellen. Das zuletzt erw\u00e4hnte Vorkommen (Anwesenheit von Samenzellen bei Mangel an Samenf\u00e4den) findet sich ganz allgemein vor den Pubert\u00e4tsjahren (in dem sog. unreifen Samen) und h\u00e4ufig, aber keineswegs immer, in sehr hohem Alter und zuweilen in chronischen Krankheiten (Duplay). Bei dem Mangel einer jeglichen Untersuchung des fadenfreien Samens beschr\u00e4nken wir uns auf den fadenhaltigen.\nDie Samenzellen scheinen in einer Beziehung zu den Epithelialzellen der Samenkan\u00e4lchen zu stehen, indem die letztem h\u00e4ufig fehlen, wenn die Kan\u00e4lchen mit reifen Samen erf\u00fcllt sind. Die Zellen des rei-\nfen Samens sind rund, von verschiedener Gr\u00f6sse, einen bis zu zwanzig\n*) K \u00f6llik er, Handbuch der Gewebelehre. 2. Aull. 521.\t\u2014 Duplay, Archives generales. Dec.\n1852. \u2014 Valentin, Lehrbuch der Physiologie. 2. Aull. IL Bd. 1. \u00c4bthlg. p. 4L \u2014 Leukart, <u. Frerichs), Todd, Cyklopaedia, IV. Bd. p. 540.\t* .","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Hoden ; Samen,\n279\nKerne enthaltend. Die Kerne sind zum Theil nur mit einer klaren Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllt, zum Theil ist an der Wand derselben ein spiraliger Faden, die erste Anlage des Samenfadens, aufgelagert. In andern Zeilen sind keine Kerne mehr vorhanden, sondern es liegt, umgeben von einer durchsichtigen Fl\u00fcssigkeit, ein B\u00fcndel feiner F\u00e4den in denselben, welche s\u00e4mmtlich an einem Ende eine knopff\u00f6rmige Anschwellung tragen, die in allen F\u00e4den desselben B\u00fcndels nach einer Richtung innig aneinander geschlossen liegen. So lange sich der Samen in den Kan\u00e4lchen findet, umschliessen diese Zellen die F\u00e4den constant, und erst dann, wenn er in das vas deferens \u00fcbergetreten ist, verschwindet die Zellenmembran und die F\u00e4den schwimmen frei in der Fl\u00fcssigkeit.\nDie freien Samenf\u00e4den zeigen in dem frischen, vor Kurzem aus dem lebenden oder so eben get\u00f6dteten Thiere genommenen Samen eigenth\u00fcm-jiche Bewegungen. Der von dem platten, nach vorn etwas zugespitzten Knopfe ausgehende lange fadenf\u00f6rmige Schwanz kr\u00fcmmt sich ohne regele massige Folge bald da, bald dort hin und her und streckt sich rasch wieder; hierbei entwickeln sie hinreichende Stosskr\u00e4fte, um eine Ortsbewegung des ganzen Fadens zu veranlassen, welche denselben in einer Sekunde um 0,27 MM. in gerader Linie weiterschieben kann (Heule). Bei diesen Bewegungen weichen die F\u00e4den Hindernissen aus, die ihnen entgegentreten, so dass es den Anschein gewinnt, als ginge in den Bewegungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Sch\u00e4tzung der bevorstehenden Hemmung ein. \u2014 Die Versuche, welche angestellt wurden, um die den Bewegungen zu Grunde liegenden Bedingungen zu ergr\u00fcnden, beschr\u00e4nken sich auf Folgendes: die Samenf\u00e4den von Warmbl\u00fctern verlieren ihre F\u00e4higkeit zur Bewegung durch Zumischen von destillirtem Wasser, verd\u00fcnnten L\u00f6sungen von Metallsalzen und S\u00e4uren, Jod, \u00e4therischen Oelen, durch conzentrirte L\u00f6sungen von Narcotica, und endlich durch ein Ansteigen der Temperatur \u00fcber 46,5\u00b0 C. und ein Sinken unter 12,5\u00b0 C. \u2014-Die Beweglichkeit erh\u00e4lt sich dagegen ungest\u00f6rt in verd\u00fcnnten L\u00f6sungen von Zucker, Neutralsalzen, Narcotica, ferner in Harn, Speichel, Blutserum und unter dem Einfluss elektrischer Schl\u00e4ge. Siehe die betreffende Litteratur von Valentin, Kr\u00e4mer, B. Wagner u. s. w., bei dem erstem am erw\u00e4hnten Ort. \u2014 Von der chemischen Zusammensetzung der mit Wasser ausgewaschenen Samenzellen und F\u00e4den des Hahns berichtet Frerichs, dass die ersteren einen eiweissartigen K\u00f6rper enthalten, die letzteren aber einen in Kali l\u00f6slichen Eiweissstoff, ein butterartiges Fett und phosphorsauren Kalk.\nDie Samenfl\u00fcssigkeit ist im Hoden meist nur in geringer Menge enthalten, sie ist klebrig und enth\u00e4lt unter andern einen schleimigen Stoff und Kochsalz (Frerichs).\n3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Samens. Vor der Pubert\u00e4t geht die Bildung des unreifen Samens zuerst \u00e4usserst langsam vor sich;","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nHoden; Samen.\ndenn in dieser Zeit wird, so weit wir wissen, gar kein Saft aus dem Hoden entleert. \u2014 Nachdem mit den Pubert\u00e4tsjahren die Absonderung eines vollkommenen Samens zu Stande gekommen, kann sie bis in das hohe Alter bestehen; Duplay fand in den Hoden 80j\u00e4hriger Greise noch Samenf\u00e4den; \u00fcbrigens sind nach demselben Beobachter bei Hochbejahrten die Samenf\u00e4den meist sp\u00e4rlicher vorhanden, und fehlen auch nicht selten g\u00e4nzlich, oder sie sind mindestens missgestaltet. Man vermuthet, dass eine \u00f6ftere Entleerung des Samens die Neubildung desselben beschleunige. \u2014 Bei Individuen mittleren Alters fehlen zyweilen die Samenf\u00e4den; die Beziehungen, welche man zwischen gewissen krankhaften St\u00f6rungen der allgemeinen Ern\u00e4hrungsprozesse und der ausbleibenden Bildung von Samenf\u00e4den vermuthet, haben sich durch die Untersuchungen von Duplay nicht best\u00e4tigt.\n4.\tSamenbereitung. Die Formfolge bei der Entwicklung der Samenf\u00e4den glaubt K\u00f6lliker dahin feststellen zu k\u00f6nnen, dass zuerst die Zellen, dann die Kerne und dann in jedem Kern ein Samenfaden auftrete; wenn die einzelnen Kerne geplatzt sind, so legen sich die F\u00e4den zu B\u00fcndeln zusammen. Die gekr\u00fcmmten und langen Wege, die h\u00e4ufigen Anastomosen und endlich die Enge des vas deferens bedingen eine hinreichend langsame Bewegung des Samens von den Anf\u00e4ngen zu den Enden des Hodens, um die zur Formentwicklung noth wendige Zeit zu gewinnen. \u2014 Die Bedingungen f\u00fcr die Entstehung des Samenfadens m\u00fcssen theils in der Blutzusammensetzung und theils in Zust\u00e4nden des Hodens selbst gesucht werden. F\u00fcr den letzteren Satz spricht vor Allem die Beobachtung von Duplay, dass bei demselben Individuum in dem einen Hoden der Samen fadenhaltig und im andern fadenfrei sein kann. Worin diese Bedingungen liegen, ist unbekannt; sicherlich nicht in dem S\u00e4ftereichthum desselben \u00fcberhaupt, da Hoden, welche einen normalen Samen erzeugen, im Mittel nicht schwerer sind, als diejenigen, welche dieses nicht verm\u00f6gen (Duplay).\n5.\tDie Entleerung des Hodens kann m\u00f6glicher Weise veranlasst werden durch die in der tunica albuginea vorhandenen Muskeln ; die Anwesenheit eines ser\u00f6sen Sackes (tunica vaginalis propria) deutet mindestens auf eine Verschiebung der beiden Bl\u00e4tter desselben, also auf selbstst\u00e4ndige Hodenbewegungen, hin. \u2014 Der in der vas deferens entleerte Samen wird durch die Muskelbewegungen dieses Schlauchs in die Samenbl\u00e4schen ausgestossen, wo er mit andern Dr\u00fcsens\u00e4ften vermischt und endlich in die Harnr\u00f6hre entleert wird. Seinen weiteren Weg verfolgt die Entwicklungsgeschichte.\nB. Beiwerkzeuge des Hodens.\nDas Wenige, was \u00fcber die Absonderungserscheinungen der ser\u00f6sen Hodenhaut bekannt ist, wurde schon Seite 184 erw\u00e4hnt. \u2014 Der Muskel","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Accessorische Sameudr\u00fcsen ; Ruthe.\n281\ndes Samenstrangs (Cremaster) ist ein unwillkiihrlieh beweglicher._ Die\ntunica dartos, welche aus einer Lage gekreuzter Muskelzellen besteht, verk\u00fcrzt sich meist nur dann, wenn sie abgek\u00fchlt oder mit Elektrizit\u00e4t geschlagen wird. Zuweilen auch unter der Einwirkung eines Druckes\nauf dieselbe. Leber eine Art von rhytmischer Bewegung in derselben siehe Betz*).\nC.\tAccessorische Samendr\u00fcsen (vas deferens, Samenblasen, Prostata).\nUeber ihre Ern\u00e4hrung und die in ihr vorgehende S\u00e4ftebildung ist so gut wie nichts bekannt. Die beiden ersten Gebilde sondern eine den Hodensaft verd\u00fcnnende Fl\u00fcssigkeit ab (E. H. Weber)**); denn es ist, wie das Mikroskop lehrt, die Zahl der Samenf\u00e4den im gleichen Volum des Inhalts der vasa deferentia viel bedeutender, als desjenigen der ve-siculae s\u00e9minales. Da man nun keinen Grund hat, anzunehmen, dass Samenf\u00e4den sich in den Bl\u00e4schen aufl\u00f6sen, so kann die Erscheinung nur\nvon einer Verd\u00fcnnung des Hodensaftes durch Zusatz neuer Fl\u00fcssigkeit erkl\u00e4rt werden.\nD.\tDas m\u00e4nnliche Glied.\nNachdem schon an verschiedenen Stellen von den Schweiss- und Schleimdr\u00fcsen des Penis gehandelt wurde, beschr\u00e4nken wir uns hier auf\ndie Erektion und die Betheiligung des Gliedes an Samen- und Harnentleerung.\n1. Die Erektion***) ist eine von den Ver\u00e4nderungen des Blutstroms im Penis abh\u00e4ngige Erscheinung, die durch die Nerven desselben eingeleitet wird. Die Lumina der Gef\u00e4ssr\u00f6hren sind nemlich in dem Penis so angeordnet, dass sich sogleich sehr enge Arterien in relativ weite, von Balken durchzogene S\u00e4cke (corpora cavernosa) m\u00fcnden, welche wieder in enge Venen \u00fcbergehen. In diesem R\u00f6hrenwerk str\u00f6mt das Blut nun entweder in der Art, dass sein Seitendruck nicht gen\u00fcgt, um die Cavernen auszuspannen, oder dass er betr\u00e4chtlich genug wird, um sie straff zu pres-sen gegen die fibr\u00f6sen H\u00e4ute bis zur vollkommenen Steifigkeit des Gliedes. Der Zusammenhang dieser Str\u00f6mungs\u00e4nderungen und der Penisnerven ist durch die Folgen ihrer Zerschneidung bei Pferden erwiesen worden (G\u00fcnther); diese Operation beschr\u00e4nkt nemlich ebensowohl die vollkommene Steifung, als die vollkommene Erschlaffung des Gliedes. Der Strom scheint also eine mittlere Spannung anzunehmen. \u2014 Der Mechanismus, welcher diese Stromver\u00e4nderung einleitet, kann, so weit unsere\n*) Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 331.\n**) Zus\u00e4tze zur Lehre vom Baue u. d. Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Leipzig 1846. 397. Krause, M\u00fcller\u2019s Archiv. 1837. p. 1. \u2014 G\u00fcnther, Untersuchungen und Erfahrungen im Gebiete der Anatomie u. s. w. Hannover 1837. \u2014- Arnold, Anatomie des Menschen. \u2014 Kobelt, Das Wollustorgan. Freiburg 1844. \u2014 Kohlrausch, Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. \u2014 K\u00f6lliker, W\u00fcrzburger Verhandlungen. U. Bd. N. 8 u. 9. \u2014 Hausmann, Ueber die Zeugung und Entstehung des wahren weiblichen Eies u. s. w. Hanno-\nver 1840.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nM\u00e4nnliches Glied; Erektion.\nEinsicht reicht, m\u00f6glicher Weise vielfach sein. \u2014 a) Die Stromhindernisse in den zuf\u00fchrenden Arterien werden vermindert (Hausmann) z. B. durch eine Erschlaffung ihrer Wandung; daraus w\u00fcrde nat\u00fcrlich eine Erweiterung ihres Querschnitts entstehen. Gr\u00fcnde und Gegengr\u00fcnde f\u00fcr diese oft\tausgesprochene\tBehauptung giebt es keine.\t\u2014 b) Steigerung der Stromhemmnisse in\tden ausf\u00fchrenden\tR\u00f6hren.\tDie Vertheidi-\nger dieser Ansicht haben zwei M\u00f6glichkeiten aufgestellt. Entweder es werden zusammengepresst die Venenst\u00e4mme (dorsalis, bulbosae, plexus venosus santorini) durch die musc, ischio- und bulbqcavernosus und adductor prostatae*). Abgesehen davon, dass diese Muskeln die erw\u00e4hnten Venen zu comprimiren verm\u00f6gen, f\u00fchrt diese Vermuthung f\u00fcr sich an: die Anwesenheit tonischer oder klonischer Kr\u00e4mpfe in den Muskeln w\u00e4hrend der Erektion\tund n\u00e4chstdem\tdie Beobachtung,\tdass bei\teiner Injektion\nd\u00fcnnfl\u00fcssiger\tMassen in den\ttodten Penis die\tSteifung\tdesselben erst\ndann zu Wege gebracht werden kann, wenn man die Venen desselben ganz oder theilweise zuschn\u00fcrt (Krause). So annehmbar von dieser Seite diese Vorstellung ist, so darf andererseits nicht verkannt werden, dass man willk\u00fchrlich die erw\u00e4hnten Muskeln zusammenziehen kann, ohne damit eine Erektion zu Stande zu bringen. \u2014 Im Anschluss an diese Annahme steht die andere, dass sich die Oeffnungen, welche die Cavernen und die ausf\u00fchrenden Venen verbinden, selbst verengern und bei einer weit gediehenen Anf\u00fcllung des Penis sogar ganz verschliessen m\u00f6chten. Diese Hypothese wird f\u00fcr die corpora cavernosa penis sehr wahrscheinlich angesichts der leicht zu constatirenden Thatsache, dass die Injektionsmasse oder Luft, die man durch eine k\u00fcnstliche Oeffnung geradezu in die Hohlr\u00e4ume einspr\u00fctzt, nicht in die ausf\u00fchrenden Venen \u00fcbergeht, selbst wenn man einen bedeutenden Druck anwendet. Unl\u00e4ug-bar verlangt dieses Verhalten die Anwesenheit von Hemmnissen an der Grenze von Cavernen und Venen, wenn sich die letztem ausgedehnt haben, obwohl noch der anatomische Nachweis derselben fehlt (Kob eit, Kohl rausch). Die Schwierigkeiten, welche diese Erkl\u00e4rungsart der Erektion mit sich f\u00fchrt, liegen nun aber darin, dass* sie einmal nicht feststellt, wodurch die Cavernen zuerst zu dem Grade von Anf\u00fcllung kommen, der noting ist, damit die klappen\u00e4hnlichen Apparate in Wirksamkeit treten k\u00f6nnen; dann aber l\u00e4sst sie uner\u00f6rtert, wie der Penis wdeder abschwillt, da seine Klappen ununterbrochen wirken, wie man an der Leiche sieht. \u2014 Auf keinem Fall k\u00f6nnen aber, wie schon erw\u00e4hnt wurde, \u00e4hnliche Vorrichtungen wirksam sein bei der Anschwellung der corp. ca-vernos. urethreae und der Eichel, da die in ihre H\u00f6hlen eingeblasene Luft den Ausweg leicht durch die Venen findet. \u2014 c) Die dritte Annahme, welche K\u00f6lliker in weitester Ausdehnung vertritt,' behauptet.\n*) Das ist der vordere Theil des muskul\u00f6sen Beckenzwerchfells \u00bb","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Ausstossung von Harn und Samen.\n283\ndass die M\u00fcndungen der zu und von den Cavernen f\u00fchrenden Gef\u00e4sse wesentlich unver\u00e4ndert bleiben, dass aber die Cavernenwandungen nachgiebiger w\u00fcrden, so dass sie nun von dem einstr\u00f6menden Blute leichter als fr\u00fcher zu erweitern w\u00e4ren. Die Ursache der Erschlaffung finden K\u00f6 11 iker und Koh\u00eerausch in der Erregung der Penisnerven, welche zu ihren Muskeln in einem \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltniss stehen sollen, wie die nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Gewissheit kann allerdings die Behauptung ausgesprochen werden, dass eine kr\u00e4ftige Zusammenziehung der von K\u00f6i-liker und Valentin in den corpora cavernosa entdeckten Muskeln die Erektion gerade unm\u00f6glich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre Verk\u00fcrzung das Volum des Penis minderte; so sah es Kolliker, als er den Penis eines Hingerichteten mit elektrischen Schl\u00e4gen behandelte, und so ist das abgek\u00fchlte Glied, dessen Muskeln zusammengezogen sind, immer sehr klein und derb. Damit ist aber nat\u00fcrlich nicht die Behauptung erwiesen, dass zu allen Zeiten die Muskeln des schlaffen Penis contrahirt seien, und noch weniger, dass die Nerven und Muskeln des Penis ein dem Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. R\u00fcck-sichtlich des letztem Punktes ist um so gr\u00f6ssere Vorsicht n\u00f6thig, als es sehr wahrscheinlich ist, dass der Vagus nicht geradezu den Herzmuskel erschlafft , sondern andere auf ihn wirkende Erregungsursachen ausser Wirksamkeit setzt. \u2014 d) Arnold weist endlich auf die M\u00f6glichkeit hin, dass das Strombett des Bluts in dem gesteiften Penis ein ganz anderes sei, als in dem schlaffen; er glaubt sich nemlich \u00fcberzeugt zu haben, dass das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen gelangen k\u00f6nne; einmal durch Capillaren, welche auf den W\u00e4nden der Cavernen verlaufend in die Venen einm\u00fcnden und dann durch Zweige, welche direkt in die Cavernen \u00fcbergehen. Diese M\u00f6glichkeit wird so lange bestritten werden m\u00fcssen, bis diese beiden WTege genauer dargestellt sind.\nUeber die vor\u00fcbergehende Erektion der Eichel und die mannigfachen Erregungsmittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin ausf\u00fchrlich.\n2. Ausstossung von Harn und Samen aus der Harnr\u00f6hre. Da in die Urethra die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Samen- und Harnbeh\u00e4lter m\u00fcnden, ohne dass die eine der beiden Fl\u00fcssigkeiten in die Wege der andern eindringt, so m\u00fcssen Vorrichtungen bestehen, welche den beiden S\u00e4ften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutzmittel der Samenwege, welches den Eintritt des Harns in dieselben verhindert, ist anzu-sehen der schiefe Gang, welchen die samenausf\u00fchrenden R\u00f6hren durch die Wand der Urethra nehmen. Als eine Hemmung f\u00fcr den Weg des Samens in die Harnblase betrachtet Kob eit das caput gallinaginis, welches ebenfalls, mit Schwellk\u00f6rpern versehen, zur Zeit der Erektion die Blasenm\u00fcndung verstopft. \u2014 Da nun aber auch bei abwesender Schwel-","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nWeibliche Gescbleebtswerkzeuge ; Eierstock.\nlung der Samen nicht in die Harnblase gelangt* so muss schon der sphincter vesicae zum Abschluss gen\u00fcgen. \u2014 Der Harn wird in die Urethra mit hinreichender Kraft getrieben, um aus der M\u00fcndung derselben in einem Strahl bef\u00f6rdert zu werden. Anders verh\u00e4lt es sich mit dem Samen, der durch die schwachen Muskeln der Samenbl\u00e4schen nur bis in die Harnr\u00f6hre getrieben wird; aus dieser bef\u00f6rdern ihn die Zusammenziehungen des m. bulbocavernovus. \u2014 Bei der Steifung des Gliedes ist das Eindringen des Samens in die Harnr\u00f6hre noch besonders erleichtert, da diese zu jener Zeit in Folge der Ausspannung ihrer W\u00e4nde ein ge\u00f6ffnetes Lumen besitzt. Der Harn findet aber zu dieser Zeit an dem geschwollenen Schnepfenkopf ein Hinderniss.\nWeibliche Geschlechtswerkzeuge.\nt\nA. E i e r s t o c k.\n1.\tAnatomischer Bau. Zum gr\u00f6ssten Theil besteht der Eierstock aus Blutgef\u00e4ssen und einer eigenen Art von Bindegewebe. In diese Massen sind eingebettet unreife, reife und zerst\u00f6rte Eikapseln und das ganze ist umzogen von einer fibr\u00f6sen H\u00fclle. Der reife Eisack ist ein kugeliger Sack, der mit Fl\u00fcssigkeit (Eiwasser) gef\u00fcllt ist. Die Wand dieses Sackes besteht nach aussen hin aus Bindegewebe, dann folgt eine strukturlose Haut und auf diese eine mehrfache Lage von Zellen (K\u00f6rnerhaut), und in dieser liegt das Eichen. Die Elemente der K\u00f6rnerhaut, zusammengedr\u00fcckte, getr\u00fcbte, kernhaltige Zellen, liegen zum gr\u00f6ssten Theil in einer nur mehrfachen Schicht auf der strukturlosen Haut des Sackes an, an einer Stelle aber sammeln sie sich so zahlreich , dass sie einen kleinen H\u00fcgel bilden (Keimh\u00fcgel) und in diesem ruht das Eichen eingebettet. Dieses selbst besteht, von Centrum an gerechnet, aus einer hellen Zelle mit dunklen P\u00fcnktchen (Keimbl\u00e4schen und Keimfleck), diese liegt in einem tr\u00fcben Tr\u00f6pfchen (Dotterkugel), welches endlich von einer breiten, durchsichtigen, z\u00e4hen Schaale (Dotterhaut, Eiweissschicht) umgeben wird.\n2.\tChemische Beschaffenheit*). Die Grundmasse des Eierstocks besitzt wahrscheinlich die Zusammensetzung des elastischen Bindegewebes. Die Eigenschaften der strukturlosen Eikapsel, der membrana granulosa und des Eiwassers sind ganz unbekannt. Die Zusammensetzung des menschlichen Eies k\u00f6nnen wir seiner Kleinheit wegen nicht durch direkte Untersuchung ins Klare bringen. Auf die Bestandtheile des reifen menschlichen Eies schliessen wir darum nur aus der Untersuchung des thierischen. Unter Beschr\u00e4nkungen halten wir uns hierf\u00fcr berechtigt, weil die Untersuchungen von Gobley, Valenciennes und F r e m y\n*) Gobley, Pharmazeut. Centralblatt 1847.\u2014 Derselbe, Journal de pharmacie. 3me. Ser. XVII. und XVIII. Bd. \u2014 Fremy und Valenciennes, Journal de pharmacie. 3m. Ser. XXVI. \u2014 Weber, Poggendorf\u2019s Annalen. 79. Bd. 398.\u2014 Barreswill, Scherer\u2019s Jahresbericht \u00fcber phys. Chemie f\u00fcr 1849. p. 100. \u2014 Winkler, Giessener Jahresbericht \u00fcber Chemie. 1847 u. 48-, 858. \u2014 Budge, Liebig\u2019s Annalen, Bd, 64. p, 127,","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Eierstock; Eibildung.\n285\ngezeigt haben, dass wenigstens analoge Bestandtheile das Ei sehr verschiedener Thiere zusammensetzen. Die quantitive Zusammensetzung ist\nin den verschiedenen Eiern dagegen durchaus ungleich.\nNach Gobley, Valenciennes und Freiny findet sich in den Eiern aller Wirbeltbiere Albumin, Margarin, Olein, phosphorhaltige Fette und die gew\u00f6hnlichen Blutsalze. \u00dc3zu kommt bei den V\u00f6geln ein eigent\u00fcmlicher eiweissartiger K\u00f6rpe -, das Vitellin, welches bei den Knochenfischen durch Ichtidin und bei den Knorpelfischen durch Ich thin vertreten wird. \u2014 Um eine Vorstellung von der grossen Com-plikation der Zusammensetzung des H\u00fchnereies zu geben, z\u00e4hlen wir seine Bestandtheile auf. \u2014 Albumin, Vitellin (C 52,8, H 7,2, N 15,1, 0 26,16), Margarin, Olein, Cholestearin, Lecithin, Cerebrin, Zucker, NaCi, KCl, NH;C1, KOSOJ5 3Ca0P05, SMgOP05, NaOC02, Si 03, ein rother eisenhaltiger und ein gelber Farbstoff, Wasser.\n3. Eibildung und Ausstossung des Eies*). Ueber die Formfolge des entstehenden Eies ist uns Einiges bekannt. Zuerst tritt es auf als eine grosse, durchsichtige, kernhaltige Zelle, welche im Centrum eines Haufens kleiner, mit trtiblichem Inhalt gef\u00fcllter Zellen liegt (Steinlin). Diese letztem Zellen gleichen schon ganz denen der sp\u00e4tem membrana granulosa. In einer zweiten Formstufe umgiebt eine strukturlose Haut die Zellenmasse ; auf die \u00e4ussere Fl\u00e4che dieser ersten H\u00fcllenanlage setzt sich sp\u00e4ter das Bindegewebe an, auf die innere die membrana granulosa, indem sich die in sie eingeschlossenen Zellen mehren.\nDie Bedingungen zur Bildung von Eiern k\u00f6nnen w\u00e4hrend des ganzen Lebens, vielleicht mit einziger Ausnahme einiger Krankheiten, z. B. der Bleichsucht, und des h\u00f6heren Alters, vorhanden sein, denn es finden sich selbst in den Eierst\u00f6cken der Embryonen schon Anlagen von Eikapseln. Ihre vollkommene Ausbildung erlangen aber die Eier nur w\u00e4hrend eines bestimmten Lebensabschnittes der Frauen, der in unsern Gegenden mit dem 14. bis 15. Jahre beginnt und nach dem 40. schliesst. Einzig w\u00e4hrend dieser Periode werden auch die Eier aus dem Ovarium ausgestossen; dieses geschieht dadurch, dass in den Binnenraum der Kapsel mehr und mehr Fl\u00fcssigkeit eindringt, so dass diese endlich, nachr dem sie das umgebende Gewebe verdr\u00e4ngt und sich \u00fcber der Oberfl\u00e4che des Eierstockes erhoben hat, platzt. Die aus der Kapsel hervorst\u00fcrzende Fl\u00fcssigkeit sp\u00fclt dabei das locker angeheftete Eichen auf die freie Fl\u00e4che des Eierstocjis Dieser Hergang erfolgt bei Thieren, wie Bise ho ff nachgewiesen, nur zur Zeit der Brunst und beim Menschen nur zur Zeit der Menstruation; er bleibt beim Menschen wahrscheinlich jedesmal nur auf ein oder mehrere Eier beschr\u00e4nkt. Dieser Ausstossungsakt erf\u00e4hrt w\u00e4hrend der Dauer der Schwangerschaft eine Unterbrechung. \u2014 Nachdem das S\u00e4ckchen das Ei ausgestossen, schrumpft es unter Faltenbildung zu-\n*) Bischoff, Entwickelungsgeschichte der S\u00e4ugethiere und des Menschen. Leipzig 1842. \u2014 Derselbe, Beweis der von der Begattung unabh\u00e4ngigen Losstossung der Eier. Giessen 1844. \u2014\u2022 Leuckart, Zeugung in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. VI. Bd. \u2014 Bischoff, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. Band. 129. \u2014 Steinlin, Z\u00fcricher Mittheilungen. 1849. \u2014 K \u00f6l liker, Gewebelehre. 2. Aufl. 252.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nEileiter.\nsammen, ohne dass jedoch dadurch der ganze Hohlraum zum Verschwinden kommt. Dieser letztere f\u00fcllt sich anf\u00e4nglich mit Blut und allm\u00e4hlig mit einer von der Haut ausgehenden Zell- und Bindegewebswueherung. Diese R\u00fcckbildung geht langsamer zur Zeit der Schwangerschaft vor sich, als ohne dieselbe. Darum findet man eine mit mehr oder weniger weit zersetztem Blut gef\u00fcllte Kapsel (corpus luteum) deutlich bei den w\u00e4hrend der Schwangerschaft gestorbenen Individuen (Meckel, Bisch off).\nB.\tEileiter.\nDas Wenige, was \u00fcber seine Lebenserscheinungen bekannt ist, bezieht sich auf die an ihm vorkommenden Bewegungen ; sie sind doppelter Art, einmal geschehen sie in seinen Muskeln und dann in seiner Epithelialhaut.\nDie Muskeln geh\u00f6ren zu den glatten; die Nerven, unter deren Einfluss sie stehen, verlaufen in den unteren Partien des Grenzstrangs. Die Bewegungen, welche der Eileiter darbietet, nehmen immer die Form von fortschreitenden an; das Weiterschreiten kann ebensowohl in der Richtung vom Eileiter zum Fruchth\u00e4lter als in der umgekehrten Richtung geschehen. Diese Bewegungen, welche durch galvanische und mechanische Erregungsmittel hervorgerufen werden k\u00f6nnen, treten h\u00e4ufig auch ohne nachweisliche Veranlassung auf, und zwar geschieht dieses letztere ebensowohl, wenn der Eileiter noch in seinen normalen Verbindungen sich vorfindet, als wenn er gemeinschaftlich mit dem Uterus ausgeschnitten ist. \u2014 Die Muskeln des Eileiters verhalten sich also \u00e4hnlich denen\ndes Darms.\nDie Flimmerzellen der Eierst\u00f6cke, deren Faden in der Art schwingen, dass sie einen Strom von dem Ovarium nach dem Uterus hin veranlassen, zeichnen sich vor allen \u00fcbrigen durch ihre ausserordentliche Empfindlichkeit gegen sch\u00e4dliche Einfl\u00fcsse aus.\nDie Fortbewegung der Eier durch die Tuben geschieht nach den Beobachtungen von Bi sch off und Hyrtl ausserordentlich langsam, indem 5 bis 8 Tage (beim Menschen und Hund) n\u00f6thig sind, um sie durch den Eileiter hindurchzuf\u00f6rdern. Durch welche Einrichtungen die Bewegung so verlangsamt wird, ist nicht bekannt; denn sie m\u00fcsste rascher vor sich gehen, wenn das Ei dem Strom der Flimmerhaare oder der peristaltischen Bewegung der Muskeln folgte.\nC.\tFruchth\u00e4lter.\nAusser den anatomischen Einrichtungen und einigen Ver\u00e4nderungen, die dieselben in der Schwangerschaft erleiden, ist wenig \u00fcber den Uterus bekannt. \u2014 Einige Aufmerksamkeit hat nur die Menstruation, eine blutige Ausscheidung auf der innern Fl\u00e4che des Uterus, welche bei mannbaren Weibern meist in monatlichen Zwischenr\u00e4umen wiederkehrt, auf sich gezogen.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Fruehth\u00e4lter. Menstruation.\n297\n1.\tChemische Zusammensetzung der Menstrualfl\u00fcssigkeit *). Sie stellt ein Gemenge von fl\u00fcssigen und festen K\u00f6rpern dar. Die aufgeschwemmten Massen bestehen aus Blut- und Lymphk\u00f6rperchen, Epithe-liumszellen; die fl\u00fcssigen enthalten Wasser, Eiweiss, Faserstoff, Fette und alkalisch reagirenden Salze.\nUeber den Faserstoffgehalt bestehen Controversen ; Simon, Vogel und fr\u00fcher auch Denis fanden das Blut, welches aus dem Uterus ausgetreten, weder gerinnbar, noch enthielt es Faserstofftiocken. Nach E. H. Weber**), der in dem Uterus einer Person, die w\u00e4hrend der Menstruation gestorben war, Faserstoffgerinnsel fand, ist dieses nur darum der Fall, weil das Blut kurz nach seinem Austritt auf die Uterus-fldche gerinnt und aus diesem Gerinnsel Blutk\u00f6rperchen und Serum austreten, w\u00e4hlend der Faserstoff wenigstens zeitweilig zur\u00fcckgehalten wird. \u2014 Mit dieser Annahme stimmen neue Untersuchungen von Denis und He nie \u00fcberein, welche im Menstrual-blut Gerinnung beobachteten.\nUeber die quantitative Zusammensetzung des Menstrualblutes besitzen wir Angaben von Simon, Denis und J. Vogel; die Mittheilungen des letztem Autors d\u00fcrften darum am zuverl\u00e4ssigsten sein, weil er die Fl\u00fcssigkeit unmittelbar aus der vorgefallenen Geb\u00e4rmutter sammelte. Nach ihm enthielten zwei Portionen Ausflusses, von denen die eine zu Beginn und die andere zu Ende der Menstruation aufgefangen war, in 100 Thei-len gleich viel Wasser, nemlich 83,9 pCt. ; ein Serum, das aus diesem Ausfluss gewonnen war, enthielt in 100 Theilen 93,5 Wasser; unter 6,5 pCt. festen Bestandteilen fanden sich 0,65 pCt. feuerbest\u00e4ndiger Salze. Diese wenigen Thatsachen scheinen doch hinzureichen zu dem Schluss, dass die untersuchte Fl\u00fcssigkeit kein reines Biut gewesen sei.\n2.\tDas Erscheinen der Menstruation***) ist von verschiedenen Umst\u00e4nden abh\u00e4ngig, a) Die Menstruation kommt nur dann zu Stande, wenn sich aus dem Ovarium ein Ei abi\u00f6st. Der Beweis f\u00fcr diese Behauptung liegt darin, dass man jedesmal, so oft es m\u00f6glich war, die Leiche einer w\u00e4hrend der Menstruation verstorbenen Person zu untersuchen, in dem Eierstock entweder eine reife oder so eben geplatzte Eikapsel fand, und ferner darin, dass keine Frau menstruirt ist, der in Folge einer Operation oder der urspr\u00fcnglichen Entwickelung die Eierst\u00f6cke fehlten. Die Verkn\u00fcpfung beider Vorg\u00e4nge ist jedoch insofern keine nothwendige, als es umgekehrt heohachtungsgem\u00e4ss m\u00f6glich ist, dass ein Eiaustritt erfolgen kann, ohne dqss die Regeln in merklicher Weise eintreten. \u2014 b) Die Regeln k\u00f6nnen nur erscheinen, wenn ein gewisses Lebensalter erreicht und ein anderes nicht \u00fcberschritten ist. Das Alter, nach dessen Vollendung die Menses aultreten, wechselt mit dem Klima und der Lebensweise. Nach statistischen Beobachtungen f\u00e4llt der mittlere Eintritt derselben im n\u00f6rdlichen Deutschland in das 16., im s\u00fcdlichen Frankreich in das 13. und in tropischen L\u00e4ndern in das 11. bis 9. Jahr. Die St\u00e4dterin soll\n*) Bitz mann, Artikel Schwangerschaft in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. III. 1. \u2014 Leuckart, 1. c.\nn 1. c. p. 418.\n) Tilt, Valentin\u2019s Jahresbericht \u00fcber Physiol, f, 1850. 1-32. \u2014 Hannover, ibid. 1851\u00bb 189,\n","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nMenstruation.\nim Durchschnitt um ein Jahr fr\u00fcher menstruirt sein, als die Bewohnerin des Landes. \u2014 Ueber das Alter, in dem die Menstruation verschwindet, sind weniger allgemeine Regeln festgestellt; in unsern Gegenden h\u00f6rt die Menstrualblutung gew\u00f6hnlich mit dem 40. bis 45. Jahre auf oder tritt von da an nur sehr unregelm\u00e4ssig ein. \u2014 c) Wenn eine Menstrualblutung stattgefunden hat, so muss ein gewisser Zeitraum verstreichen, bevor eine neue eintreten kann. Die Zeit, welche zwischen je zwei Reinigungen liegt, betr\u00e4gt gew\u00f6hnlich 4 bis 4,5 Wochen. Abgesehen davon, dass sich hier individuelle Verschiedenheiten finden, soll sich auch der Unterschied der Klimate geltend machen, und namentlich giebt man an, dass in n\u00f6rdlichen Gegenden die Menstruationen seltener aufeinander folgen, als in s\u00fcdlichen. \u2014 d) Endlich ist es eine Regel, die nur seltene Ausnahmen erleidet, dass das Weib der monatlichen Reinigung nur in der Zeit unterworfen ist, in der es sich im nichtschwangern Zustande befindet.\n3.\tDie Dauer und die Geschwindigkeit des Blutflusses sind sehr variablen Werthes, indem namentlich die Dauer des Ausflusses bei den verschiedenen Frauen zwischen einem bis zu acht Tagen schwankt. \u2014 lm Allgemeinen soll bei magern, lebhaften und s\u00fcdl\u00e4ndischen Frauen die Geschwindigkeit des Ausflusses gr\u00f6sser sein, als bei fetten, tr\u00e4gen und denen des Nordens.\nZahlenangaben, wie die, dass die norddeutschen Frauen und die Engl\u00e4nderinnen 90 bis 105 Gr., die S\u00fcddeutschen 240 Gr., die Italienerinnen und Spanierinnen 360 Gr. und die Frauen der Tropen 600 Gr. Fl\u00fcssigkeit verlieren sollen, m\u00fcssen mit einem ? aufgenommen werden.\n4.\tDie Ver\u00e4nderungen, welche man in der Uteruswand w\u00e4hrend der Dauer der Menstruation beobachtet hat, bestehen in einer Anschwellung seiner Masse, in einer st\u00e4rkern Entwickelung seiner Schleimhaut, in Folge deren sich h\u00e4ufig, aber nicht immer (Bi sch off), die Uterindr\u00fcsen ver-gr\u00f6ssern. Geschieht dieses, so schwitzt auf die gesammte innere Oberfl\u00e4che des Uterus ein weiche weisse Haut aus, die Dezidua.\n5.\tDie Ausstossung der in die Geb\u00e4rmutterh\u00f6hle ausgetretenen Fl\u00fcssigkeit wird wahrscheinlich auf verschiedenen Wegen besorgt. Zum Theil mag die Fl\u00fcssigkeit einfach ausfliessen, zum Theil aber wird sie sicher durch die Bewegungen des Uterus, die als wehenartige Schmerzen empfunden werden, in die Scheide bef\u00f6rdert; auf dem letztem Wege muss offenbar auch die Entfernung der festen Masse (des Faserstoflgerinsels und der etwa gebildeten Dezidua) geschehen. Bemerkenswerther Weise bleiben diese letztem oft sehr lange in der Geb\u00e4rmutter liegen, so dass sie mehrere Wochen nach Beendigung der Regeln, in der sog. weissen Menstruation, mit Schleim vermischt entleert werden.\nUeber die Erektion der Scheide siehe Kob eit in dessen Wollustorgan; die Fett- und Schleimdr\u00fcsen der vagina sind schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Brustdr\u00fcsen; Milch.\n209\nMilchdr\u00fcsen.\nJ. Anatomische Beschaffenheit der weiblichen Brustdr\u00fcse*). Ihre H\u00f6hlen sind im Allgemeinen angeordnet wie die einer traubigen Dr\u00fcse mit mehreren Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen, z. B. der Thr\u00e4nendr\u00fcse; der Milchdr\u00fcse eigenth\u00fcmlich sind die l\u00e4nglichen Erweiterungen in den gr\u00f6sseren Aus-f\u00fchrungsg\u00e4ngen kurz vor deren M\u00fcndung. Die Wandung enth\u00e4lt durchweg eine strukturlose Grundlage, auf der innern Seite derselben liegt in den Endbl\u00e4schen ein vieleckiges und in den grossem G\u00e4ngen ein cy-lindrisches Epithelium. Auf der \u00e4ussern Seite ist die strukturlose Wandschicht in den st\u00e4rkeren G\u00e4ngen mit einer Lage glatter L\u00e4ngsmuskeln belegt, die jedoch nicht bis in die Brustwarze hineinreichen. \u2014 Die Gef\u00e4sse umspinnen mit den gew\u00f6hnlichen Maschen in traubigen Dr\u00fcsen die Bl\u00e4schen ; in der Milchperiode nimmt der Durchmesser derselben merklich zu. \u2014 Die Nerven, welche in das Innere der Dr\u00fcsen gehen, sind wenig zahlreich ; sie scheinen nur den Blutgef\u00e4ssen anzugeh\u00f6ren. \u2014 Die ganze Dr\u00fcse ist in einen muskul\u00f6sen Hautbeutel eingef\u00fcllt; die Muskeln desselben ziehen sich zwischen den L\u00e4ppchen der Dr\u00fcsen durch in das Bindegewebe, welches die L\u00e4ppchen scheidet.\nDie m\u00e4nnliche Brustdr\u00fcse gleicht der weiblichen, ausgenommen dass ihre Endbl\u00e4schen viel weiter und daf\u00fcr sparsamer vorhanden sind, und dass den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen die Erweiterung kurz vor der M\u00fcndung abgeht.\n2. Milch*\u00bb). Die Dr\u00fc se liefert ihren Saft gew\u00f6hnlich nur bei Neugebornen, schw\u00e4ngern und niedergekommenen Frauen, sehr selten auch bei M\u00e4nnern. Wir schildern zuerst die Eigenschaften der Frauenmilch.\nDie Frauenmilch, eine bl\u00e4ulich-weisse, tr\u00fcbe Fl\u00fcssigkeit von 1018 bis 1045 spez. Gewicht, kann durch die mechanische Analyse zerlegt werden in aufgeschwemmte Bestandtheile: Milchk\u00fcgelchen, Colostrumk\u00f6rperchen, Epithelialzellen, und in Fl\u00fcssigkeit: das Milchserum. \u2014 Die Milch- (oder Butter-) k\u00fcgelchen sind Fetttr\u00f6pfchen, welche von einer H\u00fclle umzogen werden (Henle, Mi tscherli ch, v. Buer en)***). Die Gr\u00f6sse derselben ist sehr ver\u00e4nderlich, ihr Durchmesser erhebt sich von unmessbarer Kleinheit bis zur Gr\u00f6sse einiger Hundertstel Linien. \u2014 Die H\u00fclle besteht wahrscheinlich'aus Casein, der fettige Inhalt (die Butter) kann aus der Milch der Kuh und vermuthungsweise auch aus der des Menschen in Olein und andere neutrale Fette zerlegt werden, aus denen durch Verseifung\n*) K\u00f6lliker, Handbuch d. Gewebelehre. 2. Aufl. 556. \u2014 Henle, Jahresbericht \u00fcber mikroskop, Anatomie f\u00fcr 1850. 41. \u2014 Reinhardt im Archiv f\u00fcr pathol. Anatomie. I. Bd. 52.\n*\u201c) Scherer, Milch in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. II. Bd. \u2014 Clemm, Inquisitiones chemicae ac microscop. etc. G\u00f6ttingen 1845. \u2014 Bensch, Liebig\u2019s Annalen. 61. Bd. 221. \u2014 Gorup, Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. VIII. 717. \u2014 Griffith, Chem. Gazette. 1848. 192. \u2014 Wilson, ibid. 1850. 366. \u2014 A. Becquerel et Vernois, De lait chez la femme. Paris 1855. \u2014 Wild en s te in, Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 58. Bd. 28. \u2014 Ausserdem die Lehrb\u00fccher von Dumas, Simon, Lehmann, L \u2019 h e r i t i e r.\nOnderzoekingen in het physiolog. Laborator. 1848 \u2014 49. 91.\nLudwig, Physiologie. II.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\tBrustdr\u00fcse ; Mileh.\nzu gewinnen ist: Butin- (C4uH4(i04)(?), Stearin- (C30H3(i04), Palmitin-(C32H3204), Myristill\u201c (C.28H2804), Caprin- (^20^20^4)\u2019\t(Cj^Hj^O^,\nCapron-<Ci2Hj204) und Butters\u00e4ure (CsH804) (Lerch, Heintz). Den gegebenen Formeln nach geh\u00f6ren diese S\u00e4uren s\u00e4mmtlich zur Gruppe der Fetts\u00e4uren von dem Typus 2(CnHn)04, von welchen aber in der Butter nur die Glieder vertreten sind, deren Kohlen- und Wasserstoffatomzahl durch 4 theilbar ist. Dem Gewicht nach besteht die Butter vorzugsweise aus Olein und Palmitin. \u2014 Die Colostrumk\u00fcgelchen bestehen wesentlich aus einem zusammengehallten H\u00e4ufchen sely* kleiner freier Fetttropfen; zusammengehalten werden die Tr\u00f6pfchen entweder durch die Haut einer Zelle, in deren Hohlraum das H\u00e4ufchen eingelagert ist, oder durch eine die Tr\u00f6pfchen verklebende (caseinhaltige?) Zwischensubstanz, so dass sie auch dann noch Zusammenhalten, wenn die Zellhaut verschwunden ist. \u2014 Das Milchserum endlich enth\u00e4lt in seinem Wasser aufgel\u00f6st Casein mit phosphorsaurem Kalk und Magnesia verbunden, Eiweiss (?), Milchzucker, Milchs\u00e4ure, Extrakte, Natron, Kali? Eisenoxyd, Phosphor-, Salz-, Kohlens\u00e4ure und Spuren von Kiesel- und Flusss\u00e4ure.\nUeber das Eiweiss in der Milch f\u00fchrt man seit Jahren Controverse; Scherer und Lieberkiih n *) zeigten, dass die gew\u00f6hnliche Reaktion auf l\u00f6sliches Eiweiss, das Gerinnen heim Kochen, zur Nachweisung desselben in der Milch unbrauchbar ist; so gerinnt u A. nach dem letzten Chemiker der gekochte Wasserauszug eines Milchr\u00fcckstandes, der aus der eingekochten Milch bereitet war. Der Grund dieses eigenen Verhaltens liegt in der Anwesenheit der Salze. \u2014 Doy\u00e9re, Poggiale, G ira r di n etc. scheinen unter Eiweiss \u00fcberhaupt nur einen eiweissartigen K\u00f6rper zu verstehen, der nach (nicht sorgsamer?) Ausf\u00fcllung des Caseins in dem Milchserum, oder besser in den Molken, gel\u00f6st bleibt.\nDie Zusammensetzung der Gesammtmilch ist ver\u00e4nderlich. Man untersuchte bis dahin die Abh\u00e4ngigkeit dieser Ver\u00e4nderungen mit: dem Alter, der Nahrung, der Constitution, der Haarfarbe, den Gem\u00fcthszust\u00e4n-den der Mutter, ferner, ob die letztere w\u00e4hrend der Milchabsonderung schwanger, oder seit wann sie niedergekommen, ob sie menstrualf\u00e4hig, menstruirt oder nicht menstruirt, ob sie eine Erst- oder Mehrgeb\u00e4rende, wie entwickelt die Brustdr\u00fcse sei; endlich untersuchte man die Milch je nach der verschieden langen Aufenthaltszeit in der Brustdr\u00fcse, und ob die in verschiedenen Orten des Brustdr\u00fcsenraumes enthaltene anders zusammengesetzt sei. Diese zum Theil sonderbaren Fragstellungen sind begreiflich nicht von wissenschaftlichen Bed\u00fcrfnissen, sondern eingegeben durch das Vorurtheil der Pariser Familien gegen gewisse Arten von Ammen. Ziehen wir zuerst die Milch in Betracht, welche nach der Geburt gebildet wird, so erfahren wir aus den vorliegenden Untersuchungen\na) Die aufgeschwemmten Bestandtheile der Milch bestehen in den ersten Tagen vorzugsweise aus Colostrum-, sp\u00e4ter aus Milchk\u00fcgelchen\n-) Poggendorf\u2019s Annalen, 86. Bd. 117.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Brustdr\u00fcse ; Milch , Casein\tm\n(Donn\u00e9, Doutrepont); die Colostrumk\u00fcgelchen kehren mehr oder weniger zahlreich wieder, wenn sich fieberhafte Zust\u00e4nde des ganzen K\u00f6rpers einstellen.\nb) Der K\u00e4segehalt der Milch schwankte zwischen 1,0 und 7,09 pCt. Nach V ern o i s und Becquerel liegt er im Mittel hei 3,92pCt. \u2014 Variabel wurde er gefunden mit dem Alter der S\u00e4ugenden, insofern bei !5-bis20j\u00e4h-rigen die Milch durchschnittlich 5,5 pCt., also mehr als das Mittel, enthielt, jenseits dieses Termins zeigt sich keine Beziehung zwischen dem Alter und dem Caseingehalt (Becquerel und Ver n oi s). \u2014 lieber den Einfluss der Nahrung widersprechen sich die Angaben von Dumas, Simon, Becquerel und Vernois. Die drei letzten Beobachter l\u00e4ugnen f\u00fcr den Menschen ein Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltniss ; der erstere behauptet, es sei nach Fleischkost eine Vermehrung (bei Hunden) eingetreten. \u2014- Constitution. Nach Becquerel und Vernois sollen blonde oder rothhaarige Frauen mit weisser Flaut und schlaffer Muskulatur (schwache Constitution) eine Milch mit 3,9 pCt. Casein und Frauen mit dunklem Haar, brauner Flaut und lebhaftem Temperament (starke Constitution) eine solche von 2,9 pCt. Casein liefern. \u2014 Frauen, die bei sonst gleich kr\u00e4ftigem Aussehen blondhaarig sind, sollen Milch mit 1,61 pCt. liefern, dunkelhaarige dagegen 2,56 pCt. F,'heritier, Becquerel und Vernois fanden dieses nicht best\u00e4tigt. \u2014 In den ersten 14 Tagen nach dem Geb\u00e4rakt soll die Milch etwas weniger Casein enthalten, als sp\u00e4ter (Simon). Hiergegen erheben sich die Beobachtungen von Griffith, Vernois und Becquerel. \u2014 Wird die Frau w\u00e4hrend der Milchabsonderung geschw\u00e4ngert, so nimmt der K\u00e4segehalt um etwa 0,5 pCt. gegen den fr\u00fchem ab (Becquerel und Vernois). \u2014 Die Wiederkehr der Menstrualperiode hat keinen oder einen gering steigernden Einfluss in den Zeiten, in welchen sie nicht gerade eingetreten ist; w\u00e4hrend der bestehenden Menstrualblutung ist dagegen der Caseingehalt immer ver\u00e4ndert, aber bald in auf- und bald in absteigender Linie. \u2014 Wird die Brustdr\u00fcse in rasch aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten entleert, so ist die Milch, die sie liefert, reicher an Casein, als wenn sie lange Zeit in der Brustdr\u00fcse verweilte (Peligot, L\u2019heritier). Eine Frau, welche w\u00e4hrend mehrmaliger Entleerung des Tags \u00fcber eine Milch mit 1,4 pCt. gegeben hatte, lieferte, als 40 Stunden lang der Brustdr\u00fcseninhalt zur\u00fcckgehalten war, eine Fl\u00fcssigkeit mit 0,2 pCt. \u2014 Sind mindestens 4 Stunden verflossen seit der letzten Entleerung, und theilt man die darauf entleerte Milch in mehrere Portionen, so enth\u00e4lt die zuerst aufgefangene etwas weniger Casein, als die letzte (Reiset, Peligot, Becquerel und Vernois). Die letzteren Autoren fanden am Menschen den Unterschied zu etwa 0,2 pCt. \u2014 Stark entwickelte Brustdr\u00fcsen liefern im Durchschnitt eine Milch mit 0,3 pCt. mehr Casein, als schwach ausgebildete. \u2014 Wenn die mitt-\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\tBrustdr\u00fcse ; Milch, Buttergehalt.\nlere t\u00e4gliche Absonderung reichlich und leicht von statten geht, so ist die Milch um etwa 0,4 pCt. reicher an Gasein, als wenn das Gegentheil statt findet. \u2014 Die Milch, welche w\u00e4hrend der Nacht abgesondert wird, soll mehr Casein halten, als die Tagesmilch (Plaifayr). Dieses bestreitet Gor up.\nc)\tDer Buttergehalt bel\u00e4uft sich im Mittel auf 2,66 pCt. ; sein Minimum wurde zu 0,6, sein Maximum zu 8,9 gefunden. \u2014 M\u00fctter zwischen 15 und 20 Jahren haben im Allgemeinen etwas butterreichere Milch, als \u00e4ltere (Becquerel und Vernois). \u2014 Reichliche Nahrung, gleichgiltig ob sie aus Fleisch oder Brod besteht, mehrt die Butter und k\u00e4rgliche setzt sie herab; die Unterschiede betragen 2 bis 3 pCt. (Dumas, Simon, Becquerel und Vernois). Die Folge der bessern Nahrung macht sich schon am ersten Tage nach dem Genuss derselben geltend (Simon). \u2014 Schwache und starke Constitutionen im oben genannten Sinne zeigten sich einflusslos, blonde Frauen gaben nach L\u2019heritier eine Milch, die etwa 2 pCt. Butter mehr f\u00fchren soll, als die Milch dunkelhaariger M\u00fctter. Vernois und Becquerel l\u00e4ugnen dieses. \u2014 In den ersten 5 Tagen nach dem Geb\u00e4rakt ist die Milch \u00e4rmer an Fett, als in den folgenden 10 Tagen ; der Unterschied liegt in der N\u00e4he von 0,5 pCt. ln den sp\u00e4tem Monaten zeigt sich kein Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4llniss zwischen dem Buttergehalt und der Zeit seit dem Beginn der Absonderung, im Allgemeinen ist aber der Buttergehalt geringer, als in den ersten 5 jagen. \u2014 Wird die Frau w\u00e4hrend der bestehenden Milchabsonderung geschw\u00e4ngert, so wird der Buttergehalt gesteigert; in den untersuchten F\u00e4llen betrug im 3. Schwangerschaftsmonat das Mehr g\u00a3gen fr\u00fcher 3,0 pCt. \u2014 Nicht menstruirte Frauen liefern Milch mit demselben Buttergehalt in den Zeiten, die zwischen der Menstrualblutung liegen ; w\u00e4hrend des Bestehens derselben wird der Buttergehalt bald auf- und bald absteigend alterirt, die positiven Ver\u00e4nderungen stiegen bis zu 4,5 pCt. (Becquerel und Vernois). \u2014 Wird der gleichzeitig vorhandene Inhalt der Brustdr\u00fcsen in einzelnen Abs\u00e4tzen entleert, so soll die zuerst abgezogene Milch \u00e4rmer an Fett sein, als die zuletzt gewonnene. Pel i got und Reiset fanden dieses f\u00fcr S\u00e4ugethiere, Becquerel und Vernois aber nicht am Menschen best\u00e4tigt. \u2014 Die am Abend entzogene Milch ist reicher an Butter, als die Morgenmilch (Gorup). \u2014 Eine Frau, welche durch den pl\u00f6tzlichen Tod ihres Kindes eine lebhafte Gem\u00fcths-erregung erlitt, sonderte pl\u00f6tzlich eine viel butterreichere Milch ab.\nd)\tDie Grenzwerthe des Zuckergehaltes fallen auf 1,2 und 6,0 pCt. ; das Mittel liegt bei 4,3. Im Allgemeinen zeigt der prozentische Gehalt desselben geringe Ver\u00e4nderungen. Namentlich zeigt sich im Gegensatz zum Casein und zur Butter kein Unterschied mit dem Alter und der Nahrung der Frau ; besonders hervorzuheben ist hierbei der Umstand, dass auch bei einer reinen Fleischkost der Zuckergehalt unver\u00e4ndert","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Brustdr\u00fcse; Milch, Zucker-, Salz-, Wassergehalt.\n293\nfortbesteht (Dumas, B e n s e h). Der Zuckergehalt ist ferner unabh\u00e4ngig von der wieder eintretenden Schwangerschaft und der Gr\u00f6sse der Brustdr\u00fcsen. \u2014 In den ersten 14 Tagen nach dem Geb\u00e4ren ist die Milch nach Simon zuckerreicher, eine Thatsache, welche Vernois und Becquerel nicht best\u00e4tigt fanden. \u2014 Die Frauen schwacher Constitution geben im Durchschnitt Milch mit 4,3 pCt. Zucker, diejenigen starker 3,2 pCt. \u2014 Die Milch dunkelhaariger Frauen soll f pCt. Zucker mehr f\u00fchren, als die der blonden (1/heritier). Hiergegen sprechen die Zahlen von Vernois und Becquerel. \u2014 Ob die Frau menstrualf\u00e4hig sei oder nicht, ist gleichm\u00fctig ; w\u00e4hrend der fliessenden Regeln \u00e4ndert sich der Zuckerwerth auf und ab um je ein Prozent. \u2014 Bei absatzwei-ser Entleerung der Brustdr\u00fcsen findet sich in der ersten Portion der ausgesogenen Fl\u00fcssigkeit 0,2 pCt. Zucker weniger, als in der zweiten. \u2014, Wenn das t\u00e4gliche Mittel der ausgeschiedenen Milch gr\u00f6sser wird, so nimmt der Zuckergehalt zu.\ne)\tSalze. Nach einer von W i 1 d e n s t e i n ausgef\u00fchrten Analyse der menschlichen Milchasche besteht dieselbe in 100 Theilen aus: Na\n4,2; Ka \u2014 31,6; CaO = 18,8; MgO = 0,9; Fe203 = 0,1; CI = 19,1; P05 = 19,1 ; S03 = 2,6 und einer Spur von Kiesels\u00e4ure. Eine \u00e4hnliche Zusammensetzung tr\u00e4gt nach R. Weber*) und Haidien auch die Milchasche der Kuh, so dass namentlich der grosse Gehalt an Kalium im Gegensatz zum Natrium eine constanter zu sein scheint. \u2014 Kohlens\u00e4ure, welche in der obigen Analyse fehlt und wahrscheinlich durch die w\u00e4hrend der Verbrennung entstandene S03 ausgetrieben wurde, ist in der frischen Milch vorhanden (Lehmann), und zwar kann sie, \u00e4hnlich wie im Blut, theilweise durch Aenderung des Drucks und theils durch st\u00e4rkere S\u00e4uren abgeschieden werden. \u2014 Der mittlere Gehalt der Milch an Asche variirt zwischen 0,05 und 0,3 pCt., so dass sie ungef\u00e4hr 2 pCt. des trockenen Milchr\u00fcckstandes ausmacht. Die Abh\u00e4ngigkeit der Ver\u00e4nderungen von den fr\u00fcher aufgez\u00e4hlten Bedingungen ist noch nicht gen\u00fcgend festgestellt, oder es verdienen wenigstens die mitgetheilten Zahlen noch geringes Zutrauen.\nf)\tWassergehalt. Er schwankt zwischen 80,9 und 94,8 pCt. Das Mittel f\u00e4llt auf 88,0 pCt. \u2014 Die vorliegenden Mittheilungen lassen schon erkennen, dass der Wassergehalt der Milch unter das Mittel f\u00e4llt bei Frauen zwischen 15 und 20 Jahren, bei schwacher Constitution, in den ersten Tagen nach der Geb\u00e4rakt, bei eingetretener Schwangerschaft, bei braunhaarigen Frauen (?), bei sehr guter Nahrung, bei reichlicher Milchabsonderung, und dass er umgekehrt unter das Mittel f\u00e4llt bei starker Constitution, bei Blondhaarigen (?), schlechter Nahrung, beschr\u00e4nkter\n*) Poggen dorf's Annalen. 81. Bd. 402.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nBrustdr\u00fcse ; Gesammtmilcb.\nMilchabsonderung, und dass er w\u00e4hrend der auslliessenden Regeln bald \u00fcber lind bald unter den Mittelwerth geht.\nFeste Beziehungen im prozentischen Gehalt zwischen den einzelnen Bestandtheilen der Milch sind noch nicht aufgefunden, was Vernois und Becquerel dadurch ausdr\u00fccken, dass sie die von ihnen untersuch\u00bb ten Ammen in K\u00e4s- und Butterammen eintheilen.\nDie Zusammensetzung der mittlern Frauenmilch in 100 Theilen w\u00fcrde sich nach Vernois und Becquerel folgendermaassen ausnehmen: Wasser = 88,91; Zucker = 4,36; K\u00e4se unij Extrakte = 3,92; Butter = 2,67; Asche = 0,14. Nach Scherer und Giernm aber: Wasser = 89,10; Zucker und Extrakte = 3,85; K\u00e4se 3,37; Butter = 3,71; Asche = 0,17.\nUm zu bestimmen, ob die Milch, welche kranke S\u00e4uglinge genossen, an dem Uebel dieser lelzteren schuldig oder unschuldig sei, analysirten Becquerel und Vernois die betreffende Milch und fanden eben so h\u00e4ufig Abweichungen von dem Mittel, als ein Bestehen desselben. Daraus wird es allerdings wahrscheinlich, dass etwas mehr oder weniger des einen oder andern Bestandtheils nicht die Ursache des Leidens der S\u00e4uglinge war. Viel eher d\u00fcrften die nicht untersuchten und bis dahin auch nicht untersuchbaren qualitativen Unterschiede der einzelnen Bestandtheile anzuklagen sein.\nDie Milch*), oder besser gesagt der Dr\u00fcsensaft, welcher w\u00e4hrend der Schwangerschaft, also vor der Geburt, abgesondert wird, muss den Angaben von L assa ign e, Simon, Cie mm und v. Buer en zufolge im Ansehen und der Zusammensetzung in verschiedenen F\u00e4llen sich sehr abweichend verhalten. Wir wiederholen hier zuerst den Inhalt der Beobachtungen von Scherer und Cie mm und lassen die abweichenden Angaben folgen. Nach diesen ist die aus der menschlichen Brustdr\u00fcse gewonnene Fl\u00fcssigkeit von seifen wasserartigem oder gelblichem Ansehen, zuweilen mit Blutstreifen durchzogen, klebrig, reagirt fast neutral und wird beim Stehen an freier Luft bald sauer. Das Mikroskop wies Coio-strumk\u00fcgelchen und Fetttropfen, zuweilen ver\u00e4nderte Epithelialzellen nach. Casein fehlt, seine Stelle wurde durch Eiweiss vertreten. Die Zerlegung ergab bei derselben Schw\u00e4ngern:\n\t28 Tage vor der Geburt.\t\\ 18 Tage voi- der Geburt. !\t11 Tage v. der Geburt.\t4 Tage voider Geburt.\t1 Tag vor d. Geburt **).\t1 Tag nach der Geburt.\nWasser . \t\t\t85,20\t85,17\t85,18 j\t85,85\t87,05\t84,29\n'Butter\t\t4,13\t3,02\t2,35 '\t\t3,10 ^\t\nMilchzucker u. Wein-\t\ti ;\t\t\t\t\ngeistextrakte ....\t3,94\t|\t4,37\t3,64\t\t4,83\t1\nAlbumin\t\t6,79\t|\t7,37\t7,91\t> 14,81\t5,16\tr 15,79\nIn Wasser l\u00f6s]. Salze\t0,33\t!\t0,34\t0,38\t\t\t\nln Wasser unl\u00f6sliche\ti ! f i\t\t\t\t\t\nSalze\t\t0,11 1\t0,11\t0,16 )\t\t;\t\n*) Simon, Mediz. Chemie. II. Bd. 280. \u2014 Clemm, 1. c. \u2014 v. Buer en, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Laboratorium etc. 1848 \u2014 49. 166. \u2014 Moleschott, Archiv f\u00fcr physioloe. Heilkunde. XI. Bd. 696.\n**) Die gew\u00f6hnliche Kost war am Tage vorher mit einer vegetabilischen vertauscht worden.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Brustdr\u00fcse; Dr\u00fcsensaft der Schwangero,\nAm zweiten Tage nach der Geburt war erst dasEiweiss verschwunden und der Saft hatte die Eigenschaften der Milch angenommen. Eine Vergleichung der einzelnen Tage lehrt, dass bis zur Geburt, den letzten wegen der Nahrung nicht mehr vergleichbaren Tag ausgenommen, die Butter im Abnehmen und das Eiweiss im Steigen begriffen war; Zucker, Salze und Wasser variirten dagegen wenig, oder mindestens ohne Regel. \u2014 Van Buer en fand den Dr\u00fcsensaft stark alkalisch, gelblich, ei weissfrei und daf\u00fcr casein- und stark fetthaltig und neben den Colo-strumkiigelchen mit feink\u00f6rnigem Fett erf\u00fcllte Epithelialzellen. \u2014 Simon, welcher den Dr\u00fcsensaft der Eselinnen untersuchte, erhielt 14 und 8 Tage vor der Geburt eine Fl\u00fcssigkeit, welche Albumin, Casein, Butter und nur Spuren von Zucker enthielt. \u2014 Die S\u00e4fte des Kuheuters schliessen sich nach den Beobachtungen von Lassai g ne, Moleschott und Clemm an die der menschlichen Brustdr\u00fcsen, insofern sie nur weiss und kein Casein f\u00fchren, dagegen waren sie sehr rahmhaltig.\nAlJe Neugeborenen*], m\u00e4nnliche und weibliche, sondern aus der Brustdr\u00fcse einige Tage nach der Geburt einen Saft, die Hexenmilch, ab; sie enth\u00e4lt nach Schlossberger und Guillot Milchk\u00fcgelchen und nach Donn\u00e9 auch Colostrumk\u00f6rperchen. Schlossberger, der ein solches Produkt analysirte, fand in 100 Theileu Wasser = 9\u00f6,75 ; Fett = 0,82; Casein, Extrakte und Zucker = 2,38; Asche = 0,5. Sie verh\u00e4lt sich nach diesem Analytiker wie gew\u00e4sserte Milch.\nBei erwachsenen M\u00e4nnern**) und m\u00e4nnlichen S\u00e4ugethieren stellt sich in sehr seltenen F\u00e4llen ohne nachweisbare Ursachen Milchabsonderung ein. Schlossberger zerlegte die Milch eines Bockes : diese war um einige Prozent reicher an Casein und um mehr \u00e4rmer an Milchzucker und Butter, als es die Ziegenmilch nach den vorliegenden Untersuchungen von Chevalier, Clemm und Henry ist.\n3. Die Absonderungsgeschwindigkeit der einzelnen Milchstoffe ist unabh\u00e4ngig von einander, wie sie sich aus der relativen Zusammensetzung der Milch ergicbt; \u00fcber die Bedingungen ihrer Beschleunigung ist uns aber noch gar nichts bekannt. Die Absonderungsgeschwindigkeit im Ganzen steht in nachweislicher Beziehung zur H\u00e4ufigkeit der Entleerung. Daraus leiten wir ab, dass die Milch verschwindet, wenn sie gar nicht mehr entleert wird, dass die mittlere t\u00e4gliche Menge zunimmt mit dem steigenden Alter, resp. der wachsenden Saugkraft des Kindes. Ob das Saugen aber allein durch die Entleerung der Dr\u00fcsen wirkt, muss dahin gestellt bleiben, wenn es richtig ist, dass man durch dasselbe eine monatelang unterdr\u00fcckte Absonderung wieder hergestellt hatte (G\u00fcbler) ***). \u2014 Nach Bestimmungen mit einer Saugpumpe'sch\u00e4tzt Lam-peri\u00e8rref) die t\u00e4gliche mittlere Milchmenge aus beiden Br\u00fcsten auf\n1350 Gr.\nScanzoni, W\u00fcrzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 300. \u2014 Sch lo ssberger, Liebig s Annalen. 87. Bd. 324. \u2014 Natalis Guillot, Gazette medicale. 1853. p. 686. \u2014 VanBueren,\n1. c. p. 15o.\n**) Schloss berger, Laboratorium etc.\nLiebig's Annalen. 51. Bd. \u2014 Donders, Onderzoekingen gedaan in het 1848\u201449. p. 153. \u2014 Todd, Cyciopaedea. Artikel Secretio. IV. 465.\n\u2019**) Valentin, Jahresbericht f\u00fcr 1852. 221.\n\u25a0f) Lehmann, Physiologische Chemie. II. Bd. p. 338 u. 326.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nBrustdr\u00fcse ; Milchbereitung.\n4. Milchbereitung. Ueber die Form folge*) bei der Entwickelung der Milchk\u00fcgelchen ist uns Einiges durch Henle, Nasse, Will, H. Meyer, van Buer en und Reinhardt bekannt geworden. Macht man die Voraussetzung, dass die Bildung aller geformten Massen nur von der Dr\u00fcsenwand ausgeht, so ist als feststehend anzusehen, dass die Col ostrum k\u00f6rperchen aus dem umgewandelten Inhalt der Deckzellen des Dr\u00fcsenbl\u00e4schens hervorgehen. Denn an der strukturlosen Wand derselben liegen zur Zeit der Colostrumabscheidung zun\u00e4chst kleine Zellen an, welche nach der Terminologie der Cysotyastenhypothese als Kerne bezeichnet werden; auf diesen ruhen gr\u00f6ssere kernhaltige Zellen auf, deren Binnenraum zum Theil mit durchsichtigen, zum Theil mit Fetttr\u00f6pfchen gef\u00fcllt ist; diese letzteren sind in eine k\u00f6rnige Zwischen-suhstanz eingebettet und um den Kern herum gruppirt. Noch weiter gegen das Centrum des Dr\u00fcsenbl\u00e4schens liegen H\u00e4ufchen von Fetttr\u00f6pfchen, welche, zusammengehalten durch eine k\u00f6rnige Zwischensuhstanz und von keiner gemeinsamen Zellenhaut mehr umgeben, ganz das Ansehen der Colostrumk\u00f6rperchen tragen. Zuweilen soll sich in der Mitte eines solchen H\u00e4ufchens noch ein Gebilde mit den optischen Eigenschaften des Zellenkerns vorfinden ; in den gr\u00f6sseren G\u00e4ngen endlich, wohin die Dr\u00fcsenbl\u00e4schen ihren Inhalt entleert haben, sind die H\u00e4ufchen zerfallen, und es liegen die einzelnen Fetttr\u00f6pfchen oder Milchk\u00fcgelchen frei in der Fl\u00fcssigkeit. Diese Reihenfolge von Formen findet sich aber nur zur Zeit der Colostrumabsonderung und in den Br\u00fcsten der Neugeborenen, keineswegs aber in der milchgebenden Frauenbrust (Reinhardt)**), so dass es daraus wahrscheinlich wird, es m\u00f6chten die Milchk\u00fcgelchen auch noch unter einer andern Formfolge entstehen.\nEine Vergleichung der Blut- und Milchstoffe zeigt sogleich, dass der Milchzucker in der Dr\u00fcse entstanden sein muss, weil er seihst dann noch in der Milch und zwar reichlich beobachtet wird, wenn sich die S\u00e4ugenden jeder Art von Zucker und Mehlnahrung enthalten, und weil auch in den an andern Orten des Thierleibes (Leber, Muskeln) bereiteten Zuckerarten kein Milchzucker vorhanden ist. \u2014 Ob das Casein und die Fette aus dem Blut abgesetzt oder in den Dr\u00fcsen entstanden sind, muss einstweilen dahin gestellt bleiben. Gesch\u00e4he das erstere, so w\u00fcrden in der Dr\u00fcse jedenfalls auch noch andere chemische Produkte bei der Umsetzung der Bluthestandtheile in Fette u. s. w. abfallen, die dann in das Blut zur\u00fcckkehrten. \u2014 F\u00fcr einen innigeren Zusammenhang zwischen der Fettbildung im Gesammtk\u00f6rper und der Butterausscheidung spricht die den Landwirthen bekannte Thatsache, dass K\u00fche, welche eine butter-\n*) H. Meyer, Z\u00fcricher Mittheilungen. 1849. I. Bd. 2. Heft. p. 70. \u2014 Will, Ueber Milchabsonde-\nrung. Erlangen 1850. \u2014 Van Bueren, 1. c. \u2014 Reinhardt, Virchow\u2019s Archiv. I. Bd. p. 52 u. f.\n**) 1. c. p. 61.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Brustdr\u00fcse ; Ern\u00e4hrung derselben.\n297\nreiche Milch liefern, trotz guten Futters mager bleiben, und umgekehrt, dass sie bei eintretender M\u00e4stung mager bleibt.\n5.\tDie Ausstossung der Milch kann geschehen durch die Kr\u00e4fte, welche sie in die G\u00e4nge treiben, und sie kann beschleunigt werden durch die Muskeln, welche in der Haut und dem Bindegewebe der Brustdr\u00fcse liegen. Meist geschieht dieses aber nicht, so dass nur durch Aussaugen die Entleerung zu Stande kommt.\n6.\tDie Milchdr\u00fcse des Neugeborenen ist aus mehreren flaschenf\u00f6rmigen H\u00f6hlen zusammengesetzt, die sich nach aussen auf die Brustwarze \u00f6ffnen ; die einzelnen Flaschen entsprechen den sp\u00e4teren gr\u00f6sseren Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen. Bis zur eintretenden Pubert\u00e4t gehen beim weiblichen Geschlecht aus den blinden Enden allm\u00e4hlig die ersten Anlagen der Dr\u00fcsenbl\u00e4schen hervor, die w\u00e4hrend der eingetretenen Pubert\u00e4t, namentlich aber zur Zeit der ersten Schwangerschaft, ihre volle Ausbildung erlangen. Nach dem Schluss der Menstruationsf\u00e4higkeit schwinden die Dr\u00fcsenbl\u00e4schen wieder, so dass in dem h\u00f6heren Alter an ihre Stelle ein fetthaltiges Bindegewebe getreten ist (Langer). Die Ausbildung der Dr\u00fcse und der andern weiblichen Geschlechtswerkzeuge muss aber bekanntlich nicht nothwendig gleichl\u00e4ufig sein, da M\u00fctter mit mangelhaft entwickelten Brustdr\u00fcsen gerade nicht zu den Seltenheiten z\u00e4hlen.\nLuftabsondernde Werkzeuge; Athrnungs fl\u00e4ch en.\nEinleitung.\nZu diesen Werkzeugen sind zu z\u00e4hlen alle von Blut durchzogenen Fl\u00e4chen unseres K\u00f6rpers, welche von einer Luftschicht von ver\u00e4nderlicher Zusammensetzung bedeckt ist. Wegen der allgemein g\u00fctigen Beziehungen zwischen gashaltigen oder leicht verdampfenden Fl\u00fcssigkeiten und freien Gasarten, muss an allen Orten der bezeichneten Einrichtung sich eine Luftstr\u00f6mung einstellen, so wie irgend welche Ungleichheit zwischen dem Gas des Bluts und der deckenden Luft besteht. Die Str\u00f6mungen, welche hierbei zum Vorschein kommen, sind entweder einfache Gasbewegungen in Folge des ungleichen Druckes, welcher zwischen verschiedenen Schichten einer und derselben Luftart besteht, oder sie sind von Ver\u00e4nderungen des Aggregatzustandes begleitet: Absorptionen und Verdampfungen.\nDie Gase, welche sich im normalen thierischen Leben an den bezeichneten Luftstr\u00f6mungen, die man im weitesten Wortsinn Athm un gen nennt, betheiligen, sind Sauerstoff, Kohlens\u00e4ure, Stickstoff, Wasserdampf und in sehr geringen Mengen Wasserstoff und Ammoniakdampf. Erinnert man sich der Thatsaehe*), dass das Blut reich an C02 und arm an 0 ist, und dass die uns umgebende Atmosph\u00e4re sich gerade im umgekehrten Falle befindet, so folgt daraus, dass ein Kohlens\u00e4urestrom vom Blut zur\n*) Siehe p. 18.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"Athniungsfl\u00e4chen ; Einleitung, Luftkreis.\n298\nLuft und ein Sauerstoffstrom in der umgekehrten Richtung geht, und zieht man die gemeine Erfahrung in Betracht, dass die das Blut umgebende Luft nicht mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt ist, so sieht man sogleich den letztem aus dem Blute aufsteigen. N\u00e4chstdem ist es Thatsache der genaueren Beobachtung, dass dem Stickgas eine Bewegung nicht g\u00e4nzlich fehle, aber dass sie, wenn sie vorhanden, ebensowohl nach der einen als andern Richtung gehen kann.\nDiese Luftstr\u00f6mungen von und zu dem Blut bestehen nun w\u00e4hrend der ganzen Lebensdauer; daraus entspringt die Forderung einer stetigen Ungleichheit zwischen den Gasarten des einen und andern Raumes; in der That sind auch Mittel genug vorhanden, um eine volle Ausgleichung w\u00e4hrend des Lebens unm\u00f6glich zu machen ; dahin z\u00e4hlen : die ungeheure Ausdehnung der irdischen Luft und die stetige Reinigung derselben von C02 und Wasserdampf, die stets fortgehende Entstehung von C02 in den thie-rischen Geweben aus dem C der Nahrungsmittel und dem 0 der Luft, der wiederkehrende Genuss von Wasser, der Unterschied der Temperatur und der Wechsel von Luft und Blut in und auf den \u00c4thmungsfl\u00e4chen.\nDa diese Bedingungen f\u00fcr die Beschleunigung der Luftstr\u00f6mung allen verschiedenen Athmungs - oder Respirationswerkzeugen gleichm\u00e4s-sig zu Gute kommen, so werden wir hier sogleich im Allgemeinen auf sie eingehen.\nDer Luftkreis.\nBis zu einer endlichen, wenn auch nicht gemessenen H\u00f6he, wird der Raum um unsere Erde, wie bekannt, ausgef\u00fcllt durch ein Gemenge permanenter und compressibeler Gasarten, unter denen f\u00fcr unsern Zweck N, 0, C02, HOgaszu nennen sind. Diese Gasarten \u00e4ussern nun unter den Bedingungen ihres Aufenthaltes in der Atmosph\u00e4re keine Verwandtschaft zu einander, und somit \u00fcben sie auch keinen gegenseitigen Druck aus*); man k\u00f6nnte sagen, jeder einzelnen Gasart sei die Gegenwart der andern vollkommen gleichgiltig. Wir w\u00fcrden also in der Luft mehrere vollst\u00e4ndig von einander unabh\u00e4ngige Atmosph\u00e4ren zu betrachten haben. Des mannigfach Uebereinslimmenden wegen behandeln wir aber die Luftkreise von Stick - und Sauerstoff gemeinsam, die von C02 und Wasserdampf dagegen gesondert.\n1. Stickstoff- und Sauerstoffatmosph\u00e4re. Die aus diesen beiden Luftarten gebildeten Atmosph\u00e4ren k\u00f6nnen gemeinsam betrachtet werden, weil sie sich in ihren gegenseitigen quantitativen Verh\u00e4ltnissen kaum \u00e4ndern. Der Sauerstoffgehalt der Luft ist allerdings nach R\u00e9gnault**) und Bunsen ver\u00e4nderlich; aber die Schwankungen seines prozentischen Werthes sind f\u00fcr unsere Bed\u00fcrfnisse nicht in Anschlag zu bringen; sie liegen zwischen 21,0\n*) I. Bd. p. 52.\n**) Annales de chimie et physique 3me Serie, 36. Bd. (1852),","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Athmungsll\u00e4chen ; Luftkreis.\t299\nund 20,9. \u2014 Interessant ist dagegen eine qualitative Ver\u00e4nderung, die der atmosph\u00e4rische Sauerstoff erleidet; indem er sich in das von Sch\u00f6nheit!^) entdeckte Ozon umwandelt. Die absolute Menge des Ozon, welche in der Luft vorkommt, ist nun allerdings so gering, dass an eine quantitative Bestimmung desselben nicht gedacht werden kann; immerhin aber kann eine Sch\u00e4tzung des relativen Gehaltes in der Atmosph\u00e4re geschehen durch ein mit Jodkalium getr\u00e4nktes St\u00e4rkepapierchen. Je tiefer sich dieses der freien Luft ausgesetzte Probepapierchen in der Zeiteinheit f\u00e4rbt, um so reicher ist die Luft an Ozon. Nach Beobachtungen, welche auf den Sternwarten von Bern, Kremsm\u00fcnster und Krakau durch Wolff, Reishuber und Karlinski unternommen sind, ist man \u00fcber den relativen Ozongehalt der Luft zu folgenden S\u00e4tzen gelangt. \u2014 Bei \u00f6stlichen Winden ist er kleiner, als bei westlichen ; im Winter ist er bei \u00f6stlichen Winden gr\u00f6sser, als im Sommer; umgekehrt verh\u00e4lt es sich mit westlichen Winden, die im Sommer mehr Ozon erzeugen, als im Winter. Bei hohem Barometerstand ist der Ozongehalt kleiner, als bei niederm, bei hoher Temperatur kleiner, als bei tiefer; an feuchten und tr\u00fcben Tagen gr\u00f6sser, als an trockenen und heitern; bei Regenwolken gr\u00f6sser, als bei Cirrus und Cirrocumulus ; in der Nacht h\u00f6her, als bei Tag. W\u00e4hrend Schneefalls erreicht er sein Maximum. Aus diesen Thatsachen schliesst Rels-huber, dass mit der wachsenden (relativen) Dichtigkeit der atmosph\u00e4rischen Dunsttheilchen der Ozongehalt im Steigen begriffen sei.\nDie Stick- und Sauerstoffantheile der Gesammtluft machen den gr\u00f6ssten Theil derselben aus und \u00fcberwiegen namentlich die andern permanenten Gase des Luftraums in einem solchen Grade, dass man die Stick-, Sauerstoff- und die trockene Atmosph\u00e4re f\u00fcr gleichbedeutend erkl\u00e4ren kann. Unter dieser letztem versteht man aber den Theil der Luft, welcher \u00fcbrig bleibt, wenn man von der Gesammtluft den in ihr enthaltenen Wasserdampf abgezogen hat.\nDie trockene Atmosph\u00e4re erf\u00e4hrt in ihrer Temperatur- und Massenvertheil ung mit Zeit und Ort mancherlei Ver\u00e4nderungen, die beide f\u00fcr uns nicht ohne alle Bedeutung sind. Da wir aber die Temperaturverh\u00e4ltnisse der gem\u00e4ssigten Zone nach ihren wesentlichen Charakteren als bekannt voraussetzen k\u00f6nnen, so gehen wir nur auf die Ver\u00e4nderungen der trocknen'Luft ein, welche das Barometer sichtbar macht.\nDer Barometerdruck der gem\u00e4ssigten Zone ist ver\u00e4nderlich*) **): 1) mit den Tageszeiten (t\u00e4glicher Sonnengang). Dove zeigte, dass sich der Druck der trockenen Atmosph\u00e4re zwischen einem t\u00e4glichen Maximum und Minimum bewegt, dessen Eintritt vom Gang der Sonne abh\u00e4ngig ist. Das Minimum erscheint in Folge der Erw\u00e4rmung (Ansdehnung und seitlichen Abstr\u00f6men), das Maximum in Folge der Abk\u00fchlung (Ver-\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. VI. Bd. 178. ibid. VIL Bd. 184. \u2014 Pharmazeut. Centralblatt. 1855. p. 22 und 199.\n**) K\u00e4mtz, Lehrbuch der Meteorologie. 2. Bd. p. 230. \u2014 Dove, Repertor. IV. Bd. p. 232. \u2014 K\u00e4mtz im Handw\u00f6rterbuch der Physik vom August u. s. w. Berlin 1842, I. Bd. 246...............","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"Alhmungsfl\u00e4chen ; Luftkreis.\ndichtung und seitlichen Zustr\u00f6men) der Luft. Der Werth des Unterschiedes ist mit der Breite, den Jahreszeiten u. s. w. verschieden; da er in der gem\u00e4ssigten Zone h\u00f6chstens nur wenige Zebentheile einer Linie betr\u00e4gt, so gehen wir nicht weiter auf ihn ein. 2) Mit den Jahreszeiten (j\u00e4hrlicher Sonnengang) ; im Sommer ist der mittlere Barometerstand etwas niederer als im Winter, entsprechend den W\u00e4rmeunterschieden und den daraus folgenden Verdichtungen und Verd\u00fcnnungen der Luft. In unserem Klima f\u00e4llt das Maximum auf den Januar, das Minimum auf den August. Der Unterschied betr\u00e4gt etwa 3 MM. \u2014 3) Mit den Winden (Temperaturunterschiede des Erdballs); diese Schwankungen sind bei uns weitaus die bedeutendsten, S\u00fcdwest bringt den niedrigsten, Nord den h\u00f6chsten Barometerstand. Da die Temperatur- und Windbewegungeu im Wiuter viel unruhiger als im Sommer siftd, so kommen dort auch die gr\u00f6ssten Schwankungen des Barometerstandes vor; in unseren Gegenden geht der Unterschied h\u00f6chsten und niedrigsten Standes im Winter bis zu 29 MM., im Sommer aber nur bis zu 13 MM. 4) Endlich ist der Druck variabel mit der senkrechten H\u00f6be des Beobachtungsortes \u00fcber dem Meeresspiegel ; wir brauchen nur an das bekannte Faktum zu erinnern, dass mit dem Aufsteigen der Druck in einer geometrischen Proportion abnimmt.\n\\.\n2. Kohlens\u00e4ure *). Der geringe Gehalt des Luftraums an Kohlens\u00e4ure soll nach Saussure Schwankungen unterworfen sein; so soll insbesondere auf hohen Berggipfeln, in der Nacht, \u00fcber gefrorenem Boden mehr C02 Vorkommen, als in der Ebene, bei Tag und \u00fcber feuchtem Boden. Boussingault bestreitet den Unterschied in der Tag- und Nachtluft. Eine Bestimmung der CO, in den bev\u00f6lkertsten Strassen von Paris, in welchem t\u00e4glich ungef\u00e4hr 3 Millionen Cubikmeter C02 entwickelt werden, gab f\u00fcr 100 Theile Luft im Mittel = 0,032 pCt. und gleichzeitige Beobachtungen auf dem Lande 0,030 pCt., also keinen Unterschied. Die Grenzen, in welche Saussure und Boussingault den prozentischen Gehalt eingeschlossen fanden, liegen zwischen 0,03 und 0,05.\n3* Wasserdampf. Der in der Atmosph\u00e4re zerstreute Wasserdampf muss den Forderungen der Theorie gem\u00e4ss mit Zeit und Ort sehr betr\u00e4chtlich wechseln, theils wegen der ungleichen Vertheilung des Wassers \u00fcber der Erdoberfl\u00e4che, aus welcher der Wasserdunst seinen Ursprung nimmt, theils auch wegen der ver\u00e4nderlichen Temperatur, welche das Fassungsverm\u00f6gen des Luftraums f\u00fcr den Wasserduust bestimmt. Das erstere ist an und f\u00fcr sich klar, wir wenden uns also sogleich zur Abh\u00e4ngigkeit der Dunstmenge von der W\u00e4rme.\nDer Wasserdampf kann wie alle Gasarten durch einen Druck, welcher die Theil-chen desselben zusammenpresst, zu einer Fl\u00fcssigkeit verdichtet werden, und der Druck, der hierzu n\u00f6thig ist, muss gr\u00f6sser und gr\u00f6sser werden, wenn die Temperatur des Dampfs ansteigt. Dasselbe kann man auch etwas anders so aussprechen, dass die Dichtigkeit des Wasserdunstes (die Zahl seiner Theilchen in der Raumeinheit) um so gr\u00f6sser werden k\u00f6nne, je w\u00e4rmer derselbe sei. Weil aber mit der Dichtigkeit des Wasserdampfes auch die abstossenden Kr\u00e4fte zunehmen, welche zwischen seinen Theilchen wirksam sind, und damit die Dr\u00fccke steigen, welche er auf seine feste\n*) Th. de Saussure, Poggendorf\u2019s Annalen. 19. Bd. \u2014 Boussingault, Annales de chimie et physique. 3me Serie. X. Bd. 456. \u2014 Boussingault und Lewy, ibid. 470.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Athmungsfl\u00e4ehen ; Luftkreis.\noder fl\u00fcssige Umgebung auszu\u00fcben vermag, so dr\u00fcckt man die Wrgef\u00fchrte Erfahrung gemeiniglich dahin aus, dass die Spannkr\u00e4fte (Tensionen) des Wasserdampfs durch die W\u00e4rme vermehrt werden. Zieht man nun den andern bekannten Satz zu Hilfe, dass von mehreren in einem beliebigen Baume zerstreuten Gasarten nur die gleichartigen Theilchen einen Druck auf einander aus\u00fcben, so kommt man sogleich zu der Ableitung, dass mit der Temperatur (oder den Spannkr\u00e4ften), die in der Baumeinheit enthaltene Dampfmenge (die Dichtigkeit des Dampfs) steigen m\u00fcsse. Denn in dem Luftraum sind ja keine andern zusammenpressenden Kr\u00e4fte zur Umwandelung des Dampfs in Wasser vorhanden, als diejenigen, welche durch die anwesenden Wasserdiinste eingef\u00fchrt wurden.\nDemnach w\u00fcrde man mit Hilfe der in den Lehrb\u00fcchern der Physik gegebenen Spannungstabellen des Wasserdampfs *) f\u00fcr jede beliebige Temperatur der Luft den Dampfgehalt der letztem anzugeben im Stande sein, wenn in der That die Luft immer mit Wasser ges\u00e4ttigt w\u00e4re. Dieses ist aber nicht der Fall, theils weil die Verdunstung des Wassers langsam vor sich geht, und theils weil Winde h\u00e4ufig die feuchte Luft wegf\u00fchren (z. B in die hohem Regionen) und durch trockene ersetzen. Aus diesem Grunde m\u00fcssen wir auch r\u00fccksichtlich des Dampfgehaltes der Luft unterscheiden die absolute und die relative Dampfmenge. Unter der letztem verstehen wir nemlich das Verh\u00e4ltnis zwischen dem wirklich vorhandenen Dunst und demjenigen, welchen die Luft bei der gegebenen Temperatur zu fassen verm\u00f6chte.\na)\tDie absolute Menge des atmosph\u00e4rischen Wasserdampfs wechselt mit der Meeresn\u00e4he, der Bodenerhebung, der Tages- und Jahreszeit und den Winden, i) Am Meeresufer steigt dieselbe von der k\u00e4ltesten Stunde des Tags allm\u00e4hlig bis zu der w\u00e4rmsten Stunde und senkt sich von da an wieder ab (Dove). \u2014 2) Im ebenen Binnenland steigt sie dagegen von Sonnenaufgang an bis gegen Mittag, dann nimmt sie bis zum Abend hin ab, steigt abermals im Beginn der Nacht und sinkt dann bis zu Sonnenaufgang. Der Grund der Verschiedenheit beider Lokalit\u00e4ten ist darin zu suchen, dass, wenn am Mittag die erw\u00e4rmten untern Luftschichten aufsteigen, in der Meeresn\u00e4he die weggehenden feuchten Luftmassen ersetzt wrerden durch andere feuchte, welche vom Meere her eindringen, w\u00e4hrend in den Binnenl\u00e4ndern statt ihrer trockene Luft eingeschoben wird. Darum kann am Nachmittag der Wasserdampf erst wieder zunehmen, wenn der aufsteigende Luftstrom an M\u00e4chtigkeit verloren hat. \u2014 3) Auf hohen Bergen fehlt darum ebenfalls wieder das Sinken um Mittag, weil zu dieser Zeit der aufsteigende Strom die Feuchtigkeit aus der Ebene emporf\u00fchrt (Kamtz, Saussure). \u2014 4) Im Juli ist die mittlere t\u00e4gliche Dampfmenge w\u00e4hrend des Jahres am h\u00f6chsten, im Januar am niedrigsten. Dieser Unterschied ist in der N\u00e4he der K\u00fcsten hervortretender, als im Innern der Continente. \u2014 5) Bei Ostwinden im Winter ist die Dampfmenge am niedrigsten, bei S\u00fcdwestwinden im, Sommer am h\u00f6chsten. Die Unterschiede, die der Nord- und Siidwestwind herbeif\u00fchren, sind im Winter weniger bedeutend gefunden worden, als im Sommer (Daniell).\nb)\tDie relative Menge des Dampfs. I) Das st\u00fcndliche Mittel der relativen Menge des Wasserdampfs in der Ebene ist Mittags am geringsten, bei Sonnenaufgang am gr\u00f6ssten; diese Unterschiede treten weniger im Winter als im Sommer hervor. \u2014 2) Die relative Dunstmenge ist auf hohen Bergen meist geringer als in der Ebene (K\u00e4mtz). \u2014 3) Im Juli und August ist die Luft relativ trockener, als im Ja-\n*) J. M\u00fcller, Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. II. Bd. p. 490 u. f.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\tAthmungsfl\u00e4ehen ; Luftkreis.\nnuar. \u2014 4) Bei Nord - und bei allen Ostwinden (S\u00fcd - bis Nordost) ist die relative Feuchtigkeit geringer, als bei S\u00fcd- und Westwinden.\nVergleicht man die absolute und relative Luftfeuchtigkeit, so findet man sogleich, dass die Luft relativ um so trockner ist, je mehr Wassergas (nach absolutem Maass gemessen) sie eolh\u00e4lt. Diese Bemerkung wird uns mehrfach von Wichtigkeit sein. \u2014 Beispielsweise geben wir noch einige Tabellen, welche dem Werke von K\u00e4mtz entnommen sind; in ihnen ist der prozentische Wassergehalt der Luft durch eine nach MM. gemessene Quecksilbers\u00e4ule, also durch die Spannung ausgedr\u00fcckt, die der in ihr enthaltene Wasserdunst aus\u00fcbt. Um aus dieser Angabe das Gewicht des Wasserdampfs zu finden, welcher in der Raumeinheit Luft enthalten ist, dienen die an vielen Orten mitgetheilten Feuchtigkeitslabellen *). Die relative ist in Prozerrten derjenigen Dampf menge gegeben, welche iu der Luft bei der bestehenden Temperatur h\u00e4tte enthalten sein k\u00f6nnen.\n1. Tabelle.\nTageszeit. i\tZ iirieh.\t\tFatilhorn.\t\n\tAbsolute Dampfmenge.\tRelative Dampfmenge.\tAbsolute Dampfmenge.\t1\tRelative Dampfmenge.\nMittag\t|\t10,92 MM.\t58,9\u00bb o\t4,88 MM. i\t7\t73,4\u00bb/,,\n4h\tI\t10,97\t\u201e\t60,9 \u201e\t4,94\t\u201e\t80,8 \u201e\n8h\t;\t11,35\t\u201e\t76,3 \u201e\t4,01\t\u201e\t76,1 \u201e\nMitternacht 1\t10,94 \u201e\t85,3 \u201e\t3,72\t\u201e\t73,7 \u201e\n4h\tI i\t10,56\t\u201e\t90,0 \u201e\t3,50\t\u201e\t!\t72,1 \u201e\n8h\tI\t11,12 .\t76,9 \u201e\t3,79\t\u201e\t!\t69,8\nII. Tabelle. Beobacbtungsort H a 11 e.\n1 1 1 Monat.\tt Absolute Dampfmenge.\tRelative Dampfmenge.\n) Januar \t .\t4,51 MM.\t85,0 o/0\nFebruar \t\t4,75\t\u201e\t79,9 \u201e\nM\u00e4rz \t\t\t5,11\t\u201e\t76,4 \u201e\nApril\t\t\t6,25\t\u201e\t71,4 \u201e\nMai\t\t7,84\t\u201e\t69,1 \u201e\nJuni \u00ab . . . . i . .\t10,84\t\u201e\t69,7 \u201e\nJuli .........\t11,62 \u201e\t66,5 \u201e\nAugust\t .\t10,70\t\u201e\t66,1 \u201e\nSeptember\t\t9,56\t\u201e\t72,8 \u201e\nOktober ......\t7,87\t\u201e\t78,9 \u201e\nNovember ......\t5,64 \u201e\t85,3 \u201e\nDezember ......\t5,60 \u201e\t| 86,2 \u201e\nHI. Tabelle. Beobachtungsort L o n do n.\nWinde.\t\tAbsolute Dampfmenge.\t\t>\n\tWinter.\t1 1 Fr\u00fchjahr.\ti Sommer.\tHerbst.\nNO\t5,01 MM.\t7,10 MM.\t10,36 MM.\t8,53 MM.\nSO\t6,86 \u201e\t9,7 i \u201e\t13,76\t\u201e\t10,79 \u201e\nSW\tQO N\u00bb N#\t9,37\t\u201e\t13,83 \u201e\t11,67\t\u201e\nNW\t!\t6,14 \u201e\t7,56\t\u201e\t11,45\t\u201e\t1\t8,67\t\u201e\n*) M\u00fcller\u2019s Lehrbuch der Physik. 4. Aufl. 2, Bd. p. 699.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Athmungsfi\u00e4ehen ; Luftkreis.\n4. Der Einfluss, den diese Ver\u00e4nderungen auf die Athmungen im Allgemeinen \u00fcben, gestaltet sich folgendermaassen. \u2014 a) Den Druckschwankungen der trockenen Atmosph\u00e4re entsprechend, wird die Dichtigkeit des im Blut diffundirten Sauerstoff- und Stickstoffgases sich mehren oder mindern, nach dem bekannten Grundsatz der Diffusionslehre, dass sich die Dichtigkeit eines in einer Fl\u00fcssigkeit aufgel\u00f6sten Gases ausgleicht mit derjenigen des gleichartigen Gases, welches \u00fcber der Fl\u00fcssigkeit steht. Wir verfehlen nicht, hier noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass jedoch keineswegs das in das Blut verbreitete Ogas oder Ngas dichter wird, wenn der Barometerstand bei sonst gleichbleibenden Verh\u00e4ltnissen nur steigt durch eine Vermehrung des atmosph\u00e4rischen Wassergehaltes. \u2014 b) Da in der freien Luft die C02 nur unwesentliche Ver\u00e4nderungen erf\u00e4hrt, so wird die Dichtigkeit der im Blut diffundirten CO, sich in Folge der atmosph\u00e4rischen nicht wesentlich \u00e4ndern. Da nun aber unzweifelhaft ein grosser Theil der CO,, welche aus dem Blute unter dem Einfluss physikalischer Hilfsmittel austreten kann, nicht diffundirt, sondern in irgend welcher andern Form vorhanden ist, so ist es wenigstens denkbar, dass der Barometerdruck der Gesammtluft von Bedeutung ist f\u00fcr die Geschwindigkeit, mit der diese C02 verdunstet. W\u00e4re sie z. B. in einer fl\u00fcssigen Verbindung vorhanden, so w\u00fcrden auf ihren Uebergang in den Gaszustand ganz dieselben Grunds\u00e4tze anzuwenden sein, welche f\u00fcr das Wasser gelten. \u2014 c) Der Wasserdampfgehalt, die Temperatur und die Gesammtspannung (Barometerstand) der Atmosph\u00e4re werden sich s\u00e4mmtlich geltend machen f\u00fcr die Verdunstung des Wassers. Was zun\u00e4chst den Dampfgehalt der Atmosph\u00e4re anlangt, so ist seine Bedeutung f\u00fcr den Wasserverlust bei der Athmung verschieden, je nachdem die Luft, in welcher die Verdunstung geschieht, bei der Athmung auf die Normaltemperatur des menschlichen K\u00f6rpers gebracht wird, oder ob sie diejenige der Atmosph\u00e4re beh\u00e4lt. Im ersten Fall, der sich z. B. mit der in die Lungen aufgenommenen Luft ereignet, wird um so mehr verdunsten k\u00f6nnen, je geringer der absolute Wassergehalt der eingenommenen Luft ist, also ceteris paribus am meisten im Winter, bei Sonnenaufgang, auf hohen Bergen, bei Nordostwind. Dieses bedarf kaum einer Erl\u00e4uterung; da die Luft in der Lunge auf etwa 36\u00b0 C. erw\u00e4rmt tind nahezu f\u00fcr diese Temperatur mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt wird, so muss die trockene Luft mehr Wasser ausf\u00fchren, als die feuchte. \u2014 Gerade umgekehrt verh\u00e4lt sich dagegen der Wasserverlust beim Hautathmen; dieser wird um so bedeutender sein, je gr\u00f6sser die Capazit\u00e4t der umgebenden Luft f\u00fcr Wasserdampf ist und je entfernter diese Luft von ihrem S\u00e4ttigungspunkt steht (bei niedrigem relativen Dampfgehalt). Da sich nun beide Zust\u00e4nde erfahrungsgem\u00e4ss zur Mittagszeit und im hohen Sommer ereignen, w\u00e4hrend im Winter die Luft fast vollkommen mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt ist, so finden sich die Ver-","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\tAtbmungsfl\u00e4chen ; Atmosph\u00e4re des Blutes.\ndunstungsgeschwindigkeiten von Lunge und Haut in einem zeitlichen Gegensatz. \u2014 Der Barometerstand, selbst wenn er auch durch eine Ver\u00e4nderung eines Druckes der trockenen Atmosph\u00e4re bei gleichbleibender Spannung des Wasserdampfes gesteigert oder erniedrigt wird, \u00fcbt immer einen Einfluss auf die Verdunstung. Denn es dr\u00fcckt auf das Wasser als solches jede Luftart, und dieser bestimmt, wie wir wissen, die Geschwindigkeit der Verdunstung; erniedrigt sich also der Barometerstand, so wird die Dampf bildung beschleunigt, und umgekehrt wird sie hei steigendem Luftdruck verlangsamt. Indem rpan nun diese Re-1 auf die wirklich vorkommenden Verh\u00e4ltnisse anzuwenden versucht, -darf man nat\u00fcrlich niemals vergessen, neben dem Barometerstand die gleichzeitig vorhandene relative Dampfmenge der Luft mit in Rechnung zu bringen. So ist z. B. auf hohen Bergen die Geschwindigkeit der Dampfbildung vermehrt wegen des niederen Luftdruckes und gemindert wegen der dort \u00f6fter vorhandenen, relativ gr\u00f6sseren Dampfmenge, so dass das Resultat dieser zusammenwirkenden Umst\u00e4nde m\u00f6glicher Weise doch dem in der Ebene vorhandenen gleich sein kann, wo die relative Dampfmenge gering und der Barometerdruck gross ist.\nEntstehen und Vergehen der Luft im menschlichen Leih.\nWie in der irdischen Atmosph\u00e4re Vorrichtungen wirken, welche die Variation ihrer Zusammensetzung beschr\u00e4nken, so m\u00fcssen nun auch im thierischen Organismus Mittel geboten sein, um die Atmosph\u00e4ren des Bluts in ann\u00e4hernd gleichartiger Zusammensetzung zu erhalten. Denn wenn der schon geschilderte Gasstrom ununterbrochen aus und in das Blut geschehen soll, so muss der aufgenommene Sauerstoff fortw\u00e4hrend verzehrt werden, sonst w\u00fcrde die Spannung desselben in dem Luftkreis und dem Blut bald gleich und somit ein Strom unm\u00f6glich sein, und ebenso muss C02 und HO dem Blut zugef\u00fcgt werden, sonst w\u00fcrden diese Stoffe bald ganz aus dem Blute verdunstet sein. \u2014 Die Bildung des 0 und die Befreiung der C02 sind Vorg\u00e4nge, die, wenn auch nicht durchweg, so doch meistentheils Hand in Hand gehen, indem der Sauerstoff untergeht in der C02, welche durch die Oxydation des Kohlenstoffs unserer Nahrungsmittel, resp. der aus denselben gebildeten Gewebe, hervorgeht. Die Kohlens\u00e4urequelle, deren Strom in das Blut m\u00fcndet, kann nun aber unm\u00f6glicher Weise zu allen Zeiten gleich lebhaft fliessen. Darauf f\u00fchrt uns zuerst der chemische Charakter der kohlenstoffhaltigen, thierischen Atome, die dem Angriff des Sauerstoffs einen sehr ungleichen Widerstand entgegenstellen. Wir d\u00fcrfen somit sagen, dass die Gewebe, welche viel Traubenzucker, Fetts\u00e4uren niederer Ordnung, organisch saure Salze u. s. w. enthalten, mehr 0 verbrauchen und C02 liefern werden, als die Collagen-, Chondrigen-, elastischen Stoff haltenden. \u2014 N\u00e4chstdem wissen wir auch v dass die CO \u00bbbildung, welcher schliesslich alle organischen Verbindungen der Gewebe anheimfailen,","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Ber\u00fchrung der Luft inner- und ausserhalb des Bluts.\t305\nnicht ohne Weiteres vor sich geht, so lange der Sauerstoff und die kohlenstoffhaltigen Atome vorhanden sind, sondern dass viele complexe Atome erst vorbereitet werden m\u00fcssen durch vorg\u00e4ngige Spaltungen, welche abh\u00e4ngig sind von Bedingungen, die mit der Zeit variiren. So m\u00fcssen von dem Eiweissstoff Leucin, Tyrosin, Kreatin, Taurin, Hypo-xanthin u. A., von den neutralen Fetten Glyzerin abgespalten weiden, bevor der Rest der Oxydation anheimf\u00e4llt. Diese Spaltungen sind aber abh\u00e4ngig von sehr inconstanten Ereignissen in den Muskeln, in einzelnen Dr\u00fcsen u. s. w. Endlich wissen wir, dass einzelne und namentlich das verbreitete Gewebe der Muskeln bald sauer und bald alkalisch reagirt, und daraus geht hervor, dass sie verschiedene Mengen von C02 zur Ueberf\u00fchrung in das Blut disponibel halten werden, selbst wenn die Erzeugung derselben in stets gleicher Lebhaftigkeit vor sich ginge. Wenn die saure Reaktion durch das eintretende IJebergewicht einfach kohlensauren oder basisch phosphorsauren Natrons in die basische umschl\u00e4gt, so muss ein Theil von der jeweilig gebildeten C02 in den Muskeln zur\u00fcckgehalten werden, welcher, wenn die saure Reaktion wiederkehrt, ausgetrieben wird. \u2014 Die Beobachtung best\u00e4tigt nun im Allgemeinen die Forderungen der Theorie, indem sie darthut, dass mit den Nahrungsmitteln und den Zust\u00e4nden unserer Organe die Aushauchung der C02 und die ihr entsprechende Sauerstoffbindung sehr wesentlich ver\u00e4nderlich ist. Aber hier fiat die Beobachtung noch das Meiste zu leisten, da es ihr noch bevorsteht, zu ermitteln, wie die Zusammensetzung und Spannung der Luftarten in den Gewebsfl\u00fcssigkeiten beschaffen sei. Ohne eine Kennt-niss der Atmosph\u00e4ren in den Geweben, derjenigen, in welche das Blut der Aortencapillaren eingebettet ist, wird uns niemals der ganze \u00c4thin ungsprozess klar werden, w\u00e4ren uns auch noch so bekannt die Beziehungen zwischen der Luft in den Lungencapillaren und in der irdischen Atmosph\u00e4re. Denn von diesen beiden Vorg\u00e4ngen, von denen der erste 0 aus- und CO in das Blut, der andere umgekehrt C02 aus- und 0 in das Blut f\u00fchrt, ist es der erstere, welcher in den gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen den zweiten vollkommen beherrscht und bestimmt.\nWir brauchen kaum zu erw\u00e4hnen, dass das abdunstende Wasser mit den Speisen geradewegs wieder eingef\u00fchrt wird, dass es aber auch, zum freilich geringsten Theil, durch Oxydation wasserstoffhaltiger Atom-complexe entsteht.\nBer\u00fchrung zwischen den Luftarten der Erd- und Blutatmosph\u00e4re.\t^\nGeschwindigkeit und der Umfang des Austausches der Gasarten h\u00e4ngt, alles andere gleichgesetzt, ab von der Fl\u00e4che und von der Zeit, in der die Ber\u00fchrung geschieht. Der Einfluss der ersten Bedingungen bedarf gar keiner Erw\u00e4gung; r\u00fccksichtlich des letzteren erw\u00e4hnen wir dagegen, dass es zur Unterhaltung der Athmung keineswegs gen\u00fcgt,\nLudwig, Physiologie. II.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nAbsorptionsf\u00e4higkeit des Blutes.\nLuft und Blut \u00fcberhaupt in Ber\u00fchrung zu halten, sondern, dass f\u00fcr einen gegebenen und constanten 0- und CO,gehalt des Luftkreises und der Gewebsfl\u00fcssigkeiten das m\u00f6gliche Maximum in der Austauschungsge-schwindigkeit der Gase nur dann zu erreichen ist, wenn die in Ber\u00fchrung befindlichen Theile des Bluts und der Luft m\u00f6glichst genau so viel und so wenig 0 und C02 besitzen, als die Fl\u00fcssigkeit der Gewebe und die nicht mit dem K\u00f6rper in Ber\u00fchrung stehende, resp. die nicht in den H\u00f6hlungen desselben eingefangene Luft. Diese Bedingung ist aber nur dann befriedigt, wenn ein m\u00f6glichst rascher Blot- und Gaswechsel eingeleitet wird, wenn also das Blut aus den Athemfl\u00e4chen, mit Sauerstoff geschw\u00e4ngert, rasch in die C02region eindringt, dort seinen Sauerstoff verliert und C02 aufnimmt u. s. f. \u2014 Verweilen dieselben Bluttheil-chen l\u00e4ngere Zeit an demselben Ort in den Geweben, so wird der Unterschied der Gasarten des Bluts und der Gewebe sich ausgleichen und damit auch der Gasstrom zwischen beiden Lokalit\u00e4ten immer langsamer werden. Dasselbe gilt nat\u00fcrlich auch f\u00fcr den Gasstrom zwischen dem Blut und der Luft, wenn der Antheil dieser letztem, welcher die Athmungsfl\u00e4chen ber\u00fchrt, nicht im Wechsel begriffen ist; daraus folgern wir, dass mit der Geschwindigkeit des Blutstroms, der Athemz\u00fcge und der die \u00e4ussere K\u00f6rperoberfl\u00e4che ber\u00fchrenden Winde die Geschwindigkeit des Gasaustausches w\u00e4chst.\nDie Absorptionsf\u00e4higkeit des Blutes.\nDiese greift endlich als eine allgemeine Bedingung in die Athmung ein, weil das Blut die Uebertragung des Sauerstoffs aus der Luft in die Gewebe und diejenige der Kohlens\u00e4ure in der umgekehrten Richtung vermittelt. Die Absorptionsf\u00e4higkeit des Blutes ist aber variabel mit der Zusammensetzung, und insbesondere scheint, dem fr\u00fchem gem\u00e4ss, dieselbe Alteration der Zusammensetzung verschiedenartig zu wirken f\u00fcr die Absorption von Sauerstoff und C02, so dass z. B. durch den Gehalt des Bluts an phosphor- und kohlensaurem Natron seine F\u00e4higkeit, CO, zu absorbiren, durch seinen Gehalt an Blutk\u00f6rperchen seine Capazit\u00e4t f\u00fcr Sauerstoff bestimmt wurde.\nBesondere Athemwerkzeuge.\nR\u00fccksichtlich des in den Vordergrund gestellten Blulwechseis unterscheiden sich die Athemorgane durch die Ausbreitung der Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen zwischen Luft und Blut, durch die chemische Zusammensetzung und die M\u00e4chtigkeit der fl\u00fcssigen Schicht, welche Blut und Luft trennt, und endlich durch die Geschwindigkeit des Blut- und Luftwechsels.\nA. Lungenathmung.\nDie an ihr betheiligten Werkzeuge zerfallen wir in l\u00fcftende und luftver\u00e4ndernde; zu den ersteren geh\u00f6ren Brust- und Bauchwandungen, Nase, Mund\u00f6ffnung, Kehlkopf, Luftr\u00f6hre bis in ihre feinsten Verzweigungen. Zu den letzteren z\u00e4hlen wir die Epithelien und die Blutgef\u00e4sse,","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Lungenathmung ; LuftungsWerkzeuge.\n307\nwelche auf und in den H\u00e4uten der Lungenbl\u00e4schen liegen, und die Fl\u00fcssigkeit, weiche diese H\u00e4ute durchtr\u00e4nkt.\nL\u00fcftungswerk zeuge.\nDa wir schon zu wiederholten Malen auf diese Organe die Aufmerksamkeit gelenkt haben, so heben wir hier nur noch die Beziehungen derselben zum Luftstrom in den Lungen hervor.\n1. Leber die Mittel, welche den Luftstrom erzeugen*). Der Luftwechsel innerhalb der Lungen wird dadurch bewerkstelligt, dass die Wandungen des Brustkastens, indem sie sich ausdehnen und zusammen-zielien , das Volum der Brusth\u00f6hle mindern (Exspiration) oder mehren (Inspiration). \u2014 Bei dem gesunden Menschen ist aber jede Ver\u00e4nderung in dem Durchmesser der Brust- gleichbedeutend mit derjenigen der Lungenh\u00f6hle, weil die \u00e4ussern Oberfl\u00e4chen der leicht ausdehnbaren Lungen innig angeschlossen sind an die innern Fl\u00e4chen der Brustwand und den Bewegungen dieser Folge leisten m\u00fcssen. Da dieser Anschluss aber nur so lange besteht, als die Pleurah\u00f6hle vollkommen leer ist, so kann er nur abh\u00e4ngig sein von dem Druck, welchen die Luft in dem Binnenraum der Lunge gegen die ausdehnbaren Lungenh\u00e4ute aus\u00fcbt, ein Druck, der im normalen Zustand kein Gegengewicht in dem Pleurasack findet. Demnach k\u00f6nnen wir bis auf Weiteres fingiren, die \u00e4ussern Lungen- und die innern Brustfl\u00e4chen seien mit einander verwachsen, welches zu dem oft genug wirklich vorkommt. Unter dieser Voraussetzung leuchtet ein, dass bei einer jeden Erweiterung der Brusth\u00f6hle ein Luftstrom in die Lungen gehen muss, so lange ihr Hohlraum und die Atmosph\u00e4re in offener Verbindung stehen. Denn mit der Erweiterung der Brusth\u00f6hle wird auch die in ihr enthaltene Luft verd\u00fcnnt, so dass sie nicht mehr im Stande ist, dem Druck der atmosph\u00e4rischen das Gleichgewicht zu halten; der Strom wird also so lange andauern, bis die Spannung der Luft inner- und ausserhalb der Lungen wieder gleich geworden ist. Umgekehrt muss aber ein Luftstrom aus den Lungen dringen, wenn der Brustraum verengert wird. Es ist, wie man danach sieht, der Apparat zur Einleitung des Luftwechsels ganz nach dem Grunds\u00e4tze eines gew\u00f6hnlichen Blasebalgs gebaut.\nZu den Umst\u00e4nden, welche den Brustkasten erweitern, also die Ein-athmung einleiten, geh\u00f6ren die Zusammenziehungen des Zwerchfells, der mm. scaleni, intercostales externi, levatores costarum, serrati postici su-periores, sternocleidomastoidei, pectorales minores, serrati antici majores (?), und endlich der Wirbels\u00e4ulestrecker. \u2014 a) Die Wirbels\u00e4ulstrecker sind, wenn man sich so ausdr\u00fccken darf, weniger von direkter als indirekter Bedeutung; eine Streckung und Beugung der Wirbels\u00e4ule \u00e4ndert\nTraube, in dessen Beitr\u00e4gen zur experimental. Pathologie. 1846. 91. Hutchinson, Cy clopaedia by Todd. IV. Bd. Thorax. \u2014 Beau et Maissiat, Archiv, general. Dec. 1842.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nEinziehung der Luft.\nzwar, aber keineswegs in einer hervorragenden Weise die R\u00e4umlichkeit der Brusth\u00f6hle ; sie \u00fcht dagegen einen bedeutenden Einfluss auf den Umfang, den die Bewegungen der Rippen gewinnen k\u00f6nnen. Nach Hutchinson ist bei gestreckter Wirbels\u00e4ule das Luftvolum, welches durch ein Maximum der Brusterweiterung und Verengerung eingezogen und aus-gestossen werden kann, am gr\u00f6ssten, und in der That strecken wir uns auch, wenn wir m\u00f6glichst tief einathmen wollen. \u2014 b) Bei der Zusammenziehung des Zwerchfells flachen sich die gew\u00f6hnlich an den Rippen unmittelbar anliegenden (Donders) rothen Seitentheile des Zwerchfellgew\u00f6lbes ab und steigen in die Bauchh\u00f6hle hinunter, w\u00e4hrend die mit dem Herzen in Verbindung stehenden Abschnitte des centr. tendineum ihre Lagen behaupten (Hyrtl). Der Bogen, den ein von rechts nach links durch das Zwerchfell gef\u00fchrter Schnitt w\u00e4hrend der Ruhe desselben dar-\nstellt, flacht sich also ab und n\u00e4hert sich einem Winkel, dessen abgestumpfte Spitze unter dem Herzen liegt. Der Brustraum wird demnach dadurch erweitert, dass er sich an seinem breitesten Theil verl\u00e4ngert. Zu gleicher Zeit wird er aber auch an seiner Basis noch nach den Seiten hin ausgedehnt (Duchenne). Diese letztere auf den ersten Augenblick etwas auffallende Erscheinung liegt darin begr\u00fcndet, dass die von dem herabsteigenden Zwerchfelle zusammengepressten Baucheingeweide die in der Wand der reg. hypochondriaca eingelegten Rippen auseinander treiben; denn was dem Bauch an L\u00e4nge verloren ging, sucht er nach der Quere gewinnen. \u2014 c) Von den Erweiterern der Intercostal-r\u00e4ume (intercostales externi, levatores costarum, scaleni, serrati postici und sterno-cleidomastoidei) erw\u00e4hnen wir nur die erstere, weil ihre wahre Leistung, trotzdem, dass sie schon Hamberger vor mehr als hundert Jahren aufgedeckt hat, immer noch hin und wieder bestritten wird. Da als bekannt vorauszusetzen ist, dass der Intercostalraum sich vergr\u00f6ssert, wenn sich der concave Winkel vergr\u00f6ssert, welchen Rippe und L\u00e4ngsachse der Wirbels\u00e4ule mit einander bilden, so gen\u00fcgt es, zu beweisen, dass sich die Fasern der m. intercostales externi verk\u00fcrzen bei einer Vergr\u00f6sserung dieses Winkels bis zum rechten. In Fig. 58 sei\na a parallel der L\u00e4ngenachse der Wirbels\u00e4ule, b c und de seien nach der Richtung zweier Rippen in der Exspirationsstellung gezogen worden; b c f stellen die Fasern eines intercostalis externus in dieser Lage vor. Man erhebe darauf die Rippe b c in die Lage von bf und ebenso de auf dg, g wobei sich die Winkel ebd und eda auf einen Rechten vergr\u00f6ssern. Darauf messe man auf dg ein dem de gleich langes St\u00fcck ab und ziehe die Linie b g, so wird diese nun die L\u00e4nge der in Betracht gezogenen Muskelfaser f\u00fcr die neue","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Ausstossung der Luft.\n309\nRippenstellung darstellen. Diese Linie bg soll aber der Behauptung nach k\u00fcrzer als b e sein. Um dieses zu beweisen, verbinde man die Endpunkte e und g derselben durch eg, so dass man das Dreieck bge erh\u00e4lt; in diesem liegt aber be einem gr\u00f6sserem Winkel (bge) gegen\u00fcber als b g, also ist b e auch gr\u00f6sser als bg. \u2014 d) Die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarmmuskeln -k\u00f6nnen erst nach Feststellung des Schulterblattes und Armes f\u00fcr die Auseinanderziehung des Thorax wirksam werden: wir schliessen nun, dass sie diese Rolle wirklich \u00fcbernehmen, daraus, weil wir in der That bei tiefen und namentlich krampfhaften Inspirationen Arm und Schulterblatt durch Anstemmen des Arms feststellen. Ihre Wirkung bedarf weiterer Untersuchung, namentlich ist die oft behauptete inspiratorische Wirkung des serratus ant. major sehr zweifelhaft.\nDie Zusammenpressung der Brusth\u00f6hle wird bedingt durch die elastischen Kr\u00e4fte der Brust-, der Lungen- oder Bauchwand und des Darminhalts und durch die Zusammenziehungen der mm. intercostales intend, transversus und obliqui abdominis, serrati postici inferiores, ster-nocostalis und der Beuger der Wirbels\u00e4ule, vor allem des rectus abdominis. \u2014 a) Schon fr\u00fcher wurde erw\u00e4hnt (p. 99), dass die Wandungen der Lungen durch den auf ihre inneren Fl\u00e4chen wirkenden Luftdruck w\u00e4hrend der ganzen Lebensdauer ausgedehnt sind. Dieses wird einfach dadurch bewiesen, dass die Lungen auf einen kleineren Umfang zusammenfallen, wenn man w\u00e4hrend des Lebens oder kurz nach dem Tode den Luftdruck auf den beiden Wandfl\u00e4chen gleich macht, z. B. dadurch, dass man, w\u00e4hrend die Stimmritze offen steht, den Pleurasack dem Luftzutritt bloslegt. Die Spannung, welche die ausgedehnte Lungenwand der in ihr vorhandenen Luft mittheilen kann, wenn man die Trachea luftdicht geschlossen und die \u00e4ussere Lungenfl\u00e4che dem Zutritt der Luft ge\u00f6ffnet, ist ver\u00e4nderlich mit dem Elastizit\u00e4tscoeffizienten der Wandung, den Zust\u00e4nden der kleinen Lungenmuskeln und der Ausdehnung der Lunge (Carson, Don der s).\nDonders*) maass die Spannung der Luogenluft (die Federkraft der Lungenwand) dadurch, dass er in die Luftr\u00f6hren einer sonst unversehrten Leiche ein gebogenes, mit Quecksilber gef\u00fclltes Manometer eiosetzte, und dann die Pleurah\u00f6hle durch Anschneiden eines Intercostalraums \u00f6ffnete. In diesem Fall, wo sich die Lunge im Zustande einer tiefsten Exspiration, also in der geringsten Ausdehnung fand, die sie w\u00e4hrend des Lebens einnimmt, trieb sie das Hg in dem Manometer um 6 MM. in die H\u00f6he. Als die Lunge darauf ann\u00e4hernd bis zu dem Umfang aufgeblasen wurde, der ihr w\u00e4hrend der Inspiration zukommt, hielt die durch die Wand erzeugte Spannung der Lungenluft 30 MM. Hg das Gleichgewicht.\nAus-dieser Thatsache geht hervor, dass die elastischen Gebilde des Lungengewebes der Inspiration eine Hemmung entgegensetzen und die Exspiration bef\u00f6rdern. \u2014 b) Die W\u00e4nde der Brust besitzen (I. Bd. 376.) wegen der Steifigkeit und Befestigungsart der Rippen eine bestimmte\nq Handleiding. II. Bd. 393.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nAusstossuug der Luft.\nGleichgewichtslage, in die sie immer wieder zur\u00fcckzukehren streben, gleichgiltig nach welcher Richtung hin sie auch daraus entfernt wurden. Durch diese elastischen Kr\u00e4fte sind sie nun bef\u00e4higt, die Ausathmung zu hemmen und f\u00f6rdern. Das erstere, wenn der Brustkasten durch eine energische Wirkung der Ausathmungsmuskeln auf ein geringeres Volum zusammengepresst werden soll, als er verm\u00f6ge seiner elastischen Kr\u00e4fte einnehmen w\u00fcrde ; der Widerstand, den die Brustwandung der Zusammenziehung der Muskeln entgegensetzt, w\u00e4chst mit der steigenden Verengung der Brusth\u00f6hle so rasch, dass er f\u00fcr jene bald un\u00fcberwindlich wird. Die Elastizit\u00e4t des Brustkastens hemmt dagegen die Einath-mung und bef\u00f6rdert also die Exspiration, jedesmal wenn dieselbe von der Gleichgewichtslage an ausgedehnt werden soll. Dieser Widerstand w\u00e4chst ebenfalls rasch mit der steigenden Ausdehnung der Brusth\u00f6hle. Die durch die Inspiration bedingte Spannung der Wandung f\u00fchrt also, wenn die Zusammenziehung der Einathmungsmuskeln nachl\u00e4sst, die Exspirationsbewegung aus. \u2014 c) Die Baucheingeweide sind innerhalb ihrer elastischen Decken (Haut, Muskeln, Faszien, Rippen) mit einer gewissen Spannung eingeschlossen, welche variirt mit den Eigenschaften dieser Decken, mit der Menge und Art des (festen, fl\u00fcssigen, gasf\u00f6rmigen) Darminhaltes. Da Brust- und Bauchh\u00f6hle nur durch eine leicht bewegliche, sehr ausgedehnte Scheidewand (diaphragma) von einander getrennt sind, so muss der jeweilige Spannungsgrad in der Bauchh\u00f6hle sich gegen die Brusth\u00f6hle hin geltend machen, und es wird das Zwerchfell so weit gegen die Brusth\u00f6hle emporsteigen, bis die r\u00fcckwirkende Spannung, welche sich in seiner Substanz entwickelt, gleich ist derjenigen, die den Baucheingeweiden zukommt. Daraus folgt, dass die Anf\u00fcllung der Unterleibsh\u00f6hle und die Zust\u00e4nde ihrer Wandung bestimmend wirken auf die Ausdehnung des Brustraums w\u00e4hrend der Buhe der \u00e4ussern Brustwand und des Zwerchfells; indem das letztere hei gef\u00fcllten Eingeweiden, in der Schwangerschaft u. s. f. h\u00f6her emporsteigt; und insofern als die Inspiration, welche durch das Zwerchfell ausgef\u00fchrt wird, an der Spannung der Baucheingeweide eine Hemmung erleidet, w\u00e4hrend der R\u00fcckgang des diaphragma nach der Exspirationsstellung hin hierdurch unterst\u00fctzt wird \u2014 d) Die Wirkungen der aufgez\u00e4hlten Muskeln setzen wir als bekannt voraus. Wir erlauben uns nur an zweierlei zu erinnern. Zuerst daran, dass die mm. intercostales intend gerade umgekehrt wirken m\u00fcssen, wie die extend. Um sich hiervon zu \u00fcberzeugen, hat man in Fig. 58. statt der Diagonale bg und he nur zu ziehen die df und de. Man wird dann finden, dass de k\u00fcrzer als df ist. \u2014 Ausserdem ist einleuchtend, dass der m. transversus abdominis ein wahrer Antagonist des Zwerchfells ist, welcher ohne irgend eine andere Nebenwirkung den Bauchinhalt zusammenpresst und damit das Zwerchfell empordr\u00e4ngt.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Leitungsr\u00f6hren. A theinbe wegungen.\n311\n2.\tLeitungsr\u00f6hren f\u00fcr den Luftstrom in die Lunge. \u2014 Die Luft dringt aus der Atmosph\u00e4re nicht unmittelbar in die Lunge, sondern aus der letztem zun\u00e4chst in ein Rohr (Trachea), das mit zwei M\u00fcndungen (durch Mund und Nase) in das Freie und mit sehr zahlreichen Aesten in die Lungenenden \u00fcbergeht. \u2014 Alle Abtheilungen dieses Rohres sind hinreichend gesteift, um nicht durch einen Unterschied des Luftdrucks auf ihrer \u00e4ussern oder innern Seite, wie ihn der Athemstrom erzeugen kann, zusammengedr\u00fcckt zu werden. An der weicheren Nase ist die Scheidewand aufgestellt, an die sich jederseits ein spiraliger Knorpel legt, und hioter diesem folgt der Knochen. Wird die Mundh\u00f6hle als Athem\u00f6ffnung benutzt, so steifen sich durch die Contraktion des m. orbicularis die Lippenr\u00e4nder, oder sie werden auch unter und \u00fcber die Zahnr\u00e4nder gef\u00fchrt. \u2014 Die knorpeligen Halbringe der Luftr\u00f6hre greifen weit genug, um den Theil der letztem, welcher nicht schon von der Wirbels\u00e4ule gesch\u00fctzt ist, zu steifen, und die Knorpelpl\u00e4ttchen in den Bronchien hindern es, dass die Dr\u00fccke der Brustwand die R\u00f6hre gar nicht oder mindestens nicht auf die Dauer zusammendr\u00fccken k\u00f6nnen; denn w\u00e4re ihr Lumen auch einmal geschlossen, so w\u00fcrde es beim Nachlass des Drucks durch die elastischen Knorpelpl\u00e4ttcheu wieder ge\u00f6ffnet werden. \u2014 Die Muskeln, welche in das Rohr eingelagert sind, glosso- und pharyngopa-latini, levator und tensor palati, die grossen und kleinen Kehlkopfsmuskeln u. s. w. sind ihrer Wirkung nach entweder schon besprochen (1. Bd. 418), theils erfahren sie bei Schlingen noch weitere Aufmerksamkeit. Die langen Muskeln des Kehlkopfs, namentlich sternohyoidei und sternothyreoidei, und die Muskeln zwischen den Ringen der Trachea, reguliren die Dimensionen und die Lage der letztem, welche ohne dieses durch h\u00e4ufige Zerrungen nach L\u00e4nge und Quere bei jedem tiefen Athemzug alterirt w\u00fcrden.\n3.\tVerkn\u00fcpfung der bewegenden Elemente zu Athembewegungen. Bei der grossen Zahl willk\u00fcrlich erregbarer Muskeln, die an dem Athem-apparat angebracht sind, k\u00f6nnen begreiflich unz\u00e4hlige Arten von Combi-nationen derselben sowohl unter einander, als auch mit den elastischen Einrichtungen hervorgebracht werden. Die Athemwerkzeuge sind aber auch unwillk\u00fchrlich erfolgenden Erregungen unterthan, wie wir schon fr\u00fcher sahen (1. Bd. 173J. Da diesen automatische Apparat ein genau vorgezeichneter Mechanismus beherrscht, so sind die aus ihm hervorgehenden Com-binationen beschr\u00e4nkt, a) Die unwillktihrliche Erregung ordnet jedesmal die den Brustkasten bewegenden Kr\u00e4fte so an, dass auf eine Einziehung der Luft unmittelbar ein Ausstossen derselben folgt, und dass dann l\u00e4ngere Zeit der Brustkasten in Ruhe verharrt, welche die eben vollendete Exspiration von der folgenden Inspiration trennt. Die Einathmung dauert gemeiniglich etwas l\u00e4nger, als die Ausathmung und die Pause nimmt mehr","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\n\u00c2thembewegungen,\nZeit ein, als beide Bewegungen zusammengenomnien. \u2014 b) Die gleichzeitig zur Ein- und Ausathmung in Erregung gesetzten Muskeln sind ver\u00e4nderlich. ln R\u00fccksicht auf dieselbe hat man mit einiger aber f\u00fcr praktische Zwecke gerechtfertigten Willk\u00fchr einige Typen der Athembewegung ausgeschieden, das leichte, das tiefe und das krampfhafte At lime n. \u2014 a) Beim ruhigen Athmen ziehen sich w\u00e4hrend der Inspiration in den Leitungsr\u00f6hren zusammen die Heber des Gaumens und die m. cricoarytenodei laterales. An den Brustwandungen aber zieht sich entweder nur das Zwergfell, oder die mm. scaleni und intercostales externi zusammen; die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei M\u00e4nnern durch das Zwergfell, bei Frauen durch die mm. scaleni und intercostales (Traube). An der ruhigen Exspiration betheiligt sich keine Zusammenziehung eines Muskels ; die Entleerung des Brustkastens geschieht durch die elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauchwand , des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gew\u00f6hnliche zu sein, wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen, wenn die Ber\u00fchrung zwischen beiden ungehindert vor sich geht, wenn die \u00fcbrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des Herzens und der den Leidenschaften untergebenen Hirntheile in einem mittleren Grad von Erregung stehen. \u2014 \u00df) Beim tiefen Athmen ziehen sich in der Einath-mung die bei der leichten Inspiration erw\u00e4hnten Muskeln kr\u00e4ftiger zusammen, so dass z. B., wenn im erstem Fall das Zwergfell gew\u00f6hnlich bis zur 6. und 7. Rippe, es bei tiefer Inspiration bis zur II. hinuntergeht, dass sich das Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit \u00f6ffnet u. s. w. Ausserdem treten noch hinzu in den Leitungsr\u00f6hren die Zusammenziehungen der levatores alaenasi und am Brustkasten die levatores costarum, serrati postici, sternocleidomastoidei. Durch die Zusammenziehung der zahlreichen Muskeln, welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hypochondrien f\u00fcr die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum gewonnen, dass trotz des herunter steigenden Zw^ergfells der Bauch nicht vorgetrieben wird, sondern zusammenf\u00e4llt (Hutchinson). Die Unterschiede, welche die leichte Inspiration des Mannes und der Frau darbot, verschwunden bei der tieferen. \u2014 Leidenschaftliche oder pl\u00f6tzliche sensible Erregungen, Ueber-maass von C02 oder Mangel an 0 im Blut sind die gew\u00f6hnlichen Bedingungen, unter denen das tiefe Athmen sich einstellt. \u2014 ;') Bei der krampfhaften Einathmung treten die bis dahin als Einathmungsmuskeln bezeichneten in eine ganz intensive Zusammenziehung und zugleich die hyo- und thyreosternalis, so dass die Luftr\u00f6hre weit herunter gezogen und dadurch m\u00f6glichst weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die Strecker der Wirbels\u00e4ule und die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarmmuskeln, so dass u. A. der Arm unwillk\u00fchrlich emporgeschleudert wird. Die Ausathmung wird durch m\u00f6glichst viele Muskeln besorgt. Krampfhaft wird die Athmung bei der Erstickungsnoth.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeit der Athemfolge.\n313\nDer Mechanismus einiger besonderer Arten unwillk\u00fcrlicher Athembewegungen : das Niessen, Husten, G\u00e4hnen, Lachen, Seufzen, Schluchzen, kann bei einigem Nachdenken leicht abgeleitet werden.\n4. Geschwindigkeit der Athemfolge. Die Zahl der Athemz\u00fcge in der Zeiteinheit (wir wollen die Minute setzen) ist ver\u00e4nderlich: a) Mit den Seelenzust\u00e4nden. So kann der Wille die Zugfolge beschleunigen und verlangsamen, aber doch nur in wohlbestimmten Grenzen, denn er kann sie f\u00fcr die Dauer die Atbemmuskeln weder erschlafft noch zusammengezogen erhalten. Die Zeit, w\u00e4hrend welcher der Wille den Luftwechsel unterbrechen kann, ist, ver\u00e4nderlich mit gewissen gleich zu erw\u00e4hnenden Anregungen (dem sog. Athembed\u00fcrfniss), welche entweder geradezu von Seiten des Bluts oder durch die Nerven der Lungenoberfl\u00e4che auf die automatische Hirnstelle ausge\u00fcbt werden. Beim steigenden Athembed\u00fcrfniss sinkt die Macht des Willens. \u2014 Leidenschaften sind im Stande, die Athemfolge unwillk\u00fchrlich zu beschleunigen und zu verlangsamen. \u2014 b) Beflektorische Erregungen, insbesondere von der Haut und Lungenoberfl\u00e4che (durch die n. vagi), vermehren die Zahl der Athemz\u00fcge. Den Einfluss der nervi vagi hat Traube durch scharfe Versuche dargelegt; die Durchschneidung eines und noch mehr die der beiden Vagusst\u00e4mme mindert die Zahl der Athemz\u00fcge betr\u00e4chtlich (Emmert), und eine Erregung des mit dem Hirn in Verbindung stehenden Stumpfs beschleunigt entweder die Zugfolge oder vermag sogar eine dauernde Zusammenziehung des Zwergfells zu veranlassen (Traube). \u2014 c) Die chemische Zusammensetzung des Bluts und namentlich der 0- und C02gehalt desselben bestimmen die Zahlen der Athemz\u00fcge. Alles, was die C02 in dem Blute mehrt und den 0 desselben mindert, beschleunigt auch die Athemz\u00fcge, so z. B. gehemmter Luftwechsel, Vermehrung der C02 bildenden Stoffe des Bluts: nach Muskelbewegungen, nach dem Genuss von Nahrung; jenseits gewisser Grenzen sind aber beide Einfl\u00fcsse ohnm\u00e4chtig. Leitet man bei einem Kaninchen, dessen Grosshirn ausgeschnitten, k\u00fcnstliche Respiration ein, so kann man durch eine Beschleunigung des Luftwechsels die Zahl der Athemz\u00fcge sehr\nV\nmindern, aber nicht vollkommen aufheben, und umgekehrt, wenn die Vermehrung der C02 und die Minderung des 0 \u00fcber gewisse, nur nicht sch\u00e4rfer bekannte Punkte schreitet, so verlangsamt sich der Athem bis\nzum Aufh\u00f6ren desselben.\n\u00bb\nDie Uebereinstimmung, welche zwischen den beschleunigenden Umst\u00e4nden der Zug- und Schlagfolge der Brust und des Herzens besteht, ist in die Augen fallend. Qu et eiet*) und Guy**) geben nun auch an, dass im Allgemeinen die Zahl der Herzschl\u00e4ge 4mal so gross bleibe, als die der Athemz\u00fcge. Von einer solchen Regel giebt es nat\u00fcrlich Ausnahmen, aber sie dient doch, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch die Athem-\n*) Der Mensch, \u00fcbers, von Ri ecke. 1838. 394.\n**) Donders und Bauduin, Handleiding. II. Bd. 372,","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nLuftsr\u00d6mung in den Athemwegen.\nzahlen, eben wie die des Pulses, mit den Tages-, Jahres- und Lebenszeiten auf- und abschwanken, heim Stehen und Gehen anders sind, als beim Liegen u. s. w. Der Mechanismus zur Herstellung dieser Beziehung scheint durch den Vagus vermittelt zu werden, denn wenn dieser durchschnitten wird, so mehrt sich die Pulszahl und es verlangsamt sich die Athemfolge.\nDie Zahl der unwillk\u00fchrlichen Athemz\u00fcge variirt in der Minute bei Neugeborenen von 23 zu 70 (Que tel et), bei Erwachsenen von 9 zu 40 (Hutchinson). Unter 1897 Personen fand der letzte Beobachter die \u00fcberwiegende Zahl mit 16 \u2014 24 Athemz\u00fcge begabt.\n5. Luftstr\u00f6mung in den Athemwegen. a) Die Triebkr\u00e4fte des Luftstroms , nemlich der Dichtigkeitsunterschied der Luft in und ausser den Lungen ist in jedem Moment der In- und Exspiration gering, so lange die Zuleitungsr\u00f6hren offen stehen. Nach manometrischen Beobachtungen\nvon C. Ludwig, Rrahmer, Valentin*) **) betr\u00e4gt er nur einige imu Quecksilber; dieses ist bei der Leichtbeweglichkeit der Luft nothwendig, da sich ein Minimum eines bestehenden Spannungsunterschieds augenblicklich ausgleicht; darum ist auch der durch den Brustkasten eingeleitete in- und Exspirationsstrom momentan mit der Brustbewegung beendet, wenn die Nase und Stimmritze ge\u00f6ffnet sind.\nBei einer so betr\u00e4chtlichen Verengerung, dass sie die Ausgleichung verhindert, oder bei vollkommenem Verschluss der zu der Lunge f\u00fchrenden R\u00f6hren kann die Differenz des \u00e4ussern und innern Luftdrucks bedeutend gesteigert werden ; der Werth derselben ist aber selbst bei demselben Menschen sehr ver\u00e4nderlich, was sich erkl\u00e4rt, wenn man bedenkt, von wie vielen Umst\u00e4nden er abh\u00e4ngig ist. Nehmen wir z. B. an, es sei das Athmungsr ohr vollkommen geschlossen, so muss bei der Einathmung die Spannung der Luft in der Lunge um so mehr sinken, je vollkommener die Lunge entleert war, als die Einathmung begann, ferner, je geringer die Widerst\u00e4nde sind, welche die Wandungen und Eingeweide der Brust und des Bauchs der ausdehnenden Wirkung der Muskeln entgegensetzen, und endlich, je gr\u00f6sser die ausdehnenden Muskelkr\u00e4fte selbst sind. \u2014 Unter denselben Bedingungen (Verschluss der Stimmritze etc.) muss aber die Spannung iu der Brusth\u00f6hle bei der Exspiration um so mehr wachsen, je mehr die Brust bei der beginnenden Ausatbmung mit Luft gef\u00fcllt war, je h\u00f6her der Elastizit\u00e4tscoeffizient der Bauch- und Brusttheile ist und je kr\u00e4ftiger die Aus-athmungsmuskeln wirken. Bei diesen Variationen kann einer absolute Bestimmung dieser Spannungsdifferenzen wenig Werth beigelegt werden.\nb) Die Geschwindigkeit des Luftstroms ist nat\u00fcrlich variabel mit der L\u00e4ngenachse und dem Durchmesser der Athemwege; da der Querschnitt der letztem mit der L\u00e4ngenachse wesentlich sich \u00e4ndert, und namentlich auch zuweilen ganz pl\u00f6tzlich, wie am ausgepr\u00e4gtesten am Uebergang der Bron-chioli in die Infundibula, so kann von einem regelm\u00e4ssig angeordneten Luftstrom keine Rede sein. Die mittlere Querschnittsgeschwindigkeit ist\n*) M\u00fcller\u2019s Archiv. 1847. \u2014 Haeser\u2019s Archiv. IX. Bd. 321. \u2014 Valentin, Lehrbuch der Phy-\nsiologie. 2. Aufl. I. Bd. 529.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Volum des Brustraums.\n315\nnat\u00fcrlich gegen die Lungenbl\u00e4schen hin, wegen des bedeutend grossem Durchmessers der Athemwege an jener Stelle, viel geringer, als in der Luftr\u00f6hre.\n6. Volum des ver\u00e4nderlichen und unver\u00e4nderlichen Brustraums, a) Der Mensch entleert selbst durch die tiefste Ausathmung, welche ihm m\u00f6glich ist, nicht alle Luft aus seiner Brusth\u00f6hle; das Volum, welches zur\u00fcckbleibt (residual air von H u t c h i n s o n), giebt den unver\u00e4nderlichen Brustraum. Dieser ist nat\u00fcrlich mit der Beweglichkeit und dem Umfang des Brustkastens (seiner H\u00f6he und Tiefe) sehr ver\u00e4nderlich. Nach einigen Untersuchungen an den Leichen Erwachsener von Goodwin wechselt derselbe zwischen 1500 und 2000 CC.\nEioe Methode, um das Volum des unver\u00e4nderlichen Brustraums bei lebenden Menschen zu bestimmen, giebt Harless*) an. Er l\u00e4sst eine m\u00f6glichst tiefe Inspiration vollziehen , nach deren Vollendung Lungenraum und Atmosph\u00e4re durch die offen gehaltenen Lippen und Stimmritze in Verbindung bleiben m\u00fcssen. Die unbekannte R\u00e4umlichkeit der Lungenh\u00f6hle (x) steht dann unter bekanntem \u00dfarometerdruck (b). Darauf bringt er mit dem ge\u00f6ffneten Mund in luftdichte Ber\u00fchrung einen Kasten, dessen Hohlraum mit einem bekannten Luftvolum (v) unter dem den atmosph\u00e4rischen \u00fcber-treffeudeo Drucke b' gef\u00fcllt ist. Dann wird durch eine bis dahin verschlossene Oeflf-nung des Kastens die Luft dieses letztem und der Lunge in Verbindung gebracht, so dass sich die Dr\u00fccke in beiden H\u00f6hlungen ausgleichen zu einem mittleren (b\"), beiden R\u00e4umen gemeinsamen ; dieser kann an einem Manometer des Kastens abgelesen werden. Bekanntlich ist aber das in einem Volum enthaltene Luftgewicht gleich diesem Volum, multiplizirt mit dem Druck, unter welchem die Luft in ihm steht; demnach war das Luftgewicht der Lunge und das in dem Kasten vor der Kommunikation dieser beiden R\u00e4ume = x b -f v b' ; dieses Luftgewicht muss aber auch (x v) b\" sein, d. h. gleich der Luft, welche unter dem Druck b\" in x und v nach ihrer Verbindung enthalten ist. Aus der Gleichung x b + v b' = (x + v) b\" l\u00e4sst sich nuu x finden. Vorausgesetzt, es sei die Temperatur im Kasten und der Lungenluft vollkommen ausgeglichen oder die Temperatur beider Orte genau bestimmt, wie die Notiz von Harless in Aussicht stellt, so w\u00fcrde sich gegen diese siunreicbe Bestimmungsart doch noch der Eiuwand erheben, dass das Volum des Lungeuraumes vor und nach der Verbindung mit dem Kasten nicht dasselbe geblieben w\u00e4re. Denn der Brustkasten ist von beweglichen W\u00e4nden und von Blut umschlossen, und somit muss das Volum seines Hohlraums sich \u00e4ndern mit der Spannung der in ihm enthaltenen Luft. Ist dieses der Fall, so geht die obige Gleichung \u00fcber in x b 4. v b' =\n(y + v) b'% d. h. in eine Gleichung mit zwei Unbekannten, und es ist weder x noch\n*\ny aus ihr zu finden. Wir m\u00fcssen erwarten, ob Harless diesen Umstand ber\u00fccksichtigt und den aus ihm hervorgehenden Fehler in enge oder bestimmbare Grenzen eingeschlossen hat.\nb) Das Volum des ver\u00e4nderlichen Brustraums kann zwar bei demselben Menschen je nach der Tiefe der Athembewegung sehr betr\u00e4chtlich und in unendlich vielen Abstufungen wechseln, aber es ist doch in bestimmte Grenzen eingeschlossen, welche gegeben sind durch den Unterschied des Brustraums zwischen m\u00f6glichst tiefer Ex- und Inspiration; das durch diesen Unterschied dargestellte Luftvolum (vital capacity von Hutchinson) wollen wir das Maximum des Raumwechsels\n*) M\u00fcnchener gelehrte Anzeigen. Sept. 1854. 93.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nMaximum des Raumwechsels.\nnennen. \u2014 Ausserdem bedient sich aber der Mensch bei gew\u00f6hnlichem uu-willk\u00fchrlichem Athmen wahrscheinlich immer nur einer ann\u00e4hernd gleichen Luftmenge, indem er jedesmal ungef\u00e4hr gleich tief ein- und aus-athmet; wir wollen dieses Volum als das des mittleren Athmens bezeichnen. Die Bestimmung beider Werthe ist von Interesse.\nDas Maximum des Raum Wechsels*) muss in Beziehung stehen zum Umfang, den die Brust \u00fcberhaupt einnimmt, und zu der Beweglichkeit der einzelnen die Lungenh\u00f6hle umgebenden St\u00fccke, also zur H\u00f6he und Tiefe der Brust, der Beweglichkeit der Rippen, der Lungenwandung, des Zwergfells, der Eingeweide und Decken des Bauchs. Alle diese Gr\u00f6ssen vermag die Messung nicht zu fixiren, und somit ist man, wie dies Hutchins on zuerst in ausgedehntem Maassstab ge than, darauf angewiesen, die Luft geradezu aufzufangen, welche von der Lunge ausge-stossen wird, wenn sie, w\u00e4hrend die Wirbels\u00e4ule gestreckt ist, von der iiefsten Einathmung zur tiefsten Ausathmung \u00fcbergeht Um die hierzu n\u00f6thige Volumbestimmung bequem auszuf\u00fchren, bedient man sich eines mit Wasser gesperrten Gasometers, das seit Hutchinson den Namen\nSpirometer f\u00fchrt. Dieses Instrument (Fig.59) besteht wesentlich aus zwei in einander geschobenen Blechcylin-dern \u00c4 und #, von denen B unten und A oben geschlossen ist. Der kleinere dieser Hohlcylinder (A), das eigentliche Gasometer, ist kalibrirt und tr\u00e4gt eine Skala, an der man die Gr\u00f6sse des Hohlraums von Null bis zu einer beliebigen ins Auge gefassten Zahl ablesen kann. In dem Boden ist bei C ein luftdicht schliessender conischer Stopfen und ausserdem ein Thermometer eingesetzt. OefTnet man den erstem, so kann dann die im Cylinder vorhandene Luft ausgelassen werden; durch das Thermometer ist die Temperatur des Hohlraums messbar. Der ganze Beh\u00e4lter ist aquilibrirt durch die Gewichte G G, welche je an einem Faden \u00fcber die Rollen RR laufen, so dass das Gasometer in jeder beliebigen Stellung im Gleichgewicht steht und weder zu sinken noch zu steigen trachtet. Die Abtheilung /?, die Wasserwanne, ist am Boden von einer gebogenen R\u00f6hre H [ K LM durchbohrt. Dieses\n*) Hutchinson, Von der Capazit\u00e4t der Lungen. Braunschw. 1849. \u2014 Simon, Ueber die Menge der ausgeathmeten Luft. Giessen 1848. \u2014 Fabius, Henle's und Peufer\u2019s Zeitschrift. N. 1, IV. Bd. 281. - bonders, ibid. p. 304.\nFig. 59.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Spirometrie,\n317\nRohr, durch welches die Luft aus der Lunge in das Gasometer iiberge-fiihrt werden soll, m\u00fcndet mit der Oeffnung H unter demselben; bei K ist ein Manometer in dasselbe eingef\u00fcgt, von L an wandelt sich das bis dahin steife in ein bewegliches Rohr um, und bei M endlich tr\u00e4gt es an einem Mundst\u00fcck einen Hahn, so dass es geschlossen werden kann. Durch das Manometer ist der Druck der Luft in dem Gasometer bestimmbar. Will man das Spirometer in Anwendung bringen, so f\u00fcllt man B bis nahe an den Rand mit Wasser, zieht dann den Conus C aus dem Boden von .4, dr\u00fcckt dieses letztere unter Wasser, bis das Null der Skala an eine beliebige Marke oder an den Wasserspiegel zu stehen kommt; darauf athmet man durch das Mundst\u00fcck M aus; die Luft, welche in das Gasometer steigt, hebt dieses \u00fcber Wasser. Nach Beendigung des Athem-zugs schliesst man den Hahn bei M und liest die Zahl der Skala ah, welche nun \u00fcber Wasser oder an der fixirten Marke steht. Aus dem bekannten Cubikinhalt des aufgestiegenen Cylindersttickes kann mit Ber\u00fccksichtigung der Angabe des Thermometers und Manometers die ausgeath-mete Luftmenge berechnet werden. \u2014 Sehr zahlreiche Versuche, welche Hutchinson, J. Vogel, Simon, Fabius, H a e s e r u. s. w. mit diesem Instrument angestellt haben, ergaben, dass das Maximum des Raumwechsels verschiedener Menschen steigt 1) wie das Produkt aus der L\u00e4nge der Wirbels\u00e4ule in den Umfang der Brust, \u00fcber die Brustdr\u00fcse gemessen (Fabius). Diese Erfahrung erkl\u00e4rt sich daraus, weil das Produkt proportional dem Umfang des Brustraums ist. Denn ein Mensch mit langer Wirbels\u00e4ule wird auch im Allgemeinen eine lange Brustwirbels\u00e4ule haben. Warum wurde aber diese nicht gemessen? \u2014 2) Sie steigt mit der Beweglichkeit der Brust, resp. mit dem Unterschiede ihres Umfangs bei tiefster In - und Exspiration (Simon, Hutchinson). \u2014 3) Vom 15. bis zum 35. Jahr steigt das Maximum des Raumwechsels und nimmt von da an ab (Hutchinson). \u2014 4) Mit der Muskelst\u00e4rke des ganzen K\u00f6rpers ist das Maximum des Volums gestiegen (Albert). Fabius, der den Satz im Allgemeinen best\u00e4tigt, fand, dass dagegen Ringer von Profession, eifrige Turner u. s. w. ein geringes Maass des Maximums darbieten. \u2014 5) Starke Fettleibigkeit mindert dasselbe (Hutchinson). \u2014 6) Phthisische Anlage ebenfalls. \u2014 7) W\u00e4hrend der Schwangerschaft ist es gr\u00f6sser, als nach der Geburt; entweder m\u00fcssen also die Rippen beweglicher sein, oder es treibt der ausgedehnte Uterus die Rippen auseinander, so dass die Ausdehnung nach der Quere dem Zwergfell den Verlust ersetzt, welchen es durch die Hemmung seines Absteigens erfahren hatte (K\u00fcchenmeister, Fabius). \u2014 8) Unmittelbar nach dem Mittagsessen ist der Wechsel des Brustraums geringer, als nach Kothent-leerung (Hutchinson, Albert, Fabius). \u2014 Je nach diesen Umst\u00e4nden wechselte bei Erwachsenen das Volum der ausgeathmeten Luft von 1200 bis 4500 CG.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nMittleres Athemvolum ; Luftmischung.\nDie Aerzte w\u00fcnschen h\u00e4ufig zu wissen, ob das Volum des Raumwechsels, welches eine beliebige kranke Brust darbietet, dasjenige ist, welches man nach der ganzen Anlage des Menschen, seinem Wuchs, seiner Muskelkraft, seinem Alter nach u. s. w. erwarten durfte. Man sieht, dass die Schwierigkeit, auf eine solche Frage Auskunft zu geben, darin liegt, f\u00fcr den gerade untersuchten Kranken den Normalmenschen zu finden. Unzweifelhaft ist das bisherige Verfahren, das Volum der ausgeatbmeten Luft zu vergleichen mit demjenigen, welches gleich alte und gleich grosse Menschen lieferten, etwas willk\u00fchrlich ; die Resultate derselben gaben demnach auch nur geringe praktische Befriedigung. \u2014 Fabius, welcher mit gr\u00f6sserer Einsicht den Gegenstand behandelte, stellte darum mit Hilfe von Buys-Ballot eine Formel auf; das daraus berechnete Maass des Luftwechsels kann aber ebenfalls nicht tds Vergleichungspunkt dienen, wie Donders richtig hervorhebt. Denn sie nimmt als einen Faktor mit auf den Unterschied des Brustumfangs bei der In- und Exspiration, welcher aus der Messung des Kranken selbst gefunden wurde. Da nun aber ganz offenbar die Ver\u00e4nderlichkeit des Hohlraums und jene Gr\u00f6sse mit einander steigen und fallen, so giebt die Formel keinen von der krankhaften Brustver\u00e4nderung unabh\u00e4ngigen Vergleichungspunkt.\nDas Volum des mittleren At hems ist schwer zu bestimmen, weil sich beim Messen desselben sogleich willk\u00fchrliche Zus\u00e4tze und Abz\u00fcge ein\u00fcnden. Unzweifelhaft variirt es aber auch bei verschiedenen Menschen und steht wahrscheinlich in Beziehungen zur H\u00e4ufigkeit des Ath-mens, da es offenbar abnimmt, wenn diese \u00fcber einen gewissen Werth zunimmt. \u2014 Vierordt, der in Folge langer Hebung die F\u00e4higkeit gewonnen hatte, das Volum eines unwillk\u00fchrlichen Athemzugs ungest\u00f6rt zu messen, fand es bei sich zwischen 500 und 600 CG.\n7. Mischung der zur\u00fcckbleibenden und der wechselnden Luft*). Setzen wir beispielsweise das Volum des unver\u00e4nderlichen Brustraums \u2014 2000 CG. und das des mittleren Athems = 500, so \u25a0sieht man sogleich, dass beim Athmen nur ein kleiner Theil der ganzen Lungenluft im Wechsel begriffen ist. Demnach wird die neu eintretende und die restirende Luft rasch gemischt und zwar durch den Athemstrom selbst, wie daraus hervorgeht, dass die Luft, welche unmittelbar nach dem Einathmen auch wieder ausgeathmet wird, schon so wesentlich ihre Zusammensetzung ge\u00e4ndert hat, dass dieses den langsamer wirkenden Diffusionsstr\u00f6men nicht zugeschrieben werden kann. Die wesentlichsten Hilfsmittel zur Erzeugung dieser wir wollen sagen mechanischen Mischung scheinen zu liegen zuerst in der grossen Nachgiebigkeit der Lungenbl\u00e4schen, neben der relativen Steifigkeit der Bronchialr\u00f6hren. Dieser Umstand bedingt es nat\u00fcrlich, dass jede Ver\u00e4nderung des Lungenraums zusammenf\u00e4llt mit der der Bl\u00e4schen, so dass nur bei sehr bedeutenden Volumsver\u00e4nderungen der Brust neben den Lungenenden auch die Lungenwurzeln ausgedehnt werden. Bei jeder Einathmung, sei sie auch noch so wenig tief, bewegt sie dagegen die Lungenoberfl\u00e4che, und zwar immer von dem unbeweglichen Ort des Brustraums (Spitze und R\u00fcckenwand) gegen den beweglicheren (Basis\n*) Bergmann, M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1845. 296.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Luftver\u00e4ndernde Werkzeuge.\n319\nund Brustbein) (Donders) *). Darum str\u00f6mt bei jeder inspiration Luft aus den engen Bronchiolis in die weiten Trichter, und st\u00f6sst dort gegen die zahlreich vorhandenen Vorspr\u00fcnge, welche die sogen. Lungenzellen begrenzen, so dass der feine eindringende Strom rasch vertheilt wird. Im \u00e4hnlichen Sinne muss die enge Stimmritze, m\u00fcssen die vielen Winkelbiegungen der Bronchi wirken, und endlich muss, um des Kleinsten zu erw\u00e4hnen, die Mischung auch durch die Flimmerbewegung unterst\u00fctzt werden.\nLuftver\u00e4ndernde Werkzeuge.\nDamit der bis dahin eingehaltene Gang nicht unterbrochen werde, verfolgen wir die Schicksale der eingeathmeten Luft sogleich weiter.\nUeber die Feststellung ihrer Ver\u00e4nderungen**). Die Temperaturver\u00e4nderungen, welche die ausgeathmete Luft erlitten, misst man nach Valentin und Brunner mit einer hinreichenden Genauigkeit, wenn man ein empfindliches Thermometer mittelst eines Korkes in ein l\u00e4ngeres Glasrohr befestigt. Eine der Oeffnungen des Rohrs soll bis zur Capillarenweite verengert sein. Die weitere f\u00fchrt man vor den Mund und athmet durch dieselbe mehrere Minuteu hindurch aus, bis die Temperatur des Thermometers constant geworden ist.\nMit einer Untersuchung der chemischen Ver\u00e4nderungen der Luft verbindet mau verschiedene Absichten. Entweder man will nur erkennen, wie sich ihre prozentische Zusammensetzung zu einer beliebigen Zeit gestaltet habe, oder man will wissen, wie gross die Gewichte der Gase sind, welche w\u00e4hrend eines bestimmten Zeitraums von der Lunge verzehrt und produzirt wurden.\nWenn es sich nur um den prozentischen Gehalt der Ausathmungsluft an 0, C0.2, j\\ handelt, so gen\u00fcgt es, eine beliebige Menge der Ausathmungsluft aufzufangeu und nach bekannten eudiometrischen Methoden zu analysiren, welche seit Bunsen, Reg* na ult, Frankl and einen so hohen Grad von Vollkommenheit und Einfachheit und damit ein sicheres Uebergewicht \u00fcber die m\u00fchseligen Absorptionsmethoden gewonnen haben. \u2014 Man hat sich dieser vervollkommneten eudiometrischen Methodeu leider noch nicht in allen vorliegenden Untersuchungen bedient; namentlich hat man, wie z. B. in der ausgedehnten Versuchsreihe von Vierordt, vers\u00e4umt, die Gasvolumina vor und nach der Bestimmung eines ihrer Bestandtheile auf gleichen oder auf bekannten Gehalt an W assergas zu bringen , und auch oft nicht die nothwendige* Sorgfalt auf die Temperaturbestimmung gewendet, so dass die in dem Volum des analy-sirten Gases beobachteten Ver\u00e4nderungen f\u00e4lschlich alle auf Mehrung eines aus der Luft entfernten Bestandtheils geschoben werden. Die hieraus erwachsenden Fehler sind um so merklicher, wenn, wie es bei den Athemgasen gew\u00f6hnlich geschieht, aus den Analysen kleiner Mengen auf die Ver\u00e4nderungen sehr grosser zuriickgeschlossen wird, weil sich dann der Fehler in demselben Verh\u00e4ltniss mehrt, in welchem die analysir-teu zu den berechneten Voluminibus stehen. \u2014 Den Prozentgehalt der Ausathmungsluft an Wasserdampf suchte man bis dahin dadurch zu ermitteln, dass man durch ein Rohr die Luft ausathmete, welches mit Schwefels\u00e4ure feuchtem Asbest gef\u00fcllt\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. III. 39.\n**) Valentin, Lehrbuch der Physiologie. I. Bd. 2. Auflage. 534. u. f. \u2014 Handw\u00f6rterbuch der Chemie v. Liebig u. s. w. H. Bd. 1050. \u2014 Frankland, Liebig\u2019s Annalen. 88. Bd. p. 82.\u2014 Moloschott, Holl\u00e4ndische Beitr\u00e4ge. I.Bd. p. 86. \u2014 Scharling, Liebig\u2019s Annalen. 45. Bd. Derselbe, Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 36. Bd. \u2014 Andral und Gavarret, Ueber die durch die Lungen ausgeathmete COgmenge. Wiesbaden 1845. \u2014 Allen u. Pepys, Schweigger\u2019s Journal f. Chemie u. Physik. I. Bd. 196. \u2014 Vierordt, Physiologie des Athmens. Karlsruhe 1845.\t\u2014 Prout, Schweigger\u2019s Journal f\u00fcr Chemie etc. 15. Bd. \u2014 Becher, Studien \u00fcber\nRespiration. Z\u00fcricher Mittheilungen. 1855.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nLuftver\u00e4nderung; Analytische Methoden.\nwar. Das dem Mundende entgegengesetzte Ende dieses Rohres stand in Verbindung mit einem Ballon, der vor Beginn des Versuchs mit Salzwasser oder Oel gef\u00fcllt war. Die ins Rohr geblasene Ausathmungsluft gab an die S03 ihren Wassergehalt ab und stieg dann \u00fcber die Sperrfl\u00fcssigkeit. Die Gewichtszunahme des Asbeslrohrs giebt den Wassergehalt des Luft'olums, welches in den Ballon eingetreten ist (Valentin, Moleschott). Bei solchen Versuchen muss die Vorsicht gebraucht werden, zwischen den Mund und die Schw efels\u00e4ure kein k\u00fchles, durch Erniedrigung der Temperatur wasserausf\u00e4llendes Mittelst\u00fcck einzuschalten. Dieses etwas umst\u00e4ndliche und durch die nothw7endigen Volumbestimmungen der Luft und die Reduktion des beobachteten Volums auf die h\u00f6her erw\u00e4rmte der Lunge immer unsichere Verfahren k\u00f6nnte vielleicht mit Vorlheil ersetzt werden durch das Therino- und Psychrometer, mit deren Hilfe die Temperatur und der S\u00e4ttigungsgrad der Luft zu finden sind.\nViel komplizirtere Versuche sind nothwendig, wenn man den ganzen Gewinn oder Verlust eines oder aller am Gasaustausch betheiligten Stoffe w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit feststellen will. In einem solchen Fall muss nat\u00fcrlich das Gewicht s\u00e4mmllicher Luft, welche in die Lunge ein- und ausgeht, bekannt sein, und da dieses zum gr\u00f6ssten Theil wenigstens nur mit Hilfe eines Raummaasses gewonnen werden kann, so sieht man sogleich die Schwierigkeiten ein, welche sich einer langem Fortsetzung des Versuchs entgegenstellen, wegen der Isolation der grossen Luftmengen, welche aufgefangen werden m\u00fcssen.\nAm relativ einfachsten gestaltet sich der Versuch , wenn man nur das Gewicht der C0.2 feslzustellen beabsichtigt, welches die Ausathmung wegf\u00fchrt, indem dabei die Feststellung des Volums der eingeathmeten Luft wegen ihres geringen CCLgehal-tes derselbe unterbleiben darf. Diese Aufgabe hat man sich darum auch am h\u00e4ufigsten gestellt. Die in Anwendung gebrachten Methoden, die ganze Menge der C02 zu fangen, sind folgende gewesen: 1) Man brachte Mund - ^md Nasen\u00f6ffnung des zu beobachtenden Menschen in einen geschlossenen Raum, z. R. in eine mit einem Fenster versehene Kautschoukmaske, leitete durch diesen einen Luftstrom, dessen einseitige Richtung durch Ventile gesichert war; die Luft, welche in die Maske eindrang, kam dorthin aus der Atmosph\u00e4re und die, welche ausdrang, wurde entweder durch eine Reihe von R\u00f6hren gef\u00fchrt, deren Inhalt C02 und Wasserdampf absor-birte (Scharling) oder in einem luftverd\u00fcnnten Raum (Andral und Ga va rr et). Die Gewichtszunahme der R\u00f6hren, welche die C02 absorbirt hatten, gab im ersten Fall die w\u00e4hrend der Versuchszeit ausgestossene C02 ; im zweiten Fall wurde nach Beendigung des Versuchs Druck, Temperatur und Volum der durchgetretenen Luft gemessen und eine Probe derselben oder die ganze Masse analysirt. Der Luftstrom, welcher durch die Maske hindurchgef\u00fchrt, wurde bei Andral und G a v a r re t unterhalten durch die Unterschiede des Luftdruckes , indem nach der einen Seite hin aus der Maske eine R\u00f6hre in die Atmosph\u00e4re und nach der andern in einen oder mehrere grosse, bei Beginn des Versuchs luftleere Ballons ging. Scharling zog die Luft mittelst eines Aspirators durch, d. h. er legte hinter die Absorptionsr\u00f6hren ein grosses, mit Wasser gef\u00fclltes Fass, welches w\u00e4hrend des Versuchs seine Fl\u00fcssigkeit entleerte und sich daf\u00fcr mit Luft f\u00fcllte, welche es aus der Maske bezog. Das Wesentliche dieser Einrichtung giebt Fig. 68. wieder. \u2014 2) Die Personen athmeten ungehindert durch die Nase Luft ein und stiessen dieselbe, nachdem sie in der Lunge verweilt hatte, aus durch ein Rohr, das bei geschlossener Nase in einen geschlossenen, urspr\u00fcnglich luftfreien Raum m\u00fcndete. Man bestimmte zu Ende des Versuchs Volum, Temperatur und Druck des mit Athemgasen gef\u00fcllten Raumes, und analysirte eine Probe der wohlgemengten Luft. Indem man also den prozentischen C02gehalt der ausgeathmeten Luft und das Gesammtgewicht dieser letztem kannte, konnte man auch das Gesammtgewicht der ausgehauchten C02 berechnen. Die Methoden, die Luft","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Lungenathmung ; Beobachtungsmethoderi.\n321\nFig. 60.\naufzufangen, waren aber verschiedenartige. Prout bl\u00e4st die Luft in eine urspr\u00fcnglich zusammengepresste luftdichte Blase; Vierordt in einen Ballon, der urspr\u00fcnglich mit Salzwasser gef\u00fcllt war; Allen, Pepys und Brecher in ein mit Quecksilber gesperrtes Gasometer. Um die Versuche mit einer verb\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Menge des theuren und schwer zu handhabenden Quecksilbers m\u00f6glich zu machen, bedienten sich Allen und Pepys zweier kleinen Gasometer, deren jeder nur wenige Athemziige fassen konnte. Diese wurden abwechselnd benutzt. War einer derselben mit Luft gef\u00fcllt, so wurde aus ihm, nachdem der Inhalt durchgesch\u00fcttelt und auf sein Volum bestimmt war, eine Probe Luft in ein kleines R\u00f6hrchen zur sp\u00e4teren Analyse zur\u00fcck gestellt, und dann wieder mit Quecksilber gef\u00fcllt. Unterdess war in das andere Gasometer geathmet und dieses dadurch mit Luft gef\u00fcllt worden: man kehrte^ alsdann zu dem ersten zur\u00fcck und w\u00e4hrend dess wurde aus dem zweiten eine Luftprobe entnommen u. s. f. \u2014 Becher gebrauchte dagegen das Gasometer von Despretz oder D\u00f6bereiner, dessen Einrichtung durch Fig. 60 erl\u00e4utert wird. Auf das Brett (\u00cbF) ist ein Hohicylinder aus Eisenblech {AB CD) und ein wohlgefirnisster solider\nHolzcylinder (L) aufgeschraubt, so dass der Hohlraum des Blechcylinders bis auf eine schmale Rinne und einen \u00fcber den Holzcy-linder stehenden Rand ausgef\u00fcllt ist. In diese Rinne passt m\u00f6glichst genau eine cylin-drische tubulirte Glasglocke GIKH\\ wenn also die Glocke \u00fcber den Holzpflock m\u00f6glichst tief eingeschoben ist, so ist der Hohlraum des Blechcylinders fast vollkommen ausgef\u00fcllt ; in den \u00fcbrig bleibenden Rest desselben wird Quecksilber gegossen, das bei m\u00f6glichst tiefem Eintauchen der Glocke bis in den Tubulus derselben (M) hineinreichen muss; bl\u00e4st man darauf Luft in den mit einem Hahn versehenen Schlauch (MiV), so erhebt sich die Glocke, das Quecksilber sinkt in die Rinne zwischen L und A BCD, und die Luft wird immer gesperrt sein, wenn auch nur so viel Quecksilber vorhanden ist, um die Rinne so weit zu f\u00fcllen, dass das abgerundete obere Ende des Holzpflockes bedeckt bleibt. Bei 0 ist in den Blechcylinder ein ebenes Glas eingesetzt, um den Stand des Quecksilbers und die Erhebung der graduirten Glasglocke abzulesen.\nDie Resultate der Versuche, welche sich des Quecksilbers als Sperrmittel bedienten, verdienen ceteris paribus nat\u00fcrlich den Vorzug vor denen, in welchen man zu gleichem Zwecke Kochsalzl\u00f6sung anwendete. Denn diese letztere absorbirt merkliche Mengen von C02, und es wird diese Absorption um so weniger zu vernachl\u00e4ssigen sein, als die Ausathmungsluft in einzelnen Blasen durch das Sperrwasser hindurch dringt und dann \u00fcber dem letztem stehend es in einer betr\u00e4chtlichen Ausdehnung ber\u00fchrt. Der daraus erwachsende Fehler ist auch kein constanter, weil die vom Sperrwasser aufgenommene C02menge variirt mit der Ber\u00fchrungsdauer und dem C02gehalt der Ausathmungsluft. So lange nicht durch direkte Versuche die Grenzen dieses Fehlers dargethan sind, muss man, dem Ausspruch der bessern Gasanalytiker gem\u00e4ss, behaupten, dass die auf diesem Wege angestellten Versuche nur brauchbar sind, bedeutende Unterschiede im Kohlens\u00e4uregehalt der Ausathmungsluft aufzudecken. \u2014 Alle Versuche aber, welche bis dahin nach der unter Nummer 2 aufgef\u00fchrten\nLudwig, Physiologie, II.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nTemperatur und Wassergehalt der Ausathmungsluft.\nMethode angestellt wurden , leiden .an dem gemeinsamen Uebelslande, dass sie sich \u00fcber einen nur kurzen Zeitraum erstrecken. Sie erlauben also bei der ungemeinen Ver\u00e4nderlichkeit in der Absonderungsgeschwindigkeit der C02 keinen Schluss auf andere, nicht untersuchte Zeitabschnitte.\nGeht man endlich darauf aus, geradewegs zu bestimmen, wie viel Ogas in den Lungen verschluckt, wie viel HOgas dort abgedunstet und wie viel Ngas eingenommen oder ausgegeben sei, so muss man Menge und Zusammensetzung der in der Versuchszeit ein- und ausgeatbmeten Luft kennen. Denn diese Gase sind in beiden Luftarten enthalten und sie k\u00f6nnen somit nur aus dem Unterschied ihrer Gewichte in den Ein- und Ausathmungsprodukten aufgefunden werden. Bis dahin sind am Menschen solche Versuche nicht angestellt worden. Bei Thieren ist dagegen die Schwierigkeit derselben \u00fcberwunden, wie wir mittheilen werden, wenn wir auf die staunens-werthe Versuchsreihe eingehen, welche der grosse Physiker R\u00e9gnault in Verbindung mit Reiset ausgef\u00fchrt hat. Dort werden wir auch einige indirekte Methoden erw\u00e4hnen, welche sich das oben bezeichnete Ziel gesteckt haben.\nJ. Temperatur der A us a th m un gsluft. Die in die Lungen aufgenommene Luft muss ihre Temperatur ausgleichen mit derjenigen der Lungenwand, resp. des in ihr str\u00f6menden Blutes. Die Zeit, die zn dieser Ausgleichung nothwendig, w\u00e4chst mit dem Temperaturunterschied zwischen Blut und Luft und dem aufgenommenen Volum der letzteren. So fand z. B. Valentin (gleiche Zahl und Tiefe der Athembewegung vorausgesetzt), dass bei einer Lufttemperatur von \u2014 6,3\u00b0 C. die ausge-athmete Luft auf -f- 29,8\u00b0 C., bei einer Lufttemperatur von + 19,5\u00b0 C. die ausgeathmete Luft auf + 37,25\u00b0 C,, bei einer Lufttemperatur von 41,9\u00b0 C., die Ausathmungsluft auf -j- 38,1\u00b0 C. erw\u00e4rmt oder abgek\u00fchlt war, Die zur Ausgleichung der Temperatur n\u00f6thige Zeitdauer kann keinenfalls gross sein bei den zahlreichen Ber\u00fchrungen zwischen Luft und Lungenwand.\n2. Vermehrung des Wassergehaltes. Die Luft, welche in die Athemwege gef\u00fchrt wird, ist meist niederer temperirt, und somit jedenfalls trockener, als die Ausathmungsluft, welche in den Lungen erw\u00e4rmt und in vielfache Ber\u00fchrung mit feuchten Fl\u00e4chen gebracht wurde. \u2014 Die Luft, welche in die Lungen aufgenommen, wird sich darum rasch mit Wasser s\u00e4ttigen; der Zeitraum, welcher hierzu nothwendig, wechselt mit dem Volum, der Trockenheit und der W\u00e4rme der Einathmungsluft. lieber den absoluten Zeitwerth, der zur S\u00e4ttigung n\u00f6thig, bestehen bedeutende Widerspr\u00fcche; Valentin behauptet, dass selbst bei rascher Athemfolge die S\u00e4ttigung f\u00fcr die bestehende Temperatur beendet sei; Moleschott traf sie dann kaum zur H\u00e4lfte satt. \u2014 Das Gewicht des Lungendampfes, welches wir in der Zeiteinheit ausstossen, variirt nachweislich mit der Zahl der Athemz\u00fcge. Hier\u00fcber giebt Valentin*) folgende Tabelle, aus welcher-hervorgeht, dass das Gewicht des Wasserdunstes sich mindert, wenn die Zahl der Athemz\u00fcge in der Minute \u00fcber sechs steigt.\n*) 1. c. p. 538.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4uregehalt der Ausathmungsluft.\n323\nZahl der Athemz\u00fcge in der Minute.\tMittleres Gewicht des ausgeschiedenen Wassers in Gr. f\u00fcr die Minute.\tMittleres Gewicht des ausgeschiedenen Wassers in Gr. f\u00fcr einen Athemzug.\tZahl der Beobachtungen.\n5\t0,287\t0,057\t6\n6\t0,297\t0,049\t30\n12\t0,246\t0,021\t30\n24\t0,261\t0,010\t30\n36\t0,197\t0,005\t3\n40\t0,205\t0,005\t2\nW\u00fcnschenswerte w\u00fcrde es sein, zu wissen, wie die Aufenthaltszeit und das Volum der aufgenommenen Luft mit der Athemfolge gewechselt habe. Auch mit der Temperatur der Atmosph\u00e4re findet Valentin das Gewicht des ausgestossenen Dampfes ver\u00e4nderlich. In der K\u00e4lte sollen gleich viel Athemz\u00fcge weniger Dunst zu Tage f\u00f6rdern, als in der W\u00e4rme.\nAls t\u00e4gliches Mittel des von ihm ausgehauchten Wassers giebt Valentin (54 Kgr. schwer) 375 Gr. an. Nach einer geringeren Zahl von Beobachtungen fand er es bei 8 Studenten zu 540 Gr. t\u00e4glich. Diese Menge repr\u00e4sentirt nat\u00fcrlich nicht den Wasserverlust, den das Blut durch die Athmung erleidet; um ihn zu finden, w\u00fcrde man von den gegebenen Zahlen die unbekannte Mengen des Wasserdunstes abzuziehen haben, welche in der Einathmungsluft enthallen war.\nUeber indirekte Sch\u00e4tzungsmetlioden siehe tbierische W\u00e4rme und Vergleichung der Ausgabe und Einnahme des Blutes.\n3. Ver\u00e4nderung der Kohlens\u00e4ure. Das Gewicht der entleerten Kohlens\u00e4ure \u00e4ndert sich mit dem Unterschied der Kohlens\u00e4uremengen in der Lungenluft und im Blut, mit der Zeitdauer, w\u00e4hrend der dieser Unterschied besteht, mit der Ausdehnung der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che\nzwischen Luft und Blut, der Temperatur und dem Druck beider.\n\u00bb\nTheoretische Einleitung. Um die Bedeutung der Bedingungen richtig zu fassen, welche die Absonderungsgeschwindigkeit der C02 beherrschen, dienen folgende S\u00e4tze : I) Die Kr\u00e4fte (Spannungen), mit welchen sich die Theilchen eines Gases ab-stossen, nehmen ab mit der gegenseitigen Entfernung derselben, also mit der abnehmenden Dichtigkeit des Gases (Mariotte\u2019sches Gesetz); diese abstossenden Kr\u00e4fte k\u00f6nnen ganz in derselben Weise, wie es p. 29 f\u00fcr das Wasser entwickelt wurde, dazu dienen, Geschwindigkeit oder Spannungen des Gases zu erzeugen, und hier wie dort, ist die Geschwindigkeit, welche der Gewichtseinheit Gas mitgetheilt werden kann, proportional depi Unterschied der Spannungen, welcher auf den entgegengesetzt gerichteten Grenzfl\u00e4chen derselben herrscht.\n2)\tNur die gleichartigen (aus denselben chemischen Atomen und Atomzahlen be stehenden) Gastheilchen \u00fcben eine Abstossung gegen einander.\n3)\tDie Geschwindigkeit, mit welcher ein ohne Hinderniss bewegliches Gastheilchen ein anderes fixirtes flieht, w\u00e4chst mit der Zeit, so dass es in der ersten Zeiteinheit einen kleineren Weg zur\u00fccklegt, als in der zweiten, in dieser einen kleinern als in der dritten u. s. f. \u2014 Die Unterschiede der Geschwindigkeiten in den Zeiteinheiten (die beschleunigenden Kr\u00e4fte) nehmen dagegen ab mit der steigenden Zeit. Dieses folgt aus dem Beharrungsverm\u00f6gen und aus dem ersten Satz, dass die Intensit\u00e4t der abstossenden Kraft abnimmt mit der Entfernung.\n2) *","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"S24\nKohlens\u00e4ureausscheidung; theoretische Einleitung.\nDenn das Gastheilcben wird die im ersten Augenblick empfangene Geschwindigkeit auch noch io allen folgenden behaupten; dieselbe wird aber in jedem folgenden Augenblick vermehrt durch einen neuen Druck der sich abstossenden Gasmolekeln. Die Anzahl der St\u00f6sse, welche das in Bewegung gesetzte Gastheilcben empfangen hat, w\u00e4chst also mit der Zeit und darum in derselben Weise die Geschwindigkeit. Die Kraft der St\u00f6sse nimmt aber von einem zum andern Zeittbeilchen ab, weil die Entfernung der beiden Molekeln mit der Dauer der Bewegung steigt, und darum ver-\nf\nringert sich mit der steigenden Zeit die beschleunigende Kraft, welche von jenen St\u00f6ssen abh\u00e4ngt.\n4) Die Gesetze, welche f\u00fcr die Bewegung tropfbarer Fl\u00fcssigkeiten durch R\u00f6hren gelten, finden auch ihre Anwendung auf Gase, welche sich im Diffusionsstrom durch R\u00f6hren bewegen. Tauchte z. B. die eine M\u00fcndung eines Rohrs in einen Beh\u00e4lter voll Sauerstoffgas und die andere R\u00f6hren\u00f6ffnung in eine Atmosph\u00e4re von Kohlens\u00e4ure, so w\u00fcrden unabh\u00e4ngig von einander zwei Gasstr\u00f6me in entgegengesetzten Richtungen durch das R\u00f6hrenlumen laufen, und zwar darum ohne gegenseitige St\u00f6rung, weil die Sauerstoff-theilchen nicht von der C02 und diese nicht von jener gedr\u00fcckt wurden. Die Bewegung eines jeden dieser Str\u00f6me w\u00fcrde einzig und allein begriindet^sein in der Ab-stossung der gleichartigen Gastheilcben, oder, was dasselbe bedeutet, von dem Dichtig-keits- (Spannungs-) unterschied, weicherzwischen den gleichartigen Gastheiichen an den beiden Enden der R\u00f6hre besteht. Vorausgesetzt, man bewerkstelligte es nun durch irgend welche Vorrichtung, dass der Spannungsunterschied am Ende und am Anfang des Rohrs w\u00e4hrend der ganzen Versuchsdauer unver\u00e4ndert bleibe, so w\u00fcrde sich auch die Geschwindigkeit eines jeden Stroms in dieser Zeit constant erhalten, und es m\u00fcsste, weil eine Bewegung materieller Theilehen vor sich geht, die Geschwindigkeit abh\u00e4ngig sein einerseits von dem Spannungsunterschied, und andererseits von den Reibungen und dem Widerstande, welche die Anordnung der R\u00f6hre mit sich bringt. Da es den Anschein hat, als ob diese Behauptungen der Theorie an sich klar w\u00e4ren, so betonen wir der physiologischen Wichtigkeit wegen nur, dass die Dimensionen des Rohrs von Einfluss sind auf die Geschwindigkeit des Diffusionsstroms nach der R\u00f6hrenl\u00e4nge. Nehmen wir an, es sei uns ein trichterf\u00f6rmiges Rohr AB\nFig. 6? gegeben, in welcher ein Sauerstoffstrom von B nach A und ein Kohlens\u00e4urestrom von A nach B gehe. Gesetzt, nun, es sei der Unterschied der grossem Kohlens\u00e4uredichtigkeit bei .4 und der geringere bei B gleich demjenigen f\u00fcr den Sauerstoff bei B (der grossem) und A (der geringem), so w \u00fcrden die Triebkr\u00e4fte , w elche den C02 Strom bewegen, doch gr\u00f6sser sein, als diejenigen, welche die Sauerstoffbewegung eiulei-ten und darum auch die Geschwindigkeit des ersteren \u00fcber die des letztem \u00fcberwiegen. Dieses ist ohne weiteren Beweis einleuchtend , weil bei gleicher Spannung in den Gasfl\u00e4chen die Zahl der ClKtheilcben, welche von A nach B hin dr\u00fcckt, gr\u00f6sser ist, als die der Sauerstoffiheilehen, welche von B nach A hin dr\u00e4ngen. Wir machen im Voraus darauf aufmeiksam, dass der CO^strom beginnt von der Lungenoberfl\u00e4che, welche eine Ausbreitung von vielen Quadratfussen besitzt, und m\u00fcndet in der engen Luftr\u00f6hre, w\u00e4hrend umgekehrt der Sauerstoffstrom von den Wurzeln gegen die Enden der Lunge streichen muss.\n5. Setzen wir voraus, es wr\u00e4re uns ein geschlossener Raum gegeben, welcher mit eioer beliebigen Gasart, z. B, mit atmosph\u00e4rischer Luft, gef\u00fcllt sei, und es werde\nFig. 61.\nB","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Rohlens\u00e4ureausscheidung; theoretische Einleitung.\n325\neine beliebige Grenze dieses Raums in Verbindung gebracht mit einer andern Gasart, z. B. C02, deren Dichtigkeit unver\u00e4nderlich gedacht wird, Bedingungen, wie sie ann\u00e4hernd in der Lunge verwirklicht sind, so werden wir behaupten d\u00fcrfen: a) Die Geschwindigkeit des Dilfusiousstroms aus der C02 in die Luft nimmt ab, wenn die Zeit des bestehenden DifFusionsstroms zunimmt, und insbesondere wird sich die Geschwindigkeitsabnahme so gestalten, dass sie im Beginn des Diffusionsstroms rasch und mit der wachsenden Dauer desselben langsamer und langsamer absinkt. Abnehmen muss die Geschwindigkeit \u00fcberhaupt, weil die treibenden Kr\u00e4fte, oder der Dichtigkeitsunterschied der CO.,, zwischen der angenommenen Grenzfl\u00e4che und dem geschlossenen Raum mit dem Eindringen von C02 in den letztem geringer werden muss. Im Beginn der Zeit, wo der geschlossene Raum vollkommen C03frei war, wird der Strom unter der ganzen Spannung der angrenzenden C02 eintreteu ; im n\u00e4chsteu Augenblick wird der Strom schon gehemmt durch die zuerst eingetretene C02 u. s. f. und die Geschwindigkeit muss also immer langsamer werden. Daraus geht auch hervor, dass die Geschwindigkeitsabnahme nicht im geraden Verh\u00e4ltniss zum Wachsthum der Zeit erfolgen kann. Die Geschwindigkeit wird auf Null herabsinken, wenn die C02spannung im geschlossenen Raum und an der angenommenen Grenzfl\u00e4che gleich geworden ist. \u2014 b) Der Zeitraum, welcher verfliesst, bis die Dichtigkeit der CO2 in dem geschlossenen Raum und der Grenzfl\u00e4che gleichwerthig ist, w\u00e4chst (bei gleicher Ber\u00fchrungsfl\u00e4che und gleicher urspr\u00fcnglichen Spannung der C02) mit dem Cubikinbalt des Raumes ; er nimmt dagegen ab (bei gleicher Spannung und gleichem Cubikinhalt des Raums) mit der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che, und (bei gleicher Ber\u00fchrungsfl\u00e4che und gleichem Cubikinhalt) mit abnehmender Anfangsspannurig. Genauere Angaben \u00fcber die Zu- und Abnahme der Zeit unter den gegebenen Umst\u00e4nden sind noch nicht geliefert. \u2014 c) Das Maximum des Dichtigkeitsunterschiedes , welches die C02 w\u00e4hrend der Stromdauer in den verschiedenen Querschnitten des geschlossenen Raum darbietet, nimmt mit derZeit ab; mit der n\u00e4hern Bestimmung, dass die Abnahme w\u00e4hrend gleicher Zeiten um so geringer wird, je entfernter die Zeit vom Beginn des Stromes liegt. Zur Verdeutlichung dieses Satzes ziehen wir dieFig. 62 herbei. Stellen wir uns ihr entsprechend den geschlossenen Luftraum als einen Hohlcylinder vor, der mit einer seiner Grundfl\u00e4chen AB in ein Kohlens\u00e4uremeer von constanter Dichtigkeit taucht, so wird der Ort der h\u00f6chsten Spannung immer auf der Fl\u00e4che AB und der der niedrigsten auf der entgegengesetzten Grundfl\u00e4che CD zu finden sein. Denn es ist das Fortschreiten des Diffusionsstromes eine Folge der fortlaufend ver\u00e4nderten Dichtigkeit (nicht aber etwa einer Wellenbewegung) und es muss demnach, wenn die Bewegung von einem an AB n\u00e4hern zu einem von AB entferntem Ort gehen soll, die Spannung an dem erstem h\u00f6her als an dem letztern sein. Das Maximum des Dichtig^eitsuntersehiedes wird also immer gefunden, wenn man die auf der Fl\u00e4che CD bestehende Spannung abzieht von der constanten in AB. Wir wollen uns nun der Einfachheit wegeu die Dichtigkeit der C02 an beiden Orten gemessen denken durch die gleichen L\u00e4ngeneinheiten der Linien CD und AB. Die vorhin ausgesprochene Behauptung w\u00fcrde nun, auf den Fall in Fig. 62 \u00fcbertragen, so lauten, dass die Dichtigkeit der C02 auf der Fl\u00e4che CD in k\u00fcrzerer Zeit von Null auf halb DC (von D auf E) ansteigt, als von halb DC auf ganz DC. Dieses rechtfertigt sich aber dadurch, dass die absoluten Mengen von C02, weiche zur Herbeif\u00fchrung eines gleichen Zuwachses von Dichtigkeit auf CD nothwendig sind, gleich sein m\u00fcssen. Die Menge der C02 aber, welche ein Strom unter Voraussetzung gleichen Querschnitts in der Zeiteinheit mit sich f\u00fchrt, ist nat\u00fcrlich proportional dem Spannungsunter\u00ab\nFig. (j'2.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nKohlens\u00e4ureausscheidung ; theoretische Einleitung.\nschiede der C02 am Beginn und Ende der Stromhahn (= der Geschwindigkeit desselben). Nun bewegt sich aber, wenn die Dichtigkeit in CD von Null (D) auf \\DC (E) anw\u00e4chst, der Spannungsunterschied zwischen ganz und halb DC (sein arithmetisches Mittel in diesen Grenzen ist = |DC), w\u00e4hrend er sich bei dem Ansteigen der Spannung von \\CD (\u00a3) auf ganz DC (C) zwischen ein halb DC und Null bewegt (sein arithmetisches Mittel ist = \u00a3DC). Die Stromgeschwindigkeit wird also zwischen E und D auch viel gr\u00f6sser sein, als zwischen E und C. \u2014 Die soeben gewonnene Erfahrung f\u00fchrt uns weiter zu der Behauptung: d) Die Curve der Dichtigkeit, beschrieben \u00fcber die Achse des geschlossenen Raums, nimmt mit der wachsenden Stromdauer an Steilheit ab. Zum Verst\u00e4ndniss dieses Satzes ist zun\u00e4chst die Erl\u00e4uterung einiger Ausdr\u00fccke nothwendig, Achse des geschlossenen Raui\u00fces nennen wir die gerade Linie, welche einen Punkt h\u00f6chster mit dem zun\u00e4chst gelegenen niedrigster Spannung verbindet. In dem Beispiel, welches Fig. 62 darsteilt, w\u00fcrden also alle Linien, welche der Cylinderachse parallel laufen, als Achsen des geschlossenen Raumes zu bezeichnen sein. D\u00e4chten wir uns nun auf eine dieser Achsen der Reihe nach die verschiedenen Dichtigkeiten derC02und zwar als Ordlnaten aufgetragen, die in den Orten enthalten sind, welche die Achse durchschneidet, so w\u00fcrden wir die Curve der Dichtigkeit erhalten. Die Curve der Dichtigkeit giebt also nichts anderes als einen Ausdruck f\u00fcr die Vertheilung der C02 nach einer bestimmten Richtung des geschlossenen Raumes, und darum will die obige Behauptung nichts anderes sagen, als dass die Spannungsunterschiede, welche die L\u00e4ngeneinheit des Stroms an einer beliebigen, aber bestimmten Stelle desselben darbietet, mit der Stromdauer abnimmt, und ferner, dass die Zeit, welche zur gleichwerthigen Verminderung dieser Unterschiede nothwendig ist, mit der Dauer des Diffusionsstroms w\u00e4chst. Die Nothwendigkeit dieses Satzes leuchtet gleich ein, wenn man, wie dieses in Fig. 62 geschehen, annimmt, dass die Dichtigkeit auf der Achse (BD) abnehnie proportional der Entfernung ihrer Punkte von dem Anlangsorte h\u00f6chster Spannung B. Unter dieser Voraussetzung geht bekanntlich die Steilheit der Spannungscurve AE und AD an jedem beliebigen Abschnitte der Achse proportional dem Maximum des Spannungsunterschiedes, welches in dem Raume enthalten ist. Dieser letzte Zusatz gilt nun allerdings nicht mehr, wenn die Curve der Spannung einen gekr\u00fcmmten Verlauf angenommen hat, indem dann nicht \u00fcberall die Spannungsunterschiede proportional dem Maximum desselben abgenommen haben werden, aber immerhin muss sich auch hier die Abnahme des gr\u00f6ssten Unterschiedes vertheilen auf den Verlauf der Curve und diese somit im Allgemeinen an Steilheit abnehmen. \u2014 Bei der praktischen Bedeutung, welche der Curve der Dichtigkeit zukommt, w\u00e4re es w\u00fcnschenswertb, ihre allgemeinste Form zu entwickeln in einem geschlossenen Raum von der Gestalt der Lungenh\u00f6hle. Bei der Complikation dieser letztem ist dieses aber unm\u00f6glich ; wir m\u00fcssen uns also mit dem gegebenen ungef\u00e4hren Ausdruck befriedigen.\n6.\tDie Temperaturunterschiede der Orte, von und zu denen die Str\u00f6mung geht, sind bedeutungsvoll, weil sie bei gleicher Dichtigkeit des Gases einen Spannungsunterschied desselben erzeugen; denn mit der steigenden Temperatur mehrt sich die abstossende Kraft der Gastheilchen. Eine gleichm\u00e4ssige Erh\u00f6hung oder Erniedrigung der Temperatur an allen Orten des Diffusionsstroms k\u00f6nnte auf diesen nur einflussreich sein durch Ver\u00e4nderung einer etwa bestehenden Reibung.\n7.\tBis dahin verfolgten wir Geschwindigkeit und Spannung der C02 innerhalb des Diffusionsstroms ohne R\u00fccksicht darauf, wie die C02, welche in dem Beginn des Stroms eintrat, entwickelt wurde ; dieser letztere Faktor konnte uns f\u00fcr den weitern Gang der C02, wenn sie \u00fcberhaupt einmal in gasf\u00f6rmigen Zustand getreten war, vollkommen gleichgiltig sein. Dieses wird aber nicht mehr der Fall sein d\u00fcrfen\u2019 wenn wir uns nach den Umst\u00e4nden erkundigen, von welchen die Dichtigkeit der C02","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ureausscheidung, abh\u00e4ngig von der Athembewegung.\n327\nin der Grenzfl\u00e4che des mit Luft gef\u00e4llten und gesperrten Raumes, oder in unserrn Fall in den Wandungen der Lunge, abh\u00e4ngt. Indem wir uns erinnern, dass die C02, welche in die Lungenb\u00f6hle austritt, aus dem Blut ihren Ursprung nimmt, wird uns auch sogleich einleuchtend, dass auf die C02, welche jenseits der innern Lungen-fl\u00e4che gelegen ist, nicht mehr die Regeln anwendbar sind, nach welchen wir die Ausbreitung der gasf\u00f6rmigen CO* beurtheilen. Denn die C02 ist dort in einer alkalischen L\u00f6sung vorhanden, welche die Eigenschaft besitzt, die Spannungen zu mindern oder ganz aufzuheben, die sich zwischen den Theilchen der freien C02 linden. Wir m\u00fcssen uns also von Neuem an die Erfahrung wenden. Diese ist aber f\u00fcr die Verdunstungserscheinungen der C02 aus dem Blute noch so gut wie gar nicht um Rath gefragt worden. Wir wissen nur, dass die C02 aus dem Blut verdunstet, wenn dieses mit C02freien R\u00e4umen bedeckt wird. D\u00fcrften wir uns der allerdings wahrscheinlichen Annahme hingeben, dass die Entwickelung der C02 aus dem Blute nach denselben Grunds\u00e4tzen zu beurtheilen sei, nach welchen sie aus einer L\u00f6sung von doppelt kohlensaurem Natron erfolgt, so w\u00fcrden wir in Folge einer Untersuchung von \u00cb. Becher schon etwas weiter im Klaren sein. Nach den Angaben dieser Arbeit, die mir im Manuscript vorliegt, verh\u00e4lt sich eine L\u00f6sung von doppelt kohlensaurem Natron folgendermaassen : Eine jede L\u00f6sung dieses Salzes dunstet in einem geschlossenen, urspr\u00fcnglich C02freien Raum so lange C\u00f62 ab, bis diese letztere eine gewisse Dichtigkeit erreicht, hat; so wie dieses geschehen, h\u00f6rt die Abdunstung auf. Der messbare Werth der C02 Spannung in dem geschlossenen Raum kann demnach als ein Maass f\u00fcr die Spannkr\u00e4fte der C02 in der Salzl\u00f6sung angesehen werden. Der Werth dieser Spannkraft steigt a) mit dem Gehalt der L\u00f6sung an doppelt kohlensaurem Natron. Sie war z. B. in einer L\u00f6sung mit 6,1 pCt. NaO 2C02 = einer 92,9 MM. hohen Quecksilbers\u00e4ule und bei derselben Temperatur in einer L\u00f6sung mit 3,1 pCt. = einer 44,0 MM. hohen Quecksilbers\u00e4ule. \u2014 b) Die Spannung steigt mit der Temperatur; so betrug sie in der ersten L\u00f6sung bei 15,2\u00b0 C. = 92,9MM. Hg und bei 17,2\u00b0 = 103,5 ; bei noch weiterem Wachsthum der Temperatur scheint sie rascher zuzunehmen. \u2014 c) Die Geschwindigkeit des C02stroms, welcher aus der L\u00f6sung hervorgeht, ist direkt proportional dem Unterschied der C02 Spannung in der L\u00f6sung und in dem \u00fcberstehenden Luftraum. \u2014 d) Die Geschwindigkeit des Stroms wird wahrscheinlich gesteigert, wenn sich der Druck der wenn auch C02freien Luft mindert, welche auf dem Spiegel der Fl\u00fcssigkeit lastet ; demnach w\u00fcrden sich die Verdunstungserscheinungen der C02 aus doppelt kohlensaurem Natron verhalten wie die des Wassers. \u2014 f) Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher das Gas aus der L\u00f6sung von doppelt kohlensaurem Natron verdunstet, ist gering. Diese Versuche m\u00fcssen wiederholt, vervielf\u00e4ltigt und auf das Blut ausgedehnt werden.\nDie folgende Darstellung der Schwankungen in der C02ausscheidung untersucht der Reihe nach den Einfluss der Athem- und Blutbewegung, der Luft und Blutzusammensetzung und endlich der verschiedenen Zust\u00e4nde der Lungdnwand.\nAthembewegung. Im Ruhezustand des Brustkastens ist der Lungenraum mit Luft gef\u00fcllt, welche, in feine Bl\u00e4schen vertheilt, durch Wandungen von einer enormen Ausdehnung begrenzt wird ; diese letzteren sind durchzogen, man k\u00f6nnte sagen gebildet, von einem dichten Blutgef\u00e4ssnetze, dessen Inhalt verdunstbare C02 f\u00fchrt. Insofern also die Luft in dem Lungenraum jemals C02frei war, wird sie sogleich einen Antheil dieses Gases empfangen, und dieser Antheil wird, alles andere gleich gesetzt, mit der Zeit ihres Verweilens in der Lunge so lange wachsen, bis","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nKohlens\u00e4ureausscbeiilunp abh\u00e4ngig von der Athembewegung.\nsie die Spannung der C02 im Blute angenommen hat. Bevor jedoch diese Ausgleichung eintritt, geschieht eine Einathmung, durch welche C02freie Luft theils mit der bis dahin vorhandenen vermengt und theils \u00fcber die bis dahin vorhandene geschichtet wird. Das erstere geschieht, wenn die Einathmung zu volumin\u00f6s ist, um nach Verdr\u00e4ngung der Luft aus den Bronchien in diesen Platz zu finden, so dass ein Theil der eingeathmeten noch in die Bl\u00e4schen gelangt; der in den Bronchien zur\u00fcckbleibende Theil der neu eingetretenen Luft ist die aufgeschichtete. Nach l\u00e4ngerem oder k\u00fcrzerem Verweilen wird s\u00e4mmtliche mit der Einathmung aufgenommene Luft wieder ausgestossen, nachdem sie nat\u00fcrlich durch Diffusion und Mischung C02 empfangen, und es bleibt nach dieser Exspiration ein Gasgemenge zur\u00fcck, welches weniger C02 enth\u00e4lt, als unmittelbar vor der Inspiration. Der C02gehalt desselben steigt von Neuem, und es wiederholt sich dann der fr\u00fchere Vorgang u. s. f. Bei einer solchen Einrichtung unseres Apparates d\u00fcrfen wir alles \u00fcbrige gleichgesetzt erwarten:\na)\tNach vollendeter Einathmung wird die Dichtigkeit der C02 in der Lungen (oder der Prozentgehalt ihrer Luft an C02) abnehmen von den Lungenw\u00e4nden hin gegen das Centrum der einzelnen H\u00f6hlenabtheilungen und von den engeren R\u00f6hren (den Infundibulis) gegen die weiteren (die Bronchien). Der Unterschied der Dichtigkeit an diesen verschiedenen Orten wird abnehmen mit der Aufenthaltszeit der Luft in der Lunge. Allen, Pepys und Vier or dt, welche bei ihren Versuchen auf diesen Umstand R\u00fccksicht nahmen, fanden in der That, dass die Luft, welche in dem Beginn der Ausathmung ausgestossen wird, \u00e4rmer an C02 ist, als diejenige, welche am Ende der Ausathmung erscheint. Der gr\u00f6ssere Theil ersteren Luftquantums kommt aber unzweifelhaft aus den Bronchien, der letztere urspr\u00fcnglich aus den Lungenbl\u00e4schen. \u2014 Dieser Unterschied des C02gebaltes verschwindet jedoch nach Vier or dt*), wenn die ein-geathmete Luft 40 Sec. lang in der Lunge verweilte, bevor sie wieder ausgestossen wurde. Da zu dieser Zeit, wie wir sehen werden, der C02str\u00f6m von dem Blut zu der Luft noch nicht geschlossen ist, so muss man annehmen, dass auch dann noch Unterschiede bestehen, die aber durch den Versuch nicht nachweisbar waren (siehe die theoretischen Betrachtungen 5. c und d).\nb)\tDie mittlere Dichtigkeit (der Prozentgehalt) der C02 in der aus-geathmeten Luft wird um so mehr zugenommen haben, je l\u00e4nger die ein-geathmete Luft in der Lunge verweilte und je kleiner das eingeathmete Luftvolum gewesen w^ar (Vierordt). Um den ersteren Theil dieses Satzes festzustellen, gen\u00fcgt es, in kurz aufeinander folgenden Zeiten Ein-und Ausathrnungen von immer gleichem Volum auszuf\u00fchren und die aufgenommene Luft der Reihe nach k\u00fcrzere und l\u00e4ngere Zeit zur\u00fcckzuhalten,\n*-) 1. e. p. 174,","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ureausscheidung abh\u00e4ngig von der Athembewegung.\n329\nbevor sie wieder ausgestossen wurde. Als Beispiel f\u00fcr den Gang der S\u00e4ttigung f\u00fchren wir eine mit genauen Hilfsmitteln angestellte Versuchsreihe von E. Becher an. In dieser wurden im Mittel 4560 CG. Luft ein- und ausgeathmet; die Dauer der Einathmung betrug 2 bis 3 Sek., die Zeit des Zur\u00fcckhaltens der Reihe nach 0, 20, 40, 60, 80, 100 Sek. Der mittlere Prozentgehalt der Ausathmungsluft an C02 betrug nach 0 Sek. = 3,6 pCt., nach 20 Sek. = 5,6 pCt. ; 40 Sek. = 6,3 pCt. ; nach 60 Sek. = 7,2 pCt. ; nach 80 Sek. = 7,3 pCt. ; nach 100 Sek. = 7,5 pCt. Werden diese Zahlen in ein Coordinatensystem eingetragen,\n(Fig. 63), dessen Abszisse die Zeit, dessen Ordinate dieC02prozente misst, so geben dieselben die einliegende Curve, welche uns zeigt, dass die Zuw\u00fcchse, welche die Dichtigkeit der C02 in gleichen Zeiten empf\u00e4ngt, rasch abnehmen, wenn die Zeitdauer des Zur\u00fcckhaltens der Luft w\u00e4chst. In Zahlen ausgedr\u00fcckt, wuchs nemlich von 0 bis\nFig. 63.\n0\t20\t40\t60 SO lOOSecunda\n20 Sek. der Gehalt um 2,0 ; zwischen 20 und 40 Sek. um 0,7 ; zwischen 40 und 60 um 0,9 ; zwischen 60 und 80 um 0,3 und zwischen 80 und 100 um 0,2 pCt. Die einzige Zahl dieser Reihe, welche freilich innerhalb der Fehlergrenzen von dem durch die Theorie verlangten Gange abweicht, ist wahrscheinlich die dritte zwischen 40 und 60 Sek. gelegene. \u2014 Vierordt giebt eine Beobachtungsreihe, aus der hervorgeht, dass ein kleines Volum eingeathmeter Luft k\u00fcrzere Zeit in der Lunge zu verweilen braucht, um den C02gehalt zu gewinnen, welchen ein bedeutenderes in l\u00e4ngere Zeit erreicht. Als er nemlich 500 bis 600 CC. Luft mit je einer Einathmung einzog und 1800 CC. ausstiess und in einer andern Reihe m\u00f6glichst tief inspirirte und jedesmal etwa 3600 CC. ausathmete, so gab er in der ersten* Reihe nach 20 Sek. Zur\u00fcckhaltens eine Luft mit 6,5 pCt. C02; nach 40 Sek. = 7,2 pCt. und nach 60 Sek. = 7,4 pCt. In der zweiten Reihe hielt dagegen die Luft nach 20 Sek. = 4,8 pCt, nach 40 Sek. = 5,2 und nach 60 Sek. = 6,0 pCt. C02. \u2014 Allerdings sind beide Reihen nicht ganz vergleichbar; in dieser Beobachtung besonders nicht, weil in der ersten Reihe die ausgeathmete Luft in \u00fcberwiegender Menge aus solcher bestehen musste, welche l\u00e4nger als die be-zeichneten Zeiten in der Lunge zur\u00fcckgeblieben war. \u2014 H\u00e4tte man aber auch diese Ungleichheit beseitigt, so w\u00fcrden sich dennoch die beiden\n","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\tKohlens\u00e4ureausscbeidung, abh\u00e4ngig v. der Atbembewegung.\nVersuchsreihen durch mehr als durch blose Volumunterschiede der auf genommenen Luft unterscheiden\u00ab. Das gr\u00f6ssere Volum dringt tiefer in die Bl\u00e4schen und mischt sich dort inniger, und um es aufzunehmen m\u00fcssen sich die Lungenw\u00e4nde, mit ihren Gef\u00e4ssen, d. h. die Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen zwischen der Luft und den C02 abdunstenden H\u00e4uten weiter ausdehnen. Aus diesem Grunde wird die Verl\u00e4ngerung der S\u00e4ttigungszeit, welche durch die Volumvermehrung herbeigef\u00fchrt wurde, wieder abgek\u00fcrzt werden.\nc) Die mittlere Geschwindigkeit der C02str\u00f6mung in den-Lungenraum hinein steigt mit dem Volum der in der Zeiteinheit (Minute) eingeathme-ten Luft lind mit der Geschwindigkeit des Luftwechsels (Vierordt). Dieses geschieht darum, weil durch die Ventilation die Dichtigkeit der C02 in der Lungenluft vermindert und der Spannungsunterschied zwischen der C02 im Blut und in der Luft erh\u00f6ht wird. Man k\u00f6nnte also auch sagen, die Geschwindigkeit der C02str\u00f6mung und damit die absolute Menge von C(L, welche in der Zeiteinheit durch die Lunge entleert wird, steigt, wenn der prozentische C02gehalt in der ausgestossenen Luft abnimmt. Der scheinbare Widerspruch, dass die absolute Menge der C02 in der Ausathmungsluft w\u00e4chst mit der abnehmenden Dichtigkeit derselben, l\u00f6st sich, wie begreiflich, leicht; denn wenn der prozentische C02-gehalt der Luft abgenommeen, so hat sich in ungemein reichlicherer Weise die Menge der in der Zeiteinheit ausgestossenen Luft gemehrt. \u2014 Die Athembewegungen sind nun im Stunde, dasselbe Luftvolum auf zwei verschiedene Arten in die Lunge zu f\u00fchren, entweder durch zahlreichere und flachere oder durch seltenere und tiefere Z\u00fcge. Bei gleichem Volum der wechselnden Luft wird der letztere Respirationsmodus die Menge der ausgef\u00fchrten CO, mehr steigern, als der erstere, denn es beg\u00fcnstigt derselbe die mechanische Mischung der zur\u00fcckbleibenden und der eingeathme-ten Luft, und er vergr\u00f6ssert auch die Ber\u00fchrungsfl\u00e4che zwischen der letztem und dem Blute. Die Versuche von Vierordt geben folgende Zahlen:\nZahld. Atbemz\u00fcge C02gelialt d. Luft Luftvoluin, ind. Minute C02volum, ind. Minute\nin der Minute.\tin Prozenten.\tausgeathmet, in CC.\tausgeathmet, in CC\n1. Reihe. 6\t5,1\t3000\t168\n\u201e 12\t4,1\t6000\t246\n\u201e\t24\t3,3\t12000\t372\n\u00bb\t48\t3,0\t24000\t720\n\u201e\t96\t2,7\t48000\t1296\n2. Reihe. 12\t5,4\t3000\t162\n\u00bb 12\t4,5\t6000\t270\n\u00ab 12\t4,0\t12000\t480\n\u201e 12\t3,4\t24000\t816\nVergleicht man die Zahlen je einer dieser Reihen, so sieht man sogleich, dass, wenn die absolute Menge der ausgehauchten Luft w\u00e4chst, der Prozentgehalt der C02 ab- und die absolute Menge derselben zunimmt. \u2014 Vergleicht man aber die Zahjeii beider Tabellen* und nainenV","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ureausscheidung abh\u00e4ngig v. der Athembewegung.\n331\nlieh die absoluten Mengen und die Prozente der C02 bei gleichem Volum der Exspirationsluft, so sieht man, dass die C02prozente bei langsamer Athem-folge (ausgenommen sind nur die Beobachtungen mit 6 Z\u00fcgen in der ersten und mit 12 in der zweiten Reihe), h\u00f6her sind, als bei rascher. Daraus w\u00fcrde man den Beobachtungen zuwider folgern k\u00f6nnen, dass die mittlere Geschwindigkeit des C02stroms in die Lungenluft bei langsamer Athem-lolge und volumin\u00f6seren Luftz\u00fcgen geringer sein m\u00f6chte, als bei dem entgegengesetzten Modus zu athmen; wenn trotzdem mehr C02 geliefert wird, so kann dieses seinen Grund nur in der grossem Strombreite (wegen vermehrter Ber\u00fchrungsfl\u00e4che) oder in der Ausgiebigkeit der mechanischen Mischung haben. \u2014 Nat\u00fcrlich sind diese Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde nur giltig, wenn, was aus dem Versuche nicht hervorgeht, die Zeit, w\u00e4hrend welcher die eingeathmete Luft in der Lunge verblieb, f\u00fcr gleiche Luftvolumina dieselbe war, und wenn zur Zeit der beiden Reihen gleiche Spannungen der C02 des Blutes bestanden.\nd) Die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher die C02 in die Lungen-1 uft str\u00f6mt w\u00e4hrend einer ganzen Respirationsphase (Ein-, Ausathmung, Pause), wird, alles \u00fcbrige gleichgesetzt, wachsen mit der Zeit, w\u00e4hrend welcher der Brustkorb in der Einathmungsstellung verweilt. Bei gr\u00f6sserm Umfang des Brustkastens wird die Dichtigkeit der C02 in dem Lungenraum langsamer ansteigen, als bei geringem; demnach wird im ersten Fall l\u00e4ngere Zeit ein grosser Spannungsunterschied bestehen. Versuche, welche diese Angabe der Theorie best\u00e4tigen, fehlen.\nEine Untersuchung, welche die oben aufgestellten theoretischen Voraussetzungen auf ihre Richtigkeit pr\u00fcfen wollte, m\u00fcsste, ausser den schon angegebenen, mindestens noch folgende Bedingungen erf\u00fcllen: 1) Sie h\u00e4tte herzustellen die Gleichheit: in der Zusammensetzung von eingeathmeter Luft in der Menge und Zusammensetzung der in der Lunge restirenden Luft, in der Zusammensetzung und Stromgeschwindigkeit des Bluts. Dieses Alles ist ann\u00e4hernd zuerreichen, theils dadurch dass man die zu vergleichenden Versuche unmittelbar hinter einander aiistellt, theils dass man den Brustkasten auf einem bestimmten Umfang h\u00e4lt. \u2014 2) Sie h\u00e4tte zu ver\u00e4ndern die Zeit, w\u00e4hrend welcher das eingesogene Luftvolum in dem Brustkasten zur\u00fcckgehalten wird, und gleich zu halten : das gesammte Volum des Luftwechsels in der Zeiteinheit, die Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen zwischen Blut und Luft und den Umfang der mechanischen Mischung neuer und reslirender Luft in der Lunge. Dieses w\u00e4re zu erreichen, wenn man gleich viel Luft, immer gleich rasch eingezogen, mehr oder weniger rasch wieder entfernte, so dass die Athempause k\u00fcrzer oder l\u00e4nger w\u00fcrde. \u2014 3) Sie h\u00e4tte zu ver\u00e4ndern das in der Zeiteinheit gewechselte Luftvolum und dabei gleich zu erhalten die mechanische Mischung, den Querschnitt des Diffusionsstroms, die Anwesenheitsdauer der inspirirten Luft; um dieses zu erf\u00fcllen, w\u00fcrde man eine ungleiche Zahl gleich tiefer Athemz\u00fcge machen,","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nKohlens\u00e4ureausscheidung abh\u00e4ngig vom Blutstrom\nvon denen jeder einzelne um so l\u00e4nger gehalten werden m\u00fcsste, je seltener die Athemz\u00fcge erfolgten. \u2014 4) Sie h\u00e4tte zu ver\u00e4ndern die mechanische Vermischung der neuen und restirenden Luft und die Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen zwischen Luft und Blut und dabei gleich zu machen : das in der Zeiteinheit gewechselte Luftvolum, die Zeitdauer der Einathmungsstellung. Dieses w\u00fcrde geschehen, wie wir schon oben unter c erw\u00e4hnten, oder auch durch Bewegungen des Brustkorbs nach geschehener Einathmung und bei geschlossener Stimmritze.\nBlutstrom. Bei der Frage, wie eine Ver\u00e4nderung des Blutstroms in der Lunge die Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure vermehren oder vermindern k\u00f6nne, ist wesentlich auseinander zu halten, der Einfluss variabler Spannung und variabler Geschwindigkeit des Stroms.\nEine vermehrte Spannung des Blutstroms muss nun, alles andere gleichgesetzt, unzweifelhaft die Ausscheidung der C02 mehren, und zwar auf zweierlei Art. Zun\u00e4chst wird durch sie die Ber\u00fchrungsfl\u00e4che zwischen Blut und Luft vergr\u00f6ssert; da sich die Gef\u00e4sse, in denen das Blut unter einem h\u00f6heren Druck str\u00f6mt, ausdehnen. Mit dem Druck des Gesammtblutes mehrt sich aber auch der Druck seiner C02 ; und dieser stellt demnach eine zu den gew\u00f6hnlichen neu hinzukommende Bewe-wegungsursache dar, vorausgesetzt, dass die gashaltige Fl\u00fcssigkeit mit einem Raum von niederer Spannung in Ber\u00fchrung kommt, wie dieses in der That zwischen Blut und Lungenluft geschieht. \u2014 Ob diese Umst\u00e4nde von praktischer Bedeutung sind, ist noch niemals untersucht worden.\nDer ver\u00e4nderten Geschwindigkeit des Blutstroms w\u00fcrde nur ein Einfluss auf die C02abscheidung zuzuschreiben sein, wenn es festst\u00fcnde, dass der Unterschied der C02 Spannung in dem arteriellem und ven\u00f6sem Lungenblut merklich stiege, wenn die Geschwindigkeit des Stroms in den Grenzen des normalen Lebens abnimmt. Man k\u00f6nnte in der That geneigt sein, dieses in Abrede zu stellen, weil jedenfalls die Zeit, w\u00e4hrend welcher ein Bluttheilchen in den Lungencapillaren verweilt, nicht merklich gr\u00f6sser ausf\u00e4llt, je nachdem es das einemal langsamer als das anderemal die ungemein kurze Wegstrecke durch die Lungenbl\u00e4schen zur\u00fccklegt. Die M\u00f6glichkeit kann freilich nicht bestritten werden. Setzten wir also fest, das langsam str\u00f6mende Blut f\u00fchre beim Austritt aus der Bl\u00e4schenwand C02 von niederer Spannung (weil es bei l\u00e4ngern Aufenthalt in der Lunge mehr abgegeben), als das rasch fliessende, und geben wir in beiden F\u00e4llen dem arteriellen Blut gleiche Spannung, so w\u00fcrde die mittlere C02dichtigkeit des Bluts w\u00e4hrend des Aufenthaltes in der Lunge beim langsamen Strom geringer, als beim raschen sein. Der rasche Strom beschleunigt also die Abscheidung. Beobachtungen \u00fcber die hier besprochenen Probabilit\u00e4ten, sind nicht angestellt.\nLuftver\u00e4nderungen, a) Die Zusammensetzung der ein-geathmeten Luft, insofern sie von der gew\u00f6hnlichen atmosph\u00e4rischen","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"nnd von der Zusammensetzung der Einathmungsluft.\t333\nabweicht, kann, aus allgemeinen physiologischen Gesichtspunkten betrachtet, auf zweierlei Weise ver\u00e4ndernd in die Abscheidung der C02 eingreifen. Einmal, indem sie ein Material in die Lungen und von da in das Blut f\u00fchrt, welches die Bildung von CO , innerhalb aller oder einzelner Organe f\u00f6rdert oder hemmt; mit einem Wort dadurch, dass sie die Zusammensetzung des Bluts \u00e4ndert; wir werden die Betrachtung dieser Einfl\u00fcsse einstweilen verschieben, \u2014 Dann aber greift m\u00f6glicher Weise die in ihrer normalen Zusammensetzung ver\u00e4nderte Luft auch dadurch auf die Abscheidung der Kohlens\u00e4ure ein, dass sie die Entleerung der einmal in dem Blute vorhandenen beschleunigt oder verlangsamt. Diese letztere Weise der Einwirkung, die wir hier abhandeln, hebt sich vor der ersteren sogleich dadurch ab, dass sie sich nicht erst nach dem Verlauf von mehreren, vielleicht von vielen Einathmungen, geltend macht, sondern schon mit dem ersten Athemzug aus der ver\u00e4ndert zusammengesetzten Luft.\nDer Physiolog muss nun mit R\u00fccksicht auf die Ver\u00e4nderung in der Zusammensetzung der Einathmungsluft den Unterschied als wesentlich festhalten, ob der C02 freie oder der C02 haltige Theil der Atmosph\u00e4re alterirt worden ist.\n1) Bei der Athmung in kohlens\u00e4urefreien Gasen muss der Theorie entsprechend die C02 ausscheidung \u00fcberall dieselbe bleiben, wenn auch die Zusammensetzung der eingenommenen Luft sonst noch so sehr wechselt. Diese Behauptung ist die nothwendige Folge aus dem feststehenden Grundsatz , dass nur die Molekeln der gleichartigen Gasarten im Stande sind, sich gegenseitig in ihrer Ausdehnung, oder wie man sich gew\u00f6hnlich ausdr\u00fcckt, in ihrer Diffusion zu hemmen. Versuche, die zur Best\u00e4tigung dieses Satzes dienen k\u00f6nnten, lassen sich nur mit wenigen Gasarten ausf\u00fchren. Denn einmal sind viele Gasarten, deren Aufz\u00e4hlung in der Toxikologie gesucht werden muss, geradezu Gifte, und dann sind von den nichtgiftigen nur solche zu gebrauchen, welche Sauerstoff* in freier oder locker gebundener Form erhalten, da die Gegenwart dieses Gases im Blute, wie wir schon fr\u00fcher ausf\u00fchrten, durchaus noth-wendig ist, um die Lebenseigenschaften der Muskel- und Nervensubstanz zu erhalten. Es bleibt somit nur \u00fcbrig reines Ogas, Knallluft (Sauerstoff* und Wasserstoff), Gemenge von Stickstoff mit Sauerstoff in einem\n>\nVerh\u00e4ltniss, das vbn dem atmosph\u00e4rischen abweicht, und endlich Stickoxydul (Lustgas). \u2014 Mit diesen Gasarten sind nun auch schon Versuche angestellt, jedoch meist in einer Weise, die keinen Vergleich zul\u00e4sst mit der C02abscheidung in gew\u00f6hnlicher Luft. Ein solcher Vergleich w\u00fcrde nemlich nur dann zul\u00e4ssig sein, wenn man R\u00fccksicht genommen h\u00e4tte auf die Geschwindigkeit des Luftwechsels, oder wenn man die Versuche\ns\nfr\u00fcher beendet h\u00e4tte, bevor die Folgen der ver\u00e4ndert zusammengesetzten Luft auf die Blutmischung eingetreten waren.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\tKohlensaureausscheidung abh\u00e4ngig von der Luftw\u00e4rme.\nIn einem Widerspruch mit den theoretischen Ableitungen scheinen sich die Ergebnisse der Untersuchung von Allen und Pepys zu befinden. Denn als der von ihnen beobachtete Mann in 5,3 Athemz\u00fcgen, die er w\u00e4hrend der Minute ausf\u00fchrte, 5332 CC. atmosph\u00e4rische Luft aufgenommen, entleerte er eine Luft, welche 8*)pCt. C02 enthielt; als derselbe Mensch auf dieselbe Weise 5800 CC. eines Gasgemisches aus 98 pCt. Sauerstoff1 und 2 pCt. C02 einathmetej und den Versuch 9,5 Minuten fortsetzte, atbmete er eine Luft mit 11 pCt. Kohlens\u00e4ure aus. ln der zweiten Beobachtungszeit war im Gegensatz zur ersten der Zustand des Menschen aber nicht derselbe geblieben ; die Zahl der Pulsschl\u00e4ge war von 72 auf 88 in der Minute emporgegangen, und es hatte sich ein Gef\u00fchl von W\u00e4rme und zugleich eine gelinde Hautausd\u00fcnstung eingestellt; die Vermuthung liegt damit nahe, *dass sich schon in den ersten Minuten nach der SauerstofFathmung die Zusammensetzung des Bluts \u00e4nderte; diese Annahme gewinnt eine Best\u00e4tigung durch den 17. Versuch der erw\u00e4hnten Autoren, in welchem von demselben Manne 56099 CC. eines Gemenges von 98 pCt. 0 und 2 pCt. N w\u00e4hrend 7,55 Minuten (7480 CC. in der Minute) eingeathmet wurden. Die w\u00e4hrend dieser Zeit ausgeathmeten Luftmassen wurden von halber zu halber Minute gesondert aufgefangen und untersucht. Hierbei ergab sich, dass die in den ersten 30 Sekunden gelieferte Luft 9 pCt. C02, die in den darauf folgenden 60 Sekunden entleerte 10,5 pCt. C02, die in den letzten 30 Sekunden ausgeatbmete endlich 12,5 pCt. C02 enthielt. Auch bei diesem Versuch war schliesslich die Zahl der Pulsschl\u00e4ge von 86 auf 102 gestiegen und gegen Ende desselben eine Schweissbil-dung eingetreten. Auf eine \u00e4hnliche Versuchsreihe an Thieren, die von Reiset und Regn a ult ausgef\u00fchrt ist, werden wir bei dem Gesammtgaswechsel zur\u00fcckkommen.\nEin Zusatz von C02 zur Athmungsluft wird jedesmal die Ausscheidung dieses Gases aus dem Blute hemmen; der Werth, den die Hemmung erreicht, wird steigen mit dem C02gehalte der Luft und zwar so, dass schliesslich eine Stromumkehr statt findet. So wie nemlich dieses Gas in der Luft h\u00f6her gespannt ist, als im Blut, so muss es nun aus dem erstem in das letztere dringen. Dieses hat in der That Legallois**) beobachtet, als er Katzen und Kaninchen in eine Atmosph\u00e4re brachte, welche mehr als 21 pCt. C02 enthielt. Die prozentige C02menge, welche die Luft enthalten muss, um dieses Gas an das Blut abzugeben, statt es von ihm zu empfangen, wird aber begreiflich variabel sein, da dieses auch mit der Spannung der C02 im Blute der Fall ist.\nWenn der Wasserdunst in der atmosph\u00e4rischen Luft zunimmt, soll auch das Gewicht der ausgeathmeten C02 steigen (Lehmann)***).\nb. Physikalische L u ft Ver\u00e4nderung. Mit der Erniedrigung der Temperatur steigt die ausgeschiedene Kohlens\u00e4ure (Lavoisier, Letellier, Vierordt); dieser Einfluss der erniedrigten Lufttemperatur macht sich ebenso rasch als dauernd geltend. So giebt z. B. der letztere Beobachter aus einer grossen Versuchsreihe an sich selbst folgende Mittelzahlen.\n*) Wir erlauben, uns die Beobachtungen von Allen und Pepys noch zu benutzen, obwohl die C\u00d62bestimmungen sicher mit einem Fehler behaftet sind. Dieser Fehler ist aber in allen Beobachtungen derselbe geblieben und somit geben die Zahlen immer noch ein vergleichbaresMaass ab.\n**) Annales du chimie et physique. IV. Bd. (1817). p. 126.\n***) Valentin\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1846. p. 160.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Rohlens\u00e4ureabscheidung, abh\u00e4ngig von dem Luftdruck.\n335\nMittel in der Minute.\tMittlere Lufttemperatur.\t\tt ! Unterschiede.\n\t80,47 C. 7 1\t190,40 C.\t\nPulsschl\u00e4ge \t\t\t72,93\tj\t71,29\t1,64\nAthemz\u00fcge\t\t\t\t .\t12,16\t11,57\t0,59\nAusgeathmetes Luftvolum\t\t6672 CC.\t6106 CC.\t656\nAusgeathmete Kohlens\u00e4ure\t\t299,3\t257,8\t41,5\nProzent. C02 gebalt der ausgeathmeten Luft\t\t\t\t4,28\t4,0\t0,28\nLeteliier*) stellte dagegen fest, dass kleine S\u00e4ugethiere bei einem 1/2st\u00fcndigen Aufenthalt in einer Temperatur von \u2014 5\u00b0 bis -|- 3\u00b0 C. um das Doppelte mehr C02 aushauchten, als bei einem gleich lang\u00ebh Verweilen in einer W\u00e4rme von -|- 28\u00b0 bis -f- 43\u00b0 C. \u2014 Das Ansteigen der C02 ausscheidung bei abnehmender Lufttemperatur muss wesentlich bedingt sein von der beschleunigten Oxydation der kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Zum kleinern Theil k\u00f6nnte sie aber auch darin begr\u00fcndet sein, dass der C02 gehalt des Organismus im Winter herabgedr\u00fcckt wird, in Folge der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses letztere k\u00f6nnte eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolge, welche reflektorisch von der abgek\u00fchlten Haut und Lunge erweckt w\u00fcrde, oder auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer gleich warmen Blut in die k\u00e4ltere Lungenluft, da nach Valentin\u2019s Beobachtungen (p. 322.) bei niedrigerer Temperatur der Atmosph\u00e4re die aus-geathmete Luft noch um einige Grade k\u00e4lter ist, als bei warmer Umgebung. Die ungemeine Abnahme der C02, welche Le teliier in ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig so hohen W\u00e4rmegraden beobachtete, h\u00e4ngt wahrscheinlich zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit aller Nerven und Muskeln und insbesondere derjenigen des Brustkorbs.\nDie Erkl\u00e4rung, welche Lavoisier**) und Seguin davon geben, dass in kalter Luft mehr C02 ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen Modifikationen h\u00e4ufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen \u00fcbergangen werden.\nMit der Steigerung des Luftdruckes soll sich auch die C02abschei-dung mehren (St. Sage und Hervier), eine Thatsache, welche Vier-ordt in freilich sehr engen Grenzen des wechselnden Barometerstandes nicht best\u00e4tigt fand. Aber auch er bemerkte, dass bei hohen Barometerst\u00e4nden der Luftwechsel rascher und demnach der prozentische C02gehalt der Lungenluft geringer wird. Die Theorie w\u00fcrde also auch in seinen Beobachtungen Vermehrung der absoluten Menge ausgeschiedene C02 verlangen. Da sich aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe Barometerst\u00e4nde combiniren, so ist es schwer zu entscheiden, was dem einen oder andern nach gleicher Richtung hin wirkenden Einfluss zuzuschreiben ist.\n*) Annales de chimie et physique. XUI. Bd. 478 (1845).\n**) M\u00e9moires de l\u2019academie. 1790. 602. \u2014 Liebig, Thierchemie.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\tKohlens\u00e4ureabscheidung abh\u00e4ngig von der Blutmischung.\nDie bei dieser Veranlassung \u00f6fter citirten Versuche von Legallois sind mit den \u00fcbrigen nicht vergleichbar, weil seine Beobacbtungsthiere eine stark kohlens\u00e4urehaltige Luft einathmeten.\nBlutmischung. Die Theorie verlangt, dass, alles andere gleichgesetzt, die Ausscheidung der C02 in die Lungenluft beschleunigt werden muss, wenn sich dieses Gas im Blute anh\u00e4uft in Folge einer gesteigerten Kohlens\u00e4urebildung in den Geweben. Die Erfahrung ist bis dahin nicht bef\u00e4higt, auf geradem Wege diese freilich an sich gerechtfertigte Annahme zu best\u00e4tigen, weil ihr jedes Mittel fehlt, um den CO,gehalt des Bluts auch mit nur ann\u00e4hernder Sch\u00e4rfe festzustellen; sie ist darum gen\u00f6thigt, mit indirekten Beweisen vorzuschreiten, die um so werthvoller sind, weil die dabei zur Sprache kommenden Thatsachen uns Aufschluss geben \u00fcber einige die Oxydation der thierischen Kohlenstoffverbindungen beschleunigende Bedingungen.\nDie Beweise, dass die beschleunigte Ausscheidung von C02 begr\u00fcndet sei in einer vermehrten Bildung oder einer vermehrten Anh\u00e4ufung derselben im Blute sind auf zwei verschiedenen Wegen erbracht worden. E. Becher, welcher sich die Aufgabe stellte, ein Zeichen f\u00fcr die Anh\u00e4ufung der C02 im Blute zu gewinnen, benutzt dazu den prozentischen C02gehalt, welchen ein gleich grosses Luftvolum annehmen kann das zu verschiedenen Zeiten von demselben Individuum eingeath-met und gleich lauge in der Lunge zur\u00fcckgehalten wurde, nachdem der Brustkorb jedesmal vor der Einathmung durch eine tiefe Exspiration auf das m\u00f6glichst gleiche und geringste Maass seines Inhaltes zur\u00fcck gebracht wurde. Durch diese Maassregeln werden f\u00fcr jede der zu vergleichenden Einathmungen> die Einfl\u00fcsse der mechanischen Mischung, der Ber\u00fchrungszeit, der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che und des urspr\u00fcnglich C02freien Luftvolums gleich gemacht; \u00e4ndert sich also in der ausgeathmeten Luft die prozentige Menge der C02, so kann dieses nur daher r\u00fchren, weil die Kraft, mit welcher dieses Gas aus dem Blute gestossen wird, ver\u00e4nderlich war. Im Allgemeinen wird nun die Behauptung richtig sein, dass die Spannkr\u00e4fte der C02 des Blutes wachsen mit ihrer Anh\u00e4ufung daselbst; also wird auch zu scbliessen sein, dass eine Vermehrung der C02prozente in der Ausathmungsluft unter den gegebenen Umst\u00e4nden auf einen gesteigerten C02gehalt des Blutes hinweist. \u2014 Andere Experimentatoren suchen dagegen die Beschleunigung der C02bildung zu messen, ohne R\u00fccksicht zu nehmen, wie sich dabei die Anh\u00e4ufung dieser Gasart im Blute gestaltet. Das in Angriff genommene Problem l\u00f6st Vier or dt dadurch, dass er die in gleichen Zeiten ausgehauchten C02gewichte (die absoluten Mengen) bestimmte. Stellt sich nun heraus, dass w\u00e4hrend eines gewissen Zeitraums das in der Zeiteinheit gegebene C02ge-wicht vermehrt oder vermindert, der C02gebalt des Individuums aber zu Beginn und Ende des erw\u00e4hnten Zeitraums gleich geblieben ist, so ist selbst verst\u00e4ndlich die Oxydation des Kohlenstoffs zeitweise ver\u00e4ndert gewesen. Die letztere Bedingung, d. h. ein gleicher C02gehalt des Individuums an den Grenzen des Zeitraums ist aber als erf\u00fcllt anzusehen, wenn die Lunge in je zwei Zeiteinheiten , von denen die eine zu Beginn und die andere zu Ende des Zeitraums liegt, gleiche C02menge ausgiebt, w\u00e4hrend die Folge und der Umfang der Athembewegungen dieselben sind. W\u00fcrde nemlieh unter diesen Umst\u00e4nden der Gehalt des Blutes, resp. des Individuums an C02 variabel geworden sei, so m\u00fcsste dieses, den feststehenden allgemeinen Grunds\u00e4tzen zufolge, auch zu einer Abweichung in den Gewichtsmengen der C02 f\u00fchren. \u2014 Verzichtei man auf kurz vor\u00fcbergehende Schwankungen der CO^absonderung, w\u00fcnscht man z. B. nur das Tagesmittel der C02abscheidung zu vergleichen, so erh\u00e4lt man","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ure\u00e4bscheiduog abh\u00e4ngig von der Blutmischung.\t337\nmit R\u00e9gnault, Scharling, C. Schmidt Aufschluss durch Vergleichung langer Zeitr\u00e4ume, w\u00e4hrend welchen so grosse Kohlens\u00e4uregewichte ausgesuhieden wurden, dass dagegen verschwinden die Unterschiede der gesammten zu verschiedenen Zeiten auf einmal im Thierk\u00f6rper enthaltenen C02mengen. \u2014 Ueber indirekte Methoden siehe sp\u00e4ter.\na) Die Abh\u00e4ngigkeit der Bildung und Anh\u00e4ufung der C02 von dem Kohlenstoffgehalt der Nahrung. \u2014 Da die C02 ein Produkt der lebens-nothwendigen chemischen Prozesse ist, so geht ihre Bildung mindestens bis zum Tod (und meist auch \u00fcber ihn hinaus); sie wird darum durch die Lungen auch dann noch ausgeschieden, wenn selbst keine kohlenstoffhaltige Nahrung genossen wird, wobei sich nat\u00fcrlich das Gewicht der kohlenstoffhaltigen K\u00f6rperbestandtheile mindert. Vom Beginn des Hungerns bis zum Tode nimmt zuerst die t\u00e4gliche Menge der ausgeschiedenen Kohle sehr wenig, in den letzten Tagen des Lebens sehr rasch ab (Schmidt)*).\u2014 Bei einer Nahrungsaufnahme in solchen Grenzen, dass dabei das mittlere t\u00e4gliche K\u00f6rpergewicht unver\u00e4ndert erhalten wird, stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht her, indem sich die Menge der ausgehauchten C02 genau nach dem mit der Nahrung aufgenommen Kohlenstoff richtet, so dass durch die Lunge jedesmal ann\u00e4hernd die ganze Menge von Kohlenstoff wieder entleert wird, welche aus dem Darmkanal in das Blut \u00fcber-^gegangen war. Das t\u00e4gliche Mittel steht also bei dem Genuss von vegetabilischer Nahrung mit viel Kohlenhydraten h\u00f6her, als dem von Fleisch mit viel Fett. \u2014 Die Steigerung, welche der Genuss verdaulicher Nahrungsmittel mit sich f\u00fchrt, beginnt kurze Zeit nach der Aufnahme derselben und scheint mit ihrem vollendeten Uebertritt in das Blut (2 \u2014 3 Stunden nach den Essen) das Maximum zu erreichen und sinkt dann wieder ab. \u2014 Vierordt stellt f\u00fcr die einzelnen Tagesstunden die Minutenmittel der von ihm ausgehauchten C02 in der folgenden Tabelle zusammen, zu welcher zu bemerken ist, dass vor 9h ein Fr\u00fchst\u00fcck und um lh 30' ein Mittagsessen genossen wird.\nStunde d. Beobachtg.\t9\t10\t11\t12\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\nMenge der in 1 Min. )\nausgeatbm. C02menge >\t261\t281\t276\t241\t276\t291\t276\t261\t251\t236\t226\nin CC.\t)\nMenge der in 1 Min. )\nausgeathmeten Luft } 6050 6250 6150 5550 6250 6750 6350 6150 6050 5850 5450 in CC.\t\u2022)\nZahlindT MiUnuteMage |\t73\t69\t69\t09\t81\t83\t81\t77\t75\t75\t73\nDiese Zahlen sind dazu benutzt, um zwei Curven (Fig. 64) zu construiren ; auf die Abszisse sind die Zeiten, auf die Ordinate aber Werthe aufgetragen, die proportional**) sind den zu den betreffenden Zeiten ausgehauchten C02- (a) und Luftvolumina (6). Wir machen\n\") Verdauungss\u00e4fte, p. 310.\n**) Die in der Curve benutzten Ordinatenwerthe sind die Quotienten, welche durch Division des geringsten C02- und Luftvolums in die andern grossem der Reihe nach erhalten wurden.\nLudwig, Physiologie. II.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nKohlens\u00e4ureabscheidung abh\u00e4ngig von der Blutmischung.\n\nFig. 64.\nVolwhiTM*.\neinstweilen darauf aufmerksam, dass die Volumina der Ausathmungsluft und der C02 einander sehr nahezu gleich stehen. Daraus k\u00f6nnte man folgern, dass die Tiefe und H\u00e4ufigkeit der Athemz\u00fcge w\u00e4chst, wie die aus der Lunge hervortretenden C02volumina. \u2014 Im Gegensatz zu unseren gew\u00f6hnlichen und unentbehrlichen organischen Nahrungsmitteln befinden sich nach Vierordt die Spirituosa (und der Thee? Prout). Nach ihrem Genuss wird das Maas der C02abscheidung, welches man ohne denselben h\u00e4tte erwarten sollen, herabgedr\u00fcckt. So bewirkte z. B. der Zusatz von 250 Gr. Wein zum Mittagsessen, dass statt des gew\u00f6hnlichen Unterschieds von 50 CC. C02 zwischen J2h und 2h nur ein solcher von 20 CC. eintrat. Es bleibt dabei ungewiss, ob die Spirituosa \u00fcberhaupt die Oxydation des Kohlenstoffs herunterdr\u00fccken, so dass sie das Nahrungsbed\u00fcrfniss beschr\u00e4nken, oder ob sie nur die Maxima auf eine andere Zeit verlegen, indem sie den Gang der Umsetzung \u00e4ndern.\nb) Abh\u00e4ngigkeit von den Eigenschaften der Einathmungsluft. Wenn sich der Sauerstoffgehalt der Lungenluft betr\u00e4chtlich mehrt, z. B. durch einen Zusatz dieses Gases zu derselben, so steigert sich kurze Zeit danach die ausgehauchte C02 (Allen , P epy s). Wird aber die Einathmung der sehr sauerstoffreichen Luft einen Tag lang fortgesetzt, so steigt das C02mittel desselben nicht \u00fcber den Werth eines Tages, an dem gew\u00f6hnliche Atmosph\u00e4renluft eingenommen wurde (R\u00e9gnault, Reiset). \u2014 Eine Erniedrigung der Temperatur (und eine Erh\u00f6hung des Druckes) der Luft steigern, wie schon erw\u00e4hnt, die Absonderungsgeschwindigkeit; zweifelhaft ist es, ob auch die Anwesenheit einer C02armen und darum sauerstoffreicheren Luft in den Lungen, wie sie sich nach lebhaften Athem-bewegungen einfinden muss, in gleicher Weise wirkt.\nEinige der eben beigebrachten Erfahrungen hat man \u00f6fter benutzt, um die Hypothese zu st\u00fctzen, dass eine Vermehrung des freien Blutsauerstoffs die Oxydation der Kohlenstoffatome dauernd beschleunige; diese Annahme, welche von der Voraussetzung ausging, dass alle organischen Verbindungen des Thierk\u00f6rpers in dem Maasse oxydirt w\u00fcrden, in welchem Sauerstoff vorhanden sei, widerlegt sich durch die Beobachtungen von R\u00e9gnault und Reiset. Um die Widerspr\u00fcche zwischen den Resultaten dieser letztem Chemiker und denen von Allen, Pepys auszugleichen, k\u00f6nnte man versucht sein, den Gedanken auszusprechen, dass in Folge des gew\u00f6hnlichen Lebensganges (Nabruug, Muskelbewegung u. s. w,) ein beschr\u00e4nktes Gewicht","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Roblens\u00e4ureabscbeidung abh\u00e4ngig von der Blutmischung.\t389\nvon leicht oxydabeln Zersetzungsprodukten des Eiweisses, der Fette u. s. w. gebildet wurde. W\u00e4hrend der normal beschleunigten Einathmung gew\u00f6hnlicher Luft wurde das Blut nicht mit so viel Sauerstoff impr\u00e4gnirt, um die in jedem Augenblick entstandenen oxydabeln Produkte auch sogleich zu oxydiren, so dass also in diesem Fall der thieriscbe K\u00f6rper mit einer gewissen Summe derselben getr\u00e4nkt w\u00e4re. W\u00f6rde nun aber pl\u00f6tzlich aus irgend welchem Grunde der SauerstofFgehalt des Bluts gesteigert, so w\u00fcrden dem gem\u00e4ss auch jene oxydabeln Produkte der Verbrennung anheim fallen und damit sich f\u00fcr einige Zeit die C02ausscheidung beschleunigen und dann in ihren normalen Gang einkehren.\nEin Zusatz von Stickoxydulgas zur Einathmungsluft steigert die C02ausscheidung (Z i m m e r m a n n).\nc) Abh\u00e4ngigkeit von der Muskelzusammenziehung. Nach einer kr\u00e4ftigen Bewegung der Gliedmaassen steigt sehr bald das Minutenmittel der C02 \u00fcber den Normalwerth (Scharling) und erh\u00e4lt sich \u00fcber demselben stundenlang, wenn die Bewegung anhaltend war (Vierordt). Diese Vermehrung der Ausscheidung ist begleitet von einem beschleunigten Luftwechsel und zugleich von einer Steigerung der C02prozente in der Aus-athmungsluft, woraus man auf eine gesteigerte Spannung der C02 im Blute sehliessen darf.\nBevor wir die Variation der ausgehauchten CO, weiter verfolgen, richten wir zuerst unsere Aufmerksamkeit auf den Gehalt des Blutes an diesem Gase, so weit er von Becher festgestellt wurde. Nach ihm steigt der C02gehalt des Blutes auf und ab, selbst an solchen Tagen, an welchen keine Nahrung aufgenommen und die Gliedmaassen wenig bewegt wurden. Unmittelbar nach dem Erwachen steht die C02 hoch, sinkt bis gegen llh ab, steigt dann bis um 3h auf ihr Maximum und sinkt dann wieder gegen den Abend hin. Diese in den Gegenwirkungen der menschlichen Organe selbst begr\u00fcndeten Ver\u00e4nderungen reihen sich \u00e4hnlichen an, welche uns \u00fcber den t\u00e4glichen Gang der thierischen W\u00e4rme und des Pulses bekannt sind. \u2014 Der C02gehalt des Blutes ist abh\u00e4ngig von der Nahrung. Dieses zeigt sich einmal darin, dass das t\u00e4gliche Mittel des C02gehalts an einem Hungertag niedriger als an einem Speisetag ist ; dieser Unterschied tritt st\u00e4rker hervor, je l\u00e4nger das Hungern andauert, also das t\u00e4gliche Mittel des ersten Hungertags ist noch h\u00f6her, als das des zweiten u. s. f. \u2014 Der Einfluss der Nahrung dr\u00fcckt sich aber auch dadurch aus, dass der Gang der t\u00e4glichen Schwankung abge\u00e4ndert wird, indem einige Zeit, 2 bis 3 Stunden nach der Mahlzeit der C02gehalt des Blutes ziemlich bedeutend ansteigt und erst nach einiger Zeit und allm\u00e4hlig wieder absinkt. Dieses Ansteigen pr\u00e4gte sich ganz auffallend aus, als nach mehrt\u00e4gigem Hungern Nahrung aufgenommen wurde. Die Lungenluft, welche 46 Stunden nach der letzten Mahlzeit unter den bezeiehneten Cautelen ausgeathmet wurde, enthielt 5,9 pCt. C02, zwei Stunden nach dem darauf erfolgten gew\u00f6hnlichen Mittagsessen enthielt sie 8,2 pCt. Die \u00fcber die Zeit beschriebenen Curven (Fig. 65)\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\tKohlens\u00e4ureabscheidung abh\u00e4ngig von dem Lungenbau.\nFig. 65.\tgeben eine Anschauung\nder t\u00e4glichen Schwankung des C02gehalts. Ihre Ordinaten sind die zu den bezeichnten Zeiten beobach-: teten C02prozente der\nLungenluft. Von den beiden Curven stellt ab den Gang vor, wenn gar keine Nahrung genommen, ac ist dagegen g\u00fctig, wenn um lh ein gew\u00f6hnliches Mittagsmahl genossen wurde. Darf man, wie es nicht unwahrscheinlich ist, annehmen, dass das Maximum des C02gehalts im Blute zusammenf\u00e4llt mit demjenigen der Bildung dieses Gases, so gehen aus\ndem von der Speise gelieferten Material die C02 - und Harnstoffbildung nicht gleichzeitig vor sich, denn das Maximum des C02gehalts f\u00e4llt einige Stunden fr\u00fcher, als das Maximum der Harnstoffausscheidung. Siehe Fig. 58.\nMan k\u00f6nnte versucht sein, den Widerspruch in der Beobachtung von Vierordt und Becher zu discutiren, indem der Erstere das Maximum der C02ausscheidung um eine Stunde fr\u00fcher nach dem Mittagsmahl fand, als der Letztere sein Maximum der Blut-C02. Die Vorsicht gebietet, so lange von einem Erkl\u00e4rungsversuch dieser Abweichung abzustehen, bis an einem und demselben Beobachter beide Curven gemessen und dargethan ist, dass die zwischen Vierordt und Becher bestehenden Unterschiede keine individuellen sind.\nAbh\u00e4ngigkeit der Kohlens\u00e4ureausscheidung von der Lungenwand. Hierbei kommt in Betracht das Verh\u00e4ltniss der Wandausdehnung zum Luftvolum, welches die Lunge hisst, die Dicke und die chemische Constitution der Trennungsschicht zwischen Blut und Luft.\nDa uns alle Versuche \u00fcber die auf diesen Elementen beruhenden individuellen Verschiedenheiten fehlen, so m\u00fcssen wir uns damit begn\u00fcgen, aus theoretischen Gr\u00fcnden zu behaupten, dass bei gleicher R\u00e4umlichkeit eine grossblasige (emphysematische) Lunge weniger C02 liefern wird, als eine kleinblasige, vorausgesetzt, dass die Spannung der Blnt-C02 und der Luftwechsel gleich angenommen werden. Denn im letztem Fall ist die Fl\u00e4che, welche C02 ausscheidet, gr\u00f6sser, als im erstem. \u2014 Mit der Dicke der Lungenwand, dem Wassergehalt derselben u. s. w. h\u00e4ngt der Widerstand ab, den die C02 auf ihrem Wege vom Blut in die Lungenluft findet; also muss auch hiermit die C02ausseheidung ver\u00e4nderlich werden.\nVer\u00e4nderlichkeit der C02ausscheidung aus gemischten Gr\u00fcnden. Aus einer Combination der bis dahin vorgef\u00fchrten Elemente, denen sich vielleicht noch andere anschliessen, l\u00e4sst sich ableiten, dass mit den Hirnzust\u00e4nden, welche einen Einfluss auf die Erregbarkeit der reflektorischen und automatischen Herde oder auf die willk\u00fchrliche Muskelerregung gewinnen, mit der Gewohnheit, dem Lebensalter, dem Geschlecht, den Tages- und Jahreszeiten, den Klimaten u. s. w. die in der Zeitein-","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Kohlens\u00e4ureabscheidung aus gemischten Gr\u00fcnden.\t841\nIreit ausgeschiedenen mittleren CO, menge sehr ver\u00e4nderlich sein m\u00fcsse. Es kann nat\u00fcrlich vom Standpunkt der Theorie aus kein Interesse gew\u00e4hren, auf die weiteren Verwickelungen einzugehen. Wichtiger ist es, die Versuchswege so weit auszubilden, dass es gelingt, bei jedem beliebigen Individuum den Werth zu bestimmen, mit welchem sich jedes einzelne Element betheiligt an der gesammten C02ausscheidung. Insbesondere w\u00fcrde es dem Arzt von Wichtigkeit sein, messbar festzustellen, ob und wie weit sich die Individualit\u00e4ten von einander absetzen durch ihre F\u00e4higkeit, kohlenstoffhaltige K\u00f6rperbestandtheile rascher und in gr\u00f6sserer Ausdehnung zu oxydiren. Diese F\u00e4higkeit kommt unzweifelhaft Personen mit lebhafter Nervenerregbarkeit, mit relativ grosser Muskelmasse, mit betr\u00e4chtlicher Verdauungsf\u00e4higkeit u. s. w. im h\u00f6hern Grade zu, als den entgegengesetzt constituirten. M\u00f6glich w\u00e4re es aber immerhin, dass neben diesen Gr\u00fcnden, welche u. A. dem Kind, dem Mann, dem th\u00e4tigen Individuum eine relativ reichlichere C02 ausscheidung sichern, auch noch andere constitutionelle Verh\u00e4ltnisse sich geltend machen, und die Zuversicht auf ein Bestehen derselben wird sehr gesteigert, wenn man sich einzelne krankhafte Zust\u00e4nde in das Ged\u00e4chtniss ruft.\nAngabe der mittleren Gewichte ausgeschiedener Kohlens\u00e4ure. Bei den ungemeinen Schwankungen, welchen die C02-ausscheidung unterworfen ist, m\u00fcsste man \u00fcber sehr zahlreiche Beobachtungen gebieten k\u00f6nnen, wenn man daraus ein Stunden-, Tages-, Jahresmittel f\u00fcr Personen verschiedenen Alters, Geschlechts u. s. w. mit Sicherheit ableiten wollte. Wir besitzen aber in der That nur wenige Beobachtungen, welche billigen Anforderungen entsprechen. Ihre Mittheilung darf jedoch nicht unterbleiben, um so weniger, weil sie eine bemerkens-werthe Uebereinstiminting bieten. Die Zahlen von Scharling, welche die folgende Tabelle mittheilt, sind aus stundenlangen, die von Andral und Gavarret aber nur ans 8 \u2014 13 Minuten dauernden Beobachtungen abgeleitet. Die Zahl, welche Vier or dt mittheilt, zeichnet sich vorteilhaft aus durch die grosse Reihe der zu Grunde gelegten Versuche. Alle Beobachtungen beziehen sich auf ruhige, unwillk\u00fcrliche Athembewegungen. Die Absonderungsgeschwindigkeit ist ausgedr\u00fcckt durch den Quotienten des K\u00f6rpergewichts in das Kohlenstoffgewicht, welches die ausgeschiedene C02 enthielt. Da sich durch den ganzen K\u00f6rper hindurch die C02 bildet, und da die Bildung und Ausscheidung mit ann\u00e4hernd gleicher Geschwindigkeit vor sich gehen, so wird diese Ausdrucksweise erlaubt sein. Statt der ausgehauchten C02 setzen wir den Kohlenstoff aus sp\u00e4ter einleuchtenden Gr\u00fcnden. Um diesen auf das entsprechende C02gewicht zu redu-ziren, ist es nur n\u00f6thig, die Zahl des erstem mit ll/3 zu multipliziren.\nWollte man das hieraus erhaltene Gewicht der C02 auf Volumina bringen,\n*\nso w\u00fcrde es mit ,000/1,98i4 zu multipliziren sein,\n\nV","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nMittlere Kohlens\u00e4ureausscheidung; absolut und prozentisch.\n-\t\t!\t1\tui\t.\t! \u00a9 Xi\t!\ti j\t!\t\nAlter\t\tGeschlecht\tZahl\t:c3 S\t\u25ba\t\u00a7\tI rj\t\u2022\t-+-1\tK\u00f6rper-\tAbsonde-\t\n\t\t\t\t5 U 02 !\tgewicht\trungsge-\tBeobachter.\n\t\t\t\t$ o \u201e \\\t\t\t\nder beobachteten Individuen.\t\t\t\tf .3 \u2022\u00a7 j\tin Kilogr.\tschwindigkt.\t\n\t\t\t\t<5 \u00fc * !\t\t\t\n8\u201414 Jahr. '\t\ti M\u00e4nnlich.\t6 1\t7,2\t1 6,4\t22,5\t0,289\tAndral, Gavarret. Scharling*}.\n15-25\t]\t\t9\t10,7\t\u2014\t\u2014\tAndral, Gavarret.\n\t\u2022 i\t\t1\t10,8\t57,75\t0,187\tS c h a rlin g.\n\t\t1 ??\t16\t11,0\t\u2014-\t\u2014\tAndral, Gavarret.\n26\u201450\t\t1\t99\t1\t11,4\t82,0\t0,140\tScharling.\n\t>}\t1 \u00bb\t1\t10,7\t54,0\t0,198\tValentin.\n\t\t'\t9)\t1\t8,76\t\u2014\t\tV i e r o r d t.\n51\u201460\t\u00bb\t79\t4\t11,0\t\u2014\t\u2014\tAndral, Gavarret.\n61\u201470\t77\t99\t3\t10,2\t\u2014\t\u2014\t>?\t99\n71-80\t99\t99\t1\t6,0\t\u2014\t\u2014\t99\t99\n81\u2014102\t99\t99\t2\t7,3\t\u2014\t\u2014\t99\t99\n00 1\t1\tl Weiblich.\t3\t6,2\t\u2014\t\u2014\t99\t99\n\t\u00bb j 1 \u201e\t\t1\t6,1\t23\t0,263\tSc h arling.\n15\u201425\t.\ti \u00bb 99\t4 1\t6,8 8,0\t55,75\t0,143\tAndral, Gavarret. Scharling.\n26-50\t99\t99\t9\t7,4\t\u2014\t\tAndral, Gavarret.\n51\u201460\t99\t99\t2\t7,3\t\u2014\t\u2014~\t99\t99\n61\u201470\t99\t99\t2\t6,8\t\u2014\ti\t99\t99\n71\u201480\t99\t99\t2\t6,3\t\u2014\u2014\tJ\t\t\t\\ *\t99\t99\nDas Verh\u00e4ltniss des niedrigsten zum h\u00f6chsten Werth (aus welchem das Mittel gezogen) ist nach Vier or dt = 1 : 2,55 und nach Scharling = 1 : 1,62.\nAngabe des mittleren Volumprozents der ausgeath-meten Luft an C02. Die Beobachtung hat bei sehr verschiedenen Individuen unter ganz verschiedenen Umst\u00e4nden keine sehr auffallenden Schwankungen im Prozentgehalt der C02 aufgedeckt, vorausgesetzt, dass die Athembewegung unwillk\u00fchrlich vor sich ging. In sehr zahlreichen Beobachtungen von Brunner und Valentin bewegte er sich von 3,3 zu 5,5 pCt. und in 600 Bestimmungen von Vier or dt zwischen 6,2 und 3,4 pCt. Die gew\u00f6hnliche Zahl hielt sich nahe um 4,0 pCt. Diese Best\u00e4ndigkeit des mittleren C02gehalts ist dem innigen Anpassen der Athem-bewegungen nach Zahl und Tiefe an den CO gehalt des Blutes zu verdanken, in Folge dessen sich immer ein dynamisches Gleichgewicht herstellt zwischen der Bildung und Ausfuhr von C02. In der That sehen wir, wenn die C02hildung langsam vor sich geht (in k\u00f6rperlicher Ruhe, Entziehung der Speisen u. s. w.) die Athemfolge sich verlangsamen und im umgekehrten Fall sich beschleunigen; ist der Lungenraum oder seine Ver\u00e4nderlichkeit auf irgend welche Weise beschr\u00e4nkt (Zwergfelll\u00e4hmung, krankhafte Erg\u00fcsse in die Lunge, Anf\u00fcllung der Unterleibsh\u00f6hle) so wird der kurze Athem rasch u. s. w. \u2014 Das Verh\u00e4ltniss zwischen Zahl und Tiefe der Athembewegungen einerseits und dem C02 gehalt der Lungenluft an-\n*) Die Zahlen von Scharling sind nicht das Mittel aus allen yon ihm angestellten Versuchen, sondern nur aus denen, die auf die Zeit zwischen 1 und 2 Uhr fallen, zu welcher Zeit auch Andral und Gavarret ihre Beobachtungen anstellten. Diese hier gegebenen Werthe sind h\u00f6her, als das Gesammtmittel, Vergl. Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 36. Bd. p< 455.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderlichkeit der Sauerstoffaufnahme.\n343\neurerseits ist aber weder f\u00fcr alle Zust\u00e4nde desselben, noch f\u00fcr die \u00e4hnlichen verschiedener Menschen gleich. Eine Aufmerksamkeit auf diese Verschiedenheiten d\u00fcrfte vielleicht von Bedeutung sein, weil offenbar der mittlere CO.gehalt der Lungenluft eine Sch\u00e4tzung f\u00fcr die C02s\u00e4ttigung des ganzen K\u00f6rpers gew\u00e4hrt, indem die CO,prozente der Lungen die Grenze bezeichnen, unter welche die des Bluts nicht herabsinken k\u00f6nnen; es w\u00fcrde somit aus ihnen eine Charakteristik f\u00fcr die Individualit\u00e4t (Constitution, Temperament) zu gewinnen sein.\nDie meisten altern Beobachtungen stimmeB mit dem oben Erw\u00e4hnten \u00fcberein; andere sind dagegen sehr abweichend, was ans den ganz mangelhaften Methoden, die C02 zu bestimmen, abgeleitet werden kann.\n4. Ver\u00e4nderung der Sauerstoffaufnahme. Die atmosph\u00e4rische Luft verliert bei ihrer Anwesenheit in der Lunge einen Theil ihres Sauerstoffs. Da aber bekanntlich das Volum der trockenen Aus- und Einath-mungsluft, wenn sie auf gleichen Barometerstand gebracht worden, ann\u00e4hernd wenigstens gleich ist, und beide auch ungef\u00e4hr denselben Gebalt an Stickstoff f\u00fchren, so muss im Ganzen und Groben auch die Behauptung richtig sein, dass ungef\u00e4hr so viel Sauerstoff aus der Luft verschwindet, als Kohlens\u00e4ure in sie gehaucht wird.\nDer Grundstein dieser Beziehung ist dadurch gegeben, dass die ausgehauchte Kohlens\u00e4ure den Sauerstoff wieder mit sich f\u00fchrt, welcher aus der Luft in das Blut getreten war, indem der thierische Kohlenstoff von dem atmosph\u00e4rischen Sauerstoff verbrannt wurde, schliesslich also nicht mehr C02 ausgehaucht werden, als aus dem aufgenommenen Sauerstoff entstehen konnte, oder umgekehrt, es konnte nicht mehr Sauerstoff verschluckt werden, als die oxydabeln Atome des Thierk\u00f6rpers verbrauchen konnten. Indem man aber den letzten Ausdruck formt, sieht man auch gleich ein, dass die Beziehung eine nicht \u00fcberall nothwendige ist, da die Kohlens\u00e4ure keineswegs das einzige Oxydationsprodukt des thieriseben K\u00f6rpers ist, sondern ausserdem noch HO und manche andere fl\u00fcssige sauerstoffreiche K\u00f6rper (Harnstoff, Harns\u00e4ure u. s. w.) aus dem Blutstrom hervortreten. Daraus geht also hervor, dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich mehr Sauerstoff verschluckt wird, als in der ausgehauchten Kohlens\u00e4ure enthalten ist, und dass namentlich dieses Missverh\u00e4ltniss steigen muss, wenn wir eine gr\u00f6ssere Menge Wasserstoff- und stickstoffreiche Nahrung gemessen (Fette, Fleisch). Die ausgehauchte C02 wird dagegen nahezu die ganze Menge des ausgeathmeten Sauerstoffs wieder wegf\u00fchren, wenn die Nahrung vorzugsweise aus Zucker und Amylon besteht, da der in diesen complexen Atomen enthaltene Sauerstoff hinreicht, um den Wasserstoff derselben zu Wasser zu oxydiren, so dass bei einer Verbrennung derselben nur so viel Sauerstoff hinzuzutreten braucht, als n\u00f6thig, um den C in \u00bbCO^ umzuformen. \u2014 Aber auch in diesem Fall ist nur ein schliesslicher, aber keineswegs ein in jedem Augenblick paralleler Gang","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"%\n344\tVer\u00e4nderlichkeit im Stickgas.\ndes Verbrauchs an 0 und des Gewinns an CO , nothwendig. Denn zwischen dem ersten und letzten Produkt der Oxydation liegen meist manche Zwischenstufen, so dass anf\u00e4nglich viel Sauerstoff verbraucht wird, bevor sich C02 bildet; endlich geht dann freilich alles in C02 \u00fcber. \u2014 Es darf nicht \u00fcbersehen werden, dass auch noch von einer andern Seite her eine St\u00f6rung des Zusammengehens der C02 und des O\u2019s in die Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der einzige Ort ist, an dem Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach den Eigenschaften der W\u00e4nde jener andern Athemwerkzeuge muss das Verh\u00e4ltniss von.CO^ und 0 in dem Blute alterirt werden und damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges beider Gase in der Lunge. Diese Gr\u00fcnde machen es nothwendig, dass das Verhalten des Sauerstoffs beim Athmen noch gr\u00fcndlicher, als bisher * geschehen, untersucht werde.\nDer Mechanismus, durch welchen die ann\u00e4hernd gleiche Ein- und Ausfuhr von Sauerstoff und CO, erhalten wird, ist leicht zu \u00fcbersehen, wenn man bedenkt, dass im Blute zwei verschiedene Absorptionsmittel vorhanden sind, das eine f\u00fcr Sauerstoff (die Blutk\u00f6rperchen) und das andere f\u00fcr Kohlens\u00e4ure (das Serum), ln dem Maasse, in welchem der Tr\u00e4ger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der der C02 und dieser letztere entledigt sich seines Gases an einem Orte, an welchem Sauerstoff zur S\u00e4ttigung des andern vorhanden ist. Eine kurze Ueber-legung wird nun darthun, dass die Atbembewegung und der Blutstrom in demselben Maasse die Spannungsdifferenz der C02 und des Sauerstoffs diesseits und jenseits der Lungenwand beg\u00fcnstigen, so dass also beide in Str\u00f6men von umgekehrter Richtung gleich stark gehen. Da uns die best\u00e4tigenden oder widerlegenden Versuche fehlen, so verzichten wir auf ein weiteres Eingehen in Aehnlichkeit und Un\u00e4hnlichkeit der Bedingungen und Erscheinungen beider Gasstr\u00f6me in der Lunge. Versuche w\u00e4ren aber sehr w\u00fcnschenswerth und insbesondere \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Absorptionsgeschwindigkeit, von den Spannungsdifferenzen des 0 im Blute und der Luft, um auch die praktisch wichtige Frage zur Entscheidung zu bringen, auf welchen Werth die Sauerstoffspannung in der eingeathmeten Luft sinken d\u00fcrfe, bevor sie zum Athmen untauglich sei. Nach alten, wahrscheinlich mit analytischen Fehlern behafteten Versuchen von Allen und Pepys*) soll ein Mensch in einer Luft mit 4 pCt. 0 das Bewusstsein verlieren.\nWir brauchen kaum hervorzuheben, dass das, was f\u00fcr den gegenseitigen Strom gilt, keineswegs f\u00fcr den Gehalt des Bluts an C02 und 0 zu bestehen braucht, da dieser von den relativen Mengen der Absorptionsmittel abh\u00e4ngt.\n5. Ver\u00e4nderung des Stickgases. Das Verhalten des Stickstoffs in der Ausathmimgsluft hat bis dahin kaum Ber\u00fccksichtigung ge-\n^ :*) J. c. p. .196.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderung des gesammten Luftvolums.\nfanden, was um so mehr zu bedauern, als es der Theorie aus mehreren Gr\u00fcnden unm\u00f6glich ist, die L\u00fccke auszuf\u00fclleh. \u2014 Wir benutzen zur Erg\u00e4nzung des Fehlenden die Resultate, welche aus einer Untersuchung des gesammten thierischen Gasaustausches hervorgegangen sind; die Berechtigung hierf\u00fcr liegt darin, dass die Lunge die hervorragendste unter\nVW-\nallen Athemfl\u00e4chen ist. Aus jenen Beobachtungen ergiebt sich, dass eine diffusive Bewegung des Stickgases fehlen und vorhanden sein kann; die Richtung des Diffusionsstroms kann abermals verschieden sein, indem er das Stickgas zu der einen Zeit aus dem Blute in die Luft und zu einer andern gerade in umgekehrter Richtung f\u00fchrt. \u2014 a) Die Ausathmung des Stickgases tritt ein : nach vorg\u00e4ngigem Genuss von Fleischspeisen und Brod (R\u00e9gnault, Reiset, Barrai); ferner w\u00e4hrend eines Aufenthaltes in einer Ngasfreien Luft (Allen, Pepys, Legallois, Marchand) und zwar in so \u00fcberwiegender Menge, dass dieselbe nicht abgeleitet werden kann aus dem R\u00fcckstand von atmosph\u00e4rischer Luft, der in den Lungen noch zur\u00fcckblieb, als das Athmen in dem N-freien Gas begonnen wurde. Da das Blut Ngas aufgel\u00f6st enth\u00e4lt, so ist die Aushauchung desselben unter den zuletzt erw\u00e4hnten Umst\u00e4nden auch eine Nothwendigkeit. \u2014 b) Die Aufnahme von Ngas in das Blut geschieht bei anhaltendem Hungern und c) vollkommen indifferent bleibt es bei einer Nahrung, die aus reinen Vegetabilien besteht.\nDie Gasvolumina, welche sich in dem Stickstoffstrom bewegen, sind zwar sehr gering gegen den der C02 und des 0, aber sie sind unter Umst\u00e4nden nicht unbedeutend im Vergleich zu den Stickstoffgehalt der t\u00e4glichen Nahrungsmenge. Nach Barrai*) soll sich das Gewicht des gasf\u00f6rmig ausgeschiedenen Stickstoffs auf das Dritttheil oder gar die H\u00e4lfte des Genossenen belaufen.\n6. Ver\u00e4nderung des Gesammtvolums der eingeathmc-ten Luft, a) Das in die Lunge aufgenommene Gasvolum ver\u00e4ndert sich unabh\u00e4ngig von dem dort erfolgenden Austausch permanenter Gase, weil es durchfeuchtet und in seiner W\u00e4rme ver\u00e4ndert wird. Da wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich k\u00e4ltere und trocknere Luft aus- als einathmen, so kann man sagen, es wird das eingeathmete Luftvolum durch den Wasserdampf und die W\u00e4rme vergr\u00f6\u00dfert. Die jedesmalige Zunahme des Volums ist nach bekannten Regeln* leicht zu berechnen, wenn die Unterschiede der Temperatur und der Dampfspannung in der Aus- und Einathmungsluft gegeben sind.\nb) Eine zweite verwickeltere Betrachtung erstreckt sich nun auf die Ver\u00e4nderung des ein- und ausgeathmeten Luftvolums in Folge des Gasaustausches. Die Untersuchung \u00fcber diesen Punkt f\u00fchren wir unter den Voraussetzungen: dass der Thorax bei der Exspiration genau wieder auf\n*) Statique chimique des animaux. Paris I860. 270.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nVcrSnderoDg des gesammten Luftvoluras.\nden Punkt zusammenf\u00e4llt, von dem er bei der beginnenden Inspiration ausgegangen war, und dass die ausgeathmete Luft bei der Vergleichung der betreffenden Volumina genau wieder auf den Barometerstand, Temperatur und Feucbtigkeitsgrad gebracht werde, den die eingeatbmete besass. Bei diesen Annahmen wird der Werth der Ver\u00e4nderung abh\u00e4ngig sein: von der Menge des ausgehauchten odereingesogenen Stickstoffs; von dem Kohlens\u00e4ure- oder Sauerstoffvolum, welches die andern neben der Lunge bestehenden athmenden Fl\u00e4chen des Thierleibes aufnehmen und abgeben; von der Menge fl\u00fcssiger Oxydationsprodukte, welche neben der entstehenden C02 mit Hilfe des verschluckten Sauerstoffgases gebildet werden. \u2014 Da der erste dieser drei Punkte an und f\u00fcr sich klar ist, so wenden wir uns sogleich zur Besprechung der beiden letzteren. Nehmen wir nun zuerst an, es werde der ganze aus der Atmosph\u00e4re aufgenommene Sauerstoff innerhalb des Organismus zur Bildung von C02 verwendet, die wiederum gasf\u00f6rmig aus dem Blute sich entfernte, so folgte daraus, dass das Gesammtvolum der aus dem K\u00f6rper ausgeschiedenen Gase gerade so gross sein-w\u00fcrde, als das des aufgenommenen Sauerstoffs, weil bekanntlich die aus der Vereinigung von C und 02 entstehende gasf\u00f6rmige C02 genau den Raum einnimmt, den vor der Vereinigung die beiden Atome Sauerstoff besassen. Die Ausscheidung und Aufnahme der Gasvolumina k\u00f6nnte sich nun aber trotz ihrer im Ganzen bestehenden Gleichheit doch auf die verschiedenen mit der Luft in Ber\u00fchrung befindlichen Fl\u00e4chen vertheilen, u. A. so, dass an einem Orte \u00fcberwiegend mehr C02 ausgeschieden und an dem andern mehr 0 aufgenommen w\u00fcrde; gesetzt also, es best\u00e4nde die Eigenth\u00fcmlichkeit, dass die \u00e4ussere Haut mehr C02 ausschied, als sie Sauerstoff aufn\u00e4hme, so w\u00fcrde in der Lunge daf\u00fcr ein gr\u00f6sseres Volum von dem letzteren Gas aufgesogen und ein geringeres von dem erstem abgegeben werden m\u00fcssen. \u2014 Um nun die Bedeutung der dritten Bedingung, die wir oben anf\u00fchrten, einzusehen, machen wir die Voraussetzung, es werde auf jeder Athemfl\u00e4che die Gewichtsmenge von Sauerstoff wieder ausgegeben, die sie aufgenommen ; dagegen aber soll das in das Blut aufgenommene Sauerstoffgas nicht allein zur Bildung von C02, sondern auch zur Erzeugung anderer Oxydationsprodukte verwendet werden. Bei dieser Voraussetzung ergiebt sich, dass das Verh\u00e4ltnis zwischen dem von und zu der Lunge gehenden Luftvolum abh\u00e4ngig ist von der Verwendung, die das Sauerstoffgas innerhalb des K\u00f6rpers erf\u00e4hrt, so dass, wenn z. B. die H\u00e4lfte desselben zur Erzeugung von C02 und die andere zur Verbrennung des Wasserstoffs in Wasser benutzt wird, auch nur die H\u00e4lfte des durch die Lungenwand eingedrungenen Luftvolums von ihr wieder ausgeschieden w\u00fcrde.\nEine Vergleichung der gegebenen Betrachtungen mit den bis dahin gewonnene*) Erfahrungen ergiebt: I) Pas Volum der ausgeatbmeten Luft","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Blutver\u00e4nderung durch das Athmen.\n347\nist geringer, als das der eingeathmeten. Diese Thatsaehe, welche Lavoisier entdeckt hat, haben alle genaueren Beobachter nach ihm best\u00e4tigt. \u2014 2) Nach dem Genuss von Pflanzenstoffen (K\u00f6rner, Gras) erreicht der Unterschied zwischen dem eingenommenen Sauerstoffvolum und ausgeathmeten C02volum seinen geringsten Werth, seinen gr\u00f6ssten aber nach der Ern\u00e4hrung mit Fleischkost (Dulong)*); R\u00e9gnault und Reiset geben, wenn das Volum der eingesogenen 02 = 1 gesetzt wird, als Grenzwerthe der Verh\u00e4ltnisszahlen f\u00fcr den ersten = 1,04 und f\u00fcr den letzten Fall = 0,62 an. \u2014 Hungernde Thiere verhalten sich wie Fleischfressende. Hinge die Volumverminderung allein von dem Unterschied zwischen der verschluckten 0 und der ausgeathmeten C02 ab, so m\u00fcsste sie bei der Fleischnahrung am bedeutendsten werden. Da nun aber auch bei Fleischnahrung Stickstoff ausgehaucht, beim Hungern aber aufgesogen wird, so wird sie in der That in den letzten Bedingungen am merklichsten sein.\n7. Blutver\u00e4nderung in der Lunge w\u00e4hrend der Ath-m u n g. Zu Erfahrungen \u00fcber die Umwandlungen, welche das in den Lungencapillaren str\u00f6mende Blut innerhalb derselben erf\u00e4hrt, kann man gelangen theils durch Folgerungen aus der bekannten Ver\u00e4nderung der Einathmungsluft, theils aus einer Vergleichung des in die Lunge ein-und ausstr\u00f6menden Blutes. Der letztere Weg steht uns noch nicht offen, weil uns Untersuchungen des Bluts aus der arteria und vena pul-monalis, oder des linken und rechten Herzens fehlen; denn wollte man vergleichen, wie es zuweilen geschieht, das Blut einer beliebigen Haut-, Muskel- oder Eingeweidevene mit dem arteriellen, so ist es einleuchtend, dass der zwischen beiden Objekten bestehende Unterschied nicht allein aus der Einwirkung der Lungen abgeleitet werden darf, da sich dem analysirten Venenblut, bevor es in die Lunge eindringt, noch der anders zusammengesetzte Inhalt der grossen Lymphst\u00e4mme und vieler andern Venen beimengt. Welche chemischen Folgen aber aus dieser Mischung der verschiedenartigen Fl\u00fcssigkeiten eintreten, l\u00e4sst sich gegenw\u00e4rtig nicht angeben, und somit fehlt uns das Mittel, die Ver\u00e4nderungen, welche die Lunge allein ausgef\u00fchrt hat, auszuscheiden. Wenn wir also zu ermitteln gedenken ; wie weit der Unterschied des arteriellen und des uns bekannten ven\u00f6sen Bluts von der Athmung abh\u00e4nge, so bleibt uns nur \u00fcbrig, nachzusehen, welche Ver\u00e4nderungen des Bluts aus der bekannten Umwandlung der Einathmungsluft abgeleitet werden k\u00f6nnen.\na) Wir gehen bei dieser Betrachtung aus von dem durch mechanische Mittel abscheidbaren Gasgehalte beider Blutarten. Bis dahin musste sich die Bestimmung jener Gase beschr\u00e4nken auf die verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssige Menge, in der sie in den beiden Blutarten enthalten waren, und\n*) Schweiggtr, Journal f\u00fcr Chemie. 38. Bd. 506. (1823).","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"848\nVer\u00e4nderung des Bluts durch das Atbmen.\n\\\ndiese ergab, dass sich die C02 : N : 0 verhielten : im ven\u00f6sen Blut wie 2,8 : 1,3 :1,0 und im arteriellen wie 2,7 : 0,5 : I ; d. h. es haben Kohlens\u00e4ure und Stickgas im Verh\u00e4ltniss zum Sauerstoff vom arteriellen zum ven\u00f6sen Blute abgenommen. Diese Erscheinung d\u00fcrfen wir ungescheut, zum Theil wenigstens, dem Einfluss der Athmung zuschreiben, da die Luftanalysen dargethan haben, dass CO, und Ngas aus dem Blute entweicht und 0 in dasselbe aufgenommen wirdw\u00e4hrend es in den Lungen kreist. Jenseits dieser allgemeinen Folgerung d\u00fcrfte sich aber aus den verschiedenen Zahlen nichts weiter schliessen lassen, da dieselben, wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt, sich nicht einmal auf das Blut desselben Thiers beziehen.\nb. Die arterielle zeichnete sich vor der ven\u00f6sen Blutfl\u00fcssigkeit dadurch aus, dass sie in 100 Theilen mehr Faserstoff, Extrakte und Wasser, dagegen weniger Eiweiss, Fette und Zucker enthielt. \u2014 Da der\nFaserstoff und das Eiweiss ihrer Zusammensetzung nach in sehr inniger Beziehung zu einander stehen, indem sie sich wesentlich nur dadurch von einander unterscheiden, dass der erstere in 100 Theilen etwas mehr 0 enth\u00e4lt, als der letztere, so findet die Annahme Vertreter, dass in den Lungen ein AntheiJ des Bluteiweisses in Faserstoff verwandelt sei. Ebenso erkl\u00e4rt man das Uebergewicht, des ven\u00f6sen Blutes an Fetten und Zucker daraus, dass ein Theil dieser Verbindungen in der Lunge oxydirt werde. \u2014 Diesen Behauptungen w\u00fcrde man eher beizutreten geneigt sein, wenn begreiflich gemacht w\u00e4re, warum diese Oxydationen, wie namentlich die\ndes Eiweisses, nicht schon im ven\u00f6sen Blute, sondern erst in der Lunge vor sich gehen, obwohl das erstere doch nur um ein geringes weniger Ireien Sauerstoff enth\u00e4lt, als das Lungenblut. Demn\u00e4chst m\u00fcsste dann auch, was namentlich f\u00fcr den Zucker und Fette gilt, dargethan werden, dass ihr Verschwinden, resp. ihre relative Verminderung, nicht bedingt sei durch die Zuf\u00fcgung zucker- oder fettarmer Fl\u00fcssigkeiten zu dem Blute der vena jugularis und hepatica, \u2014 und endlich ob sie nicht durch andere beigemengte Verbindungen ver\u00e4ndert worden seien. \u2014 Aber trotz dieser M\u00e4ngel des direkten chemischen Beweises w\u00fcrde die Behauptung, dass der Sauerstoff sogleich nach seinem Eintritt in das Lungenblut theilweise zur Bildung von Oxydationsprodukten verwendet werde, Glauben geschenkt werden m\u00fcssen, wenn es sich den Untersuchungen von G. Liebig gegen\u00fcber best\u00e4tigte, dass das Blut der Lungenvene w\u00e4rmer als das der Lungenarterie ist. Denn es sind in Folge der Verdunstung, der Absorption und der Bewegung der Gase die Verh\u00e4ltnisse der W\u00e4rme so angeordnet, dass im g\u00fcnstigsten Fall das arterielle Blut um ein unmerkliches, wahrscheinlich aber in der That, um ein merkliches k\u00e4lter sein m\u00fcsste, als das ven\u00f6se. Gesetzt, man wollte die W\u00e4rmemenge, welche hei der C02 Verdunstung latent wird, derjenigen gleich setzen, welche die 0 absorption in Freiheit setzt, so w\u00fcrde jedenfalls das\n/","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Ern\u00e4hrung der Lunge.\nm\nBlut der Lunge einen namhaften W\u00e4rmeverlust dadurch erleiden, dass eine stetige Wasserverdunstung auf der Oberfl\u00e4che dieses Organs vor sich geht, und dass es sich so oft mit kalter Luft f\u00fcllt, die erw\u00e4rmt wieder ausgestossen wird. Dieser Verlust w\u00fcrde aber m\u00f6glicher Weise keinen f\u00fcr gew\u00f6hnliche thermometrische Instrumente messbaren Unterschied zwischen den Temperaturen beider Blutarten herbeif\u00fchren, vorausgesetzt, dass das Blut in den Lungencapillaren jedesmal nur \u00e4usserst kurze Zeit verweilte. \u2014 Wenn also trotzdem (Davy)*), dem, wie erw\u00e4hnt, G. Liebig entgegentritt, das Blut, welches aus der Lunge kommt, merklich w\u00e4rmer ist, als das, welches in dieselbe str\u00f6mt, so muss sich innerhalb derselben eine neue W\u00e4rmequelle finden, welche nach unsern gegenw\u00e4rtigen Einsichten nur in dem Oxydationshergang, nicht aber in dem Unterschiede der W\u00e4rmekapazit\u00e4t der beiden Blutarten gefunden werden kann. Denn es h\u00e4ngt dieselbe in unserm Fall nur von dem spezifischen Gewichte der beiden Fl\u00fcssigkeiten ab (J. Davy)**) und zwar in der Art, dass das weniger dichte auch eine geringere Menge W\u00e4rme fasst, als das dichtere. Zwischen den spez. Gewichten des Venen- und Arterienblutes d\u00fcrfte aber schwerlich ein gen\u00fcgender Unterschied gefunden werden.\nDer gr\u00f6ssere Wassergehalt des arteriellen Blutes kann nur abgeleitet werden aus der Beimischung der w\u00e4sserigen Lymphe, da innerhalb der Lungen nicht nur kein Wasser zu dem Blute gef\u00fcgt, sondern sogar aus ihm durch Verdunstung entfernt wird. Dieser Ansicht wird man heute kaum noch die oft widerlegte Meinung entgegenhalten, dass durch Verbrennung wasserstoffhaltiger Blutbestandtheile mittelst des eingenommenen Sauerstoffs so viel Wasser gebildet worden sei, um den Wasserverlust in der Lunge zu bestreiten und zugleich den Wassergehalt des arteriellen Blutes zu erh\u00f6hen.\nc. Die hellere B\u00f6thung der arteriellen Blutk\u00f6rperchen ist von dem gesteigerten Gehalte des Bluts an Sauerstolf und dem gleichzeitig verminderten an GO., abzuleiten.\n8. Ern\u00e4hrung der Lunge. Die Formfolge bei der ersten Entwickelung derselben ist analog derjenigen andern gelappten Dr\u00fcsen; der einzige Unterschied besteht darin, dass die Zellenh\u00e4ufchen, welche die sp\u00e4tem Aeste und* Aestchen darsteilen, gleich von vorn herein im Centrum Fl\u00fcssigkeit f\u00fchren, nicht aber wie gew\u00f6hnlich compakt sind. \u2014 Nach der Geburt vergr\u00f6ssert sich die Lunge nur durch die Ausdehnung der vorhandenen Bl\u00e4schen und B\u00f6hren; eine Neubildung derselben kommt nicht mehr vor. \u2014 L\u00e4nger dauernde Ausdehnungen und Verengerungen erleiden aber die Lungenbl\u00e4schen sehr leicht, weil ihre Wandung zart, ihre Um-gebupg beweglich und ihr Inhalt stets dem Luftdruck ausgesetzt ist. So\n\u25a0-) Schweigger, Journal f\u00fcr Chemie u. Phys. 15. Bd. 468. u. f.\n**) 1. c. p. 462.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nErn\u00e4hrung der Lunge.\nwie sich also der Druck der Umgebung mindert oder mehrt, m\u00fcssen sich auch die Lungenbl\u00e4schen mehr oder weniger ausdehnen, und so sehen die pathologischen Anatomen sehr h\u00e4ufig dauernde Erweiterungen (Emphysema) nach Adh\u00e4sion der Lunge, welche die Ausdehnung gewisser Partieen w\u00e4hrend der Einathmung unm\u00f6glich machen, und Obliteration oder Verengerung der Bl\u00e4schen, wenn sich in anliegenden Organen oder zwischen den Lappen der Lunge selbst Ausschwitzungen eingestellt haben, z. B. nach Herzbeutel-, Brustwassersucht u. A. \u2014 Eine andere Gefahr droht den Lungenbl\u00e4schen durch den Blutstrom, der mit d\u00fcnnen Wandungen umzogen durch ihre H\u00e4ute dringt, die namentlich von der Seite her, welche gegen die offenstehenden lufthaltigen H\u00f6hlen gekehrt sind, eine geringe Widerstandskraft besitzen. Es gen\u00fcgt darum eine unbedeutende Erh\u00f6hung des gew\u00f6hnlichen niedrigen Blutdruckes, um eine Filtration in die Lungenh\u00f6hle zu veranlassen. Hierzu geben h\u00e4ufig Veranlassung feste K\u00f6rperchen, z. B. Kohlenpartikelchen, Fetttr\u00f6pfchen, kleine Faserstoffgerinnsel, welche (aus den Lymphgef\u00e4ssen eingef\u00fchrt?), wenn sie selbst die Blutk\u00f6rperchen nur um ein Geringes an Gr\u00f6sse \u00fcbertreffen, in den engen Capillarr\u00f6hren der Lunge bangen bleiben, einzelne Aest-chen verstopfen und somit im Kleinen alle die Folgen berbeif\u00fchren, welche Virchow*) im grossen Maassstab an k\u00fcnstlich erzeugten Stockungen beschrieben hat \u2014 Oefter ist auch die Meinung ausgesprochen worden, dass die Blutgef\u00e4sse unter dem Einfluss der Nerven \u00fcberhaupt und insbesondere der Lungen\u00e4ste des n. vagus ihren Durchmesser zu \u00e4ndern verm\u00f6chten. Diese an und f\u00fcr sich nicht unwahrscheinliche Hypothese entbehrt jedoch der weitern Begr\u00fcndung, da die Thatsachen, auf welche sie sich st\u00fctzt, auch noch andere Auslegungen erfahren k\u00f6nnen.\nDie Grundlage, von welcher aus die zuletzt erw\u00e4hnte Controverse **) gef\u00fchrt wird, ist genommen aus den Erscheinungen nach Durcbscbneidung der Vagi. 1) Nach Durchschneidung des Halsstammes der beiden Vagi \u00fcber dem Kehlkopf erfolgt bei einigen Thieren (Katzen, Pferden u. s. w.) sogleich Erstickung, weil sich bei der Einathmung die Stimmritze ventilartig schliesst. Andere dagegen (z. B. Kaninchen) bleiben bis zu 24 Stunden am Leben; nach dem Tode zeigt die Sektion die Gegenwart von Speichel, Epithelialzellen der Mundh\u00f6hle und Speisereste in den Lungenbl\u00e4schen; zugleich ist ein Theil derselben ger\u00f6thet und mit blutigen Exudaten gef\u00fcllt, wie sie sich in der sog. Entz\u00fcndung finden. Endlich bei noch andern Thieren (z. B. erwachsenen Hunden), welche gew\u00f6hnlich die Durchschneidnng der Vagi mehrere Tage \u00fcberleben, findet sich h\u00e4ufig gar keine merkliche Ver\u00e4nderung der Lungensubstanz. \u2014 2) Nach Durchschneidung der rami r\u00e9currentes allein tritt die Lungenentz\u00fcndung immer sp\u00e4ter ein, in vielen F\u00e4llen bleibt sie auch ganz aus. \u2014 3) Nach Durchschneidung der Lungen\u00e4ste allein, so dass die des Kehlkopfs unverletzt bleiben, soll auch die Entz\u00fcndung entstehen; es ist aber sehr zweifelhaft, ob die angedeutete Operation ausgef\u00fchrt werden kann. \u2014 4) Nach Durchschneidung nur eines n. vagus zeigen sich gew\u00f6hnlich keine Ver\u00e4nderungen in der Lungensubstanz.\n*) Traube\u2019s Beitr\u00e4ge zur experimentellen Pathologie. 1846. 2. Heft.\n**) Billroth (u. Traube), De natura et causa pulmonum aflectionis etc. Berlin 1852. \u2014 Fowe-lin (u. Bidder), De causa mortis post vagos dissectos. Dorpat 1851.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Folge\u00bb der Durchschneidung beider n. vagi.\n351\nDaraus folgert man nun: a) Die Entz\u00fcndung entspringt aus einer L\u00e4hmung der Gef\u00e4ssnerven, die im n. vagus enthalten sind; es soll dieses aus Combination der Versuche 1 und 3 hervorgeben. Den Erfolg des 4. Versuchs rechtfertigt man dadurch, dass der n. vagus jeder Seite zugleich in beide Lungenh\u00e4lften gehe. Bevor es der M\u00fche werth ist, aufmerksam zu machen auf die vielen Widerspr\u00fcche, die sich aus den vorliegenden Durchscbneidungsversuehen gegen diese Unterstellung erheben, k\u00f6nnten wir erst abwarten, ob es gelingt, noch durch irgend welches andere Mittel die behauptete Beziehung zwischen den Muskeln der Lungengef\u00e4sse und den Vaguszweigen zu erweisen. \u2014 b) Da nach Durchschoeidung der n. vagi die Stimmritze nicht mehr schliesst, so dringen bei Schlingbewegungen Speichel und Speisereste in die Lunge, welche in den Lungencapillaren durch chemische Einwirkung auf die Wandungen oder den Inhalt der Gef\u00e4sse Stockung des Blutstroms erzeugen (Traube). Eine Best\u00e4tigung dieser Annahme findet man darin, dass der in die Lunge gespr\u00fctzte Speichel dort Entz\u00fcndung veranlasst, dass nach Durchschoeidung der Vagi die Entz\u00fcndung ausbleibt, wenn man die Luftr\u00f6hre unterhalb des Kehlkopfs durchschnitten und ihre M\u00fcndung durch ein passendes Mittel offen erhalten hat; wenn nach dieser Modifikation der Operation noch eine Entz\u00fcndung zu Stande kommt, so ist dieses davon abh\u00e4ngig, dass sich in den Kan\u00e4len, welche in den untern Luftr\u00f6hrenabschnitt eingebunden sind, Schleim angesammelt hat (Billroth); dass nach Durchschneidung der rami r\u00e9currentes die Lungenentz\u00fcndung bei allen den Thieren ausbleibt oder wenigstens seltener eintritt, deren Stimmritze beim Schlingen noch durch den m. thyreo-pharyngei wenigstens ann\u00e4hernd geschlossen wird, dass sie aber nach Durchsebneidung des n. r\u00e9currentes unfehlbar erscheint, wenn man die Speiser\u00f6hre unterbindet und damit die Entleerung des Mundspeichels hemmt. Alle diese Thatsachen scheinen nach den Untersuchungen von Billroth und Fowelin vorzugsweise ihre Anwendung bei Kaninchen, weniger aber bei Hunden zu finden. b) Nach der Durchschneidung der Vagi werden die Athemziige seltener und tiefer, und weil zugleich die Stimmritze beengt ist, so entstehen betr\u00e4chtliche Verd\u00fcnnungen der Luft in dem Brustraum, und in Folge dessen platzen die Lungengef\u00e4sse (Bernard). Es fehlt bis dahin noch der genauere Nachweis der behaupteten Druckdifferenzen.\nMit dem Vorstehenden hat man nun meist die andere Frage in Verbindung gebracht, durch welchen Mechanismus die Durchschneidung der n. vagi den Tod veranlasse. Offenbar kann er nicht Folge der Lungenentz\u00fcndung sein, da die Hunde auch ohne alle Anzeichen derselben sterben. Nach den Beobachtungen von Blain-ville und Fowelin ist die Lunge \u00fcberhaupt so wenig beeintr\u00e4chtigt, dass V\u00f6gel und Hunde nach Durschneidung der nn. vagi mehr C02 ausathmen, als vor derselben. \u2014 Man hat darum der Reihe nach alle St\u00f6rungen, welche die Verletzung der n. vagi hervorruft, als Todesursachen betrachtet, und namentlich aber die aufgehobene oder wenigstens beeintr\u00e4chtigte Verdauung und die beschleunigte Schlagfolge des Herzens. Die Beweise f\u00fcr diese Annahmen sind aber sehr sp\u00e4rlich ; die Tbiere sterben doch sonst nicht, wenn sie\u00bb 3\u20144 Tage hungern oder heftig fiebern. Wollte man die Proba-bilit\u00e4ten mehren, so k\u00f6nnte man auch auf eine Ver\u00e4nderung der Blutzusammeftsetzuog hinweisen, welche aus den St\u00f6rungen einiger Absonderungen resultirt. Ueber die betreffenden Streitfragen siehe die Litteratur bei Fowelin und J. M\u00fcller*).\nDie chemischen Vorg\u00e4nge in den Lungens\u00e4ften dachte man sich fr\u00fcher sehr lebhaft, indem man annahm, dass dort reichliche Massen kohlen- und wasserstoffhaltiger Atome angeh\u00e4uft seien (Lavoisier, La\u00bb place) aus deren Oxydation die C02 und das HO der Ausathmungsluft\n') Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. p. 277,","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nUmsetzungsprodukte der Lungens\u00e4fte.\nhervorgehen sollte. Die chemische Untersuchung der Lungen und des Bluts hat diese Hypothese nicht best\u00e4tigt ; sie hat im Gegentheil andere Quellen des Brennmaterials aufgedeckt. \u2014 Y e r d e i 1 *) glaubte neulich in dem Lungensaft eine besondere S\u00e4ure nachgewiesen zu haben, welche die kohlensauren Verbindungen des Lungenbluls zerlegen und auf diese Weise die Entwickelung von C02 bedingen sollte. Durch eine genauere Untersuchung von Cloetta **) ist diese Angabe wiederlegt worden. Er machte die Beobachtung, dass aus dem aus der Lunge gepressten Saft drei krystallinische K\u00f6rper erhalten werden k\u00f6nnen, von denen einer unzweifelhaft Harns\u00e4ure ist; von den beiden andern enth\u00e4lt der eine, welcher neutral ist, Stickstoff und der andere eine so schwache S\u00e4ure, dass sie C02 nicht austreibt (die Verd eil\u2019sehe S\u00e4ure?), Schwefel und Stickstoff. Diese Erfahrungen, welche Cloetta im Augenblick noch weiter verfolgt, geben auf eine merkw\u00fcrdige chemische Umsetzung in den Lungens\u00e4ften Hinweisung.\nB. Hautathmung.\n1. Die Epidermis und das oberfl\u00e4chlichste Gef\u00e4ssnefz sind die anatomischen Theile der Cutis, welche beim Hautathmen vorz\u00fcglich in Betracht kommen. \u2014 Die luit - und blutscheidende Epidermis ist f\u00fcr alle bis dahin gepr\u00fcften Gasarten durchg\u00e4ngig gefunden worden; diese Erfahrung ist wichtig, aber ungen\u00fcgend; man w\u00fcnscht noch zu wissen, wie mit der Dicke, der relativen M\u00e4chtigkeit von Zellen- und Hornschicht, der chemischen Zusammensetzung ihrer Quellungsfl\u00fcssigkeiten, der Temperatur die Absorptions- und Reibungscoeffizienten der Gase wechseln.\nDas Blut, welches in das oberfl\u00e4chliche Netz der Cutis eingeht, str\u00f6mt dorthin aus den Gef\u00e4ssen, welche die Schweissdr\u00fcsen umschlingen, und geht dann in die Hautvenen \u00fcber. Der Durchmesser seines Bettes in der Cutis ist sehr variabel, wie ohne Messung jeder weiss, der die Farbe und Schwellung der Haut im Ged\u00e4chtniss hat. Diese Ver\u00e4nderlichkeit ist abh\u00e4ngig von den Muskeln, welche in die Cutis (Haarb\u00e4lge u. s. w.) und in die Wandungen der Gef\u00e4sse selbst eingelegt sind. \u2014 Diese Muskeln ziehen sich zusammen nach einer vorg\u00e4ngigen Erregung der Hautnerven (z. B. nach leidenschaftlichen Aufregungen u. s. w.) und nach einer Abk\u00fchlung der Haut. Sie scheinen dagegen ihre Widerstandsf\u00e4higkeit einzub\u00fcssen mit der steigenden W\u00e4rme. \u2014 Die Zusammenziehung der Gef\u00e4ssmuskeln scheint, wenn man aus ihrer Anordnung schliessen darf, immer eine Verengerung der Gef\u00e4sse (Blasswerden der Haut) nach sich zu ziehen. \u2014 Die der andern Hautmuskeln aber keineswegs; denn wenn man sich durch schmerzhafte elektrische Schl\u00e4ge eine G\u00e4nsehaut (die das sichere Zeichen der Hautmuskelerregung ist) bereitet\n*) Compt. rend. XXIII. 604.\n**) Z\u00fcricher Mittheilungen. 1854 . 404.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Hautathmen.\n(R \u00f6 Hiker), so wird die Haut in der N\u00e4he roth und bei der Frostg\u00e4nsehaut ist die Umgebung blass. \u2014 Die bewegenden Nerven m\u00fcssen in den Bahnen der Hautnerven gehen; die der Gef\u00e4sse sind aber nur f\u00fcr eine geringere Zahl von Hautstellen gen\u00fcgend bekannt.\n2.\tDie Mittel zur Analyse der Ver\u00e4nderungen, welche die mit der Haut in Ber\u00fchrung befindliche Luft erfahren hat, sind einfach die fr\u00fcher schon angegebenen. Schwierigkeiten stellen sich der Untersuchung hier nur beim Auffangen der ver\u00e4nderten Luft entgegen.\nZum Auffangen der durch die Hautathmung ver\u00e4nderten Luft hat man sich bis dahin folgender Einrichtungen bedient: a) Lavoisier und Seguin*) zogen \u00fcber den nackten menschlichen K\u00f6rper, den Kopf ausgenommen, einen mit fl\u00fcssigem Kaut-schouck dicht gemachten Taftbeutel. Diese Methode hat wesentliche Fehler, namentlich erh\u00f6ht sie die Temperatur der Haut und den Feuchtigkeitsgrad der Oberhaut ; sie stellt die nat\u00fcrlichen Dilfusionsbedingungen nicht her f\u00fcr den Wasserdunst, denn der Inhalt des Beutels wird nahebei mit Wasser ges\u00e4ttigt sein, und ebenso nicht f\u00fcr den 0 und dieC02, denn der Gehalt der eingeschlossenen Luft an dem ersteren Gas wird bald geringer und der an dem letzteren Gas bald gr\u00f6sser sein, als in der Atmosph\u00e4re. Endlich wird h\u00f6chst wahrscheinlich die Schweissbildung eingeleitet ; die Verdunstungsprodukte des Schweisses mengen sich somit der Hautausd\u00fcnstung bei. \u2014 b) Ger-lach**) \u00fcberdeckte nur ein mehrere Quadratzoll grosses Hautst\u00fcck mit einer gefirnissten Harnblase, die er luftdicht an der Haut befestigt hatte. Dieses Verfahren trifft die vorigen Einw\u00fcrfe ; es hat jedoch den Vorzug, eine weniger bedeutende St\u00f6rung in die Gesammtausd\u00fcnstung und Schweissabsonderung einzuf\u00fchren. Die von ihm zur Analyse des gefangenen Gases angewendeten Verfahrungsarten geh\u00f6ren nicht gerade zu den fehlerfreiesten.\u2014, c) R\u00e9gnault und Reiset***) schlossen die ganzen Thiere, den Kopf ausgenommen, in einen luftdichten Sack ein , und leiteten durch denselben einen Luftstrom; diese Methode vermeidet zwar die oben ger\u00fcgten Fehler, setzt dagegen einen neuen an die Stelle, indem sie das Thier zu eioer fast vollkommenen Ruhe seiner Gliedmaassen zwingt. \u2014 d) Scharlingf) bediente sich eines luftdicht schliessenden Kastens, durch den ein Luftstrom gef\u00fchrt werden konnte ; der Deckel desselben war von einem Kautschouckrohr durchbohrt, das innerhalb des Kastens in einer Maske auslief. Die Maske wurde luftdicht vor das Gesicht der Person gebracht, welche sich behufs der Untersuchung in dem Binnenraum des Kastens aufhielt. Das zu beobachtende Individuum wurde nackt oder bekleidet eingeschlossen. Die Luft, welche das Lungenathmen unterhielt, wurde also durch das Kautschouckrohr in die Lunge gef\u00fchrt und auf demselben Wege, ohne sich mit der Luft des Kastenraumes zu mischen, wieder ausgestossen. Dieses sonst tadelfreie Verfahren erlaubt, nur die C02 und ann\u00e4hernd den Wasserdunst zu bestimmen ; von diesen beiden hat Scharling nur die erstere in Betracht gezogen.\n3.\tDie Ver\u00e4nderungen, welche die mit der Haut in Ber\u00fchrung kommende atmosph\u00e4rische Luft erf\u00e4hrt, bestehen darin, dass ihr W\u00e4rme, Wasserdunst, Kohlens\u00e4ure und Stickgas (?) zugef\u00fcgt und ihr Sauerstoff-gas (?) entzogen wird.\nDie W\u00e4rmemenge, welche die Oberhaut in der Zeiteinheit durch Leitung und Strahlung verliert, muss nach bekannten Grunds\u00e4tzen sich\n*) M\u00e9moires de l\u2019Academie. 1789. p. 567. 1790. p. 601.\n**) M\u00fclle r\u2019s Archiv. 1851. 431.\n***) Annales de chimie. XXVI. 505.\nt) Journal f\u00fcr praktische Chemie. 36. Bd. 454.\nLudwig, Physiologie. II.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nHautatbmen.\nmehren a) wenn die Temperatur der Cutis steigt; dieses geschieht bei Annahme einer constanten Temperatur des Blutes mit der Ausdehnung der Gef\u00e4sse und der Geschwindigkeit des Blutstromes. \u2014 b) Mit der abnehmenden Dicke der Epidermis, welche, als ein schlechter W\u00e4rmeleiter, dem Durchg\u00e4nge der Blutw\u00e4rme einen um so gr\u00f6ssern Widerstand entgegensetzt, je st\u00e4rker die Schicht ist, die \u00fcber den Gef\u00e4ssen liegt. \u2014 c) Mit dem Temperaturunterschied zwischen der Epidermis und der umgebenden Luft, und darum mit dem Luftwechsel. Denn die Luft, als ein schlechter W\u00e4rmeleiter, w\u00fcrde, wenn sie ruhig auf der Oberhaut\nl\u00e4ge, \u00e4hnlich der Epidermis wirken.\nDie Menge des Wasserdunstes, welche in der Zeiteinheit aus der Oberhaut tritt, wird sich mehren a) mit der relativen S\u00e4ttigung der Atmosph\u00e4re durch Wasserdampf; im Allgemeinen verlieren wir aus diesem Grunde durch die Haut mehr Wasser im Sommer, als im Winter. \u2014 b) Mit dem Luftwechsel, indem dieser die schon dem S\u00e4ttigungspunkte n\u00e4her stehende Luft durch andere weniger ges\u00e4ttigte ersetzt. \u2014 c) Mit dem abnehmenden Barometerstand, indem ein niedriger Luftdruck die Dampfbildung beschleunigt. \u2014 d) Mit der Ausbreitung des Blutstromes in der Cutis, indem hiervon die Feuchtigkeit und der Temperaturgrad der Oberhaut abh\u00e4ngt. \u2014 e) Mit der abnehmenden Dicke der Oberhaut, weil dieselbe dem Durchg\u00e4nge der Feuchtigkeit, welche auf ihrer Oberfl\u00e4che die Dunstform annehmen soll, einen Widerstand entgegensetzt.\nEine experimentelle Pr\u00fcfung der theoretischen Forderungen ist noch nicht unternommen worden, da alle die zahlreichen Versuche, die bis dahin \u00fcber Wasserverdunstung durch die Haut angestellt wurden, auch zugleich die Schweissbildung ber\u00fccksichtigt haben. Jedenfalls ist der Wasserverlust, den der menschliche K\u00f6rper auf diesem Wege erleidet, betr\u00e4chtlich.\nDie in der Zeiteinheit, z. B. in der Stunde, von der Haut der untersuchten Thiere gelieferte C02menge fanden R\u00e9gnault und Reiset, im Vergleich zu der w\u00e4hrend derselben Zeit aus der Lunge ausgehauchten, gering und zugleich bei demselben Thiere, das sich scheinbar unter denselben Verh\u00e4ltnissen befand, wechselnd; sie sind darum geneigt, die Annahme zu machen, dass in den F\u00e4llen, in welchen der C02 gehalt der Luft in den oben beschriebenen S\u00e4cken reichlicher als gew\u00f6hnlich ausfiel, zugleich durch den After eine Entleerung dieses Gases statt gefunden habe. \u2014 Sc barling\u2019s Untersuchungen am Menschen stimmen ann\u00e4hernd mit den vorhin genannten, was das Verh\u00e4ltnis zwischen dem Verlust der CO* durch Lungen und Haut anlangt. Wird der C02verlust\nder lounge zu 1 gesetzt, so schwankt der aus der Haut zwischen 0,016 und 0,031. Die h\u00f6heren Zahlen beobachtete er bei Erwachsenen, die niederen bei Kindern. Wir geben hier din absoluten Werthe, welche er f\u00fcr 1 Stunde gefunden bat; sie beziehen sich auf dieselben Menschen* die in der","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Hauthatbmeo.\n355\nTabelle p. 337 erw\u00e4hnt sind ; sie sind auch in dieselbe Reihenfolge gestellt: Knabe (93/4 J.) = 0,181 Gr.; J\u00fcngling (16 J.) = 0,181 Gr.; Mann (28 J.) = 0,373 Gr.; M\u00e4dchen (10 J.) = 0,124; Frau (19 J.) = 0,272. \u2014 Gerlach beobachtete dagegen, wie es scheint, an Menschen eine reichlichere C02ausscheidung; diese soll sich mehren mit der\ny\nMuskelanstrengung und der steigenden Temperatur der Atmosph\u00e4re; die letztere Annahme wird theoretischerseits darum wahrscheinlich, weil zu der bezeichnten Zeit die Gef\u00e4sse der Cutis angef\u00fcllter sind, als in der K\u00e4lte.\nUeber das Verhalten des Ngases befinden wir uns noch vollkommen im Unklaren. Collard de Martigny*) giebt an, dass nach Fleischkost JYgas ausgebaucht werde (?).\nDie Aufnahme von Sauerstoffgas durch die Haut ist zwar theoretisch wahrscheinlich, aber durch den Versuch noch nicht vollkommen erwiesen. Die Beobachtungen von R\u00e9gnault und Reiset lassen einen Zweifel \u00fcbrig, weil sie nicht die absolute Menge des Sauerstoffs, der durch den Sack gegangen war, bestimmten, sondern nur sein Verh\u00e4ltniss zur C02 und dem Ngas. Sie fanden nun die Luft so beschaffen, dass, wenn man annahm, es sei ihr Stickstoffgehalt durch das Hautathmen nicht ver\u00e4ndert worden, gerade so viel Sauerstoff verschwunden war, als sich hiervon in der ausgehauchten C02 wiederfand. Diese Annahme ist aber durch Nichts bewiesen. Entscheidender w\u00fcrden die Versuche von Gerlach f\u00fcr die Sauerstoffabsorption sprechen, wenn uns die Fehlergrenzen seiner Beobachtungsmethode besser bekannt w\u00e4ren. Er fand nemlich den Sauerstoff im Verh\u00e4ltniss zum Stickstoff so betr\u00e4chtlich vermindert, dass eine ganz ausserordentliche Stickstoffaushauchung h\u00e4tte stattfinden m\u00fcssen, wenn kein Sauerstoff aus der mit der Haut in Ber\u00fchrung gewesenen Luft verschwenden w\u00e4re. In allen seinen Versuchen war das Volum des aufgenommenen Sauerstoffs, gerade entgegengesetzt dem Verhalten in der Lungenluft, viel geringer, als das der ausgeschiedenen C02. Die verschwundene Menge wuchs auch hier mit der Temperatur der Luft und der Muskelanstrengung des Thieres.\n4. Der absolute**) Werth des Gewichtsverlustes, den wir den Tag \u00fcber durch die Hautausd\u00fcnstung erleiden, ist noch niemals f\u00fcr sich gemessen worden, sondern immer gemeinsam mit dem durch eine etwa dazwischen eintretende Schweissbildung veranlassten. Da nun diese letztere noch viel variabler ist als die erstere, so l\u00e4sst sich durchaus nichts allgemein G\u00fctiges sagen. \u2014 Ziehen wir aber die vorliegenden Untersuchungen in Betracht, so ergiebt sich, dass bei mittlerer Lebensart und Temperatur das Gesammtgewicht des t\u00e4glichen Verlustes durch die Haut um den Werth von 500 bis 800 Gr. schwankt. Offenbar ist dieser Verlust vor-\n*) Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. II. Bd. Artikel Haut von Krause, p. 141.\n**) Krause in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch, n. Bd. p. 186.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"Gesammtg\u00e0swech$\u00ebi.\nzugsweise durch die Wasserverd\u00fcnstung bedingt, wie die vorstehenden Bemerkungen \u00fcber C02ausseheidung deutlich zeigen.\nC. Ge sa m m tga s wech sei des thierischen K\u00f6rpers.\nDie Bindung und Ausscheidung von Luft auf Haut, Lunge und Darmkanal stehen in mannigfachen Beziehungen zu einander, so dass sie sich theilweise gleichzeitig steigern, theils aber auch erg\u00e4nzen, indem mit dem Sinken der Athmung auf einer der bezeichneten Fl\u00e4chen diejenige auf einer anderen im Wachsthum begriffen ist. Da eine theoretische Feststellung dieses Zusammenhanges vorerst noch unm\u00f6glich ist, so sind die Versuche, welche sich \u00fcber den Gesammtaustausch der Gase\nerstrecken, einzig und allein unser Haltpunkt.\nDie Methoden , mit denen die Ausscheidung und Bindung der Gase untersucht wurde, sind im Prinzip zwei wesentlich verschiedene; die eine von ihnen bestimmt alle oder einzelne der aufgenommenen Gasarten geradezu, w\u00e4hrend die andere sie aus dem Gewichtsunterschiede der festen und fl\u00fcssigen Bestandtheile der Nahrungsund Abscheidungsstoffe ableitet. \u2014 1) Die direkten Wege sind nun aber selbst wieder verschiedene.\na. Berth oll et*) fuhrt die zu beobachtenden Thiere in ein genau gemessenes Luftvolum von bekanntem Druck, bekannter Temperatur und Zusammensetzung ein und l\u00e4sst sie in demselben so lange verweilen , bis sich die Zeichen der beginnenden Erstickung einstellen; er bestimmt dann von Neuem Temperatur, Druck und Zusammensetzung der Luft, in welcher die Thiere enthalten waren. Auf diese Weise erh\u00e4lt er die absolute Menge der ausgeschiedenen und eingenommenen permanenten Gasarten. Das Schema des Apparates, den er hierzu anwendet, ist in Fig. 66. gegeben. A ist der luftdichte Kasten von bekanntem Rauminhalt, a a ein Quecksilbermanometer, das den Unterschied des Druckes in der Atmosph\u00e4re und dem Inhalt des Kastens angiebt, b ein Thermometer, welches die Temperatur der Luft im geschlossenen Raume misst. Ist nun der Rauminhalt des Beh\u00e4lters bekannt, so kann man jederzeit die Menge von Luft berechnen, welche er enth\u00e4lt, vorausgesetzt, dass man den barometrischen Druck, unter dem sich diese Luft befindet, und den Temperaturgrad derselben kennt. Ist somit das Gesammtgewicht der Luft festgestellt, so gen\u00fcgt es, einen kleinen Antheil des Inhaltes zu analysiren, um das absolute Gewicht jeder einzelnen Gasart in dem Gemenge zu finden, indem aus der gefundenen prozentischen Zusammensetzung die des ganzen Gemenges berechnet werden kann. Dieser sinnreiche Apparat erlaubt aber nur beschr\u00e4nkte Anwendung, da die eingeschlossenen Thiere sehr bald statt in reiner Luft, in einem Gasgemische atbmen , das reich an COa und arm an Sauerstoff ist, wodurch die nat\u00fcrlichen Bedingungen der Athmung wesentlich umgestaltet werden. \u2014 Dieser Einrichtung hat sich ausser Berthollet auch noch Legallois**) bedient.\nFig. 66,\nb\n*) Schweigger, Journal f\u00fcr Chemie und Physik. I. Bd. 173.\n**) Annales de chimie et physique. IY. Bd* (1817), 1. u. 113,","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Gesammtgas Wechsel,\n557\nb. R\u00e9gnau lt und R eis et*) haben den eben beschriebenen Apparat wesentlich dadurch verbessert, dass sie mit dem Kasten eine Einrichtungin Verbindung bringen, welche es m\u00f6glich macht, dass die in jedem Augenblicke gebildete C02 absorbirt und durch das entsprechende Volum von Sauerstoffgas ersetzt wird, so dass der Druck und die Zusammensetzung der Luft innerhalb und ausserhalb des Beh\u00e4lters sich nahezu unver\u00e4ndert erh\u00e4lt. Ihr Apparat (Fig. 67) ist aus folgenden Theilen zusammengesetzt: A\nFig. 67.\nstellt ein Wassergef\u00e4ss vor, das durch die R\u00f6hre aaa in den Ballon B m\u00fcndet, welcher bei Beginn des Versuchs mit Sauerstoffgas gef\u00fcllt ist; dieser steht durch die R\u00f6hre bb in Verbindung mit dem Beh\u00e4lter C, der das athmende Thier aufnimmt. In diesen Raum \u00f6ffnen sich das Manometer cc und die zwei Schl\u00e4uche dd und ee, welche in zwei Ballons D und E eintreten, die Aetzkalil\u00f6sung enthalten. Die zuletzt erw\u00e4hnten Kaligef\u00e4sse k\u00f6nnen mittelst eines Treibwerkes in eine Bewegung gebracht werden, bei der das eine von beiden jedesmal aufsteigt, wenn das andere niedergeht. Da beide durch die R\u00f6hre ff commuiziren, so entleert sich der fl\u00fcssige Inhalt des aufsteigenden in das absteigende Gef\u00e4ss, und daf\u00fcr entleert das letztere seine Luft iu den Beh\u00e4lter C, w\u00e4hrend das erstere sich aus diesem mit Luft f\u00fcllt. Diese Wegnahme resp. Einf\u00fcllung von Luft aus den Kaligef\u00e4ssen geschieht nun aber wegen der Aufstellung der R\u00f6hreD ee und dd abwechselnd aus den oberen und den unteren Schichten des Athmungsbeh\u00e4lters. \u2014 Diese Weise zu beobachten l\u00e4sst nichts zu w\u00fcnschen \u00fcbrig, da ihre Erfinder zugleich zur Bestimmung der Gasarten vollendete analytische Hilfsmittel in Anwendung brachten, so besitzen unzweifelhaft ihre Beobachtungen das Uebergewicht \u00fcber alle anderen. Ein \u00e4hnliches Prinzip hat March and**) bei einem Theil seiner Versuche benutzt; es ist aber in seiner Ausf\u00fchrung nicht zu der erreichbaren Vollkommenheit gediehen.\nc. Das Verfahren von Scharling***) endlich beabsichtigt nicht alle, sondern nur einzelne Ver\u00e4nderungen, welche die Luft durch das Athmen erf\u00e4hrt, und insbesondere die gebildete C02 zu bestimmen. Er f\u00fchrt seine Beobachtungsobjekte in den luftdicht schliessenden Kasten A (Fig. 68.) und leitet durch diesen einen kohlens\u00e4urefreien Luftstrom, der bei a ein- und bei b aus dem Kasten dringt. Die aus der Atmosph\u00e4re eindringende Luft geht, bevor sie in den Kasten gelangt, durch einen mit Kali gef\u00fcllten Kugelapparat von Liebig k. Aus der andern bei b befindlichen Oefifnung f\u00fchrt ein Rohr durch mancherlei Zwischenst\u00fccke in ein grosses mit Wasser gef\u00fclltes\n*) Annales de chimie et physique. 26. Bd. (1849). 310.\n**) Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 44. Bd. 1.\n***) Liebig\u2019s Annalen, 45. Bd. 214. und Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 48. Bd. 435.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nGesammtgaswechsel.\nFig. 68.\nFass (B), dessen Inhalt aus der mit einem Hahne versehenen Oeffnung c in beliebig raschem Strome gelassen werden kann. Der Luftstrom, der durch das Rohr bd von dem ausfliessenden Wasser angesaugt hindurchging, musste zuerst einen gebogenen Abschnitt e, der mit S03 und Bimsteinst\u00fccke, dann einen Liebig\u2019sehen Kugelapparat / und darauf abermals ein Schwefels\u00e4urerohr g durchlaufen. Die Gewichtszunahme, welche die St\u00fccke / und g w\u00e4hrend des Versuches erfahren , r\u00fchrt von der beim Atbmen gebildeten C02 her. Diese Methode ist mit geringen Abweichungen von Le-tcllier*), Lehmann**), Erlach***), Philippif) u. A. in Anwendung gebracht.\n2. Die indirekte Methode zur Ermittelung der Gesammtmenge der Athmungs-produkte hat Bous singaultft) UQd nach ihm Barralfff), Scharlingg) u. A. in Anwendung gebracht. Sie besteht darin, dass man einmal ermittelt, wie viel N, C, H w\u00e4hrend eines Tages in der Nahrung aufgenommen und ebenso bestimmt, wie viel derselben in der nemlichen Zeit durch den Harn und Koth entleert wurde. Unter der Voraussetzung, dass zu Beginn und Ende der Beobachtungszeit der thierische K\u00f6rper dieselbe quantitative und qualitative Zusammensetzung besitzt, und dass kein Verlust an Speichel, Hautabschuppung, H\u00e4rung u. dergl. vor sich gegangen, giebt der Unterschied zwischen den aufgenommenen und entleerten Gewichten an N, C, H geradezu die gasf\u00f6rmigen ausgeschiedenen Gewichte der bezeichneten Stoffe. Es sind die hierbei angenommenen Voraussetzungen nicht in allen bisher angestellten Versuchen erwiesen. Wenn sie somit Vertrauen erwecken sollen, so m\u00fcsste wenigstens die empirische Anwendbarkeit vorg\u00e4ngig dadurch festgestellt werden, dass man einige Zeit hindurch gleichzeitig feste, fl\u00fcssige und luftf\u00f6rmige Ausleerungen der beobachteten Individuen bestimmte, um zu sehen, ob ihre Summe und atomistische Qualit\u00e4t gleich ist derjenigen der Nahrung.\nAus den Versuchen \u00fcber Gesamm tausscheid ung der Gase ergab sich :\n1. Aus dem thierischen K\u00f6rper wird Kohlens\u00e4ure, Wasserstoff, f\u00fcr gew\u00f6hnlich auch Stickstoff und gasf\u00f6rmiger Kohlenwasserstoff ausgestossen; die Ausscheidung des Kohlenwasserstoffs geschieht wahrscheinlich aus dem Darmkanal; sie ist zugleich meist so unbedeutend, dass sie vernachl\u00e4ssigt werden kann.\n*) Annales de chimie et physique. XII. Bd. (1845) 478.\n**) Abhandlungen der K. s\u00e4chsische Gesellschaft der Wissenschaften f\u00fcr 1845. 461.\n***) Versuche \u00fcber Respiration einiger mit Lungen athmender Wirbelthiere. Bern 1846. t) V alentin\u2019s Jahresbericht \u00fcber Physiologie f\u00fcr 1845. 222.\n+t) Annales de chimie et physique. X. (1844) 456. tit) Statique chimique des animaux. Paris 1850. 230. \u2014 Journal f\u00fcr prakt. Chemie, 48. Bd. \u00a7) Journal f\u00fcr prakt. Chemie. 36. Bd>","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Gesammtgaswechsel.\n359\nSchwefelwasserstoff, obwohl wahrscheinlich vorhanden, ist bis jetzt noch nicht aufgefunden. Die Aasscheidung von Ammoniak ist behauptet (Marchand) und bestritten (R\u00e9gnault, Reuling).\n2.\tDie Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der ausgehauchten und aufgenomme-nen Gase steht in innigster Beziehung zur Nahrung. Stickstoff wird in betr\u00e4chtlichster Menge ausgestossen nach reiner Fleischdi\u00e4t, in geringer Menge nach dem Gen\u00fcsse von Brod; dieses Gas wird dagegen aus der Atmosph\u00e4re w\u00e4hrend des Hungerns aufgenommen. \u2014 Von der gesammten Menge des aufgenommenen Sauerstoffs ist nach Brodnahrung bis zu 0,9, nach Fleischnahrung und Hungern bis zu 0,7 und nach sehr fetthaltiger Nahrung 0,6 in der ausgeschiedenen C02 wieder enthalten. Diese That-sachen erlauben die Ableitung, dass ein grosser Theil der aufgenommenen Nahrung alsbald dem Oxydationsprozesse verfalle, dessen Endprodukte auch wieder ausgeschieden werden. Der Theil des aufgenommenen Sauerstoffs, welcher sich unter den Ausw\u00fcrflingen nicht wieder mit Kohlens\u00e4ure vereinigt findet, ist nat\u00fcrlich verwendet worden zur Herstellung anderer Verbindungen. Unter der obigen Voraussetzung muss aber dieser letztere Antheil des verzehrten Sauerstoffs nach fettreichen Mahlzeiten gr\u00f6sser als nach brodreichen sein. Denn das Brod besteht vorzugsweise aus Kohlenhydraten, d. h. aus Verbindungen, welche neben Kohlenstoff Wasser und Sauerstoff und zwar in einem solchen Verh\u00e4ltniss enthalten, wie sie zur Wasserbildung nothwendig sind, w\u00e4hrend der in den Fetten enthaltene Sauerstoff nicht hinreicht, um ihren Wasserstoff zu Wasser zu verbrennen. Erfolgt also eine totale Verbrennung der Kohlenhydrate und Fette zu C02 und HO, so kann in dem einen Fall aller vorhandene freie Sauerstoff nur zur Oxydation des G, in dem andern aber muss er gleichzeitig zur C02- und HObildung verwendet werden. Dieser Schluss, dass die aufgenommenen Nahrungsmittel kurze Zeit nach ihrer Aufnahme der Oxydation anheim fallen, wird best\u00e4tigt durch das Verhalten des Stickstoffs bei der Athmung, indem nach dem Gen\u00fcsse der relatif stickstoffreichen Fleischnahrung die Ausbauchung desselben ihr Maximum erreicht, w\u00e4hrend bei Brod- und Fettnahrung entweder sehr wenig oder gar nichts von demselben gasf\u00f6rmig ausgestossen wird.\nDiese Erfahrung, dass sich nemlich die Bildung der Athmungsgase qualitativ anschlieSst an die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, hat wie es scheint auch ohne weitere direkte Versuche die allerdings wahrscheinliche Annahme erzeugt, dass mit der Vermehrung der Nahrungsmittel die absolute Menge der ausgeathmeten Gase und des eingeathmeten Sauerstoffs steige.\n3.\tR\u00fccksichtlich der Beziehung zwischen Athmung und K\u00f6rpergewicht ist thats\u00e4chlich festgestellt, dass bei zureichender Nahrung und sonst gleichen Umst\u00e4nden die Menge des eingeathmeten Sauerstoffs (R e g n a u 11, Reiset) und der ausgeathmeten C02 dem K\u00f6rpergewicht nicht genau proportional steigt, Namentlich bilden S\u00e4ugethiere von geringem Gewichte","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nGesammtgaswechsel.\nviel mehr C02, als solche von gr\u00f6sserem (Erlach). Diese Thatsache erlaubt zwei Erkl\u00e4rungen: entweder enthalten kleine Thiere verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, verm\u00f6ge deren die Verbrennung rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf Menschen von verschiedener Gr\u00f6sse anwendbar ist.\n4.\tAnstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte Menge der C02, und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache des gew\u00f6hnlichen Mittelwerthes betragen kann (Sch\u00e4dling).\n5.\tDie Unterdr\u00fcckung der Hautausd\u00fcnstung, wie sie dadurch erzeugt wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Lein\u00f6lfirniss \u00fcberzieht, bringt nach R\u00e9gnault und Reiset keine merkliche St\u00f6rung in das Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenommenen Sauerstoffs, und eben so wenig \u00e4ndert sich das Verh\u00e4ltniss dieses klsteren zu der ausgestossenen C02.\nDieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung eines luftdichten Verschlusses der Haut einlreten sah, ganz anderen Gr\u00fcnden als der St\u00f6rung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe Gerlach*).\n6.\tWenn man Fr\u00f6schen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die Leber ausschneidet, so geben sie weniger C02 in der Zeiteinheit aus, als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein, als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden k\u00f6nnte (Moleschott)**).\n7.\tBei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll die Menge der gelieferten C02 wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuchtigkeitsgrade und dem Barometerst\u00e4nde.\na.\tNach Le tel lier liefern dieselben Thiere bei 0\u00b0 noch einmal so viel C02, als bei 30\u00b0 C, sie dunsten dagegen in h\u00f6heren Temperaturen mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei l\u00e4ngerem Aufenthalte in der h\u00f6heren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren Stunden einen constanten Werth.\nb.\tNach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen C02 mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft.\nc.\tMit dem steigenden Barometerst\u00e4nde soll sich nach Lehmann die Menge der ausgestossenen C02 mehren; ihm steht die Versuchsreihe von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf eine Zunahme als auf eine Abnahme -der Kohlens\u00e4ureausscheidung zu schliessen w\u00e4re.\n8.\tBei einem l\u00e4ngeren, nahezu 24st\u00fcndigen Aufenthalt der S\u00e4uge-thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosph\u00e4ri-\n*) M\u00fcll er\u2019s Archiv. 1851. p. 467.\n**) M\u00fc l 1er\u2019s Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Umsetzung des Blutes innerhalb der Gelasse,\t361\nf\nsehen ab weicht, ergeben sich aus den Regnaul t - Reise t*sehen Versuchen :\na.\tIn einer Luft von der prozentischen Zusammenseztung C\u00d62 = 3,01, 0 = 17,42, N = 79,57 nahm in der Zeiteinheit ein Hund mehr 0 auf und hauchte mehr C02 aus, als in einer gleich temperirten Luft von der Zusammensetzung C02 = 0,77, 0 = J7,70, N = 81,53. \u2014 Die Reohachtung, dass dasselbe auf gleiche Weise gef\u00fctterte Thier in einer Luft von demselben 0- und gr\u00f6sseren C02gehalt mehr 0 aufnimmt und mehr C02 abgiebt, l\u00e4sst sich mit anderen Erfahrungen \u00fcber das Athmen nur daraus erl\u00e4utern, dass das Thier in der C02reichen Atmosph\u00e4re mehr Athemz\u00fcge unternommen habe.\nb.\tIn einer Atmosph\u00e4re, deren prozentische Zusammensetzung vom Reginn bis zu Ende des Versuchs zwischen C02 = 1,66, 0 = 59,75, N = 38,59 und C02 = 1,89, 0 = 57,62, N = 40,19 wechselte, hauchte das zu den vorigen Versuchen benutzte und in gleicher Weise gef\u00fctterte Thier nicht mehr N aus und nahm nicht mehr 0 auf, als in einer Luft von nahebei normaler Zusammensetzung. \u2014 Dieses wiederholt best\u00e4tigte Ergebniss steht in scheinbarem Widerspruche zu den Beohach-tungen von Allen und Pepys, dessen L\u00f6sung wir schon fr\u00fcher versucht haben.\nBemerkenswerthe Versuche einer Atmosph\u00e4re, deren Stickstoff zum gr\u00f6ssten Theil durch Wasserstoff ersetzt war, siehe bei R\u00e9gnault und Reiset, 1. c. p. 500.\nDie Angaben, welche aus der Anwendung der indirekten Methode fliessen, sind nachzusehen in dem Abschnitte, der von der Vergleichung der Ausgaben und Einnahmen des thierischen K\u00f6rpers handelt.\nUmsetzung des Rlutes innerhalb der Gef\u00e4sse.\nAm Schl\u00fcsse eines Abschnittes, der vorzugsweise von den Umsetzungen der Atome des Blutes handelt, nachdem diese die Gef\u00e4ssh\u00f6hlen verlassen haben, erscheint es nicht unpassend, darauf einzugehen, ob das Blut auch innerhalb der Gef\u00e4ssr\u00f6hren eine Umsetzung erfahre. F\u00fcr eine solche spricht zuerst die Zusammensetzung des Blutes aus Verbindungen, die bei der Temperatur des- thierischen K\u00f6rpers durch den Sauerstoff so leicht umgesetzt werden, und dann die zahlreiche Ber\u00fchrung mit verschieden geeigenschafteten Fl\u00fcssigkeiten, aus denen das Blut Stoffe aufnimmt, die theils zu einander und theils zu den urspr\u00fcnglichen Blut-bestandtheilen lebhafte Verwandtschaft zeigen, theils g\u00e4hrungerzeugend*) und theils g\u00e4hrend sind. Dazu kommt, dass in der Blutfl\u00fcssigkeit ein eigenth\u00fcmliches Gewebe, die Blutk\u00f6rperchen, schwimmt, welches von spezifischer Zusammensetzung auch eine von der des Blutplasmas abweichende Umsetzung darbieten muss. Nach dieser Einleitung ist man erstaunt, zu erfahren, dass sich die Beweise f\u00fcr das thats\u00e4chliche Bestehen der\n#) Buhl, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019g Zeitschrift. N. F. VI. Bd, p. 100.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"Blutbildung.\n364\nUmsetzung des Blutes nur sparsam auffinden lassen, und dass die Art des chemischen Vorganges in ein vollkommenes Dunkel geh\u00fcllt ist.\nMit Gewissheit darf man behaupten, dass ausser den schon erw\u00e4hnten Stoffver\u00e4nderungen, welche bei der Athmung in der Lunge vor sich gehen, die Lymphk\u00f6rperchen unter Einbusse ihres fettigen Inhaltes in Blutk\u00f6rperchen umgesetzt und diese wieder innerhalb des Blutstromes zerst\u00f6rt werden. Ohne diese Annahme w\u00fcrde es unverst\u00e4ndlich sein, warum sich die beiden Formbestandtheile nicht in s Unendliche im Blute anh\u00e4ufen, da sie fortw\u00e4hrend in das letztere durch den Lymphstrom gef\u00fchrt werden und doch nicht als solche aus dem Blutstrome austreten k\u00f6nnen, ohne vorher eine totale Aufl\u00f6sung erfahren zu haben, so lange die Gef\u00e4sswandungen unverletzt sind. Ebenso deutlich weist auf eine chemische Umsetzung des Zuckers der Umstand, dass er in dem Blute des rechten Herzens auftritt, w\u00e4hrend er im linken Herzen gar nicht oder nur sehr sparsam wiedergefunden wird. Worin aber alle diese Umsetzungen bestehen, zu welchen Produkten sie f\u00fchren, ist vollkommen unbekannt ; so viel l\u00e4sst sich nur wahrscheinlich machen, dass die Bildung von C02 entweder gar nicht oder nur sehr langsam zu Stande kommt, da arterielles Blut, welches bei Durchgang durch die Capillaren, durch die Ber\u00fchrung mit den Geweben also, sehr rasch in ven\u00f6ses \u00fcbergeht, seine hellrothe Farbe sehr lange bewahrt, wenn es f\u00fcr sich, z. B. in eine Arterie des lebenden Thieres eingeschlossen, aufbewahrt wird. Dieses w\u00e4re aber unm\u00f6glich, wenn sich mit Hilfe seines Sauerstoffs eine merkliche Menge von C02 gebildet h\u00e4tte. \u2014 Diese geringe Summe von Erfahrungen macht es unm\u00f6glich, die alte Streitfrage zu entscheiden, ob die aus der Nahrung in das Blut \u00fcbergegangenen Speisen sich sogleich im Blute oder erst in den Geweben umsetzen.\nin. Blutbildung.\nDas Blut ergoss in den Binnenraum des K\u00f6rpers, in dessen H\u00f6hlen und Gewebe, fortw\u00e4hrend Atome, aus denen der chemische Umsatz in den letzteren bestritten wurde, und nicht minder treten aus ihm in die auswerfenden Dr\u00fcsen Stoffe, welche aus den chemischen Prozessen innerhalb der Organe hervorgegangen waren. Diese Erscheinungsreihe setzt nothwendig voraus, dass die Atome, welche in die Gewebe und die geschlossenen H\u00f6hlen ausgesendet waren, wieder zum Blut zur\u00fcckkehren, damit ihre Ausscheidung auf Haut, Lunge, Niere m\u00f6glich sei, und ferner, dass von aussen her w\u00e4gbare Stoffe in den K\u00f6rper eingef\u00fchrt werden, welche den Verlust decken, den das Blut als Gewebsern\u00e4hrer erleidet. Naturgem\u00e4ss zerf\u00e4llt also die Lehre von der Blutbildung in die","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung aus den Geweben.\n363\nDarstellung des R\u00fcckstromes aus den Geweben (Resorptio) und in die Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio).\n/\nAufsaugung aus den Geweben.\nEinleitung. Der Strom, welcher aus den Geweben in das Elut zur\u00fcckgeht, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Geschwindigkeit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein m\u00e4chtiger angesprochen werden, der im K\u00f6rper des erwachsenen Menschen t\u00e4glich nach Kilogrammen zu sch\u00e4tzen ist. Diese gewaltige Masse, welche weitaus tibertrifTt die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen, macht es von vorne herein begreiflich, dass der R\u00fcckstrom nicht allein f\u00fchren kann die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der zwischen dieselben eingelagerten Fl\u00fcssigkeiten. Die chemische Untersuchung, so weit sie vorgenommen, best\u00e4tigt nun in der That diese Voraussicht, indem sie nicht allein erkennen l\u00e4sst, dass in dem aus den Geweben wieder aufgesogenen L\u00f6sungsgemenge die wesentlichen Blutbestandtheile in unver\u00e4nderter Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge dieser letzteren unvergleichlich viel bedeutender ist, als diejenige der wirklichen Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung. Aus diesen \u00fcberraschenden Erfahrungen erw\u00e4chst uns also die Ueberzeugung, dass aus dem Blute viel mehr austritt, als nothwendig w\u00e4re zum einfachen Ersatz der Zerst\u00f6rungen, welche durch das Leben in den festen und fl\u00fcssigen Organbestandtheilen angebracht sind, und dass demnach der gr\u00f6sste Theil der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder unver\u00e4ndert in das Blut zur\u00fcckkehrt. So besteht also ein innerer Kreislauf der ern\u00e4hrenden Fl\u00fcssigkeiten, welchen Bidder und Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus den Speisen in das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege (Lunge, Niere, Haut) als intermedi\u00e4ren Kreislauf bezeichnet haben.\nDie erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes ist also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe und die K\u00f6rperh\u00f6hlen. Diese letztere w\u00fcrde ein unbegreifliches Faktum sein, wenn die Blutfl\u00fcssigkeit in den Geweben nur bef\u00f6rdert w\u00fcrde durch die Anziehung dieser letzteren ; da wir aber in dem vorstehenden Abschnitte kaum Spuren einer solchen Beziehung aufgefunden, da wir im Gegen-theil bemerkt haben, dass andere allgemeiner wirkende Ursachen die S\u00e4ftebewegung aus dem Blute unterhalten, so kann uns in der That, so lange sich die Betrachtung nur an die groben Umrisse h\u00e4lt, die Erscheinung nichts Befremdendes bieten. Das Blut, welches in den Gef\u00e4ssen enthalten ist, strebt, wie wir wissen, durch die por\u00f6sen Wandungen hindurch seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen mit den ausserhalb der Gef\u00e4sse liegenden Fl\u00fcssigkeiten. Mehrt sich also z. B. nach der Verdauung der Gef\u00e4ssinhalt, so wird die mittlere Spannung","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nAufsaugung von den Blutgef\u00e4ssen.\nin denselben wachsen, und sogleich wird ein Theil desselben in die Gewebe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg wird zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit der vermehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die Zusammensetzung des Blutes \u00e4ndert, oder auch, wenn die chemische Anordnung der Gewebsfl\u00fcssigkeiten nach gesteigertem Umsatz derselben eine Aen-derung erf\u00e4hrt. Denn dann werden die Diffusionsstr\u00f6me lebhafter von statten gehen. Dazu kommen nun aber noch Absonderungen in Folge gesteigerter Nervenerregung, welche u. A. nachweislich in Dr\u00fcsen bestehen, die ihre S\u00e4fte in zeitweise geschlossene H\u00f6hlen ergiessen. Diese Einrichtungen m\u00fcssen nun bei den fortlaufenden Ver\u00e4nderungen in den Zust\u00e4nden ebensowohl der Fl\u00fcssigkeiten diesseits und jenseits der Gef\u00e4sswand, als auch in denen dieser letzteren selbst, einen reichlichen Fl\u00fcssigkeitserguss veranlassen.\nUnsere n\u00e4chste Aufgabe stellt sich nun dahin, nachzusehen, auf welchen Wegen und durch welche Mittel die ergossenen Massen wieder in das Blut zur\u00fcckkehren. , Die Erfahrung lehrt, dass dieses auf zweierlei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Filtration ?) in die Blutgef\u00e4sse selbst und dann durch Aufnahme in die Lymphgef\u00e4sse.\nAufsaugung von den Blutgef\u00e4ssen.\n1. Zu der Zeit, in welcher die in der Diffusionslehre vorgetragenen Thatsachen entweder gar nicht bekannt waren oder wenigstens nicht im vollen Maasse gew\u00fcrdigt wurden, war man geneigt, den unmittelbaren Uebertritt gewisser Stoffe aus den Gewebss\u00e4ften in das Blut g\u00e4nzlich zu leugnen, oder man musste mindestens, um das Bestehen eines solchen Stromes zu beweisen, zu direkten Versuchen am lebenden Thiere schreiten. Diese Versuche, welche lange Zeit das Interesse der Physiologen in Anspruch nahmen*), haben nun wirklich die Aufsaugung durch die Blutgef\u00e4sse in dem Umfange dargethan, in welchem es von der Diffusionstheorie gefordert wird. Beim gegenw\u00e4rtigen Stande der letzteren Theorie und bei unseren Kenntnissen von den Eigenschaften des Blutes, der Ge-webss\u00e4fte und der Gef\u00e4ssh\u00e4ute d\u00fcrfte es schwieriger sein, die Aufsaugung durch die Blutgef\u00e4sse zu bestreiten, als zu behaupten. Denn einmal sind beide Fl\u00fcssigkeiten, das Blut und der Gewebssaft, w\u00e4sserige L\u00f6sungen von verschiedener qualitativer und quantitativer Zusammensetzung; ferner wird eine vollkommene chemische oder diffusive Ausgleichung beider Fl\u00fcssigkeiten verhindert, indem sich einerseits das Blut fortlaufend in den Aussonderungswerkzeugen reinigt und zeitweise Eiweissstoffe oder Salze des Wassers aus den Speisen aufnimmt, w\u00e4hrend anderseits durch die chemische Umsetzung in Gewebsfl\u00fcssigkeiten Stoffe entstehen, welche in dem Blute entweder gar nicht oder nur in geringem Maasse vorhanden\n*) Heusinge\u00ef\u2019s Xoten zu Mag eu die\u2019s Physiologie * II, Bd. p. 242.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung von den Blutgef\u00e4ssen.\n365\nsind ; dazu kommt, dass das Blut in ausgebreitetem und verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig raschem Strome die Gewebe durchkreist, so dass eine und dieselbe Blutmenge in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes nur ganz untergeordnete Ver\u00e4nderungen erfahren kann; endlich aber sind die Gef\u00e4ssh\u00e4ute durchg\u00e4ngig f\u00fcr Wasser und f\u00fcr die in dem Blute und den Gewebes\u00e4ften aufgel\u00f6sten festen und gasf\u00f6rmigen Bestandtheile.\nTheorie und Beobachtung haben nun allerdings die Existenz der Gef\u00e4ssaufsaugung festgestellt, aber viel weiter haben sie bis dahin die Sache nicht f\u00f6rdern k\u00f6nnen. Die Theorie nicht, weil die Zusammensetzung der Gewebsfl\u00fcssigkeiten sehr unvollkommen, die Diffusionsge-schwindigkeit ihrer einzelnen Bestandtheile, die Conzentrationsunterschiede zwischen Blut und Gewebsfl\u00fcssigkeiten und die Durchgangsf\u00e4higkeit der Gef\u00e4ssh\u00e4ute f\u00fcr die in Betracht kommenden Stoffe unter den gegebenen Verh\u00e4ltnissen gar nicht bekannt sind. Der Versuch konnte aber nicht Vordringen, weil es unm\u00f6glich ist, die Ver\u00e4nderungen, welche an der Gewebsfl\u00fcssigkeit oder an dem Blute Vorgehen, zu beschr\u00e4nken auf diejenigen, welche die Gef\u00e4ssaufsaugung in ihnen hervorbringt, ln der That wirkt auf die in den Gewebsr\u00e4umen enthaltene Fl\u00fcssigkeit die fortlaufende Umsetzung und Sekretion, die gleichzeitige Aufsaugung durch die Lymph-gef\u00e4sse ver\u00e4ndernd ein; das Blut aber, welches mit den Gewebss\u00e4ften in Ber\u00fchrung war, wird durch den Strom vollst\u00e4ndig abgef\u00fchrt und mit anderen Blutarten gemischt.\nDie bis dahin in Anwendung gebrachten Methoden beschr\u00e4nken sich meist auf den Nachweis, dass ein f\u00fcr gew\u00f6hnlich im thierischen Organismus nicht vorkommender Stoff von den Gef\u00e4ssen aufgenommen wurde. Um dieses Ziel zu erreichen, bediente man sich als Kennzeichen f\u00fcr den erfolgten Uebertritt in das Blut entweder der chemischen Pr\u00fcfung dieses letzteren, was bei leicht nachweisbaren Substanzen, z. B. Blutlaugensalz und Farbstoffen, geschah, oder man untersuchte den nach der Anwendung des betreffenden Stoffes entleerten Harn, oder endlich man benutzte die physiologische Reaktion (Vergiftungserscheinungen). Die Gewissheit, dass die Aufnahme nur durch die Gef\u00e4sse hindurch geschehen sei, verschaffte man sich auf verschiedene Art. Entweder man legte ein l\u00e4ngeres St\u00fcck eines gr\u00f6sseren Gef\u00e4sses vollkommen frei, setzte in das obere und untere durchschnittene Ende desselben ein Rohr, so dass das isolirte Gef\u00e4sst\u00fcck mit dem \u00fcbrigen Gef\u00e4sssysteme nur in Verbindung stand durch diese R\u00f6hren, und brachte nun unter dasselbe eine isolirende Metall- oder Papierrinne, in welche man die aufzusaugende L\u00f6sung einf\u00fcllte (Magendie). Diese Art zu experimentiren l\u00e4sst keinen Zweifel dar\u00fcber, ob der betreffende Stoff durch die GeF\u00e4sswand gegangen sei, aber sie entfernt den Diffusionsakt sehr von den nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen. \u2014 Eine andere Methode stellte zuerst fest, ob von einer bestimmten K\u00f6rperstelle aus, z. B. von der Darmoberfl\u00e4che, der Haut u. s. w., Aufsaugung eines bestimmten Stoffes geschah. Darauf wiederholte man den Versuch nach Unterbindung aller zuf\u00fchrenden Blutgef\u00e4sse (Segalus) oder aller abf\u00fchrenden Lymphgef\u00e4sse (Magendie), oder der Unterbindung des ductus thoraci-cus, oder der Durchschneidung aller Verbindungen eines Gliedes mit dem K\u00f6rper, die grossen Arterien und Venen ausgenommen (Magendie, K\u00fcrschner). \u2014 Drittens untersuchte man, einige Zeit nach Anwendung der aufzusaugenden Substanz, den Inhalt der Blut- und Lymphgef\u00e4sse; wurde er in den erstem aufgefunden und in den","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"866\nAnfsaugung von den Blutgef\u00e4ssen.\nletztem vermisst, so durfte man den unmittelbaren Uebergang in das Blut annehmen (Flandrin, Tiedemann und Gmelin). Viertens endlich bestimmte man die Zeit, welche verfloss, damit ein aufgelegtes Gift t\u00f6dtlich wirkte, oder ein beliebiger Stoff im Harn erschien. War der Zeitraum sehr kurz, so schloss man auf direkte Ueber-fuhrung in das Blut, da der Lymphstrom sich nur sehr langsam weiter bewegt.\n2. Von den in den Geweben zerstreuten fl\u00fcssigen Atomeji kehren geradewegs durch die Gef\u00e4ssh\u00e4ute in das Blut wieder ein: Wasser, C02, Salze der Alkalien mit unorganischen und organischen S\u00e4uren, Zucker und Farbstoffe, wahrscheinlich auch Leucin, Tyrosin, Harnstoff, Kreatin und Kreatinin und andere l\u00f6sliche Umsetzungsprodukte der Gewebe. Die Gewissheit, dass die zuerst genannten Substanzen geradezu vom Blut aufgesogen werden, sch\u00f6pfen wir aus der Beobachtung, dass sie, die offenbar aus den Geweben herstammen, im Blute, nicht aber in den Lymphgef\u00e4ssen angetroffen werden, oder dass sie, wenn letzteres der Fall, wenigstens in einer solchen Weise und an solchen Orten des Gef\u00e4sssystems gefunden werden, die es verbietet, ihre Anwesenheit auf Rechnung der Verbindungen zwischen Blut- und Lymphgef\u00e4ssen zu schieben. Den Ueber-tritt der zuletzt aufgez\u00e4hlten Verbindungen erschlossen wir, weil dieselben im Blute angetroffen werden und die Theorie der Diffusion es zu fordern scheint, und zwar darum, weil sie sich im Wasser zerstreuen, und sie in den Geweben offenbar in reichlicherem Maasse als im Blute angetroffen werden. Ob einzelne Modifikationen der Eiweissstoffe, die im Blute sparsamer als in besonderen Dr\u00fcsen- und Gewebss\u00e4ften Vorkommen, direkt in die Gef\u00e4sse treten, ist ungewiss, w\u00e4hrend es im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich ist, dass die reichlich im Blute vertretenen Eiweissk\u00f6rper nicht in dasselbe diffundiren (K\u00fcrschner).\n3. Dem Vorstehenden entsprechend ist es unm\u00f6glich, anzugeben, mit welcher Geschwindigkeit jeder einzelne der wirklich aufgesogenen Stoffe eintrete, je nach dem Conzentrationsunterschiede innerhalb der Gewebss\u00e4fte und dem Blute, der anderweiten Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeiten, in denen er gel\u00f6st ist, der Gef\u00e4ssabtheilung, durch deren Wand er tritt, und dem Spannungsunterschied, der zwischen dem Blute und dem Gewebss\u00e4fte besteht. Die noch sehr unvollkommenen Versuche lassen jedoch schlossen, dass der Vorgang nach den bekannten Diffusionsgesetzen geregelt werde. Denn es ist der Strom aus dem Gewebe in das Blut um so lebhafter, je conzentrirter die \u00e4ussere L\u00f6sung ist, je zarter die Gef\u00e4sswand, durch die er sich bewegt, also durch die Capillarenwand rascher, als durch die der Venen, und durch diese endlich geschwinder, als durch die Arterien (Magendie). Schliesslich nimmt auch die Geschwindigkeit ab, wenn die Spannung im Gef\u00e4ssrohr steigt im Verh\u00e4ltniss zu der ausserhalb vorhandenen. So gelang es Magendie, die aufsaugende Bewegung zu beschleunigen durch einen Aderlass^ sie aber zvl verlangsamen durch Einspr\u00fctzung von Blut oder Wasser","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse.\t367\nin die Gef\u00e4sslumina ; der letztere Effekt kann auch erreicht werden, wenn man nach Entfernung der Epidermis auf die Haut einen aufsaug-baren Stoff legt und \u00fcber diesen einen luftverd\u00fcnnten Raum (Schr\u00f6pfkopf) schichtet (Barry); unter dieser Bedingung wird, wegen der Entfernung des \u00e4usseren Luftdruckes, die innere Spannung relativ erh\u00f6ht.\nEinige Th\u00e4tsachen, die auf diesen Akt Bezug haben, werden in der Verdauungs-lehre erw\u00e4hnt. Eine Aufz\u00e4hlung der zahlreichen Gifte oder dem thierischen K\u00f6rper in der Norm fremder Stoffe, welche durch Gef\u00e4ssaufsaugung aufgenommen werden, berichtet die Arzneimittellehre bei Gelegenheit der endermatischen Methode.\nAufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse.\n1. Anatomischer Bau des aufsaugenden Apparates*). Die Lymph-gef\u00e4ssst\u00e4mme, welche in die Schl\u00fcsselbeinadern m\u00fcnden, verlieren sich schliesslich in Gef\u00e4ssen, die, nachdem sie mehrmals durch Dr\u00fcsen gegangen sind, auf eine oder die andere Art blind in den Geweben enden. \u2014 a. Wandungen. Die ersten Anf\u00e4nge der Lymphgef\u00e4sse, namentlich die des Darmkanales, entbehren einer besonderen Wandung; an die H\u00f6hle des Lymphgef\u00e4sses grenzt hier unmittelbar das Gewebe der Zotten und jenseits dieser im Unterschleimhautzellgewebe die dichtgedr\u00e4ngten Bindegewebsb\u00fcndel (Br\u00fccke). Von da ab gewinnen aber die Gef\u00e4sse eine besondere strukturlose elastische Wandung, welche sich an die oben genannten B\u00fcndel des Bindegewebes unmittelbar ansehliesst. Wenn sich das Gef\u00e4ss so weit vergr\u00f6ssert hat, dass es entweder nahezu oder wirklich schon mit blossem Auge sichtbar ist, so legt sich auf die innere Fl\u00e4che der strukturlosen Haut eine Schicht von Deckzellen, auf die \u00e4ussere Fl\u00e4che aber eine Lage von Faserzellen, die sich zu Querfasern zusammenordnen, und an diese schliesst sich streifiges Bindegewebe an. Die Faserzellen m\u00fcssen unzweifelhaft zum Muskelgewebe gerechnet werden, da es gelingt, durch elektrische Schl\u00e4ge den Durchmesser der mit ihnen behafteten Lymphgef\u00e4sse zu verkleinern. Die Dicke der Wand ist im Verh\u00e4ltniss zur Weite des Lumens zwar immer gering; sie nimmt jedoch mit dem steigenden Durchmesser dieses letzteren zu. Die in die Gef\u00e4ssh\u00f6hlen ragenden Klappen sind aus elastischem Bindegewebe gebaut, dessen freie Oberfl\u00e4che mit Deckzellen belegt ist. \u2014 Die Kapsel der J^ymphdr\u00fcsen ist eine elastische Bindegewebshaut, in welche Faserzellen (Heyfelder) eingestreut sind. Von ihrer inneren Fl\u00e4che aus erstrecken sich gleich gebaute Forts\u00e4tze, welche die kleinen Hohlr\u00e4ume umgrenzen, und von diesen zweigen sich noch feinere* aus Faserzellen bestehende F\u00e4den ab, welche die kleinen Hohlr\u00e4ume selbst\n*) K\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre* 2*Auflage. 586. \u2014 Noll,.Henje\u2019s u, Pfeufer\u2019s Zeitschrift. IX. Bd. 52.\u2014 E. Br\u00fccke, Wiener akadfem. Denkschriften. 1850.\u2014 Derselbe, Sitzungs-t>eri\u00e7ht\u00a3 d?r Wiener Akademie, IX. Bd. 8SOO. u# X. Bd. 27. \u2014 C, Bruch, Zeitschrift f\u00fcr Wissenschaft!. Zoologie. IV. Bd. 282, \u2014 Bonders, Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. p. 232 u. f.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nAufsaugung durch die Lympbgef\u00e4sse.\ndurchsetzen (R\u00f6Hiker). \u2014 Ob diese Faserzellen zu den Muskeln geh\u00f6ren, ist zweifelhaft; Heyfelder brachte sie zur Zusammenziehung, Don der s misslang es. \u2014 b. Anordnung der Gef\u00e4ssh\u00f6hlen. Ueberall, wo die unregelm\u00e4ssigen L\u00fccken zwischen den Gewebselementen die Gef\u00e4ssh\u00f6hlen darstellen, l\u00e4sst sich \u00fcber Form und Zusammenziehung der letzteren nichts allgemein G\u00fctiges aussagen. Die ersten scharf begrenzten cylindrischen Gef\u00e4ssh\u00f6hlen, die man gewahrt, haben einen mikroskopischen Durchmesser; sie bilden mit den Nachbarn weitmaschige Netze, welche aber bald zu feinen St\u00e4mmchen Zusammenfl\u00fcssen, die auf l\u00e4ngeren Strecken ihren Durchmesser unver\u00e4ndert erhalten, selbst wenn sie gleich starke Gef\u00e4sse aufnehmen oder abgeben. Diese St\u00e4mmchen treten endlich zu weniger zahlreichen, aber immerhin engen Kan\u00e4len zusammen, so dass nach allen diesen wohl der Gesammtquerschnitt des Gef\u00e4ss-systems von den Wurzeln nach den St\u00e4mmen in einer Abnahme begriffen sein d\u00fcrfte. \u2014 Die H\u00f6hlung der ausgepr\u00e4gten Gef\u00e4sse erweitert sich auf ihrem Verlaufe gew\u00f6hnlich mehrmals zu einer kugeligen Auftreibung, Dieses letztere geschieht nun entweder sogleich, nachdem der diffuse Lymph-raum in eine eigene Haut eingefangen ist, wie in den Pey er\u2019sehen Dr\u00fcsen, Tonsillen u. s. w. (E. Br\u00fccke), oder erst im Verlaufe eines grossen Lymphstammes, welcher sich dann aber erst in mehrere Zweige zerkl\u00fcftet, von denen jeder einzelne eine Erweiterung erf\u00e4hrt; in diesem Falle werden alle Einzelauftreibungen von einer gemeinsamen H\u00fclle umschlossen, so dass die Gesammtheit derselben eine aus einem Haufen von elementaren Lymphdr\u00fcsenzusammengesetzte darstellt (Noll, C. Ludwig). Dabei hat man sich jedoch nicht zu denken, dass in der gemeinsamen H\u00fclle einer zusammengesetzten Lymphdr\u00fcse eine kleinere oder gr\u00f6ssere Zahl ringsgesonderter kugeliger S\u00e4ckchen eingeschlossen sei, und dass von und zu jedem ein besonderes Lymphgef\u00e4sschen gehe, sondern vielmehr so, dass der von der gemeinschaftlichen Kapsel abgegrenzte Raum in mehrere unvollkommene von einander geschiedene Abtheilungen zerfalle, welche hergestellt werden durch die von der Kapsel ausgehenden, schon vorhin erw\u00e4hnten Forts\u00e4tze. Somit k\u00f6nnte man auch mit K\u00f6lliker sagen, die Kapsel der Lymphdr\u00fcse umschliesse ein dem corpus cavernosum penis analoges F\u00e4chergewebe. Der Hohlraum dieses Gewebes ist nun mit Blutgef\u00e4ssen, zu Netzen angeordneten Spindelzellen, Lymphe und Lymph-k\u00f6rperchen erf\u00fcllt. Die aus ihnen hervorkommenden Lymphgef\u00e4sse vereinigen sich, nachdem sie ganz nahe an der Dr\u00fcse einen Plexus gebildet haben, wieder zu einem St\u00e4mmchen.\nAus verschiedenen Organen und Geweben gehen sehr ungleiche Mengen von Lymphgef\u00e4ssen hervor. Vorzugsweise reichlich gehen sie aus Bindegewebsr\u00e4umen oder saftreichen Dr\u00fcsen hervor (Leber, Milz, Leder- und Schleimhaut), sparsam aus dem Gehirn und den Muskeln.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch die Lyinpbgef\u00e4sse.\n369\n2. Lymphe*). Da sich* in den ductus thoracicus auch der aus der Aufl\u00f6sung der Speisen resultirende Saft ergiesst, so bleibt einstweilen die Betrachtung seines Inhaltes ausgeschlossen ; die folgenden Bemerkungen beziehen sich also nur auf die Fl\u00fcssigkeit, welche in den Ge-f\u00e4ssen des Kopfes, Halses und der Extremit\u00e4ten eingeschlossen ist.\nDie Lymphe ist ein Gemenge aufgeschwemmter und fl\u00fcssiger Stoffe; je nach dem Verh\u00e4ltniss dieser Bestandteile ist sie milchigt, tr\u00fcb oder wasserheli.\nDie aufgeschwemmten Theilchen sind Molekulark\u00f6rnchen, Kerne, gr\u00f6ssere und kleinere kernhaltige Zellen (weisse Blut- und Lymphk\u00f6rperchen) und gef\u00e4rbte Blutk\u00f6rperchen, welche nach G \u00fcbler und Quevenne in der menschlichen Lymphe kleiner als die des Blutes sind; beim Hunde fehlen in der Halslymphe zuweilen die gef\u00e4rbten Scheiben ganz (Krause). Die Haut, die diesen Gebilden und namentlich den zuersterw\u00e4hnten zukommt, besteht aus einer in Essigs\u00e4ure l\u00f6slichen Eiweissart; ihr Inhalt ist, teilweise\nwenigstens, namentlich in den Molekulark\u00f6rnchen, ein fetthaltiger. _\nDie Fl\u00fcssigkeit hat behufs der chemischen Analyse noch nicht von den aufgeschwemmten Theilen geschieden werden k\u00f6nnen. Ihre Zusammensetzung kann darum nur erschlossen werden aus der Untersuchung der Gesammtlymphe. Diese enth\u00e4lt aber: a. Faserstoff in aufgel\u00f6ster Form; nach der Entleerung der Lymphe gerinnt derselbe und giebt, indem er die aufgeschwemmten Bestandteile einschliesst, Veranlassung zur Entstehung eines sehr lockeren, wenig zusammenh\u00e4ngenden Kuchens. Der Faserstoff der Lymphe und der des ven\u00f6sen Blutes stimmen in ihren Eigenschaften \u00fcberein (Lehmann). \u2014 b. Albumin und Albuminnatron; die Anwesenheit des Letzteren nimmt man nach Geiger darum an, weil ein grosser Theil des Eiweisses erst nach vorg\u00e4ngiger Neutralisation mit Essigs\u00e4ure durch Erhitzung ausgef\u00e4llt werden kann. \u2014 c. Fette, und zwar \u00f6lige, feste, krystallisirbare und verseifte. \u2014 d. Zucker; von Gubler und Quevenne in der menschlichen Lymphe nachgewiesen. In der aus dem Halsstamm des Hundes ergossenen Fl\u00fcssigkeit ist er ein nie fehlender Bestandteil, selbst wenn er im Blute nicht nachgewiesen werden kann (Krause). \u2014 e. Extrakte von unbekannter Zusammensetzung; die in den fr\u00fcheren Untersuchungen aufgef\u00fchrten d\u00fcrften nach Geiger wesentlich als Albuminnatron anzusehen sein. \u2014 f. Unorganische Bestandteile, und zwar Ammoniaksalze, Chlornatrium und Chlorkalium, phosphorsaure, schwefelsaure, kohlensaure Alkalien, Eisenoxyd und Wasser.\nDie Variationen der Zusammensetzung nach Zeit und Ort sind noch wenig bekannt. Die Molekulark\u00f6rnchen sollen vorzugsweise in den Lymph-gef\u00e4ssen vor ihrem Eintritt in die Dr\u00fcsen bei fetten Individuen oder auch\n) H. Nasse, Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. II. 363. \u2014 Herbst, Das Lymphgef\u00e4sssystem und seine Verrichtung. \u2014 Gubler u. Quevenne, Gazette med. 1854. 17. Jun. et sq. \u2014 W. Krause, Henle\u2019s und Pfcufer\u2019s Zeitschrift. N. F.\nLudwig, Physiologie. II.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nAufsaugung durch die Lymphgefasse.\neinige Zeit nach einer reichlichen Mahlzeit Vorkommen; die Lymphk\u00f6r-perchen erscheinen erst in den Gef\u00e4ssen jenseits der Dr\u00fcsen (Br\u00fccke). Blutk\u00f6rperchen, die immer sparsam vorhanden sind, trifft man in der Milz- und Halslymphe an (Nasse, Herbst), und zwar vorzugsweise, wenn ein Theil der Dr\u00fcsen, aus denen der Halsstamm hervorgeht, durchweg roth gef\u00e4rbt ist. In diesen F\u00e4llen liegt der Verdacht einer Extravasation aus den Blutgef\u00e4ssen nahe (K r a use). \u2014 Der Gehalt der Lymphe hungernder Thiere soll reicher an Eiweiss und daf\u00fcr \u00e4rmer an Wasser sein, als die gef\u00fctterter (?) (Chevreul, L\u2019heritier und Gmelin). Die Beobachtungen zur Begr\u00fcndung der letzteren Behauptung sind allerdings insofern nicht vollkommen vergleichbar, da die beiden ersteren Chemiker ihr Objekt aus dem ductus thoracicus eines hungernden Hundes und Menschen, der letztere sie aus dem Lendengeflecht des hungernden Pferdes nahm. \u2014 Krause best\u00e4tigt am Hunde, dass ein und dasselbe Thier unmittelbar und in den ersten Stunden nach der Mahlzeit eine um mehrere Prozente verd\u00fcnntere Lymphe ausgiebt, als nach 24 st\u00e4ndigem Hungern.\nQuantitative Zerlegungen der menschlichen Lymphe aus den unteren Extremit\u00e4ten gaben Marchand und Colberg, deren Objekt jedoch leider in beginnender F\u00e4ulniss stand, und Quevenne. Nach dem letzteren enthielten 100 Theile:\n\ti.\tII.\nFibrin\t\t0,056\t0,063\nFett\t\t0,382\t0,920\nAlbuminnatron mit 0,01 j pCt. 3Ca0P05\t!\t| 4,275\t4,280\nAlkoholextrakt .\t. j\tI 0,570\t0,390\nZucker .\t.\t.\t. j\t\t0,050\nNaOCl .\t.\t.\t.\t|\t| 0,730\u201c\t0,640\n2Na0P05 u. NaO C02 j\t\t0,180\nWasser\t\t93,987\t93,477\nNach W. Krause schwankt bei einem und demselben und bei verschiedenen Hunden der prozentische Gehalt der Lymphe an festen Bestandteilen \u00fcberhaupt zwischen 2,8 bis 5,0 und der unorganischen zwischen 0,86 und 0,44. Die an festem R\u00fcckstand reichste Lymphe f\u00fchrt keineswegs immer am meisten Salze.\nAusser*) diesen gew\u00f6hnlichen Bestandtheilen kommen auch zahlreiche andere in der Lymphe vor; es scheint, als ob alle in der Fl\u00fcssigkeit des Bindegewebes anf-l\u00f6slichen Stoffe in ihr erscheinen k\u00f6nnten; namentlich ist es festgestellt, dass narkotische Gifte, was man l\u00e4ngere Zeit unter dem Einfl\u00fcsse von Emmert l\u00e4ugnete, in die Lymphe \u00fcbergehen (Bi sch off).\n3. Lymphbildung. \u2014 a. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Erzeugung der Lymphe vor sich geht, ist nach Krause abh\u00e4ngig von der\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. I. 35. \u2014 IV. Bd. 63. \u2014 V. Bd. 293. \u2014 Zeitschrift f\u00fcr physiol. Heilkunde. XI. Bd. 23. \u2014 Frankel, De resorpt. yasor. lymphatic. Berlin 1847.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse.\nNervenerregung, unabh\u00e4ngig dagegen von dem Blutdruck und innerhalb beschr\u00e4nkter Grenzen unabh\u00e4ngig von dem Termine der F\u00fctterung. Aus dem Halsstamm eines und desselben Hundes erhielt er n\u00e4mlich gleich viel Lymphe, mochten die beiden Carotiden unterbunden oder durchg\u00e4ngig sein, und ebenso floss aus dem ge\u00f6ffneten Halsstamm nicht weniger Lymphe nach 24st\u00fcndigem Hungern, als unmittelbar oder einige Stunden nach der reichlichsten Mahlzeit. Der Ausfluss wurde dagegen sogleich beschleunigt, als der ram. lingual, trigemini (und n. hypoglossus?) entweder an seiner peripherischen Verzweigung oder in seinem Verlaufe am Unterkiefer durch elektrische Schl\u00e4ge erregt wurde; diese Steigerung des Ausflusses hielt so lange an, als die Erregung des Nerven andauerte. Der absolute Werth der Geschwindigkeit, mit welcher die Lympherzeu-gung vor sich geht, ist nicht bestimmbar, weil, abgesehen von allem Uebrigen, die Ausbreitung der Fl\u00e4chen unbekannt ist, aus denen der Strom gespeist wird, welcher der Messung unterworfen wurde. Keinen-falls ist aber der Werth ein geringer. So fingen G \u00fcbler und Que-venne aus einer Oeffnung, die sich in einer Anschwellung eines Schen-kellymphgef\u00e4sses einer Frau fand, in der Stunde 120 Gr. auf. Da der Strom aus der Oeffnung mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit (zwei Tage hindurch) vor sich ging, so betrug der 24 st\u00fcndige Verlust, den das Individuum an Lymphe erlitt, 2900 Gr., eine Zahl, die sehr gross erscheint, wenn man bedenkt, dass ausser dem angestochenen noch viele andere Lymphgef\u00e4sse aus dem Schenkel aufsteigen. In Uebereinstimmung mit dieser Beobachtung sind andere von Ass a li ni und J. M\u00fcller. Aus dem Halsgef\u00e4ss des Hundes erhielt Krause in Abwesenheit der k\u00fcnstlichen Nervenerregung :\nBezeichnung des Hundes.\nBezeichnung des Gef\u00e4sses.\nMittlere Grammenzahl der Lymphe in 15 Minuten.\nGewicht des halben Kopfes.\nMittlere Grammenzahl der Lymphe f\u00fcr 1 Kilo Kopf in 24 Stunden.\nrechts\nlinks\nrechts\nlinks\nrechts\nlinks\n4,08\n5,88\n3.41 5,20\n4.42 5,76\n0,965 Kilo. 1,290\t\u201e\n1,025\n405,8 Gramm.\n585.0 259,6\n387.0\t\u201e\n414.0 539,5\nb. Entstehungsart. Die Lymphe eines jeglichen K\u00f6rpertheiles bezieht ihr Material aus zwei Orten, von denen der eine an den Wurzeln der Lymphgef\u00e4sse und der andere in den Dr\u00fcsen gelegen ist; der erstere liefert, wie wir vermuthen, alle oder mindestens den gr\u00f6ssten Theil der Fl\u00fcssigkeit, der zweite die K\u00f6rperchen. \u2014 Die Hervorbildung der Lymphe aus dem Blute und das Eindringen derselben in die Gef\u00e4sswurzeln ist mit dem tiefsten Dunkel umh\u00fcllt; nur negative Bestimmungen scheinen sich rechtfertigen zu lassen, namentlich, dass die Spannung des Blutes in seinen Gef\u00e4ssen nicht die wesentliche Ursache ihrer Absonderung ist,\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nAufsaugung durch iiie Lymphgef\u00e4sse.\ndenn sonst w\u00fcrde die Unterbindung der Carotiden, welche die Spannung des Blutes im Kopfe wesentlich mindern muss, nicht ohne Einfluss auf die Absonderungsgeschwindigkeit der Lymphe geblieben sein. Dagegen scheint die Vermuthung von Donders*), dass sich an der Lymphbildung ein elektrischer Diffusionsstrom betheilige, durch die Versuche von Krause eine Best\u00e4tigung erfahren zu wollen. Ebenso scheint es festzustehen, dass man die alte Ansicht, die Lymphe sei ein verd\u00fcnntes Blutplasma, verwerfen muss, denn obwohl beide Stoffe mancherlei Sehnlichkeiten bieten, so sind doch die aus den Gef\u00e4ssen getretenen Blut-bestandtheile nur zum Th eil unver\u00e4ndert geblieben, wie dies namentlich aus der Anwesenheit des Zuckers und der caseinartigen Substanz hervorgeht. Endlich gewinnt es auch den Anschein, als ob die Fl\u00fcssigkeit bei ihrem Durchtritt durch die Lymphdr\u00fcsen nicht die Ver\u00e4nderungen erf\u00fchre, welche man dort vorauszusetzen pflegt. Die Fl\u00fcssigkeit, welche aus den Gef\u00e4sswurzeln anlangt, kommt allerdings hier von Neuem in Ber\u00fchrung mit den Blutgef\u00e4ssen, welche in\u00ab die Dr\u00fcsenr\u00e4ume hineinragen, aber sie bleibt in einer nur sehr kurz dauernden Ber\u00fchrung mit ihnen, da der Dr\u00fcsenraum von geringer L\u00e4ngenausdehnung ist und die Menge von Lymphe, welche t\u00e4glich durch ihn str\u00f6mt, sehr bedeutend ist. \u2014 Die Bildungsst\u00e4tte der K\u00f6rperchen sind die Dr\u00fcsen, denn die in sie eindringende Lymphe f\u00fchrt wenig oder gar keine und die ausdringende sehr viel K\u00f6rperchen. Die Feststellung dieser Thatsache hat sehr zahlreiche anatomische Angaben \u00fcber die Formfolge bei der Entstehung der Lymphk\u00f6rperchen beseitigt, die s\u00e4mmtlich von der Voraussetzung ausgingen, dass die Lymphk\u00f6rperchen frei schwimmend in der Fl\u00fcssigkeit sich entwickelten. Noch mehr, es wird sogar zweifelhaft, ob die Lymphk\u00f6rperchen die Vorstufen der Blutk\u00f6rperchen sind, und namentlich, ob die in der Lymphe gefundenen Blutscheiben dort entstanden sind oder nicht vielmehr durch Extravasation aus den Blutgef\u00e4ssen in die Dr\u00fcsen\neingedrungen und der Lymphe beigemengt sind. Im Widerspruche zu\n*\ndieser Vermuthung steht allerdings die Angabe von G \u00fcbler, dass die gef\u00e4rbten Lymphzellen weniger umfangreich als die rothen Blutk\u00f6rperchen seien, ohne dabei verschrumpft zu sein.\n4. Lymphstrom. Die spannenden und bewegenden Kr\u00e4fte, welche der str\u00f6menden Lymphe zukommen, sind jedenfalls unbedeutend. F\u00fcr die Spannung der Lymphe hat dieses Noll erwiesen durch das Manometer, welches er bei Hunden und Katzen in den Halsstamm einsetzte. In diesen Versuchen schwankte die Spannung zwischen 10 bis 30 MM. Wasserdruck. Die Giltigkeit dieses Verhaltens kann auch f\u00fcr den Lymphstrom des Menschen behauptet werden, weil die Wandungen der Gef\u00e4sse bei gleichem Durchmesser ihres Lichten von einer \u00e4hnlichen Dicke sind,\n*) Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. 239.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse.\n373\nwie die des Hundes. \u2014 Die Geschwindigkeit des Lymphstromes kann aber ebenfalls nur unbedeutend sein, weil schon die langen und engen Gef\u00e4sse, noch mehr aber die Lymphdr\u00fcsen, einen so grossen Widerstand einf\u00fchren. Zudem str\u00f6mt aus einem ge\u00f6ffneten Lymphgef\u00e4ss die Fl\u00fcssigkeit nur tropfenweise aus. \u2014 Die Richtung des Stromes muss unter allen Umst\u00e4nden von den Wurzeln nach den Venen gehen; dieses ergiebt sich schon ganz einfach aus der besonderen Anordnung der Klappen, welche, bekanntlich in sehr kurzen Zwischenr\u00e4umen aufeinander folgend, so gestellt sind, dass sie den Strom nur in der bezeichneten Richtung m\u00f6glich machen. \u2014 Zu den Gewalten, welche die Spannung und Rewegung der Lymphe unterhalten, z\u00e4hlen, wie Noll nachgewiesen, jedenfalls die Respirationsbewegungen und die Pressungen, welche die umliegenden Muskeln geradezu oder auf Umwegen auf die Gef\u00e4sse aus\u00fcben. \u2014 Reide Einfl\u00fcsse wirken hier ganz in derselben Weise, die schon ausf\u00fchrlich beim Rlutstrom besprochen wurde (pag. 99 u. f.). Ausserdem kann nicht wohl bestritten werden, dass auch zeitweise die Muskeln in der Wand des Lymphgef\u00e4sses dem Inhalte eine Bewegung mittheilen werden. Daneben aber steht auch fest, dass diese drei Umst\u00e4nde gewiss nicht die einzigen Triebfedern des Lymphstromes darstellen. Denn es besteht auch noch die Lymphbewe-gung an Orten, wo keine Muskeln, weder innerhalb noch jenseits der Muskeiwand, wirksam sein k\u00f6nnen, wie z. B. in den Lymphgef\u00e4ssen der Knochen und in den Anf\u00e4ngen der Lymphgef\u00e4sse mit muskelfreien Wandungen ; zudem ergiebt die Beobachtung der biosgelegten Lymphgef\u00e4sse oder des in sie eingef\u00fcgten Manometers, dass der Strom oft unter derselben Spannung lange Zeit hindurch anh\u00e4lt, ohne irgend welche sichtbare Ver\u00e4nderung in dem Durchmesser des Gef\u00e4sses oder ohne dass irgend welche Zusammenziehung in den umgebenden Muskeln bemerklich ist. Endlich erfolgt aber, wie aus den Beobachtungen von Stannius*) hervorgeht, auch noch die Lymphbewegung in todtenstarren Gliedern. Die Respirationsbewegung kann aber nicht Ursache des dauernden Stromes sein, da sie selbst in der N\u00e4he der Einm\u00fcndung des Gef\u00e4sses in die Vene nur sehr unbedeutende Spannungsver\u00e4nderungen erzeugt und keinenfalls jenseits der Dr\u00fcse hinwirkt ; die m\u00f6gliche Unabh\u00e4ngigkeit unseres Stromes von diesen Bewegungen wird aber am besten durch den bekannten Versuch erwiesen, dass ein Gef\u00e4ss, wenn es auch zugeschn\u00fcrt ist, sich zwischen den Wurzeln und dem Unterbindungsfaden strotzend anf\u00fcllt, obwohl sich durch die unterbundene Stelle hindurch die Folgen der Respirationsbewegung gar nicht geltend machen k\u00f6nnen. \u2014 Nach alle diesem liegt es nahe, zu vermuthen, dass die Gewalt, welche die Fl\u00fcssigkeit in die Gef\u00e4sse treibt, auch die Fortf\u00fchrung durch dieselben zu vermitteln m\u00f6ge. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es nun bemerkenswert!!, dass\n#) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. XX. 23,","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nZufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.\nauch am todten Thiere, bevor der Inhalt der Gef\u00e4sse geronnen, der Lympbstrom unterhalten werden kann, wenn man durch Einspr\u00fctzung von Wasser in die Blutgef\u00e4sse eine wassers\u00fcchtige Anschwellung der Gewebe bewirkt, und dass die Spannung, unter der die Lymphe str\u00f6mt, sich steigert mit der zunehmenden Anf\u00fcllung des Unterhautzellgewebes (Noll).\nZufuhr neuer Blutbestandtheile durch die Speisen.\nDer Verlust, den der thierische K\u00f6rper an w\u00e4gbaren Atomen erleidet durch Ausscheidung von Harn, Koth, Dunst, Epithelialzellen, Samen, Milch u. s. w., erf\u00e4hrt seine Ausgleichung durch eine Aufnahme von festen, fl\u00fcssigen und gasf\u00f6rmigen Stoffen. Da wir bei der Athmung schon das Eindringen des Sauerstoffs besprochen haben, so bleibt es uns hier noch \u00fcbrig, den Gewinn an festen und fl\u00fcssigen Massen zu behandeln, welche durch den Darmkanal hindurch in das Blut eindringen.\nA. Nahrungsbed\u00fcrfniss*).\nEine Reihe von eigent\u00fcmlichen Empfindungen, die wir Hunger und Durst nennen, bestimmt den Menschen Nahrung aufzunehmen.\nDer Hunger dr\u00fcckt sich durch eine eigent\u00fcmliche, nicht n\u00e4her zu beschreibende Empfindung in der Magengegend aus; er ist meist mit einem brennenden oder dr\u00fcckenden Gef\u00fchle in der Herzgrube verbunden, und es gesellt sich, wenn sie einige Zeit bestanden, zu ihr eine unbehagliche, leidenschaftliche Stimmung und der bestimmt ausgesprochene Wunsch nach fester Nahrung.\n1. Hunger erzeugende Nerven. Man ist im Unklaren dar\u00fcber, welcher Nerv die angegebene Empfindung vermittelt, da die einzige Auskunft, welche man zu geben im Stande ist, nur aussagt, dass wahrscheinlich einer der empfindlichen Magennerven die Veranlassung zum Hungergef\u00fchl gebe. Der einzige stichhaltige Grund f\u00fcr diese Annahme ist durch die Erfahrung gegeben, dass \u00f6rtliche Einwirkungen auf den Magen den Hunger zu tilgen im Stande sind. So ist es namentlich Beobachtungsergebniss, dass unmittelbar nach der Anf\u00fcllung des Magens mit Speise und insbesondere bevor die eingef\u00fchrte Nahrung verdaut oder in merklicher Menge in das Blut aufgenommen ist, der Hunger gestillt wird; und ferner, dass der Hunger, selbst wenn ausserdem noch so gute Gr\u00fcnde f\u00fcr den Eintritt desselben vorhanden sind, sich nicht einstellt, wenn die Absonderung aus der Magenschleimhaut ver\u00e4ndert oder die Anf\u00fcllung ihrer Blutgef\u00e4sse jenseits eines gewissen Grades gesteigert ist.\nDie scheinbare Ortsempfindung, die dem Hunger zukommt, nemlich das eigen-th\u00fcmliche Gef\u00fchl in der Magengegend, w\u00fcrde sich dem oben gegebenen Wahr-\n*) Volkmann, Handw\u00f6rterbuch der Physiologie, n. p. 588. \u2014 Longet, anatomie et physio-\nlogie du syst\u00e8me nerveux. II. p. 327. - Moleschott, die Physiologie d. Nahrungsmittel Dfirnfstfiut 1850\u00bb p\u00ab 77*","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Hunger.\n375\nscheinlichkeitsgrunde unterst\u00fctzend anschliessen, oder vielmehr die Hypothese, welche einen der Magennerven als Hunger erzeugenden ansieht, zur Thatsache erheben, wenn es festst\u00e4nde, dass ein jeder Gef\u00fchlsnerv nur die Orte seiner Endverbreitung zur Empfindung bringen k\u00f6nnte. Da diese Annahme aber nicht bewiesen ist, so liegt noch die andere offen, dass die Seele Empfindungen , die von anderen Nerven erzeugt werden, auf den Magen bezieht. \u2014 Der Versuch, mittelst Nerven-durchschneidungen ins Klare zu kommen, scheint bis dahin erfolglos geblieben zu sein. Namentlich hat man neuerlichst \u00fcbereinstimmend festgestellt, dass Thiere, deren nn. vagi am Halse durchnitten waren, unter Umst\u00e4nden noch begierig die Vorgesetzte Speise verzehrten (Reid, Longet, Bidder u. A.), und dass ebenso Katzen nach DurchschneiduDg der nn. splanchnici noch frassen (Haffter, C. Ludwig). Diese Beobachtungen widerlegen aber keinenfalls die Annahme, dass sich an diese Nerven die Huugerempfindung kn\u00fcpfe,- da noch mannigfaltige andere und namentlich psychische Gr\u00fcnde Veranlassung zur Aufnahme der Speisen geben k\u00f6nnen. Diesen letzteren m\u00fcsste man es allerdings Schuld geben , wenn den Thieren, wie es Longet ausf\u00fchrte, neben den nn. vagi auch noch die Geschmacksnerven durchschnitten sind. \u2014 M\u00f6glicher Weise ist aber der Hunger auch eine Empfindung, die sich gleichzeitig zusammensetzt aus der Erregung der Magen- und noch vielfacher anderer Nerven, wie dieses Volkmann und Longet behaupten.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche die S\u00e4fte oder Organe, in welche die Hungernerven eingebettet sind, erleiden m\u00fcssen, um die Erregung dieser letztem zu veranlassen, kennen wir nicht; statt dessen sind uns nur einige ganz allgemeine Bedingungen bekannt, unter denen sie entsteht. Namentlich stellt sich der Hunger ein nach l\u00e4ngeren Enthaltungen der Nahrung; die Zeit, welche nach einer Mahlzeit verstreichen muss, bevor sich das Bed\u00fcrfniss nach einer neuen einfmdet, variirt mit der Menge zuletzt aufgenommener Nahrung und mit dem Blutverbrauch w\u00e4hrend der Enthaltung von derselben; so beschleunigen Muskelanstrengungen, Entleerungen blut\u00e4hnlicher Fl\u00fcssigkeiten (Samen-, Milch-, Eiterverlust)\u2019, Ablagerungen von Blutbestandtheilen in die Gewebe (Wachsthum, Erholungsstadium nach Krankheiten) den Eintritt desselben. \u2014 Ferner ist sein Kommen abh\u00e4ngig von seelischeu Erregungen, indem er sich einstellt zu gewissen Tageszeiten, an denen wir gew\u00f6hnt sind zu essen; man ver-muthet in diesem Falle die Abwesenheit von Bedingungen, die den vorher erw\u00e4hnten \u00e4hnlich sind, weil ein solcher Hunger auch leicht wieder verschwindet, ohne dass das Nahrungsbed\u00fcrfniss durch Aufnahme von Speise befriedigt wurde.\nMan giebt auch an, dass der Genuss einiger stark schmeckender Stoffe, wie z. B. des Pfeifers, essbarer Seethiere (Austern, H\u00e4ringe) \u00fc. s. w., Hunger erregt (?). \u2014 Auch soll es einen pathologischen Hunger, den sog. Bulimus, geben, wor\u00fcber Moleschott am bezeichneten Orte S. 87 um Rath zu fragen ist.\nDie Stillung des Hungers kann entweder geschehen durch die Abstumpfung der Erregbarkeit oder durch Entfernung der erregenden Ursache. \u2014 Auf den ersteren Fall wird man schliessen, wenn das Gef\u00fchl nach l\u00e4ngerem Bestehen verschwindet, auch ohne dass Nahrungsmittel aufgenommen sind, oder wenn Arzneistoffe, die die Erregbarkeit ab-","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nDursf,\nstumpfen, wie z. B. Tabak, Opium, Alkohol u. s. w., genossen wurden. \u2014 Die Entfernung der erregenden Ursache ist gegeben, wenn der Magen mit verdauungsf\u00e4higen Speisen erf\u00fcllt wurde; ob das Hungergef\u00fchl fortdauert, wenn in den Magen unverdauliche Stoffe eingef\u00fchrt werden, ist unbekannt.\nNach einer Anf\u00fcllung des Magens tritt auch noch ein anderes Gef\u00fchl, das der S\u00e4ttigung hervor, welches als das bestimmte Zeichen f\u00fcr das Genug der Nahrung angesehen werden muss. Dieses h\u00e4ngt wahrscheinlich von verschiedenen Umst\u00e4nden ab, namentlich aber scheint es begr\u00fcndet zu sein in dem Drucke, welchen die Umgebung des Magens, insbesondere die Bauchdecken, durch die Anf\u00fcllung desselben erfahren.\nNicht zu vernachl\u00e4ssigen, aber noch weiter zu constatiren, ist die Angabe, dass der Hunger auch zum Verschwinden gebracht werden soll, wenn die Nahrungsmittel statt in den Magen in einer solchen Form und Mischung in den Mastdarm eingef\u00fchrt werden, dass sie in das Blut ein-gehen k\u00f6nnen.\n2.\tDurst. Das Gef\u00fchl, als dessen n\u00e4chstes seelisches Resultat das Begehren nach Wasser auftritt, \u00e4ussert sich als eine Empfindung der Rauhigkeit und des Brennens in der hintern Schlundwand, dem weichen Gaumen und der Zungenwurzel. \u2014 Die Nerven, deren Erregung sich als Durst ausdr\u00fcckt, liegen wahrscheinlich auch an den eben genannten Orten, da eine isolirte Durchtr\u00e4nkung derselben den Durst mindert oder aufhebt. Wir haben so die noch unentschiedene Wahl zwischen Vagus, Glossopharyngeus, Trigeminus. \u2014 Die Durstempfindung stellt sich ein, wenn der prozentische Wassergehalt der Gaumen- und Rachenhaut unter einen gewissen Werth sinkt, wie dieses z. B. geschieht nach reichlichem Wasserverlust des Blutes, ohne den entsprechenden an festen Bestandtheilen (Wasserabscheidung durch Haut und Lungen), oder nach \u00f6rtlicher Eintrocknung des Mundes durch eingezogene Luft, oder nach dem Genuss salziger, wasseranziehender und wasserabf\u00fchrender Stoffe. Die obige Definition schliesst die Folgerung in sich, dass ein gleicher Verlust an Wasser und den wesentlichen festen Theilen selbst bei vollkommener Entbehrung des Wassers nicht zum Durst f\u00fchren kann. Diese Behauptung hat Chossat durch den Versuch best\u00e4tigt, welcher zeigte, dass die Thiere, denen die festen Speisen bis zum Verhungern entzogen waren, auch das Wasser entweder ganz verschm\u00e4hten oder nur sparsam benutzten, welches ihnen in der Hungerzeit gereicht wurde. \u2014 Die Stillung des Durstes ist m\u00f6glich sowohl durch \u00f6rtliche Befeuchtung des Rachens, als auch durch Einf\u00fchrung von Wasser in das Blut, gleich-g\u00fctig, ob es dorthin durch den Magen, durch den Dickdarm oder durch direkte Einspr\u00fctzung in die Venen gelangte'.\n3.\tDas Nahrungsbegehren beschr\u00e4nkt sich aber bekanntlich nicht bloss darauf, Stoffe festen und fl\u00fcssigen Aggregatzustandes zu verlangen,","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Wahl der Nahrung.\n377\nes dringt auf Stoffe ganz bestimmter Zusammensetzung, die sog, Speisen, und unter diesen w\u00e4hlt es je nach dem Bedtirfniss des Organismus auch noch die eine oder andere vorzugsweise aus. Die Gr\u00fcnde, welche bei dieser Wahl das h\u00f6here Thier vorzugsweise bestimmen, liegen offenbar in den Geruchs- und Geschmackswerkzeugen, in dem Temperaturgrad des K\u00f6rpers und der Speisen, in dem Widerstand, den die letzteren beim Kauen den Z\u00e4hnen entgegensetzen, in Erinnerungsbildern u. s. w. Keinenfalls kann aber eine spezifische und pr\u00e4destinirte Beziehung zwischen dem Nahrungsbegehren und der Nahrf\u00e4higkeit der geforderten Substanz angenommen werden ; denn es verschm\u00e4ht bekanntlich ein Hund das Fleisch, wenn es vollkommen mit Wasser ausgezogen, von allen schmeckenden Substanzen befreit ist, trotz seiner ausgezeichneten F\u00e4higkeit, die Ern\u00e4hrung zu unterst\u00fctzen ; die unverdaulichen S\u00e4gesp\u00e4hne aber, welche mit Bratenbr\u00fche bespr\u00fctzt sind, frisst er begierig.\n4. Dem Nahrungsbegehren steht der Ekel entgegen; veranlasst wird dieser seelische Zustand durch unbestimmte Empfindungen in der Rachenh\u00f6hle, \u00e4hnlich denen, welche einem Brechanfall vorausgehen; es scheint demnach, als ob ihn nn. vagus oder glossopharyngeus einleiteten. Da zu den ihn erregenden Umst\u00e4nden Kitzeln der Rachenh\u00f6hle, Schleimanh\u00e4ufungen daselbst, gewisse Ger\u00fcche und Geschm\u00e4cke und Erinnerungen an diese letzteren geh\u00f6ren, so ist es begreiflich, dass sich der Ekel ebensowohl gegen die Nahrung \u00fcberhaupt als auch gegen einzelne Speisen richten kann.\nB. Nahrung.\n1. Der unwiederbringliche Verlust des Blutes liess sich schliesslich zur\u00fcckf\u00fchren auf den seines Wassers, seiner Mineralsalze, seiner Fette und Eiweissstoffe; also muss die Nahrung diese Verbindungen entweder geradezu einbringen, oder wenigstens solche Stoffe, aus denen jene Atom-combinationen innerhalb des thierischen K\u00f6rpers hervorgehen k\u00f6nnen. Diese neu einzuf\u00fchrenden Atome m\u00fcssen jedoch, wenn sie den Fett- und Eiweissverlust ersetzen wollen, in Verbindungen anlangen, weiche \u00e4rmer an Sauerstoff sind, als die, in welchen sie den Organismus verlassen, da sie in diesem dann doch endlich jedesmal oxydirt werden ; ausserdem m\u00fcssen auch die Verbindungen der Nahrungsmittel mehr Spannkr\u00e4fte f\u00fchren als die Ausw\u00fcrflinge, da der thierische K\u00f6rper theils bei der W\u00e4rmebildung und theils bei der Muskelzusammenziehung Spannkr\u00e4fte in lebendige umsetzt. \u2014 Diese Bestimmungen sind nun, wie man leicht einsieht, noch lange nicht gen\u00fcgend, um die besondere Combination der n\u00e4hrenden Atome festzustellen, da sich in der That die geforderten Bedingungen auf unz\u00e4hlige Weisen erf\u00fcllen lassen, wenn dem Darm-kanale oder seinen Hilfswerkzeugen die Bef\u00e4higung zukommt, beliebige sauerstoffarme G-, H-, N Verbindungen zu Eiweiss und Fett zusammenzu-","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nNahrungsmittel.\nordnen. Diese Unbestimmtheit, welche die theoretische Feststellung der Nahrungsmittel \u00fcbrig l\u00e4sst, hat die Erfahrung kurzweg beseitigt. Sie zeigte nemlich, dass den Verdauungswerkzeugen die oben vorausgesetzte comhinatorische Bef\u00e4higung abgehe, und zwar geschah dieses durch den schlagenden Versuch, dass die Thiere unrettbar dem Hungertode entgegengehen, wenn ihnen die im Eiweiss und Fett enthaltenen Atome in anderer Verbindung als gerade in dieser gereicht werden. Demgem\u00e4ss m\u00fcssen in der Nahrung mindestens enthalten sein: Eiweissartige Stoffe (Fibrin, Casein, Albumin etc.), Fette (Olein, Stearin, Margarin, .Palmitin), Natron, Kali, Eisenoxyd, Magnesia, Kalk, Chlor, Fluor, Phosphors\u00e4ure, Wasser. Die obigen Ableitungen lassen es aber begreiflich zu, dass in den Nahrungsmitteln neben den aufgez\u00e4hlten noch andere Verbindungen enthalten sein k\u00f6nnen, da sie nicht behaupten, dass nur mit Fetten und Eiweiss u. s. w. die Zwecke des thierischen K\u00f6rpers erreicht werden k\u00f6nnten. Im Gegentheil, es ist sogleich einleuchtend, dass dieses nach der einen oder anderen Seite hin auch mittelst der ersten Abk\u00f6mmlinge der Eiweissstoffe und Fette, oder mit Hilfe von Atomgruppen geschehen k\u00f6nne, die jenen Abk\u00f6mmlingen nach Zusammensetzung und Eigenschaften nahe stehen. In der That enthalten nun die wirklich aufgenommenen Nahrungsmittel auch noch solche Gruppen, von denen hervorzuheben sind: Kohlenhydrate (Amylon, Dextrin, Zucker); von diesen werden die beiden ersteren mindestens bis zum Zucker umgewandelt. Obwohl Zucker aus anderen Stoffen im Thierleibe selbst gebildet wird (Leber, Muskeln), so f\u00fchrt ihn doch selbst die nat\u00fcrliche Nahrung des S\u00e4uglings (Milchzucker) ; der Erwachsene sucht die Kohlenhydrate so begierig, dass es sogar fraglich wird, ob sie nicht zu den absolut nothwendigen Nahrungsmitteln z\u00e4hlen. Die Nahrung enth\u00e4lt ferner leimgebende Stoffe (Bindegewebe und Knorpel); diese sind h\u00e4ufig aber keineswegs nothwendig. Endlich enth\u00e4lt die Nahrung h\u00e4ufig organische S\u00e4uren (Essig-, Milch-, Aepfel-, Citronens\u00e4ure) und deren Salze.\n2. Die Nahrung, welche das Leben erhalten soll, muss also ein Gemenge mindestens von Eiweiss, Fetten und den bezeichneten Mineralien sein, zu denen meist noch die Kohlenhydrate kommen. Die Ge-wichtsverh\u00e4ltnnisse der einzelnen Nahrungsmittel in diesem Gemenge sind keine constanten, wie die oberfl\u00e4chlichste Betrachtung der menschlichen Nahrung ergiebt. Diese Erscheinung ist erkl\u00e4rlich, wenn man die Umsetzungen und Ausscheidungen in und aus dem thierischen K\u00f6rper betrachtet. Denn es stellt sich dieser letztere als eine Zusammensetzung sehr mannigfaltiger bis zu einem gewissen Grade von einander unabh\u00e4ngiger Zersetzungsherde heraus. Je nachdem nun in dem einen oder andern die Umsetzung sich mindert oder mehrt, muss sich also bei gleichbleibenden Umsatz der einen Stoffgruppe derjenige einer anderen ver\u00e4nderlich gestalten. Statt aller erinnern wir nur an die eine","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrungsmittel.\n379\nhierher geh\u00f6rige Erscheinung, dass die Ausscheidung des N gases, Harnstoffes, Wassers, Kochsalzes u. s. f. durch Lunge, Niere und Haut einen ver\u00e4nderlichen Betrag gewann mit dem Gehalte des Eiweisses, Amylons, Wassers u. s. w. in der Nahrung selbst. \u2014 So umfangreich nun aber auch der prozentige Gehalt der einzelnen Bestandtheile in der Gesammt-nahrung wechseln kann, so ist er doch nur innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen; namentlich darf als feststehend gelten: a) Innerhalb der Nahrung nimmt das Wasser das gr\u00f6sste und die feuerfesten Mineralbe-standtheile das geringste Gewicht ein; in der Mitte zwischen beiden liegen die organischen Stoffe. \u2014 b) Der Nahrung, welche f\u00fcr die Dauer das Leben erhalten soll, darf niemals fehlen Wasser, die aufgez\u00e4hlten Salze und die Eiweissstoffe; fraglich ist dagegen, ob der Nahrung des Menschen das Fett entbehrlich ist, wenn es durch Kohlenhydrate ersetzt wird. \u2014 c) Bei einer Steigerung der Fette und Kohlenhydrate d\u00fcrfen, unbeschadet der Lebenserhaltung, die prozentigen Werthe der Eiweissstoffe abnehmen und umgekehrt. \u2014 Weitere Zus\u00e4tze zu diesen Bemerkungen giebt noch der Abschnitt \u00fcber Vergleichung von Einnahme und Ausgabe.\n3.\tDamit dieses Gemenge aber n\u00e4hrf\u00e4hig sei, muss noch Folgendes erf\u00fcllt sein: a) die einzelnen Nahrungsbestandtheile m\u00fcssen in ihm in der Art Vorkommen, dass es den verdauenden S\u00e4ften gelingen kann, sie so weit umzuwandeln, dass sie in das Blut \u00fcberzugehen im Stande sind. Namentlich m\u00fcssen also die Nahrungsstoffe nicht in einer innerhalb des Darmkanals unl\u00f6slichen und unzersetzbaren Verbindung gereicht werden, oder sie d\u00fcrfen nicht von unl\u00f6slichen und undurchdringlichen H\u00fcllen umgeben sein. \u2014 b) Da die Nahrungsmittel, mit Ausnahme der Salze und des nicht nothwendigen Zuckers, sich gleiehgiltig gegen die Nerven verhalten, so m\u00fcssen sie nervenerregende, schmeckende, heissende, brennende u. dgl. Zus\u00e4tze erfahren. Denn nur damit wird es m\u00f6glich, die Speichel- und Magendr\u00fcsen, die unter dem Einfl\u00fcsse der Nerven absondern, zur Bildung einer gen\u00fcgenden Menge verdauender S\u00e4fte zu veranlassen. Diese Beigabe, das Gew\u00fcrz, besteht je nach der Bildung und Empfindlichkeit des Geschmacksinnes aus sehr verschiedenen Stoffen.\nWir verweisen bez\u00fcglich der Gew\u00fcrze auf Moleschott und Rochleder*). Man findet dort auch Mittheilungen \u00fcber mancherlei andere Stoffe, die der Mensch nur des Geschmackes, oder auch der Hirnerregung, der Verlangsamung oder Beschleunigung des Stoffwechsels u. s. w. wegen aufnimmt.\n4.\tSpeisen. Die Mischungen einfacher Nahrungsmittel oder der Speisen, wie sie die Natur oder Kunst bietet, sind, vorausgesetzt, dass man R\u00fccksicht auf die Nahrung aller Erdbewohner nimmt, von uns\u00e4glicher Verschiedenheit, je nach den Eigenth\u00fcmlichkeiten des Wohnortes, der Culturstufe und der Race der sie geniessenden Menschen. Untersucht man aber genauer die Werke der Kochkunst, welche von weitaus\n*) Genussmittel und Gew\u00fcrze, Wien 1852,","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nSpeisen.\nden meisten Individuen unter den gebildeten Nationen verzehrt werden, so gewahrt man bald, dass diese sich im Ganzen doch nur weniger, von der Natur gebotener Gemische, als Elemente ihrer complizirten Gerichte und Mahlzeiten bedienen. Zu diesen nat\u00fcrlichen Speisen, auf denen das leibliche Wohl des besten Theiles der Menschheit ruht, geh\u00f6rt: das Fleisch einiger S\u00e4ugethiere (der Wiederk\u00e4uer, weniger Nager und Dickh\u00e4uter), einiger V\u00f6gel und vieler Fische, die Milch der Wiederk\u00e4uer, die Eier grosser V\u00f6gel, das Mehl von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Rohnen, Erbsen und Kartoffeln, einige Raumfr\u00fcchte, einige wenige Gem\u00fcse (R\u00fcben, Kraut u. s. w.) und endlich Quellwasser. Zu diesen gemischten Nahrungsmitteln kommen schliesslich noch einige einfache Zucker, Fette, Oele und Kochsalz.\nDa der gr\u00f6sste Theil de\u00e7selben erst dann gegessen wird, nachdem er in der K\u00fcche mancherlei Umwandlungen seines nat\u00fcrlichen Zustandes erfahren hat, so wird eine physiologische Retrachtung jener Speisen auf diese Umwandelungen R\u00fccksicht zu nehmen haben. Ganz allgemein betrachtet , stellt sich nun die Kochkunst drei ganz verschiedene Aufgaben. Zuerst mischt sie die nat\u00fcrlichen Speisen noch weiter, namentlich setzt sie ihnen mancherlei Gew\u00fcrze hei; zweitens befreit sie die Nahrungsmittel von unverdaulichen Reimengungen, und endlich ver\u00e4ndert sie die Aufl\u00f6slichkeit derselben in den Verdauungss\u00e4flen in der Art, dass sie die Zeit, welche zu ihrer Verdauung nothwendig ist, entweder verl\u00e4ngert oder abk\u00fcrzt. Von diesen drei Einwirkungen der Kochkunst sind die beiden ersten entweder so vielfacher Willk\u00fchr unterworfen, oder so einfacher Art, dass sie aus der folgenden Betrachtung aus-fallen m\u00fcssen oder k\u00f6nnen.\nDie Lehre von den Speisen hat zun\u00e4chst zu ermitteln, welche einfachen Nahrungsstoffe in den Speisen enthalten sind und in welchen Verbindungen und Aggregatzust\u00e4nden sie daselbst Vorkommen. Dieses aufzudecken ist die Aufgabe der chemischen Analyse, die sich dabei nat\u00fcrlich nicht darauf beschr\u00e4nken darf, den Gehalt der Speisen an C, H, N, 0, S u. s..w. anzugeben.\nMit der noch so vollkommenen Einsicht in das chemische Verhalten ist aber noch nicht das physiologisch Wissensw\u00fcrdige ersch\u00f6pft, da die Nahrf\u00e4higkeit der Speisen auch noch abh\u00e4ngt von der Arbeit, welche der Darmkanal n\u00f6thig hat, um die Masseneinheit der Nahrung zu verdauen, oder von dem Antheile der genossenen Speisen, welcher w\u00e4hrend des Durchgangs durch den Darmkanal \u00fcberhaupt aufgenommen wird. Allgemein l\u00e4sst sich jedoch hier\u00fcber nichts sagen, da der Darmkanal bei verschiedenen Menschen und zu verschiedenen Zeiten seine besonderen Eigenth\u00fcmlichkeiten bietet, verm\u00f6ge deren er im Stande ist, in gegebener Zeit mehr oder weniger kr\u00e4ftiger verdauende Wirkungen auszu\u00fcben, resp. die in der Speise enthaltenen Nahrungsstoffe mehr oder weniger vollst\u00e4ndig auszuziehen. Im einzelnen Falle w\u00fcrde man \u00fcber die F\u00e4hig-","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Speisen.\n381\nkeit des Darmkanales, eine Speise auszun\u00fctzen, abgesehen von dem Grade der Anstrengung, die hierzu n\u00f6thig ist, Aufschluss erhalten, wenn man jedesmal eine Probe der Speise und den nach ihrem Genuss aus dem After gestossenen Koth analysiren w\u00fcrde.\na. Das Fleisch, welches zur Nahrung verwendet wird, enth\u00e4lt: eiweisshaltige, leimgebende, elastische Stoffe, Fette, s\u00e4ramtliche Salze des Menschenblutes, Wasser und ausserdem die nur als Gew\u00fcrze zu veranschlagenden krystallisirenden organischen Bestandtheile der Extraktivstoffe. \u2014 Die Verh\u00e4ltnisse dieser Gemengtbeile zu einander sind, die gleichen Thierarten vorausgesetzt, abh\u00e4ngig 1) von dem K\u00f6rper-theile, dem der Muskel entnommen wurde, indem damit der Durchmesser der Primitivschl\u00e4uche und die Verbreitung der Bindegewebe in Verbindung steht; 2) von dem Grade der M\u00e4stung, welcher das Fett bestimmt; 3) von der Anf\u00fcllung der Mus-kelgef\u00e4sse mit Blut; 4) von dem Alter; Schlossberger* **) ***)), dessen Angaben v. Bibra best\u00e4tigte, fand\nim\tFleisch des Ochsen.\tdes Kalbes v. 12 Wochen.\tdes Kalbes v. 4 Wochen.\nIn kaltem und kochendem Wasser unl\u00f6sl.\t17,5\t16,2\t15,0\nIn kaltem l\u00f6sl., in kochend. Wasser unl\u00f6sl. In kaltem und kochendem Wasser l\u00f6slich\t2,2 -\t2,6\t3,2\n(Salze und Extrakte)\t\t2,8\t3,0\t2,2\nWasser\t\t77,5\t78,2\t79,7\nDas Kalbfleisch ist somit etwas reicher an\tWasser\tund coagulirbarem\tEiweiss als\ndas des Ochsen und nach v. Bibra**) auch leimhaltiger. 5) lieber die Zusammensetzung des gleichnamigen Muskels verschiedener Thiere, der mittelst des Scalpells m\u00f6glichst von Fett und Bindegeweben befreit war, giebt folgende Tabelle Aufschluss***).\n'\tOchse.\tReh.\tSchwein.\tHuhn.\tKarpfen.\nIn kaltem und kochendem Wasser unl\u00f6slich\t15,8\t16,8\t16,8\t16,4\t12,0\nIn kaltem Wasser l\u00f6sl , in kochendem unl\u00f6sl.\t2,2\t1,9\t2,4\t3,9\t5,2\nIn kochendem Wasser l\u00f6slich\t\t1,9\t\u2014\t0,5\t\u2014\t\u2014\nIn kaltem und kochendem Wasser l\u00f6slich .\t2,8\t4,7\t2,5\t3,2\t2,7\nWasser\t\t .\t77,1\t74,6\t78,3\t77,3\t80,1\nDas Fett ist im Fleisch auf zweierlei Art vorhanden, mechanisch eingelagert als Fettgewebe in den Bindestoffen zwischen den Muskelr\u00f6hren und n\u00e4chstdem in chemischer Verbindung mit dem Muskelgewebe. Der Gehalt dieses letzteren scheint bei verschiedenen Tliieren von wechselnder Gr\u00f6sse zu sein, denn v. Bibrafand nach m\u00f6glichst vollkommner Abscheidung des beigemengten Fettes im trockenen Brustmuskel des Oschsen 21,8 pCt., des Kalbes 10,5 pCt., des Hammels 9,3 pCt., des Rehes 7,9 pCt., des Hasen 5,3 pCt. f). \u2014Das beigemengte Fett ist bekanntlich nicht allein im Gesammtge wicht sehr wechselnd, sondern es \u00e4ndert auch seine Zusammensetzung mit dem Thiere, indem das Fett des Schweines 'fl\u00fcssiger (elainreicher), das der Wiederk\u00e4uer fester (stearin-und margarinreicher) ist.\nDie Salze des Fleisches sind mannigfach, aber mit sehr ungleichwerthigen Metho\u00ab den untersucht; S t\u00f6 1 zelff), der nach Str ecker\u2019s Anweisungen arbeitete, fand in 100 Theilen der Asche des Ochsenfleisches :\n*) Frerichs, Artikel Verdauung in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. II. Bd. p. 694.\n**) Scherer, Jahresbericht \u00fcber physiolog. Chemie f\u00fcr 1845. p. 132.\n***) Weitere Zusammenstellungen siehe bei Mo leschott, 1. c. p. 208. 240. 263. u. f., wo sich das Fleisch der Amphibien, Mollusken, Insekten ber\u00fccksichtigt findet.\n\u25a0f) Siehe hier\u00fcber auch Marchai, compt. rend. 34, Bd. p. 591. tf) Liebig\u2019s Annalen. 77. Bd. p. 256.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nFleisch.\nco2\t8,92\tP05\t34,36\tMgO\t3,31\nSi03\t2,67\tFe,03\t0,98\tKaCl\t10,22\nso3\t3,37\tCaO\t1,73\tNaO\t35,94\nDer Gehalt des trockenen Fleisches an Asche scheint bei verschiedenen Warmbl\u00fctern ann\u00e4hernd gleich zu sein, indem er nach v. Bibra beim Ochsen, Reh, Hasen, Huhn und der Ente zwischen 4,0 bis 5,5 pCt. schwankte.\nWir gemessen das Fleisch roh (niedere Thiere), getrocknet, ger\u00e4uchert, gesalzen, mit Essig ausgezogen, gekocht und gebraten. Rucksichtlich der Ver\u00e4nderungen, die bei diesen verschiedenen Bereitungsweisen mit dem Fleische Vorgehen, befinden wir uns meist im Unklaren. Beim Erhitzen des Fleisches ohne Wasserzusatz (Braten und D\u00e4mpfen) wird das Eiweiss geronnen, einige \u00e8iweisshaltige K\u00f6rper werden sauerstoffreicher, das Bindegewebe zum Theil in Leim verwandelt, und die Extraktivstoffe zersetzt, wobei sich die Inosins\u00e4ure in ein wohlriechendes Brenzprodukt umwandelt, und endlich wird Wasser verdunstet. \u2014 Beim Kochen in Wasser werden dem Fleische Eiweiss, Extrakte, Salze und insbesondere Chloralkalien und Wasser entzogen ; dieses letztere geschieht darum, weil die Quellungsf\u00e4higkeit des Fleisches beim Kochen abnimmt. \u2014 Der w\u00e4sserige Auszug, die Fleischbr\u00fche, muss nach den Fleiscbsorten sehr ver\u00e4nderlich sein. Eine ungef\u00e4hre Vorstellung von der Zusammensetzung der Fleischbr\u00fche giebt ein Versuch von Chevreul, welcher lPfd. Fleisch, das von anh\u00e4ngendem Fett und Knochen befreit war, in 3 Pfund Wasser 5 Stunden lang unter Ersatz der verdunsteten Fl\u00fcssigkeit sieden liess. Ausser dem beigemengten Fette enthielt diese Suppe in lOOTheilen: Wasser = 98,4, Leim, Eiweiss und Extraktivstoffe = 1,3, Salze = 0,3. \u2014 Die Salze der Fleischbr\u00fche, wie man sie durch vollkommenes Ersch\u00f6pfen des Fleisches mit Wasser erh\u00e4lt, sind von Keller*) bestimmt; in das Wasser waren 82pCt. des gesammten Salzgehaltes vom Fleische \u00fcbergegangen, welche in 100 Theilen bestanden aus :\nP05\t21,59\tKaO\t31,85\t2Fe203P05 0,46\nKaCl 14,81\t2 Ca0P05\t2,51\nKaOSOg 6,42\t2Mg0P05\t3,73\nDas r\u00fcckst\u00e4ndige Fleisch enthielt noch Verbindungen der P05 mit Alkalien und Erden aber keine Chlorsalze mehr. \u2014 Die Grenze, bis zu welcher \u00fcberhaupt das Fleisch durch Wasser und insbesondere durch kaltes ausgelaugt werden kann, hat Liebig**) zu bestimmen versucht; er giebt an, dass man dem gehackten Ochsenfleische durch kaltes Wasser 6 pCt. feste Bestandtheile entziehen k\u00f6nne, von denen 3 pCt. gerinnbares Eiweiss sei, das bekanntlich aus der Suppe als Schaum entfernt wird. Die Folgen des Einsalzens und R\u00e4ucherns sind wenig bekannt. Eine Aschenanalyse des gesalzenen Ochsenfleisches und des rohen Schinkens giebt Thiel***). Siehe auch Liebig am angef\u00fchrten Orte.\nb. Der Inhalt des H\u00fchnereies, das wir zumeist gemessen, besteht nach Proutf) im Mittel aus 67,6 pCt. Eiweiss und 32,4 pCt. Dotter, nach Pr\u00e9vost und Morin dagegen aus 62 pCt. Eiweiss und 38 pCt. Dotter. Das Eiweiss enth\u00e4lt ungef\u00e4hr: Wasser = 85 pCt., Eiweiss = 12,5 pCt., feuerfeste Salze = 1,5 pCt. und Extrakte = 2,0 pCt. Die letzteren enthalten u. A. constant Milchzucker (Winkler und Budge)ff). In der Asche sind nach R. Weberfft), der das verbesserte Verfahren von H. Rose befolgte, enthalten:\n*) Liebig\u2019s Annalen. 70. Bd. 91.\n**) Liebig\u2019s Annalen. 62. Bd. 353 u. f.\n***) Liebig\u2019s Annalen. 81. Bd.\nf) Ph. Falk, Handbuch der Arzneimittellehre. 1848. ff) Liebig\u2019s Annalen. 64. Bd. 197. \u2014 Siehe auch Aldrige und Barresich im Giessener Jahrbuch. 1849.\nfff) Poggendorf, Annalen. 79. Bd. 398.","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Eier, Milch, K\u00f6rner.\t383\nNaCl\t39,30\tMgO 2,70\tC02\t9,67\t\t\nKaO\t27,66\tFe203 0,54\tSi03 0,28\t\t\nNaO\t12,09\tP05\t3,16\t\t\t\nCaO\t2,90\tS03\t1,70\t\t\t\nDas Eigelb besteht nach\t\tGobley*) aus :\t\t\t\nWasser\t51,48\tPhospboglycerins\u00e4ure\t1,20 Extrakte\t\t0,40\nVitellin**)\t15,76\tCerebrin(s\u00e4ure?)\t0,30 Farbstoff,\t)\t\nMargarin u. Olein\t21,31\tAm CI\t0,30 Eisen,\t\t0,55\nCholestearin\t0,44\tNaCl, KaCl, KaOS03\t0,27 Milchs\u00e4ure\t1\t\nOel- u. Margarins\u00e4ure 7,22\t\t3MgO PO.,, 3Ca0P05\t1,02\t\t\nEine vollst\u00e4ndige Aschenanalyse theilt R. Weber mit:\t\t\t\t\t\nNaCl 9,12\tNaO 13,62\tMgO\t\t2,20\tP05\t60,16\t\nKaO 10,90\tCaO 13,62\tFe203\t\t2,30\tSi03\t0,62\t\nDie Eier gemessen wir meist gekocht; hierbei gerinnt das Eiweiss und Vitellin unter Abscheidung von etwas SH. In hartgesottenen Eiern fand H. Rose***) das Verh\u00e4ltniss des Eiweisses zum Dotter etwas anders, als es Pr out, Pr\u00e9vost und Morin im frischen Ei angegeben haben, nemlich von 60,6 bis 58,3 : 39,4 bis 41,6.\nc.\tMilch. Die Zusammensetzung derselben ist schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt. \u2014 Der aus ihr bereitete K\u00e4se (gesalzene und entw\u00e4sserte Milch) dient, kleine Landstriche ausgenommen, nur als Gew\u00fcrz. Ueber die Zusammensetzung desselben siehe Kn app und Moleschottf).\nd.\tWeizen. Das Mehl, welches aus ihm gewonnen wird, enth\u00e4lt eiweissstoffige Substanzen. Diese sind theilweise in Alkohol und Wasser unl\u00f6slich (Pflanzenfibrin), theils sind sie in Wasser unl\u00f6slich, dagegen in kochendem Alkohol l\u00f6slich (Pflanzenleim), und endlich l\u00f6st sich ein Theil derselben in kaltem Wasser, nicht aber in kochendem (Pflanzeneiweiss). Das Mehl enth\u00e4lt ferner Amylon, Gummi, Holzfaser, fettartige K\u00f6rper (?) und Salze. Die quantitative Zusammensetzung des Weizenmehles ist wiegen mangelnder Methoden noch nicht ausreichend bestimmbar. Die relativ zuverl\u00e4ssigsten Bestimmungen (v. Horsford, Kr ocke r und Boussingault) sind dadurch ausgef\u00fchrt, dass man den Ngehalt des Mehles durch die Elementaraoalyse ermittelte und daraus den Antheil an eiweishaltigen Stoffen berechnete Das Amylon bestimmte man aus der C02menge, welche bei der in dem Mehle eingeleiteten G\u00e4hrung erhalten\nwurde.\nDie vorliegenden Angaben lassen erkennen, dass in den Weizenk\u00f6rnern das Verh\u00e4ltniss der Bestandtheile zu einander sich sehr abweichend stellte. Die Gewichts-antheile der Ei wei ssstoff e und insbesondere des unter dem Namen Kleber bekannten Gemenges aus Pflanzenfibrin und Pflanzenleim sind verschieden 1) in den verschiedenen Schichten desselben Kornes, indem die der Schaale unmittelaar anliegende Iuhaltsportion reicher anNhaltigen Bestandtheilen ist (F\u00fcrstenberg, Payen, Mill on)ff) ; 2) der Ngehalt verschiedener Weizenarten ist ungleich, auch wenn er auf demselben Boden gebaut wmrde (Boussingault)fff) ; 3) die verschiedenen K\u00f6rner derselben Ernte sind an Klebergehalt nicht gleich (Millon)\u00a7); 4) der Klebergehalt derselben Weizensorte soll steigen mit dem Reichthum des Bodend\u00fcngers an Stickstoff (H e r m b s t \u00e4 d t, B o u s s i n g a u 11) \u00a7\u00a7). Dieser letzteren Angabe widerspricht\n*) Pharmazeut. Centralblatt. 1847. p. 584.\n**) Das Vitelin besitzt nach Fremy die Zusammensetzung des Fibrins. Pharmazeut. Centralblatt. 1854. p. 626.\n***) Foggendorf, Annalen. 76. Bd. 393.\nf) Knapp, Die Nahrungsmittel. 1848. p. 39. \u2014 Moleschott, Physiologie der Nahrungsmittel, pag. 218.\nff) Annales de chimie et phys. XXIY. Bd. (1849). j-ff) Die Landwirthschaft, \u00fcbersetzt von Gr\u00e4ger. 1845. I. Bd. p. 310.\n\u00a7) Compt. rend. Jan. 1854.\n\u00a7\u00a7) 1. c. p. 312. \u2014 Giessener Jahresbericht f\u00fcr 1847 u. 48. p. 1060.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nWeizen, Roggen, Gerste u. s. w.\nSchlossberger. Die Gesammlmenge der eiweissartigen Substanzen schwankt in den trockenen K\u00f6rnern zwischen 14 und 24 pCt. \u2014 Das Amylon variirt in den trockenen K\u00f6rnern zwischen 53 bis 63 pCt. (Hors ford und Kr ocker, \u00dfoussin-gault). \u2014 Die Fettstoffe sind am reichlichsten in der Schaale; ihr prozentiger Gehalt ist zwischen 1 bis 3 pCt. ver\u00e4nderlich. \u2014 Holzfaser, Zucker und Gummi sollen insgesammt von 20 bis 30 pCt. steigen (Hors ford u. Kr ocker). ln diesem Gemenge nimmt die Holzfaser unzweifelhaft den niedrigsten Werth ein, da sie nach Boussingault 7 pCt. und nach Millon sogar nur 1 pCt. betragen soll. \u2014Die mineralischen B estandthe ile (KaO, NaO, CaO, MgO, Fe202, P05, Si03, aber kein CI) belaufen sich auf 1,7 bis 2,8 pCt. (Horsford, Krocker, Ogstone und Way)*). \u2014 Das gegenseitige Verh\u00e4ltniss ihrer *Bestandtheile ist zwar ein s^hr ver\u00e4nderliches, aber immerhin machen P05 und KaO weitaus den gr\u00f6ssten Theil derselben aus. \u2014 Die Ver\u00e4nderlichkeit der quantitativen Zusammensetzung ist nachweislich nicht im Zusammenh\u00e4nge mit der Bodenart, auf welcher die Frucht gewachsen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthet man dagegen eine Beziehung zwischen den organischen und unorganischen Bestandtheilen, da nach Millon die Schaale sehr reich an Salzen ist und nach Way und Ogstone**) die Eiweiss-stolfe eine constante Aschenmenge enthalten. Diese Asche, welche vonKekul\u00e9 zerlegt ist, verdient darum noch weitere Aufmerksamkeit. \u2014 Das Wasser des Kornes ist zwischen 14 und 18 pCt. gefunden worden.\nVon dem Inhalte des Weizenkornes geniesst man bekanntlich nur die mittleren Schichten, w\u00e4hrend man die Schaale und die ihr anhaftenden Beslandtheile in der Kleie entfernt. Diese Bereitungsmethode w\u00fcrde, wenn sich Kekule\u2019s u. Million\u2019s Angaben best\u00e4tigen, eine sehr unvorteilhafte sein, da die gew\u00f6hnliche Kleie nach diesem letzten Chemiker in 100 Theilen enth\u00e4lt: Amylon, Zucker, Dextrin = 51; Eiweissstoffe =14; Fett = 3,6; Holzfaser == 9,7; Wasser = 13,9. Siehe \u00fcber Kleien auch Anderson***).\ne.\tRoggenf). Der Unterschied zwischen dem Mehle, das diese Fruchtart liefert, und der vorhergehenden, liegt vorzugsweise darin, dass unter den eiweisshaltigen Bestandtheilen weniger Pflanzenfibrin und statt dessen mehr Pflanzenleim und Eiweiss, und ein besonderer gew\u00fcrzhaft schmeckender Stoff vorkommt. Soweit die vorliegenden Untersuchungen reichen, scheint aber ausserdem dasselbe Verh\u00e4ltniss der Eiweissstoflfe, des Amylons u. s. w. zu bestehen ; namentlich zeigt auch die Asche eine analoge Zusammensetzung.\nf.\tGerste, Hafer und Buchweizen liefern ebenfalls ein Mehl, das in dem Gehalte seiner wesentlichen Bestandtheile nicht merklich abweicht von dem des Weizens; Korn und Gerste enthalten mehr Holzbestandtheile als die \u00fcbrigen Fruchtarten (Fehling und Faist).\ng.\tDas Maismehl ist dagegen meist reicher an fettartigen Stoffen, die in ihm als ein gelbes dickfl\u00fcssiges Oel erscheinen.\nh.\tDer Reis endlich soll um die H\u00e4lfte \u00e4rmer an Eiweissstofifen und Asche, als der Weizen, aber daf\u00fcr reicher an Amylon sein.\nDas Mehl aller dieser Fr\u00fcchte geniessen wir, nachdem es der Einwirkung einer h\u00f6heren Temperatur, die zwischen 250\u00b0 bis 100\u00b0 C. liegt, ausgesetzt war. Durch dieselben gerinnen die in Wasser l\u00f6slichen Eiweissstoffe und das Amylon quillt zu sogen. Kleister auf. \u2014 Die verbreitetste Anwendung findet das Mehl, und insbesondere das des Roggens und Weizens im Brod ,* dieses wird bekanntlich so dar-\n*) Giessener Jahresbericht f\u00fcr 1849. 671 (nebst den Tabellen).\n**) Nur einzelne Beobachter (z. B. Kekul\u00e9) geben einen Clgehalt an. Lie big ?s chem. Briefe 3. Auflage. 592.\n\u201c*') Pharmaz. Centralblatt. 1854. p. 291.\nf) Knapp, 1. c. p. 63. \u2014 Fehling u. Faist, Pharmazeut. Centralblatt. 1852. p. 618.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00fclsenfr\u00fcchte, Kartoffeln.\n385\ngestellt, dass man das Mehl mit etwas salzhaltigem Wasser zu einem steifen Teige knetet, der mit Hilfe von kohlensaurem Gas aufgebl\u00e4ht wird, das sich in kleineren und gr\u00f6sseren Blasen durch denselben vertheilt. Die Einf\u00fchrung von C02 geschieht am h\u00e4ufigsten und besten durch 'Zumengen eines Zuckerfermentes (Hefe oder Sauerteig), welches den im Mehle enthaltenen Zucker in Alkohol und C02 umsetzt, oder auch durch Zuf\u00fcgen von organischen S\u00e4uren und kohlensaurem Natron. Aus diesem Teige formt man dann beliebige St\u00fccke, die man in einem Backofen einer Temperatur aussetzt, welche die oberfl\u00e4chlichen Theile (Kruste) auf 200 bis 250\u00b0 C., die inneren (Krume) auf 100\u00b0 C. erhitzt. Hierbei tritt ausser den oben angegebenen Ver\u00e4nderungen auch noch die ein, dass in der Rinde das Amylon in St\u00e4rkegummi (Dextrin) und brenzliche Produkte \u00fcbergeht, w\u00e4hrend in der Krume Amylon und Eiweissstoffe in eine allotrope Modifikation \u00fcbergef\u00fchrt werden, die aber nur so lange besteht, als das Brod den Charakter besitzt, den man als frischbacken bezeichnet. Liegt dasselbe einige Tage, wobei* es sich auf die Lufttemperatur abk\u00fchlt, so verschwindet diese Modifikation seines Zustandes wieder ; man kann ihn durch abermaliges Erhitzen jedoch von Neuem herbeif\u00fchren (Boussingault)*). Analysen des Brodes siehe bei Oppel**).\ni. HUIs e n fr \u00fc ch t e. Die reifen Erbsen und Bohnen enthalten dieselben Atomgruppen , wie die K\u00f6rnerfr\u00fcchte. \u2014 Unter den Eiweissstoffen erscheint neben den fr\u00fcheren noch ein eigenth\u00fcmlicher, das Legumin oder Pflanzencasein. In der quantitativen Zusammensetzung unterscheiden sie sich von den K\u00f6rnerfr\u00fcchten dadurch, dass die Eiweissstoffe im Verh\u00e4ltniss zum Amylon betr\u00e4chtlich gesteigert erscheinen. Eine Vorstellung hiervon soll die folgende Analyse von trockenen Erbsen geben (Horsford): Eiweissstoffe = 28,0, St\u00e4rke und Gummi = 57,3, Asche = 3,8, H\u00fclsen = 7,6. \u2014 Die Asche der Bohnen und insbesondere der Erbsen ist sehr h\u00e4ufig untersucht worden im Auftr\u00e4ge deutscher und englischer Ackerbaugesellschaften ; das \u00fcbereinstimmende Resultat derselben ist, dass sie vorzugsweise aus Kali und Phosphors\u00e4ure, dann aus Kalk, Magnesia und Kochsalz und endlich aus geringen Mengen von Eisenoxyd und Kieselerde besteht***).\nBei der Zubereitung in der K\u00fcche d\u00fcrfte vor Allem Gewicht darauf zu legen sein, dass die festen Gef\u00fcge der Fr\u00fcchte zertr\u00fcmmert werden, und dass beim Kochen in Wasser keine schwer l\u00f6slichen Eiweissverbindungen entstehen, wie dieses u. A. geschieht, wenn das Wasser kalkhaltig ist.\nk. Kartoffeln. Der von der Schaale umschlossene Raum ist gef\u00fcllt mit Ei-weiss, St\u00e4rkemehl, einer besonderen Art von Cellulose, welche in kochendem Wasser zu einer Gallerte aufquillt und sich in verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure zu Gummi und Zucker umsetzt, mit verseifbarem Fette (Solaninstearins\u00e4ure C30H3004 und ein fl\u00fcssiges Del von unbekannter Zusammensetzung), mit einem wachs\u00e4hnlichen, nicht verseifbaren, bei 270\u00b0 noch festem Stoffe (E i c h h o r n) f), Asparagin, Aepfels\u00e4ure, mit den Salzen der K\u00f6rnerfr\u00fcchte und Wasser. Diese chemischen Bestandtheile vertheilen sich auf die anatomischen Gebilde in der Art, dass die St\u00e4rke (und ihre n\u00e4chsten Verwandten) in den Zellen, deren W\u00e4nde aus der eigenth\u00fcmlichen Holzsubstanz bestehen, eingeschlossen sind; in der Fl\u00fcssigkeit, welche diese festen Stoffe durchtr\u00e4nkt, ist Ei-weiss, das Fett, das Asparagin, die Salze der Aepfels\u00e4ure und zum grossen Theile die der Phosphor- und Salzs\u00e4ure aufgel\u00f6st.\nDie quantitative Zusammensetzung des Kartoffelmarkes ist sehr variabel gefunden worden; sein Wasser schwankt zwischen 82 und 72pCt., das St\u00e4rkemehl zwischen 11 und\n*) Annales de chimie et physique. 36. Bd. (1852) 490.\n**) Giessener Jahresbericht f\u00fcr 1851. 715.\n***) Giessener Jahresbericht. 1849. 667 u. f. f) Poggendorf, Annalen. 87. Bd. 227.\nLudwig, Physiologie. II.\n25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nBaumfr\u00fcchte, Trinkwasser.\nund 24 pCt., Eiweiss und Asparagin um 2 pCt., Fette um 0,05 pCt., Holzstoffe gegen B bis 4 pCt. und die Asche um 1 bis 2 pCt. Diese letztere ist vorzugsweise reich an Kali, auf dieses folgt die C02, dann erst Phosphors\u00e4ure, Natron, Magnesia, Kalk, Kiesels\u00e4ure und Eisenoxyd (Way und Ogstone, Walz). Das Verh\u00e4llniss der Salze zu einander ist mit der Sorte verschieden. Beim Kochen gerinnt das Eiweiss, die Zellenh\u00fcllen werden lockerer, jedoch nicht aufgel\u00f6st, und innerhalb der\u00bb selben quillt das St\u00e4rkemehl auf. \u2014 W\u00e4hrend der Aufbewahrung soll sich der St\u00e4rkegehalt andern, so dass er nach der Ernte bis gegen den M\u00e4rz zu- und von da an wieder abnimmt(?).\nl.\tDie Baumfr\u00fcchte (Birnen, Aepfel, Pflaumen etc.) und die Ge miise (R\u00fcben, Kohlrabi etc.), Nahrungsmittel von untergeordnetem Werthe,\u00ab enthalten neben den Nahrungsstolfen, die in den bisher behandelten Speisen vorkamen, noch Pektin (Pflanzenschleim) \u2014 C12H10010 (Fr\u00e9my), das sich durch seine physikalischen Eigenschaften vor den \u00fcbrigen Kohlenhydraten wesentlich auszeichnet; es kann jedoch in Dextrin und Zucker umgewandelt werden. N\u00e4chstdem ist der Reichtbum der jungen Gemiisse-bl\u00e4lter an leichtl\u00f6slichem Kalisalze zu erw\u00e4hnen. Ueber das Weitere der genossenen Arten und ihre Zusammensetzung sind die angezogenen Werke von Moleschott, Boussingault und die Giessener Jahresberichte um Rath zu fragen.\nm.\tTrinkwasser. Das reine Wasser der Quellen oder das gereinigte der Fl\u00fcsse enth\u00e4lt Luftarten (Kohlens\u00e4ure, Sauerstoff, Stickgas) und je nach den Gebirgs-lagern, die es durcbstr\u00f6mt, Kohlens\u00e4ure, Schwefels\u00e4ure, Salzs\u00e4ure mit Kalk, Magnesia und Natron verbunden aufgel\u00f6st. \u2014 Der Gehalt an Salzen bestimmt den Charakter des Wassers, das man gemeinhin weich nennt, wenn es wenig Kalksalze enth\u00e4lt, w\u00e4hrend das mit diesen letzteren beladene hart genannt wird. Der Gesammtgehalt des Wassers an Salzen darf, wenn uns dasselbe noch zum gew\u00f6hnlichen Gebrauche dienen soll, den Werth von einigen Hunderttheilen eines Prozentes nicht \u00fcbersteigen. Organische Beimengungen zum Wasser werden immer f\u00fcr Verunreinigungen erkl\u00e4rt.\nDas gekochte Wasser nimmt einen faden Geschmack an, theils weil dadurch aus ihm die Gase, theils weil Salze, insbesondere kohlensaure Kalksalze, entfernt werden.\n5. Nahrungsaequivalente*). Diesem Begriffe hat man zwei Bedeutungen beigelegt, a. Gew\u00f6hnlich versteht man darunter das Ge-wichtsverh\u00e4ltniss, in welchem zwei bestimmte Speisen verabreicht werden m\u00fcssen, wenn durch jede derselben die gleiche Menge eines und desselben einfachen Stoffes eingef\u00fchrt werden soll. Die Frage ist an einem Beispiele erl\u00e4utert also die: Wie viel Brod muss genossen werden, damit durch dasselbe gerade so viel Eiweiss in den Magen kommt, als in der \u2022 Gewichtseinheit Fleisch verzehrt wird? Diese Frage beantwortet eine gew\u00f6hnliche Proportionsrechnung, wenn die quantitative Zusammensetzung der betreffenden Nahrungsmittel bekannt ist. Der gr\u00f6sseren Bequemlichkeit halber haben Liebig und Boussingault zu diesem Ende Tafeln berechnet f\u00fcr die Speisen mit bekannter Zusammensetzung.\nb. Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn man vom physiologischen Gesichtspunkte ausgehend die Frage erhebt: In welchem Verh\u00e4ltnisse m\u00fcssen zwei verschiedene Speisen genossen werden, wenn durch sie dieselben Leistungen innerhalb des thierischen K\u00f6rpers erreicht werden\n*) Frerichs, Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. III. 1. Abth. 731. \u2014 Boussingault, Die Land-wirthschaft. II. Thl. 235 u. f. \u2014 Lehmann, Physiologische Chemie. III. Bd. Ern\u00e4hrung.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrungsaequivalente.\n387\nsollen? Da die allgemeinsten Aufgaben der Nahrungsmittel darin bestehen, dass sie entweder W\u00e4rme erzeugen oder mechanische (Muskel-) Kraft hervorbringen oder endlich den Wiederersatz oder die Neubildung von Geweben und S\u00e4ften (Wachsthum, M\u00e4stung) bedingen sollen, so w\u00fcrde zuerst die Vorfrage zu erledigen sein, ob in der That ein und dasselbe Nahrungsmittel bef\u00e4higt w\u00e4re, diesen verschiedenen Anforderungen zu gen\u00fcgen. W\u00e4re nemlich, wie man zuweilen ausgesprochen, ein jedes einfache Nahrungsmittel nur zu einem dieser Zwecke dienlich, so w\u00fcrde es nat\u00fcrlich in dem oben bezeichneten Sinne keine Aequivalente geben, sondern es m\u00fcsste entsprechend dem Verbrauche an W\u00e4rme, an Muskelanstrengung und an Gewebsmassen jedesmal nur ein ganz bestimmtes Nahrungsmittel genossen werden. Mit einem Worte, die Nahrungsmittel w\u00fcrden zu Zerf\u00e4llen sein in W\u00e4rme erzeugende oder respiratorische, in kraftentwickelnde und in gewebsbildende oder plastische.\nDa die unorganischen Nahrungsmittel ohne Ausnahme schon oxydirt genossen werden, so k\u00f6nnen sie keinen Beitrag zur W\u00e4rmebildung liefern ; im Gegens\u00e4tze hierzu verlassen alle organischen Atome der Nahrung den thierischen K\u00f6rper in h\u00f6her oxydirtem Zustande, als sie in ihn eingetreten sind; die letzteren m\u00fcssen also s\u00e4mmtlich zur W\u00e4rmeerzeugung zu verwenden sein. In diesem Sinne m\u00fcssten sich also die verschiedenen Nahrungsstoffe vertreten k\u00f6nnen. Dieser Behauptung w\u00e4re jedoch die andere entgegenzustellen, dass sich die verschiedenen Nahrungsstoffe unterscheiden durch ihre Spaltbarkeit, indem ein Theil der Nahrungsstoffe nur dann in oxydirbare Atomkomplexe zu zerlegen w\u00e4re, wenn er ein Bestandteil der kraftentwickelnden Apparate (der Muskeln und Nerven) oder der festen Gewebe gewesen w\u00e4re, w\u00e4hrend ein anderer Theil geradezu dem mittelbaren oder unmittelbaren Verwesungsprozesse anheimfallen k\u00f6nnte. Diesen Unterschied hat man in der That behauptet und aus dem Grunde die Amylaceen und Fette als die eigentlichen, die Eiweissstoffe dagegen als die accessorischen Respirationsmittel angesprochen. Ueberlegt man sich aber die Beweismittel dieses Satzes genauer, so scheinen sie eher gegen als f\u00fcr denselben zu sprechen. Zuerst l\u00e4sst sich geradezu zeigen, dass die Eiweissstoffe nicht vorg\u00e4ngig den krafterzeugenden Apparaten t gedient haben, bevor sie dem W\u00e4rmebildungsprozesse anheimfallen ; denn es ist durch die sp\u00e4ter noch genauer zu er\u00f6rternden Beobachtungen von Frerichs, Schmidt und Bi sch off erwiesen, dass die Gewichtseinheit desselben Thieres je nach der Nahrung, die es empfangen, bald viel und bald wenig Eiweissstoffe in der Zeiteinheit umsetzt und oxydirt, selbst wenn es in dieser Zeit ann\u00e4hernd gleich viel Muskelbewegungen ausf\u00fchrt; mit einem Worte, die Umsetzung des Ei-weisses erweist sich in diesen F\u00e4llen, in welchen die Beobachtungsthiere in K\u00e4sten eingesperrt waren, unabh\u00e4ngig von der Entwickelung mechanischer Kr\u00e4fte durch die Muskeln. Der andere Theil der oben aufgestellten\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"368\nNahruDgsaequivalente.\nBehauptung, dass die Eiweissstoffe nur dann in oxydirbare Atome verwandelt werden k\u00f6nnten, wenn sie einmal die Wandungen von Zellen, R\u00f6hren, Platten oder Fasern dargestellt h\u00e4tten, ist mindestens nicht beweisbar, ja sogar unwahrscheinlich in Anbetracht der bekannten chemischen Eigenschaften jener festgewordenen Stoffe, da sich gerade die chondrin- und leimgebenden, die elastischen und die hornstoffigen Gebilde durch ihren Widerstand gegen oxydirende Einfl\u00fcsse auszeichnen. Erw\u00e4gt man dazu, dass der thierische Organismus nachweislich bef\u00e4higt ist, Eiweissstoffe zu zerlegen, welche sich im fl\u00fcssigen Aggregatzustande befinden, so d\u00fcrfte man eher geneigt sein, anzunehmen, dass der Uebergang der Eiweissstoffe in den festen Aggregatzustand die Umsetzung derselben erschwere, statt sie zu erleichtern. Diese Betrachtung w\u00fcrde somit dazu f\u00fchren, dass sich behufs der W\u00e4rmebildung die Amylaceen, Fette und Eiweissstoffe vertreten k\u00f6nnten; obwohl die Erfahrung daf\u00fcr spricht, dass dieses in weiten Grenzen m\u00f6glich sei, so zeigt sie uns auch anderseits, dass dieses nicht durchweg und ohne alle Einschr\u00e4nkung m\u00f6glich. F\u00fcr diese Thatsachen liegt als ein nicht unwahrscheinlicher Grund der vor, dass die Eiweissk\u00f6rper und Fette von dem menschlichen K\u00f6rper nicht in einer zur W\u00e4rmebildung gen\u00fcgenden Menge verdaut und zersetzt werden k\u00f6nnen, so dass die Amylaceen helfend mit einstehen m\u00fcssen, und dass anderseits die Vorg\u00e4nge, welche die letzteren Nahrungsstoffe oxydiren, zugleich zu einer Zerst\u00f6rung der Eiweissk\u00f6rper f\u00fchren. Unter dieser Einschr\u00e4nkung w\u00fcrden also behufs der W\u00e4rmebildung Aequivalente der organischen Nahrungsstoffe aufzustellen sein, vorausgesetzt, dass man die relative Zersetzbarkeit derselben und ihre latente W\u00e4rme kennte, was bis dahin noch nicht der Fall ist.\nZur Erzeugung der Nerven und Muskelkr\u00e4fte sind unzweifelhaft die Eiweissk\u00f6rper dienlich und wahrscheinlich auch unumg\u00e4nglich nothwendig, denn einmal sind diese Organe unter allen Umst\u00e4nden sehr reich an diesen Stoffen, dann findet man in den S\u00e4ften dieser Organe, namentlich in den Muskeln, um so mehr Zersetzungsprodukte der Eiweissk\u00f6rper, je angestrengter sie gearbeitet haben, und endlich soll, gleiche Ausbildung der Muskelmasse vorausgesetzt, ein und derselbe Mensch um so arbeitsf\u00e4higer sein, je betr\u00e4chtlicher der Fleischantheil seiner Nahrung ist. Diese Thatsachen schliessen es aber nat\u00fcrlich nicht aus, dass sich nicht auch die Fette und Kohlenhydrate an der Erzeugung von Muskelkr\u00e4ften betheiligen k\u00f6nnten, hierf\u00fcr spricht im Gegentheil die reichliche Anwesenheit von Fett und seinen Umsetzungsprodukten in den Nerven und ebensowohl die bedeutenden Muskelanstrengungen, welche Menschen leisten, die sich vorzugsweise von den eiweissarmen Kartoffeln und Brod n\u00e4hren. Bei diesem Stande der Sache ist es jedenfalls besser, unentschieden zu lassen, ob die Nahrungsstoffe sich behufs der Entwickelung von mechanischen Kr\u00e4ften vertreten k\u00f6nnen.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Verdauung der Speisen.\n389\nEin jedes Gewebe bedarf, da es eine bestimmte chemische Zusammensetzung besitzt, auch bestimmter Stoffe zu seinem Aufbau. Die verschiedenen zu einem Gewebe n\u00f6thigen Bestandtheile m\u00fcssen also beschafft werden; wenn demnach die Nahrung zum Ersatz zerst\u00f6rter oder zur neuen Herstellung von Geweben benutzt werden soll, so k\u00f6nnen sich die einzelnen Nahrungsstoffe nicht vertreten. Dieses w\u00fcrde nur dann m\u00f6glich sein, entweder wenn in einem Gewebe verschiedene unter sich sehr \u00e4hnliche Stoffe zu demselben Zwecke verwendbar w\u00e4ren, wie z. B. in den Knochen phosphorsaure und kohlensaure Magnesia statt derselben Verbindungen der Kalkerde, oder wenn ein Stoff bei seinen Zersetzungen im Thierk\u00f6rper zu einem Atorncomplexe f\u00fchrte, welcher identisch w\u00e4re mit einem anderen in der Nahrung geradezu aufgenommenen. Insofern k\u00f6nnte also Amylon, das sich, theilweise wenigstens, in Fett verwandeln soll, bei der Ern\u00e4hrung des Hirns, des Fettgewebes u. s. w., oder es k\u00f6nnte Leim statt des Ei-weisses zur Ern\u00e4hrung des Bindegewebes und der Knochen verwendet werden. Diese Vertretung, wenn sie \u00fcberhaupt besteht, w\u00fcrde aber jedenfalls eine sehr beschr\u00e4nkte sein. Unter allen Umst\u00e4nden ist es aber verwerflich, geradezu ein einfaches Nahrungsmittel, z. B. Eiweiss, das plastische oder auch nur das vorzugsweise plastische zu nennen, da eben so gut, wie dieses, auch andere Atomgruppen zum Entstehen und zum Bestand der meisten Gewebe durchaus nothwendig sind.\nC. Verdauung der Speisen.\nDie Speisen m\u00fcssen, um mit Vortheil in das Blut gef\u00fchrt werden zu k\u00f6nnen, chemische und physikalische Umwandelungen erfahren. Diese geschehen in mehreren r\u00e4umlich und funktionell von einander geschiedenen Beh\u00e4ltern, nemlich in der Mund- und Rachenh\u00f6hle, dem Magen, dem D\u00fcnn- und dem Dickdarme. Ein jeder derselben liefert einen Beitrag zur Verdauung durch hemmende oder beschleunigende Bewegungswerkzeuge, durch Dr\u00fcsen, durch die Eigenschaft der H\u00e4ute, welche Darm- und Gef\u00e4ssh\u00f6hlen trennen, und endlich durch die allen gemeinsame W\u00e4rme.\nMechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge.\n1. Mund und Schlund.\nLippen, Wangen und Kiefer sind, so weit sie nicht schon besprochen, in ihren Leistungen Jedermann bekannt.\nDie Zunge. Ihre Wurzel ist auf bekannte Weise durch Muskeln und B\u00e4nder an den Stylfortsatz, den Kiefer und das Zungenbein geheftet, sie folgt darum auch den Bewegungen der beiden letzteren und insbesondere denen des Zungenbeins. \u2014 Das Zungenbein kann verm\u00f6ge seiner Befestigung an dem Kehlkopfe eine allgemeine Ortsver\u00e4nderung erfahren, oder es kann sich auch nach Spannung der B\u00e4nder um diese drehen; so k\u00f6nnen sich namentlich die H\u00f6rner um den durch das lig.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390 Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; Mund und Schlund.\nhyothyreoideum medium festgestellten K\u00f6rper, oder dieser letztere um die durch die ligamenta later alia fixirten H\u00f6rner erheben oder senken. Gehoben wird das Zungenbein durch die Verk\u00fcrzung der mm. stylohyoidei (und hyopharyngei?), gesenkt durch sterno-, thyreo- und omohyoidei. Die Unterschiede dieser drei Muskelwirkungen liegen darin, dass m. omohyoideus nach unten und hinten , sternohyoideus nach unten und vorn Kehlkopf und Zungenbein zugleich ziehen, w\u00e4hrend m. thyreohyoideus den Abstand beider bestimmt. Mm. mylo- und geniohyoideus und digastricus anterior ziehen das Zungenbein nach vorn, wobei der erstere noch die Zunge gegen den harten Gaumen hin hebt, indem er den nach unten bauchig herabh\u00e4ngenden Kehlraum abflacht. \u2014 Alle Bewegungen, welche von den Muskeln der Wurzel oder des Beines der Zunge ausgef\u00fchrt werden, \u00fcbertragen sich auf Zunge und Zungenbein zugleich; eine Ausnahme hiervon d\u00fcrfte nur dem Hyoglossus zustehen.\nDas freie Blatt der Zunge *), das seine Gestalt unabh\u00e4ngig ver\u00e4ndern kann, ist von Muskeln durchzogen, welche entweder parallel der L\u00e4ngsachse, (mm. hyoglossi, longitudinalis inferior und superior, styloglossi), oder von der unteren zur obern Fl\u00e4che (mm. genioglossi) und von einem zum andern Rand (m. transversus linguae) laufen. Die verschieden gerichteten Z\u00fcge verflechten sich in der Zunge innig, und so k\u00f6nnen sie nicht alle in die letztere verschm\u00e4iern (und dabei strecken und verdicken), abplatten (und dabei verl\u00e4ngern und verbreitern), sondern auch kr\u00fcmmen.\nDie Nerven aller dieser Muskeln sindbemerkenswerther Weise in sehr verschiedenen St\u00e4mmen enthalten. N. trigeminus versorgte den m. mylohyoideus und digastricus anterior, n. facialis den stylohyoideus und die \u00fcbrigen n. hypoglossus und cervicalis II. Die Folgen dieser Anordnung f\u00fcr die Verkn\u00fcpfung der Bewegungen sind unbekannt. \u2014 Die willk\u00fchr-liche Erregung gebietet unbeschr\u00e4nkt \u00fcber die Nerven des stylo-, genio-und hyoglossus, omo- (?), sterno-, stylo- und geniohyoidei, longitudinales et transversi linguae, indem ebensowohl ein- als zweiseitig die Zunge nach vorn, nach hinten, oben und unten bewegt werden kann. Beschr\u00e4nkt ist aber die Willk\u00fchr, dem in. mylohyoideus gegen\u00fcber, insofern, als er jedesmal nur beiderseitig zusammenziehbar ist; der hyothy-reoideus endlich ist ihr insofern ganz entzogen, als er nur gleichzeitig mit den Spannmuskeln der Stimmb\u00e4nder und den Gaumen- und Schlundschn\u00fcrern in Verk\u00fcrzung zu bringen ist.\nUeber die Zungenmuskeln, im engeren Wortsinn, ist eine derbe Bindegewebsh\u00fclle gezogen, in welche an vielen Orten die Muskeln ein-gehen, und die mit einem hornigen Ueberzuge bekleidet ist, der sich auf dem R\u00fccken in zahlreichen feinen Forts\u00e4tzen (papillae filiformes)\n*) K \u00f6l liker, Mikroskop. Anatomie. IL Bd. 1. Abthl. p. 12.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; Mund und Schlund. 391\nerhebt; er macht die Zunge rauh und wo er dick ist auch die darunter liegenden weichen Gewebe weniger angreifbar. \u2014 Da aber die Hornschicht auf den pap. fungiformes nur d\u00fcnn ist und zugleich die Zungenschleimhaut reichliche Vertheilungen des n. lingualis besitzt, so geht aus allem diesen hervor, dass die Zunge als Schaufel und Tastwerkzeug sehr brauchbar ist.\nDer Kehldeckel ist ein elastisches Knorpelpl\u00e4ttchen, das sich an das Zungenbein und die Spannknorpel des Kehlkopfes (c. thyreoidea) mittelst elastischer B\u00e4nder anheftet, welche ihm, wenn er sich selbst \u00fcberlassen bleibt, eine solche Stellung zu der Zungenwurzel sichern, dass ihn ein Fl\u00fcssigkeitsstrom in der Richtung vom Schlund zur Speiser\u00f6hre gegen den Kehlkopf umklappt. In dieser niedergedr\u00fcckten Lage deckt er die Stimmritze aber nur dann, wenn der Kehlkopf dem Zungenbeine durch die Verk\u00fcrzung des m. thyreohyoideus gen\u00e4hert ist.\nDer weiche Gaumen*). Seine bogenf\u00f6rmigen freien R\u00e4nder, von denen einer zum Rande der Zungenwurzel und ein anderer zu den Seitentheilen des Schlundkopfes l\u00e4uft, schliessen bekanntlich die mm. palatoglossus und palatopharyngeus ein. Die Zusammenziehung des erste-ren flacht den vorderen Bogen um ein Weniges ab, wobei der Gaumenvorhang, soweit es seine Nachgiebigkeit erlaubt, heruntertritt; auf eine andere Weise kann dem Verk\u00fcrzungsbestreben kein Gen\u00fcge geleistet werden, da die in die Zungenr\u00e4nder eingehenden unteren Enden sich einander weder n\u00e4hern, noch auch die Zunge heben k\u00f6nnen. Bei der Zusammenziehung des an und f\u00fcr sich schon engeren m. palatopharyngeus treten dagegen die freien R\u00e4nder des hinteren Gaumenbogens zur Bildung einer Spalte (Dz on di) von dreiseitiger Form zusammen, deren Basis nach der Schlundwand hin gelegen ist (Tourtual). Diese Gestaltung muss der zusammengezogene Muskel annehmen, da der an seiner hinteren Seite weniger nachgiebige Gaumenvorhang und der an der Wirbels\u00e4ule befestigte Schlundkopf sich nicht in der Richtung von hinten nach vorn gegenseitig n\u00e4hern k\u00f6nnen. Am Schlund wird aber die bei der Zu&ammenziehung entstehende Spalte weiter klaffen, als am Gaumensegel, da die Muskeln weiter auseinander stehen. \u2014 In dem Theile des Segels, der von der Spitze des Bogens bis zum harten Gaumen sich erstreckt, m\u00fcnden die levatores palati posteriores (circumflexus palati) und anteriores, die tensores palati und die levatores uvulae (azygos). Die vier Gaumenheber suchen, wenn sie kurz werden, das Segel, und insbesondere den an die Knochen grenzenden Theil in eine Flucht mit dem harten Gaumen zu heben. M. azygos zieht bei seiner Verk\u00fcrzung die gesenkten Bogenspitzen sammt dem Z\u00e4pfchen empor, und im gleichen Falle zerrt der tensor die gen\u00e4herten Bogenr\u00e4nder auseinander (?).\n*) Tourtual, Ueber den Bau des menschl. Schlund- und Kehlkopfes. Leipzig 1646.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392 Mechanische Arbeit der VerdauuDgswerkzeuge; Mund und Schlund.\n^ -\nDiese Annahmen gr\u00fcnden sich theils auf Ableitungen aus dem Muske ly erlauf, theils auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen, die entweder wie gew\u00f6hnlich von der Mundh\u00f6hle aus geschieht, oder, die in seltenen F\u00e4llen m\u00f6glich war, von der Nasenh\u00f6hle aus (D z o n d i, Bidder)*) nach Zerst\u00f6rung des Oberkiefers oder von den unteren Stucken der Rachenh\u00f6hle nach Verletzungen im Seitentheile des Schlundes \u00fcber dem Zungenbeine (Kobeit).\nDie Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen Quellen; m. palatoglossus erh\u00e4lt sie aus dem n, vagus; m. levator palati posterior mollis wird zugleich versorgt durch F\u00e4den, die in den nn. facialis, glossopharyngeus, vagus und accessorius aus dem Hirne treten; m. tensor palati empf\u00e4ngt seine Nerven aus den nn. trigeminus, glossopharyngeus, vagus und accessorius; m. azygos aus den nn. vagus, accessorius und glossopharyngeus. \u2014 Die Nerven des arc. glossopalatinus sind nicht ermittelt, da der Muskel den meisten S\u00e4ugethieren fehlt; auf den m. levator anterior hat man noch keine R\u00fccksicht genommen.\nDie aufgez\u00e4hlten Muskeln sind, wenn \u00fcberhaupt, der Willk\u00fchr nur in beschr\u00e4nkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung des Gaumens nur auf einer Seite ausgef\u00fchrt werden kann. Unter die in diesem Sinne willk\u00fchrlich beweglichen Muskeln geh\u00f6ren unzweifelhaft mm. levatores palati und uvulae. Reflektorisch erregbar sind die Gaumenschn\u00fcrer, und zwar von den empfindenden Nerven aus, die sich auf der Zungenwurzel, der hinteren Fl\u00e4che des Gaumensegels und in der Schleimhaut \u00fcber den mittleren Schlundschn\u00fcrern verbreiten.\nSchlundkopf. Die Faserung der Schn\u00fcrer geht zum Theil spiralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopfh\u00e4lfte; die Z\u00fcge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren Mittellinie des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bucco- und keratopharyngeus) l\u00e4uft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese Streifungen m\u00fcssen die unteren Partien heben und seitlich zusammenpressen; an den Orten, wo die hintere Schlundwand locker an die Wirbels\u00e4ule geheftet ist, k\u00f6nnen sie die Schn\u00fcrer auch gegen die Mundh\u00f6hle hin bewegen. \u2014 Der m. stylopharyngeus wird seinem Verlaufe gem\u00e4ss die seitlichen Partien der Schlundwand heben und auseinander ziehen, d. h. Falten, die sich auf der hinteren Wand gebildet haben, gl\u00e4tten.\nDie Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus, die Schn\u00fcrer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyngeus?) versorgt.\nOb einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen erregt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmittelbar nach der Erregung der Gaumenmuskeln scheint dieses nicht unm\u00f6glich. \u2014 Reflexbewegungen werden in ihnen ausgel\u00f6st auf Erregung aller\n*) Dzondi, Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1831. \u2014 Bidder, Beobachtungen \u00fcber die Bewegungen des weichen Gaumens. 1838. \u2014 Kobelt, Froriep\u2019s Notizen. 1840. \u00b0","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Kauen und Schlingen ; D\u00fcnndarm.\t393\nempfindenden Fl\u00e4chen hinter dem Gaumenbogen bis zum Beginn der Speiser\u00f6hre.\nSpeiser\u00f6hre. Ihre Muskeln sind beim Menschen, abweichend von dem Verhalten der Hauss\u00e4ugethiere, aus Quer- und L\u00e4ngsfaden zusammengesetzt. Die Nerven derselben kommen aus dem Vagusstamme; sie sind dem Willenseinflusse durchaus entzogen und k\u00f6nnen nur in besonderen Zust\u00e4nden der Erregbarkeiten von der sie deckenden Schleimhaut zu Zusammenziehungen veranlasst werden.\nDie bis dahin erw\u00e4hnten Werkzeuge vollf\u00fchren das Kauen und Schlingen.\nDas Kauen oder Verkleinern der eingef\u00fchrten und unter Umst\u00e4nden mit den Schneidez\u00e4hnen abgebissenen Speisebrocken geschieht durch den mahlenden Druck der Backz\u00e4hne; diesem Akte kommt die Kraft der Kieferschliesser, die Beweglichkeit des Unterkieferkopfes nach verschiedenen Bichtungen und die H\u00e4rte und Unebenheit der Backz\u00e4hne zu Gute. \u2014* Die Speisebrocken w\u00fcrden bei diesen Bewegungen von der erhaben gestellten Kaufl\u00e4che herunterfallen,' wenn sie nicht durch die Wangen, Lippen und die Zunge auf ihr gehalten w\u00fcrden. Wenn diese Einrichtungen das Abgleiten nicht vollkommen verh\u00fcten, so hebt die Zunge das Niedergefallene wieder empor; diese letztere wendet zugleich die Speise von einer Wangenseite auf die andere, ein Vorgang, der namentlich beim Kauen trockener Bisse \u00f6fter in Anwendung kommt. \u2014 Den H\u00e4rtegrad der eingef\u00fchrten Stoffe pr\u00fcfen die Z\u00e4hne, welche bekanntlich sondenartige Tastwerkzeuge darstellen, und sie, in Verbindung mit der Zunge, welche zu dem Behufe die Speisen gegen den harten Gaumen dr\u00fcckt, geben auch Nachricht, ob die Bissen den zum Schlingen hinreichenden Grad von Vertheilung erlangt haben.\nDas Schlingen, Dieser Muskelakt, vermittelst dessen der verkleinerte Bissen aus dem Munde in den Magen bef\u00f6rdert werden soll, wird dadurch verwickelt, dass die Speisen, nachdem sie einmal in die Rachenh\u00f6hle geschoben sind, nun in den Oesophagus eindringen, also die M\u00fcndungen der Luftwege in den Rachen vermeiden sollen und zugleich nicht in die Mundh\u00f6hle zur\u00fcckweichen d\u00fcrfen. Das Einschieben des Bissens hinter den vorderen Gaumenbogen besorgt die Zunge; zu dem Ende wird sie, .nachdem sie die Speisen anf ihren etwas hohl gestellten R\u00fccken genommen hat, zuerst vorn gehoben durch die Muskeln des freien Zungenblattes, dann aber in der Mitte durch die Zusammenziehung des m. mylohyoideus, indem er den Boden der Mundh\u00f6hle abflacht, und endlich an der Wurzel durch m. styloglossus. Nachdem der Bissen somit durch die Zunge an den harten Gaumen gepresst und hinter den arcus glossopalatinus geschoben wurde, legt sich dieser letztere um die Zunge an und schliesst damit Schlund- und Mundh\u00f6hle von einander ab. \u2014 In diesem Augenblicke werden auch die Nasen\u00f6ffnungen und die Stimmritze gedeckt. Die ersteren dadurch, dass das Gaumensegel in","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nSchlingen.\nVerbindung mit der hinteren Schlundwand eine zeitweilige Scheidewand zwischen dem oberen und unteren Theile des Schlundkopfes, etwas unterhalb der Choanen, herstellt; hierbei greifen die einzelnen Theile so ineinander, dass die leva tores palati antici und postici in der N\u00e4he des harten Gaumens und die schr\u00e4g vom Kopf nach dem Larynx verlaufenden Schn\u00fcrmuskeln des Schlundes die hintere Fl\u00e4che des Gaumensegels zu einer schief nach hinten abfallenden Fl\u00e4che erheben; diese Wirkung der bezeichneten Muskeln wird unterst\u00fctzt durch den Bissen, welcher von der Zunge aus das velum pendulum hebend vor sich herschiebt. Der Spalt, der zwischen dem hinteren Gaumenbogen dann noch \u00fcbrig bleibt, wird geschlossen: vorn durch die Verk\u00fcrzung des m. palatoglossus und des als Ventil dazwischen gedr\u00e4ngten Z\u00e4pfchens ; hinten durch eine Falte, welche sich von der Schlundwand hervorhebt in Folge der seitlichen Zusammenpressung, welche der Pharynx durch die absteigend und horizontal verlaufenden Muskelfasern erf\u00e4hrt. \u2014 Der Zugang zu der Stimmritze wird unm\u00f6glich gemacht durch eine Zusammenziehung ihrer Schliesser und das gleichzeitige Niederdr\u00fccken des Kehldeckels vermittelst des von der Zunge herdringenden Bissen. Die Deckung, welche der Kehlkopf von Seite der Epiglottis erf\u00e4hrt, wird dadurch vollkommen, dass sich die letztere der Zunge m\u00f6glichst n\u00e4hert, in Folge der gleichzeitig eintretenden Zusammenziehung der aufsteigenden Schlundschn\u00fcrer und des m. thyreohyoideus; die Ber\u00fchrung der sehr empfindlichen Eingangsfl\u00e4chen in den Kehlkopf vermeidet die Epiglottis bei dieser Bewegung, weil sie sich auf die emporragenden cartilag. arytenoideae st\u00fctzt. \u2014 Somit bleibt dem allseitig gedr\u00fcckten Bissen nur der Weg in den unteren Theil des Schlundkopfes, der um so leichter genommen wird, als sich derselbe mit der Hebung des Kehlkopfes der Zungenwurzel entgegenschiebt. Dort angelangt, wird er durch eine Zusammenziehung der Schlundschn\u00fcrer dem Oesophagus \u00fcberliefert, welcher sich jedesmal in den St\u00fccken verengert, die unmittelbar oberhalb und um den Bissen gelegen sind; diese Zusammenziehung schreitet mit dem Inhalte allm\u00e4hlig von oben nach unten fort, wobei sie aber immer nur einen beschr\u00e4nkten Abschnitt der Muskulatur zugleich ergreift, indem die Fasern der Orte, welche der Bissen verlassen hat, auch allm\u00e4hlig zu ihrer normalen L\u00e4nge zur\u00fcckkehren.\nDie Nerven, welche der Reihe nach beim Schlingen in Erregung treten, sind nicht durchweg bekannt. Aeste der nn. trigeminus, hypo-glossus und des Vagusstammes sind unzweifelhaft betheiligt; ob auch die Schlund- und Gaumenzweige der nn. trigeminus, facialis und glosso-pharyngeus dazu geh\u00f6ren, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber steht hier wie bei der Augenbewegung fest, dass Nervenr\u00f6hren mit sehr verschiedenen Hirnurspr\u00fcngen in diese combinirte Bewegung als Erreger eingeben.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Schlingen.\n395\nDie Zusammenziehung der einzelnen Muskelst\u00fccke*) des Schlingapparates ist in die eigent\u00fcmliche Beziehung gebracht, dass beim Bestehen einer normalen Erregbarkeit auf die Verk\u00fcrzung eines h\u00f6her gelegenen St\u00fcckes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin nachfolgt, w\u00e4hrend niemals auf die eines tieferen die Zusammenziehung eines h\u00f6heren folgt. Man dr\u00fcckt dieses gew\u00f6hnlich so aus, dass dem Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperistaltische Bewegung zukomme. \u2014 Das Fortlaufen der peristaltischen Bewegung geschieht allm\u00e4hlig und ist namentlich abh\u00e4ngig von der Zeitdauer, welche jedes einzelne St\u00fcck zur Vollendung seiner Zusammenziehung verbraucht, da die n\u00e4chst tiefer gelegenen Partieen nicht eher in den Zug der Be-V wegung eintreten, bevor nicht die h\u00f6heren wieder zu der Erschlaffung gekommen sind. \u2014 Die Einleitung der Bewegung ist, wie es scheint, nur bedingt vom Willen abh\u00e4ngig; dagegen kann sie ohne \u00e4ussere Ursache unwillk\u00fcrlich (v. I. Bd. p. J73 u. 174) und auf reflektorischem Wege zu Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlingen einleitet, scheinen f\u00fcr gew\u00f6hnlich auf die hintere Fl\u00e4che des Gaumens und den Schlundkopf beschr\u00e4nkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die fortlaufende Bewegung durch einen Anspruch der Speiser\u00f6hrenschleimhaut aufzul\u00f6sen. Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhaltsam bis zum Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und unversehrt sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein Hinderniss entgegenstellt. Durchschneidet man aber die Muskeln oder Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschr\u00e4nktes St\u00fcck des letzteren durch einen umgelegten Faden zusammen, so \u00fcberschreitet die von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder gedr\u00fcckten Ort nicht (Wild).\nDer Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einzuleiten, dass er den festen oder fl\u00fcssigen Inhalt derMundb\u00f6hle in den Rachen schiebt, welcher dann die dort vorhandenen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass man auf Geheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei-, vier- bis f\u00fcnfmal unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die F\u00e4higkeit dazu sogleich wieder einstellt, so wie sich wieder Speichel in der Mundh\u00f6hle ansammelt oder ein Bissen in sie eingebracht wird. \u2014 Die Angabe, dass die einmal eingeleitete Schlingbewegung zu ihrer Fortf\u00fchrung der reflektorischen Erregungen nicht bedarf, und namentlich nicht in Abh\u00e2ngigk\u00e9it steht von den Erregungen, die der weiter gef\u00fchrte Bissen in der Schleimhaut hervorbringt, st\u00fctzt sich darauf, dass sich die Bewegung selbst dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bisses, z. B. durch einen angezogenen und festgehaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Genauere bei Wild.\n2. Magen.\nDieser ger\u00e4umige Beh\u00e4lter ist im leeren Zustande so aufgeh\u00e4ngt, dass er seine grosse Curvatur nach unten wendet; im gef\u00fcllten dreht er sich dagegen nach vorn, und somit stellt er seine kleine Kr\u00fcmmung\n*) Wild, Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. V. Bd. 76.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\tMechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; Magen.\nnach hinten, welche sich dann \u00fcber die Wirbels\u00e4ule und die auf ihr laufenden Gef\u00e4sse hinspannt, ohne diese letzteren zu dr\u00fccken. Diese Drehung muss um eine Linie geschehen, welche durch die beiden am festesten angehefteten Punkte, die Cardia und den Pylorus bestimmt ist. Die Drehung wird m\u00f6glich, weil die Kr\u00fcmmungen nur durch die schlaffen Netze angeheftet sind, und die vordere und hintere Magenfl\u00e4che mit ihren glatten Bauchfell\u00fcberz\u00fcgen frei in der Peritonialh\u00f6hle liegen. Der Mechanismus, welcher diese Drehung leitet, ist noch nicht ermittelt. Jedenfalls ist er von irgend welcher Muskelzusammenziehung unabh\u00e4ngig, da sich auch der Magen in der Leiche bei seiner Anf\u00fcllung , dreht. \u2014 ln dieser Lage nimmt nun die Cardial\u00f6ffnung die h\u00f6chste Stelle ein, so dass gegen sie die spezifisch leichtesten Bestandtheile des Mageninhaltes zu liegen kommen. Enth\u00e4lt also neben festen und fl\u00fcssigen Stoffen der gef\u00fcllte Magen auch Luft, so wird sie sich an der bezeichnten Stelle finden und durch den Magenmund austreten, wenn er ge\u00f6ffnet ist. \u2014 Die Muskulatur des Magens macht verm\u00f6ge der Anordnung ihrer Fasern eine Verschliessung seiner M\u00fcndungen, insbesondere der nach dem D\u00fcnndarme gekehrten, m\u00f6glich, und ausserdem kann sie eine im Einzelnen mannigfach abge\u00e4nderte Verengerung der Magenh\u00f6hle herbeif\u00fchren. \u2014 Die Anregung zu ihrer Bewegung empf\u00e4ngt sie, theil-weise wenigstens, von Aesten aus dem Vagusstamme (Bi schoff); diese beherrschen jedoch nicht alle Muskeln, da man auch nach Durchschneidung jener Nerven noch Zusammenziehungen eintreten sieht. \u2014 Die Bewegungen des Magens, die man im lebenden Thiere beobachtete, bestehen 1) in Zusammenziehungen des Cardial- und Pyloruspf\u00f6rtners. Die Contraktionen dieses letzteren werden vermehrt durch Ber\u00fchrungen der ihn \u00fcberziehenden Schleimhaut; es wirken dieselben begreiflich um so kr\u00e4ftiger anregend, je weniger ihre Nerven in Folge vorhergehender Angriffe erm\u00fcdet sind. Dieser Einrichtung gem\u00e4ss erlaubt der Pf\u00f6rtner den fl\u00fcssigen Theilen des Mageninhaltes, die gegen seine Oeffnung getrieben werden, leicht den Durchgang, w\u00e4hrend er sich dicht schliesst, wenn feste Massen an seinen Schleimhaut\u00fcberzug stossen. Wiederholt sich aber dieser Anstoss \u00f6fter, so wird er nicht mehr durch eine Verengerung des Muskelringes beantwortet, und es ist sodann auch festen Stoffen der Eintritt in den D\u00fcnndarm gestattet. \u2014 2) Der mit Speisen erf\u00fcllte Magen l\u00e4sst Bewegungen gewahren, deren Endeffekt eine Verengerung seiner H\u00f6hle anstrebt; sie sollen nach Beobachtungen, die Beaumont bei einem Menschen, der eine Magenfistel besass, anstellte, peristaltisch vom Fundus gegen den Pylorus hin fortschreiten. Diese Bewegungen kehren, wenn sie einmal eingetreten sind, wie die Untersuchungen an Hunden lehren, nach mehr oder weniger kurzen Zeitabschnitten wieder. Ausser diesen Bewegungen von peristaltischem Modus will man auch solche von antiperistaltischem beobachtet haben. \u2014 So","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; D\u00fcnndarm.\t397\nunzweifelhaft es ist, dass der Magen Bewegungen zeigt, eben so schwierig ist es aber auch anzugeben, wann dieselben eintreten. Denn es ist Thatsache, dass der Magen nach Er\u00f6ffnung der Unterleibsh\u00f6hle bei lebenden und eben get\u00f6dteten Thieren meist nicht nur vollkommen ruhig angetroffen wird, sondern auch, dass die gew\u00f6hnlichen Erregungsmittel muskul\u00f6ser Apparate ihn nur zu Zusammenziehungen veranlassen k\u00f6nnen, welche sich auf den Ort ihrer Anwendung beschr\u00e4nken. Diese Zeiten der relativen Unth\u00e4tigkeit der Muskeln des Magens scheinen nur nach der Anf\u00fcllung desselben mit Speisen eine Unterbrechung zu erfahren. \u2014 Die den peristaltischen Modus erweckenden und unterhaltenden Nerven sind unbekannt.\n3. D\u00fcnndarm.\nAls ein Rohr von betr\u00e4chtlicher L\u00e4nge, dessen Wandungen bis zum Verschwinden der H\u00f6hle von den gespannten Bauchdecken zusammengepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verh\u00e4ltniss zwischen Binnenraum und Wandungsfl\u00e4che, als der Magen. \u2014 Die Anheftung durch das Periton\u00e4um zwingt das Ileum und Jejunum in Schlingen zu h\u00e4ngen, die wechselnd auf- und absteigen k\u00f6nnen; das festgeheftete Duodenum wechselt seinen Ort niemals zu Gunsten der Gallen- und Pankreasg\u00e4nge, welche seine Wand schr\u00e4g durchbohren. \u2014 Die Falten der Schleimhaut des Jejunum sind so gelegt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der\nRichtung von oben nach unten erlauben, w\u00e4hrend sie durch einen Stoss\n*\nim umgekehrten Sinne aufgestellt werden.\nDie L\u00e4ngs- und Quermuskeln, welche den Darm verk\u00fcrzen und verengern k\u00f6nnen, zeigen sehr eigenth\u00fcmliche Bewegungserscheinungen. Am lebenden oder eben get\u00f6dteten Thiere, dessen Unterleibsh\u00f6hle man er\u00f6ffnet hat, gewahrt man drei besondere Arten derselben. \u2014 1) Die D\u00fcnnd\u00e4rme liegen im Ganzen vollkommen ruhig, nur hin und wieder zeigt sich eine Einschn\u00fcrung mit gleichzeitiger Verk\u00fcrzung eines Darmst\u00fcckes, welches l\u00e4ngere Zeit unver\u00e4ndert in seiner ver\u00e4nderten Gestalt verharrt. \u2014 2) Ein beschr\u00e4nktes Darmst\u00fcck verengert und verk\u00fcrzt sich; diese Zusammenziehung der Quer- oder L\u00e4ngsmuskeln l\u00f6st sich und beginnt nach k\u00fcrzerer Zeit von Neuem, so dass ein wogendes und pendelndes Hin und Wieder der Bewegung zu Stande kommt. \u2014 3) In dem Darme schreitet eine Bewegung peristaltisch (von oben nach unten) oder antiperistaltisch (von unten nach oben) weiter, so dass von zwei unmittelbar aneinander grenzenden Abschnitten des Darmes das eine in Zusammenziehung ger\u00e4th, w\u00e4hrend das andere im Begriff ist, in Erschlaffung \u00fcberzugehen. \u2014 Es lassen sich weder Kennzeichen, noch \"Gr\u00fcnde angeben, wann und warum der eine oder der andere Modus der Bewegung eintritt. Allerdings hat es aber den Anschein, als ob zur peristaltischen und pendelnden Bewegung ein h\u00f6herer Grad von Erregbarkeit. geh\u00f6re, da kurze Zeit vor dem Absterben der Beweglichkeit \u00fcberhaupt nur noch","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\tMechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; D\u00fcnndarm.\ndie lokale Contraktur erzielt werden kann. Dazu ist es nun auch noch zweifelhaft, ob der Darm innerhalb des unverletzten, in den gew\u00f6hnlichen Lebensbedingungen stehenden Thieres die gleichen Vorkommnisse darbietet, da die Mittel zur Beobachtung in diesem Falle sehr beschr\u00e4nkt sind. Das Wenige, was wir wissen, ist entweder gefunden bei Menschen, die so d\u00fcnnwandige Bauchdecken besassen (Betz)*), dass das Spiel der Darmbewegung durch sie hindurch sichtbar war, oder _ sie sind gewonnen an Thieren, denen man Darmfisteln anlegte, durch die in die Darmh\u00f6hle ein Bleidraht eingef\u00fchrt wurde, an dem eine Wachskugel aufgesteckt war (Schwarzenberg)**). Aus der Fortbewegung dieser letzteren konnte man mit Sicherheit schliessen, dass peristaltische Bewegung auch dem lebenden Thiere eigenth\u00fcmlich sei. Diese sind aber keineswegs zu allen Zeiten des Tages, wie etwa die Herzbewegungen, sondern nur zu gewissen Epochen vorhanden. Ist aber einmal eine solche Periode eingetreten, so folgen sich kurz hintereinander eine grosse Zahl von solchen perislaltischen G\u00e4ngen. Zu dieser Zeit lassen sich auch durch Einspr\u00fctzungen von Wasser in den Darm, oder durch mechanisches Bestreichen der inneren Darmfl\u00e4che die Pausen, welche zwischen zwei peristaltischen Bewegungen liegen, betr\u00e4chtlich verk\u00fcrzen und die Intensit\u00e4t der einzelnen Bewegungen steigern. Die Bedingungen f\u00fcr den Eintritt einer solchen Bewegungsreihe sind uns ebenfalls unbekannt. Mehrere Stunden nach eingenommener Mahlzeit fehlen sie selten, doch sind sie auch nach l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung beobachtet, ja es scheint sogar, als ob sie bei einem hungernden Thiere \u00f6fter als bei wohlgen\u00e4hrten wiederkehrten. \u2014 Bemer-kenswerther Weise gewahrte man niemals den antiperistaltischen Modus; daraus darf man aber nicht schliessen, dass er dem unverletzten Thiere fehlte; im Gegentheil, es deutet die Erfahrung, dass zuweilen Koth, wie er sich nur im Dickdarme gebildet haben kann, im Magen angetroffen und auch wohl erbrochen wird, darauf hin, dass auch r\u00fccklaufende Wellen zu Stande kommen. \u2014 Ueber die Stellung dieser Muskeln und ihre combinirten Bewegungen zum Nervensysteme l\u00e4sst sich nichts Befriedigendes sagen; zuweilen gelingt es durch Erregung des Grenzstranges in der Brusth\u00f6hle, oder des ggl. coeliacum, oder der von ihm ausgehenden Nervenf\u00e4den, den D\u00fcnndarm zu bewegen, ein andermal nicht. \u2014 Die einfache oder combinirte Bewegung kann von den Nervenst\u00fccken, die jenseits der Grenzen des Darmes liegen, unabh\u00e4ngig eintreten; gerade wie das ausgeschnittene Herz, so bewegt sich auch oft ein ausgeschnittenes Darmst\u00fcck von beliebiger L\u00e4nge. \u2014 Der nerv, splanchnicus scheint sich zum Darme nicht zu verhalten wie der n. vagus zum Herzen, denn wenn man ihn am lebenden Thiere durchschneidet, so steigert sich die\n*) Henle\u2019su. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 329.\n**) Ibid. VH. Bd. 311.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge ; Dickdarni.\t399\nDarmbewegung nicht (Haffter)*). Auf welchem Wege die leidenschaftliche Erregung des Gehirns Einfluss auf die Darmbewegung gewinnt, ist unklar.\nUeber die erregenden Wirkungen des Blutlaufes auf die Darmmuskeln siehe S chiff und Betz.\n4. Dickdarm.\nDas Verh\u00e4ltnis zwischen Wandausdehnung und Binnenraum stellt ihn in die Mitte zwischen Magen und D\u00fcnndarm. Die auf- und absteigende Richtung seiner H\u00f6hle, welche durch die Bauchfellanheftung unverr\u00fcckt erhalten wird, bedingt nothwendig die Scheidung des fl\u00fcssigen und festen vom gasf\u00f6rmigen Inhalte, indem der letztere ebensowohl vom Coecum als vom Rectum gegen den Quergrimm dann emporsteigen wird. Die Massen, welche einmal aus dem d\u00fcnnen in den dicken Darm getreten sind, werden durch das h\u00e4utige Ventil zwischen beiden, die Val-vula Bauhini, verhindert, nach dem lleum zur\u00fcckzukehren, da dasselbe die weitere M\u00fcndung seines trichterf\u00f6rmigen Hohlraumes gegen diesen letzteren Darm kehrt. Die Last des Kothes ruht im Beginn des Dickdarmes nicht auf dieser Klappe, sondern auf dem Coecum, weil sie bekanntlich wie die M\u00fcndung des D\u00fcnndarmes selbst an der Seitenwand des Colon angebracht ist. Der im Colon ascendens aufsteigende Koth findet in den seitlichen Buchten (den haustra) Ruhepunkte, wenn die ihn emportreibende Bewegung nachl\u00e4sst. Aus diesen muss er wegen ihrer spiraligen Anordnung bei wieder beginnender Bewegung nach oben gehen. Der Inhalt des absteigenden Grimmdarmes wird aus demselben Grunde nicht unmittelbar nach unten sinken. Ist er aber einmal im Mastdarme angelangt, so dr\u00fcckt er nicht unmittelbar gegen die Oeffnung desselben, sondern er lastet, so lange er oberhalb der Blase steht, auf dieser, und ist er hinter sie gelangt, auf der plica transversale recti und der Ausbiegung des Kreutzbeines, so dass er selbst durch den ge\u00f6ffneten After (nach Durchschneidung oder L\u00e4hmung der Sphinktern) vermittelst der Schwere nicht ausgedr\u00fcckt wird (Kohlrausch)**).\nAuf die Bewegungen des Dickdarmes findet das beim D\u00fcnndarme Gesagte seine volle Anwendung. Der verbreiteten Annahme, dass der sphincter ani durch seinen stetigen Schluss den Austritt des Kothes hemme, steht die schon angef\u00fchrte Wahrnehmung des gleichen Verhaltens bei gel\u00e4hmtem Afterschliesser entgegen; aber auch in vollkommen beweglichem Zustande ist der Anus nicht immer gesperrt, wie man bei Tou-chiren desselben leicht wahrnimmt. Von der Haut des Aftereinganges kann dagegen sehr leicht eine reflektorische Bewegung eingeleitet werden. Auffallend bleibt der lange Zeitraum, welchen der Koth zu seinem Durchg\u00e4nge durch das Colon bedarf.\n*) Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 322.\n**) Zur Anatomie und Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. p. 5 u. f.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nBauchpresse.\nFig. 69.\nFig. 70.\n5. Bauchpresse.\nDer Darminhalt steht endlich noch unter dem Einfl\u00fcsse der ihn\ndr\u00fcckenden Bauchmuskeln und der Widerhalt leistenden Bauchknochen.\n*\nZwei Bauchmuskeln, das Zwerchfell und der quere Bauchmuskel, sind so aufgespannt, dass sie bei ihrer Verk\u00fcrzung die Baucheingeweide unter einen allseitigen Druck versetzen, ohne dass sie eine besondere Richtung\ndesselben bevorzugten. Dieses wird ohne Weiteres au,s Fig. 69 verst\u00e4ndlich, welche in einem schematischen K\u00f6rper-Durchschnitte die Faserrichtung des Zwerchfelles (zz) und des m. transversus (tt) wiedergiebt. \u2014 Neben diesen beiden Muskeln tragen aber wesentlich zur Bildung der Bauchwand die Obliqui bei. Der \u00e4ussere oder absteigende (dd) in Fig. 70 giebt, seinem Faserverlaufe entsprechend, den Eingeweiden neben einem Drucke gegen die Wirbels\u00e4ule auch noch einen solchen gegen das Zwerchfell; der innere oder aufsteigende (flfl) muss dagegen bei seiner Verk\u00fcrzung den Bauchinhalt nach unten ziehen.\nIn Folge der aufgez\u00e4hlten Pressungen kann nun 1) der Inhalt der Ged\u00e4rme weiter bewegt werden; dieses geschieht namentlich bei dem Auf- und Abg\u00e4nge des Zwerchfelles, wie die Versuche an Thieren, denen Darmfisteln angelegt wurden, lehren, indem sich ein Draht, der in dasselbe gesteckt wird, bei jeder Einathmung nach aussen und w\u00e4hrend jeder Ausathmung nach innen bewegt. Da diese Bewegungen w\u00e4hrend der verschiedenen Akte in umgekehrter Richtung gehen, so heben sie sich im Enderfolg mehr oder weniger auf. Sie sind dagegen insofern bedeutungsvoll, als sie den fl\u00fcssigen Inhalt von den verschiedensten Seiten her gegen die Darmwand und deren Falten anstossen. \u2014 2) Pressungen werden sehr hilfreich und vielleicht entscheidend sein f\u00fcr die Entleerung der Stoffe","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Erbrechen und Kothen.\n401\naus den beiden nat\u00fcrlichen M\u00fcndungen des Darmkanales, der Mundh\u00f6hle und dem After, dem Erbrechen und Kothen.\na.\tErbrechen. Das Auswerfen des festen oder fl\u00fcssigen Mageninhaltes durch die Cardia und den Schlund in die Mundh\u00f6hle kann unzweifelhaft besorgt werden durch jeden heftigen und insbesondere durch jeden allseitigen Druck auf die Bauchh\u00f6hle, vorausgesetzt, dass der Magenmund und der Schlund offen stehen. Daf\u00fcr b\u00fcrgt nicht allein der geradlinige Verlauf des Schlundes, sondern es ist der empirische Beweis dadurch gegeben, dass man den gef\u00fcllten Magen einer Leiche durch einen heftigen Druck auf die Bauchh\u00f6hle sogleich entleeren kann. Darum wird also, wenn der Cardialsphincter erschlafft ist, w\u00e4hrend das Diaphragma, mm. transversus und oblique descendens sich zusammenziehen, Erbrechen statt finden k\u00f6nnen. So wenig \u00fcber diesen Punkt gestritten werden kann, so schwierig ist es, zu entscheiden, ob auch w\u00e4hrend des Lebens das Erbrechen nur unter den bezeichneten Umst\u00e4nden sich ereignet, oder ob nicht noch gleichzeitig eine Zusammenziehung des Magens hinzutritt. Die Schwierigkeit liegt einmal darin, dass ein Thier sich noch erbrechen kann, wenn auch die Bauchh\u00f6hle desselben er\u00f6ffnet wurde, ja wenn der Magen desselben aus der Bauchwunde hervorgezogen wurde; zweitens aber wird die Entscheidung dadurch erschwert, dass sich w\u00e4hrend des Erbrechens die Bauchmuskeln jedesmal kr\u00e4ftig zusammenziehen. Eine Besprechung der Literatur und der in Betracht kommenden Fragen findet man bei R\u00fchle *). Die Muskeln der Speiser\u00f6hre bleiben w\u00e4hrend des Erbrechens erschlafft, insbesondere aber zeigt sich keine antiperi-staltische Bewegung (Wild), die man fr\u00fcher allgemein annahm.\nUeber die Betheiligung der Nerven an der Brechbewegung ist nur bekannt, dass sie reflektorisch eingeleitet werden kann durch Erregung einiger noch nicht genauer bestimmten Abtheilungen des Schlundes, durch Bestreichen der Cardialschleimhaut und einen starken Druck auf die Peritonalfl\u00e4che des Magens. \u2014 Starke Gem\u00fcthsbewegungen, Ekelvorstellungen u. s. w. leiten ebenfalls das Erbrechen ein.\nb.\tDas Kot hen. Durch die Bauchpresse kann der Koth nur dann aus dem Mastdarme entleert werden, wenn er die Darmh\u00f6hle vom S roma-num an bis zum Mastdarme hin f\u00fcllt. Enthielte nur das erstere Darmst\u00fcck Koth, so w\u00fcrde der Druck ihn nicht weiter f\u00f6rdern, weil derselbe die Schlingen jenes vom Mastdarm absperren w\u00fcrde, und zwar entweder dadurch, dass ihre W\u00e4nde gegen einander oder gegen die Bauchwand gepresst w\u00fcrden. Ist aber nur im Mastdarm Koth enthalten, so wirkt der Druck nicht mehr auf ihn, denn das Rectum liegt ja gr\u00f6sstentheils ausserhalb der Bauchh\u00f6hle. Von der Richtigkeit der letzteren Behauptung kann man sich jeden Augenblick \u00fcberzeugen, wenn man einen beliebigen Gegenstand\n#) Traube, Beitr\u00e4ge zur experimentellen Pathologie. I. Heft. \u2014 Siehe auch Valentin\u2019s Lehrbuch der Physiologie. I. Bd. 273.\nLudwig, Physiologie, n.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Arbeit der Verdauungswerkzeuge.\n402\nin das untere Ende des Mastdarmes einf\u00fchrt, so dass er noch aus der Afterm\u00fcndung theilweise hervorsteht; er wird durch noch so heftiges Dr\u00e4ngen nicht aus dem After bef\u00f6rdert. \u2014 Darum ist auch in der That das Kothen der Bauchpresse nicht allein \u00fcberlassen ; insbesondere ist eine th\u00e4tige Mitwirkung der peristaltischen Bewegung des ganzen absteigenden Dickdarmes und dem levator ani (dem After\u00f6ffner) zugestanden. Wahrscheinlich betheiligen sich auch m. coccygeus und transversus perinaei prof, an dem Akte, welche hinten und vorne dem andr\u00e4ngenden Kothe einen Widerhalt entgegenstellen. Siehe Kohlrausch am angezogenen Orte.\nChemische Arbeit der Verdauungss\u00e4fte.\nEine chemische Untersuchung der Umwandelungen, welche die Speisen w\u00e4hrend ihres Aufenthaltes im Darmkanale erfahren, muss zu ermitteln suchen : a) Den Unterschied, welcher zwischen der Zahl und Anordnung der Atome in den ver\u00e4nderten und unver\u00e4nderten Nah rungs stoffen besteht. Die Zahl der Atome hat die Elementaranalyse festzustellen; die Anordnung ist darum zu ber\u00fccksichtigen, weil die Verdauungss\u00e4fte meist weniger die Zusammensetzung als die L\u00f6slichkeit, die Verwandtschaften und die Spaltbarkeit der einfachen Nahrungsstoffe \u00e4ndern. \u2014 b) Es. ist der Einfluss festzustellen, den jeder einzelne Dr\u00fcsensaft auf jeden einzelnen Nahrungsstoff aus\u00fcbt. Dabei ist zu ber\u00fccksichtigen, dass jeder Dr\u00fcsensaft von ver\u00e4nderlicher Zusammensetzung ist, es m\u00fcssen also die verschiedenen Modifikationen eines und desselben Saftes zur Pr\u00fcfung kommen; da ferner jeder Saft ein Gemenge verschiedener chemischer Stoffe ist, so muss der Versuch gemacht werden, zu ermitteln, wie sich jeder einzelne Bestandtheil desselben an einer durch den Gesammtsaft eingeleiteten Ver\u00e4nderung betheiligt; ferner erzeugt zuweilen ein Saft an einem und demselben Nahrungsstoff mehrere Umwandlungen, es ist also festzustellen die Reihenfolge, in der die betreffenden Umformungen geschehen, und in wie fern dieselben bedingt sind von dem Aggregatzustande und den isomeren Modifikationen, in denen das Nahrungsmittel der Einwirkung des Saftes ausgesetzt wird. Alle diese Beziehungen m\u00fcssen nat\u00fcrlich nach ihrem Umfange und nach ihrer Geschwindigkeit bestimmt werden, mit anderen Worten in welcher Zeit und in welcher Menge der Nahrungsstoff durch die Gewichtseinheit des Saftes von bekannter Zusammensetzung umge\u00e4ndert wird. \u2014 c) Darauf w\u00fcrde zu erledigen sein, welche Ver\u00e4nderungen ein Nahrungsmittel erf\u00e4hrt, wenn es der Reihe nach mit den verschiedenen in Betracht kommenden S\u00e4ften behandelt wird, oder aber wenn die nat\u00fcrlich vorkommenden Combinationen der Verdauungsfl\u00fcssigkeiten gleichzeitig auf dasselbe wirken. \u2014 d) Endlich m\u00fcssten mit verschiedene\u00ab quantitativ genau bestimmten Mengen einfacher Nahrungsmittel (den Speisen) dieselben Versuche vorgenommen werden, welche f\u00fcr jeden einzelnen Nahrungsstoff vorgeschrieben wurden. In allen F\u00e4llen w\u00fcrde angegeben","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Speichel.\t403\nwerden m\u00fcssen, ob und welche Verwandelungen die Bestandteile der Verdauungss\u00e4fte selbst erfahren bei dem Einfl\u00fcsse, den sie auf die Nahrungsmittel \u00fcben.\nNach Beendigung dieser Vorversuche w\u00fcrde man dazu \u00fcbergehen k\u00f6nnen, die Ver\u00e4nderungen zu studiren, welche die Nahrungsstoffe in den einzelnen Abtheilungen des Darmkanales selbst erfahren, und die Gr\u00fcnde f\u00fcr die Abweichungen und Uebereinstimmungen zwischen nat\u00fcrlicher und k\u00fcnstlicher Verdauung aufzusuchen.\nDieses casuistische Verfahren findet, wie begreiflich, seine volle Rechtfertigung darin, dass uns eine chemische Theorie im wahren Wortsinne abgeht; die Reihe von Versuchen, welche der angegebene Gang vorschreibt, ist allerdings ungemein gross und jeder einzelne meist m\u00fchsam, aber dennoch ist, wie die Geschichte der Wissenschaft lehrt, der vorgezeichnete Weg der k\u00fcrzeste. Wir gehen nun dazu \u00fcber, die bis dahin bekannt gewordenen Beobachtungen aufzuz\u00e4hlen.\n1. Speichel*). Der Speichel der gl. parotis, gl. submaxillaris, gl. sublingualis und der Mundwanddr\u00fcsen kommt darin \u00fcberein, dass jeder derselben sich als ein dem Wasser analoges L\u00f6sungsmittel verh\u00e4lt, dass ein jeder derselben im frischen Zustande angewendet sich indifferent verh\u00e4lt gegen unl\u00f6sliche Eiweissstoffe und gegen Fette, und endlich dass ein jeder im Verlaufe von einer bis zu mehreren Stunden geringe Mengen gekochter St\u00e4rke in Traubenzucker umzuwandeln vermag (Leuchs, Frerichs).\nUm jede einzelne Speichelart gesondert von den \u00fcbrigen zu gewinnen, fing man den Saft aus den durchschnittenen G\u00e4ngen auf; den Speichel aus den Dr\u00fcsen in der Mundwandung gew\u00e4nnt man gesondert, nachdem man die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Paroti-den und Submaxillaren unterbunden hatte. Statt dieses Verfahrens bedient man sich auch eines w\u00e4sserigen Auszuges der einzelnen Dr\u00fcsen oder der dr\u00fcsenhaltigen Mundschleimhaut. \u2014 Die Vermischung des Speichels mit Amylon geschah ausserhalb der Mundh\u00f6hle entweder bei der gew\u00f6hnlichen Zimmer- oder bei der normalen K\u00f6rperw\u00e4rme. \u2014 Zur Pr\u00fcfung auf die Umwandelung des Amylons bediente man sich entweder der Trommer\u2019schen Zuckerprobe oder der bekannten Reaktion des Jods auf Amylon; diese letztere giebt namentlich Aufschluss, ob alle St\u00e4rke in Dextrin oder Zucker verwandelt ist, indem in diesem Falle die blaue F\u00e4rbung vollkommen ausbleibt.\nDie Gemenge der verschiedenen Speichelarten verhalten sich den Fetten und Eiweissstoffen gegen\u00fcber wie jeder einzelne f\u00fcr sich; anders aber stellen sie sich zu dem Amylon. \u2014 Ein Gemenge von Ohr- und Unterkieferspeichel (Cl. Bernard) wandelt den Kleister sehr allm\u00e4hlig um; eine Mischung aus Ohr- und Mundwandungsspeichel ver\u00e4ndert denselben zuweilen rasch (J a c ub o wi t sc h), zuweilen aber auch nur sehr langsam (Bidder, Schmidt), w\u00e4hrend endlich ein Gemenge von Mund-\n*) Frerichs, Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. Verdauung, p. 768. \u2014 Bidder und Schmidt, Verdauungss\u00e4fte, p. 14. \u2014 Donders u. Bauduin, Handleiding. H. D. p. 170. \u2014 Schr\u00f6der, Succi gastrici humani vis digestiva. Dorpat 1853.\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nVerdauung durch den Speichel.\nwandungs- und Unterkieferspeichel schon nach wenigen Minuten eine Umwandelung des Kleisters in Dextrin und von da aus in Traubenzucker herbeif\u00fchrt; bei einer dauernden Ber\u00fchrung beider Stoffe geht die Zucker-g\u00e4hrung in die Milch- und Butters\u00e4ureg\u00e4hrung \u00fcber.\nZur genaueren Bestimmung der Wirkung des gemischten Speichels aufAmylon dienen noch folgende Angaben : a) Er greift nur das gekochte nicht aber das rohe St\u00e4rkemehl an (Frerichs, Schr\u00f6der), die dem Amylon verwandten Stoffe, Rohrzucker, Gummi, Pektin, Cellulose, l\u00e4sst er unver\u00e4ndert (Frerichs).\u2014 b) Die Umwandelung des \u00bbKleisters geht noch von statten, wenn der alkalische Speichel neutralisirt wurde ; ebensowenig wird sie gehemmt durch einen Zusatz von SO3, C1H, NO., Essigs\u00e4uie, saurem Magensaft bis zur stark sauren Reaktion (Frerichs). Ein sehr bedeutender S\u00e4ure\u00fcberschuss st\u00f6rt dagegen die Umsetzung; aus diesem Grunde ist die Umwandelung beendet, wenn in Folge der weiter gehenden Zersetzung bedeutendere Mengen des Zuckers zu Milchs\u00e4ure um-geforml sind; in diesem Falle beginnt aber die Zuckerbildung von Neuem, wenn die S\u00e4ure mit Natron ges\u00e4ttigt wird (Cl. Bernard). \u2014 c) Die St\u00e4rkeg\u00e4hrung wird nicht beeintr\u00e4chtigt durch ein einmaliges Aufkochen der Mischung; durch einen Alkoholzusalz, durch Beimengung von arseniger S\u00e4ure (Frerichs). \u2014 d) Das sog. Ptyalin (v. Lehmann) ist f\u00fcr sich angewendet nicht im Stande, die Zuckerbildung hervorzurufen.\nDa den Erfahrungen von Bidder und Schmidt zu Folge der gemischte Speichel sehr rasch, schon nach wenigen Minuten, einen Kleisterbrei theilweise in Zucker umsetzt, da ferner im Munde immer gemengter Speichel vorhanden ist, so folgt daraus, dass der Aufenthalt in der Mundh\u00f6hle, wie er z. B. zum Zerkauen des Brodes nothwendig ist, hinreicht, um die Zuckerbildung einzuleiten. Diese Folgerung ist von Lehmann und Schr\u00f6der*) best\u00e4tigt worden, welche zwei Minuten nach Einf\u00fchrung des Kleisters in den Mund Zucker auffanden. Rohes St\u00e4rkemehl wurde nicht umgewandelt.\n2. Fl \u00fcssigkeiten des Magens.\nDiese bestehen, wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt, meist aus einem Gemenge von S\u00e4ften aus den Lab- und Schleimdr\u00fcsen des Magens und dem Speichel. Obwohl die ersteren weder getrennt f\u00fcr sich noch gesondert vom Speichel in einer zur chemischen Untersuchung hinreichenden Menge erhalten werden k\u00f6nnen, so gelingt dieses doch behufs der Verdauungsversuche mittelst eines Verfahrens, das wir E b e r 1 e verdanken.\nNach Eberle pr\u00e4parirt man zur Darstellung k\u00fcnstlichen Lab- und Scbleimsaftes ein St\u00fcck Magenschleimhaut, welches Lab-oder Schleimdr\u00fcsen enth\u00e4lt, heraus, w\u00e4scht dasselbe sorgf\u00e4ltig mit Wasser ab und legt es dann in eine w\u00e4sserige L\u00f6sUDg von h\u00f6chstens 1 pCt. Salzs\u00e4ure. Die hiervon filtrirte Fl\u00fcssigkeit ist der sog. k\u00fcnstliche\n*) Lehmann, Phyaiolog. Chemie. IH. Bd. p. 293. \u2014 Schr\u00f6der, 1. c. p. 9.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Verdauung durch den Labsaft.\n405\nMagensaft. Die Darstellung desselben ist von Wassmann und Lehmann dahin ver\u00e4ndert worden, dass man entweder nur die ausgewaschene Magenschleimhaut abschabte und die aus den Dr\u00fcsenr\u00f6hren gedruckten S\u00e4fte mit S\u00e4uren (Salz- oder Milchs\u00e4ure) versetzte, oder dass man den eiweissartigen K\u00f6rper des k\u00fcnstlichen Magensaftes mit Bleisalzen f\u00e4llte, durch HS das Blei abschied und dann erst mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure mischte.\nIn der folgenden Besprechung kommt zuerst die k\u00fcnstliche und dann die nat\u00fcrliche Magenverdauung an die Reihe.\nLabdr\u00fcsensaft. Diese aus einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung von Pepsin, Salz- oder Milchs\u00e4ure und den gew\u00f6hnlichen Blutsalzen bestehende Fl\u00fcssigkeit l\u00e4sst vollkommen unber\u00fchrt die Fette und unl\u00f6slichen Kohlenhydrate, die hornigen und elastischen Substanzen. \u2014 In eine einfache L\u00f6sung versetzt er die l\u00f6slichen Kohlenhydrate, die Verbindungen alkalischer Basen mit fixen starken S\u00e4uren und die phosphorsauren Erdsalze. \u2014 Unter Austreibung der S\u00e4uren zersetzt er Salze mit schwachem oder fl\u00fcchtigen S\u00e4uren. \u2014 Wesentlich endlich ver\u00e4ndert er die l\u00f6slichen und unl\u00f6slichen Eiweiss- und Leimstoffe unserer Nahrung.\na. Die in Wasser unl\u00f6slichen Eiweiss- und Leimarten (geronnener K\u00e4se und Faserstoff, gekochtes Eiweiss, Kleber, Pflanzenleim, Binde-und Knorpelgewebe, Colla und Chondrin) l\u00f6st er allm\u00e4hlig. Bei dieser Aufl\u00f6sung bewahren die genannten Stoffe zwar ihre quantitative Zusammensetzung (J. Vogel, Mulder, Lehmann)*), ver\u00e4ndern aber ihre ato-mistische Anordnung und gehen eine Verbindung mit den S\u00e4uren ein. Sie reagiren nemlich sauer, werden durch Neutralisation mit Alkalien nicht gef\u00e4llt, verlieren ihre Eigenschaft, zu gerinnen und zu gelatiniren, und verhalten sich in ihren Verwandtschaftseigenschaften gegen S\u00e4uren und Metallsalze wesentlich anders wie die L\u00f6sungen der genannten Stoffe in verd\u00fcnnten S\u00e4uren, Alkalien und Salpeter (Mialhe, Lehmann)**). \u2014 Die L\u00f6sung resp. Umsetzung der genannten Stoffe kann vom Labsaft nur zuwege gebracht werden: 1) So lange er freie S\u00e4ure und namentlich Salzs\u00e4ure und Milchs\u00e4ure in sehr bedeutender Verd\u00fcnnung enth\u00e4lt. Von anderen S\u00e4uren zeigen sich, so weit bekannt, nur Essig-, Schwefel- und Phosphors\u00e4ure in starken Verd\u00fcnnungen wirksam, w\u00e4hrend schwefelige und arsenige S\u00e4ure, in allen Verh\u00e4ltnissen zugesetzt, die L\u00f6sung nicht herbeif\u00fchren. Indem die L\u00f6sung vor sich geht, werden die S\u00e4ureantheile des Saftes allm\u00e4hlig verbraucht, indem sie sich in einer noch nicht n\u00e4her bestimmten Weise verbinden mit den zur Aufl\u00f6sung gekommenen Stoffen. Dieses geht daraus hervor, dass der Labsaft, nachdem er eine gewisse Menge der bezeichneten Nahrungsstoffe aufgel\u00f6st hat, seine verdauende Kraft einb\u00fcsst; sogleich empf\u00e4ngt er aber dieselbe wieder, wenn man von Neuem einige Tropfen S\u00e4ure zu ihm setzt. 2) Der Labsaft kann\n\u2022) Liebig\u2019s Annalen. 30. Bd. p. 41. \u2014 Tydscbrift vor de wis-en naturkund. Wetenschappen II. Deel.\n**) Pbysiolog. Chemie. JI. J3d. p. 51\u00ab","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"\\\n406\tVerdauung durch den Labsaft,\nferner nur so lange die Eiweiss- und Leimstoffe aufl\u00f6sen, als er Pepsin von den Eigenschaften enth\u00e4lt, die es im frischen Zustande darbietet. Diese Bedingung wird aber aufgehoben durch die Anwesenheit von conzentrirten S\u00e4uren, verd\u00fcnnter Gerb-, schwefeliger, arseniger S\u00e4ure, Metallsalzen, Alaun, Kreosot, conzentrirten L\u00f6sungen der Metallsalze, conzentrirten Alkohol, durch einmaliges Kochen des Labsaftes und endlich, was physiologisch besonders bedeutungsvoll ist, dadurch, dass er zur Aufl\u00f6sung relativ grosser Gewichtsmassen der bezeichnten Nahrungsstoffe mitgewirkt hat. R\u00fccksichtlich dieses letzteren Punktes steht zun\u00e4chst fest, dass der Labsaft im Verlaufe der Aufl\u00f6sung allm\u00e4hlig seine verdauenden Wirkungen verliert, selbst wenn der Verlust an S\u00e4ure fortlaufend wieder ersetzt wird. Daraus schliesst man wohl mit Recht, dass das Pepsin, indem es die fraglichen Nahrungsstoffe umwandelt, allm\u00e4hlig selbst umgesetzt wird. Die Gewichtsmenge von Pepsin, welche hierbei verbraucht wird, ist allerdings gering; denn es war, wie Frerichs beobachtete, ein Labsaft mit 0,25 Gr. festem R\u00fcckstand, der ausser Pepsin auch noch sicherlich aus Salzen bestand, verm\u00f6gend, 20 Gr. trockenen Eiweisses in L\u00f6sung zu versetzen. \u2014 3) Der Labsaft wirkt weiterhin nur in bestimmten Temperaturgrenzen kr\u00e4ftig verdauend; am kr\u00e4ftigsten bei der Normaltemperatur des menschlichen K\u00f6rpers, also zwischen 4-35\u00b0 und 40\u00b0 C. Oberhalb der bezeichneten Grade b\u00fcsst er sehr rasch seine umsetzenden Kr\u00e4fte ein. \u2014 4) Die Salze des Labsaftes und die h\u00e4ufig vorkommenden Verunreinigungen desselben durch Fette und l\u00f6sliche Kohlenhydrate haben, so weit bekannt, im verd\u00fcnnten Zustande keinen Einfluss auf den L\u00f6sungsprozess (Lehmann).\nAus allen diesem zieht man den Schluss, dass der Aufl\u00f6sungs- und Umsetzungsprozess der Eiweiss- und Leimstoffe eine G\u00e4hrung eigent\u00fcmlicher Art sei, die als spezifisch ebarakteristirt ist durch die Gegenwart des fermentirenden Pepsins, das seine Wirksamkeit in einer s\u00e4uerlichen L\u00f6sung entfaltet.\nb.\tDas im Blutserum und den H\u00fchnereiern gel\u00f6st enthaltene Eiweiss wird bei Vermischung mit s\u00e4uerlichem Labsafte getr\u00fcbt ; aus der Mischung kann es einige Zeit nachher nicht mehr durch Siedehitze gef\u00e4llt werden, es soll zugleich leichter thierische H\u00e4ute auf dem Wege der Diffusion durchdringen (M i a 1 h e) *).\nc.\tDas gel\u00f6ste Casein der Milch wird durch den Inhalt der Labdr\u00fcsen gef\u00e4llt; bei einer Temperatur, die 30 bis 40\u00b0 nicht \u00fcbersteigt, muss, damit diese Reaktion eintritt, der Labsaft sauer sein; ein wohl ausgewaschenes neutrales St\u00fcck Magenschleimhaut bringt darum die Milch in dieser Temperatur nicht eher zum Gerinnen, als bis durch die eingeleitete G\u00e4hrung Milchs\u00e4ure erzeugt ist. In einer Temperatur zwischen 50 und 60\u00b0 C. gerinnt\n*) Donders, Handleiding etc.gll. Deel. p. 203,\nV","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Verdauung durch den Magenschleim und Magensaft.\t407\ndurch die Magenschleimhaut auch die alkalisch reagirende Milch (Heintz, Selmi)*).\t- . ' \u2019\nMagen schleim. Neutral und anges\u00e4uert verh\u00e4lt er sich indifferent gegen Eiweiss und Leimsloffe (Wassmann, G oll). Wie er sich gegen die \u00fcbrigen Nahrungsmittel stellt, ist unbekannt.\nNat\u00fcrlicher Magensaft. Das Saftgemenge, wie es aus Magenfisteln beim Menschen und Thiere gewonnen werden kann, ver\u00e4ndert unter gar keinen Umst\u00e4nden: FStte, Gummi, Pektin, Cellulose, elastisches und horniges Gewebe. Gegen andere einfache Nahrungsstoffe verh\u00e4lt er sich je nach seinen Eigenschaften verschieden. \u2014 1) Alkalisch reagirender Magensaft, wie wir vermuthen, ein Gemenge aus viel Speichel und wenig Labsaft, verh\u00e4lt sich dem Amylon und Zucker gegen\u00fcber wie gemischter Speichel; die ungekochte St\u00e4rke greift er nicht an, die gekochte verwandelt er in Zucker und diesen (Rohr-, Trauben-, Milchzucker) in Milchs\u00e4ure. \u2014 Ueber seinen Einfluss auf die festen Eiweissstoffe widersprechen sich die Erfahrungen. Nach Bidder und Schmidt**) verh\u00e4lt sich der neutrale oder alkalische Magensaft des Hundes, vorausgesetzt, dass er als solcher aus dem Magen genommen wurde, gleichgiltig gegen dieselben; nach Versuchen von S ehr\u00f6der***) mit menschlichem Magensafte ist dagegen die alkalische Reaktion durchaus nicht hinderlich der Umsetzung des gekochten H\u00fchnereiweisses und Fleisches. Das Resultat an Hunden ist, wie man sieht, in Ueberein-stimmung, das am Menschen im Widerspruch mit den Beobachtungen \u00fcber den k\u00fcnstlichen Labsaft. \u2014 2) Der sauer reagirende Magensaft, ein Gemenge, in welchem der Labsaft \u00fcberwiegt, ist um so weniger geeignet^ gekochtes Amylon und Zucker umzuwandeln, je relativ weniger Speichel er enth\u00e4lt; in saurem Magensaft geht also die bezeichnete Umwandlung langsam und in recht saurem so gut wie gar nicht mehr vor sich. Stumpft man die S\u00e4ure ab, so gewinnt er dagegen wieder die F\u00e4higkeit, Zucker in Milchs\u00e4ure \u00fcberzuf\u00fchren (Frerichs). Gerade umge-kehrt verh\u00e4lt er sich nun gegen Eiweissstoffe. Die Versuche von Bidder und Schmidt an Hunden und von Schr\u00f6der am Menschen geben \u00fcbereinstimmend an, dass im Allgemeinen ein saurer Magensaft um so reichlicher gekochtes Eiweiss und Fleisch aufl\u00f6st, je mehr er Kali zu seiner S\u00e4ttigung bedarf, mit anderen Worten, um so saurer er ist> Wird die S\u00e4ure abgestumpft, so b\u00fcsst er sein Verm\u00f6gen, aufl\u00f6send auf Eiweissstoffe zu wirken, ein.\nHundert Theile nat\u00fcrlichen Magensaftes vom Hunde waren im Stande, h\u00f6chstens 4,0 Theile (Schmidt und Bidder), 100 Theile des sauren\n\u2019) Heintz, Lehrbuch der Zoochemie. Berlin 1853. 686. **) 1. c. p. 79. Vers. XIV.\n***) 1. c. p. 18. Vers. III. 3. IV. VIII. 1. 2. u. s. w,","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"409\tNat\u00fcrliche Magenverdauung.\nmenschlichen Magensaftes h\u00f6chstens 0,4 Theile (Schr\u00f6der) trockenen Eiweisses zu l\u00f6sen.\nBidder und Schmidt stellten ihre quantitativen Verdauungsversuche in der Weise an, dass Isie durchfeuchtete Eiweiss- und Fleischst\u00fccke von bekanntem Gehalte an festem R\u00fcckstand hei einer Temperatur von 40\u00b0 C. so laoge mit verschiedenen Proben bekannter Gewichtsmengen von Magensaft in Ber\u00fchrung Hessen, als dieser noch irgend etwas aus ihnen zu l\u00f6sen vermochte. Darauf wurde der ungel\u00f6st gebliebene Antheil filtrirt und getrocknet. Man erhielt damit das Gewicht des Aufgel\u00f6sten. Den S\u00e4uregehalt bestimmten sie aus ^der Menge von Kali, welche nothwen-dig war, um den Saft vollkommen zu neutralisireo. Wenn die freie S\u00e4ure, wie beim Hunde, nur aus Chlorwasserstoff besteht, so ergiebt sich allerdings die Menge dieser letzteren, wenn aber, wie beim Menschen, die freien S\u00e4uren aus verschiedenen gemengt sind, so gen\u00fcgt nat\u00fcrlich dieses Verfahren nicht (Schr\u00f6der). Zu den oben zusammengestellten Thatsachen muss wiederholt bemerkt werden, dass selbst der Magensaft des Hundes sich nicht in direktem Verh\u00e4ltnisse eiweissaufl\u00f6send erweist, in welchem er Kali zu seiner Neutralisation bedarf.\nNat\u00fcrliche Magenverdauung. Die Verdauungsresultate der Nahrungsmittel im lebenden Magen (des Hundes oder Menschen) best\u00e4tigen meistens die der k\u00fcnstlichen Verdauung. So ist es z. B. erkl\u00e4rlich, dass der Magen nach dem Gen\u00fcsse gekochtenAmylons bald Zucker enth\u00e4lt (Frerichs, Lehmann, Bouchardat, Sandras u. A.), bald auch, dass er ihm fehlt (Blondlot, Schmidt u. A.), weil je nach dem Ueberwiegen des Labsaftes oder Speichels die Umwandlung der St\u00e4rke geschehen oder unterbleiben muss. Aehnlich verh\u00e4lt es sich mit der Umwandlung des Trauben- und Rohrzuckers in Milchs\u00e4ure, welche zuweilen beobachtet (Frerichs, Lehmann, Bouchardat), zuweilen vermisst ist (Frerichs, Schmidt); allerdings scheint das letztere h\u00e4uflger zu sein, wie erkl\u00e4rlich, weil schon eine geringe Beimengung von Labsaft dem Speichel das umwandelnde Verm\u00f6gen zu entziehen vermag. \u2014 Sehr merkw\u00fcrdig, aus den vorliegenden k\u00fcnstlichen Verdauungsversuchen vollkommen unverst\u00e4ndlich, sind die Beobachtungen von Frerichs*) und Schmidt, wonach zuweilen Butters\u00e4ure-, zuweilen auch schleimige und Alkoholg\u00e4hrung im Magen Vorkommen kann; das Auftreten der beiden letzteren war aber auch immer mit Krankheitszust\u00e4nden verkn\u00fcpft. -\u2014 Eiweissstoffe und insbesondere gekochtes H\u00fchnereiweiss werden im Magen rascher aufgel\u00f6st, als ausserhalb; dieses l\u00e4sst sich ableiten aus mancherlei Gr\u00fcnden, z. B. aus der stetigen Erneuerung des Magensaftes, aus der Entfernung der mit dem umgewandelten Eiweiss geschw\u00e4ngerten L\u00f6sung durch den Pylorus, dem Umr\u00fchren des Mageninhaltes in Folge einer Bewegung der Wandung u. s. w. Die Beobachtungen hier\u00fcber, welche von Bidder und Schmidt am Hunde, von Schr\u00f6der am Menschen angestellt sind, lehren auch, dass Eiweissst\u00fccke, die in einen Magen gelegt werden, der vor 12 bis 20 Stunden\n*) 1. c. 803,","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Nat\u00fcrliche Magenverdauung.\n409\ndie letzte Mahlzeit aufgenommen hatte, in den ersten 2 Stunden ihres Aufenthaltes weit mehr an Gewicht verlieren, als in den 2 darauf folgenden Stunden, und in diesen wieder mehr als in 2 auf diese kommenden. Daraus folgt, dass in einem Magen, der einige Zeit geruht hat, die zur Verdauung des Eiweisses n\u00f6thigen Bedingungen am m\u00e4chtigsten wirken. Die Frage, ob das fl\u00fcssige Eiweiss im Magen eine Umwandlung analog derjenigen erfahre, welche die k\u00fcnstliche Verdauung an ihm hervorbringt, oder ob es, bevor dieses geschehen, aus demselben entfernt werde, w\u00fcrde sich entscheiden lassen, wenn eine quantitative Analyse des Magen- und Darminhaltes m\u00f6glich w\u00e4re. Als feststehend ist anzusehen, dass mindestens ein Theil desselben den Magen unver\u00e4ndert durchwandert, indem im Duodenum gerinnbares Eiweiss nach dem Gen\u00fcsse desselben angetroflen wird.\nUeber die Ver\u00e4nderungen, welche die gemischten Nahrungsstoffe (Speisen) im lebenden Magen erfahren, besitzen wir zuverl\u00e4ssige Beobachtungen nur von Frerichs und Schr\u00f6der. Das Thats\u00e4chliche ihrer Untersuchungen ist kurz folgendes: Aus der in den Magen gebrachten Milch gerinnt rasch der K\u00e4sestoff, darauf verl\u00e4sst das Milchserum, ob durch die Wandung oder den Pylorus ist ungewiss, die Magenh\u00f6hle, so dass ein aus E\u00e4sestoff und Fett bestehender Klumpen zur\u00fcckbleibt, der allm\u00e4hlig von der den Magenw\u00e4nden zugekehrten Fl\u00e4che gegen sein Centrum hin ver\u00e4ndert wird. Eine genauere Untersuchung der ver\u00e4nderten Massen l\u00e4sst erkennen, dass die W\u00e4nde der Milchk\u00fcgelchen aufgel\u00f6st werden, w\u00e4hrend das Fett des Inhaltes zu gr\u00f6sseren Tropfen zu-sammenfliesst, ohne dass es eine chemische Ver\u00e4nderung erf\u00e4hrt. Die Kalksalze der,Milch l\u00f6sen sich auf. \u2014 Das Muskelfleisch zerfallt nach Aufl\u00f6sung des Bindegewebes in die einzelnen Muskelr\u00f6hren; dieselben zerbr\u00f6ckeln sich dann in kurze St\u00fcckchen, deren L\u00e4nge ungef\u00e4hr dem Abstande zweier benachbarter Querstreifen entspricht, so dass die Bruchfl\u00e4chen durch die Querstreifung bestimmt zu sein scheinen. Diese St\u00fcckchen werden allm\u00e4hlig aufgel\u00f6st, jedoch niemals vollkommen, selbst wenn man sie durch eine H\u00fclle, durch welche sie eingeschlossen werden, zwingt, m\u00f6glichst lange in dem Magen zu verweilen. Die aus dem Muskel hervorgejiende L\u00f6sung zeigt zuweilen die Eigenschaft, durch die Hitze zu gerinnen, zuweilen aber fehlt auch dieselbe. Kalbfleisch l\u00f6st sich rascher, als Ochsenfleisch (Schr\u00f6der). Gekochtes oder gebratenes Fleisch erf\u00e4hrt die bezeichnete Umwandlung rascher, als rohes; nach Frerichs darum, weil der Magensaft leichter in die Zwischenr\u00e4ume eindringen kann. Diesem entgegen beobachtete Schr\u00f6der, dass im menschlichen Magensafte ausserhalb des Magens das rohe Fleisch rascher aufgel\u00f6st werde. \u2014 Die Kalksalze l\u00f6sen sich auf und werden zum Theil aus ihrer Verbindung mit den Eiweissk\u00f6rpern getrennt, wie sich daraus ergiebt, dass sie durch Neutralisation der sauren L\u00f6sung gef\u00e4llt wer-","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"Verdaulichkeit der Speisen im Magen.\n410\nden. \u2014 Aus den Knochen wird die leimgebende Substanz aufgel\u00f6st, W\u00e4hrend der gr\u00f6sste Theil der Kalksalze als eine kr\u00fcmelige Masse ungel\u00f6st bleibt; ihr Verhalten im Magensafte gleicht also durchaus nicht dem in einer verd\u00fcnnten S\u00e4ure. \u2014 Das Amylon des Brodes wird in Dextrin und Zucker umgesetzt, wenn aber, wie h\u00e4ufig, das Brod nicht ausgebacken ist, so dass es noch rohe, von der Hitze nicht alterirte Amylonk\u00f6rner enth\u00e4lt, so werden diese von dem Magen nicht angegriffen; die Eiweissstoffe des Brodes l\u00f6sen sich. \u2014 H\u00fclsenfr\u00fcchte und Kartoffeln erfahren dieselbe Umwandelung, aber langsamer und meist auch unvollkommener, weil die holzige Zellenmembran, welche das Amylon und die Eiweissstoffe umschliesst, dem Eindringen der aufl\u00f6senden S\u00e4fte einen Widerstand entgegensetzt. Die das Amylon der Kartoffeln umschliessende Zellhaut findet sich h\u00e4ufig, trotzdem dass ihr Inhalt verschwunden ist, noch unverletzt. Da die Kartoffeln vorzugsweise h\u00e4ufig St\u00e4rke enthalten, welche nicht in den aufgequollenen Zustand versetzt ist, so findet sich oft Tage nach dem letzten Gen\u00fcsse dieser Speise noch unver\u00e4nderte St\u00e4rke im Magen des Menschen.\nVon der Verdaulichkeit der Speisen im Magen. Ber\u00fccksichtigt man bei der Frage nicht die Zeit, sondern nur \u00fcberhaupt, ob eine oder die andere Speise im Magen gel\u00f6st werden k\u00f6nne, so beantwortet sie sich aus dem Vorstehenden von selbst. Wollte man aber feststellen, welche Gewichtsmengen dieser oder jener Speise in der Zeiteinheit aufgel\u00f6st werden, so w\u00fcrde man offenbar angeben m\u00fcssen: die chemische Zusammensetzung, den Aggregatzustand, die Vertheilung und Mengung der Speisen mit anderen unverdaulichen Stoffen; ferner den jeweiligen Gehalt des Magensaftes an Speichel, Pepsin, S\u00e4ure, Wasser u. s. w., die Geschwindigkeit der Absonderung, den Wechsel der Zusammensetzung der S\u00e4fte mit der Absonderungszeit und vielleicht noch manches Andere. Demnach l\u00e4sst sich \u00fcber die gestellte Frage nicht allein f\u00fcr jetzt gar nichts aussagen, sondern es f\u00e4llt dieselbe demn\u00e4chst auch gar nicht in den Bereich des vern\u00fcnftigen Experimentes, da man die geforderte Bedingung zur Erzielung der Vergleichbarkeit weder constant, noch messbar variabel machen kann.\nMissbr\u00e4uchlich hat man aber auch unter Verdaulichkeit die Aufenthaltszeit der Speisen im Magen verstanden, welche in gar keiner Beziehung zur Aufl\u00f6slichkeit zu stehen braucht, da ja auch vollkommen unverdauliche den Magen verlassen. In diesem Sinne nimmt die Verdaulichkeit nur R\u00fccksicht auf den Druck, unter dem die Speisen in dem Magen liegen, und den Widerstand des Pf\u00f6rtners. Die Mittheilungen, die \u00fcber die Verdaulichkeit in diesem Sinne gemacht worden, sind bei Frerichs*) nachzusehen, welcher sie zuerst auf ihren wahren Werth zur\u00fcckgef\u00fchrt hat.\n*) 1. c. 817.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Chymus des Magens,\n411\nDer Ghymus oder der Speisebrei, welcher durch den Pf\u00f6rtner den Magen verl\u00e4sst, verdient schliesslich noch einige Aufmerksamkeit. Unter Voraussetzung einer Nahrung aus gekochten Mehl-, Eivveiss- und Leimarten, Fetten, Blutsalzen und Wasser, gemengt mit Holzfaser, Horn- und elastischen Stoffen, Kiesels\u00e4ure u. s. w., wird der Chvmus einen Brei darstellen, der bald mehr, bald weniger Flils-sigkeit enth\u00e4lt; die Menge dieser letzteren wird sich \u00e4ndern mit dem Gehalte der Speise an Wasser, dem Erg\u00fcsse von Verdauungss\u00e4ften in den Magen und der L\u00f6slichkeit der Nahrungsstoffe in den Magens\u00e4ften. Hier muss jedoch schon angemerkt werden, dass nicht die ganze Menge von Fl\u00fcssigkeit, welche in den Magen geliefert wurde, diesen letzteren auch wieder durch den Pf\u00f6rtner verl\u00e4sst, indem in die Venen- und Lymph-gef\u00e4sse desselben sogleich ein Theil jener Fl\u00fcssigkeit eintritt. Die unaufgel\u00f6sten Bestandtheile des Breies werden ihrer Gr\u00f6sse nach variiren mit der Zerkleinerung, welche die festen Nahrungsmittel durch die Z\u00e4hne erfahren haben, mit dem Verm\u00f6gen der Magens\u00e4fte die Speisen anzufressen , und dem Widerstande, den der Pf\u00f6rtner bei gegebenen Bewegungen der Magenmuskeln zu leisten vermag. \u2014 Die Zusammensetzung der Chymusfl\u00fcssigkeit wird sich immer charakterisiren durch ihren Gehalt an S\u00e4uren und je nach den genossenen Nahrungsmitteln an Zucker, Dextrin, Eiweissstoffen, Leim und Fetten; die ungel\u00f6sten Stoffe werden dagegen bestehen zum Theil aus ganz unl\u00f6slichen Bestandtheilen, Holzfasern , Epithelialschuppen, elastischen Geweben, Kiesels\u00e4ure, Kalkerde u. s. w., zum Theil auch aus l\u00f6slichen, aber noch nicht gel\u00f6sten Speiseresten, insbesondere aus Fleisch und Eiweiss, \u00dfindegewebsst\u00fcckchen und aus Amylon und Kr\u00fcmeln von Kalksalzen. Daraus geht hervor, welche, mannigfaltige Gestaltung dem Chymus zukommen kann.\n3. Fl\u00fcssigkeiten des D\u00fcnndarmes.\nK\u00fcnstliche D\u00fcnndarmverdauung, a. Die reine Galle ist kaum schon einmal auf ihr Verhalten gegen die Speisen gepr\u00fcft worden. Lehmann merkt an, dass sich der in ihr gel\u00f6ste Zucker nicht\nver\u00e4ndere.\t.>\nb.\tDie Bla.s en galle (Galle und Schleim) setzt den Zucker unter den Erscheinungen der F\u00e4ulniss sehr allm\u00e4hlig in Milchs\u00e4ure um (Meckel, Schiel); Fetts\u00e4uren l\u00f6st sie in geringer Menge, w\u00e4hrend sie die neutralen Fette unver\u00e4ndert l\u00e4sst. Eine Einwirkung auf die anderen Speisen ist nicht beobachtet.\nc.\tEin reichlicher Zusatz von Galle zu dem Magen safte raubt diesem die Bef\u00e4higung, geronnene Eiweissk\u00f6rper aufzul\u00f6sen; geschieht die Beimischung nach vollendeter Aufl\u00f6sung, z. B. zu der durch Filtration von dem Chymus geschiedenen Fl\u00fcssigkeit, so wird die F\u00e4ul-iiiss, welche sonst leicht in der Fl\u00fcssigkeit eintritt, gehemmt (H. Hoffj","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nVerdauung durch die D\u00fcnndarms\u00e4fte.\nmann). Die Galle soll in diesem Falle nach den Angaben von Scherer und Frerichs auch dem aufgel\u00f6sten Eiweisse seine F\u00e4higkeit, durch Hitze zu gerinnen, wiedergeben, eine Thatsache, die von Lehmann und Schmidt bestritten wird.\nd.\tDer reine Bauch Speichel verwandelt das gekochte Amylon sehr rasch in Zucker; diesen selbst kann er aber nicht in Milchs\u00e4ure umsetzen (Lassaigne); er zerlegt bei Gegenwart freier Alkalien die neutralen Fette auf dem Wege der G\u00e4hrung in Oels\u00fcss und Fetts\u00e4uren (Bernard); mit den Fetten gesch\u00fcttelt emulsirt er sie permanent, d. h. es bleiben die durch Sch\u00fctteln entstandenen Fetttr\u00f6pfchen getrennt (Bernard). \u2014 Auf Eiweissstoffe reagirt es nicht.\ne.\tDer reine Darmsaft, wie ihn Frerichs, Bidder und Schmidt gewannen, setzt das Amylon in Zucker und Milchs\u00e4ure um; \u2014 Bidder und Schmidt fanden ihn ausserdem noch bef\u00e4higt, die geronnenen Etweissstoffe zu l\u00f6sen.\nNat\u00fcrliche D\u00fcnndarmverdauung. Da die Dr\u00fcsen, welche ihren Inhalt in den D\u00fcnndarm schicken, nicht an demselben Orte einm\u00fcnden, so bietet sich hierdurch die Gelegenheit , die Leistungen derselben, sowohl einzeln als in mancherlei Combinationen untereinander, aufzuhellen. Insbesondere gelingt es innerhalb des Thieres zu isoliren die Wirkung des Darmsaftes und zu verbinden die des Darm- und Magensaftes (nach Unterbindung des Gallen - und Pankreasganges), des Darmund Magensaftes mit der Galle oder dem Bauchspeichel, des Darmsaftes mit der Galle oder dem Bauchspeichel, oder mit beiden (nach Unterbindung der horizontalen Abtheilung des Zw\u00f6lffingerdarmes). Demnach l\u00e4sst sich \u00fcber alle denkbaren Combinationen verf\u00fcgen, mit Ausnahme derjenigen, welche eine Elimination des Darmsaftes verlangen.\na. Um die verdauenden Kr\u00e4fte des Darmsaftes an seiner nat\u00fcrlichen Lagerst\u00e4tte f\u00fcr sich zu ermitteln, zog man bis dahin aus der ge\u00f6ffneten Unterleibsh\u00f6hle eine Darmschlinge hervor, reinigte dieselbe von ihrem Inhalte, band sie oben und unten ab, um ihren Hohlraum von den \u00fcbrigen Darmst\u00fccken zu sondern, und f\u00fcllte dann die frische Speise in dieselbe. Nachdem auch die hierzu n\u00f6thige Oeffnung zugebunden war, wurde die Schlinge in die Unterleibsh\u00f6hle zur\u00fcckgef\u00fchrt (Frerichs, Bidder und Schmidt).\nIn einer solchen Schlinge verwandelt sich Kleister rasch in Zucker und Milchs\u00e4ure und die unl\u00f6slichen Modifikationen der Eiweiss- und Leimstoffe in l\u00f6sliche.\nDurch diesen Versuch w\u00fcrde man das Verhalten des Darmsaftes gegen die frischen Speisen f\u00fcr aufgekl\u00e4rt ansehen d\u00fcrfen, wenn nicht die Bef\u00fcrchtung nahe l\u00e4ge, dass die der Operation folgenden St\u00f6rungen des Blutlaufes in der Unterleibsh\u00f6hle die normale Darmabsonderung vollkommen \u00e4nderten. Die Beobachter geben zwar an, dass mindestens noch einige Stunden unmittelbar nach Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle ein unver\u00e4nderter Darmsaft abgesondert werde, sie bringen daf\u00fcr jedoch keinen an\u00bb","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Nat\u00fcrliche Dnnndarmverdauuog.\n413\nderen Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entz\u00fcndung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. \u2014 Die gestellte Aufgabe w\u00fcrde wahrscheinlich sicherer gel\u00f6st, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte, die den Inhalt des Darmrohres, welches \u00fcber der Fistel gelegen w\u00e4re , durch diese letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet w\u00fcrde von den aus der Darmwand ergossenen S\u00e4ften.\nb.\tWenn man nach Unterbindung des Gallen- und Bauchspeichelganges aus einer am D\u00fcnndarme angelegten Fistel den Speisebrei sch\u00f6pft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungef\u00e4hr ebenso ver\u00e4ndert sind, als sie es gewesen sein w\u00fcrden ohne Abschluss der beiden Dr\u00fcsens\u00e4fte (Bidder und Schmidt)*). War es nicht zur Bildung von Milchs\u00e4ure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pankreassaftes kaum erwartet h\u00e4tte.\nc.\tDie vereinigte Wirkung der Galle, des Bauchspeichels und Darmsaftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln, indem man das Duodenum noch \u00fcber der Leber- und Pankreasm\u00fcndung abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr (Bidder und Schmidt)**). Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren einander sehr \u00e4hnlich , nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in der letzteren die F\u00e4lle relativ h\u00e4ufiger sind, in welchen die Aufl\u00f6sung der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu 90 pCt. der urspr\u00fcnglich angewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zuf\u00e4lligen Umstande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Aufl\u00f6sung in beiden F\u00e4llen gleich war, ist nicht untersucht.\nBei der bekannten Eigenth\u00fcmlichkeit des Pankreas, seine Absonderung f\u00fcr einige Zeit nach Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene Operation den gew\u00fcnschten Erfolg bedingte.\nd.\tDie combinirte Einwirkung der Galle, Magen- und Darms\u00e4fte auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas ausschneidet, oder seine Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge unterbindet. \u2014 Die \u00fcberwiegende Mehrzahl der Beobachter (Bidder und Schmidt, Weinmann, Herbst u. A.) fand das Zusammenwirken jener S\u00e4fte gerade so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war.\ne.\tBauchspeichel, Magen- und Darms\u00e4fte, welche nach Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken, erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgel\u00f6sten Stoffe nach der Richtung der F\u00e4ulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im\n#) 1. c. p. 271.\n**) 1. c. p. 276.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"314\tNat\u00fcrliche D\u00fcnndarmverdauung.\nDarmkanale vor sich gehe; man erschliesst dieses aus der grossen Menge der Darmgase, welche mit einem sehr unangenehm riechenden Rothe entleert werden.\nf. Die verwickeltste Zusammenstellung der verdauenden Fl\u00fcssigkeiten endlich, die nemlich, bei welcher in zeitlicher Reihenfolge auf die Speisen wirken zuerst s\u00e4mmtliche S\u00e4fte, welche in den Magen, und dann die, welche in den D\u00fcnndarm ergossen werden, erzielt r\u00fccksichtlich der Aufl\u00f6sung der Speisen kein anderes Resultat, als alle vorerw\u00e4hnten einfacheren Combinationen; auch hier werden die Leimarten, die Albuminate und das Amylon zur Aufl\u00f6sung in Wasser geschickt gemacht. D\u00fcnndarm- und Magenverdauung unterscheiden sich unter diesem Gesichtspunkte nur darin von einander, dass der erstere gleichzeitig jene Stoffe aufzul\u00f6sen vermag, w\u00e4hrend der Magen entweder durchaus oder mindestens vorzugsweise nur die einen oder nur die anderen im Wasser verfl\u00fcssigt. \u2014 Nun widerstrebt es aber ebensowohl den chemischen Erfahrungen als dem physiologischen Takte, anzunehmen, dass es gleich-g\u00fctig sei, ob\u2019die Aufl\u00f6sung jener Stoffe durch die Magen- oder die D\u00fcnndarms\u00e4fte zu Stande gekommen, oder mit anderen Worten, dass in ganz unn\u00fctzer Weise eine Zahl ganz verschiedenartiger Mittel geh\u00e4uft sei, um zu demselben Ziele zu gelangen. Man ist darum zu jeder Zeit geneigt gewesen, noch nach bestimmten Unterschieden in den Eigenschaften der L\u00f6sung, oder anders ausgedr\u00fcckt, nach Gr\u00fcnden f\u00fcr die Gegenwart der verschiedenartigen L\u00f6sungsmittel zu suchen, oder einzelnen S\u00e4ften eine Betheiligung an der Verdauung im engeren Wortlaute \u00fcberhaupt abzusprechen. Im ersteren Sinne hat man z. B. aufgestellt, dass der alkalische Bauchspeichel oder die neutrale Galle mit ihren schwachen S\u00e4uren die Aufgabe habe, S\u00e4uren des Magensaftes von den im Magen gel\u00f6sten Eiweissstoffen abzuscheiden; oder zu verhindern, dass die von Aufl\u00f6sungsmitteln des Magens beil\u00e4ufig eingef\u00fchrte faulige Umsetzung weiter schreite ; oder dass die von dem sauren Magensafte gehemmte Amvlonaufl\u00f6sung in dem alkalisch reagirenden D\u00fcnndarminhalte wieder beginne und Aehn-liches, was leicht aus den bekannten Eigenschaften der in Betracht kommenden S\u00e4fte abzuleiten w\u00e4re. Befriedigender als diese Gemeinpl\u00e4tze w\u00fcrden, was bis dahin noch vermisst wird, gr\u00fcndliche chemische Untersuchungen \u00fcber die Eigenschaften der L\u00f6sungen sein. \u2014 Diejenigen Physiologen, welche, getragen von den Erfahrungen, dass eine Entfernung des Pankreassaftes und der Galle aus dem D\u00fcnndarm die Verdauung nicht wesentlich beeintr\u00e4chtigt, der Meinung sind, dass jene Fl\u00fcssigkeiten, auch wenn sie anwesend w\u00e4ren, zur L\u00f6sung resp. Umwandelung organischer Nahrungsstoffe keinen Beitrag liefern, theilen ihnen die Aufgabe zu, die Aufsaugung des Fl\u00fcssigen zu unterst\u00fctzen; auf diesen Punkt werden wir alsbald zur\u00fcckkommen.\nNeben der Verdauung gehen nun im D\u00fcnndarme noch andere Um-","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Cbym\u00fcs des D\u00fcnndarmes.\t415\nSetzungen her, welche ebensowohl die Bestandteile der Speisen als die der Verdauungss\u00e4fte betreffen. Zu der ersteren z\u00e4hlt man eine wahrscheinlich nur in geringem Umfange stattfindende Umsetzung der neutralen Fette in Glycerin und fette S\u00e4uren, welche durch den Pankreassaft eingeleitet wird (Bernard). Die aus dieser Zerlegung hervorgehenden S\u00e4uren geben bei Anwesenheit von Kalk und Magnesia Veranlassung zur Bildung erdiger Seifen. \u2014 Ferner geh\u00f6rt hierhin die wahrscheinlich stattfindende Umsetzung der Milchs\u00e4ure in Butters\u00e4ure, welche, wie bekannt, unter gleichzeitiger Entwickelung von Wasserstoffgas geschieht. In der That kommt nemlich neben der Michs\u00e4ure ein Gemisch von fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren und IIgas im D\u00fcnndarme vor; zweifelhaft ist es aber immer noch, ob diese K\u00f6rper in dem bezeichneten Zusammenh\u00e4nge stehen. \u2014 Die Galle, welche in den Darm ergossen wird, soll nach den Beobachtungen von Bidder und Schmidt*), zum Theil wenigstens, sich um-setzen in Taurin und cholsaures Natron. Was dagegen aus den Fermentk\u00f6rpern des Schleim-, Lab- und Pankreassaftes wird, ist noch zu ermitteln, ebenso fehlt uns eine Nachricht dar\u00fcber, ob und wie sich das Leucin, welches nach Frerichs und St\u00e4deler mit dem Bauchspeichel in die Darmh\u00f6hle kommt, ver\u00e4ndert.\nDer Chymus des D\u00fcnndarmes besteht wie der des Magens aus festen Partikeln, fl\u00fcssigen Fetten und Gasbl\u00e4schen, welche in einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung aufgeschwemmt sind. Die sichtbaren Unterschiede beider Breiarten bestehen vorzugsweise darin, dass die festen Theilchen des D\u00fcnndarmes kleiner sind, dass die Fette nicht mehr in grossen, sondern in sehr kleinen Tr\u00f6pfchen vertheilt sind, und endlich darin, dass der Chymus des D\u00fcnndarmes von der beigemengten Galle gelb gef\u00e4rbt erscheint. Das Verh\u00e4ltniss der festen zu den fl\u00fcssigen Theilen variirt aus denselben Gr\u00fcnden, die schon beim Speisebrei des Magens er\u00f6rtert sind, sehr betr\u00e4chtlich ; im Allgemeinen nimmt aber die Fl\u00fcssigkeit gegen das Ende des D\u00fcnndarmes ab.\nDie chemischen Bestandtheile der aufgeschwemmten Massen sind zum Theil den beim Magen erw\u00e4hnten gleich; neu hinzu kommen noch Kalkseifen, harzige Umsetzungsprodukte der Galle, Schleim und losgestossene Epithelien der Harm oberhaut. Das Verh\u00e4ltniss zwischen den einzelnen Gemengtheilen stellt sich f\u00fcr die verschiedenen Abtheilungen des Darmrohres so, dass mit der steigenden Entfernung vom Pylorus die Holz-, Horn- und Kalkmassen u. s. w., welche vollkommen unl\u00f6slich sind, all-m\u00e4hlig bedeutend das Uebergewicht gewinnen \u00fcber das Amylon und die Albuminate. \u2014 Die Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt in L\u00f6sung Zucker, Milchs\u00e4ure und deren Salze, Eiweiss und die urspr\u00fcnglichen und umgesetzten Bestand* theile der Dr\u00fcsens\u00e4fte (Gallens\u00e4ure, Taurin, Leucin, Ammoniaksalze,\n*) 1. c. p. 264 u. f.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nVerdauung durch den Dickdarm; Koth.\nCholestearin u. s. w* **)). Alle diese Stoffe k\u00f6nnen begreiflich in so mannigfachen Verh\u00e4ltnissen zu einander Vorkommen, dass sich kaum etwas Allgemeines dar\u00fcber wird aussagen lassen. Gew\u00f6hnlich \u00fcberwiegen jedoch schon in der Mitte des D\u00fcnndarmes die alkalisch reagirenden Stoffe, so dass von da an die Fl\u00fcssigkeit ihre saure in eine alkalische Reaktion umwandelt. Aber auch dieses Vorkommen erleidet eine Ausnahme bei lebhafter Milchs\u00e4urebildung, wie sie nach reichlichem Gen\u00fcsse von Amy-laceen beobachtet wird.\n4. Die Fl\u00fcssigkeiten des Dickdarmes sind ausserhalb des thie-rischen K\u00f6rpers noch nicht gepr\u00fcft worden ; als Steinh\u00e4user die Gelegenheit benutzte, die ihm eine Fistel des Coecums am Menschen darbot, frische Speisen in den Dickdarm zu bringen, fand er dieselben im Kothe unver\u00e4ndert wieder. Dieses l\u00e4sst begreiflich keinen Schluss zu auf die Ver\u00e4nderung der Speisen in dem Zustande, in welchen sie gew\u00f6hnlich aus dem D\u00fcnndarme in den Dickdarm \u00fcbergehen. In der That scheint auch w\u00e4hrend des Lebens der Inhalt des Dickdarmes sich noch fortw\u00e4hrend zu ver\u00e4ndern; denn es entwickeln sich in demselben S\u00e4uren (Milchs\u00e4ure, Butters\u00e4ure u. s. w.) und Gase, H und CH (Chevreul), Bildungen, die sich allerdings auch erl\u00e4utern aus einer in dem Speisebrei eingeleiteten und ohne Zuthun des Dickdarmsaftes^ fortschreitenden G\u00e4hrung.\nDer Koth oder der Antheil des Speisebreies, welcher aus dem Mastdarme hervortritt, ist nach dem Grade seiner Consistenz in seiner Zusammensetzung verschieden. \u2014 Die Fl\u00fcssigkeit gewinnt \u00fcber das Aufgeschwemmte um so mehr das Uebergewicht, je rascher die Speisen durch den Darmkanal getreten, je mehr der aufsaugende Apparat in seinen Leistungen beschr\u00e4nkt ist, und endlich, wenn in den Kothfl\u00fcssigkeiten Stoffe aufgel\u00f6st sind, welche mit kr\u00e4ftiger Verwandtschaft zum Wasser begabt sind und mit geringer Geschwindigkeit durch die Darmwand in die Blut-und Lymphgef\u00e4sse treten.\nSeiner chemischen Zusammensetzung*) nach besteht der aufgeschwemmte Theii bei einer gemischten Kost aus Hornsch\u00fcppchen, geringen Mengen elastischer H\u00e4ute, einigen zerbr\u00f6ckelten Muskelfasern, Fetten, Holzfaser, Pflanzenwachs, Chlorophyll, etwas Amylon, Schleim, Darmepithelium, Gallenharzen, Cholestearin, Kiesels\u00e4ure, phosphorsauren, schwefelsauren und kohlensauren Erden. \u2014 Die Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt Ei-weiss, Gummi, \u00e4usserst wenig Gallens\u00e4ure, schwefelsaure nebst ein wenig salzsauren Alkalien.\nDie proportionale Menge des Kothes, oder das Gewicht dieses letzteren dividirt durch dasjenige der genossenen Nahrung, ist abh\u00e4ngig von der Menge absolut unverdaulicher Einschl\u00fcsse in die letztere ; aus diesem\n*) Wehsarg, Mikroskopische und chem. Untersuchungen ete. Giessen 1852.\n**) Ihring, Mikroskopische und chem. Untersuchungen etc. Giessen 1852.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung in den Verdauungswegen.\n417\nGrunde giebt Gem\u00fcsenahrung viel mehr Koth, als Fleisch; von der Geschwindigkeit, mit welcher die Speisen durch den Darmkanal gehen, endlich von der Kraft der aufl\u00f6senden und aufsaugenden Verdauungswerkzeuge.\nNachdem mit dankenswerter Vollst\u00e4ndigkeit die auf die L\u00f6sung der Speisen sich beziehenden Fragen er\u00f6rtert sind, w\u00fcrde die n\u00e4chste Aufgabe der chemischen Untersuchungen des Darminhaltes darin bestehen , die Natur der verschiedenartigen Umsetzungsprodukte und der sie veranlassenden Bedingungen aufzusuchen, Wir haben schon der zahlreichen Andeutungen Erw\u00e4hnung gethan, welche sich in den bisherigen Beobachtungen vorfinden, z. B. der Umsetzung der Fette in Glycerin und fette S\u00e4uren, der Bildung von Butters\u00e4ure aus Milchs\u00e4ure, der Umsetzung des taurocholsauren Natrons in Taurin und cholsaures Natron; hierzu kommen noch die von Liebig gemachten Erfahrungen, dass der Koth sich nicht im Zustande der fauligen G\u00e4hrung befindet, in die er erst gelangt, nachdem er dem Zutritte der Luft blosgeiegt war; ferner die von demselben Chemiker entdeckte Thatsache, dass durch Behandlung der Eiweissstoffe mit Kali eine aus fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren bestehende Fl\u00fcssigkeit von ausgepr\u00e4gtem Koth-geruche erhalten werden kann*). Ebenso bemerkenswert!] in dieser Richtung ist das Vorkommen von G\u00e4hrungspilzen in dem Darmkanale (Mitscherlich, Remak, B\u00f6hm) und endlich die von Che vre ul**) mit freilich noch unvollkommenen Methoden beobachteten Gasarten des menschlichen Darmkanals. In der Leiche eines Hingerichteten bemerkte er im Magen eine geringe Menge von Gas, welche in 100 Theiien bestand aus: 0 = 11,00; C02 = 14,00; N == 71,45; H = 3,55. - Im D\u00fcnn-und Dickdarme dreier anderen Hingerichteten beobachtete er:\nD\u00fcnndarm.\nDickdarm.\nII.\nCoecum.\nRectum.\nBemerkungen,\n24,39 55,53\tC02\t43,50 CH u. HS 5,47 |\t\tI\tt |\t\u2014\tjZwei Stunden vor\n20,08 40,00 51,15\tIN\t51,03 C02 70,00 H u. CH 11,16\t!\ti\tjd. Tode eine Mahl- fzeitausBrod, K\u00e4se, \u2014\t| Wein und Wasser. ; C02 42,86 i Vor dem Tode Rind-CH 11,18 l fleisch, Brod, Lin-\n8,85 25,0 8,4\tN\t18,04\tC02 12,5 CH 12,5 H\t7,5 N 67,5\t\n06,6\t\t\tN 45,96\t| sen, Rothwein.\nIII.\nAufsaugung in den Verdauungswegen.\nVon dem, was als Speisen und Dr\u00fcsensaft in den Dann eingef\u00fchrt ward, tritt nur ein kleiner Theil durch den Alter hervor; also muss der Rest, da er nicht #in der H\u00f6hle zur\u00fcckbleibt, durch die Wand den Darm verlassen. Dass die grosse Menge von Fl\u00fcssigkeit, welche diesen Weg betritt, ihn in so kurzer Zeit vollenden kann, begr\u00fcndet sich einmal durch die grosse Ausdehnung der Darm wand, wie sie erm\u00f6glicht ist durch die R\u00f6hrenform des Darmes, und durch die Palten, Zotten und Krypten der einzelnen Schleimhautpartien. Wenn dieses ausgebreitete Filtrum die Aufsaugung an vielen Orten gleichzeitig m\u00f6glich macht, so wird durch die Bedeckung der Wand mit nur einer Schicht Cylinderzellen jede einzelne\n*) Liebig, Thierchemie. 3. Auflage. 136.\n) Magen die's Physiologie, deutsch von Heus in g er. 11. Bd. 75. 101 u. 116.\nLudwig, Physiologie. II.\n27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nAufsaugung durch Chylusgef\u00e4sse.\nStelle sehr leicht durchdringlich. Der Durchgangswiderstand des Epitheliums w\u00fcrde aber noch mehr verringert sein, wenn, wie es Br\u00fccke sehr wahrscheinlich zu machen weiss, jedem einzelnen Epithelialcylinder die bekleidende Wand fehlt an der nach der Darmh\u00f6hle gerichteten Basis und an der in die Wand eingef\u00fcgten Spitze, und sein Binnenraum nur ausgef\u00fcllt ist durch einen leichten Schleimpfropf. Jenseils der Oberhaut st\u00f6sst die eingedrungene Fl\u00fcssigkeit sogleich auf ein lockeres Gewebe, dessen L\u00fccken sich in Lymphgef\u00e4sse \u00f6ffnen, und das ausserdem reichlich von Blutgef\u00e4ssen durchzogen ist; von da aus wird also *das Absorbirte den\neinen oder anderen Weg nehmen.\nA. Aufsaugung durch die Lymphgef\u00e4sse.\n1. Anatomisches Verhalten der Anf\u00e4nge*). Das Stroma der Schleimhaut ist \u00fcberall mit zahlreichen unter einander communizirenden L\u00fccken versehen, in welche der Chylus zun\u00e4chst eintritt, so dass er das ganze Gewebe in dessen Zwischenr\u00e4umen erf\u00fcllt, sowohl innerhalb der Zotten als zwischen den Lieberk\u00fchn\u2019schen Krypten. In jeder Zotte verl\u00e4uft ausserdem der L\u00e4nge nach ein gr\u00f6sserer Hohlraum, der sog. Centraikanal, in dem der Chylus fortgeleitet wird und der unter der Zotte durch angeh\u00e4uften Chylus oft flaschenf\u00f6rmig ausgedehnt ist (Lieberk\u00fchn\u2019s Ampulla). Aus diesem System von Hohlr\u00e4umen entspringen unter den Zotten und ganz in der Tiefe der Schleimhaut die wahren Chylusgef\u00e4sse mit offenen Urspr\u00fcngen. In schiefer Dichtung durchsetzen sie die Muskellager der Schleimhaut, bekommen darauf Klappen und vereinigen sich im Unterschleimhautgewebe zu grossen St\u00e4mmen, mit denen sie die Muskelhaut durchbohren, um unter dem Peri-tonaeal\u00fcberzuge und im Mesenterium in allbekannter Weise weiter fortzuschreiten. In den lockeren oberfl\u00e4chlichen Schleimhautpartieen ist \u00fcberall ein engmaschiges Netz von Blutgef\u00e4ssen eingebettet, das mit freien Wandungen an die L\u00fccken, welche den Anfang der Chylusgef\u00e4sse darstellen, hineinragt. Daraus folgt zweierlei; einmal nemlich wird die M\u00f6glichkeit eines Austausches zwischen den Fl\u00fcssigkeiten gegeben sein, die in den L\u00fccken und den Blutgef\u00e4ssen eingeschlossen sind; zugleich werden aber auch die Blutgef\u00e4sse verm\u00f6ge ihres durch den Blutstrom gespannten Inhaltes die Schleimhautoberfl\u00e4che und namentlich den Zottenmantel aus-spannen, resp. die den Lymphgef\u00e4ssanfang darstellenden Hohlr\u00e4ume offen erhalten, selbst wenn ein gelinder von der Darmh\u00f6hle her wirkender Druck sie zusammenzupressen sucht (Br\u00fccke, Donders). Ausser diesen Gebilden enth\u00e4lt die Schleimhaut bekanntlich noch Muskelzellen. Diese sind in den Zotten zu Fasern angeordnet, welche der gr\u00f6ssten L\u00e4nge der ersteren entsprechend verlaufen ; sie liegen nach innen von den Blutgef\u00e4sscapillaren und nach aussen vom Centralkanal der Zotte. Ziehen sich die Muskeln zusammen, wie dieses am ge\u00f6ffneten Darme des lebenden oder eben get\u00f6dteten Thieres\nBr\u00fccke Ueber Chylusgef\u00e4sse u. d. Resorption d. Chylus. Wien 1853. \u2014 Donders, Henle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. IV. Bd. 230.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Zotten.\n419\nbeobachtet werden kann, und zwar mit einer Kraft, welche die durch den \u00dflutstrom gesteiften Blutgef\u00e4sse zusammendr\u00fcckt, so muss dadurch der vorhandene Inhalt des Centalkanales nach den Lymphgef\u00e4ssen in dem Unterschleimhautgewebe entleert werden, w\u00e4hrend die einzelnen Epithe-liumszellen durch die Verk\u00fcrzung der Zotte comprimirt werden. Falls sie an ihren Enden offen sind, muss hierdurch ein Theil ihres Inhaltes in die Darmh\u00f6hle zur\u00fccktreten. Man kann nicht sagen, ob dasselbe auch f\u00fcr den Inhalt der \u00e4usseren Gewebsr\u00e4ume des Stroma's eintreten m\u00fcsse, da man nicht weiss, ob die Epitheliumszellen so eingepflanzt sind, dass der Chylus ebenso leicht aus dem Stroma in die Zellen, als aus den Zellen in das Stroma tritt. Diese Darstellung, welche der klassischen Arbeit von Br\u00fccke entlehnt ist, l\u00e4sst uns erkennen, wie zierlich und zweckm\u00e4ssig zugleich die Zotte zum Behufe der Filtration und der Weiterbewegung ihres Inhaltes gebaut ist.\n2. Stoffaufnahme in die Chylusgef\u00e4sse. Die Kr\u00e4fte, welche unter normalen Verh\u00e4ltnissen die Schleimhautl\u00fccken und die damit in Verbindung stehenden Ampullen f\u00fcllen, k\u00f6nnen, so weit unsere Einsicht reicht, nur bestehen in Capillaranziehung, Diffusion und Druckunterschieden. Die L\u00fccken sind eng und ihre W\u00e4nde mit w\u00e4sserigen L\u00f6sungen benetzbar, also muss die erste der drei aufgez\u00e4hlten F\u00fcllungsursachen in Betracht kommen. \u2014 W\u00e4re aber aus einem oder dem anderen Grunde der Anfang der Chylusgef\u00e4sse mit auch noch so wenig Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt, so muss sich ein Diffusionsstrom entwickeln zwischen Darm- und Blutgef\u00e4ssinhalt oder mindestens gegen einen von beiden, da beide Fl\u00fcssigkeiten in einander diffusibel und zugleich von verschiedener Zusammensetzung sind.\u2014 L\u00e4ge aber der Darm- und Blutgef\u00e4ssinhalt unter einem h\u00f6heren Drucke, als derjenige der Chylusgef\u00e4ssanf\u00e4nge, so m\u00fcssten die letzteren allm\u00e4hlig sich auf dem Wege der Filtration anf\u00fcllen. Das Vorkommen eines solchen Spannungsunterschiedes der Fl\u00fcssigkeiten kann aber nicht bestritten werden, da sich die Ampullen und L\u00fccken entleeren durch die periodisch wiederkehrenden Zusammenziehungen der Schleimhautmuskeln und dann, wenn die letzteren erschlafft sind, wieder ausgespannt werden durch die vom Blutstrome gestreckten Blutgef\u00e4sse. Ihr Inhalt wird also oft genug unter einer sehr geringen Spannung verweilen, w\u00e4hrend der Darminhalt unter einer, wenn auch geringen, Pressung liegt, die sich namentlich ereignen muss, wenn eine abw\u00e4rts h\u00e4ngende Darmschlinge mehr oder weniger angef\u00fcllt ist. Anderseits wird zu einem Filtrationsstrome von Seiten der Blutgef\u00e4sse her Veranlassung gegeben durch die normale Spannung des Stromes. Die Stoffe, welche durch Diffusion und Capillarattraktion von beliebiger Seite her oder durch Filtration aus den Blutgef\u00e4ssen in die Anf\u00e4nge der Chylusr\u00f6hren gelangen sollen, m\u00fcssen, wie ohne Weiteres klar ist, fl\u00fcssig und mit Wasser mischbar sein. Aus der Darmh\u00f6hle k\u00f6nnen aber erfahrungsgem\u00e4ss, und zwar, wie man allgemein annimmt, unter Vermittelung des Druckes, auch noch'sehr kleine Fetttr\u00f6pfchen\n\u2018 27 *","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nEintritt in die Anf\u00e4nge der Chylusgef\u00e4sse.\nund mikroskopische feste K\u00f6rperchen in das Innere der Schleimhaut und von da in die Chylusgef\u00e4sse eintreten.\nWir behandeln zuerst die Aufnahme des Fettes. Fr\u00fcher wurde mit-getheilt, dass die Fette im Magen verfl\u00fcssigt und zu gr\u00f6sseren Tropfen vereinigt werden, und dass keine Anzeichen bestehen, welche auf ein Eingehen des Fettes in die Magenwand hinweisen. Im D\u00fcnndarme dagegen wurden die fl\u00fcssigen Fette in ungemein feine Tr\u00f6pfchen vertheilt, und zugleich hat, wie hier zuerst hervorgehoben wird, die mikroskopische Untersuchung gezeigt, dass diese Tr\u00f6pfchen mit chemisch unver\u00e4nderten Eigenschaften in die Epithelialzellen und von dort in das Gewebe der Zotten gelangen, und zwar unter Umst\u00e4nden so reichlich, dass Epithelialh\u00f6hlen und Zottenr\u00e4ume von dicht gedr\u00e4ngten Fettk\u00fcgelchen gef\u00fcllt sind. Da man niemals die Aufnahme des Fettes beobachtet hat ohne die vorg\u00e4ngige Zertheilung desselben in Tr\u00f6pfchen, so betrachtet man die Emulgirung des Fettes als die erste Bedingung der Fettaufsaugung. Die Bedingungen, welche diese Fettzertheilung zu Stande bringen und erhalten, sind zu suchen in den feinen Unebenheiten, mit denen die Darmoberfl\u00e4che versehen ist, indem dieselben, wie h\u00f6chst wahrscheinlich, dazu dienen, um die gr\u00f6sseren Tropfen in kleinere zu spalten, wenn jene durch die peristaltischen Bewegungen auf der Darmoberfl\u00e4che hergepresst werden. Die Wiedervereinigung der kleineren zu gr\u00f6sseren Tr\u00f6pfchen wird aber unm\u00f6glich gemacht durch die reichliche Anwesenheit schleimiger Fl\u00fcssigkeiten, welche die Darmoberfl\u00e4che benetzen. Ueber den Antheil, welchen die verschiedenen, in den Darm ergossenen S\u00e4fte an dieser emulgirenden Wirkung besitzen, ist einige Zeit hindurch Controverse gewesen, indem Cl. Bernard*) die Behauptung aufstellte, dass vorzugsweise nur dem pankreatischen Safte die bezeichnete Eigenschaft zukomme. Die Erfahrungen von Frerichs, Bidder, Schmidt, Weinmann, Herbst**) u. A. haben jedoch unzweifelhaft dargethan, dass nach Unterbindung der Pankreasg\u00e4nge, nach Ausrottung der Dr\u00fcsen oder Ableitung des Saftes durch eine Fistel die Aufsaugung des Fettes ungest\u00f6rt ihren Fortgang nimmt. Demnach m\u00fcssen auch andere Verdauungss\u00e4fte und insbesondere die schleimhaltige Galle und der Darmsaft emulgirend wirken, eine Behauptung, deren Dichtigkeit leicht best\u00e4tigt werden kann durch Sch\u00fctteln eines Gemenges der bezeichnten Dr\u00fcsens\u00e4fte mit fl\u00fcssigen Fetten. \u2014 Viel dunkeier als die feine Vertheilung des Fettes ist jedoch die zweite Seite unseres Herganges, die nemlich, wie die Tr\u00f6pfchen durch die Epithelialzellen hindurch in das Zottengewebe eingehen. Scheiden wir das, was thats\u00e4chlich zur Aufkl\u00e4rung dieses Prozesses ge-than, von dem, was man vermuthungsweise dar\u00fcber ausgesprochen, so\n*) Compt. rend. XXVIII. 249. u. 283.\n**) Bidder u. Schmidt, Verdauungss\u00e4fte, p. 252. \u2014 W7 ein mann, Henle\u2019s u. Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. III. 247. \u2014 Herbst, ibid. 389.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Eintritt des Fettes und fester K\u00f6rper.\n421\nscheint nur so viel festzustehen, einmal, dass die Anwesenheit der Galle im Darmkanale zwar den Uebertritt der Fette erleichtert (Brodie, Gme-lin und Tiedemann), dass aber keineswegs bei Ausschluss aller Galle auch jegliche Fettresorption aufgehoben sei (Bidder und Schmidt). Demn\u00e4chst aber wird die Aufnahme des Fettes erm\u00f6glicht durch die geringe Coh\u00e4renz der Stoffe, aus denen diejenigen Wandtheile der Epi-thelialcylinder gebaut sind, welche einestheils frei in die Darmh\u00f6hle ragen und anderseits in die Schleimhaut eingebettet sind (Br\u00fccke). Die bezeichnete Eigenschaft der betreffenden Zellenfl\u00e4chen ergiebt sich aber nicht allein daraus, dass die Fette als Tr\u00f6pfchen in die Zellenh\u00f6hlen ein- und austreten, sondern noch mehr aus der anderen sogleich zu besprechenden Erfahrung, dass feste, in der Darmfl\u00fcssigkeit aufgeschwemmte K\u00f6rperchen durch die Epithelialzellen hindurch gehen, was ohne die Anwesenheit der entsprechenden Oeffnungen vollkommen unm\u00f6glich sein w\u00fcrde.\nDiesen Thatsachen gem\u00e4ss w\u00fcrde man sich den Mechanismus der Fettresorption folgendermaassen vorstellen k\u00f6nnen: Die bis zur \u00e4us-sersten Feinheit, zum Theil bis zur Gr\u00f6sse des Molekulark\u00f6rnchens vertheilten Fetttr\u00f6pfchen werden gegen die freie Fl\u00e4che der Epithelialcylin-der gedr\u00e4ngt, sei es durch die Schwere oder durch die peristaltische Bewegung, die allerfeinsten K\u00f6rnchen dringen zu allen Zeiten in das Innere der Zellen, die etwas gr\u00f6beren nur dann, wenn der Darm von Galle durchtr\u00e4nkt wird. Diese Fl\u00fcssigkeit mindert nemlich den Widerstand, welchen die mit Wasser befeuchteten Membranen dem Durchtritte der Fette entgegensetzen, und zwar wahrscheinlich dadurch, dass bei ihrer Gegenwart die freie Oberfl\u00e4che des Fetttr\u00f6pfchens, welche einer Haut zu vergleichen ist, an Spannung verliert, so dass sich die Form des Tropfens leichter accomodirt den Gestalten des Porus. Der Druck, welcher den Tropfen in die Zellenh\u00f6hle brachte, f\u00f6rdert ihn von dort aus auch durch das angewachsene Ende der Epithelialzellen und von da in das Zottengewebe.\nEine andere Hypothese, als die hier vertheidigte, behauptet, das Fett werde erst vor der Aufsaugung verseift und nach derselben wieder frei gemacht (und die S\u00e4ure mit Glycerin verbunden?). Diese Annahme haben, des mangelnden Beweises wegen, die Urheber selbst verlassen.\nAus dem Darmkanale in das Blut gehen bei Kaninchen, Hunden und Fr\u00f6schen beobachtungsgem\u00e4ss folgende feste Stoffe \u00fcber*): Blut- und Pigmentk\u00f6rperchen (Moleschott), St\u00e4rkek\u00f6rperchen (H er b s t, 0 e st er-len, Don der s), Quecksilberk\u00fcgelchen (Oes ter len), Kohlenfllittern und Schwefelblumen (Oesterlen, Donders, H. Meyer, Eberhard). Moleschott, der den Mechanismus des Uebertrittes am genauesten\n*) H enle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift. N. F. I. Bd. 409. \u2014 Wiener medizinische Wochensohrift. 1854. 30. Dezember.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nZusammensetzung des Chylus.\nyerfolgt hat, zeigt, dass die K\u00f6rperchen des S\u00e4ugethierblutes bei Fr\u00f6schen\n/\nund ebenso die Pigmentmolek\u00fcle bei S\u00e4ugethieren ganz denselben Weg ein-schlagen, welchen die Fette gehen. Diese Erscheinung verlangt unab-weislich die Annahme von bleibenden Oeffnungen in den Epithelialcylin-dern oder mindestens einen weichen, leicht durchbrechbaren Verschluss.\n3. Zusammensetzung des Chylus. Die Fl\u00fcssigkeit, welche aus dem Darme in die Chylusanf\u00e4nge eindringt, muss in ihrer chemischen Anordnung verschieden ausfallen mit der Zusammensetzung des fl\u00fcssigen Darminhaltes und des Blutes und mit dem relativen Uebergewichte der Kr\u00e4fte, welche die Anf\u00e4nge der Chylusgef\u00e4sse f\u00fcllen. * Die einmal in die Gef\u00e4sse eingegangene Fl\u00fcssigkeit muss ver\u00e4nderlich sein mit der Zahl der Dr\u00fcsen, die sie durchstr\u00f6mt hat; der Inhalt des ductus thoracicus endlich wird variiren mit der Zusammensetzung der einzelnen Chylus-und Lympharten, aus deren Vermischung er entsteht, und der relativen Menge, mit der sich jeder einzelne an der Bildung des Gesammtinhaltes beth eiltet.\nDie Beziehung zwischen dem Darminhalte und dem primitiven Chy-lus ist einmal dadurch gegeben, dass alle im ersteren aufgel\u00f6sten Stoffe zugleich mit den Fetten, entsprechend dem Bau der W\u00e4nde, welche die Anf\u00e4nge der Chylusr\u00f6hren umkleiden, in die letzteren eintreten. Demn\u00e4chst greift der Darminhalt dadurch bestimmend in die Zusammensetzung des primitiven Chylus ein, dass durch die Gegenwart einzelner seiner Bestandtheile (S\u00e4ure, Galle u. s. w.) das Eindringen anderer (Fette, Eiweiss) m\u00f6glich gemacht wird. \u2014 Die Zusammensetzung des Blutes kommt f\u00fcr die des primitiven Chylus in Betracht, einmal, weil der letztere schon innerhalb der Schleimhaut in diffusive Beziehung zum ersteren tritt, und ausserdem, weil mit dem Blute nothwendiger Weise auch der Darminhalt selbst ver\u00e4nderlich sein muss, insofern die chemische Anordnung und die Menge der Dr\u00fcsens\u00e4fte davon abh\u00e4ngen, und insofern hierdurch der Grad der Umwandlung bestimmt wird, welche der Darminhalt vor seinem Eintritte in die Chylusgef\u00e4sse erleidet in Folge der zwischen ihm und dem Blute bestehenden Diffusion. \u2014 Mit dem rela-tiven Werthe der Kr\u00e4fte, der Diffusion und Filtration, welche die Chylusanf\u00e4nge f\u00fcllen, wechselt die Zusammensetzung ihres Inhaltes, weil die eine von ihnen (Filtration) gleichm\u00e4ssig alle in den Fl\u00fcssigkeiten des Darmes aufgel\u00f6sten Stoffe \u00fcberf\u00fcllt, w\u00e4hrend die Diffusion den einen Bestandteil langsamer als den anderen und das Fett gar nicht in Bewegung setzt. Nun kann es aber gar keiner Frage unterworfen sein, dass die beiden Prozesse nicht \u00fcberall und nicht zu allen Zeiten in demselben Verh\u00e4ltnisse ihrer Intensit\u00e4t stehen, da mit der Contraktion der Darmmuskeln und der Spannung der Blutgef\u00e4sscapillaren die Filtration und mit der Zusammensetzung des Darminhaltes, insbesondere mit seinem Gehalte an Labsaft, Galle, Bauchspeichel, die Diffusion ver\u00e4nderli-","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammensetzung des Chylus.\n423\nchen Werthes wird. \u2014 Der Chylus, welcher aus der Darmschleimhaut in die Chylusgef\u00e4sse eingeht, erleidet auf seinem Wege bis zum ductus thoracicus Ver\u00e4nderungen in den Dr\u00fcsen, theils durch die Ber\u00fchrung mit dem Blute und theils durch die in den Dr\u00fcsen selbst vorgehenden Umsetzungen ; also wird mit der Geschwindigkeit seines Stromes mit der Zahl und dem Umfange der eingelegten Dr\u00fcsen die Gr\u00f6sse der Umwandelung Hand in Hand gehen. \u2014 In den ductus thoracicus m\u00fcnden ausser den Chylusgef\u00e4ssen die Lymphgef\u00e4sse der unteren Extremit\u00e4ten, der Bauch- und Brustwandungen, des Beckens, der Brust, der Milz, der Leber, des Pankreas u. s. w. Abgesehen davon, dass es schon unwahrscheinlich ist, eine Gleichartigkeit in der Zusammensetzung der verschiedenen Lympharten anzunehmen, besteht aber sicher ein Unterschied zwischen Lymphe und Chylus; mit dem Uebergewicht der einen oder anderen Fl\u00fcssigkeit muss also jedenfalls der Inhalt des ductus thor. seiner Zusammensetzung nach ver\u00e4nderlich sein.\nAus diesen Angaben erhellt die unendliche Variation, welche sich zu verschiedenen Zeiten an demselben Orte und zu derselben Zeit an verschieden gelegenen Chylusgef\u00e4ssen ereignen kann; die Theorie verh\u00e4lt sich den Einzelheiten gegen\u00fcber noch stumm, und die Erfahrung ist sehr beschr\u00e4nkt, da ihr, abgesehen von allen anderen M\u00e4ngeln, nicht einmal die Kenntniss des primitiven Chylus aus der Schleimhaut zu Gebote steht. \u2014 Das Wenige, was die Beobachtung erworben, ist folgendes :\nDer Chylus kann, wie Blut und Lymphe, in einen fl\u00fcssigen und aufgeschwemmten Theil geschieden werden; der letztere besteht seiner Gestalt nach bald aus aufgeschwemmten Fettpartikelchen, bald aus diesen und Zellen sehr verschiedener Art, die zum grossen Theile den Charakter der K\u00f6rnchenzellen an sich tragen, und endlich aus Blutk\u00f6rperchen. \u2014 Die chemischen Bestandtheile des Chylus, welche bis dahin aufgefunden werden konnten, sind Faserstoff, gerinnbares Eiweiss, ein durch starke Essigs\u00e4ure f\u00e4llbarer Eiweissstoff, Fette, zuweilen Zucker, Verbindungen von Kali, Natron und Kalk mit Milch -, Salz - und Phosphors\u00e4ure. Demnach fehlen dem Chylus von den im gel\u00f6sten Darminhalte nachweisbaren Stoffen: Leimarten, meist der Zucker, gallensaure und schwefelsaure Salze, w\u00e4hrend ihm Faserstoff und gerinnbares Eiweiss zukommen,' die dem Chymus fehlen.\na. Einfluss der Nahrung*). Die blossgelegten Chylusgef\u00e4sse hungernder Thiere sieht man von einer durchsichtigen Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllt; die Durchsichtigkeit des Inhaltes bezeugt den Mangel an aufgeschwemmten Fetten ; eine Analyse dieser Fl\u00fcssigkeit liegt noch nicht vor. \u2014 Wiederholt ist dagegen der Inhalt des ductus thoracicus bei Menschen (L\u2019heritier), Hunden (Chevreul), Pferden (Gmelin), die vor dem\n\u2022) Simon, Med.gChemie. II. Bd. p. 244. - Nasse, Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie, I. Bd. Chy-lus. n. Bd. Lymphe,","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nEinfluss der Nahrung.\nTode gehungert hatten, untersucht worden.' Eine Vergleichung dieser Resultate mit der Lymphe, die aus den unteren Extremit\u00e4ten gewonnen und analysirt wurde, w\u00fcrde, auch ohne dass man den Gewichtsantheil kennte, den jede der beiden Fl\u00fcssigkeiten an dem Inhalte des ductus thoracicus nimmt, zu mancherlei werthvollen Betrachtungen f\u00fchren, wenn es nur festst\u00e4nde, dass die Lymphe des Beckens und der Unterleibsdr\u00fcsen \u00fcbereinstimmend mit der der unteren Extremit\u00e4ten zusammengesetzt w\u00e4re, und wenn die Lymphe und der Inhalt des duct, thoracicus gleichzeitig von demselben Individuum gewonnen worden w\u00e4re. Da dieses nicht der Fall, so gewinnen die aus den nachstehenden Zahlen abzuleitenden Schl\u00fcsse eine zweifelhafte Giltigkeit.\n\t}\t! i\ti\t1 Wasser.\ti Gel\u00f6ste Ei-weissstoffe u. | K\u00f6rnerchen,\tFaserstoff.\tEx- trakte. i\tFett.\ti Beobachter. !\nReine Lymphe . Inhalt d. ductus\tMensch :\tj \u00bb\ti ,\t|\t93,73 i 1\t4,28\t0,06\t1,28\t0.65 /\tGubler. 1\nthoracicus. . .\t\u00bb\t92,43\tli.iiu i\t0,32\t*? \u2022\t0,50\tL\u2019heritier.\nj\t!\tj i\t1 Wasser. r i\tEiweiss.\ttrockener Kuchen.\tEx- trakte. 1\tFett.\t|\nReine Lymphe . Inhalt d. ductus\tPferd \u00bb\t96,34\t2,11\t0,19\t1,06\tSpuren]\t> Gmelin.\nthoracicus . .\t77\t93,79\t4,07\t1,06\t1,13\twenig ]\t\nDer Verlust in der Lymphenanalyse des Pferdes betrug 0,2 pCt. \u2014 Soweit die unvollkommene Untersuchung zu schliessen erlaubt, enthielten die Lymphe und der Inhalt des ductus thoracicus, also auch der aus dem Darme kommende Antheil desselben, gleiche Bestandtheile. Diese Folgerung scheint um so gerechtfertigter, als die in den Chy-lusgef\u00e4ssen der hungernden Thiere str\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit ebenfalls entweder direkt oder indirekt (vermittelst der Darms\u00e4fte) aus dem Blute stammt. In quantitativer Beziehung zeichnet sich der Inhalt des duct.thorac. vor der Lymphe durch einen gr\u00f6sseren Gehalt an festen und fl\u00fcssigen Eiweissstoffen (K\u00e4sestoff, Eiweiss, Faserstoff, K\u00f6rperchen) aus. Dieser Unterschied w\u00fcrde jedoch f\u00fcr den Menschen sehr viel kleiner als beim Pferde aus-fallen, wenn, wie wahiseheinlich, die Extrakte der Lvmphe vorzugsweise aus eiweissartigen K\u00f6rpern bestanden h\u00e4tten.\nDie Nachrichten, die uns von dem Chylus gef\u00fctterter Thiere zu Theil geworden, sind ebenfalls meist gewonnen durch die Untersuchung des ductus thoracicus. Diese Thatsachen haben Werth, indem sie die Natur der S\u00e4fte feststellen, welche w\u00e4hrend der Verdauung in das Blut kommen, eine selbst beschr\u00e4nkt deutliche Vorstellung \u00fcber das Verh\u00e4lt-niss von der Zusammensetzung des Chylus und der Speisen geben sie nicht, weil den betreffenden Analysen nur unvollkommene Angaben \u00fcber die Zusammensetzung der letzteren selbst beigegeben sind. Bei Anstellung \u00e4hnlicher Beobachtungen d\u00fcrfte es am vorteilhaftesten sein, die","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Blutmischung, der Darmgegend, der Dr\u00fcsen.\nZusammensetzung des Speisebreies, aus welchem der Chylus seinen Ursprung nahm, zu ermitteln.\nDer Inhalt des ductus thoracieus enth\u00e4lt nach den vorliegenden Beobachtungen jedesmal Eiweiss, Faserstoff, Extrakte, salzsaure und phosphorsaure Alkalien und phosphorsaure Erden; nach starker mehl- und zuckerhaltiger Nahrung kommt dazu in einzelnen F\u00e4llen auch Zucker und nach fetthaltigen Speisen (Fleisch, Milch u. s. w.) reichlich (bis zu 3 pCt.) aufgeschwemmtes Fett. R\u00fccksichtlich aller \u00fcbrigen Eigenschaften bietet sich keine feste Beziehung zu der Nahrung, indem man bald nach Fleisch- und bald nach Pflanzenkost das Blutroth, den Faserstoff, das Eiweiss vermehrt oder vermindert fand.\nb. Die Beziehungen zwischen der Zusammensetzung von Blut und Chylus sind durch den Versuch in beschr\u00e4nkter Weise aufgehellt; Fenwick*) giebt an, dass Blutlaugensalz, in die Venen eingespriitzt, im Inhalte des ductus thoracieus wiedergefunden wird. \u2014 c. Der Chylus, welcher aus den Gef\u00e4ssen des Dickdarmes gefangen werden kann, enth\u00e4lt kein aufgeschwemmtes Fett, selbst wenn der aus den D\u00fcnndarmgef\u00e4ssen genommene reich daran ist (Gmelin). Im D\u00fcnndarme selbst tritt aber das Fett immer nur durch die Spitzen der Zotten, niemals durch die Epithelialcylinder der Li eb erk\u00fchn\u2019 sehen Crypten. \u2014 d. Der Chylus erf\u00e4hrt auf seinem Wege vom Darme bis zu dem ductus thoracieus einige Ver\u00e4nderungen, welche man vorzugsweise dem Einfl\u00fcsse der Dr\u00fcsen zuschreibt. Vor dem Eintritte in dieselben enth\u00e4lt der Chylus, insofern er aus einem fetthaltigen Chymus stammt, viel in feinen Tr\u00f6pfchen aufgeschwemmtes Fett, welches, wenn ersterer einigemal durch Dr\u00fcsen gewandert ist, verschwindet. Daf\u00fcr treten, in dem Maasse, als das Fett abnimmt, Lymphk\u00f6rperchen in ihm auf. Da nun schon innerhalb der Schleimhaut des Darmes Lymphdr\u00fcsen gelegen sind, die Pey er\u2019sehen und solit\u00e4ren Dr\u00fcsen, welche das Fett aufspeichern und K\u00f6rperchen ausgeben (Br ticke)**), so werden auch die auf der Aussenfl\u00e4che der Schleimhaut verlaufenden Gef\u00e4sse schon K\u00f6rperchen in ihren Inhalt f\u00fchren, welche sich aber von Dr\u00fcse zu Dr\u00fcse bedeutend vermehren (K\u00f6lliker)***). \u2014 Mit dieser Ver\u00e4nderung in ihren Formen gestaltet sich auch die chemische Zusammensetzung der Lymphe um, wie die nachstehenden Analysen des Pferdechylus von Gmelin lehren.\n\tWasser.\tTrockenes Coagulum.\ti i Albumin. i\tExtrakte u. Salze. 1\tFett.\nVor den Mensenterial-dr\u00fcsen . . \t\t87,10\twenig\t3,38\t9,03\t9,03\nNach den Mensenterial-dr\u00fcsen \t\t94,86\t3,1\t2,42\t0,96\t1,23\n*) Valentin, Jahresbericht f\u00fcr 1845. p. 175.\n**) Wiener Sitzungsberichte. XV. Bd. 267,\n***) Zeitschrift f\u00fcr wissenschaftliche Zoologie. VII. Bd. 182,","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nAufsaugung durch die Blutgef\u00e4sse.\nDaraus w\u00fcrde hervorgehen, dass der Chylus in den Dr\u00fcsen Wasser und Extrakte verliert, aber Faserstoff und K\u00f6rperchen gewinnt.\n4.\tDas Volum der Fl\u00fcssigkeit, welches durch die Chylusgef\u00e4sse str\u00f6mt, resp. der Antheil desselben, welcher aus dem Chymus seinen Ursprung nimmt, wird mit der reichlichen Anwesenheit von Fetten und gel\u00f6sten Eiweissstoffen im Darmkanale und mit der M\u00e4chtigkeit der einsaugenden Kr\u00e4fte sich offenbar mehren; in welchem Maasse dieses geschieht, ist unbekannt.\nWiederholt ist der Versuch gemacht worden, die mittlere^ Menge vom Chylus zu bestimmen, welche bei erwachsenen Menschen binnen 24 Stunden durch die G\u00e4Dge str\u00f6mt. Vierordt*) ging hierbei von der Voraussetzung aus, dass alles verdaute und aufgesogene Eiweiss durch die Chylusgef\u00e4sse aufgenommen w\u00fcrde, und dass der ganze Eiweissgehalt des Chylus nur aus dieser Quelle stamme. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, w\u00fcrde man, wenn der Chylus des Pferdes und des Menschen ungef\u00e4hr gleiche Zusammensetzung bes\u00e4sse, aus dem bekannten Gehalte der Nahrung an Eiweiss mindestens die Grenzen ermitteln k\u00f6nnen, in denen sich die t\u00e4gliche Chylusmenge bewegen w\u00fcrde. Die der Rechnung zu Grunde gelegten Annahmen sind aber wenigstens insofern unhaltbar, als nicht alle Eiweissk\u00f6rper des Chylus aus der bezeichneten Quelle stammen, da auch w\u00e4hrend der Zeiten, in denen der Darmkanal leer ist, der Inhalt der Chylusgef\u00e4sse Eiweissstoffe f\u00fchrt. \u2014 Eine \u00e4hnliche Betrachtung stellte Lehmann an, bei der er das aus der Nahrung aufgenommene Fett zu Grunde legte. Da sie ihr Urheber selbst zur\u00fcckgezogen, so enth\u00e4lt man sich, wie billig, der weiteren Besprechung derselben.\n5.\tDie Kr\u00e4fte, welche den Strom des Chylus einleiten und unterhalten, werden zu suchen sein in den Zusammenziehungen der Schleimhautmuskeln, den peristaltischen Bewegungen der groben Darmmuskulatur und der Elastizit\u00e4t der Gef\u00e4sswandung.\nB. Aufsaugung durch die Blutgef\u00e4sse.\t,\n1, Der Diffusionsstrom, welcher zwischen dem fl\u00fcssigen Autheile des Speisebreies und dem Blute in den Darmwandungen besteht, f\u00fchrt den allgemein feststehenden Regeln entsprechend, nicht alle, sondern nur gewisse Bestandtheile der aneinander grenzenden Fl\u00fcssigkeiten ineinander \u00fcber. Soviel wir wissen, betheiligen sich nun in der That an dem Austausche: Zucker, pflanzen-, gallen-, fett-, Schwefel-, phosphor-, salz-und kohlensaure Alkalien, Farbstoffe, Eiweiss, Faserstoff (?), Wasser. Ausgeschlossen sind dagegen die Fette. \u2014 In der Richtung vom Darme zum Blute gehen Zucker, Farbstoffe, die Salze mit organischen S\u00e4uren, Wasser und wahrscheinlich auch die schwefelsauren Alkalien. Diese Behauptung st\u00fctzt sich auf verschiedene Gr\u00fcnde. Zuerst ist der Ueber-gang des Zuckers und des einen Theils der erw\u00e4hnten Salze in das Blut dadurch erwiesen, dass man sie, w\u00e4hrend sie allm\u00e4hlig aus dem Darmkanale verschwanden, geradezu im Blute wieder aufgefunden hat. Die Farbstoffe hat man in den aus dem Blute kommenden S\u00e4ften, z. B. dem Harne aufgefunden, ohne dass es immer gelungen w\u00e4re, ihnen in dem Chy-\n\u2022) Archiv 1. physiolog. Heilkunde. VII. Bd. 281,","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Aufgenommene Stoffe.\nlus zu begegnen, oder man hat sie noch im Harne angetroffen, nachdem man die Chylusgef\u00e4sse zerst\u00f6rte, welche aus einem abgegrenzten, mit den be-zeichneten Stoffen gef\u00fcllten Darmst\u00fccke hervorgehen. Endlich verlangt die Theorie das Zugest\u00e4ndnis, dass ein Theil der Schwefel sauren Salze des Darminhaltes in das Blut einstr\u00f6mt, weil jene f\u00fcr gew\u00f6hnlich dem Blute fehlen oder, wenn sie vorhanden, sogleich durch den Harn wieder ausgeschieden werden. \u2014 Eine \u00e4hnliche Bewandniss muss es aber mit dem Wasser haben, da das Blut meist mehr feste Bestandtheile aufgel\u00f6st enth\u00e4lt, als der fl\u00fcssige Speisebrei. \u2014 Vom Blute zum Darme muss gerinnbares Eiweiss gehen, weil der Chymus weniger davon aufgel\u00f6st enth\u00e4lt, als das Blut; diese Voraussage wird best\u00e4tigt durch die Erfahrung, dass Eiweiss in das Wasser austritt, welches in eine abgeschn\u00fcrte und in die Unterleibsh\u00f6hle zur\u00fcckgebrachte D\u00fcnndarmschlinge eingespriitzt wurde (Knapp).\niDSofern das Blut und der Chymus ihre Bestandtheile nur durch Diffusion aus-tauschen k\u00f6nnen, muss man es f\u00fcr unm\u00f6glich halten, dass die Fette aus dem Darm-kanale in das Blutgef\u00e4sswerk eindringen k\u00f6nnen. Nichts destoweniger sind Bruch*) und Lehmann**) dieser Meinung. Der letztere gr\u00fcndet dieselbe auf den gr\u00f6sseren Fettgehalt des Pfortaderblutes, der ihm anderen Venen gegen\u00fcber zukommt. Die Unantastbarkeit der Thatsache vorausgesetzt, beweist sie noch nicht, dass das Fett noth-wendig aus dem Darmkanale stammen m\u00fcsse. \u2014 Bruch beruft sich auf ein besonderes Ansehen der Capillargef\u00e4sse in der D\u00fcnndarmschleimhaut, welches auch Virchow, Br\u00fccke***), Zenker, Funke u. A. angetroffen haben; sie sind nemlich zuweilen mit einer weisslichen, dem Fette sehr \u00e4nlich aussehenden Materie ganz oder theil-weise angef\u00fcllt. Br\u00fccke hat aber durch chemische Reaktionen gezeigt, dass der weissliche Inhalt keinenfalls zu den Fetten gestellt werden kann, und Virchowf) darauf hingewiesen, dass er zum Theil wenigstens aus Leucin bestehe.\nAuf die Diffusionen im Darmkanale sind die schon fr\u00fcher (p. 364.) hervorgehobenen Bemerkungen anwendbar. Dagegen w\u00fcrde es ein grosses Missverst\u00e4ndniss verrathen, wenn man auf die Str\u00f6mung im Darme ohne Weiteres die Zahlen der Diffusionsgeschwindigkeit und des endosmotischen Aequiva\u00eeentes in Anwendung bringen wollte, welche unter ganz anderen Bedingungen von Graham, Jolly, C. Ludwig, A. Fick, Cloetta u. s. w. aufgefunden wurden.\nC. Ueber die Aufnahme der einzelnen Chymusbestandtheile durch Blut- und Chylusgef\u00e4sse zugleich.\nDas praktische Bed\u00fcrfniss verlangt endlich noch Aufschluss, wie sich die Aufsaugung der einzelnen Nahrungsstoffe gestaltet, gleichgiltig, ob sie durch das Blut- oder Chylussystem geschehen ist. Diese Frage kann, mehrfach variirt, von der Erfahrung gel\u00f6st werden, wie es in der That f\u00fcr einzelne Stoffe ann\u00e4hernd geschehen oder wenigstens versucht ist.\n1. Die relative Menge der einfachen Nahrungsstoffe, welche der ge-sammte Darmkanal in einer gegebenen Zeit aufnimmt, ist theils durch\n*) Zeitschrift f\u00fcr wissenschaftliche Zoologie. IV. 285.\n\u201c*) Physiolog. Chemie. III. Bd. 327.\n***) Wiener Sitzungsberichte. XII. 682.\nf) Archiv f. pathol. Anatomie. VIII. 355.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch Blut- und Chylusgef\u00e4sse.\ndie Thatsachen der t\u00e4glichen Erfahrung und theils durch besonders darauf gerichtete Versuche von Boussingault, Le tel lier, Frerichs, Lehmann, Knapp, Becker, Bidder und Schmidt so bestimmt worden, dass in absteigender Beihe aus einem Gemenge derselben aufgesogen werden Wasser, Zucker, Eiweissstoffe, Leim, Kochsalz, Fette, phosphorsaure Kalksalze, Natron, schwefelsaure Salze, Gummi. Die Gr\u00fcnde f\u00fcr die Stellung der einzelnen Bestandtheile in der Reihe lassen sich im Ganzen wohl einsehen. \u2014 Wasser durchdringt die thierischen H\u00e4ute im Allgemeinen sehr rasch und leicht, und zwar um so leichter, je weniger seiner Verwandtschaft zum Blute das Gegengewicht gehalten wird durch die im Chymus selbst aufgel\u00f6sten Stoffe; darum werden verd\u00fcnnte L\u00f6sungen, wie sie das gew\u00f6hnliche Trinkwasser darstellt, in ganz \u00fcberraschender Menge und in verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kurzer Zeit aufgesaugt, und eben darum verschwindet so rasch das viele Wasser wieder aus dem Darmkanale, das mit dem Labsaft, der Galle, dem Bauchspeichel in ihn abgesondert wurde. Conzentrirte L\u00f6sungen dagegen, besonders solcher Salze, welche wie die schwefelsauren nur schwierig die thierischen H\u00e4ute durchwandern, verlassen langsamer die Darmh\u00f6hle, da das Wasser durch seine Verwandtschaft zum Salze zur\u00fcckgehalten wird und es nur in dem Maasse in die Blut- oder (Chylus?) gef\u00e4sse \u00fcbergehen kann, in welchem die L\u00f6sung durch Uebertreten von Salz an Conzentration verliert (Buchheim)*). \u2014 Dass der Zucker in reichlichem Maasse aufgenommen werden kann, ist einleuchtend, weil er in die Chylus- und Blutgef\u00e4sse zugleich eingeht und demnach in allen Abtheilungen des Darmkanals vom Magen bis zum After aufgenommen werden kann. In ganz denselben Verh\u00e4ltnissen findet sich das Kochsalz. Die beiden zuletzt erw\u00e4hnten Stoffe kann das Blut um so wirksamer anziehen, weil es sich derselben fortw\u00e4hrend in dem Maasse durch den Harn oder durch Umsetzung entledigt, in welchem es sie aufgenommen. \u2014 Im Gegens\u00e4tze hierzu stehen dagegen Eiweiss und Fette, welche beide nach unseren gegenw\u00e4rtigen Voraussetzungen nur durch die Chylusgef\u00e4sse einen Ausweg finden. Das erstere muss aber ein Uebergewicht Uber das letztere gewinnen, weil es vom Magen bis zum After seinen Durchgang findet, w\u00e4hrend das Fett nur in die Zottenspitzen des D\u00fcnndarmes eingeht und namentlich in reichlichem Maasse nur so weit, als dieselben von Galle durchtr\u00e4nkt sind. \u2014 Die phosphorsauren Erden k\u00f6nnen im Magen, wo sie von der S\u00e4ure gel\u00f6st sind, in das Blut und den Chylus eindringen, insofern sie nicht an den Grenzen jener alkalisch reagirenden Fl\u00fcssigkeiten niedergeschlagen werden; an allen \u00fcbrigen Orten sind sie nur zugleich mit den eiweissartigen Stoffen, denen sie sich verbunden haben, aufsaugbar. \u2014 F\u00fcr die schwefelsauren Salze scheinen die Wandungen des Darmkanals nur\n*) Archiv f\u00fcr physiolog. Heilkunde. XIII. 93.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch Blut- und Chylusgefasse.\t429\n*\nsehr schwer durchg\u00e4ngig zu sein (B u c h h e i inj und in noch viel h\u00f6herem Grade scheint dieses f\u00fcr das Gummi zu gelten (Boussingault)*).\n2.\tDie absoluten Mengen einfacher Nahrungsstoffe, welche von der Fl\u00e4cheneinheit des Magens, D\u00fcnn- und Dickdarmes in der Zeiteinheit aufgesogen werden k\u00f6nnen, sind bis dahin nur f\u00fcr Eiweiss und Zucker in dem D\u00fcnndarme des Kaninchens auf Veranlassung Lehmann s durch Knapp und Becker untersucht worden. Wie vorauszusehen, sind diese Werthe sehr ver\u00e4nderlich gefunden worden, ln vier Stunden nahm der Quadratcentimeter aus einer 9 pCt. Eiweissl\u00f6sung 0,001 bis 0,002 Gr. Eiweiss auf, w\u00e4hrend aus einer 4,5 pCt. haltenden L\u00f6sung nur h\u00f6chstens 0,0005 Gr. \u00fcbergingen. Diese Versuche lassen schlossen, dass die aufgesaugte Menge mit der Conzentration anw\u00e4chst. Die Beobachtungen, welche Becker mit Zucker anstellte, geben durchaus andere Resultate. In 4 Stunden wurden von der oben genannten Fl\u00e4cheneinheit aufgesaugt aus einer i,2prozentigen L\u00f6sung 0,003 Gr., aus einer 9prozentigen 0,005 bis 0,007 Gr., aus einer 5,8 und 3prozentigen 0,003 Gr. Als er den Versuch so ab\u00e4nderte, dass er eine lOprozentige L\u00f6sung 1, 2, 3, 4 Stunden in dem Darme verweilen liess, gingen in der ersten Stunde, wo die mittlere Conzentration am h\u00f6chsten war, 0,003 Gr. \u00fcber, in der zweiten und dritten Stunde 0,007 und in der vierten Stunde 0,008. Daraus erfolgt deutlich, dass in diesen Beobachtungen die Dichtigkeit der L\u00f6sung und die Uehergangsgeschwindigkeit in keiner einfachen Beziehung zu einander stehen; in der That kann diese Beziehung durch die ungemeine Complikation der Bedingungen verdeckt gewesen sein.\nIn den vorstehenden Versuchen wurde eine Darmschlinge des Kaninchens heraus gezogen und abgebunden, mit einer gewogenen Menge Zucker- oder Eiweissl\u00f6sung von bekannter Zusammensetzung gef\u00fcllt, dann in die Unterleibsh\u00f6hle zur\u00fcckgebracht, nach Verfluss der bestimmten Zeit von seinem Inhalte befreit und in diesem die Menge des Eiweisses oder Zuckers gemessen. Jedenfalls w\u00e4re es w\u00fcnschenswerth, die L\u00f6sungsdichtigkeit auch zu Ende des Versuches zu kennen. \u2014 Boussingault benutzte zu seinen fr\u00fcher erw\u00e4hnten Versuchen unverletzte Thiere, deren Speisen und Koth er analysirte; den Versuchstagen ging eine Untersuchung des Kothes w\u00e4hrend der Enthaltung von aller Nahrung vorher. In die von Becker gelieferte Beurtheilung seiner Versuchsresultate haben sich einige leicht zu verbessernde Versehen eingeschli-cben, die das von ihm in Worten ausgedr\u00fcckte Eodergebniss der Versuchsreihen nicht annehmbar erscheinen lassen.\n3.\tZu den Bedingungen, welche den Umfang der Aufsaugung der Speisen bestimmen, geh\u00f6rt die Aufenthaltsdauer des Chymus im Darm-kanale; diese ist aber gegeben einmal durch die Bewegung des Darmkanales, und dann durch den Widerstand, welchen die Klebrigkeit des Breies der Fortschaffung entgegensetzt. Somit w\u00fcrde also die Zeit sehr bedeutend abgek\u00fcrzt, wenn der Speisebrei recht fl\u00fcssig und beweglich w\u00e4re. Dieses w\u00fcrde aber eintreten, wenn der Darmkanal gleichzeitig\n*) Annales de chimie et physique. 3me. Ser. XVIII. 461. (1846).","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichung der Einnahmen und Ausgaben.\nviel l\u00f6sliche Stoffe enthielte, die eine m\u00e4chtige Anziehung zum Wasser zeigten. In dem normalen Verlaufe der Dinge musste darum dieser Uebelstand vermieden werden, was in der That dadurch geschehen ist, dass wir den Zucker nicht als solchen, sondern als Amjdon, das Eiweiss nicht fl\u00fcssig, sondern geronnen gemessen, und noch mehr dadurch, dass die erw\u00e4hnten Speisen so ganz allm\u00e4hlig in die l\u00f6sliche Modifikation \u00fcbergef\u00fchrt werden, und dass eine jede gel\u00f6ste Menge durch die Verdauungss\u00e4fte aus dem noch ungel\u00f6sten Antheile in entfernte Darmpar-thien weggesp\u00fclt wird.\nIY. Vergleichung des Verlustes und Gewinnes an w\u00e4gbaren\nStoffen.\nEin R\u00fcckblick auf die Ern\u00e4hrungserscheinungen des Thierleibes legt es uns nahe, die einzelnen Organe und also auch die Summen derselben zu vergleichen mit einem Wassersammler, der gleichzeitig einen Zu- und einen Abfluss erf\u00e4hrt. In der That dringt durch die Lunge und den Darmkanal ein Strom von Atomen in den Organismus und durch Lunge, Haut, Nieren und After wieder aus, so dass je nach dem Verh\u00e4ltnisse, in welchem der Umfang und die Geschwindigkeit beider Str\u00f6mungen zu einander stehen, das mittlere t\u00e4gliche Gewicht der Thierleibes entweder sich ann\u00e4hernd unver\u00e4ndert erh\u00e4lt oder in einer Ab- oder auch in einer Zunahme begriffen sein kann. Bei einer etwas tiefer eingehenden Betrachtung der Ern\u00e4hrungserscheinungen zeigen sich aber sogleich mannigfache Abweichungen von den Ergebnissen eines gew\u00f6hnlichen Stromes, von denen eine schon dadurch zur Andeutung kam, dass der Begriff des mittleren t\u00e4glichen K\u00f6rpergewichtes aufgestellt werden musste. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass die Summe w\u00e4gbarer Atome, welche der Thierleib im Laufe eines Tages umschliesst, auf und abschwankt; dieses muss aber geschehen, weil ein Theil der Einnahmen wie der Aus\u00ab gaben nicht ununterbrochen, sondern periodisch geschieht, w\u00e4hrend ein anderer Theil zwar ununterbrochen, aber mit auf und nieder schwankender Geschwindigkeit ein- und ausgeht.\nDer wichtigere Unterschied zwischen dem oben gew\u00e4hlten Bilde und dem Strome von Atomen durch den thierischen K\u00f6rper liegt aber darin, dass die in den Thierleib gef\u00fchrten Massen nicht durch ihr Auftreten die in ihm vorhandenen verdr\u00e4ngen und hinausschieben, sondern dass sich die austretenden Atome in vielfachen Punkten unabh\u00e4ngig von der Zufuhr aus ihren bisherigen Verbindungen losl\u00f6sen. Dieses wird sogleich einleuchtend, wenn man die Thatsachenreihe in das Auge fasst, welche als Verhungern bezeichnet wird, gleichgiltig ob dieses geschieht in Folge einer allgemeinen oder einer partiellen Entziehung von Nahrungsmitteln.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Verhungern ; Gesammthunger.\nUebersicht der Verluste beim Verhungern.\nGesammthunger. Wird einem Thiere, das bis dahin zur Gen\u00fcge gef\u00fcttert wurde, nur noch die Sauerstoffnahrung gew\u00e4hrt, w\u00e4hrend ihm jegliche feste und fl\u00fcssige Nahrung entzogen wird, so nimmt sein Gewicht mehr oder weniger rasch ab, bis dasselbe endlich auf einen Werth gediehen ist, bei dem das Leben nicht mehr bestehen kann. Um die Gewichtsabnahme vergleichbar zu machen, welche w\u00e4hrend der einzelnen oder der Gesammtzahl der Hungertage bei verschiedenen Thieren oder bei demselben Thiere zu verschiedenen Zeiten stattfindet, zieht man in Betracht die verh\u00e4ltnissm\u00e4ssigen Verluste derselben, indem man den t\u00e4glichen oder gesammten Gewichtsabgang mit dem Gesammtgewichte des Thieres, welches am Beobachtungstage vorhanden war, dividirt. Dieser Quotient, welcher den Verlust der Gewichtseinheit des Thieres ausdr\u00fcckt, f\u00fchrt den Namen proportionaler Tages- und Gesammtverlust.\n1. Der Werth des proportionalen Tages Verlustes ist ver\u00e4nderlich mit dem hungernden Individuum und der Dauer der Hungerzeit. Diese Behauptung begr\u00fcndet sich leicht, wenn man erw\u00e4gt, dass der beobachtete proportionale Tagesverlust des Gesammtk\u00f6rpers das Mittel ist aus den Gewichtsabnahmen der einzelnen ihn aufbauenden Gewebselemente. Diese aber sind von sehr ungleicher Zersetzbarkeit, indem sich der Inhalt der Muskel- und Nervenr\u00f6hren, der Leberzellen u. s. w. sehr viel rascher umsetzt, als die Knochen, die elastische Substanz, das Sehnengewebe. Je nachdem also ein dem Versuch unterworfenes Thier relativ mehr Knochen und Bindegewebe oder mehr Muskel und Fett enth\u00e4lt, wird auch der proportionale Tagesverlust gr\u00f6sser oder geringer sein. Was f\u00fcr verschiedene Thiere in gleichen Terminen der Hungerperiode gilt, ist nun auch anwendbar auf ein und dasselbe Thier in verschiedenen Abschnitten der Hungerzeit, da mit derselben seine Zusammensetzung wesentlich umgestaltet wird; denn setzt man als wahrscheinlich voraus, dass der chemische Prozess im Thierk\u00f6rper w\u00e4hrend der Hungerzeit qualitativ unver\u00e4ndert bleibe, so muss der proportionale Tagesverlust abnehmen, indem die rascher zersetzbaren Gewebe im Anf\u00e4nge des Hungerns in relativ gr\u00f6sserer Menge vorhanden sein m\u00fcssen, als gegen das Ende desselben. Die Zersetzungsf\u00e4higkeit einzelner Gewebe ist nun bekanntlich auch keine constante, selbst dann nicht, wenn gleiche Zusammensetzung besteht , da sie, wie z. B. die Muskeln, durch zeitweise eintretende physikalische Einwirkungen gesteigert oder geschw\u00e4cht wird. Je h\u00e4ufiger sich also z. B. die Veranlassung zu Muskelerregungen einfindet, um so lebhafter wird die Umsetzung vor sich gehen; unm\u00f6glich kann man aber erwarten, dass die verschiedenen willk\u00fchrlichen und automatischen Organe des Thierleibes w\u00e4hrend der ganzen Hungerzeit eine gleich lebhafte Erregung behaupten.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"Proportionaler Verlust beim Gesammthunger.\nAus den Versuchen*) von Chossat und Schuchardt an Tauben geht r\u00fcck-sichtlich des t\u00e4glichen Verlustes hervor, 1) dass er, alles Andere gleichgesetzt, steigt mit dem K\u00f6rpergewichte. \u2014 2) Er variirt gew\u00f6hnlich in der Art, dass er in den ersten Tagen nach der Nahrungsentziehung sehr betr\u00e4chtlich ist, dann gegen die Mitte der Hungerzeit abnimmt, in den letzten Tagen vor dem Tode wieder \u00e0nsteigt und einige Stunden vor letzterem aber rasch absinkt. \u2014 3) Der gr\u00f6sste Theil des t\u00e4glichen Verlustes f\u00e4llt auf Haut- und Lungenausd\u00fcnstung. Zur Best\u00e4tigung dieser Behauptung lassen wir die Beobachtungsreihen von Schuchardt folgen:\nu \u00a3 . t>0$ \u00ab2 \u00ae\tGewicht der Taube im Beginn! der Versuchsreihe 268,0 Gr. f 3\t\t\tGewicht der Taube im Beginnf Gewicht der Taube im Beginn der Versuchsreihe 279,0 Gr. f der Versuchsreihe 293,0 Gr.\t\t\t\t\n\tInsge-\tV erlust durch ;\tdurch\tj Insge- ;\tVerlust durch\t\u00ef\t* 1 durch I\tj\tVerlust durch I\tdurch\n\u00c4 2\t\tLunge u. i\tHarn und!\t\tLunge u.\tHarn und \\ Insge-\tLunge u. !\tHarn und\n& P3 P3\tsammt\tHaut j\tFaeces\tsammt i j\tHaut\tFaeces g sammt\tHaut !\tFaeces\n1.\t15,0\t11,5\t3,5\t17,0 |\t13,2\t3,8 i 22,8\t13,3 i\t9,5\n2.\t13,2\t10,7\t2,5\t14,2\t11,2\t3,0 j 16,0\t11,2 !\t4,8\n3.\t11,6\t9,6\t2,0\t15,8\t\u2014\t\u2014 i 18,0\t13,0 ;\t5,0\n4.\t11,5\t7*3\t4,2\t18,0\t11,2\t6,8\t! 19,1\t14,0\t5,2\no.\t12,7\t6,6\t64\t28,8\t21,6\t7,2\t21,0\t14,0\t7,0\n6.\t14,3\t74\t7,2\t1,2\t1,2\t0,0\t7,1\t7,1\t0,0\n7.\t10,4\t8,4\t2,0\t1 -\t\u2014\t\u2014 j \u2014\t\u2014\tl 1 ~\nAus einerweiter in das Einzelne gehenden und m\u00fchevollenVersuehsreibe an Katzen schliesst\nSchmidt: 4) Die t\u00e4glich ausgeatbmete Kohlenmenge ist absolut genommen in den ersten 8 Tagen der Hungerzeit am gr\u00f6ssten, in den letzten 2 Tagen vor dem Tode am geringsten; relativ zum K\u00f6rpergewichte h\u00e4lt sie sich dagegen in den ersten 9 Tagen nahezu gleich, in den darauf folgenden 7 Tagen w\u00e4chst sie an und nimmt in den letzten 2 Tagen sehr bedeutend ab. \u2014 5) Die ausgeschiedene Harnstoffmenge sinkt w\u00e4hrend der beiden ersten Hungertage betr\u00e4chtlich, h\u00e4lt sich dann bis zu den beiden letzten Tagen vor dem Tode nahezu gleich ; in den beiden letzten Tagen sinkt sie sehr bedeutend ab. \u2014 6) Der Gehalt des Harnes an S03 und P05 steigt mit der Himgerzeit, der Clgehalt verschwindet dagegen vollkommen. Das Verh\u00e4ltnis der S03 zur P05 bleibt sich bis zum Tode gleich. Denn:\nEin Kilogramm Katze gab in 24 Stunden in Grammen\nZeit in Stunden nach der letzten F\u00fctterung\tWasser ! durch Niere j und Darm\tHarnstoff\tso3\tt P05\tSumme ! unorgan, j Bestandthle j\tAusgeath-mete Kohle\tFaeces wasserfrei\n8-32\t37,09\t3,437\t0,133\t0,144\t0,518\t5,641\t0,503\n32\u201456\t22,00\t2,298\t0,092\t0,109\t0,359\t5,620\t0,540\n56\u201480\t19,39\t1,887\t0,080\t0,104\t0,309\t5,883\t0,484\n80\u2014104\t19,80\t1,732\t0,077\t0,104\t0,294\t5,658\t0,502\n104\u2014128\t25,39\t2,227\t0,091\t0,129\t0,333\t5,594\t0,779\n128\u2014152\t20,31\t2,133\t0,079\t0,114\t0,281\t5,712\t0,291\n152\u2014176\t19,25\t1,968\t0,075\t0,113\t0,271\t5,642\t0,339\n176\u2014200\t21,35\t2,091\t0,083\t0,131\t!\t0,301\t5,670\t0,592\n200\u2014224\t23,26\t2,263\t0,083\t0,119\t:\t0,301\t5,971\t0,982\n224\u2014248\t19,82\t1,907\t0,077\t0,113\t0,277\t6,127\t0,745\n248\u2014272\t18,22\t1,723\t0,073\t0,110\t0,264\t6,024\t0,643\n272-296\t18,11\t,\t1,648\t0,062\t0,093\t0,227\t6,310\t0,525\n296-320\t23,33\t2466\t0,087\t0,115\t0,303\t6,439\t0,287\n320-344\t25,07\t2,224\t0,095\t0,113\t0,321\t6,423\t0,224\n\u201e.,344 368\t26,76\t2,052\t0,084\t0,104\t0,296\t6,534\t0,223\n368\u2014392\t32,78\t2,154\t0,085\t0,109\t0,307\t6,350\t0,172\n392\u2014416\t19,93\t1,216\t0,049\t0,065\t0,182\t5,850\t0,119\n416-440\t10,21\t0,597\t0,024\t0,036\t0,095\t4,791\t0,244\n*) Chossat, Sur l'inanition. M\u00e9moires des savans \u00e9trangers. VIII. Bd. \u2014 Schuchardt, Quae-dam de effectu quem privatis sing. part, nutrimentum constituentium etc. Marburg 1847. \u2014 Schmidt und Bidder, Verdauungss\u00e4fte etc. p. 308 u. f.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Proportionaler Tagesverlust.\nZu dieser Tafel ist zu bemerken: das dem Versuche unterworfene Thier (eine tr\u00e4chtige Katze) erhielt w\u00e4hrend der Dauer der Beobachtung zu 7 verschiedenen Tagen etwas Wasser, im Ganzen 131,5 Gr. \u2014 Der Harnstoff wurde nach der Methode von Heintz-Ragsky und die C02 in einem Respirationskasten mit Luftdurchzug bestimmt. Die f\u00fcr die C02 verzeichneten Werthe sind abgeleitet aus 44 Beobachtungsstunden, so dass das Thier im Mittel 2,5 Stunden t\u00e4glich im Athembeh\u00e4lter verweilte. Diese Beobachtungsstunden sind so ausgew\u00e4hlt, dass wo m\u00f6glich die eine in das Maximum und die andere in das Minimum der t\u00e4glichen C02ausscheidung f\u00e4llt. Eine Bestimmung des durch die Lunge ausgeschiedenen Ngases, welche nach R\u00e9gnault und Reiset bei hungernden Thieren statt hat, ist nicht versucht worden. Schmidt leitet aus den Zahlen der Tabelle auch noch her, wie viel bindegewebs-haltiges Fleisch und Fett sich w\u00e4hrend der Hungerzeit umgesetzt habe. Da mehrere seiner Voraussetzungen nicht festgestellt sind, wie z. B. dass aller N durch Harn und After ausgeschieden sei, dass das fettfreie, bindegewebshaltige Katzenfleisch zu allen Zeiten der Huogerperiode gleich zusammengesetzt sei u. s. w., so verweisen wir auf die Abhandlungen selbst. Wir kehren zur\u00fcck zu der Aufz\u00e4hlung weiterer Beobachtungen.\nDa auch t\u00e4glich mehrmals das K\u00f6rpergewicht der oben geschilderten Katze bestimmt wurde, so konnte noch festgestellt werden: 7) dass der Verlust, der durch Haut und Lunge geschieht, in der Nacht geringer als bei Tage ist; die Unterschiede treten in den ersten Tagen betr\u00e4chtlicher hervor; in den letzten, nachdem das Thier erblindet war, verschwanden sie dagegen nahezu. Nach einer Mittelberechnung von Schmidt*) liegt der gr\u00f6sste Werth zwischen 12\u20146 Uhr Mittags, der niedrigste zwischen 2 \u2014 6 Uhr Nachts. Diese Beobachtung best\u00e4tigt die Angaben B oussing ault\u2019s **), welcher bei einer Turteltaube fand, dass sie bei normaler Ern\u00e4hrung im Mittel in einer Tagesstunde 0,258 Gr., in einer Nachtstunde 0,162 Gr. C ausgab; w\u00e4hrend einer 168st\u00e4ndigen Hungerperiode lieferte sie im Mittel in einer Tagesstunde 0,117 Gr., in einer Nachtstunde 0,075 Gr. C. \u2014 8) Die t\u00e4glich abgesonderte Gallenmenge nimmt bei hungernden Katzen sehr rasch ab in den ersten beiden Tagen (p. 225.), von da sehr allm\u00e4hlig bis zu dem 10. Tage. Vorausgesetzt, dass bei der vorliegenden Katze in demselben Verh\u00e4ltniss zum K\u00f6rpergewichte Gallenabscheidungen stattgefunden haben, wie in der fr\u00fcher aufgef\u00fchrten Beobachtung, l\u00e4sst sich nach Schmidt behaupten, dass im Beginn der Beobachtung nur ein kleiner Theil, vom 10. Tage an aber die ganze Menge der ausgeschiedenen Galle durch die Faeces entleert worden sei.\nZur Charakteristik der Lebensvorg\u00e4nge beim Verhungern tr\u00e4gt noch wesentlich bei die Feststellung des Verhaltens der thierischen W\u00e4rme und der Athembewegun-gen an den einzelnen Hungertagen, wie sie Chossat***) in ausgedehnter Weise f\u00fcr Tauben geliefert hat. Um die einzelnen Beobachtungen zur Gewinnung von Mittelzahlen vergleichbar zu machen, theilte er die Lebensdauer jedes einzelnen Thieres vom Beginn des Hungerns bis zum Todestage (diesen exclusive) in drei gleiche Theile und zog nun aus allen gleichnamigen Abschnitten die folgenden Mittel. Aus den sie enthaltenden Tafeln geht hervor, dass er die Temperaturen (des Mastdarmes) und die Athemz\u00fcge um Mittag und Mitternacht beobachtete. Die Beobachtungen w\u00e4hrend des gen\u00fcgenden Futters sind an denselben Thieren gewonnen. Die Temperaturmessungen ergaben :\n*) 1. c. in der Tabelle XVII. p. 347.\n**) Annales de chim. et phys. 3me. ser. XI. (1844.) 446.\n***) 1. e. p. 107 u. f.\nLudwig, Physiologie. \u2022II.\nC*\n28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nProportionaler Gesammtverlust.\n\tTemperatur w\u00e4hrend der Hungerzeit.\t\t\tTemperatur w\u00e4hrend normaler F\u00fctterung.\n\tErstes Dritttheil\tZweites Dritttheil\tDrittes Dritttheil\t\nMittag ....\t42,11\u00ab C.\t41,87<> C.\t41,37\u00ab C.\t42,220 C.\nMitternacht. .\t39,85 \u201e\t38,72 \u201e\t37,32 \u201e\t41,48 \u201e\nUnterschiede .\t2,26 \u201e\t3,15\t\u201e\t4,05 \u201e\t0,74 \u201e\nAm letzten Tage sank die Temperatur sehr rasch; war sie auf 26\u00b0 angelangt, so gingen die Thiere zu Grunde.\nDie Z\u00e4hlung der Athembewegungen stellte fest:\nZahl der Athemz\u00fcge in der Minute w\u00e4hrend der Hungerzeit.\t\t\tZahl d. Athemz\u00fcge in der Minute w\u00e4hrend normaler F\u00fctterung\nEi'stes Dritttheil\tZweites Dritttheil\tDrittes Dritttheil\t\n25\t23\t21\t31\nVereinigt man alle Z\u00e4hlungen der Athembewegung bis zum Tage vor dem Hun-gertode, so erh\u00e4lt man um Mittag 22 und um Mitternacht 24 Athemz\u00fcge in der Minute ; w\u00e4hrend der hinreichenden Ern\u00e4hrung athmeten die Tauben am Mittag 36 mal und um Mitternacht 32 mal in der Minute. Das auffallende Ergehniss, dass bei der verhungernden Taube in der Nacht die Athemfolge rascher wurde, ist nach Chossat wahrscheinlich in einem Beobachtungsfehler begr\u00fcndet, der eingef\u00fchrt wurde durch das Aufschrecken der Thiere aus dem leisen Schlafe, den sie w\u00e4hrend der Hungerzeit geniessen. Am letzten Lebenstage sank das Minutenmittel der Athemz\u00fcge auf 19. herab.\n2. Der proportionale Gesammtverlust, oder der Quotient aus der Gewichtsabnahme des Thieres w\u00e4hrend der ganzen Hungerzeit in das K\u00f6rpergewicht vor Beginn der letzteren, ist ebenfalls sehr ver\u00e4nderlich gefunden worden, und insbesondere haben die Beobachtungen von Chossat aufgedeckt, dass junge magere Turteltauben (mittleres Anfangsgewicht = 110 Gr.) im Mittel schon bei einem proportionalen Gesammtverlust von 0,25 starben, w\u00e4hrend er bei \u00e4lteren fetten (mittleres Anfangsgewicht = 189 Gr.) den Werth von 0,46 erreichen musste, bevor sie zu Grunde gingen. Diese Erscheinung findet ihre Erkl\u00e4rung darin, dass eine gleichwerthige Abzehrung verschiedener Organe des Thierk\u00f6rpers von ganz ungleichen Folgen f\u00fcr das Bestehen des Lebens sein muss, wie z. B. offenbar die Abmagerung der Herzmuskeln und des Hirns viel eingreifender wirkt, als die des Fettes, des Bindegewebes, des Skeletts und seiner Muskeln. Da aber die Thiere, welche einen geringeren proportionalen Gesammtverlust ertrugen, auch nach viel k\u00fcrzerer Zeit (nach 3 Tagen) hinstarben, als die alten und fetten (nach 13 Tagen), so folgt auch aus den gemachten Mittheilungen, dass ein Reichthum an Skelettmuskeln und Fett die wichtigeren Organe vor wesentlichem Verlust zu sch\u00fctzen vermag, sei es, dass die umsetzenden Einfl\u00fcsse nicht eher die letzteren Gebilde angreifen, bevor die ersteren bis zu einem gewissen Grade aufgezehrt sind, oder sei es, wie wahrscheinlicher, dass","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Proportionaler Gesammtverlust der Organe.\t435\ndie wichtigeren Organe und insbesondere das Hirn t\u00e4gliche Verluste auf Kosten des Fettes und der Skelettmuskeln wieder ersetzen, so lange diese vorhanden. Zur Unterst\u00fctzung der letzteren Alternative dient namentlich die Beobachtung, dass das Hirn unter allen Organen durch den Hunger den geringsten proportionalen Verlust erlitten hat, obwohl dieses Organ, so lange es lebt, nothwendig auch umgesetzt werden muss, denn ohne dies w\u00fcrde weder sein arterielles Blut in kohlens\u00e4urehaltiges ven\u00f6ses umgewandelt werden k\u00f6nnen, noch k\u00f6nnte das Organ fortw\u00e4hrend lebendige Kr\u00e4fte entwickeln.\nVon einem nicht untergeordneten Interesse sind die Beobachtungen \u00fcber den proportionalen Gesammtverlust, den die einzelnen Organe durch das Hungern erleiden. Da begreiflich ihre W\u00e4gung nicht an einem und demselben Thiere vor Beginn des Hungerns und nach dem Hungertode geschehen kann , so hat man ihren Verlust auf einem Umwege ermitteln m\u00fcssen. Zu diesem Ende hat Chossat die Organgewichte des verhungerten Thieres mit denen eines entsprechenden normal ern\u00e4hrten verglichen, das von m\u00f6glichst gleichem Alter und Gesammtgewicbt war, wie das verhungerte Thier vor Beginn des Versuches. Die Zergliederung derselben wurde unmittelbar nach dem Tode vorgenommen und die ausgeschnittenen Organe sogleich gewogen. Hierbei konnte jedoch ein Verlust durch Wasserverdunstung nicht vermieden werden, welcher sich bis zu 8 pCt. steigerte. Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden auch die getrockneten Organe mit einander verglichen. Das Mittel aus allen W\u00e4gungen lieferte nun die folgende Tafel, in welcher die Zahlen den Verlust bedeuten, welcheu lOOTheile des betreffenden frischen oder wasserfreien Organes w\u00e4hrend der ganzen Hungerzeit erleiden.\n\tfrisch\ttrocken\t\tfrisch\ttrocken\t\tfrisch\ttrocken\nFett\t\t93,3\t\u2014\tUebrige Ske-\t\t\tLungen,\t\t\nBlut\t\t61,7\t\u2014\tlettmuskeln .\t35,6\t35,9\tblutleer. .\t22,4\t22,5\nMilz \t\t71,4\t66,6\tAlle Muskeln\t\t\tKnochen. .\t\u2014\t16,7\nPankreas . . .\t64,4\t65,2\tim Mittel . .\t42,4\t43,5\tAugen . . .\t10,0\t\nLeber ....\t52,0\t47,3\tPharynx und\t\t\tHirn....\t0,0 |\tI\nHerz\t\t44,8\t46,9\tOesophagus .\t34,2\t\u2014\tR\u00fccken-\t\t9,0\nGed\u00e4rme . . .\t42,4\t\u2014\tHaut\t\t33,3\t\u2014\tmark . . .\t7,0 1\t1\nBrustmuskeln.\t53,1\t55,0 T\tNieren ....\t31,9\t\u2014\t\t1\tI\nAuf demselben Wege hat Schuchardt f\u00fcr die feuchten Organe ganz \u00e4hnliche Zahlen erhalten.\nSchmidt stellte sich auf eine eigenthiimliche, von der eben angegebenen verschiedene Weise dadurch ein Normalthier her, dass er an einer wohl ern\u00e4hrten Katze alle Organe \u00bbfrisch und getrocknet wog und dann das Verh\u00e4ltniss aller zum Knochen berechnete. Dieselbe Operation nahm er mit der verhungerten Katze vor, wobei er voraussetzte, dass der trockene Knochen w\u00e4hrend des Hungers nicht an Gewicht verloren habe; indem er die Verh\u00e4ltnisszablen der gef\u00fctterten Katze zu Grunde legte, berechnete er dann, wie schwer jedes einzelne Organ der verhungerten Katze zur Zeit der hinreichenden F\u00fctterung h\u00e4tte sein m\u00fcssen, und bestimmte mit Hilfe dieser hypothetischen Zahlen den VerlustantheiP jedes einzelnen w\u00e4hrend des Verhungerns. Da wir die t\u00e4glichen proportionalen Verluste der lebenden Ge-sammtkatze angegeben haben, f\u00fcr welche Schmidt die Organverluste berechnet hat, so lassen wir hier auch die von ihm gegebenen Zahlen der letzteren folgen, wobei wir uns jedoch auf die beschr\u00e4nken, welche mit den Beobachtungen von Chossat\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nVerhungern hei Theilhunger.\nvergleichbar sind. Sie beziehen sich s\u00e4mmtlich auf die getrockneten Organe und haben die Bedeutung derjenigen in der vorhergehenden Tafel.\nMesenterium und Fettgewebe 91,3\nBlut.........................90,4\nMilz.........................70,2\nPankreas.....................84,5\nLeber........................64,7\nDarmkanal....................27,8\nMuskeln und\tSehnen\t.\t.\t65,0\nHaut................5,7\nLungen............10,5\nGehirn und R\u00fcckenmark\t32,9\nKnochen................0,0\nBer\u00fccksichtigt man nun, dass unter den thierischen Gewebstheilen, welche vorzugsweise zum Verluste kommen, Blut, Muskeln und Fettgewebe dem Gewichte nach \u00fcberwiegen \u00fcber alle anderen, so folgt daraus, dass das hungernde Thier auf Kosten seines Blutes, seines Fettes und Muskelgewebes lebt, wobei sich u. A. die auffallende Erscheinung einfindet, dass bei der Taube die zum Aufrechthalten des Rumpfes benutzten Muskeln, welche w\u00e4hrend der Hungerzeit \u00f6fter in Bewegung sind, weniger verlieren, als die ruhig gehaltenen Flugmuskeln ; es haben sich also auch die Muskeln gegenseitig unterhalten. \u2014 Der grosse Verlust des Hirns und R\u00fcckenmarkes beim S\u00e4ugethiere, gegen\u00fcber dem verschwindenden beim Vogel, bedarf weiterer Best\u00e4tigung.\nF\u00fctterung mit einer zu geringen Menge qualitativ gen\u00fcgender Nahrung. Die Versuche von Chossat liessen sich, wie folgt, zusammenstellen.\n\u00e4Thier\tGewicht desselben\tT\u00e4gliche Nahrung.\t\tGewicht der t\u00e4gl. Endausgaben f\u00fcr d. Einheit des K\u00f6rpergew.\tGew. d. t\u00e4gl. Futters auf die Gewichtseinheit des Thieres\tUnterschied der Einnahme und Ausgabe\n\t\tWasser\tK\u00f6rner\t\t\t\n\t\u2019\t150,15\t18,97 Gr.\t16,57 Gr.\t0,237\t0,237\t0,000\n\t\\\t139,01\t9,19 \u201e\t,\t8,29 \u201e\t0,172\t0,125\t0,047\nTaube 1 <\t119,78\t3,30 \u201e\t4,14 \u201e\t0,089\t0,062\t0,027\n\t[\t99,19\t2,40 \u201e\t2,07 \u201e\t0,095\t0,045\t0,050\nTaube 2 j\tj\t149,0\t0,00 \u201e\t0,00 \u201e\t0,057\t0,000\t0,057\n\ti 136,9\t23,50 \u201e\t17,03 \u201e\t0,296\t0,296\t0,000\nTaube 3 <\t|\t123,7\t9,78 \u201e\t8,55 \u201e\t0,205\t0,148\t0,057\n\t100,9\t4,53 \u201e\t4,27 \u201e\t0,125\t0,087\t0,038\n\ti\t86,1\t1,49 \u201e\t2,07 \u201e\t0,101\t0,041\t0,060\nTaube 4 |\t132,0\t0,00 \u201e\t0,00 \u201e\t0,057\t0,000\t0,057\nAus dieser Tafel geht hervor, dass die Ausgaben mit den Einnahmen abnehmen, jedoch keineswegs in der Art, dass die Abnahme beider proportional ginge, da bei ungen\u00fcgender Nahrung die Ausgaben das Gewicht der ersteren \u00fcberwiegen. Daraus folgt, dass die Thiere auch in diesem Falle dem langsamen Hungertode entgegengehen, der sich einfindet, so wie die Abmagerung der wichtigen Organe auf einen dem fr\u00fcher erw\u00e4hnten \u00e4hnlichen Grad gediehen ist.\nEntziehung aller festen Nahrung. Reicht man denThieren, w\u00e4hrend man ihnen alle feste Nahrung vorenth\u00e4lt, nach Belieben Wasser, so verschm\u00e4hen sie auch schon nach den ersten Tagen diese Speise. W\u00fcnscht man also die Erscheinungen des alleinigen Hungers an festen Stoffen zu erfahren, so ist es nothwendig, das Wasser in den Magen zu","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Entziehung der festen Nahrung.\n437\nspriitzen. Stellt man die Beobachtungen, welche Schmidt an zwei Katzen, von denen die eine wenig, die andere viel Wasser erhielt, zusammen, so ergiebt sich, dass 1 Kilogr. Katze im Mittel in 24 Stunden verliert :\nT\u00e4gliche Wasserauf- nahme\tHarnstoff\tso3\tP06\tUebrige Harnsalze\tAusgeath-mete Kohle\tFaeces wasserfrei\tWasser durch Niere und Darm\n51,12\t2,237\t0,055\t0,071\t0,263\t4,447\t0,215\t55,47\n5,97\t2,06\t0,082\t0,116\t0,296\t5,460\t0,589\t21,47\nDiese Beobachtungsreihe l\u00e4sst erkennen, dass mit der vermehrten Aufnahme des Wassers auch die Ausscheidung desselben, aber nicht im Verh\u00e4ltnisse der Aufnahme, zunimmt. Dieser Schluss d\u00fcrfte keine Anfechtung dadurch erleiden, dass die durch Verdunstung verlorenen Wassermengen nicht angegeben sind, indem mindestens die Annahme gerechtfertigt ist, dass die erstere Katze, welche weniger C02 ausathmete als die letztere, durch die Lungenverdunstung nicht mehr Wasser verloren habe als die erstere; der Wasserverlust durch die Haut d\u00fcrfte aber bei behaarten Thieren \u00fcberhaupt nicht hoch anzuschlagen sein. Gen\u00fcgt nun, wie in unserem ersten Falle, die eingef\u00fchrte Wassermenge, um den gr\u00f6ssten Theil des Wasserverlustes zu decken, so muss nothwendiger Weise bei fortschreitender Abnahme der festen Bestandtheile der prozentische Wassergehalt der Organe in einem Steigen begriffen sein, woraus mancherlei St\u00f6rungen derselben erwachsen werden, ln der That stellen sich diese in der oben zusammengestellten und in einer gleichartigen Beobachtungsreihe, welche Chossat an Tauben ausf\u00fchrte, ejn, \u2014 Die mitgetheilte Zusammenstellung l\u00e4sst ausserdem schliessen, dass der t\u00e4gliche Verlust an festen Bestandtheilen geringer werde bei einer reichlichen Tr\u00e4nkung mit Wasser. Dieser Satz scheint aber nur von Geltung f\u00fcr die S\u00e4ugethiere zu sein, da Chossat ihn wohl bei Kaninchen, nicht aber bei Tauben, die unter gleichen Verh\u00e4ltnissen verhungerten, best\u00e4tigt fand.\nEntziehung des Wassers. Zu denen des Durstes gesellen sich sehr bald die Folgen des Hungers, indem die Thiere die trockene Nahrung immer mehr und mehr und endlich ganz verschm\u00e4hen. Eine Anschauung des allgemeinsten Vorganges giebt folgender Versuch von Schuchardt, welcher aus einer grossen Reihe ausgew\u00e4hlt wurde. Die verdurstete Taube wog im Beginn des ersten Versuchstages 301,0 Gr* Ihre Nahrung bestand aus lufttrockener Gerste. Die proportionalen Verluste sind auf das Anfangsgewicht eines jeden Tages bezogen.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nEntziehung des Wassers.\nTag\tK\u00f6rpergewicht am Ende des Tages\t\tVerzehrte K\u00f6rner\t\tGewicht der t\u00e4glichen Endausgaben f\u00fcr die Einheit des K\u00f6rpergewichts\t\tHiervon durch Niere und Darmkanal\t\n1.\t280,0\tGr.\t23,0\tGr.\t0,188\tGr.\t0,090\tGr.\n2.\t267,0\tff\t16,8\tff\t0,106\tff\t0,040\tff\n3.\t259,2\tff\t13,0\tff\t0,078\tff\t0,027\tff\n4.\t249,5\tff\t7,9\tff\t0,068\tff\t0,021\tff\n5.\t239,0\t\u00bb\t12,5\tff\t0,092\tff\t0,033\tff\n6.\t231,0\tff\t10,5\tff\t0,077\tff\t0,036'\tff\n7.\t222,5\tff\t12,1\tff\t0,089\ti ff\t0,042\tff\n8.\t214,4\tff\t15,0\tff\t0,106\tff\t0,040\tff\n9.\t207,4\tff\t11,2\tff\t0,085\tff\t0,040\tff\n10.\t196,0\tff\t9,8\tff\t0,102\tff\t0,038\tff\n11.\t186,0\tff\t8,3\tff\t0,098\tff\t\u201e\t0,033\tff\n12.\t177,3\tff\t7,0\tff\t0,094\tff\t0,040\tff\n13.\t163,2\tff\t10,0\tff\t0,134\tff\t0,067\tff\n14.\t160,2\tff\t0,0\tff\t0,019\tff\t0,000\tff\nDie w\u00e4sserigen Abscheidungen, insbesondere die des Harns, nehmen betr\u00e4chtlich ab; sie betrugen an einem verdurstenden Hunde nach Falk und Scheffer in den ersten drei Hungertagen im Mittel t\u00e4glich = 46,0 Gr., in den folgenden drei = 25,5 Gr., in den darauf folgenden = 18,1 Gr. und in den letzten drei endlich = 6,6 Gr. \u2014 Die Angaben \u00fcber die Verluste der einzelnen Organe schliessen sich an die bei Gesammthunger mitgetheilten an, mit Ausnahme des Fettes, welches beim Genuss trockener Nahrung nicht sehr betr\u00e4chtlich schwindet. Die Gewichtsabnahme der Organe geschieht allerdings auch durch den Austritt fester Bestandtheile; vorzugsweise entfernt sich aber das Wasser, so dass die Organe relativ trockener werden; vergleicht man die R\u00fcckstandsprozente derselben Organe zweier m\u00f6glichst gleicher Thiere, von denen das eine nach normaler Ern\u00e4hrung, das andere durch Entziehung des Wassers get\u00f6dtet war, so findet man, dass Haut, Sehnen, Muskeln, Darmkanal und Blut 4 bis II pCt. fester Bestandtheile mehr enthalten, w\u00e4hrend sich die Zusammensetzung des Hirns und der meisten Dr\u00fcsen nicht ver\u00e4ndert hat (Scheffer).\nEntziehung der Eiweissnahrung. Wir besitzen hier\u00fcber Angaben von Schuchardt, welcher die dem Versuche unterworfenen Tauben mit einem Gemenge von Amylon, Gummi, Zucker, Oel und den gew\u00f6hnlichen Blutsalzen in einem Verh\u00e4ltnisse f\u00fctterte, in dem sie von Norton*) im englischen Hafer beobachtet wurden. Die Uebersicht \u00fcber den t\u00e4glichen Gewinn und Verlust giebt die folgende Tafel, welche nur eines der drei untersuchten und in ihren Erscheinungen wohl \u00fcbereinstimmenden Thiere ber\u00fccksichtigt. Die ganze Beobachtungszeit ist in vier gleiche Theile von je 5 Tagen gespalten und aus jedem derselben\n*) Qiessener Jahresbericht f\u00fcr 1847. 1095. (Hopetonhafer, 1. Columne),","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Entziehung der Eiweissnahrung.\n439\ndas Tagesmittel genommen. Bei Beginn des Versuches betrug das K\u00f6rpergewicht 344 Gr.\nZeit der Beobachtung\tK\u00f6rpergew. am Ende des Tages\tT\u00e4glich aufgenommen\t\tF\u00fcr die Gewichtseinheit des Thieres\t\t\n\t\tFeste Speise\tWasser\tEndausgabe\tdurch Haut und Lunge\tdurch Niere und Darm\n1.\tViertel 2.\t,, 3. 4\t310 307 1 258 j 230,5\t]\t16,5\t[\t29,2\t0,152\t1 0,149\t1 0,204\t1 0,231\t]\t> 0,061\t1 0,116\nFrerichs*), welcher bei einem \u00e4hnlich gef\u00fctterten Hunde die Harnstoffausscheidung mass, fand sie (im Verh\u00e4ltniss zum K\u00f6rpergewicht) betr\u00e4chtlich geringer als bei anderen normal ern\u00e4hrten, aber nicht wesentlich niedriger als bei hungernden Hunden.\nDer proportionale Gesammtverlust, den die von Schuchardt beobachteten Tauben bis zum Tode erlitten, war viel geringer, als bei allen denen, welche unter den aufgez\u00e4hlten Umst\u00e4nden verhungert waren ; dieses findet seinen Grund in dem Umstande, dass der proportionale Gesammtverlust der einzelnen Organe sich ebenfalls verschieden herausstellte.\nBlut........0,514\tDarmkanal\t0,287\nBrustmuskeln 0,453\tKnochen\t.\t0,204\nFett........ 0,393\tHirn . .\t.\t0,138\nHerz\t)\tLungen .\t.\t0,010\nHaut > . . 0,377\tAugen . . 0,009\nLeber )\nEs wird nicht entgehen, wie sehr das Fett und die Dr\u00fcsen geschont sind, im Vergleiche zu anderen verhungerten Thieren. Die Verluste an Muskelsubstanz sind dagegen nicht niedriger geworden.\nNahrung aus Fett und Wasser. Bisehoff**) verglich an demselben Hunde die Ausgabe, w\u00e4hrend er das eine mal nur mit Wasser, das andere mal mit Fett und Wasser gef\u00fcttert wurde.\nF\u00fcr 1 Kilogr. Hund in 24 Stunden:\nMittleres\tE in genommen\t\t\tAusgegeben\t\t\tN\nGesamrnt- gewicht\tWasser \u00bb\tFett\tK\u00f6rper- gewicht\tdurch Darm und Niere\tdurch Haut; und Lunge\tan Harnstoff\t\n38,160 Kilo\t13,08 Gr.\t0,0 Gr.\t13,41\t10,81\t15,63\t0,552\t0,257\n36,016 \u201e\t24,91 \u201e\t7,17\t\u201e\t0,97\t16,34\t16,72\t0,371\t0,173\nZu dieser Beobachtung geh\u00f6rt die Bemerkung, dass derselbe Hund, welchem bei verschiedenem K\u00f6rpergewichte die festen Speisen entzogen und nur Wasser gegeben wurde, nicht immer dieselbe proportionale Harnstoffmenge aussonderte ; bei \u00e7inem mittleren K\u00f6rpergewichte von 24 Kilo lieferte ein Kilogr. 0,56 Gr. Harnstoff, und bei 33 Kilo mittlerem K\u00f6rpergewichte gab 1 Kilogr. 0,62 Gr. Harnstoff aus. Als er\n*) M\u00fcller\u2019s Archiv. 1848. p. 490.\n**) Der Harnstoff als Maags des Stoffwechsels, 1853, p. 35.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\tNahrung aus Fett und Wasser; aus Wasser und Zucker.\naber nach der oben erw\u00e4hnten Nahrung mit Fett und Wasser noch vier Tage hindurch nur mit Wasser gespeist wurde, sonderte 1 Kilogr. des Thieres nur noch 0,28 Gr., also weniger aus, wie zu den Zeiten der Fettnahrung. Bise hoff sieht diese Erscheinung als eine Nachwirkung der Fettf\u00fctterung an und findet seine Meinung best\u00e4tigt durch den sichtbaren Fettgehalt des Kothes, welcher w\u00e4hrend der letzteren Zeit entleert wurde. Zudem war in allen Beobachtungsreihen die Harnstoffausscheidung von Tag zu Tag sehr ver\u00e4nderlich, was zum Theil wenigstens begr\u00fcndet war in der unregelm\u00e4ssigen Entleerung der Blase. An einzelnen Tagen, ja einmal sogar w\u00e4hrend 48 Stunden, liess das Thier gar keinen Harn.\nAus diesen Beobachtungen geht hervor, dass bei der Fettf\u00fctterung das reichlicher aufgenommene Wasser und Fett den t\u00e4glichen Gesammt-verlust quantitativ nahezu deckten, so dass nur eine geringe Abnahme im Gesammtgewicht des Thieres eintrat. Sie verminderte zugleich den Umsatz der stickstoffhaltigen K\u00f6rperbestandtheile betr\u00e4chtlich. In gewisser Weise erg\u00e4nzend schliesst sich an diese eine Beobachtungsreihe von Leteliier bei Turteltauben an, welche mit Butter und Wasser bis zum Tode gef\u00fcttert wurden. In Mittelzahlen aus allen Versuchen stellen sich seine Resultate folgendermaassen zusammen :\nMittleres K\u00f6rpergewicht ohne Federn.\t\tT\u00e4gl. proport. Abnahme des K\u00f6rpergew.\tProport. Ge-sammtverlust des Fettes\tButter t\u00e4gl. im Darmkanal resorbirt\tT\u00e4gl. ausgeh. C02, die der normal gef\u00fctt. Thiere m 1\tLebensdauer\nZu Beginn\tZu Ende\t\t\t\t\tin Tagen\n150,9 i\t90,3\t0,0214\t0,500\t5,8 Gr.\t0,685\t18,42\nAus dieser Zahlenreihe ist ersichtlich, dass die Kohlens\u00e4ureausscheidung zwar betr\u00e4chtlich herabgedr\u00fcckt ist, aber doch nicht bis zu dem Maasse, das ihr bei vollem Hungern zukommt. Die unvollkommene Nahrung vermochte auffallend lange Zeit das Leben zu erhalten; diese Erscheinung scheint in Beziehung zu stehen mit dem langsamen Ums\u00e4tze der eiweisshaltigen (harnstoffliefernden) Atome bei Fettnahrung. R\u00e9gnault und Reiset beobachteten, dass eine mit Fett und Wasser gef\u00fctterte Ente N aus der Atmosph\u00e4re absorbirte.\nWasser und Zucker. Eine sehr reichliche und ausschliessliche F\u00fctterung mit Zucker wirkt wegen des eintretenden Durchfalls rasch t\u00f6dt-Jich (Chossat, Letellier). Bei einer m\u00e4ssigen Gabe des Zuckers\ngestalten sich die Erscheinungen nach Letellier an Tauben folgendermaassen:\n*>*\nMittleres K\u00f6rpergewicht ohne Federn.\t\tT\u00e4gl. proport. Abnahme des K\u00f6rpergew.\tProport. Ge-sammtverlust des Fettes\tT\u00e4gl. verabreichter Zucker in Gr.\tT\u00e4gl. ausgeh. C02, die der normal gef\u00fctt. Thiere\t1\tLebensdauer in Tagen\nZu Beginn\tZu Ende\t\t\t\t\t\n149,8 i i\t98,2\t0,035\t0,460\t13 Gr.\t0,840\t14,2\nln mehreren der 5 Beobachtungen, aus welchen diese Mittelzahlen gezogen sind, war der Verlust durch die Faeces noch sehr bedeutend.\u2014 Die Ausscheidung der C02 bleibt hier immer noch sehr betr\u00e4chtlich. Bei","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Nahrung aus Eiweiss oder Leim, und aus Eiweiss, Zucker, Wasser. 441\ndieser F\u00fctterungsart wird, wie bei der vorhergehenden, die Umsetzung des Eiweisses gehemmt, wie die Beobachtungsreihe lehrt, die Lehmann an sich selbst anstellte; er fand, wie schon fr\u00fcher angegeben, die t\u00e4glich ausgeschiedene Harnstoffmenge sehr vermindert. Die F\u00fctterung mit Zucker sch\u00fctzt ebenso wie die mit Fetten das im Thierleibe enthaltene Fettgewebe vor der Umsetzung, indem die Menge der letzteren in den Thieren, welche bei Fett und Zucker verhungert waren, betr\u00e4chtlich h\u00f6her geblieben ist, als bei Thieren, die am Gesammthunger starben.\nLetellier bestimmte den Fettgehalt in der Haut und im Netze durch Auskochen, in dem gekochten R\u00fcckst\u00e4nde und in dem \u00fcbrigen Thiere aber dadurch, dass er dasselbe trocknete, pulverte und mit Aether auszog.\nEiweissartige K\u00f6rper oder Leim und Wasser. Die ausschliessliche F\u00fctterung mit eiweiss\u00e4hnlichen Stoffen hat bis dahin nur Boussingault bei Enten in Anwendung gebracht; von seinen Bestimmungen an diesen Thieren haben f\u00fcr uns nur Werth die der ausgeschiedenen Harns\u00e4ure. Eine hungernde Ente lieferte st\u00fcndlich 0,01 Gr. Harns\u00e4ure in die Faeces ; eine mit reinem Leim und reinem K\u00e4se oder gewaschenem und gepresstem Ochsenfleische gef\u00fctterte 0,44 bis 0,50 Gr. Der gr\u00f6ssere Gehalt der Faeces an Harns\u00e4ure war schon wenige Stunden nach der F\u00fctterung mit den erw\u00e4hnten Stoffen eingetreten.\nEiweiss, Zucker, Wasser. Letellier f\u00fchrte eine Versuchsreihe an Turteltauben aus, sie ergiebt in ihren Mittelzahlen :\nMittleres K\u00f6rpergewicht ohne Federn.\t\tT\u00e4gliche proportionale Abnahme\tProportionaler Gesammtverlust\tT\u00e4glich verabreicht an Zucker\tLebensdauer in Tagen\nZu Beginn\tZu Ende\tdes K\u00f6rpergew.\tder Fette\tund Eiweiss\t\n137,2\t96,95\t0,017\t0,800\tZucker 10 Gr. Eiweiss 12 \u201e\t17,17\nDie Faeces waren sehr reich an Harns\u00e4ure.\nEi weiss, Blutsalze, Wasser. An die eben gegebenen schlies-sen sich eng an Versuche mit Tauben, welche Schuchardt mit H\u00fch-nereiweiss und einem Salzzusatz f\u00fctterte in dem Verh\u00e4ltnisse, in welchem Salz und Eiweissstoffe im Hafer vorhanden sind. Die Lebenszeit, welche eine dieser Tauben, die wir als Beispiel ausw\u00e4hlen, bei der unvollkommenen F\u00fctterung erreichte, ist in drei gleiche Theile getheilt; die Mittelzahlen der Einnahmen und Ausgaben aus jeder derselben sind in der folgenden Tafel eingetragen. Das Anfangsgewicht des Thieres betrug 367,0 Gr.\n\tK\u00f6rpergew. am Ende der Periode\tT\u00e4gliche Nahrung.\t\tT\u00e4gliche Ausleerung f\u00fcr die Einheit des K\u00f6rpergewichts.\t\tLebens- dauer\n\t\tAn Wasser\tAn Eiweiss und Salzen\tDurch Niere und Darm\tDurch Haut und Lunge\t\n1. Dritttheil\t330,0 Gr.\t21,3 Gr.\t3,2 Gr.\t0,055\t0,045\t]\t\n2. \u201e\t301,0 \u201e\t17,3\t\u201e\t3,2 \u201e\t0,038\t0,042\tl 9 Tage.\n3.\tjf\t233,8 \u00bb\t14,8\t\u00bb\t3,2 \u201e\t0,050\t0,084\t]\t","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nNahrung aus Eiweiss, Blutsalzen, Wasser.\nNach der Sektion stellte sich der proportionale Verlust der wichtigsten Eingeweide folgendermaassen heraus:\nFett\t=\t0,821\tHaut =\t0,418\tLungen =\t0,042\nBlut\t=\t0,787\tHerz =\t0,424\tKnochen =\t0,038\nBrustmuskeln\t= 0,507\tLeber =\t0,413\tHirn = +\t0,074\nDas Hirn hatte also mindestens keinen Gewichtsverlust erlitten. Versuche mit vollkommenem Ausschluss der salzigen Nahrungsmittel sind bis dahin noch nicht angestellt worden.\nGen\u00fcgende Nahrung.\nDie Zusammenstellung des Ein- und Ausganges der Stoffe zum thie-rischen Organismus geschah fr\u00fcher nur nach dem Gewichte derselben, eine erste N\u00e4herung des zu l\u00f6senden Problems, die heute kein Interesse mehr gew\u00e4hrt. Man muss, will man einmal die Aufgabe in Angriff nehmen, gegen\u00fcberstellen die Gewichte aller oder einzelner ein- und ausgetretener Elemente. Aus den bekannten Beobachtungen haben wir folgende ausgew\u00e4hlt.\nMensch. Die nachstehende Beobachtung ist von Barrai (47,5 Kilo schwer) an sich selbst angestellt.\nI. Beobachtungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur \u20140,54\u00b0 C. Barometer 756,11 MM.\nAufgenommen\tF\u00fcr 1 Kilogr. in 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\n\tC\tH\tN\t0\tHO\tSumme\nIn den Nabrungsm.\t7,7\t1,2\t0,6\t7,0\t42,1\t\nDurch die Lunge\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t22,3\t\t\nEntleert\t\t\t\t\t\t\nDurch d. Verdunstg.\t7,06\t1,09\t0,31\t28,94\t17,31\t54,71\n\u201e die Niere\t0,32\t0,06\t0,23\t0,17\t22,56\t23,34\n\u201e den Darm\t0,32\t0,05\t0,06\t0,19\t2,23\t2,85\nDer C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxydirt f\u00fcr 47,5 K. C02 = 1230,9 Gr. und HO = 1287 Gr.; f\u00fcr 1 K. C02 = 25,91 Gr., HO = 27,08 Gr.\nII. Beobachtungszeit 5 Tage. Mittlere Temperatur-1-20,18\u00b0 C. Barometer 754,40 MM.\nAufgenommen\tF\u00fcr 1 Kilogr. in 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\n\tC\tH\tN\t0\tHO\tSumme\nIn den Nahrungsm.\t5,6\t0,9\t0,4\t4,0\t38,8\t\nDurch die Lunge\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t16,4\t-\t\nEntleert\t\t\t\t\t\t\nDurch d. Verdunstg.\t5,12\t0,81\t0,16\t20,13\t17,06\t43,28\n\u201e die Niere\t0,29\t0,06\t0,21\t0,15\t20,59\t21,30\n\u201e den Darm\t0,19\t0,03\t0,03\t0,12\t1,15\t1,52\nDer C und H, der durch Verdunstung entleert wird, giebt oxydirt","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Gen\u00fcgende Nahrnng.\n443\nf\u00fcr 47,5 K. CO, = 888,4 Gr. und HO = 1158,0 Gr. ; f\u00fcr 1 Kilo C02 = 18,70 Gr. und HO = 24,37 Gr.\nUm diese Tabelle entwerfen zu k\u00f6nnen, bat Barrai geradezu bestimmt die Menge und Zusammensetzung seiner Nahrung (Fleisch, Gem\u00fcse, Kartoffeln, Brod, Zuckerwerk, Butter, Senf; Wasser, Fleischbr\u00fche, Milch, Kaffee, Wein), seines Harnes und Kothes,, Da bei der eingehaltenen Lebensweise das mittlere t\u00e4gliche Gewicht des Gesammt-k\u00f6rpers sich unver\u00e4ndert erhielt, so ist ann\u00e4herungsweise die Annahme erlaubt, dass die t\u00e4glich ein- und ausgehenden Atome wie an Zahl so auch an Art einander gleich waren, so dass sich die Zusammensetzung des Organismus unver\u00e4ndert erhielt. Unter dieser Voraussetzung kann man aus den direkt erhaltenen Bestimmungen mittelst einfacher Subtraktion der sensibeln Ausleerungen von den Speisen ableiten, welche Menge der mit der Nahrung eingef\u00fchrten H, C, N, 0 ihren Weg durch H\u00e4ut und Lunge nehmen musste. Wir wollen den erhaltenen Unterschied den Verdunstungsrest nennen. Da nun ferner erlaubt ist, anzunehmen, dass der C, H und 0 aus der Haut und Lunge nur als Wasser und Kohlens\u00e4ure austreten, so l\u00e4sst sich auch berechnen, wie viel 0 noch zu dem Verdunstungsrest gef\u00fchrt werden muss, um seinen H und C zu oxydiren. Dieser Sauerstoff muss aber in freiem Zustande zum gr\u00f6ssten Theile durch die Lungen aufgenommen sein. Obwohl man unm\u00f6glich verkennen kann, wie viel Gewagtes diese Annahmen enthalten, so ist doch einzusehen, dass sich das Resultat nicht allzuweit entfernen kann von der Wahrheit, vorausgesetzt, dass Speise und Ausleerungen genau analysirt und die Beobachtungen \u00fcber mehre Tage fortgesetzt werden.\nKatze.\nDie folgenden Versuche sind von Bidder und Schmidt angestellt.\nI. Mittleres Gewicht des Thieres 3,228 K. Beobachtungszeit 9 Tage.\nAufgenommen\tWasser\tC\tH\tN\tO\tSalze\nIm Fleisch, Fett und\t\t\t\t\t\t\nWasser\t60,164\t6,209\t0,851\t1,390\t2,184\t0,441\nDurch die Lunge\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t18,632\t\u2014\nEntleert\ti ! 1 1\t\t\t\t\t\nDurch Verdunstung\t9,569\t5,542 i\t1\t0,644\t0,008\t19,932\t\u2014\n\u201e die Niere\t49,877\t0,592\t0,197\t1,380\t0,853\t0,409\n\u201e den Darm\t1\t0,718\t0,075\t0,010\t0,002\t0,031\t0,032\nDer C und #H des Verdunstungsrestes oxydirt giebt f\u00fcr 3,228 K. C02 = 65,60 Gr. und HO = 49,59 Gr. ; f\u00fcr 1 K. aber C02 = 20,322 Gr, und HO = 15,368 Gr.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nGen\u00fcgende Nahrung.\nII. Dieselbe Katze unmittelbar nachher dem Versuch unterworfen. Mittleres\nGewicht 3,228 K. Beobachtungszeit 51 Stunden.\nAn Speise\t\tF\u00fcr 1 Kilogr. in\t\t24 Stunden in Gr.\t\t\n\tWasser\tC\tH\tN\t0\tSalze\nTrocknes Fleisch u. Collagen 21,0 Gr.\t\t11,13\t1,47\t3,38\t4,80\t1,07\nFett 5,09 Gr.\t\u2014\t3,99\t0,60\t\u2014\t0,53\t\u2014\nWasser\t95,95\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t?\t\u2014\nSumma\t95,95\t15,12\t2,07\t3,38\t\u2022\t5,13\t1,07\nAusgegeben\t\t\t\t\t\t\nDurch Niere\t65,71\t1,03\t0,34\t2,40\t1,42\t0,63\n\u201e Darm\t2,01\t0,15\t0,21\t0,01\t0,06\t0,13\n\u00bb Lunge\t? \u2022\t9,23\t? \u2022\t?\t? \u2022\t\u2014\n\u201e Verdunstung und Zunahme des\t\t\t\t\t\t\nK\u00f6rpergewichtes\t28,23\t4,71\t1,52\t0,97\t?\t0,31\nDem Gewichte nach vertheilen sich die Uebersch\u00fcsse der Einnahme \u00fcber die ganze Nieren-, Darm- und die beobachteten Antheile der Lungenausscheidung in der Art, dass 17,15 Gr. auf die Verdunstung und 31,39 Gr. auf die Zunahme des K\u00f6rpergewichts fallen.\nIII. Eine andere Katze von 2,177 Kilogr. gab (Beobachtungszeit 8 Tage):\nAufgenommen\t\tF\u00fcr 1 Kilogr. in\t\t24 Stunden in Gr.\t\t\n\tWasser\tC\tH\tN\t0\tSalze\nIm Fleisch, Feit u. Wasser\t101,74\t18,80\t\u00bb 1 2,60\t3,95\t6,36\t1,29\nEntleert\t\t\t\t\t\t\nDurch die Niere\t82,11\t1,53\t0,51\t3,58\t2,2 i\t0,99\n\u201e den Darm\t1,99\t0,29\t0,04\t0,01\t0,14\t0,24\n\u201e die Lunge\t? \u2022\t9,32\t? \u2022\t? \u2022\t? \u2022\t\u2014\n\u201e Verdunstung und Zunahme des K\u00f6rpergewichtes i\tF 17,64\t7,64\t2,01\t0,36\t? \u2022\t0,06\nDem Gewichte nach vertheilt sich der Einnahme\u00fcberschuss \u00fcber die Ausgaben durch Niere, Darm und den beobachteten Antheil der Lungenausscheidung so, dass auf die Verdunstung 9,36 Gr., auf die Zunahme des K\u00f6rpergewichts 18,35 Gr. fielen.\nHund. Aus den Beobachtungen, welche Bi sch off an zwei Hunden vorzugsweise mit R\u00fccksicht auf die Harnstoffausscheidung anstellte, heben wir folgende hervor. Der N der Ausgabe bezieht sich immer auf den, welcher im entleerten Harnstoffe enthalten ist. Steht das K\u00f6rpergewicht unter der Einnahme, so bedeutet dieses eine Verminderung, steht es unter der Ausgabe, so bedeutet dieses eine Vermehrung desselben.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Gen\u00fcgende Mahrung.\t445\nI. Hund mit einem mittleren Gewicht von 31,297 Kilo. Beobachtungszeit 8 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Klio Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\t\n\tKafr- toffeln\tFett\tWasser\tKoth\tHam\tVer- dunstung\tN\tK\u00f6rper- gewicht\nAufgen. Ausgegeben\t28,95\t6,53\t19,12 1\t8,02\t17,65\t26,87\t0,150 0,200\t% 2,05\nAn demselben Hunde, als er im Mittel 30,107 Kilo wog, gab die Vergleichung des mit den Kartoffeln ein- und dem Harnstoff ausgeschiedenen Stickstoffquantums Folgendes:\nII. Beobachtungszeit 7 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\n\tKartoffeln\tFett\tN\nAufgenommen\t49,22\t8,28\t0,255\nAusgeschieden\t\u2014\t\u2014\t0,138\nIH. Derselbe Hund mit einem mittleren Gewichte von 35,16 Kilo. Beobachtungszeit 15 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\n\tFleisch\tWasser\tKoth\tN\tK\u00f6rpergew.\nAufgenommen. . . .\t74,79\t?\t\u2014\t2,01\t\u2014\nAusgegeben ....\t\u2014\t?\t1,62\t1,73\t9,57\nDie folgenden Tafeln beziehen sich auf einen zweiten Hund.\nIV. K\u00f6rpergewicht 12,5 Kilo. Beobachtungszeit 14 Tage.\n\t\tF\u00fcr 1\t. Kilo Hund auf 24\t\tStunden in Gr.\t\t\n\tFleisch\tWasser\tKoth\tHarn\tVerdunstg.\tN\tK.-Gew.\nAufgenomm.\t47,14\t1,19\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t1,42\t0\nAusgegeben\t\u2014\t\u2014\t1,84\t20,70\t21,79\t0,84\t0\nV. K\u00f6rpergewicht im Mittel 16,44 Kilo. Beobachtungszeit 6 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\n\tFleiech\tWasser\tKoth\tHarn\tVerdunstg.\tN\tK.-Gew.\nAufgenomm. Ausgegeben\t45,62 VI. K\u00f6rpt\t4,41 ;r ge wicht\t1,36 17,82 Kilo\t30,25 . Beobacb\t20,47 itungszeit S\t1,37 1,17 S Tage.\t4,56\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\n\tFleisch\tWasser\tKoth\tHarn\tVerdunstg;\tN\tK. - Gew.\nAufgenomm. Ausgegeben\t42,08\t6,49\t1,42\t22,88 *\t24,82\t' 1,27 0,85\t0 0","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\tGen\u00fcgende Nahrung.\nVII. Mittleres K\u00f6rpergewicht 17,75 Kilo. Beobachtungszeit 15 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\t\n\tFett\tFleisch\tWasser\tKoth\tHam\tVer- dunstung\tN\tK\u00f6rper- gewicht\nAufgen. Ausgegeben\t7,10\t42,25\t6,77\t2,84\t23,68\t24,29\t1,27 0,87\t5,31\nVIII. Mittleres K\u00f6rpergewicht 13,5 Kilo. Beobachtungszeit 14 Tage.\n\tF\u00fcr 1 Kilo Hund auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\t\n\tFett\tFleisch\tWasser\tKoth\tHarn\t\u2022 Ver- dunstung\tR\tK\u00f6rper- gewicht\nAufgen. Ausgegeben\t9,73\t35,52\t15,34\t8,47\t21,06\t24,69\t1,07 0,77\t6,37\nVom 6.\u201ebis 9. Tag erhielt das Thier, weil es durch das reichlich genossene Fett zum Erbrechen gebracht wurde, nur Fleisch.\nTurteltaube. Folgende Zusammenstellung giebt Bous sing a ult:\nI. Mittleres K\u00f6rpergewicht 186,08 Gr. Beobachtungszeit 7 Tage.\nEingenommen\tF\u00fcr 1 Kilo Taube auf 24 Stunden in Gr.\t\t\t\t\t\t\n\tWasser\tc\tH\tN\t0\tSalze\tK.-Gew.\nIn der Speise\t\t12,74\t35,98\t4,88\t2,56\t32,55\t2,00\t0,94\nDurch die Lunge . . .\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t107,10\t\u2014\t\u2014\nAusgegeben\t\t\t\t\t\t\t\nDurch Darm und Niere\t29,89\t7,50\t0,92\t1,69\t6,38\t1,98\t\u2014\u2014\n\u201e Verdunstung . .\t18,39\t28,28\t3,96\t0,87\t26,17\t0,02\t\u2014\nDer H des Verdunstungsrestes entspricht 35,64 Gr. HO; addirt man dieses zur Einnahme und zieht von der Summe das Wasser des Harnes und Kothes ab, so gewinnt man die Zahl, welche in die Reihe Verdunstung eingetragen ist. \u2014 Der ausgeathmete C ist an derselben Taube auch noch auf direktem Wege gepr\u00fcft und ganz nahe \u00fcbereinstimmend mit dem auf indirektem Wege erhaltenen gefunden worden.\nII. Eine Turteltaube von 175,6 Gr. K\u00f6rpergewicht gab durch die Verdunstung 20,32 Gr. C auf die mittlere Tagesstunde; dieses Thier liess Boussingault 216 Stunden hungern, wobei sein Gewicht auf 112,5 Gr. sank. Als darauf wieder die gew\u00f6hnliche Portion Hirse gereicht wurde, nahm das K\u00f6rpergewicht und der ausgehauchte C folgendermaassen zu. \u2014 Die Zeit ist von der ersten Stunde des Fressens an gerechnet.\nZeit in Stunden\t\tK\u00f6rpergewicht\tZeit in Stunden\t\tG in einer mittleren Tagesstde.\nnach\t48\t143,7\tnach\t24\t0,168\n77\t168\t150,1\t77\t48\t0,206\n>7\t480\t157,3\t77\t84\t0,249\n\t\t\t77\t264\t0,250","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Regeln \u00fcber das Verh\u00e4ltniss von Einnahme und Ansgabe.\t447\nDie bis dahin zusammengestellten Thatsachen f\u00fchren zu einigen allgemeinen S\u00e4tzen, welche sich beziehen auf die Gesammtausgabe, den Verlust an bestimmten Atomen und deren Verbindungen, auf das Verh\u00e4ltniss der Ausgaben durch die einzelnen Ausscheidungswerkzeuge, auf die Beziehungen zwischen der Aufnahme von Sauerstoff und festen Speisen und endlich auf den Verbrauch und Ansatz von Organbestandtheilen.\nDer Gesammtverlust. 1. Mit dem Gewichte der qualitativ gleichen Nahrung steigt auch dasjenige der Endausgaben, diese Regel gilt durchgreifend; beim Hungern wird immer weniger ausgegeben als bei beschr\u00e4nkter F\u00fctterung und hei dieser weniger als bei reichlicher Speisezufuhr. Dieses ist aber nicht so zu verstehen, dass sich unter allen Umst\u00e4nden sogleich ein Gleichgewicht herstellt zwischen den Einnahmen und Ausgaben. Steigert sich jenseits gewisser Grenzen das Gewicht der t\u00e4glichen Nahrung, so mehren sich zwar die Ausgaben, zugleich aber w\u00e4chst auch das Gewicht des K\u00f6rpers ; diese Zunahme des K\u00f6rpergewichts schreitet aber nur bis zu einem gewissen Grade fort, und mit diesem w\u00e4chst zugleich die Summe der Ausgaben, so dass alsbald wieder ein Punkt erreicht wird, in welchem die Masse des K\u00f6rpers constant bleibt, mit anderen Worten, in welchem Ausgaben und Einnahmen gleich gross ge- y worden sind. Sinkt umgekehrt die Menge der Nahrung ab, so vermindert sich die Ausgabe und das K\u00f6rpergewicht, so jedoch, dass urspr\u00fcnglich die ersteren noch \u00fcber die Einnahmen \u00fcberwiegen, bis schliesslich abermals das K\u00f6rpergewicht stabil und Einnahme und Ausgabe gleich gross wird. Einer bestimmten Menge von Speisen entspricht also ein bestimmtes K\u00f6rpergewicht. Weil aber die Gewichte der Ausgaben rascher steigen als die des Gesammtk\u00f6rpers, oder anders ausgedr\u00fcckt, weil die Gewichtseinheit des reichlicher gef\u00fctterten Thieres mehr Gesammtausga-ben macht, als die des sp\u00e4rlich ern\u00e4hrten (siehe Katze I. und II. und Hund IV. und VI.), so folgt daraus, dass die gesteigerte Umsetzung nicht allein abzuleiten ist von der Ausbreitung der zersetzenden Herde, sondern von einer gr\u00f6sseren Lebhaftigkeit der Umsetzung in jedem der letzteren. Dieses ist selbstverst\u00e4ndlich, wenn die Gewichtseinheit des gem\u00e4steten Thieres eine andere chemische Zusammensetzung besitzt, als die des abgemagerten.\n2.\tGleiche Gewichte ungleich beschaffener Nahrung erzeugen un^ gleiche Ausgaben. Nach reiner Fleischkost erfolgen die Ausscheidungen reichlicher, als nach Fleisch und Fett, oder Fleisch und Amylon. Darum leitet ein geringeres Gewicht gemischter Nahrung die M\u00e4stung eher ein, als ein gr\u00f6sseres reiner Fleischkost.\n3.\tDie Art und Individualit\u00e4t des Thieres \u00fcbt einen wesentlichen Einfluss auf die Lebhaftigkeit der Ausscheidungen. So bedarf die Gewichtseinheit Taube, um sich auf constantem K\u00f6rpergewichte zu erhalten, viel mehr Futter, als die Gewichtseinheit Hund, Katze, Mensch. Wie sich die","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nRegeln f\u00fcr das Verh\u00e4ltniss von Einnahme und Ausgab\u00eb.\nVerh\u00e4ltnisse bei den drei letzteren Warmbl\u00fctern verhalten, geht aus den vorliegenden Thatsachen nicht mit Sicherheit hervor, da die F\u00fctterungsart sehr abweichend war. Die Vergleichung der Erfolge ann\u00e4hernd gleicher F\u00fctterung bei den Katzen I. und III. ergiebt, dass sich die vom geringen K\u00f6rpergewicht trotz etwas reichlicherer Nahrung doch weniger m\u00e4stet, als die schwerere. Diese Beobachtung erh\u00e4lt um so mehr Werth, als sie in Uebereinstimmung ist mit den von Erlach bei Respirationsversuchen gewonnenen Erfahrungen (p. 359).\nBetheiligung der einzelnen Atome oder Atomgruppen an dem gesammten Verluste. 1. Im Allgemeinen kann es als g\u00fctig angenommen werden, dass eine Atomgruppe, oder die aus ihrer Zersetzung hervorgehenden Verbindungen, in dem Maasse aus dem Leibe wieder ausgeschieden werden, in welchem sie in der Nahrung enthalten waren. Daraus folgt, dass die qualitative Zusammensetzung des Organismus unabh\u00e4ngig von derjenigen der Nahrung bestehen bleibt; jedoch unter der Beschr\u00e4nkung, dass einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse, in welchem ein jedes Atom in der Nahrung erscheint, auch ein bestimmter S\u00e4ttigungsgrad des thierischen K\u00f6rpers mit diesem Atome entspricht. Wenn sich demnach in der Nahrung die Menge einer Verbindung f\u00fcr einige Zeit bleibend \u00e4ndert, so werden nicht unmittelbar darauf, dieser Aenderung genau entsprechend, die Umsetzungsprodukte jenes Nahrungsmittels in den Ausscheidungen vermehrt oder vermindert werden, sondern es lagert sich, wenn die Aufnahme steigt, zuerst in den K\u00f6rper ein Theil der Verbindung ab, und umgekehrt, es schwindet ein Theil des abgelagerten Stoffes, wenn sich die Gewichtsmenge desselben in der\nNahrung minderte.\n' Die Erl\u00e4uterung dieser eben so wichtigen als eigenth\u00fcmlichen Erscheinung bietet vorzugsweise nur dann Schwierigkeiten, wenn das im Ueberschuss aufgenommene Atom nicht wieder einfach abgeschieden werden kann in der Verbindung, in welcher es sich gerade findet, wie z. B. Salze und Wasser, sondern vorher zerlegt und oxy-dirt werden muss. Das erste Problem, was sich unter Voraussetzung der Nothwen-digkeit einer vorg\u00e4ngigen Spaltung entgegenstellt, l\u00e4uft darauf hioaus, zu entscheiden, ob die Spaltung innerhalb des Gef\u00e4sssystems oder ausserhalb desselben, in den Organen, resp. deren Fl\u00fcssigkeiten, geschehe. Die Erfahrung entscheidet, wenn nicht durchaus, doch wenigstens theilweise f\u00fcr die letztere Alternative, da in der Leber, den Muskeln u. s. w. die Zerlegung des Eiweisses, der Fette u. s. w. vor sich ging; nachweislich wurde auch bei einer Vermehrung des Fleisch- oder Zuckergehaltes der Nahrung ein wesentliches intermedi\u00e4r zersetzendes Organ, die Leber, zu reichlicherer Zuckerbildung veranlasst. Nach der Feststellung dieses verlangt man zun\u00e4chst zu wissen, warum ein lebhafterer Strom dieses oder jenes Stoffes in das Blut auch eine Beschleunigung seines Austrittes aus demselben herbeif\u00fchrt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass dieses in Folge mehrerer, schon \u00f6fter erw\u00e4hnter Einrichtungen geschehe, die wir im Ganzen als das Streben zum Gleichgewichte der Diffusion uud mechanischen Spannung zwischen Blut und Gewebsfl\u00fcssigkeiten bezeichnet haben. Gesetzt, es sei damit die beschleunigte Absonderung in die Zersetzungsherde klar geworden, so w\u00fcrde angegeben sein, warum mit der vermehrten Dichtigkeitder Losungen","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Ungleich rasche Umsetzung der Nahmngsstoffe.\n449\nzersetzungsf\u00e4higer StoiFe, die Zersetzung in den Organen auch wirklich m\u00e4chtiger werde. Hierauf d\u00fcrfte schwerlich eine allgemein g\u00fctige und, was schlimmer, in den meisten F\u00e4llen gar keine Antwort erfolgen. Man k\u00f6nnte daran denken, dass in den Muskeln und Nerven die elektrischen Str\u00f6me und damit die Elektrolyse m\u00e4chtiger w\u00fcrden , wenn diese Organe mit Eiweissstoffen, Fetten, Zuckerarten gespeist w\u00fcrden, und dass die Atome der Zerlegung am meisten anheimfielen, welche am reichlichsten vorhanden waren; oder aber die gesteigerte W\u00e4rme des Blutes beg\u00fcnstige die zersetzenden Kr\u00e4fte der Milz, des Pankreas u. s. w. im Allgemeinen, so dass nun je nach dem Gehalte des K\u00f6rpers an einem oder dem anderen Stoffe bald die vorzugsweise eiweisszersetzenden Werkst\u00e4tten (Milz, Pankreas, Thyreoidea?) oder bald die vorzugsweise fettzersetzenden (Fettzellen, Blutk\u00f6rperchen?) in gesteigerte Th\u00e4tig-keit k\u00e4men. Die Umwandelung der prim\u00e4ren Spaltungsprodukte in den Sauerstofifver-bindungen der Ausw\u00fcrflinge endlich l\u00e4sst sich leicht begreifen. Denn nach den in der Respirationslehre entwickelten Grunds\u00e4tzen mehrt sieb, entsprechend dem Sauerstoff-verbrauche des Blutes, auch die Menge des durch die Lungen aufgenommenen Sauerstoffes. Wenn also die in das Blut und die Gewebe aufgenommenen Nahrungsmittel in leicht oxydable Stoffe umgewandelt werden, so muss sich demnach auch der durch die Lunge eingef\u00fchrte Sauerstoff aupassen dem genossenen Gewichte von organischer Nahrung.\n2.\tWenn die Nahrung gleichzeitig aus verschiedenen Atomgruppen besteht, so kommt innerhalb des Organismus die eine fr\u00fcher als die andere zur Zersetzung. Aus den Beobachtungen an Katzen mit \u00fcberreichlicher F\u00fctterung eines fetthaltigen Fleisches (IL III.) scheint zu folgen, dass erst das Fleisch und dann das Fett zerlegt werde, eine Angabe, die durch die entsprechenden Versuche an Hunden (VI. und VII.) eher unterst\u00fctzt als widerlegt wird. Die aus dem Amylon und Zucker hervorgehenden Atome scheinen dagegen eher zerlegt zu werden, als die eiweissartigen, so dass diese letzteren so lange vor einer Zerf\u00e4llung bewahrt werden, als die ersteren noch in reichlichen Mengen vorhanden sind.\nUm dieses zu erl\u00e4utern, k\u00f6nnte man unterstellen, dass im thierischen K\u00f6rper immer nur eine beschr\u00e4nkte Gewichtsmenge spaltender Stoffe vorhanden w\u00e4re, welche mit ungleichen Verwandtschaften zu den organischen Atomgruppen begabt und die nur auf die Atomkomplexe, mit denen sie in Verbindung w\u00e4re, ihre Wirksamkeit entfalten k\u00f6nnte. Um an einem Beispiele diese Hypothese klar zu machen, erinnern wir daran, dass unter der Mithilfe des NaO die Zersetzung des Eiweisses und der organischen S\u00e4uren vor sich geht, und dass die Menge, welche von dieser Basis im thierischen K\u00f6rper enthalten ist, eine beschr\u00e4nkte genannt werden kann. W\u00e4re also dieselbe gebunden an die Umsetzungsprodukte des Zuckers (Milchs\u00e4ure oder \u00dfutters\u00e4ure), so w\u00fcrde sie begreiflich nicht zugleich das Eiweiss zu spalten im Stande sein. Unzweifelhaft ist es nicht schwer, die Zahl solcher hypothetischer Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde zu mehren.\n3.\tHier ist auch zu erw\u00e4hnen die wiederholt behandelte Streitfrage, ob die bei gesteigerter Nahrungsaufnahme reichlicher erscheinenden Absonderungsprodukte, und ob insbesondere der nach reichlichem Fleisch-genusse massenhaft erscheinende Harnstoff aus der umgesetzten Nahrung oder aus den zerkl\u00fcfteten Organen herr\u00fchre. \u2014 Die Frage ist in verschiedenem Sinne aufgefasst worden. Joh. M\u00fcller w\u00fcnschte entschieden zu sehen, ob der Harnstoff ein Abfall der Speisen oder ein Umwandelungsprodukt der eiweisshaltigen Bestandtheile des Thierleibes\nLudwig, Physiologie. II,\t29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nWoher der Harnstoff?\nsei. Dieses ist l\u00e4ngst so geschehen, wie es der ber\u00fchmte Fragsteller voraus sah; der Harnstoff ist ein Umsetzungsprodukt der thierischen Eiweissatome, gebildet unter dem Einfl\u00fcsse der chemischen Spaltungsmittel des thierischen Organismus. \u2014 Ganz anders fassen Liebig, Frerichs, Bischoff u. A. den Knotenpunkt; sie w\u00fcnschen zur Entscheidung zu bringen, ob die aus den Speisen aufgenommenen Atome unmittelbar nach ihrem Eintritte in das Blut (oder in das Getriebe des Stoffwechsels \u00fcberhaupt) auch wieder zerlegt werden; oder ob es vor ihrer Zersetzung nothwendig ist, dass sie erst aus dem Blute in die Organe eingetreten sind und als Theile derselben im Interesse des thierischen K\u00f6rpers funktionirt haben. Die Bedeutung dieser Controverse scheint zum Theil darin zu liegen, dass man dem Blute die F\u00e4higkeit abspricht, die Umsetzung des Eiweisses in Harnstoff herbeizuf\u00fchren, zum Theil aber auch darin, dass man es ungereimt findet, wenn die neu ankommenden Atome sogleich wieder zerf\u00e4llt werden sollen, w\u00e4hrend die alten, l\u00e4ngst vorhandenen, sich unver\u00e4ndert erhielten. \u2014 Die chemische Betrachtung kann zun\u00e4chst nichts zur Beurtheilung jener Alternative beitragen, da ims nur bekannt ist, dass in dem Blute sowohl wie in den Geweben die Zersetzung der Eiweissk\u00f6rper vor sich geht, nicht aber wie weit und in welchem Gange sie geschehe, und namentlich nicht, ob sie bis zur Harnstoffbildung f\u00fchre. \u2014 Ebensowenig reichen die physiologischen Gr\u00fcnde aus. Allerdings ist es auffallend, dass schon wenige Stunden nach dem Gen\u00fcsse der Nahrung die Abscheidung der C02 und des Harnstoffes, und zwar in einem dem Gewichte der Nahrung entsprechenden Maasse, steigt, und es weckt diese Erscheinung sogleich die Vermuthung, dass die eingezogenen Speisen auch sogleich wieder ausgetrieben w\u00fcrden, aber bindend ist diese Anschauung durchaus nicht, denn der Eintritt des neuen Baumaterials kann auch das Signal gegeben haben zur Zerst\u00f6rung des alten. Anderseits kann es beim gegenw\u00e4rtigen Stande der Dinge dem physiologischen Takte einzig und allein darauf ankommen, dass, wie es jedenfalls geschieht, die aus der Umsetzung hervorgehende W\u00e4rme, Nerven- und Muskelerregbarkeit u. s. w. dem thierischen K\u00f6rper zu Gute kommt, gleichgiltig ob zur Zersetzung alte oder neue S\u00e4fte benutzt sind, oder ob die Zersetzung in der Gewebsfl\u00fcssigkeit allein oder zugleich in dieser letzteren und in dem Blute (Blutk\u00f6rperchen) vor sich gehe.\nVertheilung derAusgaben auf die vers chie d enen Aussonderungswerkzeuge. 1. Zuerst w\u00fcrde hier \u00fcberhaupt anzugeben sein, warum sich die Umsetzung und Ausscheidung in \u00e4hnlicher Weise zu einander verhalten, wie Einnahme und Umsetzung. Dieses gegenseitige Anpassen bedarf einer besonderen Erl\u00e4uterung, da die Organe , welche vorzugsweise die Umsetzung der Thierstoffe bedingen, von durchaus anderen Bedingungen regiert werden, als Haut, Lunge,","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Verkeilung der Ausgaben auf die Ausscheidungswege.\n451\nNieren und Darmkanal. \u2014 Der Mechanismus, welcher diesen Zusammenhang vermittelt, ist f\u00fcr Lungen, Haut und Darm gen\u00fcgend klar. Eine vermehrte Umsetzung, welche zu einer reichlichen Bildung von C02 f\u00fchrt, erh\u00f6ht die Temperatur und die Nervenerregbarkeit; eine Anh\u00e4ufung von C02 erregt aber die brustbewegenden Nervenmassen ; damit beschleunigt sich die Athmung und die Aushauchung der C02, und nicht minder vermehrt die erh\u00f6hte W\u00e4rme die Bildung des Wasserdunstes. Aus dem Mastdarme m\u00fcssen desgleichen ceteris paribus mit den Speisen auch die Ausscheidungen wachsen. \u2014 Unklar ist dagegen die Beziehung zwischen der absondernden Th\u00e4tigkeit der Niere und der Anh\u00e4ufung von Salzen, Harnstoff, Wasser u. s. w. im Blute, da, wie wir fr\u00fcher sahen, diese Stoffe im Blute reichlich vorhanden sein k\u00f6nnen, ohne dass sich ihre Ausscheidung mehrt.\n2. Wenn man \u00fcbersehen will, welchen Gewichtstheil des Gesammt-verlustes jedes einzelne Ausscheidungswerkzeug ausf\u00fchrt, so wird es am gerathensten sein, sich die Aufgabe dahin zu stellen, dass man die An-theile des Gesammtverlustes an Wasser, C, N, H, 0 und Salzen angiebt, die durch Lunge und Haut, Niere und Darmkanal ausgeschieden werden.\na. Wasser. Der Verlust, welchen der thierische K\u00f6rper in der Form von Wasser erleidet, \u00fcberwiegt den durch alle \u00fcbrigen Excrete zusammengenommen. Seine Vertheilung auf Haut und Lunge, Niere und Darm kann sich sehr mannigfaltig gestalten. Ann\u00e4hernd am constante-sten ist, wie schon fr\u00fcher gesagt wurde, die Wasserausgabe der Lunge und gew\u00f6hnlich am niedrigsten die durch den Darmkanal, so dass sie nur in den seltensten F\u00e4llen \u00fcberhaupt von erheblicher Bedeutung wird. Ungemein variabel ist dagegen die Wasserausscheidung durch Niere und Haut, in der Art, dass diese beiden Organe vorzugsweise als die Regulatoren des thierischen Wassergehaltes angesehen werden k\u00f6nnen. In der That, nimmt der Wassergehalt des thierischen K\u00f6rpers be-deutend zu, so geben Schweissdr\u00fcsen und Nieren gleichzeitig reichlich Wasser aus (Wasserkuren), w\u00e4hrend, wenn der K\u00f6rper relativ trocken wird, beide Organe in ihrer Th\u00e4tigkeit zur\u00fccktreten; mehrt sich bei mittlerem Wassergehalte des Organismus der Wasserverlust durch die Haut, weil die Atmosph\u00e4re trocken und die Haut warm ist, so vermindern die Nieren ihre abscheidenden Leistungen und umgekehrt, wird die Verdunstung auf der Haut beeintr\u00e4chtigt, so steigt der Verlust aus den Nieren. Nimmt endlich der Wasserverlust aus den Nieren zu, weil gr\u00f6ssere Mengen wasserbindender Atome (Salze und Harnstoff) durch diese fortgehen, so stellen die Schweissdr\u00fcsen ihre Absonderung ein und die Capillaren der Cutis verlieren an Ausdehnung.\nBeispiels halber stellen wir den Wasserverlust zusammen, den nach Barrai 1 K. Mann in 24 Stunden erleidet (Mensch 1. und II.). Hierbei ist das aus der Lunge entleerte Wasserquantum folgendermaassen berechnet worden : Man nahm au, es sei in der Ausathmungsluft 4 pCt. C02 enthalten gewesen, hierdurch gewinnt man das Volum der ersteren unter Ber\u00fccksichtigung des Umstandes, dass sie auf 37\u00b0 C.\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\tVertheilung der Verluste auf die Atome, HO ; C ; H.\nv\t/\nerw\u00e4rmt geweseD sei; dann nimmt man ferner an, dass die ausgeathmete Luft vollkommen mit Wasser ges\u00e4ttigt gewesen sei, die Einathmungsluft aber, deren Temperatur auf 16\u00b0 C. gesetzt wurde, nur 60 pCt. des bei dieser Temperatur fassbaren Wasserdunstes enthalten habe.\nDurch Lunge\tHaut\tNiere\tDarm\n20,01\t7,07\t22,25\t2,23\n12,53\t11,84\t20,59\t1,15\nWir erinnern daran, dass die Beobachtung I. in den Winter, II. in den Sommer f\u00e4llt. Es braucht kaum noch einmal hervorgehoben zu werden, dass diese Berechnung auf einem zum Theil sehr angreifbaren Boden ruht; es ist ihr nur darum ein Platz gestattet worden, weil sie im Allgemeinen, den theoretischen Forderungen sich f\u00fcgend, ein Bild von der Vertheilung des Wasserverlustes im Winter und Sommer giebt.\nb.\tDas Gewicht des t\u00e4glich durch den K\u00f6rper wandernden Kohlenstoffes ist immerhin noch bedeutend, wenn auch viel geringer, als die der entsprechenden Wassermengen. Der von einem und demselben Menschen t\u00e4glich verzehrte Kohlenstoff ist aber zugleich auch viel weniger ver\u00e4nderlich, als das Wasser. Nach von Play fair*) wechselt je nach der Muskelanstrengung und dem Alter der erwachsenen Individuen die t\u00e4glich eingenommene Kohlenstoffmenge zwischen 220,3 Gr. (alte unth\u00e4-tige Arme) bis zu 387,3 Gr. (Gefangene in Bombay mit schwerer Arbeit). Der Unterschied der Klimate macht sich nach Playfair\u2019s Zusammenstellungen weniger geltend, als man gemeinhin behauptet, da der ostindische und der englische Tagel\u00f6hner oder Soldat unter gleichen Bedingungen sehr ann\u00e4hernd gleich viel C einnehmen. Auffallend, und in einer solchen Weise, dass man zweifels\u00fcchtig werden k\u00f6nnte, sind die Angaben von Esquimaux, Jakuten, Buschm\u00e4nnern und Hottentotten. Ein Erwachsener der ersteren von diesen wilden V\u00f6lkerschaften soll t\u00e4glich 499(5,6 Gr. C (etwa 10 Pfd.) und von der letzteren 2682,6 Gr. C (etwa 5,25 Pfd.) t\u00e4glich verzehren. \u2014 Von dem t\u00e4glich in den K\u00f6rper eingekehrten Kohlenstoffe tritt bei weitem der gr\u00f6sste Theil durch die Lungen aus, durch die Nieren geht nach den \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen von Barrai (am Menschen) und Schmidt (an Katzen) etwa der 10. Theil des aus den Lungen hervortretenden fort. In einem \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnisse steht die Kohlenstoffausscheidung des Darmkanales zu derjenigen der Lunge.\nc.\tDie Gewichtsmengen nicht schon oxydirten Wasserstoffes, welche t\u00e4glich genossen werden, sind immer sehr gering. So weit die vorliegenden Untersuchungen reichen, wird er zum gr\u00f6ssten Theil in Wasser umgewandelt, und es l\u00e4sst sich dann nicht mehr entscheiden, auf welchem Wege er den Organismus verl\u00e4sst. Der im Stoffwechsel nicht oxydirte Wasserstoff geht allein durch den Darm und die Nieren davon, vorausgesetzt, dass man die Spuren dieses Elementes vernachl\u00e4ssigt, welche in den fl\u00fcchtigen S\u00e4uren durch die Verdunstung austreten.\n*\ti\t'\n*) Pharmazeut. Centralblatt. 1854. p. 417,","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Verkeilung der Verluste auf die Atome, N; 0; Minerale.\t453t*\nd.\t* Mit der Nahrung gemessen wir unter allen Umst\u00e4nden nur wenig Stickstoff, aber relativ ist die Menge desselben sehr wechselnd. Innerhalb des K\u00f6rpers werden die stickstoffhaltigen Produkte entweder so zerlegt, dass der N g\u00e4nzlich frei wird, oder so, dass er noch in Verbindung mit einigen oder allen organischen bleibt. Der freie Stickstoff wird durch Lunge und Haut, der noch verbundene zum gr\u00f6ssten Theil durch den Harn und zum kleinsten durch den Darm entleert, ln welchem Verh\u00e4ltnisse freier und gebundener N zu einander stehen, ist noch zu ermitteln, und insbesondere scheint es gewagt, die an einer Thierart gewonnenen Resultate auf den Menschen zu \u00fcbertragen. W\u00e4hrend es den Anschein hat, dass bei den Katzen nur ein sehr kleiner Theil gasf\u00f6rmig entweicht, geht bei Tauben unzweifelhaft ein Dritttheil der gesammten im Organismus kreisenden Menge aus Haut und Lunge aus, und zwar unter Umst\u00e4nden, unter welchen nach R\u00e9gnault S\u00e4uge-thiere gar keinen gasf\u00f6rmigen Stickstoff aushauchen w\u00fcrden. Best\u00e4tigen sich die Beobachtungen von Barrai, so kann bei Menschen die H\u00e4lfte des Stickstoffs der Nahrung durch die Lungen ausgeschieden werden. Wir verweisen r\u00fccksichtlich dieses Punktes noch auf die Harnstoffentleerung (p. 261).\ne.\tSauerstoff. Die Menge von Sauerstoff, die wir consumiren, \u00fcbertrifft diejenige aller anderen Elemente. Der Antheil desselben, welcher durch die Lungen und Haut eingeht, ist, je nachdem die Nahrung aus Brod oder Fleisch besteht, mehr oder weniger \u00fcberwiegend \u00fcber den* in den trockenen Speisen selbst enthaltenen ; in den vorliegenden Beobachtungen mit gen\u00fcgender Nahrung wechselt das Verh\u00e4ltnis des Sauerstoffs in den Speisen zu dem in der Einathmungsluft, der erstere gleich 1 gesetzt, zwischen 0,33 bis zu 0,11. Noch mehr wird aber durch die Lungen wieder ausgegeben ; in der That ist der Antheil des bezeichneten Sauerstoffs, welcher mit der C02 und dem HO ausgeathmet wird, so gross, dass dagegen geradezu derjenige als verschwindend betrachtet werden kann, welcher durch den Harnstoff, die Gallenreste, den Harnextrak-tivstoff u. s. w. entleert wird.\nf.\tDie mineralischen Bestandtheile der Nahrung, deren Menge immer sehr zur\u00fccktritt, suchen den Ausweg aus dem K\u00f6rper durch Schweiss, Harn, Koth; der erstere giebt vorzugsweise NaCl aus, der zweite s\u00e4mmtliche Schwefels\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure, Kalkerde, Eisenoxyd und den gr\u00f6ssten Theil des Kalis, Natrons und Chlors, welche aus den Speisen in das Blut \u00fcbergetreten waren. Durch den Koth gehen dagegen die unverdaut gebliebenen Salze, meist schwefelsaure, kieselsaure, phosphorsaure Kalien und Erden ab.\nGewichtszunahme des thierischen K\u00f6rpers.\nDas theilweise Verbleiben der mit den Nahrungsmitteln angenommenen Atome im thierischen K\u00f6rper und die daraus resultirende Ge-","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"Wachsthum.\n454\nwichtszunahme f\u00e4llt vorzugsweise in die Augen beim Wachsthume, der Reconvaleszenz und bei \u00fcberm\u00e4ssiger F\u00fctterung.\n1. Wachstbum*). Mit diesem Worte bezeichnet man bekanntlich die Zunahme des tbierischen K\u00f6rpers, welche dieser von der Geburt an bis zu der vollkommen erreichten Pubert\u00e4t erf\u00e4hrt. Die Lebenszeit, welche auf diesen Prozess verwendet wird, ist f\u00fcr verschiedene Menschen zwar nicht die gleiche, aber es scheint doch die Regel zu sein, dass mit dem zwanzigsten Jahre die volle L\u00e4nge des K\u00f6rpers erreicht\nist; nur in seltenen F\u00e4llen ist es constatirt, dass sich das Wachsthum\n#\nauch noch um ein bis zwei Jahre jenseits dieses Termins erstreckt (Mailet), und zweifelhaft ist es, ob die Behauptung Quetelet\u2019s richtig, dass es bis auf das 25. Jahr und \u00fcber dasselbe hinaus sich verl\u00e4ngere. Den allgemeinen Gang, der aus diesem Prozesse resultirenden L\u00e4ngen- und Gewichtsvermehrung giebt die folgende Tafel, welche nach den Beobachtungen von Quetelet entworfen ist. Die zweite Colonne giebt an die L\u00e4ngenzunahme, die das Individuum in dem in der ersten Colonne angezeichneten Jahre gewinnt; die dritte Colonne aber giebt die auf das Kilogramm reduzirte Vermehrung des Gewichtes in dem gleichen Zeitr\u00e4ume. Die zweite und dritte Spalte sind je in zwei Unterabtheilungen gebracht, von denen die eine sich auf das m\u00e4nnliche, die andere auf das weibliche Geschlecht bezieht. Die mittlere L\u00e4nge des m\u00e4nnlichen Neugeborenen wurde = 0,5 M., des weiblichen = 0,49 M. und die Gewichte zu 3,2, resp* zu 2,9 gefunden.\nJahr\tL\u00e4ngenzunahme in MM.\t\tGewichtszunahme d. Gewichtseinheit des K\u00f6rpers in Gr.\t\n\tM\u00e4nnlich\tWeiblich\tM\u00e4nnlich\tWeiblich\n1\t198\t> 200\t1,960\t2,020\n2\t88\t\t0,200\t0,214\n3\t71\t73\t0,099\t0,105\n4\t63\t60\t0,141\t0,103\n5\t56\t65\t0,108\t0,105\n6\t59\t57\t0,093\t0,115\n7 1\t115\t56\t0,108\t0,096\n8\ti ly\t53\t0,087\t0,087\n9\t61 maf /x\t51\t0,091\t0,119\n10\t79\t51\t0,082\t0,101\n11\t54 K y~y\t30\t0,105\t0,090\n12\t50 K A\t54\t0,100\t0,162\n13\t58\t87\t0,153\t0,104\n14\t60\t58\t0,127\t0,114\n15\t51 M /x\t21\t0,125\t0,100\n16\t40\t22\t0,138\t0,079\n17\tl\t!\t25\t35\t0,064\t0,083\n18 i\t\t11\t0,095\t0,078\n19\t]\t\t6\ti\t<\t\n20\t10\t4\t0,083\t\u25a0\t0,024\n25\t)\t\t5\t1\t^\t0,048\t|\t0,019\n*) Quetelet, lieber den Menschen. Deutsche Ausgabe. 1838. 327. \u2014 Huschke, Anatomie der Eingeweide, Leipzig 1844. \u2014 Y&legUa, Lehrbuch d. Physiologie. II, Bd. 3. Abthl. 164.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Wachsthum.\t455\nDie Grundzahlen f\u00fcr die obige Tabelle wurden nicht dadurch erhalten, dass dieselben Individuen zu verschiedenen Lebensaltern, sondern dadurch, dass verschiedene in verschiedenen Lebensaltern stehende Menschen gewogen und gemessen wurden. Obwohl die Zahl der Individuen, aus welchen das Mittel abgeleitet wurde, nicht unbetr\u00e4chtlich ist, so ist doch noch immer gerechte Besorgniss zu hegen, dass diese Mittelzahlen im g\u00fcnstigsten Falle die Wachsthumserscheinungen eines einzigen Landes oder Landstriches darstellen.\nDemnach ist der absolute Werth der L\u00e4ngenzunahme beim m\u00e4nnlichen Geschlechte in den ersten Jahren am gr\u00f6ssten, nimmt von da an ab bis zum vierten und bleibt dann ann\u00e4hernd constant bis zum 16., von wo eine rasche Abnahme erfolgt; beim Weibe erfolgt die L\u00e4ngenzunahme bis zum 14. Jahre 'analog der des Mannes, wenn ihr absoluter Werth auch um ein kleines geringer ist; vom 14. Jahre an sinkt aber das Wachsthum rasch ab. \u2014 Die proportionale Gewichtszunahme ist in den ersten Jahren des Lebens sehr bedeutend, dann nimmt sie ab, steigt beim Manne und beim Weibe um die Pubert\u00e4tsentwickelung wieder an und dauert, wenn auch im sinkenden Maasse, noch fort, wenn das Wachsthum beendet ist, so dass M\u00e4nner meist im 40. und Frauen erst im 50. Lebensjahre das Maximum ihres Gewichtes erreichen. Daraus l\u00e4sst sich erkennen, dass die Ausdehnung des menschlichen K\u00f6rpers nach L\u00e4nge und Breite wesentlich von einander unabh\u00e4ngig sind.\nQuetellet, Villerm\u00e9 und Cowell haben die f\u00fcr das L\u00e4ngenwachsthum der einzelnen Individuen gewonnenen Zahlen auch noch zu anderen Zusammenstellungen benutzt, aus denen sich zu ergeben scheint: die Individuen der \u00e4rmeren Klasse sind bei gleichem Alter kleiner, als die der wohlhabenden. Dieses gilt nicht allein f\u00fcr Bewohner eines Landstriches (Br\u00fcssel und seine Umgegend), sondern auch f\u00fcr die verschiedenen Viertel einer Stadt (Paris); Stadt- und Landleben oder auch verschiedene Besch\u00e4ftigungsarten scheinen dagegen keinen Einfluss zu \u00fcben. Die Zeit, welche auf die Vollendung des Wachsthums verwendet wird, ist in s\u00fcdlichen Gegenden (in St\u00e4dten und Niederungen?) am geringsten. Mehr als alles dieses mag die Menschenrace resp. die urspr\u00fcngliche Anlage des Menschen auf die r\u00e4umlichen und zeitweisen Verh\u00e4ltnisse des Wachsthumes von Einfluss sein.\nAn der Ui\u00fcfangszunahme, welche der menschliche K\u00f6rper w\u00e4hrend des Wachsthums erf\u00e4hrt, betheiligen sich nicht alle Theile gleichm\u00e4ssig. Vorzugsweise scheint sie dem Skelett, den Muskeln und der Haut zu Gute zu kommen, so dass mit dem steigenden Alter einzelne Organe trotz absoluter Vergr\u00f6sserung relativ zum Gesammtgewichte des K\u00f6rpers doch abnehmen. Wir entlehnen um diese zu veranschaulichen den W\u00e4gungen von Huschke und Reid folgende Zahlen; die Zahlen unter den betreffenden Organen dr\u00fccken das Gewicht derselben aus, vorausgesetzt, dass das des Gesammtk\u00f6rpers = 1 angenommen wird.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nRecouvalesze\u00fcz.\nAlter\tGehirn\tHerz\tLeber\tSchild- dr\u00fcse\tThymus\tNiere\tNeben- niere\tHodem\tEierstock\n0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,0025 !\t0,0045\u2019\t0,0110\t0,0017\t0,0003\t0,00004\n8 Tage\t\u2014\t\u2014\t0,075\tj\t0,0029\tj \t\t\t-\t\n28 \u201e\t\u2014\t\u2014\t0,042\t0,0009\t0,0015\t\t\u2014\t- .\t.\n1\u20145 Jahr\t0,118\t0,006\t0,047\t\t\t\tI\t\t-\t\t,\t\t\t\t\n5 \u201e\t0,100\t0,008\t0,048\t\t 1\ti\t.\t\t\t_\t\t\n7 \u00bb\t0,095\t0,006\t0,042\t\u2014\t1 j\t____\t\t\t\t,\t\n13 \u201415 \u201e\t0,064\t0,006\t0,034\t\u2014\ti ! \u2014\tj \t\t\u2014\t\t\n20-30\t\u201e\tj\t0,028\t0,006\t0,027\t0,0006\ti \u2014 1\t[0,0044\t10,0001\t! 0,0002\t! 0,00016\nNoch deutlicher tritt diese ungleichm\u00e4ssige Zunahme hervor, wenn man die Gewichte der einzelnen Organe mit einander vergleicht, aus denen sich u. A. ergiebt, dass bei Neugeborenen der D\u00fcnndarm im Verh\u00e4ltnisse zum Dickdarm gewichtiger ist, als bei Erwachsenen; dasselbe gilt f\u00fcr das Pankreas verglichen mit der Milz, dem rechten und linken Leberlappen. Bekannt ist auch, dass die Geschlechtswerkzeuge, die Br\u00fcste und der Kehlkopf ihr lebhaftestes Wachsthum erst beginnen, wenn das Skelett seiner vollkommenen Ausbildung nahe ist\n2. Gewichtszunahme nach einer Periode ungen\u00fcgenden Ersatzes der t\u00e4glichen Verluste. Das K\u00f6rpergewicht kommt in ein eigent\u00fcmliches\nSteigen, wenn der gen\u00fcgende StofTgewinn wiederkehrt, nachdem vorg\u00e4ngig aus irgend welchem Grunde (ungen\u00fcgende Nahrungsmenge, Leiden der blutbildenden Organe u. s. w.) das K\u00f6rpergewicht stetig abgenommen hatte. F\u00fcr diesen dem Arzte wichtigen Vorgang besitzen wir bis dahin nur zwei genauer untersuchte, sich gleichartig verhaltende Beispiele, von denen das eine pag. 446 (Taube 11.) mitgetheilt wurde. Aus diesen geht hervor, dass die Umsetzung resp. die Ausscheidung der tierischen Koh-lenstolfatome in den ersten Tagen nach wieder begonnener normalen F\u00fctterung so rasch anstieg, dass sie schon nach 84 Stunden den im gesunden Zustande vorhandenen Werth erreichte. Ganz anders das K\u00f6rpergewicht; in den ersten 48 Stunden steigerte es sich um 31,5 Gr., von da an aber wuchs es ungemein langsam, so dass es in den darauf folgenden 432 Stunden nur um 13,6 Gi\\ zunahm. Diese unerkl\u00e4rliche Thatsache verdient weiter verfolgt und wegen ihrer praktischen Bedeutung auch am Menschen gepr\u00fcft zu werden.\nAehnliche Versuche an Tauhen mit Bestimmung des K\u00f6rpergewichtes und der Warme siehe hei C boss at*). Sie sind nicht vollkommen mit den Beobachtungen von Boussingault vergleichbar, da die Thiere erst im Augenblicke des bevorstehenden Todes wieder gef\u00fcttert wurden. Da sie so weit geschw\u00e4cht waren, dass sie im Anf\u00e4nge weder geh\u00f6rig verdauen konnten, noch auch so viel umsetzten, um in der gew\u00f6hnlichen Lufttemperatur ihren normalen W\u00e4rmegrad zu erhalten, so m\u00fcssen die ersten Tage der wieder beginnenden F\u00fctterung noch als, im kranken Zustande verbracht angesehen werdeu.\n3. M\u00e4stung, a. Bei sonst gleichen Lebensbedingungen muss der Nahrung eine besondere quantitative Zusammensetzung zukommen, wenn\n*) L c, p.\u201e 195.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"M\u00e4stung.\nder Genuss derselben das Ansteigen des K\u00f6rpergewichtes beg\u00fcnstigen soll. Dieser Satz scheint aus den Beobachtungen von Boussingault *) ge-gefolgert werden zu d\u00fcrfen, welche darthun, dass G\u00e4nse und Enten, die leicht durch eine reichliche Nahrung von Mais oder von Reis mit einem Butterzusatz zu m\u00e4sten sind, nicht durch Reis allein eine wesentliche Vermehrung ihres Gesammtgewiehtes erfahren. Ebenso nahmen Schweine rasch und bedeutend an Gewicht zu bei einem Futter, das Fett, Eiweiss, Kohlenhydrate und Salze in einem Verh\u00e4ltnis von 1 : 5,18 : 20,65 :1,82 enthielt, w\u00e4hrend sie bei Futter, das die oben genannten Bestandtheile in derselben Reihe gez\u00e4hlt im Verh\u00e4ltnis enthielt, von 1 : 5,80 : 37,38 : 2,65 nur langsam Zunahmen und namentlich nicht damit gem\u00e4stet werden konnten, selbst wenn auf gleiche Gewichtsmenge Thier von dem letzteren Futter sehr viel mehr gereicht wurde, als von dem ersteren. \u2014 b. Der Gewinn, welcher den einzelnen Bestandtheilen und Organen des thieri-sehen K\u00f6rpers bei der Gewichtszunahme erw\u00e4chst, verh\u00e4lt sich nach den direkten W\u00e4gungen der zerlegten Thiere eigenth\u00fcmlich; wir stellen zuerst die Resultate gem\u00e4steter V\u00f6gel zusammen ; die Zahlen bedeuten den proportionalen Gewinn (-}-) oder Verlust (\u2014), d. h. den Quotienten aus der Gewichtszu- oder Abnahme der einzelnen Organbestandtheile in das urspr\u00fcnglich vor der M\u00e4stung vorhandene Gewicht.\nJ. G\u00e4nse mit Mais gem\u00e4stet. Mittel aus 6 Versuchen.\nFettfreie Haut, Mus-\nFett\tFettfreie Knochen\tkein, Bindegewebe\tSchlund\tHirn\n+ 4715\t\u2014 0,094\t+ 0,274\t\u20140,300\t0.0 /\n2. Ente\tmit Reis gestopft.\t\t\t\nFett\tFettfreie Knochen\tFettfreie Haut, Muskeln, Bindegewebe\tSchlund\tHirn\n+ 0,183\t0,0\t+ 0,269\t\u2014 0,298\t0,0\n3. Ente\tmit Reis und Butter.\t\t\t\nFett\tFettfreie Knochen\tFettfreie Haut, Muskeln , Bindegewebe\tSchlund\tHirn\n1,096\t-0,133\t+ 0,195\t0,456\t0,0\nWie heim Verhungern das Hirngewicht nicht herunter geht, so steigt es beim M\u00e4sten nicht; ganz auffallender Weise magern Knochen und Schlund w\u00e4hrend des M\u00e4stens ab. Dieses Resultat hat Boussingault auch durch Vergleich ungem\u00e4steter und gem\u00e4steter Schweine desselben Wurfes best\u00e4tigt. \u2014 Die zu der Haut, den Muskeln und deren Hilfswerkzeugen geh\u00f6renden Eiweiss- und Leimstoffe haben bei M\u00e4stung der V\u00f6gel zugenommen, doch in einem ganz anderen Verh\u00e4ltnisse, als das Fett, so dass 100 Theile gem\u00e4steter Vogel eine ganz andere Zusammensetzung darbieten, als 100 Theile ungem\u00e4steter. Ganz anders stellt es sich beim Schwein heraus. Hier enthielten 100 Theile Thier :\n*) Annales de chimie et physique, 3me s\u00e9ri\u00e9. XIV, Bd. (1845.) p, 419,","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"M\u00e4stung.\n\tHaut mit Borsten\tFettfreie Knochen\tAlles Fett\tMuskel\tQuotient aus dem Fleisch und Fett\nMit Kartoffeln gef\u00fctt. = 65 Kilo mittl. Gewicht\t9,5\t6,5\t22,5\t37,2\t0,60\nMit Kartoffeln, Milch und Sp\u00fclwasser = 75 K. mittl. Gewicht\t8,27\t6,91\t25,57\t39,69\t0,64\nMit Mastfutter =111 K. mittl. Gewicht\t9,35\t6,23\t27,30\t41,46\t0,65\nDiese Thatsachen zeigen, warum die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der einzelnen Speisebestandtheile im Futter von Einfluss sind auf den Gang der M\u00e4stung, und warnen uns zugleich, wie es in physiologischen Betrachtungen h\u00e4ufig geschieht, eine Zunahme des K\u00f6rpergewichtes nur als aus Fett oder nur als aus Fleisch bestehend anzusehen.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Siebenter Abschnitt.\nThierische W\u00e4rme.\nDie blutf\u00fchrenden Organe des lebenden Menschen bewahren ann\u00e4hernd denselben W\u00e4rmegrad, wenn auch die Temperatur der Umgebung nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache setzt voraus, dass der Organismus \u00fcber erw\u00e4rmende und abk\u00fchlende Mittel gebietet, die sich bis zu einem gewissen Grade in der St\u00e4rke ihrer Aeusserung und in ihrem Zusammenwirken den Umst\u00e4nden anpassen. Wir werden, indem wir auf die Zergliederung der thierischen W\u00e4rmeerscheinungen eingehen, zuerst die normalen Temperaturschwankungen des Organismus und dann die Mittel angeben, durch welche ein entstandener Verlust der W\u00e4rme wieder erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgef\u00fchrt wird.\nNormaltemperaturen.\nInsofern die W\u00e4rme eine Bedingung zur Einleitung und Erhaltung von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebensprozessen ist, gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen Werth; in Verbindung mit anderen Beobachtungen kann sie auch dienen, um eine Einsicht in den Gang der Erzeugung und des Verbrauches an W\u00e4rme zu gewinnen.\nUm zu zeigen, inwiefern dieses letztere m\u00f6glich, w\u00e4hlen wir ein einfaches Beispiel. Wir nehmen an, es seien drei unmittelbar aneinander grenzende, wanne-leitende Fl\u00e4chen gegeben, von denen die beiden \u00e4usseren unter allen Umst\u00e4nden auf verschiedene Grade erw\u00e4rmt sein sollen ; in diesem Falle wird die innere der drei Fl\u00e4chen eine Temperatur annehmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der beiden \u00e4usseren, da sie von der einen Seite her erw\u00e4rmt und von der anderen abgek\u00fchlt wird. Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu w\u00e4hlen, wollen ' wir annehmen, die Temperatur der inneren Fl\u00e4che sei das arithmetische Mittel zwischen den beiden \u00e4usseren. Unter dieser Voraussetzung wird man einseh\u00e9n, dass in Folge einer Temperaturbestimmung der inneren Fl\u00e4che niemals etwas ausgesagt werden kann \u00fcber die Unterschiede der Temperatur auf den \u00e4usseren Fl\u00e4chen, da aus unendlich vielen Unterschieden ein und dasselbe Mittel hervorgeben","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\tBedeutung und Bestimmung der Temperatur.\nkann. Kommt aber zu der Kenntniss der Mittelw\u00e4rme noch die einer der beiden Grenztemperaturen hinzu, so ist begreiflich auch die andere Grenztemperatur bestimmt Zugleich ist ersichtlich, dass, wenn in der Zeit die Temperatur der mittleren Fl\u00e4che sich \u00e4ndert, auch diejenigen der erw\u00e4rmenden und abk\u00fchlenden Fl\u00e4chen Ver\u00e4nderungen erlitten haben m\u00fcssen ; \u00fcber die Natur dieser letzteren l\u00e4sst sich aber wiederum nur dann etwas angeben, wenn das Verhalten von einer der Grenzfl\u00e4chen w\u00e4hrend der Beobachtungszeit bekannt ist, da z. B. ein Ansteigen der Temperatur in der mittleren Fl\u00e4che erzeugt sein kann ebensowohl durch eine Minderung des Verlustes als eine Vermehrung des Gewinnes an W\u00e4rme oder, auf die Grenzfl\u00e4chen angewendet, durch Erh\u00f6hung der Temperatur entweder in beiden oder auch nur in einer von beiden Fl\u00e4chen beim Gleich bl eib'en der W\u00e4rme in der anderen. \u2014 Die Resultate dieser Betrachtung bleiben nun, wie ein kurzes Nachdenken lehrt, unver\u00e4ndert, wenn man statt der abk\u00fchlenden und erw\u00e4rmenden Platte in die mittlere Fl\u00e4che selbst eine Quelle und einen Verbrauch an W\u00e4rme eingelegt denkt. \u2014 Sollen demnach die (in neuerer Zeit so zahlreich angestellten) Temperaturmessungen von Bedeutung f\u00fcr die Beurtheilung des W\u00e4rmehaushaltes werden, so muss auf einem oder dem anderen Wege noch Aufschluss gegeben werden \u00fcber die Ver\u00e4nderungen des Verbrauches oder der Erzeugung von W\u00e4rme an der beobachteten Stelle.\nZur Messung der Temperatur bedient man sich des Thermometers und des gra-duirten Thermomultiplikators. \u2014 Das erstere dieser beiden Instrumente ist ein sehr zuverl\u00e4ssiger Apparat, und besonders wenn die Abtheilungen der Skala in grossen Abst\u00e4nden stehen; aber es giebt nur dann sichere Werthe, wenn seine Kugel von der zu messenden Temperatur ganz umschlossen wird, und wenn es lange Zeit hindurch mit der letzteren in Verbindung bleibt, weil die Temperaturausgleichung durch das Glas hindurch nur sehr allm\u00e4hlig erfolgt. Hieraus ergiebt sich f\u00fcr seine physiologische Anwendung zweierlei. Einmal ist es unbrauchbar zur Ermittelung der Temperatur von beschr\u00e4nkten in einer Ebene ausgebreiteten Fl\u00e4chen, wie z. B. der Epi-dermisoberfl\u00e4che. Denn auf dieser kann es nur Anwendung linden, wenn die Epi-dermisoberfl\u00e4che (Handteller, Achselgrube, Schenkelbug u. s. w.) so gekr\u00fcmmt wird, dass sie die Kugel m\u00f6glichst allseitig umschliesst, oder wenn die in beschr\u00e4nkter Ber\u00fchrung aufgesetzte Kugel mit einem schlechten W\u00e4rmeleiter, der auch noch die anliegende Epidermis bedeckt, umkleidet wird. Beide Anwendungsweisen verhindern aber die normal bestehende Abk\u00fchlung jener Hautstelle, deren Temperatur man messen wollte; man erh\u00e4lt darum, wenn man das Thermometer so lange liegen l\u00e4sst, bis sein Quecksilberniveau einen unver\u00e4nderlichen Stand eingenommen, die Temperatur der unterliegenden Cutis resp. des sie durchdringenden Blutes. \u2014 Wegen seiuer Tr\u00e4gheit ist aber das Thermometer auch nicht im Stande, rasch aufeinander folgende Temperaturschwankungen anzugeben. \u2014 Aus dem schon fr\u00fcher mitgelheilten Prinzip des graduirten Thermomultiplikators (Bd. I. p. 339) geht hervor, dass er ein Differentialinstrument ist, welches Temperaturunterschiede zweier Orte mit h\u00f6chster Sch\u00e4rfe anzeigt, welche Ausdehnung und Form dieselben auch haben m\u00f6gen, und das zugleich die zeitlichen Schwankungen der Temperatur mit grosser Sch\u00e4rfe auffasst. Seine Anwendung ist dagegen umst\u00e4ndlich und die Reduktion seiner Angaben auf tbermo-metrische Grade nur bei \u00e4usserst sorgf\u00e4ltiger Arbeit zuverl\u00e4ssig. Bringt man, wie es Becquerel*) u. A. gethan, die L\u00f6thstellen auf einer Nadel an, so kann man im lebenden Menschen auch die sonst unzug\u00e4nglichen Orte, z. B. Muskeln, Eingeweide u. s. w., auf ihre Temperatur bestimmen.\n') Annales des sc. nat, zoolog. HL u, IV. BcL (1835 u. So,)","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Orts w\u00e4rme.\n461\n1. Zu einer und derselben Zeit sind die verschiedenen Orte des thierischen K\u00f6rpers, selbst wenn sie ann\u00e4hernd dieselben festen und fl\u00fcssigen Bestandtheile enthalten, nicht auf gleichen Grad erw\u00e4rmt.\na. Blut*). Nach den Beobachtungen von Bischof f, G. Lie big, Bernard und Walferdin ist das Blut in den Hautvenen des Kopfes und der Extremit\u00e4ten k\u00e4lter, als das in den zuf\u00fchrenden Arterien, und ebenso verh\u00e4lt sich das Blut in den grossen aus dem Hals und den Extremit\u00e4ten r\u00fcckkehrenden Venenst\u00e4mmen (ein Gemenge aus den tieferen und oberfl\u00e4chlichen Capillarnetzen) zu dem der art. carotides, crurales, subclaviae. \u2014 Das Blut, welches dagegen aus der Niere und Leber zur\u00fcckkehrt, ist w\u00e4rmer, als das eindringende; von allen Blutarten am w\u00e4rmsten ist das in der vena hepatica enthaltene. Das Blut der vena cava inferior vor dem Eintritte in das Herz ist w\u00e4rmer, als das in der vena cava superior an der entsprechenden Stelle. Das Blut des rechten Herzens ist w\u00e4rmer, als das des linken. Beispielsweise geben wir einige Zahlen, die G. Liebig beobachtete. An einem Hunde stand das Thermometer in der vena cava superior auf +35,98\u00b0 C., im atrium dextrum auf 36,37\u00b0 C., bei einem zweiten Hunde in der vena cruraiis +37,20\u00b0 C. und in der vena cava inferior + 38,11\u00b0 G. \u2014 Der Inhalt des rechten Herzens war 0,05\u00b0 bis 0,19\u00b0 C. w\u00e4rmer, als der des linken.\nDiesen Beobachtungen der oben genannten Autoren ist darum der Vorzug gegeben worden vor den entgegengesetzt berichtenden anderer Physiologen (D avy, Krimer, Hering, Brechet u. A.), weil die zu den vergleichenden Untersuchungen verwendeten Thermometer an und f\u00fcr sich m\u00f6glichst empfindlich und genau auf einander reduzirt waren, weil beim Ablesen der Zahlen der aus der Paralaxe fliessende Fehler vermieden war, ferner weil die Thermometerkugel in das Gef\u00e4sslumen des lebenden Thieres und zwar so eingef\u00fcgt war, dass sie, ohne den Blutstrom zu hemmen, nur mit dem Blute, nicht aber mit den Gef\u00e4sswandungen in Ber\u00fchrung war. Den Resultaten, die aus solchen Messungen hervorgegangen sind, lassen sich nat\u00fcrlich die nicht ebenb\u00fcrtig gegen\u00fcber stellen, bei welchen man die Thermometerkugel in den Aderlassstrahl hielt, oder in Gef\u00e4sse steckte, die dem Luftzutritte blossgelegt waren, und zwar zum Theil erst dann, nachdem einige Zeit vorher der Tod erfolgt und die Ath-mung und somit auch der Unterschied zwischen ven\u00f6sem und arteriellem Blute aufgehoben war.\nDie Unterz\u00fcngengegend ist um 0,5 bis 0,25\u00b0 C., die Blase, der Mastdarm und die Scheide um 0,8 bis 1,1\u00b0 C. w\u00e4rmer, als die Achselgrube (Hallmann**), B\u00e4rensprung***), L. Fickf), Berger, Davy). Das Bindegewebe unter der Haut ist um 2,1\u00b0 C. bis 0,9\u00b0 C. niedriger temperirt als das der Skelettmuskeln (Becquerel und Brechet). Die Baucheingeweide sind nach den thermoelektrischen Be-\n) G. v. Liebig, lieber die Temperaturunterschiede des ven\u00f6sen und arteriellen Blutes. Giessen 1853. \u2014 J. Gavarret, De la chaleur prod, par les \u00eatres vivant. Paris 1855. p. 119.\n**) Helmholtz, 1. c. 530.\n***) M \u00fc 11 e r \u2019 s Archiv. 1851. t) Ibid. 1853,","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nTagesschwankung.\nStimmungen derselben Gelehrten etwas w\u00e4rmer, als die Lungen und das Hirn.\n2. Die Schwankung, welche die Temperatur mit der Zeit darbietet, ist abh\u00e4ngig von den Tageszeiten und Lebensaltern, oder anders ausgedr\u00fcckt, von irgend welchen k\u00f6rperlichen Vorg\u00e4ngen, die sich an die Jugend und das Alter, den Tag und die Nacht kn\u00fcpfen. Diese, wenn man will, typische Schwankung wird nun aber verdeckt oder gesteigert durch dazwischentretende Umst\u00e4nde, insbesondere durch die Aufnahme der Nahrungsmittel, Muskelbewegung, geistige Anstrengung, Temperatur- und Feuchtigkeitsgrad der Atmosph\u00e4re und der Bekleidung.\na. Typische Tagesschwankung. Das Bestehen einer typischen, von Nahrungsaufnahme, Schlaf und Muskelbewegung unabh\u00e4ngigen Tagesschwankung ist von B\u00e4rensprung durch Beobachtungen an Menschen und durch G h o s s a t und Schmidt an hungernden eingesperrten Thie-ren dargethan worden; als Beispiel f\u00fcr dieselben w\u00e4hlen wir aber die Angaben von Lichtenfels*) und Fr\u00f6hlich, weil sie die genauesten unter den vorhandenen zu sein scheinen. Bei vollkommener Enthaltung aller Nahrung, m\u00f6glichster Ruhe der Muskeln und einem Aufenthalt in einer Luft von 12\u00b0,4 bis 13\u00b0,6 G. fiel die Temperatur von der letzten Mahlzeit an (des Abends) bis 10 Stunden nach derselben, erhob sich in der 11. Stunde nach derselben um ein Geringes, sank dann st\u00e4rker bis zur 15. Stunde und erhob sich bis zur 19. wieder auf den Stand, welchen sie zur Zeit der 10. eingenommen, und begann von da an wieder zu sinken. Der gr\u00f6sste Unterschied betrug bei Liehtenfels (II. und 15. Stunde) 0,80\u00b0 C., bei Fr\u00f6hlich 0,56^ C.\nDie typische Schwankung f\u00fcr das Lebensalter ist weit schwieriger darzustellen; zu diesem Behufe m\u00fcssten eliminirt sein die zahlreichen, allgemeinen und individuellen Gr\u00fcnde, aus^denen bei den verschiedenen, der Vergleichung unterworfenen Menschen die Temperatur schwanken kann. Diese Forderung ist bis dahin nicht befriedigt. Das geringe Zutrauen aber, was schon darum die Angaben \u00fcber die mittleren Temperaturen der verschiedenen Lebensalter verdienen, wird noch geschw\u00e4cht durch den Umstand, dass die Temperaturunterschiede der verschiedenen Individuen desselben Alters gr\u00f6sser ausfallen, als die Unterschiede in den Mittelzahlen der verschiedenen Alter. Die folgende Tafel, die nach \u00df\u00e4rensprung entworfen, giebt dar\u00fcber Aufschluss.\n*) Wiener akadem. Penkschriften. 3. Bd.","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Temperatur abh\u00e4ngig vom Lebensalter und der Nahrung.\n463\n\t\u00e0 g\t\t\t\u00bb a \u00f6 \u00ae S \u00a9 ^4^ \u00e4\t\u2022 \u2022 15 g\t\t\nLebensalter\tSts <V f-t 33 \u00ae a\tGrenz- Temperatur\tBeobach- tungsort\t'O\u00e4? -s o .5 \u00ab5\t11\tTageszeit der Beobachtung\tBemerkungen]\nNeugeborene\t37,81\t36,6 \u201430,0\tMastdarm\t37\t*\t?\tUnmittelbar nach d, Geburt.\n5\u2014 9 Jahr\t37,72\t37,87\u201437,62\tMund und\t4\tS-H 3 4\u00bb?\tMorgens\t\n\t\t\tMastdarm\t\tC\u00f6 ?-l\tMittags\t\n\t\t\t\t\tCU CM\tAbends\t\n15\u201420 *\t37,37\t36,12-38,1\tAchselh\u00f6hle\t11\ts <u\tnach Mittag\tW\u00e4hrend der\n\t\t\t\t\t-4-\u00bb u 03\t\tHandarbeit.\n21\u201430 \u201e\t37,22\t\t99\t11\ta\t99\tW\u00e4hrend der\n\t\t\t\t\ta tsa\t\tHandarbeit.\n25-30 \u201e\t36,91\t\t79\t4\t\tzu verschie-\tAus d. hohem\n\t\t\t\t\to s*\tden. Zeiten\tSt\u00e4ndern\n31\u201440 \u201e\t37,1\t\t79\t6\t\tvorzugsw.\t\n\t\t\t\t\tSS\tnach Mittag\t\n41\u201450 \u201e 51-60 \u201e 80\t36,87 36,83 37,46\t\t99 99 Mund\t7 2 1\t\tzu verschieden. Zeiten\t\nDie Steigerung, welche die W\u00e4rme im hohen Alter gegen\u00fcber der in mittleren Jahren erfahrt, hat auch J. Davy in einer gr\u00f6sseren Zahl von F\u00e4llen beobachtet. \u2014 Welchen Werth man nun auch den in der mitgetheilten Reihe vorkommenden Varia\u00bb tionen beizulegen gesonnen ist, jedenfalls muss anerkannt werden, dass die W\u00e4rme der verschiedenen Lebensalter sich sehr nahe kommt.\nDer Einfluss der Nahrung auf die menschliche Temperirung ist im Allgemeinen ein erh\u00f6hender; dieses zeigt sich am schlagendsten sogleich darin, dass die W\u00e4rme nach Entziehung aller Nahrung sinkt. So fanden z. B. Lichtenfels und Fr\u00f6hlich die mittlere Temperatur der Hungertage zu 36,60\u00b0 C., w\u00e4hrend der wie gew\u00f6hnlich verlebten Tage aber zu 37,17\u00b0 C. Dieser W\u00e4rmeunterschied w\u00e4chst nun aber nicht geradezu mit der Dauer der Hungerperiode, sondern es h\u00e4lt sich, wie man schon aus den von Chossat und Schmidt an verhungernden Thieren ange-stellten Beobachtungen gesehen hat, die Temperatur vom zweiten Hungertage an constant bis gegen die dem Tode unmittelbar vorangehende, wo sie von Tag zu Tag rasch sinkt. In einer Versuchsreihe an einer Katze (Schmidt) zeigte bis zum 15. Hungertage das Thermometer im Mittel 38,6\u00b0 C., am 16. Tage 38,3\u00b0, am 17. Tage 37,64\u00b0, am 18. Tage 35,8\u00b0 und endlich am 19. (dem Sterbe-) Tage 33,0. \u2014 Mit diesen Angaben sind wenigstens die von Chossat*), der seine Beobachtungen an den h\u00f6her temperirten und rascher verhungernden Tauben anstellte, nicht im Widerspruche. Den Erscheinungen der Hungerkur entsprechend, scheinen sich die Dinge auch bei der Einnahme der Nahrung zu stellen; unzweifelhaft nimmt nemlich die Temperatur nicht mit dem Gewichte der aufgenommenen Speise zu; tr\u00e4fe dieses ein, so d\u00fcrfte die Temperatur der Erwachsenen sich nicht in so engen Grenzen halten, da sie doch so ausserordentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln -gemessen. Zu weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen.\n*) Recherche\u00bb experimentale\u00bb sur I\u2019inajUtion. Far is 1843.","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":".V- Ik\n464\nTemp\u00e9ratur abh\u00e4ngig von der Nahrung.\ny\nDie Nahrungsaufnahme macht sich aber auch dadurch bemerklich, dass sie die typische Tagesschwankung der Temperatur in ihrem Gange \u00e4ndert.\nNach den Messungen von Liehtenfels-Fr\u00f6hlich, Gierse, Hallmann und B\u00e4rensprung, welche ungef\u00e4hr zu denselben Stunden auf gleiche Weise assen, steigt die W\u00e4rme nach dem Fr\u00fchst\u00fcck an und erreicht 4 \u2014 6 Stunden nach demselben ihr erstes Maximum, dann sinkt sie bis zur Hauptmahlzeit und steigt nach derselben, bis sie i*/2 bis 21/2 Stunden nach ihr ihr zweites Maximum erlangt, die Abendmahlzeit erzeugt aber kein neues Steigen, mit anderen Worten sie vermag das Sinken in Folge der typischen Schwankung nicht aufzuhalten. \u2014 Bei J. Davy erreichte die W\u00e4rme 2 Stunden nach dem Fr\u00fchst\u00fcck ihr Maximum und sank von da ab; dieser absteigende Gang konnte durch die um 6h Abends eingenommene Hauptmahlzeit nicht in einen aufsteigenden verwandelt werden. Uebereinstimmend gaben Davy, Gierse, Hallmann und Lichtenfels den gr\u00f6ssten Unterschied in der Tagesw\u00e4rme zu 0,73 bis 0,69\u00b0 C. an, B\u00e4ren sprung fand ihn an sich selbst zu 1,12\u00b0 und Fr\u00f6hlich zu 0,56\u00b0.\nAls Beispiele f\u00fchren wir die Beobachtungsreihen von B\u00e4rensprung und Davy an ;\nTages- und Mahlzeit\tStunde\tTemperatur\tTages - und Mahlzeit\tStunde\tTemperatur\nMorgens im Bette\t5\u20147\t36,68\t1 Morgens\t7\t36,94\nKafiee\t7\u20149\t37,16\tFr\u00fchst\u00fcck\t9\t36,89\n\t9\u201411\t37,26\t\t11\t36,89\n\t11-1\t36,87\t\t2\t37,05\n\u2018\t1\u20142\t36,83\t\t4\t37,17\nMittagsessen\t2-4\t37,15\t\t5\t37,05\n\t4\u20146\t37,48\tMittagessen\t6,5\t36,83\n\u2022\t6\u20148\t37,43\tThee\t7,5\t36,50\nAbendessen\t8-10\t37,02\t\t11\t36,72\n\t10-12\t36,85\t\t1\t36,44\nAus dem Schlafe\t12\u20142\t36,65\t\t\t\ngeweckt\t2\u20144\t36,31\t\t\t\nDiese Schwankungen finden sich in allen Lebensaltern (B \u00e4r e n s p ru n g). \u2014- Aus der mitgetheilten Tabelle dieses Letzteren geht hervor, dass die mittlere Tagestemperatur, wie sie aus dea mittleren Zahlen abgeleitet werden kann, bei ihm in der That vorhanden ist um b\u00e4 Morgens, 12h Mittags und l\u20ach Abends. \u2014 Bei Fr\u00f6hlich und Lichtenfels findet sich die mittlere Temperatur in der 3. Stunde nach dem Fr\u00fchst\u00fcck. Diese Bemerkung dient dazu, um die Beobachtung der Auffindung der mittleren Tagestemperatur zu erleichtern.\nWir erw\u00e4hnten p. 71 auch eine t\u00e4gliche Schwankung der Pulszahl; eine Vergleichung dieser mit der W\u00e4rmever\u00e4nderung scheint auf den ersten Blick in der That eine Gleichl\u00e4ufigkeit beider zu ergeben. Eine genauere Betrachtung hebt aber diesen Schein auf; denn einmal ist die W\u00e4rme der verschiedenen Menschen trotz der ausser-ordentlichsten Abweichung ihrer Pulszahlen, sehr wenig von einander unterschieden. Dann aber ist auch bei einem und demselben Menschen die Temperatur keine Funktion des Pulses, wie man sich sogleich ausnahmslos \u00fcberzeugt, wenn man auf die Abszisse der Pulszahlen die Ordinaten der Temperaturgrade auftr\u00e4gt.","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Erregung der Muskeln; Verbrauch von 0; Zustand der Haut.\n465\nEs scheinen dagegen dieselben Umst\u00e4nde oder auch verschiedene, welche zu denselben Tageszeiten bestehen , auf die W\u00e4rme und den Puls in gleicher Richtung zu wirken; denn in der That steigt und f\u00e4llt der Puls den Tag \u00fcber ungef\u00e4hr zu denselben Zeiten, wie die W\u00e4rme. Dieses Steigen ist nach den vorliegenden Beobachtungen entweder vollkommen gleichzeitig, so dass das Temperatur- und Pulsmaximum auf dieselbe Stunde fallen (v. B\u00e4rensprung), oder es tritt das erstere nach den Mahlzeiten fr\u00fcher ein, als das letztere, so dass der h\u00f6chste Stand der thierischen W\u00e4rme dem des Pulses nachfolgt,\nd. Die Temperatur steht ferner in einer innigen Beziehung zu dem Zustande der Muskeln und Nervenmassen ; nach ausgedehnten Messungen\nvon J. Davy steigt bei ihm selbst nach dauernden Muskelanstrengungen die W\u00e4rme um 0,3\u00b0 bis 0,76\u00b0 und nach dauernder geistiger Besch\u00e4ftigung um 0,27\u00b0. \u2014 Der Zeitraum, welcher zwischen der W\u00e4rmesteigerung und der Muskelanstrengung verfliesst, soll bei Neugeborenen und Hungernden verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr kurz sein, so dass z. B. das in den Mastdarm eingef\u00fchrte Thermometer alsbald zu steigen beginnt, wenn das Kind zu schreien anf\u00e4ngt (B\u00e4rensprun g).\ne. Die Temperatur ist ver\u00e4nderlich mit der Ausscheidungsgeschwin-\ndigkeit von C02 und HO durch die Lunge oder mit der Geschwindigkeit, in welcher Sauerstoff von derselben aufgenommen wird. Beispiele hierf\u00fcr liefern die Mitteltemperaturen der Individuen verschiedener Thierklassen. So verzehren unter den Wirbelthieren die Warmbl\u00fcter ausserordentlich viel mehr Sauerstoff, als die Fische und die Amphibien. Aber auch an demselben Individuum pr\u00e4gt sich der Parallelismus beider Funktionen scharf aus; das hungernde und stillsitzende oder, wie man sich auch anders ausdr\u00fccken kann, das Thier, welches wenig C02 aushaucht, ist weniger erw\u00e4rmt, als das ges\u00e4ttigte und bewegte; dem t\u00e4glichen Gange der CO > ausscheidung folgt demnach derjenige der Temperatur. Die entsprechenden Beobachtungsreihen siehe bei Bidder, Schmidt*) und Chossat. \u2014 Mit der Lebhaftigkeit des Gasstromes durch die Lungenwand w\u00e4chst aber bekanntlich auch die Geschwindigkeit der Athem-folge, und somit muss das erw\u00e4rmte Thier auch rascher athmen. Belege hierf\u00fcr geben, Chos sa t durch die Vergleichung hungernder und gef\u00fctterter Tauben und die Versuche von Till et, Blagden, Berger u. s. w. mit k\u00fcnstlich erw\u00e4rmten Thieren.\nf. Der Beweis f\u00fcr die theoretische Forderung, dass sich mit der Blutf\u00fclle und Durchfeuchtung der Haut die W\u00e4rme \u00e4ndert, ist bis dahin noch nicht geliefert. Die Voraussetzung, dass unter sonst gleichen Bedingungen die W\u00e4rme steigen m\u00fcsse, wenn die Blutf\u00fclle der Haut abnimmt, findet, wenn man will, darin eine Best\u00e4tigung, dass im Wechselfieberfrost, also bei m\u00f6glichst blutleerer Cutis, die Temperatur in der Mundh\u00fchle sich gesteigert hat (Gierse,-B\u00e4rensprung).\n*) Verdauungss\u00e4fte, p. 347. Ludwig, Physiologie. II.\n30","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nLufttemperatur.\ng. Die thierische W\u00e4rme \u00e4ndert sich mit der Lufttemperatur in einer sehr verschiedenen Weise. \u2014 Unter Voraussetzung einer gen\u00fcgenden Ern\u00e4hrung und entsprechenden Kleidung (resp. Behaarung und Befiederung) behauptet der thierische K\u00f6rper niederen Temperaturen gegen\u00fcber seine Normalw\u00e4rme. Als Beispiele hierf\u00fcr dienen die Beobachtungen, welche am Menschen und an S\u00e4ugethieren im arktischen Winter gesammelt sind. Nach den Messungen von Parry*) und Back**) kann der W\u00e4rmeunterschied der Atmosph\u00e4re und der Thiere auf 73\u00b0 C. steigen, d. h. die S\u00e4ugethiere jener kalten Gegenden behaupteten eine Temperatur von \u00fcber + 40\u00b0, als das Thermometer in der Luft \u201430 bis 35\u00b0 angab. Daraus folgt nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen die thierische W\u00e4rme \u00fcberhaupt nicht absinke, sondern nur dass dieses in engen Grenzen geschehe. Nach den Beobachtungen von J. Davy geschieht dieses letztere aber in der That; er gewann hier\u00fcber folgende Erfahrungen:\niratur der Luft\tTemperatur unter der Zunge\n+ 33,3 0\t+ 38,0\n18,2\t37,09\n5,6\t36,1\n4,4\t36,2\n0,6\t35,9\n+ 0,0\t34,9\nWenn aber dem Thiere das n\u00f6thige Futter oder die Bewegung mangelt, so k\u00fchlt es in einer niedrig temperirten Umgebung sehr rasch ab, so dass bei einer Lufttemperatur von +12 bis +18\u00b0 bald die K\u00f6rperw\u00e4rme auf +25\u00b0 d. h. auf den Grad sinkt, bei welchem der Tod durch Abk\u00fchlung erfolgt (Chossat). W\u00e4rmegrade, die oberhalb der thierischen Normaltemperatur liegen, ertr\u00e4gt der Organismus, ohne seine W\u00e4rme wesentlich zu erh\u00f6hen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Schweissbildung unterhalten werden kann (Franklin) und dass die Atmosph\u00e4re trocken\ngenug ist, um eine rasche Verdunstung des Wassers von der Haut und der Lunge aus zu erlauben. In einer mit Feuchtigkeit vollkommen ges\u00e4ttigten Luft, oder gar in einem warmen Bade, steigt dagegen die Temperatur des Organismus rasch. So fanden u. A. Berger und de la Roche, dass bei einem Aufenthalte von 8 bis 16 Minuten in einem auf + 80\u00b0 bis 87\u00b0 erw\u00e4rmten Raume die Temperatur unter der Zunge um 4\u00b0 bis 5\u00b0 stieg. Die englischen Beobachter Blagd en, Dobson, For-dyce u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden nur eine Temperatursteigerung von etwa 1\u00b0 C. \u2014 Crawford machte bei Thieren, welche den Einfl\u00fcssen so hoher Temperaturen ausgesetzt waren, die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut nicht dunkel- sondern hellroth gef\u00e4rbt war.\n*) Annales de chimie et physique. 2me Serie. Tom XXVIII. p, 223.\n**) Compt. rend. V\u00f6l. II. p. 621.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"Theorie von Helmholtz \u00fcber den Ursprung der thieriseheu W\u00e4rme. 467\nUrsprung der thierischen W\u00e4rme.\n1. Die W\u00e4rme ist bekanntlich eine besondere Art von Bewegung, die an einer unw\u00e4gbaren Masse, dem sog. Licht\u00e4ther, vor sich geht. Denn es l\u00e4sst sich zum Beweis f\u00fcr den ersten Theil dieses Satzes unter Umst\u00e4nden eine jede Bewegung der w\u00e4gbaren Masse in W\u00e4rme und umgekehrt die W\u00e4rme in eine Bewegung derselben umwandeln, so dass, wenn W\u00e4rme verschwindet, daf\u00fcr Geschwindigkeit einer w\u00e4gbaren Masse gewonnen werden kann, und umgekehrt, dass die Vernichtung einer Bewegung W\u00e4rme zu erzeugen vermag. Also kann die W\u00e4rme kein Stoff, sondern sie muss eine Bewegung sein, weil es aller Erfahrung widersprechend w\u00e4re, anzunehmen, dass durch den Verlust eines Stoffes Bewegung und durch denjenigen einer Bewegung ein Stoff entstehen k\u00f6nnte. Die andere Behauptung, dass die W\u00e4rme eine Bewegung der unw\u00e4gbaren Masse sei, rechtfertigt sich aber dadurch, dass sie sich durch den Raum verbreitet, der frei von allen w\u00e4gbaren Stoffen ist, und ebensosehr dadurch, dass, wenn die W\u00e4rme durch die Bewegung der w\u00e4gbaren Stoffe entsteht, diese letzteren nicht etwa in eine andere Art von Bewegung \u00fcbergehen, sondern dass sie in dem Maasse zur Ruhe kommen, in welchem die Menge der gebildeten W\u00e4rme steigt.\nWenn nun die W\u00e4rme eine Bewegung ist, so kann sie, entsprechend dem von Helmholtz entwickelten Gesetze von der Erhaltung der Kraft, nur dann entstehen, wenn ein w\u00e4gbarer oder unw\u00e4gbarer K\u00f6rper seine Geschwindigkeit einb\u00fcsst, indem er sie auf den Licht\u00e4ther \u00fcbertr\u00e4gt, oder wenn Spannkr\u00e4fte als solche zum Verschwinden kommen. Das erstere Glied der Alternative ist an und f\u00fcr sich klar, das zweite wird es sein, so wie man erf\u00e4hrt, dass der Physiker unter der Spannkraft die Bedingungen versteht, welche, obwohl sie selbst keine Bewegung sind, dennoch eine ruhende Masse in Bewegung versetzen k\u00f6nnen. Solche Bedingungen sind aber dadurch charakterisirt, dass sie nur herbeigef\u00fchrt werden k\u00f6nnen durch einen vorg\u00e4ngigen Verlust von gerade so viel Geschwindigkeit, als sie selbst wieder erzeugen k\u00f6nnen. Unter diese Spannkr\u00e4fte z\u00e4hlten wir u. \u00c0. schon fr\u00fcher den Druck, welchen die unteren Schichten einer\nWassers\u00e4ule zu ertragen haben ; unter sie geh\u00f6ren auch gewisse che-\n\u00bb\nmische Anordnungen, wie sie z. B den verbrennlichen Atomen zukommen. Wie bekannt, sind die letztem beim Uebergange in den verbrannten Zustand bef\u00e4higt, entweder ihre eigenen und auch fremde w\u00e4gbare Massen zu bewegen (wie dieses bei der Ausdehnung der K\u00f6rper, in der Dampfmaschine, den Wurfr\u00f6hren u. s. w. geschieht), oder sie verm\u00f6gen sich und ihre Umgebung zu erw\u00e4rmen, zwei Leistungen, welche bekanntlich insofern im Gegensatz stehen, dass in dem Maasse die erw\u00e4rmende Kraft des Verbrennungsprozesses abnimmt, in welchem Geschwindigkeit erzeugende Kraft desselben in Anspruch genommen wird. Da nun die Atome des verbrannten K\u00f6rpers in den verbrennlichen Zustand nur dann zur\u00fcck-\n30*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468 Die Verbrennung der Speise ist die Quelle der freien W\u00e4rme.\ngef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, wenn dieselbe Menge von W\u00e4rme oder Geschwindigkeit aufgewendet wird, die sie bei der Verbrennung ausgaben, so kann man sagen, es sei der verbrennliche K\u00f6rper mit einer zur Ruhe gekommenen Kraft begabt, welche sich als Spannung zwischen seinen Atomen geltend mache. Keinenfalls wird durch die Verbrennung neue bewegende Kraft gewonnen, sondern alte, l\u00e4ngst vorhandene von einem auf den anderen K\u00f6rper \u00fcbertragen.\nDiese Thatsachen erzwingen den Ausspruch, dass die einzige Quelle f\u00fcr die W\u00e4rme des menschlichen K\u00f6rpers in der langsamen Verbrennung liegt, welcher seine organischen Bestandtheile unterworfen sind. Dieser Satz best\u00e4tigt sich vorerst dadurch, dass kein anderer Grund f\u00fcr die thierische W\u00e4rme aufgefunden werden kann. So gen\u00fcgen offenbar zur Entwickelung derselben die St\u00f6sse nicht, welche der menschliche K\u00f6rper von den ihn umgebenden Medien, z. B. der bewegten Luft, empf\u00e4ngt, da sie einestheils zu unregelm\u00e4ssig erfolgen und anderntheils in den meisten F\u00e4llen weitaus nicht den Kraftwerth der St\u00f6sse erreichen, welchen der menschliche K\u00f6rper selbst beim Gehen, bei Armbewegungen u. s. w. seiner Umgebung mittheilt. \u2014 Ferner k\u00f6nnen die von den Muskel- und Nervenkr\u00e4ften ausgehenden Bewegungen keine neuen Ursachen der W\u00e4rme abgeben, da die Entwickelung dieser Kr\u00e4fte selbst von dem thierischen Stoff-umsatze abh\u00e4ngt. Die in den Muskeln und Nerven vorkommenden Bewegungen sind also erst wieder abgeleitet ans den latenten Kr\u00e4ften der Nahrungsmittel. Jene Apparate sch\u00f6pfen ihre Bef\u00e4higung zur Erzeugung von lebendiger Kraft aus derselben Quelle mit der freien W\u00e4rme, und somit muss in dem Maasse, in welchem jene Apparate lebendige Kr\u00e4fte zum Vorschein bringen, die Bef\u00e4higung des thierischen Stoffes zur Bildung freier W\u00e4rme abnehmen.\nDaraus ergiebt sich schliesslich, dass auch die Reibungen, welche in Folge der Muskelbewegung erscheinen, wie z. B. die der Gelenkfl\u00e4chen, der Sehnen in den Sehnenscheiden, des Blutes und der Gef\u00e4ss-wandungen aneinander u. s. w., urspr\u00fcnglich immer wieder demselben Material ihr w\u00e4rmebildendes Verm\u00f6gen verdanken. Denn die Muskelbewegungen, welche durch die eingeleitete Reibung W\u00e4rme erzeugten, konnten nur entstehen durch eine Aufwendung derjenigen Kr\u00e4fte, welche latent zwischen den sich umsetzenden Atomen enthalten waren; also ist auch die Reibungsw\u00e4rme nur durch einen Umweg aus der latenten W\u00e4rme des Eiweisses, Fettes, des Sauerstoffs u, s. w. hervorgegangen, indem die letztere sich zuerst in eine Bewegung des Muskels und diese wieder in eine solche der Knochen, des Blutes u. s. w. umsetzte, welche durch die w\u00e4rmeerzeugende Reibung zur Ruhe kam.\nDiese auf streng theoretischem Wege gewonnene Ueberzeugung vom Urspr\u00fcnge der thierischen W\u00e4rme hat man durch den Versuch noch zu befestigen versucht, oder wahrheitsgem\u00e4sser gesagt, Lavoisier und nach","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"Best\u00e4tigung durch den Versuch,\t4\u00df9\nihm Du long und Despretz haben die zu ihrer Zeit theoretisch nicht beweisbare Annahme, dass die thierische W\u00e4rme auf der Oxydation der organischen Thierstoffe beruhe, durch den direkten Versuch erweisen wollen. Dieses Unternehmen ist jedoch bis zum heutigen Tage noch nicht mit voller Sch\u00e4rfe zu Ende gef\u00fchrt.\nIm Prinzipe muss dasselbe darauf hinauslaufen, die Menge von W\u00e4rme, welche hervorgehen kann aus der Oxydation des Eiweisses, der Fette, des Zuckers zu C02, HO, Harnstoff u. s. w. zu vergleichen mit der W\u00e4rmemenge, welche das Thier liefert, w\u00e4hrend es eine bestimmte Menge von C02, HO, Harnstoff bildet.\n2. Um die erste dieser Forderungen m\u00f6glich zu machen, muss man die latente W\u00e4rme der bezeichneten Atome ermitteln; dieses geschieht, indem man die W\u00e4rmequantit\u00e4t misst, welche frei wird, wenn das Eiweiss, die Fette u. s. w. zu CO,, HO, Harnstoff u. s. w. verbrennen. Die Einheit, in welcher die erhaltene W\u00e4rme ausgedr\u00fcckt wird, ist bekanntlich das Fassungsverm\u00f6gen der Gewichtseinheit des Wassers f\u00fcr W\u00e4rme, oder diejenige Menge der letzteren, welche zu 1 Gr. Wasser gef\u00fchrt werden\nmuss, damit die Temperatur desselben um J 0 C. erh\u00f6ht werde.\n%\nDie bei der Verbrennung entwickelte W\u00e4rme f\u00e4ngt man dadurch auf, dass man den zu verbrennenden K\u00f6rper in einen rings von Wasser oder Quecksilber umgebenen Metallkasten einbringt, und dort die Verbrennung so geschehen l\u00e4sst, dass alle freigewordene W\u00e4rme auf die Fl\u00fcssigkeit \u00fcbertragen wird. Aus dem bekannten Gewichte des verbrannten K\u00f6rpers und dem des umgebenden Wassers und endlich aus der Temperaturzunahme dieses letzteren lasst sich ableiten, wie viel W\u00e4rmeeinheiten bei der Verbrennung der Gewichtseinheit eines beliebigen Stoffes frei werden. Ueber die zahlreichen Fehler, die diesem Verfahren anhaften k\u00f6nnen, und ihre Vermeidung, siehe die Abhandlungen von Favre und Silber mann.\nAus den Erfahrungen, welche die .Versuche \u00fcber Verbrennungsw\u00e4rme ergeben haben, hebt sich folgendes f\u00fcr denphysiolog. Zweck als wichtig hervor.\na. Die Zahl der W\u00e4rmeeinheiten, welche die Gewichtseinheit eines einzelnen oder einer Gruppe von Atomen beim Uebergange aus einer niederen in eine h\u00f6here Oxydationsstufe entwickelt, ist unabh\u00e4ngig von der Art und Zahl der Mittelstufen, welche zwischen den beiden Endgliedern gelegen sind. So giebt z. B. ein Gramm Stearins\u00e4ure, wenn sie mit Hilfe ctes gasf\u00f6rmigen Sauerstoffs zu C02 und HO verbrannt wird, immer dieselbe W\u00e4rmemenge, gleichgiltig ob die Verbrennung in einem Akte oder in der Art geschieht, dass sich noch mancherlei Zwischenprodukte (niedere Glieder der Fetts\u00e4urenreihe, CO u. s. w.) einschieben, bevor es zu einer vollst\u00e4ndigen Ueberf\u00fchrung in C02 und HO gekommen ist. Dieser empirisch aufgefundene Satz ist eine nothwendige Folgerung aus der mechanischen W\u00e4rmetheorie. Denn nach ihr war die messbare W\u00e4rme nichts anderes als die lebendige Kraft, welche frei werden konnte durch den Unterschied an Spannkr\u00e4ften im unverbrannten und verbrannten Atome. Dieser Unterschied ist aber nat\u00fcrlich nur","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nWovon h\u00e4ngt die Menge der W\u00e4rme ab,\nabh\u00e4ngig von der Natur des in die Verbrennung eingehenden und des aus ihr hervortretenden Atoms, unabh\u00e4ngig dagegen von den Mittelgliedern, welche zwischen der Anfangs- und Endstufe gelegen sein k\u00f6nnen. Es verh\u00e4lt sich hierbei Alles gerade so, wie mit der Arbeit, welche durch den freien Fall eines K\u00f6rpers geliefert werden kann. Dieselbe wird bekanntlich nur bestimmt durch die Fallh\u00f6he, nicht aber dadurch, ob der K\u00f6rper auf einmal oder in Abs\u00e4tzen aus der gegebenen H\u00f6he herunterf\u00e4llt. \u2014 b. Die Verbrennungsw\u00e4rme, welche einfache Atome oder Atomgruppen von einer und derselben chemischen Zusammensetzung liefern, ist abh\u00e4ngig von dem Zustande, in dem sie sich finden. So giebt u. A. ein Gramm Kohle in ihren verschiedenen allotropischen Modifikationen (Diamant, Graphit, Holzkohle) eine ungleiche Menge von W\u00e4rmeeinheiten; desgleichen geben gleiche Gewichte zweier Atomgruppen, welche in verschiedener Anordnung gleich viel Atome derselben Art enthalten (isomere und polymere Verbindungen) ganz ungleiche W\u00e4rmemengen. \u2014 c. Damit in einigem Zusammenh\u00e4nge steht die Erfahrung, dass die Verbrennungsw\u00e4rme eines Atoms im freien unverbundenen Zustande eine andere als im verbundenen Zustande ist; mit anderen Worten, die Summe der W\u00e4rmeeinheiten, welche bei der Verbrennung eines com-plizirten Atomes frei werden, k\u00f6nnen nicht abgeleitet werden aus der bekannten W\u00e4rmemenge, welche die in dem complizirten Atome enthaltenen Atome geben, wenn sie im freien Zustande verbrannt werden. Im Allgemeinen gilt jedoch die Regel, dass die mit anderen schon verbundenen Atome weniger W\u00e4rme ausgeben, als die freien. Dieser Satz best\u00e4tigt sich nicht allein, wenn in das complizirte Atom Sauerstoff eingetreten, sondern auch wenn die Verbindung frei von demselben, z. B. ein Kohlenwasserstoff, ist. Es haben sich also der Kohlen- und Wasserstoff bei ihrer Vereinigung schon verbrannt, indem sie bei derselben W\u00e4rme entwickelten. In einigen sehr seltenen F\u00e4llen (z. B. beim Schwefelkohlenstoff) ist jedoch -auch die Verbrennungsw\u00e4rme des complizirten Atoms gr\u00f6sser, als das aus ihren constituiren-den Elementen berechnete Resultat. \u2014 d. Bei der Oxydation durch gasf\u00f6rmigen Sauerstoff ist die Zahl der entwickelten W\u00e4rmeeinheiten geringer, als bei der Verbrennung durch Stickoxydul. \u2014 e. Die Zahl der W\u00e4rmeeinheiten, welche die Gewichtseinheiten der in den Speisen enthaltenen oder zum Aufbau des menschlichen K\u00f6rpers verwendeten organischen Atome ergeben, ist nur f\u00fcr die geringste Zahl derselben ermittelt. Durch Favre und Silbermann ist bekannt, dass 1 Gr. der folgenden Stoffe die verzeichneten W\u00e4rmeeinheiten giebt.\nStearins\u00e4ure (C36H3604)\t= 9700 W. E.\nMargarins\u00e4ure\t(C34H3404)\t=\t9560\t\u201e\nPalmitins\u00e4ure\t(C32H3204)\t=\t9420\t,,\nCapryls\u00e4ure\t(C16H1604)\t=\t7780\t\u201e\nCaprons\u00e4ure\t(C12H1204)\t=\t7000\t\u201e","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"welche bei der Verbrennung frei wird.\n471\nButters\u00e4ure\t(C8H804)\t= 5623 W. E.\nPropions\u00e4ure\t(C6H604)\t= 4670\t\u201e\nEssigs\u00e4ure\t(c4h4o4)\t= 3505\t\u201e\nAmeisens\u00e4ure\t(C2H204)\t= 1915\t\u201e\nAlkohol\t(L4He02)\t= 8958\t\u201e\nKohlenstoff\t(aus Holzkohle)\t= 8086 \u201e\nWasserstoff\t\t= 34462\t\u201e\nDiese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein l\u00fcckenhaft die Erfahrungen \u00fcber die latente W\u00e4rme der im thierischen K\u00f6rper verbrannten Stoffe sind. Man sieht sich darum gen\u00f6thigt, zu einer Hypothese seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe \u00fcber die W\u00e4rmequantit\u00e4t machen will, deren Verwendung dem thierischen K\u00f6rper zu Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den organischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C-und H atome geradeso viel W\u00e4rmeeinheiten auszugeben verm\u00f6chten, als w\u00e4ren sie im freien Zustande verbrannt, und f\u00fcgt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der 0, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden Hantheil der Verbindung zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach der obigen Voraussetzung die latente W\u00e4rme der Verbindung berechnet.\nNach dieser Hypothese w\u00fcrde nun z.B. 1 Gr. Stearins\u00e4ure 9905 W\u00e4rmeeinheiten geben, w\u00e4hrend er beobachtungsgem\u00e4ss nur 9700 liefert, das berechnete Resultat \u00fcbersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich mit den Kohlenhydraten. Wir w\u00e4hlen als Beispiel den Traubenzucker (C12H120J2). Da dieser eine gen\u00fcgende Menge von 0 enth\u00e4lt, um allen H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung nur der C in Betracht. Nun enth\u00e4lt 1 Gr. Zucker nach obiger Formel 0,4 Gr. C., diesem entsprechen aber 3234 W. E.; 1,0 Gr. Zucker giebt aber auch 0,51 Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568 W. E. liefern. Diese m\u00fcssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker, welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein. Bedenkt man aber noch, dass auch W\u00e4rme aus dem Zucker entwickelt wurde, als er 'bei der G\u00e4hrung unter C02 abscheidung in Alkohol \u00fcberging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzigen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor, dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungsw\u00e4rme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so h\u00e4tte man seine latente W\u00e4rme \u00fcbersch\u00e4tzt, w\u00e4hrend man bei einem anderen Thiere das Amylon und Fette im umgekehrten Verh\u00e4ltnisse verzehrt, die latente W\u00e4rme zu gering gefunden haben w\u00fcrde.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nBeobachtung der von einem Thiere\n3.\tDie zweite Forderung zur praktischen L\u00f6sung der Frage, ob die aus dem thierischen Verbrennungsprozesse disponibel werdende W\u00e4rme \u00fcbereinstimmt mit der vom Thiere wirklich gebildeten verlangt A g\u00e4be \u00fcber die w\u00e4hrend der Versuchszeit entwickelte W\u00e4rme und die in derselben umgesetzten Stoffgewielite, mit genauer Bezeichnung der in und aus den oxydirenden Prozessen tretenden Atomgruppen. Von diesen Bedingungen ist zu erf\u00fcllen die erstere ganz und die letztere mindestens theilweise.\nDie W\u00e4rme, welche die Thiere w\u00e4hrend der Versuchszeit entwickeln, kann durch ganz dasselbe Verfahren gemessen werden, welches zur Bestimmung der Verbrennungsw\u00e4rme eines beliebigen Atoms dient. Man sperrt das zu untersuchende Thier, dessen Temperatur zu Anfang und Ende des Versuches \u00fcbereinstimmen muss, in einen rings von Wasser umgebenen Metallkasten und bestimmte die Temperaturzunahme, welche das bekannte Gewicht des umgebenden Wassers w\u00e4hrend der Anwesenheit des Thieres im Kasten erfahren hat.\nDen qualitativen und quantitativen Gang der Stoffbewegung des dem Versuche unterworfenen Thieres erschliessen Dulong und Despretz aus der Menge des aufgenommenen Sauerstoffs und der ausgegebenen C02 ; nach den in der Respirationslehre entwickelten Grunds\u00e4tzen gen\u00fcgen bekanntlich diese Angaben, um daraus auch die Menge des verbrannten Kohlen-und Wasserstoffs zu finden. Vorausgesetzt, es sei die m\u00f6glichst g\u00fcnstige Annahme zugetroffen, dass w\u00e4hrend der Versuchszeit die ganze Menge von 0, welche in derselben aufgenommen wurde, auch zur Bildung von C02 und HO verwendet, und es sei auch die ganze Men'ge der gebildeten C02 wieder ausgeathmet worden, so w\u00fcrden die gelieferten Bedingungen immer noch nicht gen\u00fcgen, um daraus die Menge der W\u00e4rme zu bestimmen, welche w\u00e4hrend der Oxydation frei wurde. Dieses folgt unmittelbar aus den vorhin mitgetheilten Erfahrungen, dass die W\u00e4rmemenge, welche ein Atom H oder C bei seiner Umwandelung in C02 und HO liefert, sich richtet nach der Verbindung, aus welcher jene Elemente verbrannt wurden. Demgem\u00e4ss m\u00fcssten zu jenen Angaben des erw\u00e4hnten Versuches auch noch die der complizirten Stoffe kommen, aus welchen die \u20ac0, und das HO herausgebrannt wurden.\n4.\tAus dieser Besprechung der Methoden und der Voraussetzung der Rechnungen f\u00fcr die Versuche von Despretz und Dulong d\u00fcrfte der Schluss gezogen werden , dass die aus ihnen gewonnenen Resultate keinesfalls der Ausdruck der vollen Wahrheit sein k\u00f6nnen, namentlich l\u00e4sst sich Voraussagen, dass die Rechnung f\u00fcr die Thiere, welche \u00fcberwiegend Fette umgesetzt haben, zu hoch, und f\u00fcr die, welche vorzugsweise Amylaceen verzehrten (z. B. Kaninchen, Meerschweinchen) zu niedrig ausfalle. Als Werthe, welche sich jedoch entfernt der Wahrheit ann\u00e4hern, sind sie nicht ohne Interesse ; wir geben darum die Tafel von","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"bei bekannten Stoffuinsatz entwickelten W\u00e4rme*\n478\nDulong. Die unter der Rubrik W\u00e4rmeverh\u00e4ltniss aufgef\u00fchrten Zahlen sind ein Quotient aus der vom Thiere wirklich ausgegebenen .W\u00e4rmeeinheit in die aus der C02 ausscheidung und Overbrauch berechneten.\nZahl der Beobachtungen\nW\u00e4rmeverh\u00e4ltniss\nKatze . . 5 Hund . . 3 Meerschwein 3 Kaninchen .\t2\n0,902\n0,956\n0,865\n0,913\nAus der Thatsache, dass in keinem Falle die nach der Berechnung gebildete W\u00e4rme den wirklichen Verlust erreicht, schliessen wir, indem wir das Gesetz von der Erhaltung der Kraft als ein unumst\u00f6ssliches an-sehen, dass auch die Eiweissk\u00f6rper wie die Amylaceen bei ihrer Verbrennung mehr W\u00e4rme ausgehen, als sich aus ihr nach den aufgestellten Prinzipien berechnet.\nIn der obigen Tafel von Dulong sind statt der von ihm selbst angewendeten Lavoisier\u2019 sehen Zahlen f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rme des C und H die von Favre und Silbermann gefundenen (8086 und34462) benutzt. Die Beobachtungen vonDespretz lieferten ein ung\u00fcnstigeres Verh\u00e4ltniss zwischen dem hypothetischen W\u00e4rmegewinne und dem wirklichen Verluste ; dieses verwandelt sich allerdings ebenfalls in ein sehr g\u00fcnstiges, wenn man statt der von ihm benutzten Zahlen f\u00fcr die Verbrennnngsw\u00e4rme des C und H die Silbermann - Favre \u2019sehen substituirt. Dieses d\u00fcrfte aber wohl nicht erlaubt sein, weil Despretz die Verbrennungsw\u00e4rme der Thiere und der genannten Elemente nach derselben Methode bestimmt hat, so dass also der bei seinem Verfahren eingetretene Verlust in der einen und der anderen Bestimmung sich geltend macht. Die Beobachtungen vonDespretz sind aber darum nicht fehlerfrei, weil die Luft, in welcher seine Thiere athmeteu, zu Ende des Versuchs mehr C02 und weniger Sauerstoff enthielt, als zu Beginn desselben. Aiso mussten auch die Thiere nach den in der Athemlehre entwickelten Grunds\u00e4tzen zu Ende der Beobachtung reicher an COo sein, als zu Anfang derselben ; dieser Umstand bedingt aber einen Verlust an der beobachteten C02 und damit auch an der berechneten W\u00e4rme.\n5. Einen Beweis f\u00fcr die Entstehung der thierischen W\u00e4rme aus dem oxydirenden Stoffumsatz, hat man auch \u00f6fter zu liefern gesucht durch die Ergebnisse der Temperaturmessungen. Die steigende oder sinkende Temperatur des thierischen K\u00f6rpers w\u00fcrde jedoch nur dann zu einer Schlussfolgerung auf das Mehr oder Minder der W\u00e4rmeerzeugung berechtigen, werfn zugleich der Gang des W\u00e4rmeverlustes ermittelt worden w\u00e4re. Dieses ist aber entweder gar nicht oder sehr unvollkommen geschehen. Immerhin ist es jedoch bemerkenswerth, dass in den Tagesund Lebenszeiten, in welchen die relative Oxydationsgeschwindigkeit der K\u00f6rperbestandtheile abnimmt, auch die Temperatur sinkt und umgekehrt. Die Beispiele hierf\u00fcr sind schon p. 465. angef\u00fchrt.\nW\u00e4rmeverluste.\nDie W\u00e4rmeverluste entstehen 1) dadurch, dass die fl\u00fcssigen und festen Einnahmen (Speisen) des thierischen K\u00f6rpers k\u00e4lter sind, als seine fl\u00fcssigen und festen Ausgaben (Harn und Koth); die W\u00e4rme, die auf","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nW\u00e4rmeverluste.\ndie Gewichtseinheit dieser den Organismus durchlaufenden Massen \u00fcber tragen wird, ist abh\u00e4ngig von ihrer W\u00e4rmekapazit\u00e4t und dem Unterschiede ihrer Temperaturen bei Ein- und Austritten in den thierischen K\u00f6rper. Unter allen Umst\u00e4nden ist dieser W\u00e4rmeverlust nur ein geringer Antheil der Gesammteinbusse. \u2014 2) Durch Leitung und Strahlung von den freien Oberfl\u00e4chen des K\u00f6rpers, insbesondere von Lunge und Haut, gegen die umgebenden Medien. Wie viel W\u00e4rme hierdurch in der Zeiteinheit auf der Einheit der Oberfl\u00e4che verloren geht, ist bekanntlich abh\u00e4ngig von dem mittleren Temperaturunterschiede zwischen dem umgebenden Medium und dem Organismus, von der W\u00e4rmekapazit\u00e4t und Leitungsf\u00e4higkeit der Umgebung, oder wenn diese letztere Eigenschaft, wie bei der Luft, ganz fehlen sollte, von der Bewegung derselben. \u2014 F\u00fcr die Lunge lassen sich die n\u00f6thigen Angaben leicht gewinnen, weil sie eine constante Temperatur besitzt und mit ihr nur Luft in Ber\u00fchrung kommt, die immer auf einen nahebei gleichen um 36 bis 37\u00b0 C. schwankenden Temperaturgrad erw\u00e4rmt die Lunge verl\u00e4sst. Beispielsweise werden wir sogleich eine Rechnung ausf\u00fchren. \u2014 F\u00fcr die Haut sind dagegen die n\u00f6thigen Angaben nicht zu erbringen ; dieses ist ersichtlich, weil die Temperatur der Hautoberfl\u00e4che nach Zeit und Ort fortw\u00e4hrend ver\u00e4nderlich ist, eine Ver\u00e4nderung, welche eine complizirte Folge ihrer Blutf\u00fclle der Geschwindigkeit des Blutstroms, der Bluttemperatur, der W\u00e4rmezuleitung von den inneren Organen durch den panniculus adiposus hindurch, der W\u00e4rmeleitungsf\u00e4higkeit und der Dicke der Epidermis und des W\u00e4rmeverlustes auf der Oberfl\u00e4che ist; denn die Haut kommt nicht blos mit Luft, sondern auch mit Kleidern, Wasser u. s. w. in Ber\u00fchrung, und der Temperaturgrad, den die ber\u00fchrende Luft annimmt, \u00e4ndert sich mit ihrer Bewegung, welche selbst wieder aus vielen Gr\u00fcnden, die in der Luft und in der Art der Kleidung begr\u00fcndet sind, variirt. \u2014 3) Der thierische K\u00f6rper verliert ferner W\u00e4rme, weil er fortw\u00e4hrend Wasser verdunstet; der Verlust an W\u00e4rme, die in den Wasserdampf latent \u00fcbergeht, muss f\u00fcr die Zeit- und Fl\u00e4cheneinheit abh\u00e4ngig sein von der Temperatur der K\u00f6rperoberfl\u00e4che, ihrer Befeuchtung und der S\u00e4ttigung der Luft mit Feuchtigkeit, kurz, von allen den Umst\u00e4nden, welche wir bei der Verdunstung schon ausf\u00fchrlicher angegeben. Die in Frage kommenden Faktoren sind nun bekanntlich wiederum in der Lunge constan-ter als in der Haut, so dass es immerhin gelingt, den W\u00e4rmeverlust, den wir durch Verdunstung durch die Lunge erfahren, sicherer zu bestimmen, als den durch die Haut. \u2014 4) Die Lehre von der Erhaltung der Kr\u00e4fte dr\u00e4ngt uns endlich noch zu der Annahme, dass auch W\u00e4rme, gleichgiltig ob sie latent oder frei war, verloren gehe durch die Erzeugung derjenigen Muskelkr\u00e4fte, welche zu einer mechanischen Arbeit jenseits der Leibesgrenze verwendet werden. F\u00fcr gew\u00f6hnlich mag dieser Verlust allerdings nicht sehr hoch anzuschlagen sein, da das mechanische Aequivalent der","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichung der Einnahme und Ausgabe von W\u00e4rme.\t475\nW\u00e4rme eine sehr betr\u00e4chtliche Gr\u00f6sse besitzt, oder besser gesagt, da mit einem geringen Aufwande an W\u00e4rme sehr viel mechanische Arbeit zu leisten ist.\nDa die W\u00e4rme eine Bewegung ist, so muss sich auch angeben lassen, wie viel von irgend welcher anderen bewegenden Kraft, z. B. der Schwere, angewendet werden muss, um eine bestimmte Menge von W\u00e4rme zu erzeugen und umgekehrt. Nach den Messungen von Joule, Jacobi und Leguin ist \u00fcbereinstimmend festgestellt, dass 430 Metergramme, d. h. eine Kraft, welche 430 Gramme auf 1 Meter zu erheben vermag, aequivalent sind einer W\u00e4rmeeinheit, d. h. der W\u00e4rme, welche noting ist, um 1 Gr. Wasser von 0\u00b0 auf 1\u00b0 zu erw\u00e4rmen.\nVergleichung der t\u00e4glichen Gesammteinn\u00e4hme und Ausgabe an W\u00e4rme.\nWir stellen dieselbe nach Barrai*) an, welcher sich auf eine, wie es scheint, umsichtig gef\u00fchrte Versuchsreihe st\u00fctzt; seine Rechnungen d\u00fcrften darum, trotzdem dass sie zum Theil auf unrichtigen Annahmen ruhen, doch zu einer angen\u00e4hert richtigen Vorstellung f\u00fchren. Zudem herrscht eine gewisse Uebereinstimmung zwischen seinen und den Resultaten einer Rechnung, welche Helmholtz**), von durchaus anderen Voraussetzungen ausgehend, anstellte.\nBarrai unternahm an 4 Individuen, einem Manne von 59 und von 29 Jahren, einer Frau von 32 und einem Kinde von 6 Jahren, 5 Versuche, von denen je einer einen Zeitraum von 5 Tagen umspannte. In dieser Zeit bestimmte er Gewicht und Zusammensetzung der Speisen, des Harnes und Kothes; da das K\u00f6rpergewicht unver\u00e4ndert blieb oder wenigstens als solches angenommen werden darf, denn er liess die Leute bei ihrer gew\u00f6hnlichen Lebensweise und Nahrung, so gab der Gewichtsunterschied zwischen der Nahrung und dem aus After und Blase entleerten Massen den Verlust durch Haut und Lungen. Da auch die Zusammensetzung der Nahrung, des Harnes und Kothes bekannt war, so liess sich auch die des Haut- und Lungendunstes finden. Ber\u00fccksichtigt man das 24st\u00fcndige Mittel in Einnahme und Ausgabe f\u00fcr Wasser und organische Bestandtheile, so hat man :\n*) Statique chimique des animaux. Paris 1850. p. 245 u. f.\n**) 1. e. p. 562.\t\u00bb","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"501,9\t140,2\t21,4\t3,0\tj\t121,8\n136,3\t290,8\t42,9\t9,0\t245,8\n599,2\tI\t274,0\ti\t41,7\t11,0\t203,4\n476\nW\u00e4rmeabrechnung nach Barrai\n^ s S\nQO\no\nQO\nO\no\n'-s\n&\n3\n\u00bb\no\nCT*\nP\n2. p* \u00e4\nCD\nB\nP\tN\nCfQ\t\u00caC\nCD\t\u00a3\nP\nP\nC\u00df\nm\nCD\nbC\n4^\nfc>2\ns*\nCO\nww\nCO\nc^\nvj\nCO\nQO\nVJ\u00bb\nc*\nK\nO 4^\nV\u00bb\tv*\n^ co\n\u00ab\nH\nCP \u00bb\u2014\u2022\n--D\n^ bO\nQC QO\nV\u00bb\tVJ\n05 QO\ns o\nC3 |ji. C3 \u00dc1\nO \u00ceO O rfi\u00bb ri\nQO CO OO\n^ M C CC\nCO 00 tO fcO CO\n00\t00 fco H-\u00bb\t05\n\u00bb-*\t00\t05\nCO CO oo\nLvS C5\noo to O OO CO\nCO CO \u20144\nOt CO cn\nCO 05 O\n05 OO 05\t^ o\nH\nSD\ner\n2-\net\"","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"W\u00e4rmeabrechnung nach Barrai.\n477\nAus den Angaben der Tabelle II. berechnet sich nun: 1) Der w\u00e4rmende Wasserstoff; darunter versteht man aber nach der fr\u00fcheren Verabredung den Theil des aus den Speisen verbrannten H, welcher zu seiner Verbrennung den eingeathmeten 0 benutzt, nicht aber denjenigen, welcher schon im festen Zustande in den Speisen enthalten war. Er wird aus den Zahlen der Tabelle II. abgeleitet, indem man berechnet, wie viel H n\u00f6thig ist, um den in der letzten Colonne aufgef\u00fchrten 0 in HO umzuwandeln; zieht man diesen berechneten Werth ab von dem in der Tabelle aufgef\u00fchrten H, so bildet der Rest den w\u00e4rmenden, d. h. denjenigen, welcher bei der W\u00e4rmeberechn\u00fcng in Anschlag gebracht wird. \u2014 2) Das neu gebildete Wasser, und zwar dadurch, dass man den H der vorliegenden Tabelle auf Wasser berechnet. \u2014 3) Addirt man dieses Wasser zu dem der zweiten Colonne, so erh\u00e4lt man das Gesammtgewicht des verdunsteten Wassers. \u2014 Das Gewicht der verdunsteten C02 wird nach bekannten Regeln ebenfalls aus dem Vorstehenden abgeleitet. \u2014 5) Macht man endlich die Voraussetzung, dass die Ausathmungslnft im Mittel 4 pCt. C02 enthalten habe, so findet sich aus unseren Daten auch noch das Gewicht der Ausathmungsluft. Alle diese berechneten Werthe sind in Tab. III. zusammengestellt. Die Zahlen bedeuten Gramme.\nTabelle III.\n1 Ordnungs-Nr. des Versuches !\tW\u00e4rmender Wasserstoff\ti Neugebildetes ! Wasser\tGesammtgewicht des verdunsteten Wassers\tGewicht der verdunsteten co.-> \u00c4 1 |\tGewicht der Ausathmungsluft\nI.\t20,8\t467,0\t1287,8\t1230,9\t30772,5\nII.\t16,4\t348,5\t1158,0\t888,4\t22210,0\nIII.\t6,2\t192,8\t694,7\t514,0\t10350,0\nIV. ?\t12,2\t386,3\t522,6\t1088,3\t27207,5\nV.\t16,3\t366,5\t965,7\t1006,9\t25140,0\nDamit ist nun die weitere M\u00f6glichkeit er\u00f6ffnet, um zu berechnen: 1) Die Zahl der den Tag \u00fcber gebildeten W\u00e4rmeeinheiten unter der Voraussetzung, dass der w\u00e4rmende H und der C bei ihrer Verbrennung ebensoviel W. E. entwickelt haben, wie bei ihrer Verbrennung im freien Zustande. Wir legen hierbei die Zahlen von Favre und Silbermann nemlich f\u00fcr 1 Gr. C = 8086 W. E. und f\u00fcr 1 Gr. H = 34462 W. E. zu Grunde. Dieser Voraussetzung d\u00fcrfte weniger W\u00e4rme entsprechen, als in der That ausgegeben wurde, da die feste Nahrung in den beobachteten F\u00e4llen vorzugsweise aus Rrod, Zucker und Gem\u00fcse, also aus Kohlenhydraten, bestand, welche, wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt, in der That eine h\u00f6here W\u00e4rme entwickeln, als nach unserer jetzigen Rerechnungsgrundlage aus ihnen gefunden wird. \u2014 2) Der W\u00e4rmeverlust durph Verdunstung des Wassers; indem man die W\u00e4rme des den K\u00f6rper verlassenden Wasserdunstes auf 37\u00b0 setzt und ihn im Maximum der Tension befindlich annimmt. \u2014 3) Den W\u00e4rmeverlust durch die Erw\u00e4rmung der Ath-mungsluft; die spezifische W\u00e4rme der Ausathmungsluft ist gleich der der","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nW\u00e4rmeberechnung nach Barrai.\natmosph\u00e4rischen mit de la Roche und Berard auf 0,267 gesetzt. \u2014 4) Die W\u00e4rme, welche an die eingenommenen Nahrungsmittel abgegeben wurde, deren mittlere Temperatur vor der Aufnahme auf 15\u00b0 angenommen wird. \u2014 5) Die W\u00e4rme, welche mit der fl\u00fcssigen und festen Ausleerung entfernt wurde; die spezifische W\u00e4rme beider ist dem Wasser gleich gesetzt. \u2014 6) Endlich die W\u00e4rme, welche durch Strahlung, Leitung und Umsetzung in Arbeit verloren ging.\n\tW\u00e4rme- Gewinn\tW\u00e4rme - Verlust. \u2022\t\t\t\t\n\t\tDurch Wasser- verdunstung\tDurch Erw\u00e4rmung der Athmun gsluft\tDurch Erw\u00e4rmung der Nahrungsm.\tDurch die fl\u00fcss. u. leste Entleerung\tDurch Strahlung, Leitung und Arbeit\nI.\t3 677 820\t789421\t308 438\t60610\t52 697\t2 566654\n11.\t2 706 076\t699 801\t100811\t52 492\t33 020\t1819 952\nIII.\t1461334\t425 851\t90 558\t30716\t26 288\t887 921\nIV.\t3103 536\t320 354\t222 868\t59 620\t66103\t2434591\nV.\t2928831\t612103\t132 570\t51471\t33 556\t1999131\nEine einfache Uebersicht \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der W\u00e4rmegewinne giebt folgende Zusammenstellung, in welcher die Zahl der in 24 Stunden gewonnenen W\u00e4rmeeinheiten auf die Einheit des K\u00f6rpergewichtes (aufl Gr.) reduzirt ist.\nOrdnungsnummer des W. E. f\u00fcr 1 Gr. K\u00f6rpergewicht Versuches\tw\u00e4hrend 24 Stunden entwickelt\nI.\t77,4\nII.\t65,9\nIII.\t97,4\nIV.\t52,9\nV.\t47,9\nDiese Zusammenstellung ergiebt, dass der Mann in mittleren Jahren im Sommer weniger W\u00e4rme erzeugt, als im Winter; das Kind relativ mehr, die erwachsene Frau weniger, als alle \u00fcbrigen Individuen.\nUm die Betheiligung der einzelnen Prozesse an dem gesammten W\u00e4rmeverbrauch zu \u00fcbersehen, ist letzterer in der n\u00e4chsten Tabelle in Prozenten der Gesammtw\u00e4rme berechnet.\nOrdnungsnummer des\t\tV e r\tlust.\t\n\tDurch Wasserverdunstung\tDurch die Athmungsluft\tDurch die\tDurch Strahlung,\nVersuches\t\t\tfl\u00fcssige und feste Entleerung\tLeitung v. d.Haut u.mechan. Arbeit\nI.\t21,46 pCt.\t8,39 pCt.\t1,43 pCt.\t67,07 pCt.\nII.\t25,85\t\u201e\t3,72\t\u201e\t1,22 \u201e\t67,22\t\u201e\nIII.\t29,14 \u201e\t6,19\t\u201e\t1,80 \u201e\t60,77\t\u201e\nIV.\t10,32 \u201e\t7,18 \u201e\t2,13\t\u201e\t78,45 \u201e\nV.\t20,90\t\u201e\t2,53\t,,\t1,14 \u201e\t71,67\t\u201e\nAus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass weitaus die gr\u00f6sste Einbusse d\u00fcrch Strahlung und Leitung und durch Erzeugung mechanischer Arbeit","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"W\u00e4rmebildung in den einzelnen Organen.\n479\nzu Stande kommt; eine einfache Ueberlegung weist dann aber darauf hin, dass von den in der letzten Reihe zusammengefassten Funktionen die mechanische Leistung die geringste Menge von W. E, verzehrt. \u2014 Denn nehmen wir z. B. an, der Mann I., welcher im Mittel t\u00e4glich 3191948 gewinnt, habe einen Berg von 2000 Metres H\u00f6he err stiegen, d. h. er habe sein K\u00f6rpergewicht von 47 500 Gr. aul diese H\u00f6he gehoben, so w\u00fcrde er (d. mechan. Aequivalent zu 430 Metresgramme genommen) dazu nur 220930 W\u00e4rmeeinheiten, d. h. etwa 7 pCt. seiner gesammten W\u00e4rmemenge, verbraucht haben.\nBildung und Verbrauch von W\u00e4rme in den einzelnen 0 rganen.\nZun\u00e4chst liegt es nun ob anzugeben, in welchem Maasse sich die einzelnen Organe und Gewebe an dem Gewinne und Verluste der W\u00e4rme betheiligen, da es aus dem uns bekannten chemischen Leben derselben offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in gleicher Weise thun.\nUm den Werth feststellen zu k\u00f6nnen, mit dem ein jeder Bestandteil unseres Leibes in jenen verbreiteten Prozess eingreift, wird nichts mehr und weniger gen\u00fcgen, als die Kenntniss von der Art und dem Umfange des Stoffumsatzes und des W\u00e4rmeverlustes durch Leitung und Strahlung an allen Orten, oder aber, vorausgesetzt, es hielte sich die Temperatur in den betreffenden Organen constant, der W\u00e4rmekapazit\u00e4t und der Temperaturunterschiede der zu- und abfliessenden tropfbaren Fl\u00fcssigkeiten und der Verluste durch Strahlung, oder aber es w\u00e4re die Temperatur variabel, auch noch die Kenntniss n\u00f6thig der W\u00e4rmekapazit\u00e4t des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung.\nln der That wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu den vorzugsweise w\u00e4rmesammelnden Gebilden z\u00e4hlen wir:\na.\tDie Muskeln im ruhenden und im verk\u00fcrzten Zustande. Denn diese Organe verlieren durch Strahlung keine W\u00e4rme, w\u00e4hrend sie (mit Hilfe von aufgeschwemmtem 0) C02 entwickeln, und dieses letztere in gesteigertem Maassstabe, wenn sie sich in verk\u00fcrztem Zustande befinden. Hiermit im Einkl\u00e4nge finden Becquerel und Brechet durch die thermoelektrische Messung, dass der zusammengezogene Muskel um 0,5\u00b0 bis 1,0\u00b0 w\u00e4rmer als' der verl\u00e4ngerte ist.\nb.\tDie Baucheingeweide. In ihnen ereignen sich weitverbreitete w\u00e4rmeerzeugende Vorg\u00e4nge, so u. A. die h\u00e4ufigen Zusammenziehungen der Darmmuskeln, die G\u00e4hrungen im Darmrohre, die Bildung von Harns\u00e4ure in der Milz u. s. w., gegen deren erw\u00e4rmende Macht die Abk\u00fchlung durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Betracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung best\u00e4tigt die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens, welche immer noch h\u00f6her ist, als die des Arterienblutes, trotzdem dass sich in jener Vene","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nW\u00e4rmeverlust in den einzelnen Organen.\nneben dem aus den Baucheingeweiden stammenden auch noch das aus den k\u00e4lteren unteren Extremit\u00e4ten zur\u00fcckkehrende Venenblut sammelt.\nc. Die Organe, welche vorzugsweise aus Bindegewebe, Fett, Knorpel und Knochen bestehen, sind r\u00fccksichtlich ihrer F\u00e4higkeit, W\u00e4rme zu erzeugen, noch wenig untersucht; so viel scheint nur gewiss, dass ihnen dieselbe nicht abgesprochen werden kann, da das in sie dringende arterielle Blut ven\u00f6s aus ihnen zur\u00fcckkommt, zum Zeichen, dass dasselbe dort Kohlens\u00e4ure empfangen hat, und da in einzelnen derselben, wie z. B. in der Lungensubstanz, Harns\u00e4ure gefunden wordep ist. \u2014 Ungewiss ist es endlich, ob das Blut, welches gegen eine vielfache Ber\u00fchrung mit den Organen gesch\u00fctzt ist, Umsetzungen erf\u00e4hrt, die W\u00e4rmeentwickelung zur Folge haben. Von den Thatsachen, welche man bis dahin f\u00fcr das Bestehen einer W\u00e4rmebildung in ihm anf\u00fchrte, bestand eine darin, dass das aus den Lungen zur\u00fcckkommende Blut durch die Abk\u00fchlung, welche es dort erfahren musste, h\u00f6her temperirt sein sollte, als das eindringende. Diese Thatsache ist aber durch die oben erw\u00e4hnten Beobachtungen von Bischoff, G. Liebig, Bernard u. \u00c0. widerlegt worden. Somit bleibt nur noch eine andere, wonach das mit 0 gesch\u00fcttelte Blut sich erw\u00e4rmen soll (Davy).\nZu den k\u00fchlenden Apparaten z\u00e4hlen vor allen Haut und Lunge.\na. Haut. Die W\u00e4rmemenge, welche dieses Organ ausstrahlt und ableitet, ist unter der Annahme, dass dasselbe in unbekleidetem Zustande in Betracht gezogen und alles \u00fcbrige gleichgesetzt wird, aus einleuchtenden Gr\u00fcnden abh\u00e4ngig: 1) Von der Dicke der schlecht leitenden Epidermis und des Haarbeleges; der W\u00e4rmeverlust ist darum, alles andere gleichgesetzt, an den Fuss-sohlen, den Handtellern, der Kopfschwarte geringer, als von den Lippen, Ohren, Augenliedern u.s.wr. \u2014 2) Von der F\u00fclle des Gef\u00e4sssystems, welches bekanntlich wechselt mit dem Blutdruck und der Widerstandsf\u00e4higkeit der Wandung, und, insofern diese bedingt wird durch die kleinen Muskeln des Hautgewebes und der Gef\u00e4sswandung, auch von dem Grade der Zusammenziehung, in dem diese begriffen sind. \u2014 3) Von der Gestalt der Unterlage, \u00fcber welche die Haut gespannt ist. Auf der Fl\u00e4cheneinheit d\u00fcnner, spitzer K\u00f6rpertheile, wie z. B. der Ohrmuschel, der Nase, den Fingern und \u00fcberhaupt den Extremit\u00e4ten wird der Verlust gr\u00f6sser sein, als auf der eines Rumpfst\u00fcckes, und zwar darum, weil die Strahlung aus Spitzen \u00fcberhaupt lebhafter vor sich geht, als aus ebenen Fl\u00e4chen. \u2014 4) Die Vorg\u00e4nge der Verdunstung entziehen aber, wenn alles \u00fcbrige gleich, der Haut um so mehr W\u00e4rme, je feuchter ihre Oberfl\u00e4che ist. Aus diesem Grunde wird namentlich eine Haut, deren Schweissdr\u00fcsen in Th\u00e4-tigkeit sind, und die sich in Folge dessen mit Fl\u00fcssigkeit bedeckt, in das Maximum des W\u00e4rmeverlustes durch Verdunstung eintreten. \u2014 Der\n\u00ab\n%","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"Abk\u00fchlung durch Haut und Lunge.\n481\nthats\u00e4chliche Ausdruck dieser Voraussichten liegt nun darin, dass das Blut der Hautvenen die niedrigste Temperatur unter allen Blutarten zeigt, dass die thermoelektrische Untersuchung das Unterhautbindegewebe k\u00e4lter findet, als dasjenige tiefer liegender Organe, und endlich darin, dass unter den verschiedenen Ausgaben, welche sich in die W\u00e4rmeeinnahme des* K\u00f6rpers theilen, die durch die Haut immer die gr\u00f6sste ist. \u2014 Bei dem grossen Werthe, welchen der W\u00e4rmeverlust hier erreicht, ist es nun unm\u00f6glich zu sagen, ob und wie viel W\u00e4rme in der Haut selbst erzeugt wird.\nb. Die Abk\u00fchlung durch die Lunge nimmt mit der Zahl und dem Umfange der Athemz\u00fcge und mit der Geschwindigkeit des Blutstromes zu. Da man ungef\u00e4hr die Luftmengen kennt, welche den Tag \u00fcber in den Lungen wechseln, und zugleich ihren Feuchtigkeitsgehalt und Temperaturgrad beim Ein- und Austritte aus den Lungen, so ist eine angen\u00e4herte Berechnung des t\u00e4glichen W\u00e4rmeverlustes m\u00f6glich.\nWir legen, indem wir sie anstellen, die Barrai\u2019sehen Beobachtungen und folgende Unterstellungen zu Grunde : Aus den Angaben des absoluten Gewichtes der Aus-athmungsluft l\u00e4sst sich berechnen, wie viel Wasser sie enthalten habe, vorausgesetzt, dass sie auf 37\u00b0 C. erw\u00e4rmt una mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt gewesen sei. Zieht man von diesem das Gericht des Wassers ab, welches man erh\u00e4lt, wenn man annimmt, dass die eingeathmete Luft auf 15\u00b0 erw\u00e4rmt gewesen und etwa die H\u00e4lfte (z. B. 60 pCt.) des Wasserdampfes enthalten habe, den sie bei dieser Temperatur fassen konnte, so erh\u00e4lt man das in der Lunge wirklich verdunstete Wasser. Diese Mengen betragen f\u00fcr die Beobachtungen I. und IL, die einzigen, welche wir betrachten werden :\nln der Lunge verdunstetes Zur Verdunstung\" nothw. Zur Erw\u00e4rmung der Ath- Summe der ver-Wasser\tW\u00e4rmeeinheiten mungsluft verbrauchte W. E. brauchten W. E.\nh 950,5 Gr.\t609 590\t308 438\t918 928\nII. 596,0 Gr.\t382 240\t100 811\t483 051\nDiese Beobachtungen k\u00f6nnen nun dazu benutzt werden, um zu ermitteln, um wie viel das Blut abgek\u00fchlt werden musste, welches durch die Lunge str\u00f6mt. \u2014 Nehmen wir nemlich mit Volk mann*) an, ein jeder Herzschlag entleere 0,0025 des K\u00f6rpergewichtes Blut, und geben wir Barrai die mittlere Pulszahl in der Minute, 70 Schl\u00e4ge, so w\u00fcrden in 24 Stunden 11 970 000 Gr. Blut durch die Lunge str\u00f6men. \u2014 Vertheilte man den W\u00e4rmeverlust auf diese Blutmenge, so w\u00fcrde in Beobachtung I. das arterielle Blut um 0,07\u00b0 C. und in Beobachtung II. um 0,04\u00b0 C. k\u00e4lter sein, als das ven\u00f6se. \u2014 Wir folgern begreiflich aus dieser Uebereinstimmung mit den von Bise ho ff und G. Liebig f\u00fcr die Temperatur des ven\u00f6sen und arteriellen Herzblutes gefundenen Zahlen weder, dass die Unterlagen unserer Rechnung tadelfrei sind, und noch weniger, dass in den Lungen durchaus keine W\u00e4rme gebildet werde. Jedenfalls ist sie aber geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn wenn sich die Beobachtungen noch mehr, als es bisher geschehen, zusch\u00e4rfen sollten, so w\u00fcrde es m\u00f6glich sein, die alte Controverse zum Abschluss zu bringen, ob in der Lunge eine wesentliche W\u00e4rmequelle zu suchen sei. Sie lehrt aber jetzt\nN.\nschon, dass die Angaben von J. Davy, Becquerel-Brechet u. A. \u00fcber die Temperaturzunahme des Blutes bei seinem Wege durch die Lunge auf fehlerhaften Beobachtungen beruhen m\u00fcssen.\n*) Haemodynamik. p. 208. Ludwig, Physiologie. II.\n31","page":481},{"file":"p0482.txt","language":"de","ocr_de":"482\nAusgleichung der W\u00e4rme verschiedener Leibestheile.\n-8\nbt.\nT\nAusgleichung der Temperatur zwischen verschiedenen Organen.\nDa die abkilhlenden und erw\u00e4rmenden Ursachen mit einer so un-|-n gleichen Kraft in den verschiedenen K\u00f6rperteilen wirksam sind, und #ihre Temperatur trotz der schlechten W\u00e4rmeleitungsf\u00e4higkeit der Thier Stoffe dennoch so geringe Unterschiede bietet, so m\u00fcssen offenbar Einrichtungen gegeben sein, welche diese Unterschiede fortw\u00e4hrend ausglei-j-i chen. Diese liegen nun in der That klar genug vor in der Bewegung;\u00bb! und Mischung der tierischen S\u00e4fte und insbesondere des Blutes.\nAls Gr\u00fcnde, die hierf\u00fcr sprechen, sind anzuf\u00fchren 1) die Mischung desk erw\u00e4rmten und abgek\u00fchlten Blutes im Herzen und somit die gleichm\u00e4ssigefe Verteilung des Blutes von mittlerer Temperatur in die verschiedenemjn Organe. \u2014 2) Die Beobachtungen, dass in allen der Abk\u00fchlung unterworfenen Theilen, und namentlich der Haut, die Temperatur sich um sojio mehr der des Herzblutes n\u00e4hert, je rascher und je breiter der Blutstrom in ist, der durch diesen Theil kreist, w\u00e4hrend er sich um so weiter von in derselben entfernt, je geringer der Querschnitt oder die Schnelligkeitp des Stromes ausf\u00e4llt. \u2014 Diese letzte Thatsache, die unz\u00e4hlige Male in Glied- | maassen beobachtet wird, in denen eine ver\u00e4nderte Blutstr\u00f6mung stattfindet, sei es eine Stockung in Folge von Arterien- oder Venenunterbindung, sei es eine Beschleunigung nach einer Erweiterung der zuf\u00fchrenden Ge-f\u00e4sse, ist durch eine ausgezeichnete Beihe von Beobachtungen, welche Cl. Bernard*) ausgef\u00fchrt hat, in das hellste Licht gesetzt. Wir haben schon wiederholt erw\u00e4hnt, dass, wenn er am Halse den Sympathicus durchschnitt, sich alle Gef\u00e4sse der entsprechenden Kopfh\u00e4lfte erweiterten, und das sie, wenn er das peripherische Schnittende mit einem galvanisehen Induktionsapparat erregte, sich wieder verengerten. Nach der einfachen Durchschneidung steigerte sich nun auch die Temperatur in der Gesichtshaut dieser Seite, w\u00e4hrend die der entgegengesetzten um einen gr\u00f6sseren oder kleineren Werth abnahm, und umgekehrt erniedrigte die Temperatur sich auf der verletzten Seite, wenn er die erregenden Poldr\u00e4hte an den peripherischen Stumpf des durchschnittenen Nerven anlegte. \u2014 Die W\u00e4rmeerh\u00f6hung, welche nach der Durchschneidung des Sympathicus auf-tritt, wird man aber um so eher aus dem oben ber\u00fchrten Gesichtspunkte und nicht aus einer Neubildung von W\u00e4rme erkl\u00e4ren, weil die Temperatur niemals diejenige \u00fcbersteigt, welche gleichzeitig im Herzen gefunden wird, und auch noch darum, weil, wie Bernard beobachtete, das aus den Venen zur\u00fcckkehrende Blut dem arteriellen, namentlich in Beziehung auf F\u00e4rbung, sehr \u00e4hnlich ist, sich also wegen des raschen Durchganges nicht mit den gew\u00f6hnlichen Oxydationsprodukten der Bindegewebssub-stanz \u00fcberladen hat.\n*) Recherches experimentales sur le grand sympathique etc. Paris 1854. \u2014 Gazette medicale. 1854. Nr. 1. 2. 3.","page":482},{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"Mittel zur Erhaltung der Norm\u00e4lfcenaperattfr.\nBernard weicht allzu vorsichtig noch einer Erkl\u00e4rung der von ihm gefundeneir Thatsachen aus ; gegen die eben mitgetheilte \u00e4ussert er sich sogar ung\u00fcnstig, weil er gefunden, dass in der Ohrmuschel auf der verletzten Seite immer noch eine, wenn auch nicht mehr sehr bedeutende, W\u00e4rmesteigerung eintrat, nachdem er mehrere der aus ihr zur\u00fcckkehrenden Venen, oder die zuf\u00fcbrenden Arterien unterbunden, d. h. die Geschwindigkeit und die Ausbreitung des Blutstromes in dem Obre gemindert hatte. \u2014 Die Ueberzeugung von der Richtigkeit unserer Erkl\u00e4rung d\u00fcrfte aber erst dann ersch\u00fcttert werden, wenn durch direkte Beobachtung erwiesen w\u00fcrde, dass die Blutstr\u00f6mung im Ohre nach den Gefassunterbindungen und der Nervendurchschneidung nicht rascher als vor diesen Operationen war. So lange dieses nicht geschehen, muss es bei der ausserordentlichen Uebereinstimmung aller \u00fcbrigen Umst\u00e4nde mit unserer Annahme als erlaubt angesehen werden, den Einfluss der genannten Unterbindungen auf den Blutstrom in dem Ohre nicht zu hoch anzuschlagen.\nMittel zur Erhaltung des normalen W\u00e4rmegrades.\nDas Verh\u00e4ltniss zwischen Aus- und Einfuhr von W\u00e4rme, wie es aus-gedr\u00fcckt wird durch den Temperaturgrad des thierischen K\u00f6rpers, bleibt, wie wir sahen, in vei h\u00e4ltnissm\u00e4ssig engen Grenzen eingeschlossen ; es muss also auch der Gewinn der W\u00e4rme mit dem Verluste derselben steigen und fallen. Die organischen Bedingungen, welche diese Beziehungen herstellen, sind zum Theil wenigstens bekannt, der Mechanismus dieses Zusammenhanges ist dagegen noch nicht aufgedeckt. \u2014 Eine der wesentlichsten Beziehungen, welche wir gesondert betrachten, ist gegeben durch die Temperaturempfindung, welche je nach den Einwirkungen der K\u00e4lte oder Hitze einen W\u00e4rmehunger und W\u00e4rmeekel erzeugt; in der nat\u00fcrlichen Folge davon begeben wir uns, wo irgend m\u00f6glich, in Verh\u00e4ltnisse, welche die unangenehmen Empfindungen beseitigen; wir w\u00e4hlen hierzu gew\u00f6hnlich solche, welche ohne Zuthun irgend welcher inneren Ver\u00e4nderungen die gew\u00fcnschte K\u00f6rpertemperatur herbeif\u00fcbren, indem wir die W\u00e4rmeleitungsf\u00e4higkeit der Kleidung reguliren, warme oder kalte Speisen geniessen u. s. f. \u2014 Neben diesen willk\u00fchrlichen Mitteln zur Herstellung des Gleichgewichtes zwischen den Ein- und Ausgaben von W\u00e4rme, giebt es noch eine Zahl von solchen, die durch unsere Seelenzust\u00e4nde nicht so unmittelbar bestimmt werden. Sie wirken in allen Individuen, aber in den verschiedenen unzweifelhaft mit einer auffallend verschiedenen M\u00e4chtigkeit; ausser besonderen, durch die Geburt gegebenen Anlagen, wirkt auf diesen letzteren Umstand namentlich der Gebrauch der willk\u00fchrlichen Ausgleichungsmittel ein, ein Einfluss, der gemeinhin als Abh\u00e4rtung oder Verw\u00f6hnung bezeichnet wird.\n1. Wenn die W\u00e4rme vermehrt oder vermindert wird in Folge der gesteigerten oder verringerten chemischen Umsetzung im Thierleibe, so muss die Th\u00e4tigkeit, den w\u00e4rmeausgebenden Organen entsprechend, sich \u00e4ndern. \u2014 Vermehrt sich die W\u00e4rmeeinnahme und n\u00e4hert sich damit die K\u00f6rpertemperatur ihrem Maximum, so geschieht es, dass a) die Capillaren in der Oberfl\u00e4che der Cutis sich erweitern; der raschere und ausgedehntere Blutstrom, der durch sie kreist, bringt die\n31*","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"Mittel zur Erhaltung der Normalw\u00e4rme.\nK\t\u2022\t*\nHaut auf eine h\u00f6here Temperatur, und damit wird der Verlust durch Leitung und Strahlung, welcher dem Temperaturunterschied zwischen dem thierischen K\u00f6rper und dem umgebenden Medium proportional geht, erh\u00f6ht. \u2014 Meist tritt zugleich eine Schweissbildung ein, und damit wird eine gesteigerte Verdunstung eingeleitet, welche betr\u00e4chtlich abk\u00fchlend wirkt. Diese Schweissbildung tritt aber wegen besonderer, noch unbekannter Einrichtung nicht an jeder Dr\u00fcse mit gleicher Lebhaftigkeit hervor, und zugleich ist auch die Summe des ergossenen Wassers nicht auf allen Hautfl\u00e4chen gleich gross, da die ZahL der Schweissdr\u00fcsen in ihnen variirt. \u2014 Wenn wir nun auch gar keine Vorstellung davon haben, warum mit der gesteigerten Eigenw\u00e4rme sich die Gef\u00e4sse erweitern und die Schweissdr\u00fcsen absondern, so ist doch der Vortheil, den beide Apparate in ihrer Vereinigung zu leisten verm\u00f6gen, einleuchtend genug. Denn offenbar w\u00fcrde die Ausbreitung und Beschleunigung des Blutstromes in der Haut wenig abk\u00fchlen, wenn, wie im Sommer und den Tropen, die Temperatur der Atmosph\u00e4re sich derjenigen des thierischen K\u00f6rpers ann\u00e4hert oder sie gar \u00fcbertrifft. \u2014 c) Es mehrt sich endlich mit dem gesteigerten Stoffumsatze auch die Zahl und die Tiefe der Athembewegun-gen, und damit auch die Abk\u00fchlung durch Leitung und Verdunstung von der Lungenoberfl\u00e4che aus. Wir d\u00fcrfen als Ursache hiervon wohl die Anh\u00e4ufung der C02 im Blute oder in den Lungenbl\u00e4schen bezeichnen, welche durch reflektorische oder direkte Erregung vom verl\u00e4ngerten Marke aus die Bewegungen ausl\u00f6st.\n2. Der verminderten W\u00e4rmeeinnahme folgt jedesmal eine Zusammenziehung der kleinen Muskeln in dem Gewebe und den Blutgef\u00e4ssen der Haut, wodurch sich das Bett des Blutstromes in dieser verengert; die Haut wird also trockener, und zugleich sinkt ihre Temperatur und damit auch der Verlust durch Verdunstung und Strahlung. Unterst\u00fctzend f\u00fcr die Zur\u00fcckhaltung der W\u00e4rme tritt, wenn einmal die Gef\u00e4ssf\u00fcile der Haut auf ein Minimum gesunken ist, auch der panniculus adiposus ein, welcher die Ableitung der W\u00e4rme von den Muskeln und tieferen Gef\u00e4ssen zu der Haut hemmt (Bergmann). F\u00fcr die Athmung gilt bis zu einem gewissen Grade das umgekehrte von dem, was f\u00fcr den Fall vermehrter W\u00e4rmebildung ausgesprochen wurde.\nUm zu zeigen, in welchem Maasse die Luft durch Aufnahme von W\u00e4rme und Wasserdampf abk\u00fchlend wirken kann, hat Helmholtz das T\u00e4felchen der n\u00e4chsten Seite berechnet. In diesem finden sich die W\u00e4rmeeinheiten verzeichnet, welche ein Volum Luft, das einen Gramm wiegt, n\u00f6thig hat, um von einem gegebenen Temperatur- und einem gegebenen Feuchtigkeitsgrad auf 37\u00b0 C. erw\u00e4rmt und mit Wasserdampf vollkommen ges\u00e4ttigt zu werden.\nIn der Colonne A ist die Temperatur angegeben, welche die Luft besass, ehe sie dem erw\u00e4rmenden Einfl\u00fcsse ausgesetzt wurde; die","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"Mittel zur Erhaltung der Normalw\u00e4rme.\t485\nColonne B zerf\u00e4llt in 4 Unterabtheilungen, welche die Ueberschriften 50, 70, 90, 100 pCt. tragen. Biese Ueberschriften beziehen sich auf die Prozente der ganzen Duristmenge, welche die Luft fassen kann, wenn sie die in A angemerkte Temperatur besitzt. Die unter den einzelnen Unterabtheilungen stehenden Zahlen geben an, wie viel W\u00e4rmeeinheiten verbraucht werden, um die Luft bei einer Temperatur von 37\u00b0 C. vollst\u00e4ndig mit Wasserdampf zu s\u00e4ttigen, nachdem sie schon bis zu den hezeichneten Grenzen f\u00fcr die unter A gegebene Temperatur mit Wasserdampf erf\u00fcllt war. Unter C endlich ist die Zahl der W\u00e4rmeeinheiten notirt, welch\u00ab die Luft verbraucht, um ihre Temperatur von den unter A gegebenen Graden an auf 37\u00b0 C. zu bringen.\nA\tB\t\t\t\tc\n\t50 pCt.\t70 pCt.\t90 pCt.\t100 pCt.\t\n30\u00bb C.\t15,0\t12,1\t9,3\t7,9\t1,7\n20\u00bb C.\t20,5\t18,9\t17,3\t16,5\t4,2\n10\u00bb C.\t25,1\t24,2\t23,3\t22,9\t6,9\n5\u00bb C.\t27,2\t26,5\t25,9\t25,5\tL4\n0\u00bb c.\t29,1\t28,6\t28,2\t28,0\t9,9\nDiese Tafel l\u00e4sst erkennen, dass in den sommerlichen Temperatur- und Feuchtigkeitsgraden die Abk\u00fchlung, welche die Luft zu erzeugen vermag, fast nur der Verdunstung zuzuschreiben ist.\n3.\tEinige K\u00f6rpertheile sind zugleich mit starken Horngebilden und zahlreichen und grossen Schweissdr\u00fcsen begabt, z. B. das Haupt, das einerseits das Kopfhaar und andererseits die schweissdr\u00fcsenreiche Stirnhaut tr\u00e4gt; die dicke Epidermissohle der F\u00fcsse, das Haar und die\nSchweissdr\u00fcsen der Achselh\u00f6hle sind ebenfalls hierher zu ziehen. \u2014\n\u00ab\u00bb\nAnderen Hautstellen ist durch ein sehr leicht und bedeutend zu erweiterndes und verengerndes Gef\u00e4sssystem die M\u00f6glichkeit gegeben, ihren W\u00e4rmeverlust dem wechselnden Gewinne anzupassen ; so die Ohrmuscheln, die Nasenh\u00f6hle u. s. w.\n4.\tWird dagegen die Temperatur ver\u00e4ndert in Folge der steigenden oder mangelnden Abk\u00fchlung, so richtet sich bis zu einem gewissen Grade das Nahrungsbed\u00fcrfniss darnach ein. So ist es gar keinem Zweifel unterworfen, dass bei den Warmbl\u00fctern die proportionale Menge von Nahrung w\u00e4chst mit dem steigenden Quotienten aus der Oberfl\u00e4che in das Gewicht des K\u00f6rpers, womit, wie Bergmann*) in der anziehendsten Weise dargelegt hat, die Abk\u00fchlung der Thiere steigen muss; kleine Menschen und Thiere, welche relativ zu ihrem K\u00f6rpergewichte mehr ahk\u00fchlen, essen demnach auch relativ mehr als grosse. \u2014 Mit der Muskelanstrengung nimmt ebenfalls das Nahrungsbed\u00fcrfniss zu, und zugleich steigt auch mit ihr der W\u00e4rmeverlust, da ein Theil der latenten W\u00e4rme sich\n*) Ueber die Verh\u00e4ltnisse der W\u00e4rme\u00f6konomie der Thiere zu ihrer Gr\u00f6sse. G\u00f6ttingen 1848,","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"Mittel zur Erhaltung der Normalw\u00e4rme.\n486\nin mechanische Arbeit umsetzt und mit der Muskelzusammenziehung zugleich der w\u00e4rmebildende Stoffumsatz und die Mitteltemperatur und somit auch der W\u00e4rmeverlust durch Abk\u00fchlung gesteigert wird. \u2014 Man behauptet endlich auch, dass mit den klimatischen Verh\u00e4ltnissen der Stoffumsatz resp. die W\u00e4rmebildung ver\u00e4nderlich sei. Alle scharfen Beobachtungen, welche bis dahin vorliegen, lassen aber diese Annahme sehr zweifelhaft erscheinen. Doch muss man eingestehen, dass die Untersuchungen auch noch mangelhaft genug sind. Denn da die W\u00e4rme, welche die Gewichtseinheit des Nahrungsmittels leisten kann, sehr betr\u00e4chtlich mit der Zusammensetzung wechselt (Fette liefern bekanntlich am meisten), so ist es nicht gen\u00fcgend zu bestimmen, ob das Gewicht der Nahrungsmittel in Island oder Westindien gleich gross gewesen sei, sondern es ist n\u00f6thig auch zu wissen, ob sie in Island reicher oder \u00e4rmer an Kohlenhydraten waren.","page":486},{"file":"z0001index.txt","language":"de","ocr_de":"Sachregister\nA.\nAberration, sph\u00e4rische I. 196.\nAbk\u00fchlung durch die Haut II. 480.\n\u2014\tdurch die Lunge II. 481. Ahsondernde Kr\u00e4fte II. 144..\nAbsonderung II. 141.\n\u2014\tallgemeine Bedingungen derselben II. 142.\nAbsonderungsnerven I. 180. II. 148. Absorption der Gase I. 53. Absorptionsf\u00e4higkeit d. Blutes f. Gase II. 306. Achselgelenke I. 377.\nAcbsenstrahl I. 195. u. 199. Adaptionsmechanismus I. 211.\nAequivalent, endosmotisches I. 63.\nAether, seine Wirkung auf den Nerven I. 106.\nAetherschwingungen, als Erreger der Retina I. 222.\nAetherwellen , farbige I. 224.\n\u2014\tfarblose I. 224.\n\u2014\tgemischte I. 226.\n\u2014\tunsichtbare I. 225. Aggregatzust\u00e4nde, Physiologie ders. I. 51. Albumin II. 3.\nAlkalien im Harne II. 266.\n\u2014\tphosphorsaure I. 21.\n\u2014\tschwefelsaure I. 22.\nAlkohol, seine Wirkung auf d. Nerven 1.106. Alkoholg\u00e4hrung I. 30.\nAllantoin I. 34. 35.\nAllanturs\u00e4ure I. 34.\nAlloxan I. 24.\nAmbos, Beweg, dess. I. 273.\nAmeisens\u00e4ure I. 22 u. 26.\nAmmoniak im Harne II. 263. Ammoniaksalze I. 22.\nAntagonisten I. 398.\nAnthropin I. 27.\nAnthropins\u00e4ure I. 27.\nArbeit des Blutlaufes II. 138.\n\u2014\t\u2014 Herzens II. 140.\n\u2014\teiner Herzsystole II. 140. Arbeitsleistung des Muskels (siehe unter\nMuskel).\nArmbewegungen I. 402.\nArterielles Blut II. 21.\n\u2014\t\u2014 als Bedingung der Nerven-\nerregbarkeit I. 106.\n\u2014\t\u2014 sein Unterschied vom ven\u00f6sen II. 343.\nArterienhaut II. 75. ff.\nArtikulation I. 367.\nAspiration des Herzens II. 89. Athembewegung I. 174.\nAthemfrequenz II. 313.\nAthemvolum II. 316.\n\u2014\tmittleres II. 318. Athemwerkzeuge II. 306.\nAtbmungsfl\u00e4che II. 297.\nAtmosph\u00e4re II. 298.\nAtome I. 15.\n\u2014 Anordnung derselben I. 15.\n\u2014 Aufgabe derselben I. 16.\n\u2014 Physiologie derselben I. 15. Aufmerksamkeit beim Sehen (siehe Sehen). Aufrechtsehen I. 243.\nAufsaugung I. 141.\n\u2014\taus den Geweben II. 363.\n\u2014\tdurch die Blutgef\u00e4sse II. 364 und II. 426.\n\u2014\tdurch die Lympbgef\u00e4sse II. 418.\n\u2022\u2014\tin den Verdauungswegen 11.417.\nAugapfel, Ortsver\u00e4ndernng dess. I. 190. Auge I. 185.\n\u2014 Accomodation dess. I. 206.","page":0},{"file":"z0002.txt","language":"de","ocr_de":"488\nRegister.\nAuge, Accomedationsverm\u00f6gen dess. I. 207.\n\u2014\tAdaption dess. I. 206.\n\u2014\tBewegungen dess. , und deren Geschwindigkeit I. 192.\n\u2014\tBeweguogswerkzeuge dess. I. 185.\n\u2014\tdioptriscbe Biscursion dess. I. 202.\n\u2014\tDrehbewegungen desselben I. 186.\n\u2014\tDrehpunkt desselben I. 186.\n\u2014\tGelenkseinrichtung dess. I. 186.\n\u2014\tkatoptrischer Apparat dess. I. 220.\n\u2014\tmittleres I. 205.\n\u2014\tMuskeln dess. I. 187.\n\u2014\tOrtsver\u00e4nderungen dess. I. 190.\n\u2014\tSchutzwerkzeuge dess. I. 260. Augenlider I. 260.\nAugenmedien, brechende I. 203. Augenmuskeln I. 187.\n\u2014\tNerven ders. I. 191.\n\u2014\tSynergie ders. I. 191.\nAugenwasser II. 186. Ausathmungsbewegung, Einfluss derselben auf den Blutlauf II. 102. Ausathmungsluft, Kohlens\u00e4uregehalt der- j\nselben II. 323.\t|\n\u2014 Temperatur ders. II. 322. j \u2014 Wassergehalt ders. II. 322. j Ausl\u00f6sung der Kr\u00e4fte durch Nervenerre-1 gung I. 123.\nAusscheidungen II. 149.\n\u2014\tchem. Ver\u00e4nderungen ders. II. 149. \u2014 Oxydation ders. II. 153.\n\u2014\tphysik. Ver\u00e4nderungen ders. 11.154. Auswurfstoffe II. 152.\nAutomatic I. 173.\nB.\nBandmasse I. 364.\nBarometerschwankungen II. 299. Bauchmuskeln, ihre Bedeutung f\u00fcr den Blutlauf II. 103.\nBaucbpresse II. 400.\nBauchspeichel II. 242 u. 412.\n\u2014\tAbsonderungsgeschwind, dess. II. 243.\n\u2014\tBereitung dess. II. 244. Bauchspeicheldr\u00fcse II. 241.\nBauchwasser II. 183.\nBaumfr\u00fcchte als Nahrung II. 386.\nB\u00e4usche am Multiplikator I. 73.\nBeharrung der Geruchsnerven I. 291.\n\u2014 der Gesichtsnerven J. 296. Becken I. 375.\nBell\u2019s Gesetz I. 132.\nBenzoes\u00e4ure I. 32.\nBernsteins\u00e4ure I. 25.\nBeweglichkeit der Wirbels\u00e4ule I. 374. Bewegung des Beines I. 404.\n\u2014\tder Brust, von Einfluss auf den Blutlauf II. 99.\nder Gesichtsobjekte I. 258.\n\u2014\tder Hand I. 381.\nBillifulvin I. 36.\nBilliverdin I. 36/\nBindegewebe II. 178.\n\u2014\tgemengt mit elast. Gewebe II. 181. Binnengeriiche I. 292.\nBinnent\u00f6ne I. 286.\nBlaus\u00e4ure, ihre Wirkung auf die Nerven I. 107.\nBlut II. 1.\n\u2014\tAsche dess. II. 1.\n\u2014\tZusammensetzung dess. II. 1. Blulanalyse II. 15.\nBlutbereituDg aus den Speisen II. 374. Blutbewegung II. 28.\nBJutbildung II. 362.\nBlutfl\u00fcssigkeit II. 1.\nBlutgase II. 18 u. 304.\nBlutk\u00f6rperchen (siehe Blutscheiben). Blutkreislaufsschema von Weber II. 54. Blutlauf in den Capillaren u. Venen II. 98.\n\u2014\tin den kleinen Arterien II. 95. Blutmenge II. 26.\nBlulminerale II. 5. Blutmischungs\u00e4nderungen II. 24. Blutscheiben II. 10.\n\u2014 Asche ders. II. 14.\n\u2014\tChemie ders. II.\t12.\n\u2014\tForm ders. II. 11.\n\u2014\tH\u00fcllenstoff ders.\tII. 13.\nBlutver\u00e4nderung dch. Lungenatbmg. II. 347.\n\u2014\tin den Gef\u00e4ssen II. 361.\nBlutw\u00e4rme II. 481.\nBlulwellen II. 19.\nBraten des Fleisches II. 382.\nBrechende Fl\u00e4chen I. 194.\nBrechung I. 195.\n\u2014\tder Lichtstrahlen an concaven Fl\u00e4 chen I. 195.\n\u2014\tder Lichtstrahlen an sph\u00e4rischen .Fl\u00e4chen I. 195.\n\u2014\tder Lichtstrahlen durch biconvexe Linsen I. 199.","page":0},{"file":"z0003.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n489\nBrechg. divergirender Strahlenb\u00fcndel 1.197.\n\u2014\tparalleler Strahlenb\u00fcndel I. 195. Brechungsgesetz I. 193.\nBrechungswinkel I. 193, Brecbungsverh\u00e4ltniss I. 194. Brechungsverh\u00e4ltuisse der Augenmedien\nI. 203.\nBrennpunkte I. 195.\nBrod II. 385.\nBrustdr\u00fcse II. 289.\n\u2014\tErn\u00e4hrung\tders. II. 297.\n\u2014\tm\u00e4nnliche\tII.\t289.\n\u2014\tweibliche II.\t289.\nBruststimme I. 414 u. 429.\nBrustwasser II. 183.\nBuchstaben 1. 436.\nBuchweizen II. 384.\nButter, Bestandtheil d. Frauenmilch II. 292. Butters\u00e4ure 1. 22.\nC.\nCaprons\u00e4ure I. 22 u. 25.\nCapryls\u00e4ure I. 22 u. 25.\nCasein I. 38.\n\u2014 Bestandtheil der Frauenmilch II. 291. \u2014\u2022 Entstehung dess. II. 296. Centralorgane, als Bedingungen der Erregbarkeit I. 105.\nCerebrin I. 29.\nCerebrins\u00e4ure I. 35.\nChemismus, als Erreger des Gef\u00fchls I. 298.\n\u2014\tals Erreger des Muskels I. 324.\n\u2014 Bedeutung dess. im Leben I. 3.\nChlor I. 20.\nChlorgehalt des Harnes II. 263. Chlorsalze, alkalische I. 20.\n\u2014\terdige I. 21.\nChlorwasserstoff I. 20.\nCholeins\u00e4ure I. 33.\nCholepyrrbin I. 36.\nCholestearin I. 29/\nChols\u00e4ure I. 33.\nChondrigen I. 49.\nChondrin I. 49.\nChromatische Abweichung am Auge I. 219. Chylus, Beslandtheile dess. II. 422.\n\u2014\tabh\u00e4ngig von der Nahrung II. 423.\n\u2014\tabh\u00e4ngig von anderen Umst\u00e4nden II. 424.\n\u2014 Menge dess. II. 426.\nChymus des D\u00fcnndarmes II. 415,\nChymus des Magens II. 411.\nCoh\u00e4sion der eiweissartigen Stoffe I. 45.\n\u2014\tder Venenhaut II. 78.\nColla I. 49.\nCollagen I. 49.\nColostrumk\u00f6rperchen II. 289. Communikation der Nervenr\u00f6hren imR\u00fccken-mark (siehe R\u00fcckenmark).\nCompensation am Multiplikator I. 80.\n\u2014 am Stimmorgan I. 431. Complement\u00e4re Farben I. 226.\nContraktion der Gef\u00e4ssw\u00e4nde II. 79. Contrast (Farben) I. 235.\nCornea II. 185.\nCrystallin I. 38.\nCyanverbindungen des Aethyls I. 24.\n\u2014\tdes\tAmyls I. 24.\n\u2014\tdes\tMethyls I. 24.\nCystin I. 36.\nD.\nDamalurs\u00e4ure I. 32.\nDamols\u00e4ure I. 32.\nDarmdr\u00fcsen II. 250.\nDarminhaltbewegung II. 400.\nDarmsaft, reiner II. 412.\nDickdarm, Mechanismus seiner Bewegung II. 399.\nDickdarms\u00e4fte II. 416.\nDiffusion I. 51. II. 147.\n\u2014\tder Gasarten in tropfbare Fl\u00fcssigkeiten I. 53.\n\u2014\tder Gase (siehe Gasdiffusion).\n\u2014\teiner L\u00f6sung in Wasser I. 56.\n\u2014\teines L\u00f6sungsgemenges in Wasser\nI. 58.\n\u2014\ttropfbarer Fl\u00fcssigkeiten I. 54.\n\u2014\tvon Fl\u00fcssigkeiten in thieriscbe Steife I. 59.\n\u2014\tvon L\u00f6sungen und L\u00f6sungsgemengen in feste Stoffe I. 61.\n\u2014\tzweier Fl\u00fcssigkeiten durch eine Scheidewand I. 63.\n\u2014\tzweier Gasarten durch eine w\u00e4sserige Scheidewand I. 54.\n\u2014\tzweier L\u00f6sungen in einander I. 59.\n\u2014\tzwischen L\u00f6sungen, deren L\u00f6sungsmittel sich nicht mischen I. 59.\nDiffusionsgeschwindigkeit I. 57.\nDipolare Anordnung I. 87.\n\u2014\t\u2014 Theorie ders. I. 90.","page":0},{"file":"z0004.txt","language":"de","ocr_de":"490\nRegister.\nDirektes Sehen (siehe Sehen).\nDoppelbilder I. 248.\nDoppeltsehen mit einem Auge I. 216.\n\u2014 mit zwei Augen I. 247. Druck, die Nervenerregbarkeit zerst\u00f6rend\nI. 108.\n\u2014\tals Erreger des Muskels I. 324. Drucksinn I. 308.\nDu Bois'sches Gesetz der elektrischen Muskelerregung I. 326.\nD\u00fcnndarm, Mechanismus seiner Bewegung II. 397.\nD\u00fcnndarmaderblut II. 24. D\u00fcnndarmverdauung, k\u00fcnstliche II. 411.\n\u2014\tnat\u00fcrliche II. 412.\nDurst II. 376.\nE.\nEi, Ausstossung dess. II. 285.\nEjaculation II. 283.\nEibildung II. 285.\nEierstock II. 284.\nEileiter, Bewegungen dess. I. 179. II. 286. Einathmungsbewegung, Einfluss ders. auf den Blutlauf II. 101.\nEindringen fester K\u00f6rper in die Gef\u00e4sse II. 143.\nEinfachsehen mit zwei Augen I. 244. Einfallsloth I. 193.\nEinfallswinkel I. 193.\nEisen im Blute II. 8.\nEisenoxyd, phosphorsaures I. 22.\nEiweiss I. 37. II. 3.\nEiweissartige Stoffe I. 37.\n\u2014\t\u2014 als Tr\u00e4ger des Lebens I. 41.\n\u2014\t\u2014 Filtration durch dies. I. 47.\n\u2014\t\u2014 ihre Coh\u00e4sion I. 45.\n\u2014\t\u2014 ihre Elastizit\u00e4t I. 46.\n\u2014\t\u2014 ihre Gerinnung I. 44.\n\u2014\t\u2014 ihre Imbibition I. 45.\n\u2014\t\u2014 ihre Katalyse I. 41.\n\u2014\t\u2014 ihre Krystallisation I. 45.\n\u2014\t\u2014 ihre physik. Eigenschaften I. 44.\n\u2014\t\u2014 ihre Quellung I. 45.\n\u2014\t\u2014 ihre Zersetzungserscheinungen\nI. 39.\n\u2014\t\u2014 Theorie ihrer Zusammensetzung\nI. 38.\nEiweissentbehrung II. 438. Eiweissf\u00fctterung II. 441.\nEiweissstoffe der Blutfl\u00fcssigkeit II. 4.\nEiweissverdauung durch k\u00fcnstlichen Labsaft II. 405.\nEkel II. 377.\nElastizit\u00e4t des Muskels II. 319.\n\u2014\tder Gef\u00e4ssw\u00e4nde II. 78. Elastischer Stoff I. 49.\n\u2014\t\u2014 in der Gef\u00e4sswand II. 77. Elastisches Gewebe II. 177.\nElektrizit\u00e4t, allgem. Bedeutung ders. im\nLeben I. 7.\n\u2014\tals Erreger des Gef\u00fchls I. 298.\n\u2014\tals Erreger des Muskels I. 325. Elektrische Eigenschaften d. Muskels 1. 316. Elektromotorische Anordnungen I. 81. Elektrotonus I. 82.\n\u2014 Gesetze dess. I. 84.\n\u2014 Theorie dess. I. 90. Elementare Bedingungen des Lebens I. 2. Elleubogengelenk I. 378.\nEmpfindung, Organe ders. I. 440. Endosmose I. 63. II. 147.\nEndosmotisches Aequivalent I. 63.\n\u2014\t\u2014 Bestimmung dess. I. 64.\n\u2014\t\u2014 Theorie dess. I. 67.\nEntoptische Erscheinungen I. 261. Entz\u00fcndung, Br\u00fccke\u2019s Theorie II. 122. Epidermis II. 167.\n\u2014\tDurchdringbarkeit ders. II. 168.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 169.\nEpithelien II. 165.\n\u2014 Anatomie ders. II. 166.\n\u2014 Chemie ders. II. 166.\n\u2014 Quellung ders. II. 167. Erbrechen II. 401.\nErden im Harne II. 266.\n\u2014\tphosphorsaure I. 21.\nErektion II. 281.\nErhaltung der Kraft im Thierleibe II. 467. Erm\u00fcdung I. 330.\nErn\u00e4hrung der Epidermis II. 169.\n\u2014\tder Gef\u00e4sswandungen II. 211.\n\u2014\tder\tHaare II. 175.\n\u2014\tder\tKnochen II. 195.\n\u2014\tder\tKnorpel II. 191.\n\u2014\tder\tLeber II. 233.\n\u2014\tder\tMuskeln II. 209.\n\u2014\tder\tNerven II. 206.\n\u2014\tder\tNiere II. 275.\n\u2014\tder\tZ\u00e4hne II. 200.\nErregbarkeit der Nerven I. 100.\n\u2014\t_....- Bedingungen ders. I. 102.","page":0},{"file":"z0005.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n491\nErregbarkeit des R\u00fcckenmarkes (siehe R\u00fcckenmark).\nErreger der\tNerven I. 95.\n\u2014\tder\tGef\u00fchlsnerven I. 298.\n\u2014\tder\tGeh\u00f6rnerven I. 280.\n\u2014\tder\tGerucbsnerven I. 287.\n\u2014\tder\tGeschmacksnerven I. 293.\n\u2014\tder\tHerznerven II. 66.\n\u2014\tdes\tMuskels I. 323.\nErregung, Abh\u00e4ngigkeit ihrer St\u00e4rke von\nder des Erregers I. 109 u. 123.\n\u2014. Abh\u00e4ngigkeit ihrer St\u00e4rke von der Zahl der getroffenen Nervenr\u00f6hren I. 110.\n\u2014\tdes Herzens, unmittelbare II. 69.\n\u2014 Leitung ders, im Nerven I. 113.\n\u2014 Leitungsgeschwindigkeit ders. im\nNerven I. 114.\n\u2014 Nachwirkung ders. I. 153.\n\u2014\twillk\u00fchrlich motorische I. 446. Erregung der Sehnerven I. 228.\n\u2014\t\u2014\t\u2014\tdurch Elektrizit\u00e4t I.\t230.\n\u2014\t\u2014\t\u2014\tdurch Licht I. 228.\n\u2014\t\u2014\t\u2014\tmechanische I. 229.\nErsch\u00fctterung, die Nervenerregbarkeit zerst\u00f6rend I. 108.\nEssigs\u00e4ure I. 20.\nExcretion des Harnes II. 283.\nExspiration II. 309.\nExtrakte im Harne II. 263.\nFalten der D\u00fcnndarmschleimhaut, Mechanismus ders II. 397.\nFarbenmischung I. 225. Farbenunterscheidung I. 228.\nFarbstoffe I. 36.\n\u2014\tim Harne II. 253.\nFaser II. 159.\nFaserstoff I. 37.\n\u2014\tFormen des geronnenen I. 37.\nFaserstoffschollen IJ. 14.\nFaszien I 389.\nFernpunkle I. 209.\nFett\u00e4hnliche Stoffe II. 5.\nFettdr\u00fcsen II. 251.\nFette (siehe neutrale Fette) II. 5.\n\u2014 in der Leber II. 219. Fettemulgirung im D\u00fcnndarme II. 420. Fettresorption II. 420.\nFettzellen II. 202.\nFiltration II. 144.\nFistelstimme I. 414 u. 429.\nFleisch als Nahrung II. 381.\nFleischbr\u00fche II. 382.\nFlimmerhaare II. 172.\nFl\u00fcssigkeitsstr\u00f6me durch die Gef\u00e4sswand, ihre Bedeutung f\u00fcr den Blutstrom II. 105. Fl\u00fcstern I. 435.\nFluorcalcium I. 21.\nFormbildung, organische II. 155.\nFormen, ihre Leistungen im Organismus I. 10.\nFormende Kr\u00e4fte II. 157.\nFormfolge II. 155.\nFroschschenkel, strompr\u00fcfender I. 77. Fruchth\u00e4lter II. 286.\nFuss, als St\u00fctze I. 406.\nFussgelenke I. 386. Fusswurzel-Mittelfussgelenke I. 388.\nG.\nG\u00e4hrungen I. 30.\nGalle II. 223 u. 401.\n\u2014 Ausfuhr ders. II. 232.\n\u2014 Mechanismus ihrer AbsonderungH. 231. \u2014 Ver\u00e4nderlichkeit ders. II. 225. Gallenfarbstoff I. 36. II. 219.\nGallens\u00e4uren II. 219.\nGanglienk\u00f6rper 1. 124.\n\u2014\tals Erreger I. 124.\n\u2014\tdie Erregung modificirend I. 124.\n\u2014\tdie Erregung \u00fcbertragend I. 124.\n\u2014\tverschiedene Arten ders. I. 125. Gasaustausch zwischen Blut und Atmosph\u00e4re II. 305.\nGasdififusion I. 51.\n\u2014\tDalton\u2019s Gesetz I.\t52.\n\u2014\tGraham\u2019s Gesetz I. 52.\n\u2014\tin den Lungen II.\t324.\nI Gase des Blutes II. 18 u. 304. Gaswecbsel, gesammter des tbier. K\u00f6rpers II. 356.\nGaumen, Th\u00e4tigkeit dess. bei der Verdauung II. 391.\nGeb\u00e4rmutter, Bewegung ders. I. 179. Gef\u00e4ss wandun gen II. 75 u. 211.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 21L\nGefuhlssinn I. 297.\nGehen I. 409.\nGeh\u00f6r I. 263.\nGeh\u00f6rnerv (siehe nervus acnsticus).","page":0},{"file":"z0006.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n/\n492\nGelenke mit Rotationsfl\u00e4chen I. 367.\n\u2014 Steifung ders. beim Stehen I. 406. Gelenkschmiere II. 184.\nGemeingef\u00fchl I. 298.\nGem\u00fcse II. 386.\nGer\u00e4usch I. 283.\nGerste II. 384.\nGeruchsinn I. 287.\nGeruchsnerv (siehe nervus olfactorius). Geruchsst\u00e4rke I. 288. Geruchsvorstellungen I. 291. Geschlechtswerkzeuge,\tm\u00e4nnliche\tI.\t278.\n\u2014\tweibliche\tI.\t284.\nGeschmackssinn I. 292.\nGeschmacksst\u00e4rke I. 296. Geschmacksvorstellungen I. 297. Geschwindigkeit der verschied. Fl\u00fcssigkeitsf\u00e4den eines Stromes II. 36.\n\u2014\tdes Blutstromes\tII. 128.\n\u2014\t\u2014\t\u2014\tabh\u00e4ngig\tvon den\nSpannungsunterschieden u. anderen Bedingungen II. 133.\n\u2014\tdes Blutstromes; Theoret. II. 132. Gesetz der Zuckungen I. 327. Gesichtsnerv (siehe nervus opticus). Gesichtssinn I. 185.\nGewebe; elastisches II. 177. Gewichtsverlust beim Hungern II. 431.\n\u2014 durch Hautausd\u00fcnstung II. 355. Glanz I. 259.\nGlask\u00f6rper I. 187.\nGleichgewichtsgef\u00fchl I. 360.\nGlobulin I. 38.\nGlycerin I. 28 u. 29.\nGlycochols\u00e4ure I, 33.\nGlycocoll I. 34.\nGr\u00f6ssenbeurtheilung beim Sehen I. 250. Grosshirnhemisph\u00e4ren I. 171.\nGrundfarben I. 226.\nGruppirung der Nervenr\u00f6hren im R\u00fcckenmark (siehe R\u00fcckenmark).\nH.\nHaarbalgdr\u00fcsen II. 251.\nHaare II. 173.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 175.\nH\u00e4matin I. 36. II. 13.\nH\u00e4madromometer II. 129.\nHafer II. 384.\nHalsbewegung I. 400.\nHalsgelenke I, 370.\nHammer, Bewegung dess. I. 273. Handbewegung I. 381.\nHandgelenke I. 379.\nHandwurzel-Mittelhandgelenke I. 382. Harn II. 257.\n\u2014\tseltenere Bestandtheile dess. II, 271.\n\u2014\tWassergehalt dess. II. 268. Harnbereitung II. 27$.\nHarnblase, Bewegung ders. I. 179. II. 275. Harnfarbstoff I. 37.\nHarng\u00e4hrung in dfcr Blase II. 277.\nHarnige S\u00e4ure I. 35.\nHarnleiter, Bewegung dess. I. 179. Harns\u00e4ure I. 34.\n\u2014\tihre Zersetzungen I. 34. II. 262.\n\u2014\tim Blute II. 5.\nHarnstoff I. 34. 35. 36. II. 258.\n\u2014 im Blute II. 5. Harnstoffentstehung II. 449. Harnwerkzeuge II. 254.\nHarze im Harne II. 263.\nHauptbrennebenen I. 202.\nHauptebenen I. 202.\nHautaderblut II. 1.\nHautathmung II. 352.\nHerz, Mechanismus dess. II. 60. Herzbewegung als Ursache des Blutstromes II. 87.\nHerzkammern, Inhalt ders. II. 57. Herzkraft II. 73.\nHerzmuskulatur II. 58.\nHerzschlag, H\u00e4ufigkeit dess. II. 70. Herzstoss II. 62.\nHerzt\u00f6ne II. 74.\nHerzwasser II. 183.\nHinterbauptsgelenk I. 370.\nHippurs\u00e4ure I. 32.\n\u2014\tim Blute II. 5.\n\u2014\tim Harne II. 262.\nHirn I. 154 II. 207.\n\u2014\tchem. Zusammensetzung dess. 11.207.\n\u2014\tErregbarkeitsverb\u00e4ltnisse in demselben I. 172.\n\u2014\tMittheilung der Nervenerregung in demselben I. 167.\n\u2014\tmotorische Nervenwurzeln dess. 1.164. \u2014t sensible Nervenwurzelo dess. I. 167.\nHirnnerven I. 157.\nHirnwasser I. 182.\nHoden II. 278.\n\u2014\tBau dess. JL 278,","page":0},{"file":"z0007.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n493\nHodenwasser II. 184.\nH\u00f6ren gleichzeitiger T\u00f6ne I. 284. Hornhaut H. 185,\nHoropter I. 245.\nH\u00fcftgelenk I. 383.\nH\u00fchnerei als Nahrungsmittel II. 382. H\u00fclsenfr\u00fcchte II. 385.\nHunger II. 374.\nHungern, allgemeines II. 431.\n\u2014\tpartielles II. 436 Hungernerven II. 375.\nHydrodiffusion I. 54.\nHydrodynamik II. 34.\nHydrostatik II. 31.\nHypoxanthin I. 35.\nI.\nIdentische Netzhautstellen I. 244. Imbibition I. 59.\n\u2014\tder eiweissartigen Stoffe. I. 45, Indirektes Sehen (siehe Sehen).\nInduktion der Retinatheile I. 235. Inosins\u00e4ure I. 35.\nInosit I. 30.\nInspiration II. 307.\nIntermedi\u00e4rer Kreislauf II. 363.\nIris I. 216.\n\u2014 Bewegung ders. I. 218.\nIrradiation I. 234.\nIsolirte Leitung der Erregung der Nerven I. 113.\nK.\nK\u00e4sestoff im Blute II. 4.\nKali im Blute II. 7.\nKalk, oxalsaurer I. 22.\nKalkerde, kohlensaure I. 20.\n\u2014\tphosphorsaure I. 21.\nKartoffeln II. 385.\nKatalyse der eiweissartigen Stoffe I. 41. Kauen II. 393.\t*\nKegelgelenk I. 367.\nKehldeckel, Th\u00e4tigkeit dess. bei der Verdauung II. 391.\nKiefermuskeln I. 399.\nKiesels\u00e4ure 1. 22.\nKlang I. 218.\nKlees\u00e4ure I. 34.\nKleinhirnhemisph\u00e4ren I. 172.\nKniegelenk I. 383.\nKniescheibengelenk I. 385.\nKnochen II. 192.\n\u2014\tBau ders. II. 192.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 195.\n\u2014 Wachsthum ders. II. 196. Knochenform I. 364.\nKnochenknorpel II. 193.\nKnochenmasse I. 364.\nKnotenpunkte I. 200 u. 202.\nKochen des Fleisches II. 382.\nKochkunst II. 382.\nKohlens\u00e4ure I.\t18.\n\u2014\tim\tBlute II. 5.\n\u2014\tim\tHarne II. 266.\n\u2014\tin\tder Atmosph\u00e4re II. 300.\nKohlens\u00e4ureausscheidung durch [die Haut\nII. 354.\nKohlens\u00e4ureausscheidung durch d. Lungen\nII. 323.\n--------\u2014 abh\u00e4ngig v. Blutstrom II. 332.\n-----\u2014 \u2014 abh. v. Luftdrucke II. 335.\n\u2014\t-----\u2014\tabh.\tvon\tden\tAthembewe-\ngungen II. 327.\n\u2014\t--------ahh. von der Blutmischung\nII. 336.\n--------\u2014\tabh.\tvon\tder\tEinathmungs-\nluft II. 333 u. 338.\n--------\u2014\tabh.\tvon\tder\tLufttemperatur II. 334.\n-------- \u2014\tabh.\tvon\tder\tLungenwand\nII. 340.\n\u2014\t\u2014 \u2014 \u2014 abh. von der Muskeltb\u00e4tig-\nkeit II. 339.\n-----\u2014 \u2014 abh. von der Nahrungsaufnahme II. 337.\n\u2014\t------ \u25a0\u2014 abh. von gemischten Ur-\nsachen II. 340.\n\u2014\t--------mittlere II. 341.\n-----------variabel mit der Tageszeit\nII. 339.\nKohlens\u00e4uregehalt der Athmungsluft, mittlerer II. 342.\nKohlenstoffausgabe II. 452. Kohlenwasserstoffgas I. 18.\nKonsonanten I. 437.\nKopfbewegung I. 400.\nKopfmuskeln I. 400.\nK\u00f6rner II. 159.\nKoth II. 416.\nKothen II. 401.\nKreatin I. 35.\n\u2014 im Blute II. 5.","page":0},{"file":"z0008.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\nKreatinin I. 35.\n\u2014\tim Blute II. 5.\n\u2014\tim Harne II. 262.\nKreosot, seine Wirkung auf den Nerven I. 106.\nKrystall\u00eeinse II. 187.\nKugelgelenk I. 367.\nKymographion II. 85.\nL.\nLabdr\u00fcsen II. 245.\nLabdr\u00fcsensaft, k\u00fcnstlicher II. 405.\nLabsaft II. 246.\n\u2014 Bereitung dess. II. 248.\nLabyrinth des Ohres I. 276.\nLadung I. 74.\nL\u00e4ngsleitung der Erregung im Nerven I. 113. Laute I. 436.\nLautiren I. 435.\nLebendige Kr\u00e4fte des Blutlaufes II. 138. Leber II. 217.\n\u2014\tBau ders. II. 217.\n\u2014\tchem. Bestandtheile ders. II. 218.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 233.\n\u2014\tMechanismus ihrer Funktion II. 231. Leberaderblut II. 23.\nLeberblut II. 219.\nLeber-Blutstrom II. 221.\nLeberschleim II. 233.\nLecithin I. 29.\nLegumin II. 385.\nLeitung der Erregung im Nerven I. 113.\n\u2014\tisolirte im Nerven I. 113.\n\u2014\tl\u00e4ngs des Nerven I. 113.\n\u2014\tquer durch den Nerven I. 116. Leitungsgeschwindigkeit der Erregung im\nNerven I. 114.\nLeucin in der Leber II. 219. Lichtbrechung I. 193.\nLienin I. 36.\nLigamentum intervertebrale I. 371.\nLinse II. 187.\nLinsenbewegung I. 211.\nLinsenschichtung I. 218.\nLipyloxyd I. 24 u. 29.\nL\u00f6sung, gleichzeitige mehrerer Stoffe I. 58. \u2014 Siede- u. Gefrierpunkt ders. I. 56.\n\u2014\tspezifisches Gewicht ders. I. 56. \u2014 W\u00e4rmeverbrauch bei ders. I. 56.\nL\u00fcftungswerkzeuge II. 307. Luftabsondernde Werkzeuge II. 297.\nLuftdruck, Bedeutung dess. f\u00fcr die Gelenke I. 367.\nLuftkreis II. 298.\nLuftleitungsr\u00f6hren II. 311.\nLuftmischung beim Athmen II. 318. Luftstr\u00f6mung in den Athemwegen II. 314. Luftver\u00e4nderung beim Athmen II. 319. Lumenver\u00e4nderung mit der Gef\u00e4ssverthei-lung II. 81.\nLungenathmung, Chemismus der II. 306.\n\u2014\tMechanismus der II. 319.\nLungenern\u00e4hrung, abh\u00e4ngig vom nervus vagus II. 349 u. 350.\nLungens\u00e4fte II. 352.\nLymphe, Geschwindigkeit ihrer Bildung II. 371.\n\u2014\tihre Entstehung II. 371.\n\u2014\tihre Zusammensetzung II. 369. Lymphgefassanfange im Darme II. 418. Lympbgef\u00e4sse, Bau ders. II. 367. Lymphk\u00f6rpercben II. 14 u. 372. Lymphstrom II. 372.\nM.\nM\u00e4stung II. 458.\nMagen, Mechanismus seiner Bewegungen II. 395.\nMagendr\u00fcsen II. 245.\nMagensaft II. 244.\n\u2014\tnat\u00fcrlicher II. 407. Magenschleim, ausserhalb des K\u00f6rpers wirkend II. 407.\nMagenverdauung, k\u00fcnstliche II. 404.\n\u2014\tnat\u00fcrliche II. 408,\nMagnesia, kohlensaure I. 20.\n\u2014\tphosphorsaure I. 22.\nMais II. 384.\nMangan im Blute II. 8.\nManometer II. 38.\nMargarin I. 24 u. 27.\nMargarins\u00e4ure I. 23.\n\u2014\tals Seife I. 24.\nMastdarm, Bewegung dess. I. 179. Meibom\u2019sche Dr\u00fcsen II. 251.\nMeissner\u2019sche K\u00f6rperchen I. 303.\nMelanin I. 36.\nMenstrualfl\u00fcssigkeit II. 287.\nMenstruation II. 287.\nMetacarpo-Phalangengelenke I. 382. Metacetons\u00e4ure I. 26.\nMetalle im Blute IL 8.","page":0},{"file":"z0009.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n495\nMetalloxyde I. 22.\nMetallsalze I. 22.\nMetatarso- Phalangengelenke I. 388.\nMilch als Nahrungsmittel il. 383.\n\u2014\tder M\u00e4nner II. 295.\n\u2014\tder Neugeborenen II. 295.\n\u2014\tder Schwangeren II. 294.\n\u2014\tdes Menschen, Absouderungsge-schwindigkeit ders. II. 295.\n\u2014\tdes Menschen, Zusammensetzung ders. II. 289.\nMilchanalyse II. 294.\nMichbereitung II. 296.\nMilchdr\u00fcse II. 289.\nMilchk\u00fcgelchen II. 289.\nMilchs\u00e4ure, Bestandteil der Frauenmilch\nII. 290.\n\u2014\tim\tBlute II. 5.\n\u2014\tim\tLabsafte II.\t247.\n\u2014\tim\tMagensafte\tL 31.\n\u2014\tin\tder Leber II. 219.\nMilchs\u00e4ureg\u00e4hrung I. 30.\nMilchs\u00e4urehydrate I. 31.\nMilchserum II. 289.\n\u2014 Bestandteil d. Frauenmilch II. 290. Milchzucker I. 30.\n\u2014 Entstehung dess. II. 296.\nMilz II. 212.\n\u2014\tBau ders. II. 212.\n\u2014\tehern. Zusammensetzung ders. II. 214.\n\u2014\tFunktion ders. II. 215.\nMilzaderblut II. 22.\nMitbewegung I. 145. 169. 181. Mitempfindung I. 147. 169. 181. Mitteldruck, abh\u00e4ngig von dem Abstande\nvom Herzen II. 116.\n\u2014\tabh. von der Blutf\u00fclle II. 111.\n\u2014\tabh. v. d. Zahl d. Blutbahnen II. 115.\n\u2014\tabsoluter Werth dess. in der Carotis II. 119.\n\u2014\tin den verschied. Abtheilungen des arteriellen Systems II. 97.\nMittheilung der Nervenerregung im R\u00fcckenmark (siehe R\u00fcckenmark).\nMitt\u00f6nende Stimmwerkzeuge I. 430. Molekulark\u00f6rnchen im Blute II. 14. Molekulartheorie der Fl\u00fcssigkeiten II. 28. Motorische Wurzeln der R\u00fcckenmarksnerven (siehe R\u00fcckenmarksnerven).\nMucin I. 48.\nMultiplikator I. 73.\nMund II. 389.\nMundspeichel II. 236.\nMuskelbewegungen der Gef\u00e4sswandungen.\nihre Bedeutung f\u00fcr den Blullauf II. 104. Muskelerregbarkeit I. 329.\nMuskelerreger I. 323.\nMuskelfl\u00fcssigkeit I. 314.\nMuskelgruppen I. 399.\nMuskelkontraktion, die Kohlens\u00e4ure-Ausscheidung bedingend II. 339. Muskelkraft, Maass ders. I. 344.\n\u2014 Theorie ders. I. 351. Muskelmechanik I. 389.\nMuskeln I. 312. II. 209.\n\u2014 Arbeitsleistung ders. I. 342.\n\u2014 Chemie ders. I. 322 u. 341.\n\u2014\tdes Armes I. 402.\n\u2014\tdes Beines I. 404.\n\u2014\tdes Skelette I. 388.\n\u2014\tder Wirbels\u00e4ule I. 401.\n\u2014 Effekt ders. auf die Knochen I. 392.\n\u2014\telastische Eigenschaften ders. 1.319.\n\u2014\telektrische Eigenschaften ders. 1.316. \u2014 Ern\u00e4hrung ders. II, 209.\n\u2014 Leistungsf\u00e4higkeit ders. I. 330.\n\u2014 Verkn\u00fcpfung ders. mit den Nerven I. 353.\n\u2014 Verk\u00fcrzung ders. I. 354.\n\u2014 Verl\u00e4ngerung ders. I. 357.\n\u2014 Vertheilung ders. I. 398.\n\u2014 W\u00e4rmeeigenschaften ders. I. 321. \u2014 Zusammenfassung ders. I. 397.\n\u2014 Zusammenziehung ders. I. 332. Muskeln, glatte 1. 349.\n\u2014\t\u2014 Anatomie ders. I. 349.\n\u2014\t\u2014 Chemie ders. I. 349.\n\u2014\t\u2014 Physiologie ders. I. 349. Muskeln, quergestreifte I. 312.\n\u2014\t\u2014 Bau ders. I. 312.\n\u2014\t\u2014 Chemie ders. I. 313.\n\u2014\t\u2014 Physiologie ders. I. 315. Muskelschicht der Gef\u00e4sse II. 76. Muskelsinn I. 359.\n\u2014\tTheorie dess. I. 361,\nMuskelstarre I. 345.\nMuskelstrom, ruhender I. 317. Muskelzucker I. 30.\nMuskelzug I. 389.\n\u2014\tRichtung desst I. 389.\nMuskul\u00f6se Gegner und Helfer I. 398.","page":0},{"file":"z0010.txt","language":"de","ocr_de":"Register\n496\nN.\nNachaussensetzen des Geruches I. 291.\n\u2014\tdes\tGesehenen\tI. 240.\n\u2014\tdes\tTones I.\t285.\nNachbild I. 230.\n\u2014 Dauer\tdess.\tI. 231.\n\u2014 Farbe\tdess.\tI. 232.\n\u2014\tnegatives I.\t232.\n\u2014\tpositives I. 232.\nNaehgef\u00fchl I. 310.\nNacbschmerz I. 302.\nNacht\u00f6nen I. 285.\nNachwirkung der Nervenerregung I. 153. N\u00e4gel II. 170.\nN\u00e4hepunkte I. 209.\nNabrungs\u00e4quivalente II. 386. Nahrungsbed\u00fcrfniss II. 374. Nahrungsentziehung, allgemeine II. 431. Nahrungsmittel, Bestandtheile ders. II. 377. \u2014 Verdaulichkeit ders. 11.379. \u2014\tW\u00fcrzung ders. II. 379.\nNahrungswahl II. 377.\nNatron im Blute II. 7.\n\u2014\tphosphorsaures im Blute II. 8. Natronalbuminat II. 3.\nNatronsalze , kohlensaure I. 19. Nebenfarben des weissen Lichtes I. 227. Negat. Schwankung d. Muskelstromes I. 337.\n\u2014\t\u2014 d. Nervenstromes I. 92. Nervenkr\u00e4fte, als Ursache von Filtrationen II. 148.\n\u2014\telektrische I. 120.\n\u2014\tQuelle ders. I. 119.\n\u2014\tTheorie ders. I. 118.\nNervenphysiologie, allgemeine I. 71.\n\u2014\tspezielle I. 126.\nNervenr\u00f6hren II. 205.\n\u2014\tanatom. BesehatFenheit ders. I. 71. \u2014 Beharrungsverm\u00f6gen ders. I. 112.\n\u2014\tchem. Beschaffenheit ders. I. 72.\n\u2014\telektr. Eigenschaften ders. I. 72. \u2014 Ern\u00e4hrung ders. II. 266.\n\u2014 Erregbarkeit ders. I. 100.\n\u2014 Gleichartigkeit ders. I. 95.\n\u2014 Leistungen ders. I. 72.\n\u2014 Physiologie ders. I. 71 u. 94.\n\u2014 Reize ders. I. 95.\n\u2014\ttodter Zustand ders. I. 116.\n\u2014 Ungleichartigkeit ders. I. 95.\n\u2014 Untersuchungsmethoden ders. I. 73.\n\u2014\tverseh. Erregungszust\u00e4nde ders. \u00cf.97.\nNervenstrom, ruhender I. 78.\n\u2014\tschwache Anordnung\tI.\t78.\n\u2014\tstarke Anordnung I.\t78.\n\u2014\tunwirksame Anordn.\tI.\t78.\nNervus\tabducens I. 157.\n\u2014\taccessorius Willisii\tI.\t161.\n\u2014\tacusticus I. 156 u.\t280.\n\u2014\tfacialis I. 159.\n\u2014\tglossopharyngeus I.\t160.\n\u2014\thypoglossus I. 163.\n\u2014\toculomotortus I. 156.\n\u2014\tolfactorius I. 154.\n\u2014\topticus I. 155 u. 222.\n\u2014\ttrigeminus I. 158.\n\u2014\ttrochlearis I. 157.\n\u2014\tvagus I. 161.\n\u2014\tvagus als Regulator des Herzens II. 67.\n\u2014\tvagus, sein Einfluss auf die Lun-genern\u00e4brung II. 350.\nNeutrale Fette I. 27.\n\u2014\t\u2014 ihre Adh\u00e4sion zu den Horn-\ngeweben I. 28.\n\u2014\t\u2014 ihre Bedeutung f. d. W\u00e4rme-\n\u00f6konomie I. 28.\n\u2014\t\u2014 ihre chem. Indifferenz I. 28.\n\u2014\t\u2014 ihre katalytischen Wirkun-\ngen I. 27.\n\u2014\t\u2014 ihre Zellenbildung I. 28.\n\u2014\t\u2014 ihre Zerlegung I. 28.\n\u2014\t\u2014 ihre Verseifung I. 28. Niederschl\u00e4ge io thier. Fl\u00fcssigkeiten II. 156. Niere II. 254.\n\u2014\tBau ders. II. 254.\n\u2014\tBlut ders. II. 257.\n\u2014\tBlutstrom in ders II. 257.\n\u2014\tErn\u00e4hrung ders. II. 275. Normaltemperaturen II. 460.\nNutzwerth des Muskels I. 342.\nO.\nOberarm - Gelenk I. 377.\nOeffnungszuckung I. 325.\nOels\u00e4ure I. 26.\n\u2014\toxydirte I. 27.\nOels\u00fcss I. 28 u. 29.\nOhm\u2019s Gesetz I. 77.\nOhrenschmalzdr\u00fcsen II. 252.\nOhrmuschel I. 268.\nOlein I. 26 u. 27. i Oleophosphors\u00e4ure I. 29.","page":0},{"file":"z0011.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n497\nOpiumtinktur, ihre Wirkung auf den Nerven I.\t106.\nOptik I.\t185.\nOptometrie I. 209.\nOrgane der Empfindung I. 440.\nOrtssinn\tI. 305.\n\u2014\tFeinheit\tdess.\tI.\t306.\n\u2014\tTheorie\tdess.\tI.\t307.\nOxals\u00e4ure im Harne II. 266.\nOxalsaurer Kalk I. 22.\nOxydation der thierisehen Stoffe II. 153. Ozon in der Atmosph\u00e4re II. 299.\nP.\nPalmitin I. 25.\nPalmitins\u00e4ure I. 22 u. 25.\nPankreas II. 241.\nPankreatischer Saft II. 412.\nParadoxe Zuckung I. 83. Parelektromonische Schicht I. 319. Pendulirende Bewegung I. 182.\nPenis II. 281.\nPepsin II. 246.\nPeptin I. 49.\nPeripolare Anordnung I. 87.\n__\t\u2014 Theorie ders. I. 88.\nPeristaltische Bewegung I. 178 u. 182.\n\u2014\t\u2014 des D\u00fcnndarms II. 397.\n\u2014\t\u2014 des Schlingapparates II. 395.\nPflasterepithelien II. 165.\nPfortaderblut II. 23.\nPhasen des Elektrotonus I. 82. Phenyls\u00e4ure I. 32.\nPhosphors\u00e4ure im Harne II. 265. Phosphorsaure Alkalien I\u00ab 21.\n\u2014\tErden I. 21.\nKalkerde I. 21.\n\u2014\tMagnesia I. 22.\n\u2014\tSalze I. 21.\nPhosphorsaures Eisenoxyd I. 22. Physiologie, allgemeinste Aufgabe derselben I. 11.\n\u2014 Vortragsplan ders. I. 13. Physiologische Bedeutung der Zuckerarten I. 31.\nPigmentum nigrum I. 36.\nPlasma II. 1.\nPlatten II. 159.\nPolarisation I. 74.\n\u2014 des Lichtes im Auge I. 222.\nLudwig, Physiologie. II.\nPorenl\u00e4nge der Gef\u00e4ssw\u00e4nde II. 143. Porenweite der Gef\u00e4ssw\u00e4nde II. 142. Porenzahl der Gef\u00e4ssw\u00e4nde II. 143. Pr\u00e4gung der formlosen Massen II. 159. Pronationsgelenk I. 378.\nPropion- (Metaceton-) S\u00e4ure I. 22 u. 26. Prostata II. 281.\nProteinbyoxyd I. 38.\n\u2014 im Blute II. 4. Proteintrioxyd I. 38.\nPuls II. 110.\nPulsf\u00fchleu II. 117.\nPulsfrequenz, Einfluss auf die Geschwindigkeit des Blutstromes II, 136.\nPulsus dicrotus II. 118.\nPulsverh\u00e4ltniss zur Herzsystole II. 118. Pupillenerweiterung I. 178.\nPyin I\t38.\na.\nQuellung I. 59.\n\u2014\tder eiweissartigen\tStoffe\tI.\t45.\n\u2014\tder Epithelien II.\t167.\n\u2014\ttheoretische Bemerkungen\t\u00fcber die-\nselbe\tI. 59.\nQuellungsmaximum I. 59. Quellungsverh\u00e4ltniss I. 59.\nQuerleitung der Erregung im Nerven I. 116,\nH.\nRauminhalt der Blutgef\u00e4sse II. 80. Raumvorstellung durch das Sehen (siehe unter Sehen)\nReflektorische Hirubezirke I. 168.\nReflex als Erreger des Muskels I. 324. Reflexbewegung I. 139.\n\u2014\tCharakter ders. I. 141.\n\u2014 Theorie ders. I. 143. Reflexempfindung I. 148 u. 170.\nRegulator der thierisehen W\u00e4rme II. 483. Reis II. 384.\nReize des Nerven I. 95.\nRekonvaleszenz II. 456.\nResonnanz I, 269.\nResorption II. 141. Respirationsmechanismus II. 311.\nRetina I. 222.\n\u2014 Beharrungsverm\u00f6gen ders. I. 230. Rhythmus der Herzbewegung II. 64. Richtung des Blutstromes II, 86.\n\u2014\tdes H\u00f6rens I. 286.\n32","page":0},{"file":"z0012.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n498\nRichtungsstrahlen I. 200.\nRippengelenke I. 376.\nRoggen II. 384.\nR\u00fcckenmark I. 126. u. II. 207.\n\u2014 Bau dess. I. 126.\n\u2014\tchemische Zusammensetzung desselben II. 207.\n\u2014 Communikation der Nervenr\u00f6hren in demselben I. 143.\n\u2014 Erregbarkeit dess. I. 150.\n\u2014 Faserung dess. I. 127.\n\u2014\tgraue Masse dess. I. 138-\n\u2014 Gruppirung der Nervenr\u00f6hren in demselben I. 143 u. 149.\n\u2014\thintere Str\u00e4nge dess. I. 137.\n\u2014 Mittheilung der Erregung in demselben I. 139.\n\u2014 Physiologie dess. I. 130.\n\u2014 Seitenstr\u00e4nge dess. I. 138.\n\u2014\tvordere Str\u00e4nge dess. I. 136. R\u00fcckenmarksnerven I. 126.\nr\u2014 Mengenverh\u00e4ltniss ihrer hinteren und vorderen Wurzeln I. 133.\n\u2014\tmotorische Wurzeln derselben I. 131.\n\u2014\tsensible Wurzeln derselben I. 131. \u2014 Verbreitung derselben im Centralorgane I. 136.\n\u2014 Verbreitung derselben in der Peripherie I. 130.\n\u2014 Verbreitungsgesetze ders. I. 134.\n\u2014 Wurzelr\u00f6hren derselben I. 127. R\u00fcckenmarksschema, K\u00f6lliker's I. 128.\n\u2014\tSchilling\u2019s I. 129.\n\u2014\tVolkmanns I. 127.\nRuthe II. 281.\nS.\nS\u00e4ttigungsgef\u00fchl II. 376.\nSalze der Frauenmilch II. 293.\nSalze, kohlensaure I. 19.\n\u2014 phosphorsaure I. 21.\nSalzs\u00e4ure im Labsafte II. 247.\nSamen II. 278 u. 280.\nSamenbereitung II. 280.\nSamenblase, Bewegung ders. 1.179. II. 281. Samenf\u00e4den II. 279.\nSamenleiter, Bewegung ders, I. 179. Sauerstoff, erregter I. 17.\n\u2014\tim Blute II. 9.\n\u2014\tseine Funktionen im K\u00f6rper 1. 17. Sauerstoffaufnahme durch die Haut II. 355.\nSauerstoffaufnahme durch d. Lungen II. 343. Sauerstoffausgabe II. 453.\nSaugkraft der Lunge f\u00fcr das Blut II. 100.\n\u2014 des Herzens II. 89.\nS\u00e4ulengelenk I. 367.\nS\u00e4uren von der Formel C2U H(2n\u2014i) 08; HO I. 22.\nSchall I. 264.\nSchallfortpflanzung I. 265.\nSehallleitung zum Geh\u00f6rnerven I. 267.\n\u2014\tdurch die Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen I. 275.\n\u2014\tdurch die Kopfknochen I. 279.\n\u2014\tdurch die Paukenh\u00f6hle I. 268.\n\u2014\tin das Labyrinth I. 276. Schallwellen, L\u00e4nge ders. 1. 266. Sch\u00e4tzung der Entfernung durch das Auge\nI. 253.\n\u2014\tder Gr\u00f6sse durch das Auge I. 250, Scheiner\u2019s Versuch I. 209.\nSchlaf I. 256.\nSchlauchwellen II. 50.\n\u2014 Geschwindigkeit ders. II. 53.\n\u2014\tmittlere Spannung in dens. II, 53. \u2014 Theorie ders. II. 51.\nSchleimbeutel II. 184.\nSchleimdr\u00fcsen II. 240.\n-\u2014\tdes Magens II. 249.\nSchleimsaft II. 240.;\nSchleimstoff I. 48.\nSchliessungszuckung I. 325. Schlingbewegung I. 174.\nSchlingen II. 393.\nSchl\u00fcsselbeingelenke I. 376.\nSchlundkopf II. 392.\nSchmerz 1. 298.\n\u2014 Beharrung dess. I. 302.\n\u2014\texcentr. Erscheinungen dess, 1.301. \u2014 Oertlichkeit dess. .1. 300.\nSchrittdauer I. 411.\nSchrittl\u00e4nge I. 412.\nSchwankung der Pulsfrequenz II. 71.\n------\u2014 Einfluss des K\u00f6rperzustandes auf\ndies. II. 72.\n------\u2014 Einfluss der Nahrung auf dieselbe II. 71.\n---------Einfluss der Tageszeiten auf\ndies. II. 71.\nSchwefelcyansalze I. 22.\nSchwefels\u00e4ure Alkalien I. 22. Schwefels\u00e4ure im Harne II. 264.\nSchweiss II\u00bb 253.","page":0},{"file":"z0013.txt","language":"de","ocr_de":"Register,\n499\nSchweiss, Absonderungsgeschwindigk, desselben If. 253.\n\u2014 Bereitung dess. If 252. Schweissdr\u00fcsen II. 252.\nSchwerlinie I. 405.\nSchwerkraft, ihre Bedeutung f\u00fcr d. Blutlauf II. 103.\nSchwerpunkt des Gesammtk\u00f6rpers I. 405.\n\u2014 des Rumpfes I. 405.\nSchwindel I. 360.\nSclerotica I. 260.\nSecretionen II. 141.\nSeele I. 452.\n\u2014\tBeziehungen ders, zum Gehirn I. 454.\n\u2014\tSitz derselben I. 452.\nSehen I. 185.\n\u2014\tAufmerksamkeit bei dems. I. 240.\n\u2014\tBedingungen dess. I. 237.\n\u2014\tdeutliches I. 208.\n\u2014\tdirektes I. 237.\n\u2014\tEinfluss d. Muskelbewegung auf dass. I. 244.\n\u2014\tim Raume I. 240.\n\u2014\tindirektes I. 237.\n\u2014\tin verschiedene Ferne I. 206.\n\u2014\tmit zwei Augen I. 244.\n\u2014\tRaumvorslellungen durch dass. I. 240.\n\u2014\tRichtung dess. I. 241.\n\u2014\tSch\u00e4rfe dess. I. 237 u. 239.\nSehnen I. 388.\nSehnenscheiden II. 184.\nSehnerv (siebe nerv, optic.)\nSehstrahl I. 242.\nSehweite I. 209.\nSehwinkel I. 250.\nSeitendruck in Wasserstr\u00f6men II. 41. Selbsterregung I. 173.\nSensible Wurzeln d. R\u00fcckenmarkes (siehe unter R\u00fcckenmarksnerven).\nSer\u00f6se Fl\u00fcssigkeiten II. 182.\nSer\u00f6se H\u00e4ute II. 182.\nSerum II. 9.\nSirene I. 282.\nSkelett I. 362.\n\u2014 Muskeln dess. I. 388.\nSpannung des Blutes, abh\u00e4ngig von den Atbembewegungen II. 112.\n\u2014\tdes ruhenden Blutes II. 83.\n\u2014\tin den Arterien II. 110.\n\u2014\tin dem Blutstrome II. 108.\n\u2014\tin den Haargef\u00e4ssen II. 120.\nSpannung in dem Lungenkreisl\u00e4ufe II, 126.\n\u2014\tin den Venen II. 124.\n\u2014\tstr\u00f6mender Fl\u00fcssigkeiten II. 41. Spannungsabnahme bei vermindertem Zuflusse II. 122.\nSpannungsunterscbied im Blutgef\u00e4sssysteme II. 90.\nSpezifische Energien I. 96.\nSpeichel II. 235 u. 403.\n\u2014 Absonderungsgeschwindigkeit dess. II. 237.\nSpeichelbereitung II. 238.\nSpeicheldr\u00fcsen II. 234.\nSpeisen II. 379.\nSpeiser\u00f6hre II. 393. Speiser\u00f6hrenverk\u00fcrzung I. 178.\nSph\u00e4rische Aberration I. 196.\nSph\u00e4rische Abweichung des Auges I. 216. Spiegelung der Retina I. 220.\n\u2014\t\u2014\t\u2014 diffuse I. 221.\nSpiralen der Rumpfmuskulatur I. 401. Spirometrie II. 316.\nSpitzenstoss des Herzens II. 63.\nSprache I. 434.\nSprachwerkzeuge I. 413.\n\u2014\tNerven ders. I. 439.\nSt\u00e4bchenschicht der Retina I. 220.\nSt\u00e4rke der Licbtempflndung I. 228. Stearophanin I. 24.\nStearophans\u00e4ure I. 23.\nStehen I. 404.\nSteifung der Gelenke beim Stehen I. 406. Steigb\u00fcgel I. 273.\nStereoskop I. 251 u. 256.\nStickgas I. 18.\n\u2014 sein Verhalten zur Respiration II. 344. Stickstoff im Blute II. 9.\nStickstolfausgabe II. 453.\nStimmb\u00e4nder I. 418.\n\u2014 Spannung ders. I. 421.\nStimme I. 403.\n\u2014 Klang ders. I. 414.\n\u2014 Register ders. 414.\n\u2014 Reinheit ders. I. 415.\n\u2014 Resonnanz ders. I. 430.\n\u2014 St\u00e4rke ders. I. 415.\n\u2014 Theorie ders. I. 426.\n\u2014 Umfang ders. I. 414.\nStimmritze I. 418.\nStimmwerkzeuge L 413.\n\u2014 Nerven ders. I. 431,","page":0},{"file":"z0014.txt","language":"de","ocr_de":"500\nRegister.\nStoff\u00f6kononjie des Thieres II. 447. Stoffstr\u00f6mung bei gen\u00fcgender Nahrung II. 442.\n\u2014\tdurch den Thierleib II. 430. Strahlenbrechung im Auge I. 192.\n\u2014\tGesetze ders. I. 193.\nStrom, elektrischer I. 8.\n\u2014\t--- als Geschmackserreger I. 294.\n\u2014\t\u2014 die Erregbarkeit des Muskels\nver\u00e4ndernd I. 328.\n\u2014\t\u2014 die Nervenerregbarkeit zerst\u00f6-\nrend I. 107.\n\u2014\tin cylindrischen R\u00f6hren II. 39.\n\u2014\tin elastischen R\u00f6hren II. 47.\n-\tin gebogenen R\u00f6hren II. 42.\n\u2014\tin ungleich weiten R\u00f6hren II. 42.\n\u2014\tin verzweigten R\u00f6hren II. 44. Stromschwankung, negat. beim Nerven I. 92.\n\u2014\t\u2014 beim Muskel I. 337. Strychninkr\u00e4mpfe I. 150.\nStrychninl\u00f6sung, ihre Wirkung auf den\nNerven I. 107.\nSupinationsgelenk I. 378.\nSympathischer Nerv I. 175.\n\u2014\t\u2014 Anatomie dess. I. 175.\n\u2014\t\u2014 Anordnung der von ihm abh\u00e4n-\ngigen Bewegungen I. 182.\n\u2014\t\u2014 Einfluss dess. auf die Blutbe-\nwegung im Kopfe I. 178.\n\u2014\t\u2014 Empfindung vermittelnd I. 179.\n\u2014\t\u2014 Gr\u00e4uzen dess. I. 175.\n\u2014\t\u2014 Halstheil dess. I. 178\n\u2014\t\u2014 Lendentheil dess. I. 179.\n\u2014\t\u2014 Mittheilung der Erregung an\ndems. I. 180.\n\u2014\t\u2014 motorische Wirkungen dess.\nI. 177.\n\u2014\t\u2014 Physiologie dess. I. 176.\n\u2014\t\u2014 Reflexbewegung durch densel-\nben I. 180.\n\u2014\t\u2014 Reflex vermittelnd I. 179.\n\u2014\t\u2014 Riickentheil dess I. 178.\n\u2014\t\u2014 Sacraltheil dess. I. 179.\n\u2014\t\u2014 Stellung dess. zum Willen 1.184. Symphysen des Beckens I. 375. Syncbondrose I. 367.\nSynergie der Augenmuskeln I. 191. Synovia II. 184.\nT.\nTastk\u00f6rperchen I. 303.\nTaurin I. 33.\nTaurochols\u00e4ure I. 33.\nTauryls\u00e4ure I. 32.\nTemperatur, als Erreger d. Gef\u00fchls I. 298. Temperalurausgleichungen im Thierleibe II. 482.\nTemperaturbestimmung II. 460. Temperaturschwankung, mit Anstrengungen II. 465.\n\u2014\tmit dem Lebensalter II. 463.\n*\n\u2014\tmit dem SauerstoffVerbrauch I. 465.\n\u2014\tmit der Lufttemperatur II. 466.\n\u2014\tmit der Nahrung II. 463.\n\u2014\tmit der Tageszeit II. 462.\nTetanus electricus I. 326.\nThr\u00e4nenapparat I. 261.\nThr\u00e4nendr\u00fcse II. 240. Tibial-Fibular-Gelenk I. 385.\nTodtenstarre I. 345.\nTon l. 280.\nTonbildung, im Kehlkopfe I. 417.\n\u2014\tTheorie derselben I. 426.\nTonh\u00f6he I. 280.\nTonreihe, Grenzen ders. I. 281.\nTonst\u00e4rke I. 283.\nTonunterscheidung I. 285.\nTonus I. 152.\nTraubenzucker I. 30.\n\u2014\tin der Leber II. 218.\nTraum I. 456.\nTriebkr\u00e4fte, der Absonderung II. 144.\n\u2014\tdes Blutes II. 87.\nTrinkwasser II. 386.\nTrommelfell I. 269.\n\u2014\tSpannung dess. I. 272.\nTuba Eustachii I. 248.\nTyrosin in der Leber II. 219.\nU.\nUebung I. 451.\nUnterkiefergelenk I. 369.\nUreteren II. 275.\nUrin (siehe Harn).\nV.\nVas deferens II. 281.\nVenenhaut II. 78.\nVen\u00f6ses Blut, sein Unterschied vom arteriellen II. 348.\ni Verbreitung der R\u00fcckenmarksnerven in der Peripherie (siehe R\u00fcckenmarksnerven).","page":0},{"file":"z0015.txt","language":"de","ocr_de":"Register.\n501\nVerbrennung im thierischen K\u00f6rper I. 17.\n-i\u2014 Quelle der thier. W\u00e4rme II. 468. Verbrennungsw\u00e4rme organ. Stoffe II. 469 Verdaulichkeit der Nahrungsmittel II. 379.\n\u2014\tder Speisen f\u00fcr den Magen II. 410. Verdauung, Chemismus ders II. 402.\n\u2014 Mechanismus ders. II. 389. Verhungern II. 431.\nVerkn\u00fcpfung der Ger\u00fcche I. 291. Verk\u00fcrzter Muskel I. 323.\n\u2014 Elastizit\u00e4t dess, I. 334. Verletzung einzelner Hirntheile I. 170. Vermischung d. Geruchsempfindungen 1.291. Vitalismus I. 2.\nVokale I. 436.\nVolum des Brustraumes , unver\u00e4nderliches\nII. 315.\n\u2014\t\u2014\t\u2014 ver\u00e4nderliches II. 315.\nVolum\u00e4nderung der Eiuathmungsluft I. 345.\nW.\nWachsthum II. 454.\n\u2014\tder Knochen II. 196. Wandungen der Gef\u00e4sse II. 75.\nW\u00e4rme, allg. Bedeutung ders. I. 5.\n\u2014\tals Erreger des Muskels I. 324.\n\u2014\td. Nervenerregbark. zerst\u00f6rend I. 107.\n\u2014\tthierische II. 459. W\u00e4rmeeigenschaften d. Muskels 1.321 u.339. W\u00e4rme\u00f6konomie einzelner Organe II. 479. W\u00e4rmeregulatoren II, 483.\nW\u00e4rmesinn I. 309.\nW\u00e4rmestarre I. 345.\nW\u00e4rmestr\u00f6mung durch d. Thierleib II. 475. W\u00e4rmeverluste II. 473.\nW\u00e4rmeverlust durch Verdunstung II. 484. Wasser des Blutes II. 9.\nseine Bedeutung f\u00fcr das Leben im Allgemeinen I. 18. Wasserausscheidung II. 451.\ndurch die Haut II. 354. Wasserentbehrung II. 437.\nWassergehalt der Atmosph\u00e4re II. 300.\n\u2014\tder Frauenmilch II. 293.\nWassergehalt des Harnes II. 268. Wasserstoflfausgabe II. 452. Wasserstoffgas I. 18.\nWeizen II 383.\nWellen in den grossen Arterien II. 93. Wellenbewegung im elast. Rohre II. 48. Wellenzeicbner II. 85.\nWiderstand gegen Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6me II. 41. Willen, als Erreger des Muskels I. 324.\n\u2014\tmechanische Leistung dess. I, 449. Willk\u00fchr I. 446.\n\u2014\tmechanische Leistung ders. I. 449. Wirbel, schiefe Forts\u00e4tze ders. I. 373. Wirbelgelenke I. 370.\nWirbels\u00e4ule, Beweglichkeit ders. I. 374.\nZ.\nZ\u00e4hne II. 199.\n\u2014 Ern\u00e4hrung ders. II. 200.\nZellen, Entstehung ders. II. 163.\n\u2014 Theorie ders. II. 160.\n\u2014 Ver\u00e4nderungen ders. II. 162. Zejlhaut der Gef\u00e4sse II. 77. Zergliederung, mechanische einer Lebenserscheinung I. 1.\nZerrung, die Vervenerregbarkeit zerst\u00f6rend I. 108.\nZerstreuungsbilder I. 215. Zerstreuungskreise I. 208.\nZotten des Darmes II. 418.\t.\nZucker im Blute II. 5.\nZuckerarten I. 29.\n\u2014\tphysiologische Bedeutung ders. 1.31. Zuckerg\u00e4hrung durch den Speichel II. 403. Zuckergehalt der Frauenmilch II. 292. Zuckung, paradoxe I. 83.\n\u2014 sekund\u00e4re I. 338.\nZunge, ihre Tb\u00e4tigkeit bei der Verdauung II. 389.\nZusammensetzung des Blutes II. 1. Zusammenziehung der Herzkammern II. 89, \u2014\tder\tHerzvorh\u00f6fe II. 88,\nZwangsbewegungen I 170.\nZwischen wirbelb\u00e4nder I. 371.","page":0},{"file":"z0016.txt","language":"de","ocr_de":"Gedruckt bei E. Folz in Leipzig.","page":0}],"identifier":"lit1307","issued":"1856","language":"de","pages":"486","startpages":"486","title":"Lehrbuch der Physiologie des Menschen","type":"Book","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:14:06.831477+00:00"}