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{"created":"2022-01-31T12:58:03.465910+00:00","id":"lit1370","links":{},"metadata":{"alternative":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig","contributors":[{"name":"Hafiz, Mohammed E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig: 95-112","fulltext":[{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die motorischen Nerven der Arterien, welche innerhalb der quergestreiften Muskeln verlaufen.\nVon\nMohammed Eftendi Ha\u00fcz.\nMit einem Holzschnitt.\nDer Bau und die Lebenseigenschaften der quergestreiften Muskeln lassen erwarten, dass ihr Blutstrom einige Eigenth\u00fcm-lichkeiten vor dem in andern K\u00f6rpertheilen voraus habe. So erscheint es unzweifelhaft, dass die Dimensionen der Gef\u00e4sse selbst je nach der Erschlaffung oder der Verk\u00fcrzung der Muskelfasern sich andern; denn die Gefasse, welche der Lange des Muskels parallel verlaufen, werden bei der Zusammenziehung sich verk\u00fcrzen und die senkrecht auf diese Richtung ausgestreckten werden bei dem Uebergang desselben aus der Erschlaffung in die Verk\u00fcrzung ausgedehnt werden. Da sich die Muskeln, welche von Fascien umschlossen sind, wahrend der Zusammenziehung erh\u00e4rten, so worden auch voraussichtlich die Raume zwischen den Muskelr\u00f6hren mit merklicher Gewalt zu-sammengepresst, so dass das oindringendo Blut gr\u00f6ssere Widerstande findet und das in den Venen vorhandene ausgepressl wird. \u2014 Demnach w\u00fcrde durch den zusammengezogenen Muskel weniger Blut lliessen als durch den ruhenden. Nach den chemischen Lchcnausscrungcn des zusammongezogenon Muskels darf man aber das gerade Gegentheil erwarten ; denn weil er mehr Kohlens\u00e4ure entwickelt und mehr Sauerstoff verbraucht, so sollte doch auch der zusammcngczogcnc Muskel mehr Blut empfangen haben als der ruhende.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"Moiiammrd Efffniu Hafiz,\n[216\n\u00abMi\nDie Beobachtung des Blulstroms am lebenden Muskel, die allein entscheiden kann, welche von beiden Annahmen das Richtige trifft, hat zwar streng genommen gegen beide entschieden, jedoch so, dass den chemischen Anforderungen mehr als den mechanischen gen\u00fcgt wird. An den lebenden Muskeln, die entweder an ihrem nat\u00fcrlichen Standort, oder ausgeschnitten, durch den nat\u00fcrlichen oder durch den k\u00fcnstlichen Blulslrom gespeist wurden, haben Sczelkow, Al. Schmidt, W. Sadler und J. Genersich im hiesigen Laboratorium der Reihe nach ermittelt: 1. Bei normalem Blutdruck flicsst durch den ruhenden Muskel im Verh\u00e4llniss zur Zahl seiner Capillaren und dem Umfang seiner Arterien und Venen wenig Blut. 2. Wenn ein Muskel nach l\u00e4ngerer Ruhe in einen vor\u00fcbergehenden Tetanus versetzt wird, so steigt die Geschwindigkeit seines Blutstromes an ; und zwar entweder mit dem Eintritt des Tetanus oder auch nach Beendigung desselben mit der Wiederherstellung des erschlafften Zustandes. Dieser beschleunigte Strom h\u00e4lt jedoch nur kurze Zeit an und bietet w\u00e4hrend seines Bestehens bedeutende Schwankungen dar. Wird rasch auf einander der telaniscbe Anfall mehrmals erzeugt, so nimmt mit jedem folgenden die Beschleunigung des Blutstroms ab, so dass schliesslich auch F\u00e4lle erscheinen , in welchen w\u00e4hl end den Contraction der Blulslrom langsamer ist, als in der Ruhe. \u2014 3. Wenn das Blut unter h\u00f6herem Druck durch den Muskel str\u00f6mt, so h\u00f6rt die Beschleunigung des Stroms, welchen dieser h\u00f6here Druck bei seinem Eintritt hervorgerufen, nach einigcrZeil auf; kehrt man alsdann zu einem niederen Druck zur\u00fcck, so pflegt dieser eine bedeutend geringere Geschwindigkeit des Stroms zu erzeugen, als er es vor der Anwendung des h\u00f6heren Druckes vermochte. \u2014 4. Umgekehrt kann ohne Aenderung des Druckes eine geringe Geschwindigkeit in eine gr\u00f6ssere verwandelt werden, wenn man den Slrnm f\u00fcr einige Zeit ganz unterbricht. Nach Wiederherstellung des letzteren lliessl das Blut viel reichlicher als vor der Unterbrechung desselben. Diese Beschleunigung pflegt ebenfalls nur kurze Zeit zu bestehn. \u2014 !i. Die Unterschiede der Stromgc-schwindigkeit, welche hier erw\u00e4hnt werden, k\u00f6nnen sehr bedeutende Werlhc annehmen. Da diese Aenderungen des Stroms, wie ersichtlich , nicht aus den Umformungen zu verstehn sind, welche die Gef\u00e4sse durch die Erschlaffung und Zusammenziehung der Muskelmassen erfahren, in denen sie sich verbrei-","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"')M7| Ukiirk iiir aiotokisciikn Nriivfn dkii Aiitkiiikn de.\n\u00bb7\nlen, so isl inan bei dem Versuche sie zu erkl\u00e4ren auf die Muskeln und Nerven der Gef\u00e4sswand selbst angewiesen. Unter der letzteren Voraussetzung werden die starken Unterschiede der Str\u00f6mung aber nur dann begreiflich sein, wenn man sehr bedeutende Aenderungen in dem Durchmesser der Gefilsse voraussetzen darf. Insofern sich also jene Variationen der Lichtungen, wie es in der Thal der Fall, bei demselben Blutdruck ereignen sollen, muss den Wandungen der Gef\u00e4sse ein grosser Spielraum der Nachgiebigkeit zugeschrieben werden. Mit dieser Forderung stimmt nun auch die anatomische Erfahrung \u00fcberein, dass die Arterien der quergestreiften Muskeln von einer verhiillnissm\u00e4ssig sehr starken Ringfaserschicht umgeben sind.\nDie Ursachen f\u00fcr den jedesmaligen Verk\u00fcrzungsgrad der arteriellen Ringfasern k\u00f6nnen nun ebensowohl gelegen sein in Erregungen, die vom verl\u00e4ngerten Mark ausgehn, als auch in solchen, die unmittelbar auf die Gef\u00e4sswand selbst wirken. Dass dieser letztere Ort von dem Reize zun\u00e4chst ergriffen werden kann, steht ausser aller Frage f\u00fcr alle die in der vorstehenden Aufz\u00e4hlung enthaltenen F\u00fclle, in welchen die Aenderungen des Blutslroms an Pr\u00e4paraten vorkamen, bei welchen das Gehirn und R\u00fcckenmark auf das beobachtete Stromgebiet g\u00e4nzlich ein-llusslos sein mussten, entweder weil die genannten Centrallheile g\u00e4nzlich fehlten, oder weil die Nerven, welche den betreifenden Muskel versorgen, durchschnitten waren. \u2014 Um nun auch in den F\u00e4llen, in welchen der Hirneinfluss nicht ausgeschlossen war, \u00fcber seine wirklich stnltfindendo Beiheiligung ins Klare zu kommen, wares nolhvvendig neue Vorsuche anzuslellen, welche jedoch nur dann mit einiger Aussicht auf ein Gelingen unternommen werden konnten, wenn man sich \u00fcber den Verlauf und die Reizbarkeitserscheinungen der motorischen Nerven ins Klare gebracht hatte, welche die Arterien innerhalb der Muskeln versorgen.\nDa die quergestreiften Muskeln einen sehr grossen Tlieil unserer K\u00fcrpermasse ausmachen , da sie ferner zu den gof\u00e4ss-rcichslen Organen z\u00e4hlen , so isl auch der Blulslrom durch sie einer der wesentlichsten Theile des gesammlen Kreislaufes, und dosshalb schien es statthaft, meine Zeit der eben gestellten Aufgabe zuzuwenden. Bei ihrer Ausf\u00fchrung halle ich mich der Beih\u00fclfe des Herrn Prof. C. Ludwig zu erfreuen.\nDa bekanntlich alle Gef\u00e4ssnerven ihren Ursprung aus dem\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nMohammed Ei-tkndi Hafiz,\n[2)8\nR\u00fcckenmark nehmen und da fernerhin jede Reizung des R\u00fcckenmarks auf die Gef\u00fcssnerven geradeso wirkt, als wenn ein Stamm derselben ausserhalb des R\u00fcckenmarks ergriffen worden w\u00e4re, so schien es mir, bei unserer Unbekanntschaft mit dem Laufe der Gef\u00fcssnerven quergestreifter Muskeln ausserhalb des R\u00fcckenmarkes der sicherste Weg, das R\u00fcckenmark selbst zu reizen, um \u00fcber die Eigenschaften der genannten Gef\u00fcssnerven Aufschluss zu erhalten. Das Verfahren, das ich in Anwendung brachte, war das folgende.\nI. In einer ersten Versuchsreihe kamen Hunde und Kaninchen zur Verwendung, welche entweder unvergiftet oder auch mit Curare bis zur vollst\u00e4ndigen L\u00e4hmung der Skeletmuskeln vergiftet waren. Zu diesem letztem Mittel griff ich darum, weil dasselbe, wenn es nicht in zu hohen Dosen gegeben wird, die Gef\u00fcssnerven nicht l\u00e4hmt, w\u00e4hrend es die Skeletmuskeln selbst dem Nervenreiz unzug\u00e4nglich macht. An einem Thiere von solcher Beschaffenheit durfte man demnach hoffen die Wirkungen der Gef\u00fcssnerven rein hervortreten zu sehen, da die St\u00f6rungen ausfielen, welche nach Sadler in den Blutstrom der zusammengezogenen Muskeln eintreten. Nachdem die Vergiftung geschehen und die k\u00fcnstliche Athmung eingeleitet war, durchschnitl ich das R\u00fcckenmark zwischen dem Hinterhauptsbein und dem Atlas. Hierauf bohrte ich einen starken Stahlstift durch den Bogen des Atlas bis zu dem gegen\u00fcberliegenden Wirbelk\u00f6rper und ebenso einen zweiten Stift durch das untere Ende des zweiten Halswirbelbogens, der ebenfalls das Mark durchsetzte. Diese Stifte ragten so weit Uber die Haut hervor, dass jeder eine Klemme aufnehmen konnte, welche mit der secund\u00e4ren Rolle des bekannten Schlittenapparates in Verbindung stand. Um den elektrischen Strom von den Muskeln und der Haut abzuhallen , wurde jeder derselben so weit mit einem St\u00fcck von Guttapercha \u00fcberkleidet, als derselbe durch die genannten Woichlheile hindurchging. War dieses vorbereitet, so wurde nun eine (handle in eine der beiden Carolidon eingef\u00fchrl und diese mit dem rcgislrircmlen Manometer in Verbindung gebracht. Diese letztere Maassregel ward ergriffen, um ein Kennzeichen f\u00fcr die Wirksamkeit der Reizung zu gewinnen, welche auf die Gef\u00fcssnerven beabsichtigt war. Nachdem auch dieser Theil der Operation ausgef\u00fchlt war, wurden Muskelarterien blossgelcgt. In den ersten Versuchen w\u00e4hlte ich Arterien des","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"219]\tUnit tut dir motoiiischkn Nkrvkn dkii Artrribn etc.\n\u00bb9\nOberschenkels, in den spiitercn solche des Vorderarms aus. Da die grossen Arterien der Gliedmassen in der Regel von den Muskeln bedeckt werden, so dringen auch die Aeste und Aest-chen in das Muskelfleisch nicht von der Seite der Haut, sondern von der des Knochens her ein. Man muss desshalb, um zu den Muskelarterien zu gelangen, die Muskelhauche Zur\u00fcckschlagen, unter Umst\u00e4nden die Ansatzpunkte der Sehnen an die Knochen durchtrennen , kurz Operationen ausf\u00fchren , welche unter Umst\u00e4nden wie z. B. am M. biceps femoris keineswegs f\u00fcr den Blutslrorn in den betreffenden Theilen gleichg\u00fcltig sind. Der gr\u00f6sseren Zahl der ger\u00fcgten Uebelst\u00e4ndc entgeht man bei der Benutzung derjenigen Zweige der Art. ulnaris, welche in dem Ellenbug zu den eng aneinander gelegten Muskeln f\u00fcr die Beugung der Hand und Zehen gehn. An diesem Orte kann man nach einem massig langen Schnitt durch die Cutis und die Fascia antibrachii sogleich mit einem Scalpellstiel die Muskelb\u00e4uchc nahe an ihrem obern Ursprung auseinander schieben und dadurch zu dem grossen Muskelast der A. ulnaris gelangen. Von hier aus sieht man Zweige von sehr verschiedenen Durchmessern bis zu solchen von kaum sichtbarer Gr\u00f6sse herab vor sich liegen, deren CaliberHnderungen ebensowohl mit blosem Auge als mit der Lupe zu verfolgen ist. Jeder sorgsame Beobachter wird aber bald bemerken, dass die Beurlheilung von Aenderungen des Durchmessers so kleiner Gef\u00e4sse sehr schwierig, ja \u00fcberhaupt nur dann m\u00f6glich ist, w\u2019enn dieselben sehr rasch aufeinander folgen, oder bis zum Verschwinden der Gef\u00fcsslichtung forlschreiten, wobei die rolhe Farbe der Arterie ausl\u00f6schl, oder im Verlaufe eines Gef\u00fcsses nur theilweise eintrelen , so dass perlschnurartig, enge und weite Schnitte wechseln, oder endlich wenn sic cs bedingen, dass Arterien, welche bis dahin pulsirlon, pulslos werden und umgekehrt bis dahin pulslose zu pulsircn anfangen.\nDa nun aber die eben als sicher aufgeslelllen Merkmale keineswegs immer sichtbar sind, so ergriff ich f\u00fcr gew\u00f6hnlich noch ein anderes Mittel, um mir \u00fcber die Aenderungen des Hint\u2014 Stroms Aufschluss zu verschaffen. Dieses bestand darin, dass ich einen Muskelbaiieh und zwar im rollten Fleisch desselben senkrecht gegen seine Fasern durchschnill. Wenn auf einem solchen Durchschnill eine gr\u00f6ssere stark blutende Arterie durchschnitten war, so unterband ich dieselbe, um das Uriheil durch","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nMoII.OIMKI) EfFKNIII IIaFIZ\n[220\n<las nuf di\u00bb; Wundll\u00e4clit\u2019 ergossene Blut nicht tr\u00fcben zu lassen. Solche Muskelvvunden, dit! mit Vermeidung gr\u00f6sserer Arterien angelegt sind, bluten in der Regel \u00e4usserst wenig, und es kann desshalb mit Sicherheit entschieden werden, ob die Blutung in Folge eines hinzugetrelenen Umstandes vermehrt oder vermindert sei.\nII.\tIn anderen Versuchen vervollst\u00e4ndigte ich die bisher beschriebene Vorbereitung noch dadurch, dass ich den Plexus brachialis hoch oben in der Achselh\u00f6hle aufsuchte und durchschallt und das periphere Ende desselben mit einem Faden umschlang. Hierdurch war mir Gelegenheit gegeben, gleichzeitig den Plexus mit dem R\u00fcckenmark zu reizen, wenn ich n\u00e4mlich neben den Elektroden, die am R\u00fcckenmark sassen, auch noch zwei andere an die durchschnittenen Nerven ansetzte, oder aber, indem ich das Letztere unterliess, die Reizung aller \u00fcbrigen Nerven mit Ausnahme derjenigen vorzunehmen, welche iD dem durchschnittenen Norvcnge\u00fcechl verliefen.\nDa das Curare nicht ganz ohne Einfluss auf die Lebens-eigenschaften der Gef\u00e4ssnerven ist, so unternahm ich auch Versuche , wie die eben beschriebenen an Hunden und Kaninchen, die nicht mit Curare vergiftet waren, um dem Einwand vorzubeugen, dass die negativen Resultate auf die Rechnung der Vergiftung zu schieben seien. Die Anwendung unvergifteter Hunde hat jedoch ihre grossen Nachlheile, weil bei jeder intensiven Reizung des Halsmarkes alle Muskeln des ganzen K\u00f6rpers lela-niscli werden. Hierdurch werden erstens viele Arlerienst\u00e4mme gepresst und zweitens die Str\u00f6mungen innerhalb des Muskel-lleisches selbst auf die von Sudler beschriebene Weise geiinderl. Man bleibt darum bei dieser Methode nur auf die Beobachtung von S\u00fcimmchen angewiesen, welche frei zwischen den Muskeln laufen.\nIII.\tIn den Beobachtungen, welche nach dein bis dahin beschriebenen Plane ausgef\u00fchrt wurden, konnte nat\u00fcrlich nur eine besrhr\u00e4nkle Zahl von Arterien auf ihr Verhallen wahrend der It\u00fcokonmarksrcizung untersucht werden. Zudem waren die bol rach loten Arterien durch ihre Blosslegung in Verh\u00e4ltnisse gebracht, welche an und f\u00fcr sich schon Veranlassung zu Contradiction der Wand geben konnten. Desshalb schien es w\u00fcn-sohonsworlh, noch auf eine andere Weise den Zustand der Muskelarterien w\u00e4hrend der R\u00fcckenmarksreizung zu pr\u00fcfen.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"221] UeiiKR MK MOTORISCHEN NkhVKN DER ARTERIEN OlC. 101\nHier bot sich nun als ein einzuschlagender Weg die Ermittlung der Blulmenge dar, welche durch eine gr\u00f6ssere vorzugsweise in Muskelzweige zerfallende Arterie vor und wahrend der R\u00fccken-marksreizung flicsst. Wenn die Muskelarterien wahrend der letztem sich nicht verengten, so war zu erwarten, dass der Blutstrom durch die Muskeln wahrend der R\u00fcckenmarksreizung viel rascher str\u00f6mte als vor derselben, weil der Druck des Blutes zu jener Zeit sehr gewachsen war. Blieb dagegen die Geschwindigkeit unver\u00e4ndert oder minderte sie sich gar, so war auch auf eine Verengung der Muskelarlerien zu schliessen. Dieses eben geschilderte Princip gewahrt offenbar den Vortheil, dass gleichzeitig der Zustand der Arterien in grossen Abschnitten gepr\u00fcft wird und dass die gepr\u00fcften Arterien in durchaus nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen verbleiben. Um das Vorhaben zur Ausf\u00fchrung zu bringen, setzte ich in die A. cruralis, bevor dieselbe ihre Zweige zu den Muskeln des Oberschenkels abgiebt, die Slromuhr und mass das durch dieselbe gehende Blutvolumen vor, wahrend und nach Reizung des durchschnittenen R\u00fcckenmarks. Da die A. cruralis nur Haut- und Muskelzweige (von den kleinen Knochenartcrien abgesehen) abgiebt, und da ferner bei der R\u00fcckenmarksreizung die Hautartcrien ganz geschlossen oder mindestens sehr verengt werden, so konnte aus der Ver\u00e4nderung, welche die Slromgeschwindigkeit wahrend der R\u00fccken-marksreizung erlitt, auf den Zustand der Muskelarlerien des ganzen Schenkels geschlossen werden. Von diesen m\u00fchsamen Versuchen kann ich leider nur einen gelungenen vorfuhren. \u2014 Da das angeslrebte Ziel mittelst der Stromuhr nur mit Schwierigkeit zu erlangen war, so versuchte ich es auch ohne sie mein Vorhaben zu erreichen. Hiebei ging ich von folgender Betrachtung aus. Gesetzt das Herzende der gef\u00fcllten Aorta werde fest verschlossen, so'w\u00fcrde sie ihren Inhalt und zwar so weil in die Venen ergicssen, bis der Druck hier und dort derselbe w\u00e4re. Dazu w\u00fcrde eine gewisse Zeit, wir wollen sagen die Ausglei-ehungszeil, n\u00f6lhig sein. Die Geschwindigkeit, mit welcher das llliil die Aorta verlasst, wird sich w\u00e4hrend der ganzen Dauer dieser Zeit nicht gleich bleiben, sondern sie wird von Augenblick zu Augenblick kleiner werden, thcils weil mit jedem Tr\u00f6pfchen, das von der Aorta zu den Venen \u00fcbergeht, der Driickunlerscliied zwischen den beiden Gef\u00e4ssrilumon geringer wird, thcils aber weil mit der Minderung des Drucks sich die Verbindungswege","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nMoiiammiw Em;Nm Hafiz,\n[222\nzwischen Arterien mul Venen verengen. Dachten wir uns nun die wiihreiid der Ausgleichungszeit aufeinander folgenden Geschwindigkeiten als Ordinaten auf die Abscisse der Zeit aufgetragen , so w\u00fcrden wir eine Curve erhalten, deren Ordinaten vom beginn bis zum Ende der Ausgleichungszeit im Allgemeinen von einem bestimmten Worlho bis zur Null abnehmen w\u00fcrden. Aehnlich wie durch cine Curve der ver\u00e4nderlichen Geschwindigkeit wird der Vorgang des Ausstr\u00f6mens auch durch eine solche des ver\u00e4nderlichen Druckes dargestellt werden k\u00f6nnen, welche das Gegenbild der zuerst genannten ist. Dieses leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die Geschwindigkeit durch die aus dem Gefiiss ausgeflossenen Volumina, der Druck dagegen durch die in ihm vorhandenen angegeben wird. So lange cs sich also nur um Vergleichung proportionaler Werthe handelt, wird cs gleichg\u00fcltig sein, ob wir zur Charakteristik die Reihenfolge der Geschwindigkeiten, oder die des Drucks f\u00fcr die Zeit darstellen k\u00f6nnen, unter welchen sich die Aorta und ihre Zweige entleeren. F\u00fcr unseren Zweck ist es geeigneter, statt der Curve der Geschwindigkeiten die der Dr\u00fccke im Auge zu behalten, ln ihr ist die H\u00f6he der Ordinalen gleichbedeutend mit dem F\u00fcl-lungsgrad der Gefiissc, und der Unterschied der H\u00f6he zweier um die Zeiteinheit voneinander abstehender gleich dem Volum, welches indess ausgeslr\u00f6ml ist; mit andern Worten die Steilheit des Abfalls ist ein Kennzeichen f\u00fcr die Enlleerungsgeschwin-digkeil. \u2014 Die physischen Bedingungen, welcho bei gleichen Dimensionen und bei gleichen elastischen Eigenschaften der Gefiisswand die Steilheit der Curve bestimmen, sind, wie schon oben angcdeulel, der F\u00fcllungsgrad der Gef\u00fcsse und die Zahl und die Weite der Abflussrohren. Wenn also zwei Curven, die rasch hintereinander von demselben Gefiissc gewonnen wurden, entweder durch die absoluten Werthe der Il\u00fchcn oder durch den Grad ihrer Steilheit sich voneinander unterscheiden, so k\u00f6nnen wir aus diesen Unterschieden sichere Aussagen \u00fcber den physischen Zustand der Gebisse zu jenen Zeilen machen. Wenn z. H. mit der Ausgleiehungszeil die beiden Curven auf derselben Ordinale beginnen, die eine aber steiler als die andere abfiilll, so dass sie den Nullpunkt der Geschwindigkeit rascher erreicht als die andere, so w\u00fcrden w\u00fchlend des weniger steilen Abfalls die Ausllusswege enger oder weniger zahlreich als wahrend des steilem gewesen sein.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"SS\u00e4] UmiKR IHK MOTOIUSCIIKN Nkrvbn nmt Ahtkrikn olc. 103\nDor Versuch, welcher uns nach dom oben vorgologten Pinne Auskunft Uber den Zusland der Gebisse vor und w\u00e4hrend der R\u00fcckenmarksreizung geben soll, gestaltet sich sehr einfach. Man setzt ein Manometer in die Carotis, lilsst seinen Schwimmer auf einem mit bekannter Geschwindigkeit abgewinkelten Papierstrei-fen die Curvcn dos Blutdrucks schreiben und reizt dann den N. vagus bis zum Herzstillstand, und zwar einmal mit und das andre Mal ohne gleichzeitige Tetanisirung des B\u00fcckenmarkes. Die beiden Curven, welche man erhalt, werden schon in den meisten F\u00fcllen entscheidend sein f\u00fcr die Frage, zu welcher Zeit die Gef\u00fcsse am meisten verengt waren, trotzdem dass das Absinken bei gleichzeitiger Reizung des N. vagus und des R\u00fcckenmarks von einer viel hohem Ordinate anf\u00fcngl als bei ausschliesslicher Reizung des N. vagus. Sollte noch ein Zweifel bleiben, so ist es auch leicht, den Unterschied der Anfangscoordinalcn wegzuschaffen, indem man wahrend fortdauernder R\u00fcckenmarksreizung die des Vagus auf einen Moment unterbricht, wenn der Druck in Folge einer langen Pause schon tief herabgegangen. Der in Folge des unterbrochenen Reizes cintretende einmalige Herzschlag pflegt dann den Druck auf eine H\u00f6he zu heben, welche der normalen, ohne R\u00fcckenmarksreizung vorhandenen nahe kommt.\nVorausgesetzt cs seien wahrend der R\u00fcckenmarksreizung die kleinen Arterien insgesamml geschlossen gewesen, so w\u00fcrde sich der Blutdruck w\u00e4hrend des Herzstillstandes unver\u00e4ndert erhalten haben , gesetzt aber die R\u00fcckenmarksreizung w\u00e4re f\u00fcr einzelne kleine Arterien unwirksam gewesen, so w\u00fcrde der Blutdruck auch wahrend der Ilerzpause abnehmen. Mil einem Wort, man konnte auch hier aus der Geschwindigkeit, mit welcher der Blutdruck absinkt, einen Schluss auf die Weite der Abllusswego machen. Da nun unzweifelhaft feststeht, dass die Haut- und Untcrleibsarterien w\u00e4hrend der Reizung fast vollst\u00e4ndig verschlossen werden, so mussten die Muskclarlorien zum mindesten der Hauptsache nach als die etwa noch vorhandenen Abllusswego angesehen wurden.\nZu allen bisher geschilderten Versuchen rathe ich vorzugsweise junge Thiere zu verwenden, und namentlich insofern man Hunde w\u00e4hlt nur junge. Aellero ertragen die Durchschneidung des Markes nicht; und die Gcf\u00e4ssnorven aller \u00e4lteren Thiere sind viel weniger reizbar als die der j\u00fcngeren.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nMoiiammkd Effunui Hafiz,\n[224\nGest\u00fctzt auf dio Versuche, welche ich nach den beschric-benen Verfnhrungsarten angestellt habe, halte ich mich ftlr berechtigt zur Aufstellung folgender S\u00fclze.\nI. W\u00e4hrend einer tetanischen Reizung des R\u00fcckenmarkes kommt es vor, dass sich die contractilen Ringfasern der Muskcl-arlcrien zusammenziehn. Somit stehen die Nerven der genannten Gefassc in einer \u00e4hnlichen Beziehung zum gereizten Hirn-und R\u00fcckenmark wie die aller \u00fcbrigen Arterien. Diese Abh\u00e4ngigkeit ist jedoch keineswegs eine so innige, wie sie bei andern Arterien, z. B. denen der Haut und der Unlerleibseingeweide, angelroffcn wird, ln den zuletzt erw\u00e4hnten Organen verengen sich die Arterien jedesmal und so oft, als das noch erregbare R\u00fccken-, mark gereizt wird, in den Muskeln dagegen geschieht dieses durchaus nicht jedesmal. In den mit Curare vergifteten Thieron habe ich niemals eine von der R\u00fcckenmarksreizung abh\u00e4ngige Verengerung der Muskclarterien gesehen, obwohl alle \u00fcbrigen Arterien sich zusammen zogen, wie dieses Ihcils der Anblick einzelner blossgelegter Gef\u00e4sse und theils die bedeutende Steigerung des Rlutdrucks nachwiesen.\n2. Die Nerven der contractilen Ringe um die Muskelartcricn erm\u00fcden ungemein leicht, denn selbst die wenigen Male, wo an ihnen auf Reizung des R\u00fcckenmarks ein positiver Erfolg sichtbar war, trat derselbe doch nur sehr vor\u00fcbergehend ein. Die Mus-kelarterien waren l\u00e4ngst schon wieder in die Erweiterung eingetreten, als noch andere Arterien fort und fort in der Zusam-mcnzichung verharrten, beziehungsweise bei jeder neuen Reizung in dieselbe eintraten, was durch den hohen Blutdruck bewiesen wurde, welcher w\u00e4hrend der Reizung des R\u00fcckenmarks eintrat und diese \u00fcberdauerte.\nBei der Auseinandersetzung der Methoden habe ich schon darauf hingewiesen, dass es h\u00e4utig unm\u00f6glich ist, durch die Be-Iraehtung der Arlcricnsl\u00e4mmehen Gewissheit \u00fcber die Aendo-rungen ihres Durchmessers zu gewinnen. Wo uns dieses Vorfahren im Stich l\u00e4sst, da kann man durch die Anlegung eines Muskel<|iicrschiiiltcs die (loherzcugung gewinnen, dass die K\u00fcrkenmarksreizung in der Regel keine Verengung der Muskel-arlerien zu bewirken vermag.\nEine Verwundung des Muskels bedingt, vorausgesetzt dass keine gr\u00f6ssere Arterie getroffen wurde, in der Regel keine oder eine nur sehr m\u00e4ssige Blutung. Diese tritt aber sehr merklich,","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"2\u00a35] Ueiier oie motorischen Nerven der Arterien etc. 105\njii h\u00e4ufig sehr stark ein, wenn das R\u00fcckenmark gereizt wird. Die Reichlichkeit, in der sie eintritt, pflegt von der Gr\u00f6sse des Blutdrucks abzuh\u00e4ngen, welche durch die R\u00fcckenmarksreizung hervorgebrachl wird. Je mehr sich derselbe erhebt, je mehr sich also die Arterien der Cutis und der Eingeweide verengen, um so st\u00e4rker blutet die Muskelwunde, und diese Blutung h\u00e4lt so lange an, als der Blutdruck \u00fcber sein gewohntes Maass erh\u00f6ht bleibt. Dieser einfache und lehrreiche Versuch beweist auf das Klarste, wie sehr das Verhalten der Arterien, die den Muskel versorgen, von demjenigen abweicht, welches die entsprechenden Gebisse der Haut und der Eingeweide durchziehen.\n3. Mit den eben gemeldeten, aus der unmittelbaren Betrachtung der Arterien gesch\u00f6pften Thatsachen sind in voller Uebcrcinstimmung die Erfahrungen , welche ich aus der Strom-gesehwindigkeit in den grossen St\u00e4mmen der Muskelarterien gewann. Als die Stromuhr im Lumen der A. cruralis sass, str\u00f6mte das Blut vor der Reizung mit miissiger Geschwindigkeit durch dieselbe. Als darauf das R\u00fcckenmark gereizt wurde und in Folge hiervon der Druck in der Aorta merklich anstieg, vermehrte sich die Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte und sank, als die Reizung beendet war, allm\u00fchlig auf den allen Werth zur\u00fcck. In Zahlen ausgedr\u00fcckt, fl\u00f6ssen jedesmal 6 C.-Cm. durch die Art. cruralis vor der Reizung des R\u00fcckenmarks in 11.9\u201413.4\u2014l.'i \u20146.8\u20148.0 Secunden. \u2014 W\u00e4hrend der Reizung des R\u00fcckenmarks in 3.0\u20143.6\u20143.8 Secunden. Nach Beendigung der Reizung w\u00e4hrend dessen der Druck allm\u00e4hlig absank in 4.7\u20143.9 \u20144.6 \u2014 4.9\u20146.9\u20147.9 Secunden. Diese Erfahrung kann nur dahin gedeutet werden, dass die Muskclartcrien w\u00e4hrend der Verengung zahlreicher anderer vollkommen offen geblieben sind, so dass der Strom in Folge des hohen Drucks durch sie einen Ausweg fand.\nAuf dasselbe Verhallen der Muskclartcrien weisen auch die Ergebnisse hin, welche bei gleichzeitiger Reizung des Nervus vagus und des R\u00fcckenmarks zum Vorschein kamen. Das Resultat gebe ich in m\u00f6glichst getreuer Nachbildung der Form wieder, in welcher sie erhalten wurden.\nDa s\u00e4mmllichc Beobachtungen ganz Aehnlichcs aussagen, so glaube ich mich auf die Miltheilung eines einzigen Falles beschr\u00e4nken zu d\u00fcrfen.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"Moiummkd Effknm Hafiz,\n10(5\n[226\nZu ilitii Curven geh\u00f6ren diu folgenden Zahlen und Erl\u00e4uterungen. Das Vcrsuchslhior war ein miissig grosser unvcrgilleter\nHund. \u2014 Zu Curve a. Nachdem durch Heizung dos durchschnittenen R\u00fcckenmarkes der Druck in der Art. carotis auf 146 Mm. Hg. emporgetrieben war, wurdo durch Reizung des N. vagus eine Pause von 4.3 Secunden Dauer hervorgerufen, wahrend welcher der Druck auf 60 Mm. Hg. sank. Als zu dieser Zeit die Vagusreizung momentan unterbrochen wurde, kehrte ein Herzschlag wieder; er hob den Druck auf 94 Mm. Die wieder ein-gelrctene Vagusreizung erzeugte einen neuen Herzstillstand. Curve b. W\u00e4hrend der Pause von 7.1 Secunden sank der Druck von 94 Mm. Hg. auf 42 Mm. herunter. \u2014 Nach Beendigung der Vagusreizung und noch dauernder Tctanisirung des R\u00fcckenmarkes kehrte der Druck auf 146 Mm. zur\u00fcck. Als nun auch die R\u00fcckenmarks-rcizung unterbrochen wurde, erniedrigte sich der Druck auf 76 Mm. Ilg., wo er sich dauernd erhielt. Als jetzt der N. vagus in den Induclionsstrom eingeschaltet wurde, Curve </, sank der Druck in 7.1 Secunden auf 24 Mm. herunter. Die drei Curven des absinkenden Druckes sind der besseren Vergleichung wegen untereinander gestellt; ausserdem ist noch eine c beigef\u00fcgt, die einer unmittelbar vor a vorausgehenden Reizung entnommen ist. W\u00e4hrend ihres Ablaufs waren gleichzeitig das R\u00fcckenmark und' N. vagus gereizt. Der Druck zu Beginn dieser Senkungscurve c betrug 84 Mm. Ilg., er ging w\u00e4hrend einer Pause von 7.7 Sc-eunden auf 4 4 Mm. herab.\nAn diesen Curven ist nun einleuchtend, dass u, 6, c, die sich durch den verschiedenen Anf\u00fcllungszusland der Aorta unterscheiden, aber w\u00e4hrend der R\u00fcekonmarksreizung gewonnen sind, in ihrem Verlaufe rasch convergiren. An den Curven","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"227]\tU K U K It 1)1 K MOTOHISCIIKN NehVEN OKU AllTERIEN ClC. 107\nb, c und d dagegen, von denen die beiden erstem [b, c) noch durch den Contractionsgrad der kleinen Gef\u00e4sse von der letztem (d) unterschieden sind, sieht man, dass sie iiri Verlaufe diver-giren, indem das Absinken von b und c mehr und mehr hinter dem von d zur\u00fcckbleibt. Diesen Unterschied in der Geschwindigkeit, womit sieh der Arterieninhalt entleert, je nachdem das R\u00fcckenmark erregt oder nicht erregt ist, musste man bekannten Erfahrungen entsprechend allerdings erwarten. Das, was man aber nicht vorausschn konnte, ist der geringe Betrag dieses Unterschiedes. Nach der bis dahin herrschenden Annahme sollte wahrend der R\u00fcckenmarksreizung die Verengung der Gebisse sich auf alle feinsten Zweige des Aortensystems erstrecken. Tr\u00e4te dieses in der Thal ein, so w\u00fcrde die nothwendige Folge hiervon die gewesen sein, dass die F\u00fcllung der Aorta w\u00e4hrend der Vagusreizung ganz oder nahezu unver\u00e4ndert geblieben w\u00e4re, oder mit andern Worten, dass die w\u00e4hrend des Herzstillstandes abgenommene Druckcurve eine horizontale oder dieser sich n\u00e4hernde Linie gewesen sein w\u00fcrde. Diese Voraussicht sehen wir jedoch in keiner Weise best\u00e4tigt; der Druck f\u00e4llt w\u00e4hrend des zur Zeit der R\u00fcckenmarksreizung eingelcileten Herzstillstandes zwar langsamer, aber immerhin, namentlich so lange der Druck noch ein h\u00f6herer ist, so rasch ab, dass wir nolhwcndig daraus schliesscn m\u00fcssen, cs seien dem Blutslrom von der Aorta zu den Venen noch zahlreiche Bahnen ge\u00f6fl'net.\nMit dieser Erkcnnlniss erhebt sich nun auch sogleich die Frage, welche Arterien von dem R\u00fcckenmarksreize unber\u00fchrt bleiben. Erfahrungsgem\u00e4ss wissen wir, dass die Gel\u00e4sse der Cutis und s\u00e4mmtlieher Unterleibscingewcidc, die der Nieren mit ein-geschlosson, w\u00e4hrend einer dauernden und kr\u00e4ftigen R\u00fccken-marksreizung vollst\u00e4ndig verschlossen werden, dass dagegen die blossgeleglen Muskelartcrien in der Regel nichts \u00e4hnliches aufzeigen. Demgem\u00e4ss werden wir darauf gef\u00fchrt, dass die lelzlern Arterien auch in unserem Falle, wo sie durchaus unversehrt waren, ollen geblieben sind. \u2014 Diese vorerst nur wahrscheinliche Erkl\u00e4rung w\u00fcrde ihre volle Best\u00e4tigung dann gefunden haben, wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, alle oder mindestens einen grossen Thcil der Muskelartcrien durch Ligaturen zu schliesscn und dann unsern Versuch zu wiederholen, um zu sehen, ob nun der Druck w\u00e4hrend des Herzstillstandes und der R\u00fcckenmarksrei-zung unver\u00e4ndert bliebe. Das Unausf\u00fchrbare dieser Contr\u00f4le","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"10H\nMohammm) Eppkndi Hafiz,\n[22X\nliegt jedoch ;\u00bbuf dor I hind, somit m\u00fcssen wir uns einstweilen mit dem Ausspruch begn\u00fcgen, dass die gegebene Erkl\u00e4rung in voller Uebercinstimmung mit dem ist, was uns andere Erfahrungen \u00fcber die Muskelarlerien lehrten.\ni. Meine Versuche lehren weiter, dass man jedoch sehr im Unrecht sein w\u00fcrde, wenn man annehmen wollte, die conlrac-lilcn Hinge der Muskelarterien seien tr\u00e4ge Gebilde, weil sie nur in beschr\u00e4nktem Moasse durch ihre Gef\u00e4ssnerven zur Zusammenziehung gebracht werden. Schon die Beobachtungen von Sudler haben erwiesen, dass sich der Blulstrom durch die Muskeln sehr innig den Zust\u00e4nden anschliesst, welche in den Muskelfasern angelrollen werden. Aus diesen Beobachtungen wurde cs sehr wahrscheinlich, dass sich die contractilen Ringe der Muskel-., arlerien ganz unabh\u00e4ngig von den Gef\u00e4ssnerven erweitern und verengern. Noch unmittelbarer f\u00fchrte zu diesem Schluss eine Versuchsreihe von Genersich, welcher fand, dass w\u00e4hrend eines k\u00fcnstlichen Blulstromsdurch die abgeschnillenen Hinterbeine des Mundes die Arterien im Ganzen, oder mit spindelf\u00f6rmigen Erweiterungen unterbrochen, sich zusammenzogen und andremale sich erweiterten. In diesem Fall war ganz unzweifelhaft die Zusummenziehung derArlcrienmuskeln unabh\u00e4ngig von einer Nervenerregung, die aus dem R\u00fcckenmark hervorgegangen h\u00e4tte sein k\u00f6nnen, weil hier gar kein lebendiges R\u00fcckenmark mehr vorhanden war. Meine Beobachtungen best\u00e4tigen nun das, was Genersich und Sudler gesehen haben von einer andern Seite her. Fast so oft, als ich Muskelarlerien blosslcgte, sah ich auch, dass dieselben Zusammenziehungen darbolen, welche der ganzen Reihe der Erscheinungen nach unabh\u00e4ngig von den Reizungs-zust\u00e4nden des R\u00fcckenmarkes vor sich gingen. Diese Conlrac-Iinnen zeichneten sich ihrer Ausbreitung nach von den aus dem R\u00fcckenmark her vcranlassten dadurch aus, dass sie sich nicht \u00fcber den ganzen Verlauf einer Arterie erstreckten, sondern dass sie gew\u00f6hnlich nur beschr\u00e4nkte Theilo ergriffen. In Folge hiervon boten sin einen Wechsel von Einschn\u00fcrungen und Ausbuchtungen dar, so dass eine solche Arterie ihrem Aussehen nach mit einer l\u2019erlschnur verglichen werden konnte. \u2014 Was die Zeit anlangt, in welcher diese thcilweisen oder auch zuweilen vollst\u00e4ndigen Zusammenziehungen einlralen, so war diese ganz unabh\u00e4ngig von den Perioden, in welchen das R\u00fcckenmark gereizt wurde.. Ganz gew\u00f6hnlich erschienen n\u00e4mlich dit1 Zu-","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"229] U\u00fcBKIt IHK MOTOItlSCIIKN NkIIVKN DK\u00ab AhTKHIKN elC.\n10\u00bb\nsainntouziohungen liingere '/ait nach einer vornusgegnngencn Reizung des R\u00fcckenmarks, und sie Liehen dann viele Minuten hindurch an, gleichgiltig, oh in dieser Zeit die Nadeln dem R\u00fcckenmark einen Reiz zuf\u00fchrten, oder nicht zuf\u00fchrten. Die Thalsachen, dass die Arterien, wenn sie verengt waren, auch in diesem Zustand verharrten, trotzdem dass der Blutdruck durch eine inzwischen cingetretene R\u00fcckeumarksreizung bedeutend erh\u00f6ht war. lieferte den Beweis, dass die Verengerung eine wirklich active, von vermehrter Widerstandsf\u00e4higkeit der Arterienwand herr\u00fchrende gewesen sein musste.\n5. Eine der Aufgaben, die ich mir beim Beginn meiner Unternehmung gestellt hatte, bestand auch darin, die Bahnen aufzusuchen, in welchen die Nerven der Arterien von dem R\u00fcckenmark zum Muskel verlaufen. Bei der unbest\u00e4ndigen Reizbarkeit, welche die Nerven den vorstehenden Beobachtungen entsprechend darboten, war es unm\u00f6glich, durch physiologische Reactionen die Aufgabe zu l\u00f6sen, ein Umstand, der umsomehr zu bedauern ist, als die anatomische Zergliederung des sympathischen Nervensystems f\u00fcr diesen Verlust keinen vollen Ersatz bieten kann. Ueber einen und wie mir scheint nicht unwichtigen Theil der vorliegenden Aufgabe bin ich jedoch durch die anatomische Untersuchung aufgekl\u00e4rt worden.\nZum M. biceps femoris gehen Arterienzweige ebensowohl aus der Art. hypogaslrica als auch aus dem untern Ende der A. femoralis. Die Nerven der quergestreiften Muskeln dringen dagegen ausschliesslich von hinten und oben aus Aeslen des Plex. ischia-dicus in den M. biceps ein. Aufgefordert durch dieses abweichende Verhallen von Arterien und Nerven unternahm ich eine genauere Zergliederung, der aus dem untern Ende der Art. femoralis hervorgehenden Gef\u00fcsszweige, in der Absicht, dort nach Gc-fiissnerven zu suchen. Meine Erwartung hat sich in der That best\u00e4tigt, indem cs mir unter Anwendung von Essigs\u00e4ure leicht gelang, starke B\u00fcndel sympathischer Fasern in der Tunica adventitia dieser untern Arterienzweige aufzufinden. Die Nerven begleiteten die Gefilsse und zwar ausschliesslich diese in den M. biceps hinein, und sie traten dort, wie auf (,)uerschnilten zu selm, schliesslich mit feinem Aesten zwischen die Elemente der arteriellen Muskelringe. Danach darf man wohl diese Nerven als solche anschn, welche f\u00fcr die Muskelringe der Arterien bestimmt sind. Ist aber dieses der Fall, so d\u00fcrfte hiemil ein Ort gefunden","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nMohammkd Efff.ndi Hafiz\n[230\nsein, an welchem die Nerven der quergestreiften und diejenigen der Gcf\u00fcssrnuskeln gesondert gereizt oder gel\u00e4hmt werden k\u00f6nnen, weil die Gcfiissnerven zur Arleria eruralis aus dem Plex. lumhalis beziehungsweise aus dem N. eruralis hindringen, w\u00e4h-rend, wie erwiihnt, der Plex. isohiadicus die Nerven zur quergestreiften Faser sendet.\nIn Ermangelung eines bessern d\u00fcrfte sich desshalb der be-zeichnete Ort als sehr geeignet f\u00fcr zuk\u00fcnftige Untersuchungen erweisen.\n6. An diese Versuche kn\u00fcpfen sich noch einige W\u00fcnsche und Bemerkungen. \u2014 Obwohl in der Mehrzahl meiner Beobachtungen die motorischen Nerven unerregbar waren, so darf daraus doch nicht geschlossen werden , dass sie dieses im Verlaufe des Lebens immer sind. W\u00e4re dieses letztere der Fall, so w\u00fcrden die Nerven als selbst\u00e4ndige Gebilde zu Grunde gehn. Demgem\u00e4ss muss man annehmen, entweder dass sie nur den specifischen Erregungsarien des verl\u00e4ngerten Markes gegen\u00fcber erregbar sind oder dass sie das letztere \u00fcberhaupt nur zeitweise sind. Die motorischen Nerven derMuskelarlerien w\u00fcrden dem entsprechend in eine Reihe mit den Nerven der Darmmuskeln zu setzen sein.\nIm Gegensatz zu ihren Nerven sind die contractilen Fasern der Arterien, welche innerhalb der Muskeln verlaufen, zu allen Zeiten sehr erregbar. Aus diesem Grunde wird man geneigt sein, die Aenderungen des Blulstroms durch die Muskeln vorzugsweise den Eigenschaften der Gef\u00e4ssmuskeln selbst zuzuschreiben. \u2014 Demnach h\u00e4tte man sich zu denken, dass die Muskelringe der Arterien so lange einen massigen Grad von Zusammenziehung bewahrten, als die Masse der quergestreiften Muskeln erschlafft w\u00e4re, vorausgesetzt dass die Muskclsubstanz in ihrer normalen chemischen Zusammensetzung verharrte. Diese Hypothese kann, so weit ich sehe, nicht umgangen werden, trotzdem dass sie an die Arbeitskraft der Arlorienmuskcln eine grosse Anforderung stellt.\nAus diesem Zustande mittlerer Contraction k\u00f6nnen nun aber die Gef\u00e4ssmuskeln nach zwei Richtungen hin hcrauslreten, entweder sie k\u00f6nnen sich noch weiter bis zur vollen Verschliessung der Gef\u00e4ssliehlung verengen oder sie k\u00f6nnen vollst\u00e4ndig erschlaffen.\nDer Zustand verst\u00e4rkter Contraction kommt nach unsere gegenw\u00e4rtigen Erfahrungen h\u00e4ufig zu Stande, wenn die Muskel-gel'\u00e4sse w\u00e4hrend k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Zeit durch einen ver\u2014","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"2;i I ] Ulilti:\u00ab IHK MOTOItlSOIIKN Nkiivkn l)Klt Aiitkiukn ole. 111\nst\u00e4rkten Druck ausgedehnt waren. Ob dieses jedoch jedesmal eintritt, wenn der Blutdruck zu ungew\u00f6hnlichen Wcrthen angestiegen ist, m\u00fcssen wir dahin gestellt sein lassen. In der von mir ausgef\u00fchrten Versuchsreihe sah ich das genannte Verhallen allerdings fast ausnahmslos. Jedesmal wenn durch die B\u00fcckcnmarks-reizung der Blutdruck anhaltend und wiederholt emporgetrie-ben gewesen, verengte sich spitter eine gr\u00f6ssere oder geringere Zahl der blossliegcnden Muskelartericn bis zum Verschwinden ihres rothen Inhaltes. Diese Zusammcnzichung war, wie schon oben erw\u00e4hnt, so energisch, dass ein durch eine neue Beizung des B\u00fcckcnmarks emporgetriebener Blutdruck nicht im Stande war die Lichtung der Arterie wieder herzustellen.\nDie einfachste Erkl\u00e4rung, welche sich f\u00fcr dieses Verhalten geben lasst, d\u00fcrfte darin bestehen, dass die Ausdehnung, welche die Muskelringe durch den hohen Blutdruck erfahren haben, als ein Reiz auf die letzteren selbst wirkt.\nVon den Bedingungen, weiche eine Erschlaffung der Mus-kclringe herbeifuhren, sind uns zwei bekannt.\nDie erste derselben tritt in Wirksamkeit, wenn die quergestreiften Muskeln in Zusammenziehung gerathen oder wenn sie aus einer eben bestandenen austreten. Die zweite ereignet sich, wenn die Muskeln einige Zeit hindurch den Blulstrom vollst\u00e4ndig entbehren mussten. Ob in diesen beiden F\u00e4llen der Gef\u00e4ssmuskel aus denselben innern Gr\u00fcnden erschlafft, l\u00e4sst sich allerdings nicht erweisen, aber m\u00f6glich w\u00e4re cs immerhin, dass beide Male eine Aenderung im Gasgehalte des Blutes die Erschlaffung herbeif\u00fchrte\nAus der Thatsachc, dass die Muskelringe der Arterien, welche sich in den quergestreiften Muskeln verbreiten, in einer beschr\u00e4nkten Abh\u00e4ngigkeit von den Erregungen stehen, die den Gef\u00e4ssncrven vom B\u00fcckenmark her zukommen, ergiebt sich noch eine andere Folgerung. Unzweifelhaft bieten die Strombahnen, welche durch die quergestreiften Muskeln ziehen, dem Blute einen Ausweg, wenn dieses in Folge einer gleichzeitigen Erlegung der Gof\u00e4ssnervon f\u00fcr die Haut und die Eingeweide auf-geslaut wird. F\u00fcr die Bichligkeil dieser Behauptung stehen alle Versuche ein, welche nach'den in der vorliegenden Abhandlung beschriebenen Methoden angcslelll sind. Was nun im h\u00f6chsten Maasse f\u00fcr den Fall gilt, in welchem die kleinen Arterien der Haut und der Muskeln gleichzeitig verschlossen werden, muss","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112 Moiianmk\u00bb Ki'kkndi Hafik, Hub. jmk motor. Nerven elc. [232\nnat\u00fcrlich, wenn auch im minderen Grade, stattfinden nach der Verschliessung der Gef\u00e4sse in nur einem der beiden genannten Gebiete. Mit dieser Einsicht erweitert sich aber unsere Vorstellung von dem ver\u00e4nderlichen Strombett des Blutes dahin, dass bei einem vollst\u00e4ndigen oder theilweisen Verschluss, welcher die Arterien der Eingeweide oder die der Haut betrifft, der ausgleichende Strom zum Theil auch durch die Muskeln hindurch gef\u00fchrt wird.","page":112}],"identifier":"lit1370","issued":"1870","language":"de","pages":"95-112","startpages":"95","title":"\u00dcber die motorischen Nerven der Arterien, welche innerhalb der quergestreiften Muskeln verlaufen","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:58:03.465916+00:00"}