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{"created":"2022-01-31T14:00:09.569770+00:00","id":"lit1371","links":{},"metadata":{"alternative":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig","contributors":[{"name":"L\u00e9pine, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig: 113-118","fulltext":[{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber Entstehung und Verbreitung des thierischen Zuckerfermentes.\nVon\nDr. L\u00e9piue.\nDie in den folgenden Bliillern beschriebenen Versuche sind im Fr\u00fchjahr und im Vorsommer dieses Jahres in dem physiologischen Institute zu Leipzig angestellt worden; der Beginn derselben fallt also vor den Zeitpunkt, zu welchem die interessante Arbeit t>. Witlichs *) \u00fcber denselben Gegenstand ver\u00f6ffentlicht wurde. Diese Bemerkung mag dazu dienen um es zu entschuldigen , dass hier einige Beobachtungen mitgetheilt werden, welche schon in der erw\u00e4hnten Abhandlung beschrieben worden sind. Insofern sie von mir selbstst\u00e4ndig angeslelll sind glaubte ich sie, als Best\u00e4tigungen der Versuche meines Vorg\u00e4ngers nicht unterdr\u00fccken zu sollen.\n1. Ueber die Speicheld r\u00fcs e n des F rosch es. Meine Untersuchung ging von der Frage aus, ob schon innerhalb der Mundh\u00f6hle des Frosches Amylon in Zucker umgewandeil werde. Der Versuch ergab ein positives Resultat. Das einfachste Mittel um dieses zu beweisen besteht darin, dass man in ein Probir-r\u00f6hrchen das gekochtes und in Wasser suspendirles Amylon enth\u00e4lt, Schleimhaulst\u00fcckchen von der Zunge oder dem weichen Gaumen des Frosches einf\u00fchrl. Nach einer halben bis zu einer ganzen Stunde kann man mit der Probe von Trommei' sehr deutlich den entstandenen Zucker naehweisen. Das Ferment, welches diese Umwandlung herbeif\u00fchrt, ist in der schleimigen Fl\u00fcssigkeit enthalten, welche in der Mundh\u00f6hle und namentlich auf der Zungenobcrll\u00e4eho des Frosches verkommt. Hiervon kann man sich leicht dadurch \u00fcberzeugen dass man die Zunge des Frosches mit kleinen quadratischen St\u00fcckchen von Seidenpapier\n*) Archiv f\u00fcr Physiologie von Dr. E. !\u2022' W. Pfl\u00fcger. 7. u. S. Heft. 1870.\ns","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nDu. L\u00e9fine,\n[323\nbelegt und diese, nachdem sie sich mit Fl\u00fcssigkeit durchtriinkt haben, in rohes oder gekochtes Ainylon bringt, das in Wasser \u2019 aiifgosc.liwoininl ist. Die Zuckcrprohe weist nach Verlauf der olii'u angegebenen Zeit die Umwandlung des Ainylon nach. Wenn man den soeben beschriebenen Versuch nusf\u00fchrt, so wird man bemerken, dass sich alsbald nach dem Auflegen der Papierchen die Zunge r\u00f6lhel und dann die bis dahin sparsam entstandene Fl\u00fcssigkeit sich so sehr mehrt, dass man nun dieselbe mit einem feinen Glasstab abheben kann. Diese Fl\u00fcssigkeit ist nun ebenfalls im Stande nicht unbedeutende Mengen von rohem oder gekochtem Ainylon in Zucker umzuwandeln.\nDie Erfahrung dass die Zunge des Frosches auf einen mechanischen Heiz sich r\u00f6lhet und dabei eine schleimige, viel Zuckerferment enthaltende Fl\u00fcssigkeit absondert, legte den Gedanken nahe dass die in der Zunge des Frosches vorhandenen traubigen Dr\u00fcsen *) in die Reihe der Speichel absondernden geh\u00f6ren mochten. Hierf\u00fcr spricht allerdings von vornherein die grosse bisher freilich \u00fcbersehene Aehnlichkeit der Form zwischen den sog. Speichelzellen und den Zellen, welche die Wand unserer Zungendr\u00fcsen \u00fcberkleidcn. Um jedoch auch von physiologischer Seile aus den Beweis zu vervollst\u00e4ndigen, entschloss ich mich zu dem Versuch die Absonderung durch Ncrvenreizung hervorzulocken. Dieses ist mir denn auch durch Erregung des n. hypoglosses und n. glossopharyngeus (Eckerts Tabulae) gelungen. Nachdem ich je einen der beiden Nerven vorsichtig aufgesucht und durchschnitten hatte, tetanisirte ich den wohl isolirten peripherischen Stumpf durch InductionsstrOme. Mil dem Beginn der Reizung r\u00fclhete sich auch die entsprechende Zungcnhiilfle und alsbald bedeckte sich die letztere mit einer starken Schicht fadenziehender Fl\u00fcssigkeit. Die Klebrigkeit derselben verhinderte dasZusammenlliessen des Secretes zu Tropfen. Wurde jedoch die Schicht welche die Zunge bedeckte weggenommen, so \u00fcberzog sich die Zunge von Neuem mit der schleimigen Fl\u00fcssigkeit. Derselbe Erfolg kam zum Vorschein, wenn die Zunge unmittelbar von den Induclinnsslr\u00fcincn getr\u00f6den wurde. Wenn eine Frosehzungo anhaltend gereizt und dann in Miillrr'scher Fl\u00fcssigkeit aufbewalui war, so liess sich auf\n*) Fixsm , dr linguae runinnc lexlurn. Dorp. 18.'17. Iloyer, du Bois u. Iluielierls Archiv <H50.","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"324] Entstehung u. Verbreitung d. thier. Zuckerferments. 115\nDurchschnitten , die durch ihre Dr\u00fcsenschicht gelegt waren erkennen, dass in der Umgehung der DrUscnbceren zahlreiche Lymphzcllen angehiiufl waren.\nDr\u00fcsen, die in ihrem Innern Zellen von der Form der Speichelzellen enthalten, die wahrend der Nervenerregung einen schleimigen dasAmylon umwandelnden Saft abschieden und zugleich von einem st\u00e4rkeren Blulslrom durchsetzt werden, d\u00fcrften wohl ungoschcut in die Classe der Speicheldr\u00fcsen eingereihl werden. Diese Dr\u00fcsen sind der Aufmerksamkeit der llistologen zu empfehlen.\n2. Ueber die Verbreitung des Zuckerfermentes durch den thierischcn Organismus. Wenn man den Nachweis des diastolischen Stoffes dadurch versucht-, dass man verkleinerte Organ-theile in aufgeschwemmtes Amylon bringt, so gelingt derselbe an \u00fcberraschend vielen Orten. Ausser an den Fundstellen die Magendie, Nasse, Cl. Bernard, Piolrowsky, Thiry, Witlich u. A. angeben, n\u00e4mlich im Blute, in der ausgewaschenen Magen- und Darmschlcimhaut, in der Leber und Galle, in der Niere und Harnblasenschleimhaut, in dem Gehirn , in den Muskeln, habe ich ihn noch nachweisen k\u00f6nnen bei Hunden, Kaninchen und Fr\u00f6schen in der Milz, in dem Lungengewebe, im Hoden, in den Sehnen, den ser\u00f6sen Hauten, der Hornhaut, dem Glask\u00f6rper, ferner in der iiussern und iunern Fl\u00fcche der Froschhaut, in dem Schleim des Eierslocks der Fr\u00f6sche und in dem schleimigen Ueberzug der Wcgschncckc. Der einzige Ort an welchem ich ihn suchte und nicht antraf war die Krystalllinse.\nDie Organe in welchen das Ferment vorkommt, enthalten dasselbe nicht in gleicher Menge. Hiervon \u00fcberzeugte ich mich dadurch, dass ich ein bestimmtes Gewicht von jedem der genannten Organe in m\u00f6glichst zerriebenem Zustand mit viel Wasser in gekochtes Amylon brachte. Dieses Gemenge liess ich in einem Kellerraum bei etwa -+-8\u00b0 C. mehrere Stunden stehen, fillrirlc dann die Fl\u00fcssigkeit ab, befreite dieselbe von ihrem Kiwcissgchalt und lilrirlc den gebildeten Zucker. Mil diesem Verfahren fand ich durchweg mehr Zucker im Blut, im Muskel, in der Milz, im Glask\u00f6rper, als im Hoden oder im Gehirn. Ich unterlasse es, hierf\u00fcr die gefundenen Zahlenbelege vorzubringen, weil sie aus sogleich anzugebendem Grunde doch keinen Anspruch darauf machen k\u00f6nnen, ein genaueres Bild von der Verbreitung des Fermentes wiihrond des Lebens zu geben.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"Dll. Lftl'INB,\n[325\n1 Hi\n3. F\u00fcr die Beantwortung der Frage ob das Ferment innerhalb eines Organes in dem Maasse entsteht, in welchem es dort gefunden werde war es von Wichtigkeit zu wissen, ob es sich durch Endosmose weiter verbreiten k\u00f6nne. Um . hier\u00fcber zu einer Knischeidung zu gelangen brachte ich eine gr\u00f6ssere Menge frischen Mundspeichels auf die eine Seite eines sog. Dialysators aus vegetabilischem Pergament, auf die andere aber gekochtes Ainylon, das in Wasser aufgeschwemmt war. Als dieser Apparat 2 Stunden auf Eis gestanden halte warschon eine sehr deutliche Zuckerreaclion innerhalb des AmyIons nachzuweisen; als aber nach dem Verlauf von zwei Tagen der Zuckergehalt der Amylonl\u00f6sung gepr\u00fcft wurde, ergab sich derselbe zu zwei Procent. Diese Thatsache besUitigt also das was v. Wittich gefunden hatte; zugleich warnt sie davor aus der Gegenwart des Fermentes so ohne Weiteres auch die Entstehung desselben an seinem Fundorte abzuleiten.\nI. Man k\u00f6nnte dagegen geneigt sein die weite Verbreitung des Fermentes durch den thierischen K\u00f6rper allein auf Rechnung seiner Diffundirbarkeil zu setzen. Aber bei diesem Unternehmen w\u00fcrde es der Erkl\u00e4rung Schwierigkeiten bieten, warurft dieKry-slalllinse so ausnahmslos frei von dem Fermente gefunden wird, obwohl das letztere in reichlicher Menge dem Glask\u00f6rper zukommt. Dieser Widerspruch veranl isste mich eine Angabe CI. Bernards *) genauer zu pr\u00fcfen , nach welcher der zuckererzeugende K\u00f6rper in Folge einer Umsetzung von eiweissarligen Stoffen entstehen sollte. Die wesentlichste der Thatsachen, welche Cl. Bernard f\u00fcr seine Ansicht vorbringl, lasst sich leicht best\u00e4tigen. Wird wohlausgewaschener Blutfaserstoff in Wasser vertheilt und mit diesem einige Tage bei der sommerlichen Luft-warme sich selbst \u00fcberlassen, so besitzt das ab\u00dfltrirte Wasser die Zucker bildenden Eigenschaften in sehr ausgepr\u00e4gter Weise. Das Wasser hat jedoch, wie schon Cl. Bernard bemerkt, diese Bef\u00e4higung nicht mehr, wenn eine deutliche durch den Geruch zu erkennende Faulniss cingelrelon ist. \u2014 Eine andere von CI. Bernard an dem llumlcspeichcl beobachtete Thatsache fand ich f\u00fcr den Speichel des Menschen dagegen nicht best\u00e4tigt. Nach ihm gewinnt der urspr\u00fcnglich wirkungslose oder nur sehr schwach\n*) l.i\u2019coas de physiologie exp\u00e9rimentale loin. II. Cours du semestre d'\u00e9l\u00e9 <855. Paris 18B6, p. 150 \u2014 <67; 373\u2014870.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":":i26] Entstehung u. Veriikkitiing d. tiiikk. Zi'cKnitpuitMUNTS. 117\nwirksame Ilundespcichel die diaslntischo Bef\u00e4higung dadurch, dass man ihn w\u00e4hrend einiger Tage an der Luft stehen l\u00e4sst. Als ich einen \u00e4hnlichen Versuch mit dem Mundspeichel des Menschen ausf\u00fchrlo, stellte sich keine Steigerung seiner diasla-tischcn Wirkung ein. Gleiche Quantit\u00e4ten frischen Speichels wandelten gerade soviel gekochten Amylons in Zucker um, als dieses von einer gleich grossen Portion desselben Speichels geschah, der zwei, vier, acht, sechszehn Stunden an der Lull gestanden hatte. Demgem\u00e4ss m\u00fcsste man annehmen, dass der frische Speichel des Menschen, im Gegensatz zu dem des Hundes, keinen Stoff mehr enthielte, welcher bei seiner Umsetzung ein Ferment zu liefern verm\u00f6chte.\nDa ich in der frischen Krystalllinse eine Masse kennen gelernt hatte, welche im frischen Zustande sowohl als auch nach Behandlung mit Alkohol durchaus keine fermentirenden Eigenschaften besass, so hielt ich sie f\u00fcr sehr geeignet die von Cl. Bernard ausgesprochene Behauptung zu best\u00e4tigen. Dieses ist denn auch vollkommen gelungen. Zwei Linsen des Hundes bewahrte ich in einer gut verstopften Flasche bei der Sommerleniperalur vier Tage lang auf und f\u00fcgte dann amylonhaliiges Wasser zu ihnen. Nachdem so die Flasche zwei Tage auf Eis gestanden, ward in der Fl\u00fcssigkeit eine betr\u00e4chtliche Menge Zucker gefunden.\nDiese Erfahrungen warfen auf die fr\u00fcher mitgctheillen Beobachtungen \u00fcber den. Fermentgehalt verschiedener Organe ein neues Licht; jedenfalls war es jetzt noting die Beobachtungen mit besondern Vorsichtsmaassregeln von Neuem zu wiederholen.\nZu diesem Ende nahm ich die beiden m. gastroenemii des Frosches, legte den einen so rasch wie m\u00f6glich auf Eis, den andern dagegen bewahrte ich einige Stunden bei gew \u00e4hnlicher Temperatur auf. Darauf zerschnitt ich beide rasch in gr\u00f6bere St\u00fccke und legte jeden in ein Glas, welches Wasser und aufgequollenes Amylon enthielt.. Nachdem beide Gl\u00e4ser einige Stunden im Eis-kasten gestanden, lieferte die Fl\u00fcssigkeit, in welcher der von Anfang an ahgek\u00fchlle Muskel gelegen nur Spuren, die andre dagegen eine sehr reichliche Menge von Zucker. \u2014 Eine Modification des Verfahrens f\u00fchrte zu demselben Ergebniss. Durch die Aorta eines Frosches spritzte ich eine Kochsalzl\u00f6sung von 0,7 p. c., welcher gekochtes Amylon beigemengt war. Nachdem das Blut ausgewaschen ward die Haut von den hinlern Glied-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118 I. ftriNK, EnTSTIJIUNO II. Vl'lRIHt. 0. TIIIKH. ZuCKKRFKHMENTS. [\u00fc27\nmaassen abgezogen und die eine derselben auf Eis gelegt, w\u00e4h-reiid die andre Uber Nacht im Zimmer stehen blieb. Am andern Morgen reagirten die Muskeln der oraleren Extrcmiliil noch alkalisch, und in ihrem alkoholiseheu Extrade, das auf das sorg-fiiltigsle bereitet, abgedampft und dann wieder gel\u00fcst war, fand sich kein Zucker. Die Muskeln der Extremit\u00e4t dagegen, welche iler Zimmerw\u00e4rme ausgcsclzl waren reagirten sauer, und durch Alkohol konnte ihnen cino sehr merkliche Mengo von Zucker entzogen worden.\nEin \u00e4hnliches ltcsultal gab mir der Glask\u00f6rper. Ich brachte denselben unmittelbar aus dem Auge des obengedachten Thiers in Alkohol. Andern Tags ward der Alkohol durch Filtration und Verdampfung entfernt, der in Wasser wieder aufgequollene und gel\u00f6ste R\u00fcckstand ward in amylonhaltigem Wasser vertheilt auf Eis gestellt. Nach mehreren Stunden enthielt auch jetzt die Fl\u00fcssigkeit keinen Zucker.\nDie zuerst erw\u00e4hnten Versuche, in welchen bei gew\u00f6hnlicher Temperatur Organst\u00fcckchen mit Wasser und aufgequollenem Amylon in Ber\u00fchrung kamen, gewinnen nach dem soeben Milgctheiltcn eine wesentlich andere Bedeutung. Denn jetzt wird cs wahrscheinlich, wenn nicht gewiss, dass das Ferment, welches bis dahin an den verschiedenen Orlen als schon vorgebildet angenommen wurde, sich dort erst w\u00e4hrend der Versuche gebildet hat. Aber trotz dieser neuen Auflassung behalten sic ihren Werth, da es nicht ohne Bedeutung sein kann, dass sich unter sonst gleichen Bedingungen in den verschiedenen Organen desselben Thicros das Ferment entweder nicht mit gleicher Geschwindigkeit oder \u00fcberhaupt in ungleicher Menge bildet.","page":118}],"identifier":"lit1371","issued":"1870","language":"de","pages":"113-118","startpages":"113","title":"\u00dcber die Entstehung und Verbreitung des thierischen Zuckerfermentes","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:00:09.569775+00:00"}