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{"created":"2022-01-31T16:20:28.216877+00:00","id":"lit14031","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Nitzsch, Christian L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 2: 361-380","fulltext":[{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Deutfehes Archiv\nf\u00fcr die\nPHYSIOLOGIE.\nZweiter Band. Drittes Heft.\nUeber die Bewegung des Oberkiefers der V\u00f6gel. Von Chr. L. Nitzsch.\nVielleicht mit Unrecht haben einige neuere Schrift-fteller den fchon von Il&rifjfiut aufgel teilten und von Cuvier befl\u00e4tigten Satz; dafs alle V\u00f6gel einen beweglichen Oberkiefer haben, einzufchr\u00e4nken gefucht, indem fie den Kalao und Auerhahn als Ausnahmen anf\u00fchrten. Beide V\u00f6gel find wenigltens im Belitz der hebelartigen Vorrichtung, die bei den Ucbrigen zur Bewegung des Oberkiefers da ift. Sie haben die Artikularbeine, die Verbindungsbeine ') die Jochb\u00f6gen und Gaumenbeine auf die gew\u00f6hnliche Weife gebildet, und unter einander fowohl als mit der Hirufcbnle eingelenkt, welche Einrichtung ganz f\u00fcr die Beweglichkeit des Oberkiefers zu fprechen icheint. So h\u00e4ufig auch der Zweckverluft\nl) Ich folge hier Wiedemann'.t Benennungen (S. cleff. Archiv f. Zootomie 2. Bd. I. St. S, H2 U. H) - Articular\u2022 oder Gc-lenkbet ne find die os carres oder Qnadratknnehen ; de Cerbindungsbeine die os omoides des lierijju.it. Hingegen glaube ich, d.ifs die Benennung Gaumenbeine vor der von Wiedemann daf\u00fcr gebrauchten ^Fliigelbeinej! den Vorzug verdient.\nM. d. Archiv. II. 3-\tA a","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\neinzelner Organe und Bildungen jft, fo ift doch eine Reihe ganz zvvecklol'er Knochengelenke kaum denkbar. Schwerlich d\u00fcrften die genannten Knochenft\u00fccke im Kalao und Auerhahn ihre glatten, freien Gelenkk\u00f6pfe und Gelenkfl\u00e4chen behauptet haben, fondern ihre Artikulationen meisten zu feiten Harmonieen oder Syno-ftoferi geworden feyn, wenn hier nicht eine wirkliche Bewegung Statt f\u00e4nde. Findet aber eine Bewegung jener Knochen beim Kalao und Auerhahn, Statt, fo follte man auch auf die Bewegung des Oberkiefers bei (liefen V\u00fc-gein fchheisen, Indellen bemerkt man am Auerhahnkopfe, dal\u2019s weder die Gaumenbeine mit den Intermaxil-lar- und Jugomaxillarknochen *) noch die Jochb\u00f6gen mit den letztem verwachfen find, was allerdings, be-fonders bei der geringen Biegfamkeit des Schnabel-r ticke ns zun\u00e4chft der Stirn, auf die Vermuthung fuhren kann, als k\u00f6nnten beim Auerhahn Artikularbeine, Jochb\u00fcgen, Verbindungsbeine und Gaumenbeine zulammen bewegt und etwas hin - und hergefchoben werden, ohne-dafs dadurcn der Oberkiefer zugleich in Bewegung gefetzt w\u00fcrde. Da ich jedoch keinen frifchen Auerhabn-kopf jetzt zur Hand habe, und der entfleifchte, welcher vor nur hegt, die Art der Verbindung der Gaumenbeine und Jochb\u00f6gen mit dem Oberkiefer nicht deutlich genug zeigt, fo kann ich \u00fcber diefcn Punkt jetzt nicht enti'cheiden, und halte doch die Bewegung des Oberkiefers f\u00fcr wahrfcheinlicher, infofern ohnedem der Zweck einer Bewegung des hintern Theils der Oberkiefer malchine nicht deutlich feyn w\u00fcrde, und infofern\n0 Man vergleiche meinen Auflatz Uber die KnochenftUcke Im Kiefergeriift der V'\u00f6gel, im erften Bande diefes Archivs S. 223. wo \u00bbliefe und andere hier verkommende neue Knochenbenennungen erkl\u00e4rt lind.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"3 65\nandere V\u00f6gel aus der Familie der H\u00fchner den Oberkiefer beweglich haben, obgleich bei ihnen jene Knochen ebenfalls nicht mit demfelben vollkommen ver-wachfen find. Vom Buceros rhinoceros habe ich ein Kiefergeriift vor mir, das oben von der Hirnfchale fo abgel\u00f6l't ift, als es nur die bei der Beweglichkeit des Kiefers behebende Verbindungsart m\u00f6glich macht. \u2014 Dafs man \u00fcbrigens beim Kalao den Biegungspunkt, ftatt hinter dem Schnabelauswuchs, vor demfelben ge-fucht, und eine Biegung des Oberkiefers gegen das Horn erwartet habe, ift mir nicht wahrfcheinlich; fonft \u25a0w\u00fcrde es leicht erkl\u00e4rlich feyn, wie man die Beweglichkeit nicht finden konnte.\nUnftreitig ift im Mangel einer wirklichen Eingelen* kung des Oberfchnabels mit der Stirn der Grund zu fliehen, warum man die Bewegung cliefesTheils bei vielen V\u00f6geln fo lange Zeit \u00fcberfah, und fo fp\u00e4t allgemein anerkannte. Cetti fpricht dem Phoenikopter diele Bewegung ausdr\u00fccklich darum ab, weil er kein Gelenk an der Stirn diefes Vocrels fand, und noch vor wenigen Jahren wurde von einigen Ornithologen die Beweglich-keit des Oberfchnabels bei den Papageien, Kernbeifsern, Finken und Ammern f\u00fcr etwas Befonderes und Ei'gen-thiimliches angefehen , fo dafs fie die Ab fonde run g der Oscines von den PaJJeribus Linnaei zum Theil dadurch zu rechtfertigen und letztere durch jene Beweglichkeit den erftern entgegenzufetzen fuchten.\nDie Bewegung des Oberfchnabelft\u00fceks gegen die zun\u00e4chft damit verbundenen Knochentheile, n\u00e4mlich gegen die Stirn, die Jochb\u00f6gen und Gaumenbeine, ift auch fehr feltfam. Sie ift trotz dem, dafs fo viele Schriftfteller die Oberkieferbewegung der V\u00f6gel jetzt anerkannt und befchrieben haben, von keinem ganz richtig und mit geh\u00f6riger Genauigkeit dargel\u2019teilt worden.\nA a 2","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"564\nDurch genaue Unterfuchung und vielf\u00e4ltige Vergleichung bin ich \u00fcberzeugt worden, dafs der Oberkiefer der V\u00f6gel fo wenig mit der Stirn als mit den Jochb\u00fcgen und Gaumenbeinen jemals artikulirt, wiewohl er lieh gegen alle diele Theile bewegt:. Ich habe gefunden, dafs diele Bewegung in einer blofsen Biegung beliebt, und dafs diefe Biegung niemals in den Punkten der Anf\u00fcgung oder Zufammenfetzung jener Knochen-tlreile, fondera ftets aufserhalb derfelben gefchieht.\nDer Oberkiefer f\u00fcgt lieh oben mittel ft der breiten platten\u00e4hnlichen K\u00f6rper der Nafenkieferbeine, und mit-telft der Nafenfortf\u00e4tze des Intermaxillarknochens an die Stirnbeine und die horizontale Platte des Septi ethmoi-dei an. Indem nun der Oberkiefer bewegt wird, wird die Anf\u00fcgung des Oberkiefers an die Stirn nicht im mindeften verr\u00fcckt oder verfchoben. Es wird auch keine Faf'er der Stirnbeine oder des Ethm\u00f6idalMcks gebogen, fondera die Biegung gefchieht in den genannten Knochenftfjcken des Oberkiefers felbft, noch vor ihrer Anf\u00fcgung an die Stirn. \u2014 Um diefs deutlich zu erkennen, i\u00df durchaus die Beobachtung junger Vogel Ich \u00e4del, an denen die Knochen \u00dfiieke noch vnver-lauchjen find, n\u00f6thig. Hier hebt man, dafs die Nafenkieferbeine fuwohl als die fogenannten Nufenbeine \u00dfcli weit \u00fcber den Beugungspunkt hinaus erftrecken, indem lieh die entern von oben auf die Stirnbeine* zum The il a neu auf das Fd h moidal ft tick, die letztem aber meift blofs auf diefes aullegen. Jene reichen oft faft bis zur Mitte der Hirnlclialouliinge oder bis zum fogenannten Scheitel, befonders bei den Waffenv\u00f6geln und H\u00fchnern, woraus folgt, da,s die Fl\u00e4che, welche man am Vogel-fch\u00e4del gemeinhin Stirn nennt, und welche zwifchen den beiden 4 hr\u00e4uenbeinen und einem Theil der Aujren liegt, ganz oder grofsentheiis den Nalenkieferbeinen, keineswegs den Stirnbeinen angeh\u00f6rt. Vergleicht man","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"nun die Stelle, wo lieh der Oberkiefer bei der Bewegung biegt mit der Erftreckung und Anf\u00fcgung jener \u00fcber die Stirn hingelegten Nafenkieferbeine an einem jungen Sch\u00e4del, fo wird man fogleich bemerken, dafs die Verbindung des Oberkiefers mit der H ir ule bale, wenn fie auch nicht, was doch allemal gefehieht, in eine komplete Synoftofe \u00fcberginge, \u2014 nicht den minderten Einflufs auf feine Bewegung haben kann ; dafs da eine wahre Gelenkung unm\u00f6glich ilt ; dafs gerade der mit der Hirnfchale verbundene Thoil des Oberkiefers unbeweglich ruht, und dafs der Oberkiefer an der Stirn fich in fich felbft und gegen einen unbeweglichen Theil feiner felbft bewegt, welcher Theii eben zur Stirn \u00fcbergegangen ift, und bald v\u00f6llig mit derfeiben verfchmilzt.\nDie Stelle, wo fich der Oberkiefer ftirnw\u00e4rts biegt, zeichnet fich bei vielen V\u00f6geln durch keine be-fondere Befchaffenheit aus; meiftens ift fie jedoch d\u00fcnner; die Knochenfafern find da zarter, und enthalten, wie es fcheint, weniger Kalkerde, find folglich ge-fchmeidiger als an andern Steilen des Schnabek\u00fcckenS. Bei einigen V\u00f6geln aber findet fich an der Biegung?-\nftelle eine Quer fur ehe oder Spa\the vor der\tStirn.\tD]c\tjfe\nFurche hat man f\u00fcr eine Gelenkung gel\t\tlalten ;\talle\t.\u25a0in\nfie fehlt bei jungen V\u00f6geln, ui\tnd bildet fich. erft 1\t\tp\u00e4h\t2i>\nhin aus, theiis dadurch, dafs\tder fonft n\ttehr ode\tr v.\t;s-\nniger ausgedehnte Biegungspuu\tkt fieh auf e\tine beft\t\u00ee m n\t! L\u00d6\nfchmale Oueriinie veducirt, t\u2019i\tsells dadur\tci:, da\t. is <\t! \u2018 10\nLuft, welche in die pneumatifr\tdien Zeilen\t, des Sc\tha hi\teis\neindringt, die Oberfl\u00e4che des S\teh \u00f6de Ls hin\tter dar\toe \u25a0'\tve-\ngungslinie und oft auch vor\tihr den S:\tdmaheli\t'C'cU\t:cn\nmehr oder weniger auftreibt,\tw\u00e4hrend d.\ter Kuoc\theu\tin\nder Bew\u00e9gungshnie felbft durch\tdie beh\u00e4nd:\tiga Zniai\tn : i ; ;\t\nclr\u00fcckung, die feine Dipio\u00f6 bei\tder Biegun\tg er fahr\tt\to.r-\nhindert wird, Luft cufzuuehn\tneu, undfi\tei: da zi\ti Ci\t","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nben. So ift es bei mehreren Arten der Gattung Anas, bei den Eulen, vielen K-cnilnnfsern, Finken, Ammern, Meilen, ganz befonders bei den Papageien. Keiner diefer V\u00f6gel bat da ein Gelenk, und bei keinem l\u00e4fst fich der Oberfchnabel, i'el\u00f6ft in fier erw\u00e4hnten eilige, furchten Beugungslinie, von der Hirnfchale anders trennen, als durch ein wirkliches Abbrechen der Knochenlamelle, die ihn mit derfelben verbindet; bei welchem Abbrechen dann allemal ein gr\u00f6fseres oder kleineres, Oft ein lehr grofses St\u00fcck der urfpr\u00fcnglichen Nafen-kieferbeine und Nafenbeinftreifen an der Hirnfchale fitzen bleiben mufs.\nDie Bewegung des Oberkiefers gegen die Jochb\u00f6ge?/ und Gaumenbeine ift von \u00e4hnlicher Art; es il\u2019t eine bl-ifse Biegung in den Knochenftiicken felbft, nicht in den Punkten ihrer Zufammenfetzung mit dem Oberfchnabel, welche Zufarnmenfligung ebenfalls von der Art ift, wie man an jungen Sch\u00e4deln hebt, dafs fie die Bewegung des Oberkiefers nicht im mincleften bef\u00f6rdert, fondern im Gegentheil diefelbe erfchwert, indem fie ebenfalls in fehr langen, horizontalen Zufammen-fchiebmioen oder Anlagen befteht. Infofern fich der Schnabel gegen den Jochbogen biegt, biegt fich blofs der Joehfortfatz des Jochkieferbeins, wenn n\u00e4mlich das Jochbein und das Quadratjochbein fich nicht bis an den Biegungspunkt, der ganz in der N\u00e4he des K\u00f6rpers des Jochkieferbeins ift, erftrecken. Ift diefes abei' der Fall, fo m iffen auch die dahin reichenden Enden jener beiden Knochen an befugtem Punkte nothwendig mit gebogen werden, gleichwie drei, der L\u00e4nge nach zufammenge-leimte Fifchbeinftreifen nicht anders als zufammen gebogen werden k\u00f6nnen.\nInfofern fich der Oberkiefer gegen die Gaumen\u25a0* beine biegt, ift die Biegungsftelle in den Gaumenbeinen, an einem dem Oberkiefer mehr oder weniger nahen","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"367\nPunkte, nicht aber in der Linie ihrer Vereinigung mit dem Oberkiefer, welche Vereinigung durch fo lange horizontale Fl\u00e4chen bewirkt wird, dafs ihre Richtung der, in welcher die Biegung gefchicht, eben fo entgegengefetzt ift, als in den vorerw\u00e4hnten F\u00e4llen.\nMan fieht aus obiger Betrachtung, clafs Heriffant; Blumenbach1 2), Cuvier 3), Tiedemann4) und andere mit Unrecht bei einigen V\u00f6geln eine wahre Gelenkverbindung des Oberkiefers mit der Stirn annehmen. Auch ift die gelenkartige Reibung, welche das Nafenkiefer-bein bei einigen V\u00f6geln, namentlich bei Enten und G\u00e4nfen mit dem Thr\u00e4nenbeine macht, etwas fo Zuf\u00e4lliges und Unwefentliches, indem diefe feitliche Gelen-kung blofs durch die Ausbreitung des Thr\u00e4nenbeins veranlafst wird, und das Thr\u00e4nenbein dem Oberfchna-bel gar keinen Anhalt gew\u00e4hrt, dafs man diefeibe keineswegs f\u00fcr die Hauptfache anfehen , und hier die Bie-gungsftelle an der Stirn f\u00fcr \u201eein Charnier, was durch biesifame Knochenbl\u00e4tter unterftiitzt werde \u201c erkl\u00e4ren\nO\nkann, wie Heriffant thut. Wenn \u00fcbrigens Heriffant und Cuvier eine fo vollft\u00e4ndige und deutliche Dar-ftellung des ganzen Mechanismus, durch den der Oberkiefer der V\u00f6gel bewegt wird, gegeben haben, dafs ich jetzt, indem es mir blofs darum zu thunift, die Befchaffenheit der vordem Biegungsftellen aufzukl\u00e4ren, gern auf diefe trefflichen Anatomen verweife, fo ver-miffe ich doch in Cuvier\u2019s Darftellung die Erw\u00e4hnung der an den vordem Enden der Gaumenbeine und der\n1)\tAnat. Bemerkungen \u00fcb. die Bewegung des Schnabels bei den V\u00f6geln, \u00fcberletzt in Froriep\u2019s Biblioth. i\u00fcr vergl. Anatom.\nS. i;?.\n2)\tHandbuch der vergl. Anatom. S.\n3)\tLe\u00e7ons d\u2019anat. compar\u00e9e, T. II. p. 70. T. TII. p. 62. 63-\n4)\tZoologie, B. S. S. 3S2.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"Jochh\u00f6gen befindlichen Biegungen. Auch Tiedemann, gedenkt derlei neu nicht. Er lagt: \u201eDie Beweglichkeit des Oberkiefers wird dadurch m\u00f6glich, dafs die Qu.in'raiknocheii an tien Schiarbeinen artiltuliren, dafs die Verhindungsbeine an den Ouadratknochen, und dafs die Gaumenbeine an (len Verbindungsbeinen beweg-lieh eingelenkt find, und dafs endlich die Oberkieferbeine auch durch ein bewegliches Gelenk, oder durch eine Harmonie mit den Sch\u00e4delknochen verbunden find.\u201c Allein es m\u00f6chten immerhin alle diefe Geien-kungen da i\u2019eyn, un i es m\u00f6chte folbl\u2019t der Qberfcnna-bel mit der Stirn wirklich artikuliren, was niemals der Fall ill, fo w\u00fcrde loch der Vogel niemals feinen Ober\u00ab fchnabcl bewegen k\u00f6nnen, wenn nicht auch am vordem Ende der Jochb\u00f6gen und der Gaumenbeine eine gewiffe Bewegung, die tienjfnnt wohl bemerkt hat, Stuft f\u00e4nde. Die Biegungskeile des Schnabeir.ickens aber dt, wie wir geiehen haben, eben fo wenig jemals eine Harmonie als ein wahres Gelenk.\nGewifs ift es fussent merkw\u00fcrdig, dafs an jenen Bewegungftftel ;en des \u00fcberfchnabeis niemals Gelenkungen angelegt und, da doch deren Bildung fo nahe lag, und die hintern, an der Racheuflache befindlichen, zur IVJaiomie des Oberkiefers geh\u00f6rigen Knochen dergleichen haben. Wie leicht konnten der Oberfchnabei au die Stirn, die Jochb\u00f6gen an die JochUieferbeine und die Gaumenbeine an diefe oder den Intermaxillarknochen fo ausef\u00fcct werden, dafs alle diefe Verbinduncn; Ge-lenke wurden. Allein die Natur bat dies ahn entlieh verhindert, indem fie anftalt frans rerHaler und perpendikul\u00e4rer nur horizontale oder Janggefireckte Ber\u00fchrungsfl\u00e4che\u00bb jener lvnoclientbeile bewirkte, welche gleich auf Syaohofe berechnet zu Dyn fcheinen.\nIch habe bisher blofs die Be,':-hafjvi)h^it der vordem Ihegungspunkte des Oberkiefers der V\u00f6gel ge-","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"nauer zu beftimmen gefacht, auf die Stellung derfel-ben aber nur ira Allgemeinen, und nur in Beziehung auf ihre Beschaffenheit Riick\u00dfcht genommen. Da bei den aUermeifcen V\u00f6geln der ganze Oberfchnabel bewege wird, und folglich die vorderften Biegungspunkte an der Schnabelwurzel oder hinter den Nafenl\u00f6chern befindlich find, fo mufste ich diefe Stellung der Biegungspunkte bei obiger Er\u00f6rterung um fo mehr im Auge haben, je weniger den Anatomen und Phyfiologen bis jetzt eine andere bekannt war. Wenn indeffen bei der gew\u00f6hnlichen Beweglichkeit des ganzen Oberkiefers fchon einige Verfchiedenheit in der Stellung der Biegunaspunkte vorkommt; wenn befonders der Bie-gnngspnnkt des Oberfchnahelr\u00fcckens bald mehr oder weniger von der Stirn entfernt ift, bald nnbcfnmmt fich verliert, bald auf eine beftirnmte Ouerlinie reduzirt il't; wenn ferner (liefe Ouerlinie bald vollft\u00e4ndig und ganz jft, bald wieder unterbrochen und gleichlam verfcho-ben erfcheint, wie z. B. bei den M\u00f6ven und Sternen, wo cler mittlere Schnabelr\u00fccken fich viel weiter abw\u00e4rts von der Stirn als die feitlichen abfteigendenFort-f\u00e4tze des Nafomaxil.larbeins biegt; \u2014 fo habe ich hingegen hei einer Reihe d\u00fcnnfchn\u00e4beliger Strandv\u00f6gel noch weit ausgezeichnetere Verh\u00e4ltnifle in der Steilung uml felbft in der Zahl der Biegungspunkte des Oberkiefers kennen gelernt. Diefe h\u00f6chft merkw\u00fcrdigen Verh\u00e4ltnifle verdienen eine n\u00e4here Betrachtung.\nZuerft zeigte mir die Gattung der Schnepfen (Sco-lopax Beeil ft.') in allen hiel\u00e4ndilchen Arten, ai sSvoIopaoc rit\u00dficola, major L. (madia Bechfi.) gallinago und gallimil\u00e4, welche ich frifeh unterlucht, theils auch lebendig beobachtet habe, eine blo\u00dfi partielle Beweglichkeit des Oberkiefers. Nur die Spitze oder der vordere Thai! ihres langen Qberfchncibels i\u00df biegjain, kann erhoben und gelenkt werden; der hintere '1 heil","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\ndefeiben, wenigftens des Schnabelruckens i\u00df keiner Biegung oder Bewegung f\u00e4hig. Eine folclie Bewe-gungsart fetzt voraus, clafs die hebelartige Vorrichtung, welche den Oberkiefer bewegt, und welche fonft mit den Joch- und Gaumenb\u00f6gen aufh\u00f6rt, viel weiter nach vorn verl\u00e4ngert fey, um den Druck der bewegten He-belmafchine bis zum beweglichen Punkt des Oberfchna-belr\u00fcckens fortleiten zu k\u00f6nnen. Dies ilt auch bei den Schnepfen dadurch bewirkt, dafs der Seiten- und Untertheil des Oberkiefers nicht nur bis an den befugten Punkt hin, fondera noch dar\u00fcber hinaus, in Form einer langen d\u00fcnnen Gr\u00e4the (welche auf jeder Seite urfpr\u00fcng-lich theils vom Os jugomaxillare, theils vom r\u00fcckw\u00e4rts gehenden Seiten fort (atz des Intermaxillarknochens, theils auch hinterw\u00e4rts von dem eingefchobenen Gaumenbeine gebildet wird) \u2014 der L\u00e4nge nach vom K\u00fccken des Oberkiefers abgefondert ift. Diefe Gr\u00e4the pflanzt nun (gleicbfam als eine Fortfetzung des J\u00f6chbogens und Gaumenbeins) ten Druck, den ihr der hintere Theil der bewegten Oberkiefennafchine mittheilt, bis zur bewegbaren Spitze des Schnabels fort; infofern n\u00e4mlich der abfteigende \u00e4ufsere Fortfalz des IFafenkieferbeins einer Biegung fowohl an feinem obern als untern Ende f\u00e4hig ift und zul\u00e4fst, dafs die Gr\u00e4the gefchoben werden kann, um, indem fie lieh Mbit in der Gegend des BM gungspunktes des Schuabelr\u00fcckens biegt, auch die bieg-fame Kieferfpiize in die Hone treiben, oder herabziehen zu k\u00f6nnen. Indem alfo bei der Mandibelbewegung fowohl der genannte Fortfatz des Nafenkieferbeins ein wenig gegen den Sch\u00e4del bewegt, als auch die feitlicbe Gr\u00e4the des Oberkiefers hin- und her gefchoben wird; fo findet allerdings bei der Bewegung der Schnabel-fpitze auch an den Seiten des hintern 1dieils des Oberkiefers eine Bewegung Statt, obgleich der R\u00fccken dicter hintern Strecke v\u00f6llig ftarr und unbeweglich ift. \u2014","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"371\nMan fi \u00e9lit es dem R\u00fccken des Oberkiefers (welcher wie gew\u00f6hnlich aus den Naialforti\u00e4tzen des Nafenkie-ferbeins und denen des Zwifchenkieferbeins urfpr\u00fcng-lich gebildet wird) gleich an, dafs er an der Wurzel und in der ganzen hintern Strecke einer Bierumg durchaus nicht f\u00e4hig ift * denn ftatt eine horizontale plattgedruckte Lamelle darzuftellen, wie dies bei allen V\u00f6geln, deren Schnabelr\u00fccken an feiner Wurzel den Biegungspunkt hat, der Fall ift, \u2014 bildet er vielmehr theils eine perpendikul\u00e4r nach unten gehende Kante, theils n\u00e4hert er lieh der Walzenform. Erft da, wo der Biegungspunkt anf\u00e4ngt, wird er d\u00fcnn lamellenartig zuge-fchliffen. Eben dies gilt auch von den feitlichen Gr\u00e4-then, welche ebenfalls lieh er ft am Biegungspunkte lamellenartig verd\u00fcnnen, da fie in der hintern Strecke mehr oder weniger Aval zig find. \u2014 Die Biegungsftelle des Oberkiefers der Schnepfen ift ziemlich ausgedehnt, fo dafs der bewegliche Theil des Kiefers bei feiner Erhebung eine kleine Kr\u00fcmmung bildet. Jedoch l\u00e4fst /ich der Anfang der biegfamen Stelle ziemlich ganau beftim-raen. Bei Scolopax ru\u00dficola f\u00e4ngt diefelbe in der Mitte des Kiefers an, und es bewegt fich alfo gerade die vordere H\u00e4lfte gegen die hintere, beiden \u00fcbrigen Arten aber ift fie der Spitze n\u00e4her, fo dafs blofs das vordere Drittheil des Oberfehnabels gebogen wird.\nDie Stellung und Zahl der Biegungspunkte des Oberkiefers der Schnepfen Aveicht folglich von der anderer V\u00f6gel, deren ganzer Oberfclmabel bewegt wird, darin ab :\ni) dafs der Biegungspunkt des Kieferr\u00fcckens ganz von der Stirn entfernt , und vor den Nafeul\u00f6ehorn angebracht ift; \u2014 2) dafs im untern Ende ties abftelgen-den \u00e4ufsern Aftes des Nafenkieferbeins eine Biegung Statt findet; 3) clafs gewiffermafsen als Wiederholung der an den vordem Enden der Jochb\u00f6gen und Gaumen-","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nbeine befindlichen Biepungsfteile, noch eine in abge-fonderten Gr\u00e4then unter dem Biegungspunkt des Kie-ferrtickens befindlich ift. Es il't alfo von der einen Seite eine blofse Verlegung, von der andern ein wirkliches Plus der Biegungsflelien, wag die Schnepfen vor den V\u00f6geln, die die ganze Oberkinnlade bewegen, auszeichnet. Die am Ende der Gaumenbeine und der Jochb\u00fcgen fnnft befindlichen Biegungen fehlen n\u00e4mlich den Schnepfen keineswegs, wie man vielleicht vermuthen k\u00f6nnte, ob lie gleich nur fehwach find.\nEs ift zu verwundern, dafs diufe Bewegungsart des Oberkiefers den Anatomen und Phyliologen g\u00e4nzlich unbekannt geblieben ift, und dafs auch kein orni-thologifcher S chriitfteller bis auf Ncumiann derfelben gedenkt.\nisaiiina/m deutet diefes Verh\u00e4ltnifs im dritten Theile feiner Naturg. d. fr\u00f6gcl des n\u00f6rdl, Deutfchl. (S. 5.) folgen der mats en an: \u201e Die Schn\u00e4bel der Schnepfen find biegi\u00e4m, lie k\u00f6nnen diefeiben auffperren ohne die Kinnladen zu bewegen.\u201c Da diele Bemerkung von Andern voreiliger Weife f\u00fcr unrichtig erkl\u00e4rt worden ift, fo f\u00fcgt er im erften Hefte des Nachtrags (S. 57) noch hinzu ; dafs jene Schnabelbewegung an lebenden Schnepfen unverkennbar fey, und dafs eine Schnepfe welche durch einen Stich ins Genick get\u00f6dtet werde, indem man ihr den Schnabel an der Wurzel feit zuhalte, dennoch in der Todesangft den Schnabel vorn weit auffperre, den Oberfohnabel hinauf , und den Un-terfchnafi el hinunterbiege. . Obgleich diefe Stelle fo v/eui/ wie die vorhergehende eine deutliche Vorftel 1 ung von der Ivici erbewegung der Schnepfen giebt, und ob fie gleich von der einen Seite eine offenbare Unrichtigkeit enth\u00e4lt, indem, wenn die beiden Kinnladen an der Schnabelwnrzcl feit gefchloflen lind, die UntcrklnuM\u00eae lieh unm\u00f6glich herunter biegen kann, und eine parfklle","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"373\nBiegung der Spitze der Unterkinnlade durchaus nicht Statt findet, fo ift doch andrer Seits von Naumann fehr richtig angedeutet, dafs die Schnepfe ihre Sqfinabel-fpitze bewegen k\u00f6nne, ohne deswegen den Unterkiefer abziehen zu m\u00fcfen. \u2014 Zwar m\u00fchen allemal die Muskeln, welche die Unterkinnlade offnen, und ihre Aftenden nach oben und hinten ziehen , fich contrahi-ren, wenn die Drehung des Artikularbeins und die Vorfchiebung der Oberkiefermafchine erfolgen foil, allein es k\u00f6nnen, fobald das Gelenkbein fixirtiit, zugleich die Anzieher des Unterkiefers, welche nicht zugleich Niederzieher des Oberkiefers fin i, wirken, und dann wird die Erhebung des Oberkiefers ohne Senkung des Unterkiefers bewirkt werden. Ich habe diefe, vielleicht bisher fur unm\u00f6glich gehaltene Art der Schnabel-\u00d6ffnung, durch alleinige Erhebung des Oberkiefers nicht nur bei Schnepfen , fondern auch zuweilen an andern lebenden V\u00f6geln beobachtet. Sie fcheint aber bei den Schnepfen vorz\u00fcglich und in der Regel Statt zu finden, und der Hauptgrund der fonft beifpiellofen Stellung und Verk\u00fcrzung1) des hintern Theils der Kiefermafchine zufevn, wie ich an einem andern Orte darthun zu k\u00f6nnen hoffe. Denn dafs die partielle Bewegung der Oberkieferfpitze an fich nicht die Urfache jener eigenth\u00fcmlichen Verh\u00e4ltnifle des Schnepfenfch\u00e4-\nl) teil habe diefe Stellung der Kiefermafchine und \u00fcberhaupt die h\u00f6clift fonderbare Sch\u00e4delbildung, wodurch fich die Schnepfen-gattung vor allen bekannten V\u00f6geln auszeichnet, in meinen oiteogwphifchen Beitrugen zur Naturg. d. V\u00f6gel nach dem Mufter der Waldfchnepfe ausf\u00fchrlich befchrieben. Die Art der Kieferbewegung diefer Gattung war mir damals noch nicht bekannt. Meine .Vermuthung aber, dafs alle wahren Schnepfen in jener Bildung, der Hauptfache nach mit der Waldfchnepfe \u00dcbereinkommen m\u00f6chten, habe ich feitdem, wenigftens an allen inl\u00e4ndifchen Arten, vollkommen beftk'tigt gefunden.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\ndels ift, davon bin icli durch die Unterfuchung anderer Gattungen \u00fcberzeugt worden.\nDie Schnepfen find n\u00e4mlich keineswegs die einzigen V\u00f6gel , welche nur die Spitze des Oberkiefers bewegen. Bei den Brachv\u00f6geln (Numenius Beehft.) ift der Biegungspunkt des Oberfchnabelr\u00fc\u00e7kens ebenfalls gegen die Spitze hin verlegt, und es gilt von die-fer Gattung, mit geringer Modification , da (Tel be, was von den Schnepfen getagt ift. Der Schnabelr\u00fccken ift daher eben fo von den Seitenitreifen bis kurz vor feiner Endigung abgefondert ; nur ift er flacher und etwas mehr horizontal zniammcngedriickt. Bei den grofsen Arten biegt fielt der an fielt lehr gekr\u00fcmmte Oberkiefer in der Bewegung blofs gerade, nicht \u00fcberfielt; beiden kleinern aber, wo die Kr\u00fcmmung des Schnabels geringer ift, auch ein klein wenig \u00fcber die gerade Linie hinaus. Das erfte habe ich bei Nunienius Arquata, das letztere bei ISiumen. Subarquata und variabi\u00fcs Beehft. gefunden.\nDie Gattung Limufu (Leisleri) fo wie die wahren Tritt gen 1 ), zu denen z, B. Tringa pngnax, islandica, cinerea, Temminhii. (Lexsl.) und minuta (Leisler.) auch die fchiecht benannte Arenaria vulgaris?) (Beehft.), keineswegs aber Tr. inter pr\u00e8s, ochropus, glareola und\nl) Ob ich gleich Jen Geb alt der Gattung Tringa liier etwas anders und nat\u00fcrlicher als die neuern Syftematiker der Ornithologie zu beitimmeu verflicht liabs, fo fragt es heb doch noch; ob nicht diefe ganze Gattung, felbft wieder mit der Gattung Limoja Leislers und mit der der Numenieii, wenig-ftens mit den kleinern Arten der letztem, vereinigt werden mufs.\nc) Arenaria ift ja eine Fllanzengattung. \u2014 Ich verdanke die Gelegenheit zur Beobachtung jenes Vogels und einiger andern liter aufgef\u00fchrten, cler G\u00fcte meines verehrten Freundes, des trefflichen Natur f\u00fcrfchers und Zeichners KaulfuJ's.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"cinchis geh\u00f6ren, bewegen ganz nach Schnepfenart blofs die Spitze des Oberkiefers.\nDie Sichler (Ibis Laccp. Illig.) fcheinen auf gleiche Weife nur den vordem Theil ihres Oberkiefers erheben zu k\u00f6nnen; wenigftens bemerkte ich am Ibis falci-nellus und ruber ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnifs des Schnabels, was ganz f\u00fcr diefe Annahme fpricht.\nEben diefes Verh\u00e4ltnifs fand ich auch wider Ver-muthen bei den Kolibris (Trochilus), welche ganz ge-wifs nur die \u00e4ufserfte Spitze des Oberkiefers bewegen, was fich auch vollkommen mit ihrer Nahrungsart reimt.\nBei der Gattung Totanus (mihi) hingegen, wozu aufser Totanus maculatus, ca/idris, glottis ganz un-l\u00e4ugbar auch Charadrius himcuitopus L. und Tringct glareola, ochropus und cinchis nach meinen genauen Unterfuchungen gerechnet werden muffen, \u2014 findet fich der Biegungspunkt des Oberkiefers hinter den Na-fenl\u00f6ehern, und es erhebt fich bei (liefen V\u00f6geln folglich der ganze Oberkiefer. Inclelfen ift hier die Bie-gungsltelle doch etwas abw\u00e4rts von der Stirn angebracht, und es erftreckt fich diefelbe bei einigen Arten, als bei cinchis und glottis, fo weit nach vorn, dafs fie erft \u00fcber oder ein wenig vor den Nafenl\u00f6chern auf h\u00f6rt. Es zeigt fich in diefer Gattung alfo gewiffermafsen ein Uebergang von der Wurzelbiegung des Schnabelr\u00fcckens zur Spitzenbiegung deffelben. Auch ift bei den Totanis noch eine Biegungsftelle im hintern Theil der feit-lichen Beingr\u00e4then des Oberkiefers, welche fich eben fo weit als die Biegungsftelle des Kieferr\u00fcckens nach vorn erftreckt.\nDie Gattungen Pht\u00e0aropus, Recvrviroftra und Haematopus, kommen vermuthiich, infofern ich nach fl\u00fcchtiger Anficht ausgeftopfter Exemplare urtheilen","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nkann, in der Bewegungsart des Oberkiefers mit den Totanis \u00fcberein.\nGanz beftimmt aber zeigt fich bei der Gattung Charadrius (mihi), wozu ich nicht nur die Ciiaradrien der Neuern fondern auch das Genus Vanelius und Tringa int er pres L. rechne, \u2014 der Biegungspunkt an der Wurzel des Oberkiefers. Beim Charadrius oedi-enomus L. und Charadrius interpres (mihi) ift weiter kein Biegungspunkt des Schnabelr\u00fcckens da, und es erhebt fich allemal der ganze Oberkiefer. Allein bei den \u00fcbrigen Arten, weuigftens bei Charadrius mori-nellus, pluvialis, Helveticas, vanelius, hiaticula und minor, die ich bis jetzt nur habe unterhielten k\u00f6nnen, tritt der lehr merkw\u00fcrdige Fall ein, dafs zwei gut renn-' te Biegungsfiellen des Oberkieferr\u00fccke/is da find. Es biegt fich der Oberkiefer n\u00e4mlich einmal an der Wurzel, und noch einmal gleich hinter der verdickten Spitze. Obgleich die vordere Biegung nicht lehr betr\u00e4chtlich ift, fo habe ich diefelbe doch an allen genannten Arten deutlich bemerkt, und zugleich gefunden, dafs cliefe V\u00f6gel bald nur die Spitze, bald den ganzen Oberkiefer erheben. Das erfte gefehieht vermuthlich, wenn mit den fchnabel\u00f6ffnenden Muskeln zugleich die Auf-7.ieher des Unterkiefers wirken ; weuigftens kann man an frifchen K\u00f6pfen die Erhebung fier blofsen Spitze dadurch bewirken, dafs man den Unterkiefer ftark andr\u00fcckt: \u2014 das letztere erfolgt, wenn der Unterkiefer wirklich abgezogen wird.\nAuch der Kranich zeigte mir, wiewohl in einem fehr fchwachea Grade, aufser dem hinter// noch einen vordem Biegung./funkt des Oberfclinabels, und \u00fcberhaupt \u00e4hnliche Verh\u00e4ltniffe als die Gharaclrien.\nWir haben aifo drei H a u ptverjchiedenheieen der Stellung der Biegungspunkte des Oberkiefers der V\u00f6gel kennen gelernt. Der Biegungspunkt des Oberkieferr\u00fcckens","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"577\nriickens ift n\u00e4mlich entweder i) hinter den Naf\u00f6nl\u00f6-chern, nahe bei d y Stu n befindlich, und es bewegt fick der ganze Oberfchnabel. So ift es mit Ausnahme der Kolibris bei allen Land- uwd Schwimmv\u00f6geln, auch bei vielen Sumpfv\u00f6geln , als den St\u00f6rchen , Reihern, Rallen , Bl\u00fcfslingen, einigen Charadrien, bei der Glareola\nund, wiewohl modificirt, bei den Totanis; _____ oder\n2) der einfache Biegungspunkt des Schnaheir\u00e4ckens ift weit vor den Nafenl\u00f6chern befindlich, und es ift nur die Spitze des Oberkiefers beweglich. Dies ift bei den Kolibris und gewiffen Sumpfv\u00f6geln, als bei den Gattungen Scolopax, Numenius, Tringa (mihi), Limo-fa und Ibis der Fall ; \u2014 oder endlich 3) es hat der Schnabelr\u00fccken einen Biegungspunkt vor, und einen hinter den Nafenl\u00f6chern, fo dafs fich entweder nur die Soitze oder der ganze Kiefer bewegt, welches Verh\u00e4ltnifs nur bei den Charadriis (mihi) und einigermafsen beim Kranich vorkommt.\nMan fleht es dem Schnabel eines Vogels gleich an, wenn der Biegungspunkt der Spitze nahe liegt, denn da zu diefem Ende allemal die Seitentheile des Oberkiefers fehr weit von dem R\u00fccken deffelben aboefondert feyn muffen, fo erkennt man auch am nat\u00fcrlich bekleideten Oberkiefer eine feitliche, von der Wurzel an weit nach vorn gehende Furche, in welcher der \u00e4ufsere Ueberzug des Schnabels immer fehr weich und hautartig feyn mufs, um das Hin - und Herfclneben der feit-lichen Knochengr\u00e4the m\u00f6glich zu machen. Diele Furche aber mufs fich \u00fcber die Mitte der Sclmabell\u00e4rwe erftrecken, und dabei vorw\u00e4rts eng und fchmal werden, wenn daraus mit einiger Sicherheit auf die Anwe-fenheit eines vor den Nafenl\u00f6chern befindlichen \u00dfie-gungspunktes foil gefchioffen werden k\u00f6nnen. Infofern diefes letztere Kriterium bei den Gattungen Fulica, Railus, Podiceps, Sterna, Larus und andern Sumpf-M. d, Archiv. II. 3,\tBb","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"und Schwimmv\u00f6geln nicht Statt findet, fo zeigen diefe Gattungen auch nur die gew\u00f6hnliche Bewegung des ganzen Oberfchnabels; ob fie gleich fehr weit gezogene Nafen\u00f6ffnungen und den Kieferr\u00fccken auch ein gutes St\u00fcck von den Seitentheilen abrefondert haben. So\no\nausgemacht alfo die fonderbare Spitzenbewegung bei einer Reihe der Strandv\u00f6gel ift, fo kommt doch diefe Einrichtung bei weitem nicht in der ganzen Ordnung, nicht einmal bei allen diinnfchn\u00e4beligen, und, fo viel mir bekannt ift, bei keinem Schwimmvogel, unter den Landv\u00f6geln aber nur bei der Gattung Troch 'dus vor.\nUebrigens zeigen die befchriebenen merkw\u00fcrdigen Verh\u00e4ltniffe hinl\u00e4nglich, wie unabh\u00e4ngig die Biegungspunkte des Oberfchnabels von den Anf\u00fcgungspunkten feiner urfpr\u00fcnglichen Knochenft\u00fccke find, da jene Biegungspunkte in fo verfchiedener und zum Theil in fo weiter Entfernung von der Stirn, und an Stellen angelegt werden konnten, in deren N\u00e4he durchaus keine transverfale Knochenverbindung Statt findet.\nWarum aber bewegen wohl jene V\u00f6gel blofs die Spitze des Oberkiefers ? \u2014 Vermuthlich darum, weil zur leichten und fichent Aufnahme ihrer Nahrung, die ganze Oeffnung eines Schnabels, der nur deswegen mehr oder wenig verl\u00e4ngert ift, damit er zum Sondiren und Einbohren gefchickter feyn follte, unn\u00f6thig und unzweckm\u00e4fsig gewefen feyn w\u00fcrde. Die Kolibris fon-diren die Blumen, und laugen den Nektar derfelben, wobei die ganze Oeffnung des Schnabels offenbar zweckwidrig w\u00e4re. Eben fo n\u00e4hren fich Schnepfen, Nunie-nien und 1 ringen blofs von kleinen Infekten, W\u00fcrmern und Mollusken, und brauchen einen langent Schnabel nur darum, weil fie diefelben fondirend ') auffuchen\ni) Indem diefe V\u00f6gel mit dem Solinabel in die weiche Erde oder den Moder einHechen, fliehen und finden lie ihr Futter durchs","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"379\nund finden. Wenn bei den Wafferl\u00fcufern (Totamts) und einigen Charadrien, ungeachtet ihrer n\u00e4hern Ver-wandtfchaft mit jenen Gattungen nicht die Spitze, fondera der ganze Oberkiefer beweglich ift, fo fcheint dies darin feinen Grund zu haben, dafs ihr Schnabel, theils nicht des Sondirens wegen verl\u00e4ngert ift, t\u2019heils nur eine geringe L\u00e4nge hat, und dafs ihre Nahrung iri etwas gr\u00f6fsern Thieren befteht. Im Magen der Waflerl\u00e4u-fer fand ich faft immer kleine Fifche, in dem des Chara-drius oedicnemiis aber fo grofse Schnecken uncl K\u00e4fer, als keine Schnepfe verfehl)ngt. Eben fo fcheint mir die doppelte Bewegung des Oberfchnabels bei den meiften Charadrien lieh auf die verfchiedene Gr\u00f6fse des Frafses ___________ Bb 2\nblofse Gef\u00fcllt, oline es zu fehen. Zu dem Ende liaban Ile (Schnepfen Triagen und wenigftens die kleinern Numenien) am vordem Tlieil ihres Ober - und Unterfchnabels einen Apparat von h\u00f6chft merkw\u00fcrdiger Einrichtung. Es befindet lieh n\u00e4mlich gleich unter der \u00e4ufsern, weichen Bedeckung der Kiefer eine grofse Menge dicht J'teilender, offener, knochigei\u25a0 Zellen, die oft fechseckig, und denen eines Bienenftocks \u00e4hnlich, meiftens jedoch etwas mehr in die Quere gezogen und unregelmafsiger lind. Diele Zellen nun find Beh\u00e4lter f\u00fcr eben fo viel Endigungen der Zweige der Kiefernerven vom f\u00fcnften Nervenpaare. Jede Zelle ift auf ihrem Grunde durchbohrt, und nimmt da einen Nervenfaden auf, der fich umgeben von einer halbfl\u00fcfligen Maffe in ihr verdickt, und unter der Haut des Schnabels endet. \u2014 Erinnert diefer Apparat nicht an das electrifche Organ der electrifchen Fifche, befonders des Zitterrochen, oder, wie Herr Dr. A. Meckel, als ich ihm diefe Beobachtung mittheilte, bemerkte \u2014 an den Ban des Infek-tenauges? \u2014 Wie febr mufs das Gef\u00fchl der Schnabel -fpitze dadurch bei diefen V\u00f6geln verfeinert werden! Obgleich bei allen andern V\u00f6geln die Kiefernerven befonders an (der Spitze der Schn\u00e4bel mit mehrern Zweigen heraustreten, und lieh unter der \u00e4ufsern Schnabelbedeckung enden , fo ift doch bei denfelben (auch die Enten nicht ausgenommen^ die Zahl der heraustretenden Nervenf den immer ohne Vergleich geringer und die eigendz auf gefetzten Zellen fehlen ganz und gar.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"580\nzu beziehen und fie inStand zu fetzen, eben fo wohl fehr kleine Infekten, Wfirmer und dergl. als auch betr\u00e4chtlich gr\u00f6fsere mit Bequemlichkeit faffen zu k\u00f6nnen.\n\u00cfI.\nChermfc\u2019ne Unterfuchung des Harns eines diabetifchen Pferdes. Vom Prof. J, F. John.\nWie grofs auch die Anzahl der Analyfen feyn mag, welche wir von dem diabetifchen Harn des Menfchen befilzen: fo hat lieh doch noch kein Chemiker mit der Untenuchung des thierifchen Harns im kranken Zu-ftande, oder auch nur mit dem Harn an der Diabetes leidender Thiere bei'cli\u00e4ftiget. Ich war daher erfreut, Gelegenheit zu finden, eine L\u00fccke in der Zoochemie, mit den folgenden fiir die Phyfioiogie nicht unwichtigen Verfuchen, in deren Verfolg ich leider durch meine milit\u00e4rifchen Verli\u00e4ltniffe unterbrochen wurde, ausfiil-len zu k\u00f6nnen.\nDa die Pferde, befonders wenn fie, wie dasjenige deffen Harn zu diefer Aoalyfe diente, mit frifchen Kr\u00e4utern gef\u00fcttert werden, ftets eine viel gr\u00f6fsere Menge zuckriger Materie geniefsen, als der Menfch, welcher von gemifchten Speifen lebt; fo glaubte ich bei diefer Unterfuchung vorz\u00fcglich darauf mein Augenmerk richten zu d\u00fcrfen, ob in dem Pferdeharn ebenfalls Harnzucker enthalten ley. Ungeachtet das Pferd die Diabetes in einem fehr hohen Grade hatte, fiel das Refultat doch negativ aus. Ich bin indefs Willens, in der Folge, Wenn mir mehr Zeit \u00fcbrig bleibt, welche ich dieier wichtigen Materie widmen kann, nicht allein den Faden dort wieder anzukn\u00fcpfen, wo ich ihn jetzt ablaufen laffen inufsle, fondera auch den Harn ganz gefunder Pferde zu unterfuehen, um einen fichera Maafsftab zur Vergleichung zu erhalten.","page":380}],"identifier":"lit14031","issued":"1816","language":"de","pages":"361-380","startpages":"361","title":"\u00dcber die Bewegung des Oberkiefers der V\u00f6gel","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:20:28.216883+00:00"}