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Versuch einer Geschichte der menschlichen Zeugung

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{"created":"2022-01-31T14:12:27.831373+00:00","id":"lit14033","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Doellinger, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 2: 388-402","fulltext":[{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nIII.\nVerfnch einer Gefchichte der menfcldichen Zeugung. Vom Prof. Dr. J. Doellinger.\ni)\tDr Menfch zeugt, wie die meiften Thiere, durch zwei Gefchlechter, deren jedes eine der beiden Seiten der zeugenden Kraft in fich bewahrt.\n2)\tDas Weib giebt die Form, der Mann den Antrieb: durch beides wird die Entwicklung gefetzt : die Beftimmung zur Entwicklung ift eben die Zeugung.\nDie Annahme einer vorhandenen Form, zu der der Antrieb kommt, ift das Princip der Evolution. Die Meinung, dafs der Antrieb auch die Form gebe, das der Epigenefe. Allein beides ift da, und vor der Zeugung, potentia, mit ihr actu.\n3)\tMann und Weib conftituiren die menfchliche Gattung, und jedes ift als zur Gattung geh\u00f6rend felbft Menfch, jedes ift alfo, die Gattung in fich bewahrend, Mann und Weib ; im Weibe aber ift das Uebergewicht der Weiblichkeit, im Manne das Uebergewicht der M\u00e4nnlichkeit.\n4)\tMann und Weib zeugen mit einer und derfel-ben Zeugungskraft, n\u00e4mlich mit der menfchlichen, aber im relativen Uebergewichte, der Mann zeugt m\u00e4nnlichweiblich, das Weib weiblichm\u00e4nnlich.\nDie zeugende Kraft hat die Menfcbengattung bei ihrer erften Enthebung, aus dem Weltall, zun\u00e4chft aus unferem Planetenfyfteme in fich genommen, fie wurde ihm eingeboren, dem Manne die Wirkung der Sonne auf die Erde, dem Weibe die Wirkung der Erde entgegen der Sonne ; beiden die relative Einheit beider.\n5)\tDie thierifche Zeugung ift die Erhaltung der Gattung durch Individuen, damit alfo gezeugt werde,","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"mufs fich der Gattungscharakter rein darftellen, darum mufs der Mann, was an ihm m\u00e4nnlich ift, die St\u00e4rke des Antriebs, das Weib, was an ihm weiblich ift, die Scham der Verfchloffenheit der Zeugung zum Opfer bringen, aus der Vereinigung beider erfprofst die Menfchheit.\n6)\tBeim Zeugungsacte durchdringen fich die m\u00e4nnliche und weibliche Zeugungskraft, fo dafs das M\u00e4nnliche des Mannes eingeboren wird\u2018dem Weiblichen des Weibes, und umgekehrt das Weibliche des Weibes dem M\u00e4nnlichen des Mannes ; erftes ift Foecundation, das zweite Conception.\nNichts zum Leben geh\u00f6rendes, am allerwenigften, wovon Leben als Erfcheinung ausgeht, kann als ein blofs leidender Zuftand angefehen werden: wo fich Omani-fdhes darftellt, da ift Handlung, und es felbft nur der finnliche; Ausdruck lebendigen Wirkens ; darum ift auch die Conception nichts paffives, fondern ein Act.\n7)\tDie Foecundation ift vermittelt durch das M\u00e4nnliche im Weibe, die Conception durch das Weibliche im Manne.\nWie \u00fcberall in der Natur, fo auch im Leibe des lebendigen Thiers gleichen fich alle Gegenf\u00e4tze nur in der H\u00fclfe eines dritten vermittelnden Gliedes aus, z. B. Salz und Zungen W\u00e4rzchen durch den Speichel, Speife und Magenwand durch den Magenfaft, Nerv und Ge-f\u00e4fs im Schleimgewebe u. f. w. Ein folches drittes vermittelndes Glied, der Mittler, nimmt immer den Andrang der beiden entgegengefetzten Kr\u00e4fte auf, und f\u00fchrt fie zur Vereinigung, weil es beiden verwandt, und doch nicht das eine oder das andere ift : ohne folchen Mittler w\u00fcrde eine Kraft nur der andern widerftreben, oder die eine die andere verzehren.\n8)\tDas Zeugen ift entgegengefetzt dem Individuellen des Lebensproceffes, und hat im K\u00f6rper des","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"590\nIndividuums feine eigene Sph\u00e4re, indem fich diefe entwickelt entftehen die Zeugungstheile.\nEin thierifches Organ ift in feiner Entwicklung der Ausdruck eines thierifchen Verm\u00f6gens, und in feiner Vollendung die Bafis einer thierifchen Kraft, jedes Or tr\u00e4n entfteht und wirkt durch daffelbe Moment des Lehens.\n9)\tDas Zeugungsorgan im relativen Uebergewich-le der M\u00e4nnlichkeit oder Weiblichkeit ift Gefchlechts-theil.\nSo wie der Embryo nur Menfcli, nicht Weib und nicht Mann feyn kann, fo haben auch feine keimenden Genitalien keinen Gefchiechtscharakter. Im Hermaphroditen ift diefe Indifferenz fixirt.\n10)\tDie menfchlichen Gefchlechtstheile find nicht abfolut m\u00e4nnlich, fondera m\u00e4nnlichweiblich, und nicht abfolut weiblich, fondera weiblichm\u00e4nnlich, daher die Harmonie ihres Baues, und die M\u00f6glichkeit einer\nUebergangsbi klung.\n11)\tDie Gefchlechtstheile des Mannes find die Pro-ftata und die Hoden, die des Weibes die Geb\u00e4rmutter und die Eierft\u00f6cke.\nVon den Zeugungstheilen unterfcheiden fich die 'Begattungsorgane, obgleich fie, wie ganz nat\u00fcrlich alt, mit einander im innigften Verh\u00e4ltniffe ftehen.\nOafs dieProftata dem Uterus, der Hode dem Eier-ftocke parallel find, ift f\u00fcr fich klar; dal's aber die Pro-itata einen wefentlichen Antheil an dem Zeugungsge-ich\u00e4fte beim Menfchen habe, fchlielse ich unter andern aus ihrem conftanten Dafeyn bei den S\u00e4ugthieren \u00fcberhaupt, indem die Bemerkung Meckels, dafs die Neben-Llafen des C\u00fcvigr daffelbe find, nicht bezweifelt werden kann.\n12)\tIn dem m\u00e4nnlichen Genitalien liegt dasUeber-\u00abe wicht der M\u00e4nnlichkeit in den Hoden, dieProftata\n5\u00bb","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"391\nIft das Weibliche. Beim Weibe liegt das Ueber\u00b0ewicht der Weiblichkeit in den Eierft\u00f6cken, die Geb\u00e4rmutter ift das M\u00e4nnliche.\n13)\tDie Zeugungsorgane find urfpr\u00fcnglich fe-cefn\u00eerend.\nIft doch \u00fcberhaupt das Secerniren fchon an und f\u00fcr fich ein relativer Zeugungsact.\n14)\tDas Sekret des Zeugungsorgans ift Tr\u00e4ger der Zeugungskraft, und als folcher Saame.\n15)\tIm Manne fecerniren der Kode und die Pro-ftata den m\u00e4nnlichen Zeugungsftoff, im Weibe die Geb\u00e4rmutter und der Eierftock den weiblichen.\n16)\tDas Sekret des Mannes ift m\u00e4nnlichweiblich, des Weibes weiblichm\u00e4nnlich.\n17)\tDer Charakter des M\u00e4nnlichen im Saamen, find die ihm eigenth\u00fcmlichen Infufionsthiere, fie fehlen dem Weiblichen des Saamens. Der Saame der Hoden hat fie, der cfer Proftata nicht, in der Fhiffigkeit der Bl\u00e4schen des Eierftockes fehlen fie, aber nicht im Blute, welches die Geb\u00e4rmutter als Saame fecernirt.\nDie infufori\u00e9lle Natur der Blutk\u00fcgelchen, fo wie \u00fcberhaupt die Bedeutung der Infuforien in den S\u00e4ften h\u00f6herer Thiere hat Gruithidfen vortrefflich aus einander gefetzt.\nDie eigentlichen Gefchlechtsorgane find der Hode und der Eierftock, in dielen ift auch der Gegenlatz am lebendigften, daher ihre fehr verfchiedene Lage beim Manne und beim Weibe, ihre eigent\u00fcmliche Textur\n\u00fc. dgl. m.\nH\u00f6chft bedeutungsvoll ift das Abgeriffene der Eierft\u00f6cke ; fo clafs lie nur \u00fcber eine Kluft mit den \u00fcbrigen Genitalfyftem communiciren k\u00f6nnen.\nDie Begattungsorgane find die Symbole der innern zeugenden Kr\u00e4fte, die Begattung ift das Symbol der Zeugung, wie fchon die Alten wufsten.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"\u00abM^-V***--**\u00ab\u25a0\u00ab\u2022**\u2022\nsJ\nWas zwilchen Begattungs- und Zeugungsorgan in der Mitte liegt, ift auch feiner Th\u00e4tigkeit nach der Mittler ; es erkennt die Symbolik an.\nDarin ift das Weib vom Manne verfchieden, dafs der Mann fchon in der Symbolik feine Zeugungskraft wauz abpieht, das Weib erl't dann, wenn die ganze Rea-lit\u00e4t der Zeugung erf\u00fcllt ift- darum nimmt es den Mann in lieh auf.\n1 g) Heim fruchtbaren Beifchlafe k\u00f6mmt der m\u00e4nnliche Zeugungsftoff in die Geb\u00e4rmutter.\nWas fich hier\u00fcber fagen l\u00e4fst, hat Oken (die Zeugung p. 70 u. f.) zweckm\u00e4fsig zufammengeftellt : daraus geht hervor, dafs es keinen vollg\u00fcltigen Beweis gegen das Eindringen des m\u00e4nnlichen Saamens in die Geb\u00e4rmutter gebe, dafs man jenen wohl glauben k\u00f6nne, welche den m\u00e4nnlichen Saamen in den weiblichen Genitalien gefunden haben, dafs die Analogie des Thierreichs f\u00fcr ein folcbes Eindringen fpreche, dafs auch mancherlei Beobachtungen \u00fcber Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit des Beifchlafes diefe Annahme beg\u00fcnftigen.\n19) Der m\u00e4nnliche Zeugungsftoff macht auf die Geb\u00e4rmutter einen eigentbiimlichen Eindruck, welcher das Mittel zwifchen Reizung und Anfteckung h\u00e4lt, und an der Natur beider particip\u00e2t.\nAnfteckung gefchieht, wenn ein Aeufseres den fhierifchen Organismus beftimuit, in fich durch feine organifche Wirkfamkeit das einwirkende Aeufsere zu regeneriren. Da nun hier das Zeugende die weiblichen Genitalien wieder zur Zeugung auffordert, fo ift dies ein Anfteckungsact,\nReizung gefchieht, wenn der Organismus dem auf ihm einwirkenden Aeufsern, das Gegentheil von dem, was es in ihm hervorbringen will, entgegenfetzt: z. B. der Muskel dem zerh\u00f6renden Stich, oder Salze, oder Feuer die Lebendigkeit der Bewegung. Da nun\nder","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"der m\u00e4nnliche Saamen die von ihm verschiedene, ihm wenigftens theilweiSe entgegengesetzte weibliche Zeugung in AnSpruch nimmt, So hat eine Reizung der weiblichen Zeugungstheile Statt.\nWirkte der m\u00e4nnliche Zeugungsftoff lediglich an-fteckend, So w\u00fcrde er die weiblichen Genitalien bestimmen, als m\u00e4nnliche zu zeugen ; wdrkte er allein reizend, So w\u00fcrde alle Zeugung gehemmt, was vielleicht manchmal UrSache einer relativen Unfruchtbarkeit fern mag; So aber gefchieht beides: der befruchtende Mann hemmt das Uebergewicht der Weiblichkeit, und fetzt in das Weib neuen Antrieb zum Zeugen.\nF\u00fcr den Mann gilt Schon die Erregung der Ge-fchlechtsluft als anfteckender Reiz, auch im Weibe f\u00e4ngt damit Schon um So mehr der Zeugungsact an, als das Dafeyn der Genitalien, und noch n\u00e4her die Mannbarkeit eine Aeufserung des Zeugungsverm\u00f6gens ii't. Alfo auch die reizende Anfteckung ift blofs in der Symbolik f\u00fcr den Mann da; im Weibe, in welchem alles Wirklichkeit Seyn rnufs, wird die Gefchlechts!uft mit der vollkommenen Erf\u00fcllung gel\u00f6fcht. Es Stehet daher auch zu vermuthen, dafs ein \u00dfeifchlaf, der noch etwas zu w\u00fcilfchen \u00fcbrig l\u00e4fst, nicht fruchtbar fey; bekannt ift es wenigftens, dafs ein Uebermaafs von weiblicher Z\u00e4rtlichkeit der Fruchtbarkeit eben nicht g\u00fcnftig ift.\n20) Theils fchon durch die Gefchlechtsluft, theils, lind bestimmter, durch die eingedrungenen Zeugungs-Stoffe wird zun\u00e4chst die der Geb\u00e4rmutter eigent\u00fcmliche Secretion hervoraferufen.\nO\nWir wiffen wenig von der Secretion der Proftata, vielleicht dafs auch Sie erft mit dem lebhaftem Zeiigungs-triebe fich einftellt : ein bekanntes Ph\u00e4nomen l\u00e4fst die-fes wenigftens vermuthen.\nM. d, Archiv. II. 3-\nCe","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"594\n21)\tDie Geb\u00e4rmutter fecernirt als das M\u00e4nnliche im weiblichen Zeugungsfyftem Blut. Der Geb\u00e4rmut-terfaame ift Blut.\nDie Naturforfcher vor de Gractf waren durchaus lehr geneigt dem Geb\u00e4rmutterblute einen grofsen An-iheii an der Bildung des Eies zuzufchreiben, und in der That wird man durch die Beziehung der Menftruation auf das Zeugungsgefch\u00e4ft zu dieler Meinung hingetrieben , da fich die Function der Geb\u00e4rmutter hier fo ungemein deutlich ausfpricht. Auch der TJmftand, dafs zarte Eier fait immer mit anklebender Blutmaffe abgehen (\u201efiepe tarnen fanguine mifta reperiuntur\u201c iagt Haller E. Ph, L. XXIX. \u00a7\u25a0 111.) fcheint mir von grofser Wichtigkeit.\nNach der gew\u00f6hnlichen, von Hunter angenommenen Meinung wird die Geb\u00e4rmutter zur Secretion von Faferitoff durch die Befruchtung beftimmt, dieler als inembran\u00f6fe Auskleidung der innern Geb\u00e4rmutterh\u00f6hle abgeieizt, fo dem fich entwickelnden Eie eine Leger h\u00e4tte bereitet, und deffen Verbindung mit der Geb\u00e4rmutter vermittelt.\nNach meiner Meinung wird nicht blofs Faferftoff, fondera wirklich ganzes Blut fecernirt, die \u00dflutinfufo-rien gehen aber theiis fr\u00fcher, theils ip\u00fcter verloren. So fall ich auch bei einem S\u00e4uglinge einen weiften Herzpolypen, welcher durch eine vor\u00fcbergegangene Asphyxie bald nach der Geburt, alfo wohl von hockendem Blute, entbanden war; auch glaube ich, das iecernirte Blut f\u00fclle als Solide, rocht hohle, Malle dieGab\u00e4rmutterli\u00f6hle aus; und drittens foil diofe Blutfecretion ein wefentii-cher Act im Zeugungsgelch\u00e4fte leyn.\n22)\tDas von der Geb\u00e4rmutter iecernirte Blut mifcht fich mit dem m\u00e4nnlichen Saamen, und diefem einer Seits verwandt, anderer Seits den weiblichen Gcni-","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"talien angeh\u00f6rend, wirkt es als vermittelndes der Foe-cundation, vergl. 7.\n23)\tDabei wird das weibliche Elut beftimmt, in ein eigenes, von der Geb\u00e4rmutter verfchiedenes Gebild \u00fcberzugehen.\nDie Menge des als Folge der fruchtbaren Begattung in der Geb\u00e4rmutter abgefetzten Blutes mag wohl fehr verfchieden feyn, und bei gr\u00f6fserer Menge vielleicht nicht gleichf\u00f6rmig beftimmt werden.\n24)\tDas neue Gebild ift thierifches Schleimgewebe, und hat ein eigenes Leben, welches einer Seils von den Blutinfuforien, andererseits von der Einwirkung des m\u00e4nnlichen Saamens ihm gegeben ift; diefes neue Gebilde ift' alfo ein Polyp irn naturhiftorifchen Sinne.\nEin Polyp im pathologischen Sinne w\u00e4re es, wenn es kein eigenes, fondera ein mit der Geb\u00e4rmutter zufammenh\u00e4ngendes Leben h\u00e4tte.\n25)\tDie Erzeugung des Menfchen, fo wie eines jeden hohem Thieres f\u00e4ngt da an, wo auch das Thier-reich anf\u00e4ngt.\n26)\tAn dem Zeugungsgefch\u00e4fte nehmen die Eier-ft\u00f6cke einen beftimmten Antheik\nEs ift nicht wahrfcheinlich, clafs der m\u00e4nnliche Zeugungsftoff unmittelbar und in Subftanz zu den Eier-ft\u00f6cken gelange, obgleich die Conceptio extrauterina beweift, dafs es gefchehen k\u00f6nne: man felie, was Oken hier\u00fcber im angez. \u00df. fagt.\nDie Art, wie die Eierft\u00f6cke zu dem Zeugungsgefch\u00e4fte beigezogen werden, wenn nicht wirklicii der m\u00e4nnliche Zeugungsftoff an fie kommt, kann man lieh zweifach denken :\n\u00ab) es gefchehe durch den Zeugungstrieb und die Zeugungswolluft : daf\u00fcr fpricht, dafs man fchon zur Bruuftzeit vor der Begattung erhebliche, denen nach\nC c 3","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"596\nder Begattung \u00e4hnliche, Ver\u00e4nderungen an den Eierft ucken der Thiere wahrnimmt; dagegen widerfpre-chen die Schw\u00e4ngerungen ohne alles Wolluftsgefflhl, wovon ich felbl't lehr hellere F\u00e4lle weifs ; obgleich auch wieder aus dem Tagebuche eines praktifchen Arztes bekannt ift, dafs Leine Gattin eine geraume Zeit lang ohne alle Empfindung die m\u00e4nnliche Umarmung ertrug, dann einmal pl\u00f6tzlich die Wolluft f\u00fchlte, und nun auch foil eich g\u00f6fehw\u00e4ngert wurde. Ich m\u00f6chte erinnern, dafs \u00fcberhaupt den Aerzten fo oft und fo viele h\u00f6chft inte-\u00efeffante Conndenzen \u00fcber Dinge, welche hinter den Gardinen Vorgehen, gemacht werden, dafs es wohl zur Aufkl\u00e4rung des lnenfchik hen Zeugungsgelch\u00e4ftes dienen miifste, wenn fie gewiffenhaft mehr bekannt gemacht, geh\u00f6rig gefammeit, und zufammengeftellt w\u00fcrden ; untere Vorfahren waren in diefen St\u00fccken neugieriger und aufmerkfamer ; freilich waren auch fonft die Aerzte mehr Naturdiener, dermalen find lie Staatsdiener.\n\u00df) Es gcfchehe durch den confenfuellen Antheil, welchen die Eierft\u00f6ckc an dem Wirken der Geb\u00e4rmutter nehmen : eine folche kr\u00e4ftige Sympathie widerfpricht den Gefetzen des thierifchen Lebens nicht allein nicht, fondera ift auch durch Haightons und Cruik\u00dfmnks Verlache bewiefen; ja felbl\u2019t die Wirkung der Wolluft auf die Eierft\u00f6cke k\u00f6nnte durch diele Sympathie vermittelt feyn, da in der,Geb\u00e4rmutter doch ihr eigenthflmlicher Sitz ift. Man k\u00f6nnte lieh demnach vorftellen, dafs der in der Geb\u00e4rmutter erweckte Zeugungsact die Eierft\u00f6cke zur Theilnahme auffordere, wie man weifs, dafs fie nach verlorner Geb\u00e4rmutter oder unterbundenen fal-lopifclien ll\u00f6hren verfchrumpfen , zugleich aber fcheint mir die Th\u00e4tigkeit des Eierftockes eine Reaction gegen den Angriff des m\u00e4nnlichen Saamens zu feyn, dem bereits die Geb\u00e4rmutter fchon nachgegeben hat.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"397\nOb man wohl annehmen k\u00f6nne, es fey eine folche Sympathie, wie hier zwifchen der Geb\u00e4rmutter und den Eierft\u00f6cken ftatuirt wird, zwifchen der Scheide und der Geb\u00e4rmutter, fo, dafs es, wie W\u00fcbrand (Phyfio-logie \u00a7. 834-) will, zur Befruchtung hinlange, wenn der m\u00e4nnliche Saamen in die weibliche Scheide ergoffen werde? Irre ich nicht, fo denkt fick W\u00fcbrand den Saamen lediglich reizend, und die Zeugung allein durch die gereizte Geb\u00e4rmutter bedingt.\n27) Verm\u00f6ge des Antheils, welchen die Eierft\u00f6cke an dem Zeugungsgefch\u00e4fte nehmen, trennt fich von ihnen ein Graafifches Bl\u00e4schen, welches die Fallopifchen R\u00f6hren aufnehmen , und zur Geb\u00e4rmutter f\u00fchren.\nUnter allen das Zeugungsgefch\u00e4ft des Menfchen bildenden Acten ift diefes der dunkelfte, und darum am meiften beftrittene. De Graaf und Gruikjuank haben die Bl\u00e4schen auf ihrer Reife ertappt.\nGegen die Annahme, dafs ein ganzes Graafifches Bl\u00e4schen durch eine Fallopifche R\u00f6hre zur Geb\u00e4rmutter gelange, f\u00fchrt man gew\u00f6hnlich zwei Beweife: erftens, die R\u00f6hren feyen hiezu zu eng: zweitens, man linde in der Geb\u00e4rmutter anf\u00e4nglich kein Bl\u00e4schen, fondera unf\u00f6rmliches Schleimgewebe. Beide Einw\u00fcrfe aber fcheinen mir fur\u2019s erfte noch nicht fo erheblich, dafs inan darum die Sache, f\u00fcr welche doch auch Augenzeugen exiftiren, l\u00e4ugnen k\u00f6nnte.\nWas das erfte betrifft, fo ift ein fehr betr\u00e4chtliches Ausdehnung\u00ab- und Erweiterungsverm\u00f6gen der Genitalien, namentlich der weiblichen, fobald fie in F unction treten, ein ganz wefentlicher Charakter (liefet' Gebilde: fo erweitert fielt mit erwachender Geichlechtsloft die Scheide , ficher auch der Muttermund, (was ich fchon oben 18 angef\u00fchrt h\u00e4tte, wenn ich nicht von der M\u00f6glichkeit der Schw\u00e4ngerung ohne Gefehlechtsluft \u00fcberzeugt w\u00e4re) und die ganz enorme Erweiterung der tr\u00e4chtigen","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nGeb\u00e4rmutter ift wohl auch ein th\u00e4tiger, zu ihrer Function geh\u00f6render Zuftand, und keineswegs ein paffiver, durch mechanifche Ausdehnung entftandener. Weifs man doch, dafs die \u00e4uisere Oeffnung der Genitalien der Schnecken gar nicht Achtbar ift, bis lieh der Begat-tungstrieb \u00e4ufserfc, und wie eng find nicht die Eierg\u00e4nge der V\u00f6gel im Verh\u00e4jtniffe zum reifen Dotter? Was die Turgefcenz der m\u00e4nnlichen \u00dfegattungsorgane oder auch der weiblichen Bruftwarzen ift, das ift die Erweiterung der weiblichen fchlauchartigen Genitalien. Aber auch die ductus ejaculatorii rn\u00fcffen lieh zurErgief-fung des Hodenfaamens m\u00e4chtig erweitern, ja es ift fehr wohl gedenkbar, dafs den Zufammenziehungen der Saamcnblaschcn erft eine Ausdehnung vorhergehe.\nDer zweite Beweis beruht auf der Vorausfetzung, dafs das in die Geblrmutterh\u00fclile gekommene Bl\u00e4schen dort zum menfehiiehen Eie fich erweitere und ausbilde, allein wer b\u00fcrgt f\u00fcr die Wahrheit diefer Annahme? Freilich ift Schleimgewebe in der Geb\u00e4rmutier als nachher Erfolg tier Schw\u00e4ngerung, zu welcher aber das Graafifche Bl\u00e4schen auch Linzukomuien kann, nur w\u00e4re es leicht gedenkbar, dafs man es \u00fcberleben h\u00e4tte, indem man es dem Schleimgewebe eingemengt nicht ver-muthete.\n2 g) Das in dieGeb\u00e4nnutterh\u00f6hle gekommene Bl\u00e4schen wirkt auf den m\u00e4nnlichenSaamen ein, und zwingt ihn, den Gefetzen der Weiblichkeit zu folgen, diefes ift das th\u00fctige Moment der Conception, welches vermittelt wird durch den Saamen der Proftata.\n29) Der m\u00e4nnliche Saame bildet fich zu einem neuen Bl\u00e4schen.\nHieher geh\u00f6ren die freilich meift dunkeln Erz\u00e4hlungen von mehreren Bl\u00e4schen, welche in den menfchlichen Eiern feit fehr fr\u00fcher Zeit gefehen wurden.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"399\n3o) Zwilchen den beiden Bl\u00e4schen ift ein lebendiger Gegenfatz, welchen das polyp\u00f6fe Gebilde des Geb\u00e4rmutterblutes ausgleicht.\nWie immer im Thierreiche alle Entwicklung ftu-fenweife geht, und die erfte Stufe immer die zweite m\u00f6glich macht, fo auch gefchieht es in der Zeugung. Zuerft entfteht ein eigenes aber ganz unheftimmtes Thier, und diefes, als eigenthumlich Lebendiges, verkn\u00fcpft nun Foecundation und Conception, wodurch die Entftehung eines neuen Menfchen m\u00f6glich wird. Eigentlich giebt das Weib den erften Antrieb, dafs die Gattung in der Zeugung erhalten werde, fo wie der Mann den erften Antrieb zum Zeugen \u00fcberhaupt fetzt ; daf\u00fcr ift aber auch das Weib das die Form, mithin das Eigenth\u00fcndiche der Gattung, Bewahrende.\ngl) Das polyp\u00f6fe Gebilde desGeb\u00e4rmutterfaameus ift felbft in einem Gegeni'atze, dem der Individualit\u00e4t und dem der Gattung befafst, denn, wenn es einer Seits eigenth\u00fcmliches Leben in fich hat, fo fucht anderer Seits der Bildungstrieb der Geb\u00e4rmutter es fich anzueiguen.\n32)\tVerm\u00f6ge diefes Gegenfatzes zerf\u00e4llt das pcly-p\u00f6fe Geb\u00e4rmuttergebilde in zwei Schichten, in eine mehr blutartige, \u00e4ufsere, der Wand der Geb\u00e4rmutterh\u00f6hle anliegende, und in eine innere mehr felbftft\u00e4ndige, ringsum mit Tentakeln befetzte, in die Caduca und das Chorion.\n33)\tDer m\u00e4nnliche Sname, als das der Form Wider-ftrebende, beftimmt eine H\u00f6hle innerhalb dieier Sein n ten, in welche auch das weibliche Bl\u00e4schen hereiogf zogen wird.\n34)\tHiemit endigen fich Foecundation und Conception , die neue menfchlicae B.iduug beginnt, \u25a0 der Beifchlaf der Individuen wiederholt lieh als Act ; Gattung.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\n35)\tAuf der Oberfl\u00e4che des weiblichen Bl\u00e4schens entftehen feine Gef\u00e4fszweige, auf der des m\u00e4nnlichen Bl\u00e4schens ein R ckenmark.\nDas neue Individuum kann nicht auf einmal entftehen , wie uns die Gefchicl\u00fce des bebr\u00fcteten Eies deutlich genug lehrt; exit muffen feine eigenen, nicht mehr die elterlichen, Zeugungskr\u00e4fte erwachen, und mit ihnen die neuen Zeugungstheile auftreten, der Menfch aber, wie alle Thiere, wenn fie nicht mehr Polypen find, zeugt, oder, was daffelbe ift, erh\u00e4lt fleh durch Nerv und Gef\u00e4is.\nDie Ellern zeugen, indem fie aufser fich neue, f\u00fcr ein anderes Individuum befummle Zeugungstheile letzen, und die M\u00f6glichkeit geben, dafs ficli (liefe vereinigen.\nVom Vater hat das Kind die Nerven, von der Mutter die Gef\u00e4fse,, von beiden das Dafeyn.\n36)\tIndem fich Nerv und Gef\u00e4i\u2019s wecbfelfeitig be-ftimffien, und fie der dem Eie imvohnende Bildungstrieb zur Vereinigung, wozu fie ohnehin Luft haben, bringt, entfteht der bewegliche Punkt, das Herz, als erfter Ausdruck des neuen Lebens. L)a.s Herz ift die lebendige Darftellung der Einheit der Nerven und Gef\u00e4fse, und eben darum das Bewegliche.\n37)\tDer gezeugte Embryo bringt nun Schleimge-webe als k\u00f6rperliche Malle, und in diefer wieder Nerven und Gef\u00e4fse u. f. f. hervor, das heilst er wach ft.\n38)\tDer Embryo hat die Neigung, fich immer mehr gegen die Mitte des Eies zu ziehen, damit treibt er fielt in das m\u00e4nnliche Bl\u00e4schen, und ftiilpt diefes als Ueber-zug um lieh herum.\nJe junger der Embryo, defto n\u00e4her liegt er am Amnion.\nWie auf eine andere Art der Embryo in das Bl\u00e4schen, welches, wie man hebt das Amnion fe.yn foil, hineinkomme, da es offenbar um ihn gei'tiilpt ift, fehe ich","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"nicht ein , als unter der \u00dfedingnifs, dafs er auf deffen Oberfl\u00e4che entftehe.\n39)\tMit dem Selbfift\u00e4ndigerwerden des Embryo ftirbt das weibliche Bl\u00e4schen allm\u00e4hlich ab.\nDas Nabelb.\u00e4sjhen il't alfo eins mit dem Graafl-\nfchen Bl\u00e4schen.\nIch habe fonft immer lehr an dem konftanten Da-feyn des Nabeibl\u00e4schens gezweife.lt, wozu mich die fehr verfchiedenen Angaben \u00fcber cleffen Belchaffenheit, und dann O/ianders Veriicherung beftimmten. Jetzt, nach den ernftlichen Behauptungen Meckels und nach mehreren eigenen Unterfuchungen, kann ich nicht mehr zweifeln.\nDas Gef\u00e4fs hat nicht, wie der Nerv, ein f\u00fcr fleh allein beftehendes, nur durch zwei Endpole bedingtes Leben, fondern es lebt in und mit einer beftimmten. Fl\u00fcffigkeit, von deren Dauer auch feine Dauer abh\u00e4ngt, daher die Verg\u00e4nglichkeit des weiblichen Bl\u00e4schens, und die Selbftft\u00e4ndigkeit des m\u00e4nnlichen, welches als herr-fchencles den Foetus aufnimmt, und auch damit das Ue-bergewicht der Weiblichkeit hindert, da ohnehin das Ganze in der Geb\u00e4rmutter liegt.\n40)\tDer wachfende Embryo zehrt das ihn umgebende polyp\u00fcfe Gebilde auf, und n\u00e4hrt fleh damit.\nWo follten fonft auch dieCaduca, und die Flocken des Chorions hinkommen? und woher anders k\u00f6nnte der Embryo bis zum dritten Monate die Nahrung nehmen? Damit aber der Stoff zum Embryo gelange, bedarf es nicht unmittelbar der Gef\u00e4fse, faugt ja im Leibe des Erwachfenen das Zellengewebe lebhaft genug ein, wie man fo fch\u00f6n hei Vivifectionen fleht, wenn ein Extrava-fat entfteht; ein Tropfen Bluts wird fchnell durch eine ganze Strecke im Zellengewebe verbreitet.\nDer Wiederk\u00e4uerembryo verzehrt einen Tlieil feiner Cotyledonen, daher die Divertikel.","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"4i) Dem Embryo ift der.jjji\u00fctf erliche Leib die Welt, und alle kosmilchen Verh\u00e4ltniffe, in denen der geborne Meufeh ift, repr\u00e4fentirt f\u00fcr ihn die Mutter, von ihr erh\u00e4lt er Nahrung, in ihr relpirirt er, beides durch den Mutterkuchen.\nNoch w\u00e4re zu lagen, was die tunica media fey, fie ift aber das fp liter verteil windende amnion fpurium, aber nicht das der Ged\u00e4rme, fondern das des Genitalfyftems. Die Allantois ift \u00fcberhaupt das f\u00fcr das Genitalfyftem, was Wolfs amnion fpurium f\u00fcr den Magen und Darm-kanal ift.\nIV.\nBeitr\u00e4ge zur Bildungsgefchichte des Herzens und der Lungen der S\u00e4ugthiere. Von J. F. Meckel.\nDie Bild ungsgefchichte des S\u00e4ugthierlierzens ift zwar feit geraumer Zeit wegen der bedeutenden Vcrfchiedenheiten, welche die Communication der beiden H\u00e4lften noch beim reifen F\u00f6tus darbietet, Gegen fia nd der Unterfuchung gewefen : auch find die wichtigsten Verfchiederiheiten dif'es Organs in den verschiedenen Lebensperioden durch die Unterfuclinngen mehrerer der verdienftvoll-ften Anatomen ziemlich bekannt, indeffen finden fich doch iheils in den Angaben \u00fcber mehrere Punkte bedeutende Vv iderlpr\u00fcche, tlieiis find die fr\u00fcheren Formen des Herzens weder allgemein bekannt, noch durch Abbildungen erl\u00e4utert. Aus dielen Gr\u00fcnden Schien es mir daher nicht unzwcckmafi'g, das Herz das menfchlichen Embryo von den fr\u00fchefteri Perioden an nochmals zu unterfuchen, und die bemerkten L\u00fccken Sowohl durch B.jfehreibuugen als durch Abbildungen zu erg\u00e4nzen.","page":402}],"identifier":"lit14033","issued":"1816","language":"de","pages":"388-402","startpages":"388","title":"Versuch einer Geschichte der menschlichen Zeugung","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:12:27.831378+00:00"}

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