Open Access
{"created":"2022-01-31T16:17:05.841720+00:00","id":"lit14093","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Stiebel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 3: 174-179","fulltext":[{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nVII.\nDyacanthos Poly cephalus,' ein Intetti-n al wurm des Menfchen. Beobachtet und befchrieben von Dr. Stiebel, Mitglied der Wetterauer JNaturforfchenden GefellTchaft.\nDie Beobachtung der organifchen Productionen in organischen Wefen hat f\u00fcr den Naturforfcher und Arzt rnannichfaches Intereffe. Die Einfachheit ihres Baues, \u25a0wodurch fie nahe an der Gr\u00e4nze der Thierwelt ftehen, die Art ihrer Entftehung und Fortpflanzung, und die Wirkungen, welche fie in den Organismen, die ihr Wohnort find, hervorbringen, machen fie zu einem nicht unwichtigen Gegenftande phyfiologifcher Unterjochung.\nEs ift durch die Vergleichung der Blutk\u00fcgelchen *nit den Wurmeiern faft erwiefen, dafs die Entozoa im -Organismus entftehen k\u00f6nnen, ihre Fortpflanzung durch Eier ift fattfam dargethan ; aber noch kannte ich keine Gattung derfelben, die fich beftimmt durch Prolification, wie die Polypen, fortpflanzt, \u25a0 bis ich eine folcHe beim Menfchen fand. Bei den Polypen ift aber noch immer ein Streit, ob fie, aufser ihrer Fortpflanzung durch Sch\u00f6fslinge, Eierlegen. Bei diefem Wurm wird es um fo wahrfcheinlicher, da jeder aus-gebildete Sch\u00f6fsling ein Genitale befitzt ; oder es findet eine andere Art der Fortpflanzung Statt, die zwifchen Prolification und Eierlegen die Mitte h\u00e4lt.\nI. Kranken g efchiche e.\nEin Knabe von eilf Jahren litt feit feinem zweiten an Krampfanf\u00e4llen, die von einigen Aerzten f\u00fcr Epi-\u00eeepfie gehalten, von andern, die auf Bandwurm fchlof-fen, obgleich keine St\u00fccke abgingen, mit wurmtreibenden Mitteln behandelt worden waren. W\u00e4hrend","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\n.-\u00ab1er Wurmkur hatten fich die Zuf\u00e4lle oft gemindert, \u25a0waren in der letzten Zeit \u00fcber ein Vierteljahr weggeblieben. Ich wurde am a. October 1816 zu ihm gerufen.\nDer Knabe klagte nie \u00fcber Schmerz. Oft aber \u00a3ng er an zu weinen und zu fchreien, mit den Extremit\u00e4ten zu zucken, die Beine gegen die Magengegend zu ziehen; dabei war heftiges Herzklopfen und gegen Ende des Anfalles eine zitternde Bewegung der Oberlippe, die Pupille fehr erweitert und daher das Auge gegen Licht \u00e4ufserft empfindlich. Es kam nie zu einer Ohnmacht pfib\u00e9r obgleich er w\u00e4hrend des Anfalles herumlief, fo war er fich doch nach demfelben nie bewufst, was mit ihm vargegangen war. Wenn man ihm drohte, konnte er den Anfall manchmal eine Zeitlang zuriick-balten, und ich habe es hierdurch mehrmals fo weit gebracht, dafs er es \u00fcber eine Viertelftunde unterliefs; aber kaum war ich aus der Stubenth\u00fcre, fo brach es los und defto heftiger, oft konnte er fich felbft in mei-\u00aeer Gegenwart nicht mehr halten, und mit den Worten: ich kann nicht mehr! begann der Anfall. Der Knabe war \u00e4ufserft abgemagert und gefr\u00e4lsig. Es war *nir kein Zweifel, dafs diefe Kr\u00e4mpfe im Ganglien-fyftem ihren Focus hatten. Ich fchlofs dies vorz\u00fcglich aus den Aeufserungen, welche einen Schmerz an-teigten, ohne dafs die Empfindung davon im Senforium commune zum Bewufstfeyri wurde, eine Erfcheinung, idie mir f\u00fcr den Localurfprung des Krampfes in mehreren F\u00e4llen als ein charakteriftifches Zeichen vorgekom-\u25a0aien ift. Ueberhaupt find von den praktifchen Aerzten die verfchiedenen Krampfarten zu wenig nach ihrer Loyalit\u00e4t bezeichnet, und ich habe mir vorgenommen, in \u00abfeiner Praxis genau alle Symptome bei Nervenleiden Sufzuzeichnen , und dadurch mehr pathognomonifche {Zeichen ihrer Localit\u00e4t zu gewinnen, was gewifs felbft fit die Behandlung nicht ohne Werth ift.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"175\nDa mir nun diefer Zuftand des Ganglienfyftems\ndem fehr \u00e4hnlich fchien, welcher fich bei vorhandenen W\u00fcrmern zuweilen einfindet, und da man auch hiebei die Kr\u00e4mpfe jetzt weniger f\u00fcr ein Product der W\u00fcrmer h\u00e4lt, als eine Tr\u00e4gheit im Darmkanal, wodurch deffen Beweglichkeit gemindert wird, und der ein Grund beider feyn foil; da fernerPurgirmittel fr\u00fcher gute Dienfte gethan hatten, fo entfchlofs ich mich, jene Methode \u25a0wieder anzufangen, und gab ftarke Abf\u00fchrungen von Calomel; aber ohne dafs dies auf den Krankheitszu-ftand den geringften Einfiufs hatte. Ich fchritt darauf zum Gebrauch der Valeriana; aber aus fo vielfachen Gr\u00fcnden dies erprobte Mittel hier anwendbar war, ftand ich davon ab, weil die Kr\u00e4mpfe fehr heftig darnachwurden. Die Anf\u00e4lle, welche fr\u00fcher mehr am Tage waren, befchr\u00e4nkten fich von nun an blofs auf die Nacht; fie folgten fich aber ununterbrochen, und das Schreien war fo heftig, dafs fich die Nachbarn beklagten. Der Zuftand war nun dem fomnambuliftifchen \u00e4hnlich; denn w\u00e4hrend der Zuckungen lief er umher und Schrie, einmal fluchte er feiner Mutter, und als diefe es ihm vorwarf, fing er an zu weinen und bat fie um Verzeihung. Einige Aeufserungen gr\u00e4nzten fogar aa Hellfehen. So fcblug er einmal an die Magengegend und fchrie: So ein kleines Din g foil mir fo viel zu fchaf-fen machen ! Ein andermal : Wann kommt das rechte Mittel, das mir das Ding wegfehafft! Von dem allen vvufste er am folgenden Morgen nichts. Diefer Zuftand dauerte beim Gebrauch verfchiedener antifpasmo* difcher und anthelmintifcher Mittel bis zum z\u00e7ftenfort; bis mir einfiel, dafs bei folchen Uebeln die gr\u00f6fser\u00ab Heftigkeit der Kr\u00e4mpfe oft gerade ein Zeichen ihres Abzuges ift. Ich ging alfo wieder zur Valeriana zur\u00fcck; doch gab ich fie in Verbindung mit Zinkblumen. Wirklich wurden die Kr\u00e4mpfe heftiger; ich liefs mich aber\nnicht","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"177\nnight irre machen, fondera gab die Mittel verft\u00e4rkt fort. Am iften November h\u00f6rten auf einmal alle Symptome apf , un\u00e7i am aten ging ein eigenes in Schleim geh\u00fclltes Thier lebendig ab, und von der Zeit an ift der Knabe v\u00f6llig hergeftellt.\n\u00cf\u00cf. Befch reibung des Eingeweidewurms *).\nBeim erften Anblick h\u00e4tte man das Thier fiir eine Happe halten follen, denn es fah aus, als h\u00e4tte es einen Kopf und F\u00fcfse, die lieh vielfach bewegten; allein bei genauerer Unterfuchung fand es fich, dafs es ein Stamm von Inteftinalw\u00fcrmern war (Taf. III. Fig. I.), der aus ungef\u00e4hr zwanzig Sch\u00f6fslingen von verfchiedener Gr\u00f6lse beftand. Aus den verfchiedenen Stellungen, in welchen fee fich w\u00e4hrend des Abganges befanden, kann man auf Einiges in ihrer Lebensart fchliefsen. Ein eben folcher luteftinalvvurm ift noch in keinem Thiere gefeiten, am \u00e4hnlichften find jedoch Rudolphi's Acanthophoren, wes-halb ich ihn Dyacanthos genannt habe.\nDer Kopf befteht aus zwei Tentakeln (Fig. IT. III TV. V. I. a.), und zwei mit H\u00e4ckchen versehenen Lippen, (Fig. IL Fil. IV. 4. V. 3.). Die Tentakeln haben vorn fcharfe h\u00f6rnerne Krallen (7.). Sie haben eine ungeheuere Ausdehnbarkeit, wie die Arme der Polypen; doch k\u00f6nnen fie fich nicht allein verk\u00fcrzen , fondera auch wie ein Tubus in einander fchieben, und die Stellen, wo fie fich in einander ziehen, find durch Erh\u00f6hungen bemerkbar (Fig. II. III. IV. a.). Sie h\u00e4ngen nach vorn mit den Lippen zufammen, und vereinigen fich hinten durch einen hohlen Ausfchnitt (Fig.\nl) Das hier unter Taf. \u00cf\u00cfT. Fig. \u00ce. abgebildete Exemplar ift in den H\u00e4nden des Herrn Hofr. Blumenbach in G\u00f6ttingen. Die andern Abbildungen find nach vier von demfelben Exemplar abgefchnit-tenen K\u00f6pfen unter dem Mik\u00efofkop gemacht.\nid. d. Archiv, III, 2.\tM","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nII. io.) mit einander. Ln Ruheftande des TliiereS, (Fig. V.) liegen die Tentakeln dicht an einander und die Lippen find nach oben gezogen, fo dafs lieh die Mundh\u00f6hle v\u00f6llig fchliefst. Wenn das Thier laugt, find die Tentakeln nach beiden Seiten und vorn, weft ausgeftreckt (Fig. II. III. j, und die h\u00f6rnernen Ii\u00e4cfy-chen fcheinen lieh dann an dem Darm des MenfcHenzn befeftigen und Uriache der Kr\u00e4mpfe zu i'eyn. \u2014 Hinter den Lippen, in der durch das Aneinandertretender Tentakeln gebildeten H\u00f6hle ift der Mund (Fig. Illi IV. 6.), eine runde, von einem Wulft umgebene Oeff-nun g, aus welcher der Saugr\u00fcffel (Fig. II. III. IV. 5.) hervorragt. ImRuhezuftand (Fig.IV.) liegt der Saugr\u00fcffel in der H\u00f6hle, in fich feibft zur\u00fcckgezogen ; wen|| aber das Thier laugt, h\u00e4ngt er weit \u00fcber die Lippen her\u00fcber (Fig. II. HL). In dem vordem Ende des R\u00fcffels ift eine kleine, aus diefem hervortretende Saug-r\u00f6hre befindlich (Fig. IL III. 6.). Der Saugr\u00fcffel geht in den Darm \u00fcber (Fig, II. 6. IV, 7.), der aui einer Erweiterung deffelben befteht. Hinter dem Oeift phagus tritt ein anderes Organ hervor, welches man'M ein Genitale halten muls (Fig. IH. 7. IV. g.); auch dies geht in eine Erweiterung \u00fcber (Fig. III. g, IV. 9). Vorn hat das Genitale drei L\u00e4ppchen, die zuui'Feft-halten zu dienen fcheinen (Fig. IV. c.). Auch daJ Genitale kann lierausgeftreckt und zur\u00fcckgezogen werden. Ich habe ichon oben bemerkt, dafs ich hei diel fern Thiers eine eigene Art der Fortpflanzung vermuthe. Ich habe n\u00e4mlich im ganz frifchen Zuft\u00e4nde weder irrt Genitale, noch in der Erweiterung deffelben Eier enF decken k\u00f6nnen; ich glaube daher, dafs diefesUrenitafc ein m\u00e4nnliches ift, und dafs die Prolific,ition durch daf-felbe als durch ein befruchtendes Organ hervoreernfeu wird. Die ganze Oberfl\u00e4che des Thieres ift hier zwar noch Uterus; allein die Sch\u00f6fslinge fproffen nicht ohnf","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"179\nImpuls hervor, und dreier Impuls fcheint gegeben zu werden, indem die drei Lappen feines Genitale an der Oberfl\u00e4che fefthaften ; vielleicht wird dabei ein Saft fecernirt. Es ftiinde dann die Zeugungsvveife diefes *3-hiei;s zwilchen der eigentlichen Prolification und der Zwitterbildung in der Mitte, eine in der That interef-lante Erfcheinung, welche die Zeugungsarten in eine noch .genauere Stufenfolge-bringt. Ich hoffe, dafs die Zukunft hier\u00fcber mehr; Gewissheit ynd Aufkl\u00e4rung bringen wird,\t______________\nVIII.\nGhertiifche Analyfe des Daflipifs oder Daffies-pifs *) (Daffen- Pis), einer bisher problema-tifch gebliebenen Materie vom Vorgebirge der guten Hoffnung. Von F. John.\nHerr Profeffor Lichtenftein, an welchen diele Substanz vom Herrn Apotheker Bergius aus dem Gap ge-jpjndt worden war, hatte die Gef\u00e4lligkeit, mir eine Probe derfelben mit der Bemerkung mitzutheilen, dafs fie fich auf hohen Klippen im Innern des Gaps befinde, wo Landleute fie als ein Mittel gegen verfchiedene Krankheiten auffammeln, Und dafs einige Reifende fie theils als Bitumen betrachten, theils ihren Urfprung \u25bcon einer, dem Murmelthiere \u00e4hnlichen Thiergattung, d\u00ebm Hyfait Capenfis (Gavia Capenfis Pallas) herleiten. Ich werde im Verfolge diefer Abhandlung zuerlt die l\u00f9fs\u00e8teki \u2018 K\u00e9hrize\u00efch\u00e9n, dann einige phyfifche Eigen-fchaften angeben, hierauf die Analyfe folgen lallen,\nMa\"\n1 .|) Der JSTame_ifi; abgeleitet von PiFs und Dachs, weil die Be\u00bb wohner des Caps die Subicanz f\u00fcr den Ham der Dachfe hielten.","page":179}],"identifier":"lit14093","issued":"1817","language":"de","pages":"174-179","startpages":"174","title":"Dyacanthos Polycephalus: Ein Intestinalwurm des Menschen","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:17:05.841726+00:00"}