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{"created":"2022-01-31T16:18:48.781817+00:00","id":"lit14139","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Magendie","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 3: 575-585","fulltext":[{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"575\nlntelligenzbla b b.\nI. Zur Lehre von cter Einfaugung und Aushauchung.\nI. Beitrag zur Pr\u00fcfung der Lehre von der Einfaugung durch die Lymphgef\u00e4fse.\nVon Magendie T).\nBekanntlich ift Magendie neuerlich zuerft gegen die Lehre, dafs die Saugadern der einzige Weg feyen, auf welchem fremde Subftanzen in den K\u00f6rper gelangten, in einem in diefem Archiv a) mitgetheilten Auffatze, mit Verfuchen aufgetreten, welche fchvverlich eine andre Auslegung ge-Itatten.\nDa Herr Prof. Mayer in dem vorftehenden Auffatze diefes Heftes diefen Satz noch fefter zu ftellen ge-l'ucht hat, ifo wird es nicht unintereffant feyn, die fp\u00e4-tern Arbeiten Magendie\u2019s \u00fcber denfelben Gegenftand hier zu finden, indem beide einander gegenfeitig beft\u00e4tigen.\nIch hielt, fagt M., da die Verflache von Hunter mir keinesweges gen\u00fcgend fchienen, f\u00fcr n\u00f6thig, einige Verlache anzuftellen, ob wirklich die Milchgef\u00e4fse und die \u00fcbrigen Saugadern des Darmkanals andre Fl\u00fcffigkeiten als Chylus einfaugen.\nZuv\u00f6rderft mittelte ich aus, dafs, wenn man einem Hunde vier Unzen reines, oder mit einer gewiffen Menge\nj) Aus deffen Pr\u00e9cis \u00e9l\u00e9mentaire de Phyliologie. T. II. 18X7-A. m. O.\n2) Ed. 2. S. 250 \u2014 258.","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"57 6\nAlkohol, F\u00e4rbe hoff, S\u00e4ure oder Salz vermifchtes Waffer eingiebtj, die ganze Fl\u00fcfligkeit ungef\u00e4hr in einer Stunde aus dem Darmkanal verfehwunden ift. W\u00fcrde diefe Fl\u00fcfligkeit von den Saugadern aufgenommen, fo m\u00fcfste ,T]an |\u2014--J Stunden nach dem Genufs derfclben, Spuren davon in der Fl\u00fcfligkeit des Milchbruftganges finden.\n1)\tEin Hund bekam 4 Unzen einer Uhabarberab-ltochung Eine halbe Stunde nachher wurde die Lymphe des lUilchbrnftganges unterfucht. Sie enthielt keine Spur von Rhabarber, ungeachtet diefer ganz aus dem Darmkanal verfehwunden, und deutlich im Harn enthalten war.\n2)\tEin Hund bekam 6 Unzen einer Aufl\u00f6fung von hlaufaurem Kali in Waffer. Nach Stunde zeigte es lieh im Harn fehr deutlich; in der Lymphe des Milehbruft-\u00abanges war keine Spur davon.\n2) Ein Hund bekam 3 Unzen mit Waffer verd\u00fcnnten Alkohols. Nach 5 Stunden roch das Blut ftark danach, die Lymphe durchaus nicht.\n4)\tEin Hund bekam, nachdem ihm der Milchbruft-gang am H\u00e4lfe unterbunden worden war, zwei Unzen einer Abkochung von Nux vomica und ftarb hierauf eben fo fchnell , als wenn der Milehbruftgang nicht unterbunden gewefen w\u00e4re. Diefer war nicht doppelt, \u00f6ffnete lieh blofs mit einer M\u00fcndung in die linke Haisblutader und war gut unterbunden.\n5)\tNach Unterbindung des Milchbruftgangs wurden 2 Unzen derfeiben Abkochung in den Maftdarm gefpritzt. Das Thier ftarb eben fo pl\u00f6tzlich. Der Milehbruftgang verhielt licit wie bei 4.\n6)\tDer Bd. 2. S. 253 befchriebne Verfuch, v\u00f6llig mit denfelben Umft\u00e4nden, nur mit dem Unterfchiede, dafs ftatt des Upasgifies Nux vomica in das Darmft\u00fcck gebracht wurde. Sechs Minuten nachher traten die Vergiftungszuf\u00e4lle mit ihrer gew\u00f6hnlichen Heftigkeit ein.\nDiefe Verfuche wurden mehrmals wiederholt, ver-fchiedentlich abge\u00e4ndert, und hatten immer denfelben Erfo%. Sie fcheinen mit Beftimmtheit darzuthun, dafs die Saugadern nicht die einzigen Wege der Darmeinfau-gung lind, und die Einfaugung andrer Subftanzen als de* Chylus durch lie h\u00f6chft unwahrfclieinlich zu machen.","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"577\nDas Einfaugungsverm\u00f6gen der Saugadern, der \u00fcbrigen Oberfl\u00e4chen ruht auf keinen lichereren St\u00fctzen. Dia vorz\u00fcglichfte ift die Analogie mit denen des Dannkanals ; allein die Schw\u00e4che diefes Grundes ergiebt fleh aus den eben angef\u00fchrten Thatfachen.\nIndeffen f\u00fchrt man directe Thatfachen an.\nMascagni fand bei Thieren , die an Blutergiefsung in die Lungen oder den Unterleib ftarben, die Saugadetn der Lunge und des Bauchfelles voll Blut, und fehlofs hieraus, dafs fie die Fl\u00fcfiigkeit, welche lie enthielten, eirige-fogen h\u00e4tten . allein ich habe oft bei IVienfchen und Thieren die Saugadern in F\u00e4llen ftrotzend von Blut gefunden, wo lieh keine Ergiefsung diefer Fl\u00fcfiigkeit fand, und auf der andern Seite unterlcheiden lieh oit Blut und Lymphe fo wenig, dafs man nichts Befiimmtes feftfetzen kann. Mascagni\u2019s Thatlacha hat daher wenig Gewicht.\nDie Hunter tchen Verfuche, wo, nach Einfpritzung einer mit Indigo gef\u00e4rbten Fl\u00fcfiigkeit in das Bauchfell, die Saugadern delielben bald nachher mit der Fl\u00fcfiigkeit angef\u00fcllt waren, werden durch Flandrens Beobachtungen widerlegt, der verfchiedentlich gef\u00e4rbte, in das Bauchfell eingefpritzte Fl\u00fcL'figkeiten zwar verfchwinden, aber nicht in die Saugadern treten fall.\nEben To habe ich mit Herrn Dupuytren in wenigftens ijOiVerfuchen eine grofse Menge verfchiedner Fl\u00fcfhgkei-tenin dieH\u00f6hlen von fer\u00f6fen H\u00e4uten gebracht, und niedie-felben in die Saugadern treten gefehen. Ungeachtet die, auf diefe Art in fer\u00f6fe H\u00f6hlen gebrachten Fl\u00fcfligkeiten fehr fchnell ihre gew\u00f6hnlichen Wirkungen hervor bringen, das Opium einfehl\u00e4fert, der Wein beraufcht, fo habe ich mich doch durch mehrere Verfuche \u00fcberzeugt, dafs Unterbindung des Milchbruftgailgs durchaus die Schnelligkeit derfelben nicht mindert. Es ift alfo fehr zweifelhalt, ob die Saugadern der fer\u00f6fen H\u00f6hlen einfaugen.\nEin Band , das feft um ein Glied seiest wird , verur-facht Anfchwellung des abw\u00e4rts vom Herzen befindlichen Theiles , und Anh\u00e4ufung der Serofit\u00e4t im Zellgewebe des letztem. Eine \u00e4hnliche Erfcheinune tritt nach Wegnahme der Achfeldr\u00fcfen beim Bruftkrebs ein. Dies erkl\u00e4rt man gew\u00f6hnlich aus der gehemmten Auffaugung und Bewegung der Lymphe : indeffen ift diefe i) feixon von der Serofit\u00e4i","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\ndes Zellgewebes verfchieden ; 2) kann der Grund der Er-fcheinung fehr wohl in der gehinderten Auflaugung durch die Venen enthalten feyn ; 3) bringt die Wegnahme der Saugaderdr\u00fcfen nicht immer diefe Erfcheinung hervor, und diefe tritt eben fo wenig auch bei g\u00e4nzlicher Des-organiTation der Achfel - oder Leiftendr\u00fcfen ein,\nDie Anfchwellung der Achfeldr\u00fcfen, die bisweilen Statt findende Rothe und Schmerz l\u00e4ngs der Lympbgef\u00e4fse des Arms nach einer Verletzung des Fingers durch eine verunreinigte Lanzette erkl\u00e4rt man durch Einfaugung der faulen tliierifchen Subftanz mittelft der Saugadern; allein dagegen l\u00e4fst fielt bemerken , dafs man lieh fehr oft mit einem fo verunreinigten Inftrument in den Finger fticht, ohne dafs der geringfte Nachtheil entfteht; dafs oft ein leichter Stich mit einer reinen Nadel, ein kleiner Stofs an die Fingerfpilze, der blofse Eindruck der K\u00e4lte auf dieF\u00fcfse diefe!benZuf\u00e4lle hervorbringt; dafs fielt fehr oft in Folge von Stichen die Blutadern allein oder in Verbindung mit den Saugadern entz\u00fcnden. Ein fehr deutliches Beifpiel hiervon falte ich k\u00fcrzlich bei einem Arzte, der an den Folgen der Einfaugung fauler Ausfl\u00fcffe durch eine leichte Verletzung am Finger ftarb. Die Saugadern und Achfeldr\u00fcfen waren entz\u00fcndet, die letztem braun, deutlich krank, allein auch die innere Haut der Venen war deutlich entz\u00fcndet, und alle Saugaderdr\u00fcfen des K\u00f6rpers auf diefe! be Weife afficirt.\nDie Entz\u00fcndung und Anfchwellung der Leiftendr\u00fc-fen nach einem unreinen Beifchlafe, mit oder ohne vorg\u00e4ngiges \u00f6rtliches Gefchw\u00fcr, die Heilung derfelben durch Einreiben von Queckfilber machen die Einfaugim\u00bb durch die Saugadern wahrfcheinlich, ohne fie geradehin zu er-weifen. Hiezu w\u00fcrde erfordert, dafs man in diefen F\u00e4llen den fyphilitifchen Eiter und das Queckfilber in den Saugadern gefeiten h\u00e4tte, und auch dies w\u00fcrde nicht einmal hiureichen, da fich aus Verfuchen ergiebt, dafs mit dem Blute vermifchte Subftanzen mit der gr\u00f6fsten Leichtigkeit aus demfelben in die Saugadern dringen.\nEben fo wenig ift die Einfaugung in der innern Subftanz der Organe durch die Lymphgef\u00e4fse durch irgend eine Thatfache erwiefen, indem daf\u00fcr angef\u00fchrte That-fachen nichts f\u00fcr die Wege darthun.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"579\nEine der vorz\u00fcglichften, f\u00fcr die Einf\u00fcgung durch die Saugadern fprechende Thatfache ift folgende, Eine Frau, die eine felir groCse fluctuirende Gefchwulft vor dem obern innern Theile des Schenkels hatte, ftarb, nachdem lieh wenig Tage vorher am innern Theiie der feiten im Unterhautzellgewebe eine Entz\u00fcndung eingeftellt hatte. Beim Durclifchneiden der die Gefchwulft bekleidenden Haut bildeten lieh fogleich weifse Punkte auf den Schnittr\u00e4ndern, und bei n\u00e4herer Unterfuchung erfchien das ganzeUnterhantzellgewebe diefer Gegend von weifsen Linien durchkreuzt, deren einige die Dicke einer Raben-feder hatten, und die offenbar Saugadern, mit einer eiter\u00e4hnlichen Flufiigkeit angef\u00fcllt, waren. Die Leiften-dr\u00fcfen, fo wie die Saugadern bis zu den Lendendr\u00fcfen, enthielten diefelbeFlufiigkeit, allein weder indiefen Dr\u00fcfen, noch im Milchbruftgange fand lieh eine Spur davon. Um nun hieraus mit Gewifsheit auf die Einfaugung durch die Lymphgef\u00e4fse fchhefsen zu k\u00f6nnen, h\u00e4tte die Identit\u00e4t der in ihnen und dem Zellgewebe enthaltnen Flufiigkeit nachgewiefen werden muffen; allein dies gefchahe nicht. Herr Cruveilhier, der (Anat. pathol. T. I. p. 198 ff.) diefe von Herrn Dupuytren beobachtete Thatfache erz\u00e4hlt, fagt blofs; jene fey Eiter gewefen, indem lie die Un-durchlichtigkeit, weifse Farbe und Dicke des Eiters hatte. Unter folchen Umft\u00e4nden aber ift der blofse Augenfehein zu tr\u00fcgerifch, um ftch mit Beftimmtheit darauf zu verlaf-fen. Auf diefe Weife hat man lange zwei fo verfchiedene Fl\u00fcffigkeiten als Milch und Chylus f\u00fcr eins gehalten. Ueberdies konnte der Eiter fehr wohl ein Product der entz\u00fcndeten Saugadern feyn.\nIn vielen \u00e4hnlichen F\u00e4llen , z. B. bei eiternder Rofe, habe ich nie eiter\u00e4hnliche Feuchtigkeit in den Saugadem gefunden, und nicht feiten findet man hier die von dem kranken Theile entftehenden Venen mit einer, dem Eiter fehr \u00e4hnlichen Feuchtigkeit angef\u00fcllt.\nDas Einfaugungsverm\u00f6gen der Lymphgef\u00e4fse ift daher zwar m\u00f6glich, aber auf keine Weife erwiefen, w\u00e4hrend eine Menge Thatfachen f\u00fcr die Einfaugung durch die Venen fprechen.\nIn der That braucht man nur eine w\u00e4fferige Aufl\u00f6-fung von Kampfer in eine ferofe oder Schleimhauth\u00f6hle,","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\noder in das Gewebe irgend eines Organs ein St\u00fcck feften Kampfers zu bringen, um nach wenig Augenblicken im Athem des Thieres deutlich einen Kampfergeruch zu finden. 5 bis 6 Minuten nach einem Kampfer\u00f6lyftier bekommt der Athem diefen Geruch.\nFaft alle riechenden Subftanzen, die fich nicht mit dem Blute verbinden, fcliwacher Alkohol, Aether, bewirken daffelbe. Phosphor verh\u00e4lt lieh eben fo, und man erkennt ihn nicht blofs an feinem Ger\u00fcche in der ausge-athmeten Luft, fondern auf eine noch beftimmtere Weife folgendermafsen. Wird in die Schenkelvene eines Hundes eine halbe Unze Oel, worin Phosphor aufgel\u00f6ft iff, oefpritzt, fo ft\u00f6fst das Thier faft augenblicklich viele weifse D\u00e4mpfe durch die Nafe aus, die nichts als phos-phorige S\u00e4ure find.\nDie Verfuche mit Giften beweifen daffelbe1).\nZu diefen Thatfachen kommen andre, von Flandrin. an Pferden gemachte intereffante Beobachtungen. Bei diefen lind die Subftanzen, welche lieh meiftens im Darmkanal befinden, mit einer grofsen Menge von Fl\u00fcffigkeit vermifebt, deren Menge gegen den Maftdarm hin abnimmt, die mithin allm\u00e4hlich eingefogen wird. Flandrin fand aber nie in der Fl\u00fcffigkeit der Milchgef\u00e4fse den Geruch diefer Fl\u00fcffigkeit wieder, dagegen hatte das ven\u00f6fe Blut des d\u00fcnnen Darms einen merklichen Pfianzenge-fchmack, das des Blinddarms, noch mehr des dicken Darms einen ftechenden Gefclnnack und leichten Harngeruch, w\u00e4hrend das Blut der \u00fcbrigen Theile des K\u00f6rpers nichts \u00e4hnliches zeigte. Ein halbes Pfund Affa foetida in eben fo viel Honig aufgeloit wurde einem Pferde eingegeben , dies nachher auf die gew\u00f6hnliche Weife gef\u00fcttert und l6 Stunden nachher gel\u00f6dtet. In den Venen des Magens, des D\u00fcnn- und Blinddarms, allein weder in dem arteriellen Blute noch der Lymphe offenbarte fich deutlich der Geruch der Alfa foetida.\nBei den Verfuchcn, welche ich anftellte, fand ich, dafs die Schnelligkeit der Veneneinfaugung nach den Geweben vaiiirt. So ift fie z. B. weit fchneller in den\nSchleim*\nl) S. diefes Archiv Ed. 3. a. a. O,","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"Schleimh\u00e4uten als den fer\u00f6fen H\u00e4uten, in den gef\u00e4fsrei-chen Theilen als in den gef\u00e4fsarmen u. f. w.\nDie \u00e4tzende Befehaffenhcit der, der EinCaugung dar-gebotnen fli'if\u00fcgen, oder feiten Theile hindert die Einfau-gung nicht, im Gegentheil fcheinen diefe Subftanzen fchneller als die, welche die Gewebe nicht angreifen, aufgenommen zu werden. Die Darmzotten, welche zum Theil durch die Wurzeln der Venen gebildet werden, faugen, mit Ausnahme des Chylus, im D\u00fcnndarm alle Fl\u00fcfligkeiten ein. Hiervon \u00fcberzeugt, man lieh leicht durch Einbringen ftark riechender oder fchmeckender, der Auffaugung f\u00e4higer Subftanzen in denfelben. Vom Anfang bis zum Ende der Einfaugung erkennt man die Eigenfchaften diefer Subftanzen in den Aeften der Pfortader, in der Lymphe dagegen erft lange nach dem Anf\u00e4nge der Einfaugung. In den Milchbruftgang gelangen fie erft von den Pulsadern aus. Injectionen dringen leicht aus den Pulsadern in die Lymphgef\u00e4fse und umgekehrt. Eben fo erfcheinen in die Venen eingefpritzte Subftanzen in 2 bis 3 Minuten in der Fl\u00fcf\u00fcgkeit der Lymphgef\u00e4fse.\nMit diefem Eintritt der fremden Subftanzen in die Blutgef\u00e4fse fteht die Eigenth\u00fcmlichkeit des Baues der Pfortader im Zufammenhange. Wegen der betr\u00e4chtlichen Ausbreitung der Schleimhaut, mit welcher die Getr\u00e4nke und \u00fcbrigen Fl\u00fcfligkeiten in Ber\u00fchrung find, und der Schnelligkeit, womit \u00fce von denGckr\u00f6svenen aufgenommen wrerden, geht in einer gegebnen Zeit eine bedeutende Menge fremder Fl\u00fcf\u00fcgkeiten durch das Unterleibs-venenfyftem und ft\u00fcrt die Mifchung des Blutes. Gelangten diefe unmittelbar in die Lungen und von da in den K\u00f6rper, fo k\u00f6nnten daraus, wie die nachftehenden Verhielte beweifen, bedeutende Nachtbeile entftehen.\nEine Gramme Galle, pl\u00f6tzlich in die Schenkelvene gefpritzt, t\u00f6dtet ein Thier gew\u00f6hnlich fehr fchnell. Eine gewiffe Menge Luft fchnell in dielelbe Vene eingetrieben, bewirkt daffelbe. Dagegen hat diefelbe Einfpritzung in einen Alt der Pfortader keinen wahrnehmbaren Erfolg. Diefe Verfchiedenheit des Erfolges r\u00fchrt defto wahrfcheinlicher davon her, dafs die dem K\u00f6rper fremden Fl\u00fcfligkeiten auf ihrem Wege durch die zahlloie Menge\nM. d. Archiv, 111, 4.\tPp","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"583\nder feinen Lebergef\u00e4fse enger mit dem Elute vennifcht, und unter eine gr\u00f6fseve Menge ton ciiefem vertheilt werden , wodurch die Mifchung deffelben weniger ver\u00e4ndert wird, da auch, wenn dielelbe Menge Galle oder Luft lang tarn in die Schenkelvene gefpritzt wird , jene Zuf\u00e4lle nicht eintreten. Auf jeden Fall gehen die neuaufgenotn-menen Subftanzen unmittelbar durch die Leber, und haben h\u00f6cbft wahrfcheinlich auf diefe einen, der Auf. merklarnkeit der Aerzte nicht unwerthen Einflufs.\nWie die Kcirpervenen faugen auch die Lungenvenen ein. Man braucht nur einmal mit riechenden Subftanzen gefchvv\u00e4ngerte Luft zu athmen, und fogleieli verbreiten lieh die Wirkungen derfelben \u00fcber den ganzen K\u00f6rper. Sch\u00e4dliche Gasarten, in der Luft verbreitere Arzneimittel, anfteckende Stoffe, Gifte oder Mittel, die auf die Zunge angebracht werden, bringen Wirkungen hervor, deren Schnelligkeit in Erftaunen fetzt. Die Art, wie diefe Einfaugung gefchieht, ift nicht bekannter als die Art der Einfaugung der K\u00f6rpervenen I).\nEben fo wird, ungeachtet keine unmittelbare Ana-ftoniofe vorhanden ift, das Blut der Mutter oder einTheil deffelben in der Nachgeburt li\u00f6clift wahrfcheinlich von den Wurzeln der Nabelvene aufgenommen, und auf dem-feilten Wege gehen fremde Subftanzen von der Mutter zum F\u00f6tus \u00fcber. Spritzt man in die Venen eines Hundes eine gewiffe Menge Kampfer, fo nimmt das Blut deffelben lo-gleich einen ftarken Kantpfergeruch an. Nachdem ich diefeu Verfuch an einer tr\u00e4chtigen H\u00fcndinn angeftellthatte, zog ich einen F\u00f6tus aus ihrer Geb\u00e4rmutter hervor. Nach drei bis vier Minuten hatte lein Blut keinen Kampfergeruch; diefer fand lieh dagegen fehr deutlich im Blute eines andern , den ich nach einer Viertelftunde herausnahm, und in dem aller \u00fcbrigen.\nVon dem F\u00f6tus zur Mutter fcheint dagegen kein fol-cher Gebergang Statt zu linden. Wenigftens habe ich\nx) Auch kann man wohl Tagen, daf.; keine der angef\u00fchrten That-faclien bewent, dafs die Limgeuvencn eiufaii ' ri, Aufser den Ph\u00e4nomenen des Athmen\u00e4 fpreclien indeffen die oben angef\u00fchrten directea Verlache vom Herrn Prof. Mayer daf\u00fcr.\nM.","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"683\noft fehr ft ark e Gifte in die Nabelvene gegen die Nachgeburt eingefpritzt, ohne die geringfte Wirkung derfelben auf die Mutter zu bemerken, und wenn diefe an einem Blutflurs ftirbt, fo bleiben die Gef\u00e4fse des F\u00f6tus mit Blut angef\u00fcllt.\nHunter s Verfuche, welche dieNichteinfaugung durch die Venen beweifen f\u00fcllen, find eben fo wenig ftringent als die f\u00fcr die Einfaugung durch die Lymphgef\u00e4fse angef\u00fchrten.\nDie erften find vorz\u00fcglich folgende :\nBei einem Schafe wurde ein St\u00fcck Darm mit warmen Waffer angef\u00fcllt und an beiden Enden unterbunden. Das durch die Venen deffelben zur\u00fcckkehrende Blut fchien weder d\u00fcnner, noch leichter als in den \u00fcbrigen Venen. Hierauf wurde die Arterie und alle ihre Verbindungen unterbunden und der Zuftand der Vene unterricht. Sie fchwoll nicht an, ihr Blut wurde nicht w\u00e4ffe-riger und nichts deutete auf Anwefenheit von Waffer in ihrer H\u00f6hle. Alfo faugen die Venen nicht ein.\nAllein, wie konnte man aus dem blofsen Augenschein fchliefsen, dafs in den erften Augenblicken das Waffer nicht eingefogen wurde, und fich nicht mit dem Venen-blute vermifchte? wie konnte man annehmen, dafs die Vene nach Unterbindung der Arterie th\u00e4tig zu feyn fortfahren w\u00fcrde ? Zuerft h\u00e4tte der Einflufs eines Bandes um die Arterie auf den Blutlauf in der entfprechenden Vene beftimmt werden m\u00fcffen, was nicht gefchah.\nFerner wurde Milch in ein St\u00fcck Darm gefpritzt, bald darauf die Vene deffelben ge\u00f6ffnet, und, weil keine Milch darin entdeckt wurde, gefchloffen, dafs die Venen nicht einfaugen. Allein felbft beim gegenw\u00e4rtigen Stande der Chemie, noch viel weniger alfo zu Hunter\u2019s Zeiten, w\u00e4re die Anwefenheit einer fo geringen Menge von Milch im Blute nicht entdeckbar.\nDie \u00fcbrigen 6 Verfuche von Hunter find noch viel weniger erweifend.\nBei einem, dem zweiten Verfuche \u00e4hnlichen, wo die Venen eines mit Milch angef\u00fcllten Darmft\u00fcckes durch Einftiche von Blut entleert wurden, entdeckte man in ihnen keine Milch, wovon dagegen die entfprechenden Saugadern ftrotzten. Hieraus fchliefst Hunter auf dasEin-faugungsverm\u00f6gen von diefen.","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"584\nAllein dfefer Verlach ift fehr mangelhaft. Damit er Beweiskraft h\u00e4tte, tn\u00fcfste man willen, oh das Thier zu der Zeit, wo er angeftellt wurde, n\u00fcchtern oder in der Verdauung begriffen war; der Zuftand der Saugadern im Anf\u00e4nge des Verfuches h\u00e4tte unterfucht werden muffen, um zu wiffen, ob fie nicht vielleicht Chylus enthielten? Welche Ver\u00e4nderungen erlitt die Milch im Dann? Durch welche Pr\u00fcfungsmittel ergab lieh, dafs am Ende des Verfuches die Saugadern wirklich Milch enthielten , und die darin befindliche Fl\u00fcfligkeit nicht vielmehr Chylus war? Ueberdies fand Flandrin bei mehrmaliger Wiederholung diefes Verfuches keine Milch in den Saugadern des Dann-kauals , und ich felbft erhielt, durch wiederholte Anftel-luug deffelben , Iiefultate, welche mit den feinigen tiber-einfiimmten und denen von Hunter entgegen waren.\nAuch die \u00fcbrigen Verfuche von Hunter, die \u00fcberdies \u00fcberhaupt nur an f\u00fcnf Thieren angeftellt wurden, lind noch weniger erweifend, und gleichfalls von Flandrin und mir ohne Erfolg wiederholt worden.\nSollte man endlich die Thatfachen, welche f\u00fcr das Ermaugungs verm\u00f6gen der Venen fprechen, noch durch Vernunftgr\u00fcnde unterft\u00fctzen, fo erinnere ieli, dafs i) bis ic;zt an einer Menge von Stellen im K\u00f6rper keine Sau\u00ab, adern, fondern falofs Blutgef\u00e4l'se liacheewiefen find o\u201c\n2) Es xft zu bezweifeln, dafs lie andre Subftanzen. auf.\nnehmen.","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"585\n3)\tEs ift nicht erwiefen, dnfs die \u00fcbrigen Sangadem oder die Lymphgef\u00e4fse Einfaugungsverm\u00f6gen belitzen.\n4)\tDen Venen kommt das Einfaugungsverm\u00f6gen mit Beftimmtheit zu.\n\u00c4. A. Seguin \u00fcber die einfaugenden und aus-hauchenden Gef\u00e4fse, und die Krankheiten, weiche von einer Abnormit\u00e4t derselben, oder der in ihnen enthaitnen F1 \u00fc f fi glc ei t e n, oder endlich dielen beiden Urfachen zu fam men entftelien k\u00f6nnen. (Aus den Ann. de Chimie T. 90. p. 185 \u2014 195. T. 92. p. 33 \u201451.)\nUm meine Arbeit \u00fcber die\u2019 einfaugenden und anshauchenden Gef\u00e4fse, weiche ich wegen der vielen, \u00fcber diefen Gegenftand obwaltenden Widerfpr\u00fccheunternahm, m\u00f6giichft zu vereinfachen , richtete ich meine Aufmerk-famkeit vorz\u00fcglich auf folgende Punkte :\n1)\tWelche Gef\u00e4fse unfers K\u00f6rpers laugen ein, und welche Umft\u00e4nde beg\u00fcnftigen diefe F\u00e4higkeit derfelben ?\n2)\tKommen die an der Oberfl\u00e4che des K\u00f6rpers und die in dem Innern deffelben befindlichen einfaugenden Gef\u00e4fse durch ihre Functionen mit einander \u00fcberein ?\n3)\tBringen alle mit ihnen in Ber\u00fchrung gebrachten Subftanzen diefelbe Wirkung hervor?\n4)\tGiebt es in diefer Hinficht keinen Unterfchied zwifchen feften und fl\u00fcfligen Subftanzen ?\n5)\tMufs man nicht eben fo zwifchen verfchiednen feften und fl\u00fcfligen K\u00f6rpern einen Unterfchied machen ?\n6)\tWelche Functionen haben die innern einfaugenden Gef\u00e4fse, vorz\u00fcglich die der Lungen, des Magens und des Dannkanals ?\n7)\tWorin ift die Einfaugungsf\u00e4higkeit der lebendest K\u00f6rper begr\u00fcndet ?\n8)\tWelches endlich find die Krankheiten, die aus den in der Ueberfchrift angef\u00fchrten Gr\u00fcnden ent-ftehen ?","page":585}],"identifier":"lit14139","issued":"1817","language":"de","pages":"575-585","startpages":"575","title":"Beitrag zur Pr\u00fcfung der Lehre von der Einsaugung durch die Lymphgef\u00e4\u00dfe: Aus dessen Pr\u00e9cis \u00e9lementaire de Physiologie, T. II, 1817, A. m. O.","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:18:48.781823+00:00"}