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{"created":"2022-01-31T14:08:06.800861+00:00","id":"lit1415","links":{},"metadata":{"alternative":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig","contributors":[{"name":"Tschirjew, Sergei I.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Arbeiten aus der Physiologischen Anstalt zu Leipzig: 292-307","fulltext":[{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"Der t\u00e4gliche Umsatz der verf\u00fctterten nnd der transfnndirten Eiweissstoffe.\nVon\nS. Tschiriew.\nSeit den Untersuchungen von C. Schmidt, Th. Bischoff und C. Voit unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass der Harn nach dem Verfluss von 24 Stunden eine Stickstoffmenge geliefert hat, welche sich derjenigen sehr ann\u00e4hert, die das Thier am Beginne der genannten Zeit in den Eiweissk\u00f6rpern seiner Nahrung verzehrte. Ob diese Uebereinstimmung erzielt wird, weil die neu-ankommeriden Stoffe fr\u00fcher vorhandene aus ihren Verbindungen verdr\u00e4ngen, beziehungsweise den Stoffwechsel beleben, oder ob ein grosser Theil der Eiweissmassen schon w\u00e4hrend der Verdauung Ver\u00e4nderungen erf\u00e4hrt, durch welche ihre Umbildung in Harnstoff beg\u00fcnstigt wird, blieb unentschieden. Als eine der Verfahrungsarten zur L\u00f6sung dieser Frage wird man die zu betrachten haben, welche dem Blut die Eiweissstoffe mit Umgehung des Darmkanals zuf\u00fchrt, und untersucht, wie sich unter diesen Bedingungen die Entstehung des Harnstoffs gestaltet. Aus diesem Gesichtspunkte schlug mir Herr Prof. Ludwig vor, einem Hunde eine bestimmte Menge von Hundeblut mit bekanntem Stickstoffgehalt abwechselnd durch den Mund und durch die Venen zuzuf\u00fchren, und dabei die Stickstoffmenge auszuwerthen, welche das Thier mit dem Harne ausgiebt.\nSollte sich bei diesem Versuche, wie es in der That der Fall war, ergeben dass dasselbe Nahrungsgemenge transfundirt weniger Harnstoff liefere, so w\u00fcrde hieraus allerdings noch keine sichere Antwort auf die oben gestellte Frage gewonnen sein. Denn ausser der Folgerung, dass das transfundirte Blut nicht in gleichem Maasse zersetzt sei, weil es die Ver\u00e4nderungen im Darmcanal umgangen habe, konnte man auch die andere ziehen, dass die transfundirten Blutk\u00f6rperchen als ein lebendiges Gewebe der chemischen Umformung einen gr\u00f6sseren Widerstand","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"442] Der t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\t293\nentgegensetzen, als die aus ihrer Aufl\u00f6sung hervorgegangenen Stoffe. Obwohl nun die Entscheidung hier\u00fcber erst durch einen anderweiten Versuch zu gewinnen ist, so schien es mir doch der M\u00fche werth, den vorgeschlagenen auszuf\u00fchren, weil man durch ihn neue zum Abschluss f\u00fchrende Gesichtspunkte gewinnen konnte. Aus diesem Grunde betrachte ich die hier mitzulheilen-den als den Beginn einer weiteren Reihe von Beobachtungen.\nAls Versuchstiere haben mir zwei kleine, kr\u00e4ftige, magere Hunde gedient, denen, wie erw\u00e4hnt, dieselbe Menge von Hundeblut abwechselnd durch F\u00fctterung und Transfusion beigebracht wurde. \u2014 In Beziehung auf die letztere ist Folgendes zu bemerken. Das Blut, welches transfundirt werden sollte, war unmittelbar vorher einem gesunden kr\u00e4ftigen Hunde, der seit 24 Stunden gehungert halte, entzogen, geschlagen und mit aller Sorgfalt durch feines Leinen filtrirt worden. Bei dem Einbinden der Transfusions-can\u00fcle war besondere Sorgfalt n\u00f6thig. Denn da diese Operation an demselben Thiere drei Tage hintereinander wiederholt werden sollte, so war \u00e9s geboten Venen zu w\u00e4hlen, welche ihrer oberfl\u00e4chlichen Lage wegen durch eine sehr kleine Wunde zu erreichen waren. Dieserbalb habe ich immer die Injectionscan\u00fcle in einen^der Venen-Aeste gesetzt, welche im Gesicht oder am Halse durch die Haut schimmern. Das Blut wurde aus einem Glascylinder, dessen Inhalt unter einem regulirbaren Quecksilberdrucke Stand, sehr allm\u00e4hlich in die Venen \u00fcbergef\u00fchrt, so dass mit voller Sicherheit der Uebergang des gew\u00fcnschten Volums von 200 Ccm. zu verb\u00fcrgen war. Nach vollendeter Transfusion wurden die, einen C^m. an L\u00e4nge nicht \u00fcbersteigenden, Hautschnitte mit Carbols\u00e4ure ohne Anlegung einer Naht verbunden ; sie heilten ohne Eiterung in wenigen Tagen.\nDas zum Futter bestimmte Blut wurde ebenfalls einem gesunden Hunde entzogen. Nachdem es defibrinirt und filtrirt war, wurden genau 200 Ccm. desselben abgemessen, in einer Schaale einmal aufgekocht und mit 10 Gramm ger\u00f6steten Fettes, das einen kleinen Zusatz an Zwiebeln enthielt, versetzt.\nUm Harn undKolh des Versuchsthieres ohne Verlust sammeln zu k\u00f6nnen, wurde dasselbe in einem ger\u00e4umigen, vorz\u00fcglich glasirten Troge aus gebranntem Thone eingesperrt. Die l\u00e4ngere Seite seines rechteckigen Bodens mass 0.88, die k\u00fcrzere 0.55, die H\u00f6he der Seitenwand 0.25 Mt. Um dem Kopfe des Thieres eine freie Beweglichkeit zu gestatten, wurde auf dem breiten","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nS. Tschiriew,\n[443\nRande, welcher die Seitenwand des Troges oben abschloss, ein Blechrahmen von 0.25 Mt. Wandh\u00f6he aufgerichtet, und zwar so, dass der untere freie Rand des Blechrahmens \u00fcber die Innenfl\u00e4che des Thontroges hin\u00fcbergriff. Den obern Rand des Blechrahmens deckte ein Drahtgitter, das nach Belieben an- und abgeschraubt werden konnte. Alle so eben beschriebenen Metalltheile waren auf das sorgf\u00e4ltigste mit gebackenem Asphaltlack \u00fcberzogen. Eine der schmalen Bodenkanten des Thontroges durchbohrte eine glasirte Tubulatur, durch welche die in den Binnenraum des Gef\u00e4sses ergossene Fl\u00fcssigkeit bis auf Spuren ausfloss, wenn der Trog gegen den Horizont um ein weniges geneigt war. lieber das freie Ende des th\u00f6nernen Tubulus war eine Kautschukr\u00f6hre gest\u00fclpt, die an dem andern Ende in einen Glaskolben gesteckt war; dieser nahm die aus dem Troge austropfende Fl\u00fcssigkeit auf, ohne dass ein Theil derselben an der Ueber-gangsstelle aus dem Thon- in das Glasgef\u00e4ss stehen geblieben w\u00e4re. Das Lager, auf welchem sich das Thier aufhalten sollte, wurde etwas entfernt vom Boden aufgestellt, dasselbe bestand aus einem starken mit gekreuzten Schienen versehenen Eisenrahmen , zwischen den ein sehr engmaschiges Drahtnetz eingesponnen war. Rahmen und Gitter waren mit eingebranntem Asphaltlack auf das sorgf\u00e4ltigste \u00fcberzogen, so dass sich \u00fcberall glatte gl\u00e4nzende Fl\u00e4chen vorfanden. Dieses Lager war horizontal auf sechs kleinen Glasf\u00fcssen aufgestellt, die sich auf den Boden des Thongef\u00e4sses st\u00fctzten. Sonach floss der Harn durch die vielen Oeffnungen sogleich auf den glasirten Boden des Troges und von dort in den Kolben, w\u00e4hrend der feste Koth auf dem engmaschigen Netze zur\u00fcckblieb. Jedesmal vor dem Beginne eines neuen Beobachtungstages wurde der Hund aus dem Beh\u00e4lter genommen. Nachdem der vorhandene Koth gesammelt war, wurde das als Lager dienende Gitter emporgehoben und dieses sammt dem Boden des Troges mit der Spritzflasche auf das sorgsamste, unter m\u00f6glicher Ersparung des Wassers, ausgesp\u00fclt. Wiederholt habe ich mich davon \u00fcberzeugt, dass hiezu 100 Gern. Wasser gen\u00fcgten. Auf diese Weise glaube ich jeden Verlust an festen Ausscheidungsstoffen vermieden zu haben. Obwohl nun t\u00e4glich in dem Kolben eine nicht unbedeutende Harnmenge vorgefunden wurde, so blieb es doch unsicher , ob das Thier den an jedem Beobachtungstage gebildeten Harn auch vollst\u00e4ndig entleert hatte. Um den Fehler zu mindern,","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"444]\tDer t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\t295\nwelcher durch Uebertragung eines Harnrestes von einem auf den andern Tag entstehen konnte, wurde die Zuf\u00fchrungsart des Blutes erst nach dem Verfluss dreier Tage gewechselt, damit sich die zu bef\u00fcrchtende St\u00f6rung auf diese vertheile. Aus den Beobachtungen scheint jedoch hervorzugehen, dass meine Be-sorgniss grundlos war ; denn die in je 24 Stunden mit dem Harne ausgeschiedene Stickstoffmenge blieb sich unter sonst identischen Umst\u00e4nden durchweg gleich.\nNach der Aufsammlung der Auswurfsstoflfe wurde der Hund zun\u00e4chst gewogen und ihm dann je nach Befinden das Blut durch Injection oder als Futter beigebracht. Im letzteren Falle wurde darauf geachtet, dass das Thier von der vorgelegten Portion nichts verschleudern konnte. Wenn dasselbe die Aufnahme der ganzen Futtermenge verweigerte, so sammelte ich den in der Porzellan-schaale vorhandenen Best, wog ihn und ermittelte aus einem bestimmten Theile seinen Stickstoffgehalt. Bei der Transfusion muss, wie aus den Erfahrungen von Lesser bekannt ist, eine besondere Sorgfalt auf die Vermeidung von Harnverlusten gewendet werden. Desshalb legte ich w\u00e4hrend der Dauer der Operation ein Band um die Vorhaut. Hiedurch ist es mir gelungen, den drohenden Verlust vollkommen zu vermeiden. Unmittelbar nach der vollendeten ^\u00fctterung oder Transfusion kam das Thier in den Trogaur\u00fcck. Auch will ich nicht vers\u00e4umen zu bemerken, dass dem Thiere der Aufenthalt in einem k\u00fchlen gleichm\u00e4ssig temperirten Kellergeschoss angewiesen war, eine Massnahme, f\u00fcr die ich mich desshalb entschied, weil die Versuche im Juli und August vorgenommen wurden.\nZur Bestimmung des Stickstoffgehaltes in den Einnahmen und Ausgaben bediente ich mich Anfangs der Methode von Will und Varrentrapp, w'eil ich nach den Angaben von Kreusler \u2018j erwartete, dass man mit ihr ohne einen Verlust zu erleiden arbeiten k\u00f6nne, wenn man nur die Stoffe fettfrei verwendet und auf das innigste mit dem Natronkalk gemengt habe. Die erstere dieser beiden Cautelen war durch die Natur der gebrauchten Stoffe \u2014 Harn und Blut \u2014 von selbst erf\u00fcllt ; die innige Mischung aber glaubte ich dadurch verwirklichen zu k\u00f6nnen, dass die Fl\u00fcssigkeiten in ihrem nat\u00fcrlichen Zustande dem Natronkalke zugesetzt wurden. Zu dem Ende nahm ich von jeder Blutart, welche\nI) Journal f\u00fcr analytische Chemie. Jahrgang 1873. p. 354.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nS. Tschiriew,\n[445\ntransfundirt oder als Futter zubereitet werden sollte, 10 Ccm., und verd\u00fcnnte dieselben mit dem gleichen Volum Wasser; von diesem Gemisch liess dch 5 Ccm. durch eine lang ausgezogene Pipette in die Verbrennungsr\u00f6hre fliessen, welche schon bis zur H\u00f6he einiger Centimeter mit salpeterfreiem Natronkalk gef\u00fcllt war. N\u00e4chst dem f\u00fchrte ich die Menge des letztem ein, welche f\u00fcr die vollst\u00e4ndige Absorption des Blutes nothwendig war, und verfuhr nun des Weitern nach Vorschrift. Vor dem Beginn der Erhitzung muss man einen ger\u00e4umigen Canal zwischen der freien Oberfl\u00e4che des Natronkalkes und der gegen\u00fcberliegenden Glaswand herstellen, weil sich ohne dieses die Bohre durch den Schaum des aufkochenden Blutes verstopft. Obwohl man auf diese Weise das stundenlange Pulvern des zu analysirenden Stoffes umgeht, welches Kreusler vorschreibt, so vermeidet man dennoch einen grossen Zeitverlust keineswegs. Denn die Anfeuerung der R\u00f6hre muss der drohenden Zerplatzung wegen sehr allm\u00e4hlig beginnen und sehr langsam fortschreiten, wesshalb zur Vollendung einer Verbrennung nie weniger als drei, \u00f6fter aber vier bis f\u00fcnftehalb Stunden n\u00f6thig sind. \u2014 Das entstandene Ammoniak wurde in vorgelegter Oxals\u00e4ure aufgefangen und diese mit Baryt und Lackmus austitrirt. Von jeder Blutsorte wurden zwei Proben zerlegt.\nIn \u00e4hnlicher Weise verfuhr ich mit dem Harne, der jedoch, so wie er aufgesammelt war, in die B\u00f6hre gebracht wurde. Die Kothproben wurden getrocknet analysirt.\nBei der Bestimmung von 13 Blut- und ebenso vielen Harnsorten, al\u00a7o bei 52 Einzelanalysen gelangte ich zu scheinbar sehr befriedigenden Werthen, denn der aus den Grundzahlen der beiden Bestimmungen berechnete Gehalt der t\u00e4glichen Einnahme und Ausgabe stimmte oft bis auf Spuren, und wich niemals um mehr als 3 Proc. seines ganzen Werthes von einander ab. Trotzdem hielt ich es f\u00fcr geboten, zur Probe auch einmal die Methode von Dumas neben der bisher gebrauchten anzuwenden. Denn es l\u00e4sst sich nicht verkennen, dass Bestimmungen von der Art der vorliegenden eine ganz ungew\u00f6hnliche Sorgfalt erfordern. Die einzige Sicherung liegt hier in der Genauigkeit der Bestimmung, weil die M\u00f6glichkeit einer Correctur fehlt, wie sie bei dem Auswerthen der Zusammensetzung organischer Verbindungen durch die Atomgewichte gegeben ist, und noch mehr, weil aus dem Gehalte von 2.5 Ccm. auf den von 200 Ccm. geschlossen","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"446]\nDer t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\n297\nwerden muss. Jeder Fehler multiplizirt sich also 80mal. Hiezu kommt noch, dass wir die Schl\u00fcsse bei der vorliegenden Gattung von Versuchen auf den Unterschied des iVgehaltes in der Einnahme und Ausgabe aufbauen, wesshalb je nach der Richtung der Fehler in beiden die Ungenauigkeit noch sehr bedeutend an-wachsen kann.\nAls ich nun in 2 Blut- und 3 Harnsorten je eine Probe nach Dumas und die andere nach Will und Varrentrapp zerlegte, musste ich zu meiner Ueberraschung gewahren, dass ganz regelmassig im Harn wie im Blute der als Ammoniak niedriger als der im Gaszustand bestimmte N ausfiel. Dieses Mehr nach der Methode von Dumas kann nur zum geringsten Theil in dem an dem Kupferoxyd haftenden N der Atmosph\u00e4re begr\u00fcndet sein, theils weil jene, trotzdem dass die gr\u00f6sste Sorgfalt auf die Verdr\u00e4ngung der urspr\u00fcnglichen Luft verwendet wurde, meist 5 Ccm. N mehr gab, als nach der Methode von Will und Varrentrapp zu erwarten war, insbesondere aber auch, darum nicht, weil der Zuwachs an Nf\u00fcr das analysirte Blut bedeutend gr\u00f6sser als f\u00fcr den Harn war, obwohl beidemal die Dimensionen der R\u00f6hre und die Mengen des Kupferoxydes gleich gewesen. Nun waren aber nicht bloss die absoluten, sondern es waren auch die Unterschiede des iVgehaltes zwischen Blut und Harn gr\u00f6sser. Ein Beispiel diene zur Erl\u00e4uterung :\nAus der Methode v. Dumas ergaben sich f\u00fcr 200 Ccm. Blut :\n6,52 Gr. N u. f\u00fcr den t\u00e4glichen Harn 2,81 Gr. N. Aus der Methode v. Varrentrapp Will ergaben sich f\u00fcr 200 Ccm.\nBlut : 6,04 Gr. N u. f\u00fcr den t\u00e4glichen Harn 2,68 Gr. N. Nach der erstem ist der Unterschied im ATgehalt zwischen Einnahme und Ausgabe = 3.71, w\u00e4hrend er sich nach der zweiten zu 3.36 stellt.\nObwohl nun eine Abweichung von 0.35 Gr. bei dem grossen absoluten Werthe der Unterschiede dem Schl\u00fcsse, welcher hier entscheiden soll, nichts schadet, dem n\u00e4mlich dass noch nicht einmal die H\u00e4lfte des mit dem Blute empfangenen N vom Thiere ausgeschieden sei, so hielt ich es dennoch von nun an f\u00fcr ge-rathen, mich ausschliesslich an die Methode von Dumas zu wenden.\nMit H\u00fclfe der geschilderten Mittel habe ich, wie erw\u00e4hnt, den Versuch an 2 verschiedenen Thieren angestellt. Zun\u00e4chst werde ich die Ergebnisse schildern, welche mir der Hund","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"S. Tschiriew,\n298\n[447\nlieferte, an welchem sich die Reihe der Beobachtung am weitesten durchf\u00fchren Hess.\nI.\tVersuch. Um die Bedeutung der sp\u00e4ter mitzutheilenden Zahlenreihen deutlicher hervortreten zu lassen, werde ich zuerst angeben, wie sich das Thier w\u00e4hrend der Beobachtungszeit verhielt, und in welchem Wechsel ihm das Blut einverleibt wurde.\n1.\tDem Thiere wurden an den ersten 3 Tagen je 200 Ccm. gekochten Blutes vorgesetzt, zum ersten Male nimmt es das Futter vollst\u00e4ndig, am zweiten l\u00e4sst es einen kleinen, am dritten einen gr\u00f6sseren Rest \u00fcbrig, am zweiten und dritten Tage giebt es Koth von sich. Die im \u00fcbrig gelassenen Futter und in dem Kothe enthaltenen StickstolFmengen werden bestimmt und von denjenigen des Futters abgezogen. Dieses ist f\u00fcr den Koth nicht vollkommen einwurfsfrei, weil es unbewiesen bleibt , ob er aus dem Blutfutter stammt. Ein begangener Fehler w\u00fcrde aber bei der Geringf\u00fcgigkeit der mit dem Kothe entleerten Stickstoffmengen nicht in das Gewicht fallen.\n2.\tAm 4. bis 6. Tage wurden dem Hunde je 200 Ccm. Blutes eingespritzt, so dass er im Ganzen 600 Ccm. empfing, am 5. Tage giebt das Thier eine geringe Menge von Koth vonsich, mit-dessen Stickstoff wie oben bemerkt verfahren wurde.\n3.\tAm 7. bis 9. Tage werden dem Hunde je 200 Ccm. gekochten Blutes vorgesetzt, die s\u00e4mmtlich vollkommen verzehrt werden, am 9. Tage entleert das Thier wiederum Koth.\n4.\tAm 10. bis 12. Tage wird dem Thiere gar nichts verabreicht, w\u00e4hrend dieser vollkommenen Entziehung aller Einnahmen findet wiederum eine Kothentleerung statt.\n5.\tAm 13. bis 15. Tage werden dem Thiere je 200 Ccm. Blutes eingespritzt, so dass es im Ganzen 600 Ccm. empfing.\n6.\tDas gekochte Blut, welches dem Thiere am 16. und 17. Tage vorgesetzt wurde, verschm\u00e4hte es g\u00e4nzlich, am 17. nimmt es dagegen 100 Ccm. Wasser, die ihm gereicht wurden, begierig auf.\n7.\tAm 18. Tage nimmt das Thier von dem Vorgesetzten Blute einen sehr kleinen Theil, dagegen s\u00e4uft es begierig 200 Ccm. Wasser, die ihm gereicht wurden.\n8.\tAm 19. bis 22. verzehrte es das Vorgesetzte Blut bis auf","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Der t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\n299\nkleine Reste, vorausgesetzt dass dem Thiere t\u00e4glich 100 bis 200 Ccm. Wasser verabfolgt werden.\n9. Vom 23. bis 26. Tage empf\u00e4ngt das Thier kein Blut, dagegen wird ihm Wasser gegeben. Hievon nimmt es am 23. Tage nichts, am 24. dagegen 100 Ccm., am 25. Tage 25 Ccm. und am 26. Tage 50 Ccm. Am Ende dieses Tages wird der Hund durch Verblutung get\u00f6dtet.\nDiesen Mittheilungen entsprechend zerf\u00e4llt die vorliegende Versuchsreihe in 2 Abschnitte: einen von 16 Tagen, in welchem das Wasser entzogen , und einen anderen, in welchem dasselbe gereicht wurde. Jeder dieser Abschnitte bedarf einer besonderen Zergliederung.\nDie ersten 15 Tage der Versuchsreihe ohne Wasser zerfallen weiterhin in 5 Zeitr\u00e4ume von je 3 Tagen. Es verhielten sich nun das K\u00f6rpergewicht am Anfang jeder Periode, und die w\u00e4hrend derselben aufgenommenen und ausgeschiedenen Stickstoffmengen folgendermassen.\nVersuchstage ohne Wasseraufnahme.\nZahlen derBeoh-achtungstage.\tZufuhr des Blutes.\tK\u00f6rpergewicht im Beginn der Periode.\tEingenommen an X w\u00e4hrend dreier Tage.\tAusgeschieden an N w\u00e4hrend dreier Tage.\n1 bis 3.\tBlut gef\u00fcttert\t6928 Gr.\t13,19 Gr.\t14,55 Gr.\n4 \u00bb 6.\tBluttransfundirt\t6540 \u00bb\t19,09 \u00bb\t6,85 \u00bb\n7 \u00bb\t9.\tBlut gef\u00fcttert\t6254 \u00bb\t14,38 \u00bb\t14,43 \u00bb\n10 \u00bb 12.\tOhne Zufuhr\t6165 \u00bb\t0,00 \u00bb\t4,65 \u00bb\n13 \u00bb 15.\tBlut transfundirt\t5675 \u00bb\t18,53 \u00bb\t10,60 \u00bb\n16.\tam Beginn dieses Tages.\t5500 \u00bb\t\t\nHeben wir aus dieser kleinen Tabelle zuerst die den Stickstoff betreffenden Zahlen der ersten und dritten Periode (1. bis 3. und 7. bis 9. Tag) hervor, in welcher das Blut verfuttert wurde, so sehen wir Verh\u00e4ltnisse, wie sie nach der Regel von Bischoff und Voit zu erwarten waren. In der ersten Periode \u00fcbertrifft der ausgegebene den eingenommenen N um 1.5 Gr., was in der Ordnung ist, da zu dieser Zeit das K\u00f6rpergewicht um 38 Gr. abgenommen hatte. In der dritten Periode dagegen, wo der Ver-","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nS. Tschiriew.\nlust der K\u00f6rpermasse nur 89 Gr. betrug, sind auch die Einnahmen und Ausgaben des Stickstoffs einander gleich.\nWenn wir nun die zweite und sechste Periode (4. bis 6. und 13. bis 15. Tag) ins Auge fassen, w\u00e4hrend welcher das Blut in die Venen gespritzt wurde, so finden wir, dass die A\u00fcsgaben des Stickstoffes durch den Harn weit hinter den Einnahmen durch das transfundirte Blut Zur\u00fcckbleiben. In der zweiten Periode betr\u00e4gt der N des Harns den 0.38ten und in der f\u00fcnften 0.55ten Theil desjenigen, welcher mit dem Blute in die Venen \u00fcbergef\u00fchrt wurde. Dieses Missverh\u00e4ltnis zwischen den ein-verleibtem und den durch die Niere abgeschiedenen Stickstoffgewichten erscheint noch bedeutender, wenn man erw\u00e4gt, dass das Thier w\u00e4hrend der zweiten Periode 286 Gr. und w\u00e4hrend der f\u00fcnften 175 Gr. an seiner eigenen K\u00f6rpermasse einb\u00fcsste. Trotzdem dass der Hund im Ganzen 461 Gr. aus seinem eigenen Best\u00e4nde zusetzte, gab er nur den 0.46. Theil des aufgenommenen Stickstoffes aus.\nMit dieser Erfahrung ist bewiesen, dass der Umfang der Zersetzung, welche die Eiweissk\u00f6rper im thierischen Organismus erleiden, nicht bloss von der Menge und Art des Zugef\u00fchrten, sondern auch von dem Orte der Zuf\u00fchrung abh\u00e4nge, denn nach dem Ueber-gang der Nahrungsstoffe durch den Mund wurde die Zersetzung weit bedeutender, als nach dem unmittelbaren Eintritt derselben in das Blut. Die Innigkeit der eben ausgesprochenen Beziehung tritt aus einer Vergleichung der ersten drei Versuchsperioden besonders deutlich hervor. Als nach Verfluss der ersten drei Tage an die Stelle der F\u00fctterung die Einspritzung des Blutes trat, sank der Betrag des ausgegebenen Stickstoffes augenblicklich bedeutend unter den des empfangenen und es kehrte erst am 7. Tage mit dem Wiedereintritt der F\u00fctterung, dann aber auch pl\u00f6tzlich das Gleichgewicht zwischen dem ein- und ausgef\u00fchrten Stickstoff zur\u00fcck. Da nirgends ein Anzeichen daf\u00fcr vorliegt, dass sich neben der Einf\u00fchrungsweise der N\u00e4hrstoffe noch irgend eine andere der inneren oder \u00e4usseren Lebensbedingungen in derselben zeitlichen Folge ge\u00e4ndert habe, so muss man den eigen-th\u00fcmlichen Gang der Stickstoffabscheidung auf die Rechnung des Verfahrens setzen, welches zur Einverleibung der Eiweissk\u00f6rper diente.\nDie Ausscheidung des Stickstoffs w\u00e4hrend der Transfusion h\u00e4ngt aber noch von andern Bedingungen ab, als von der Menge","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Der t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\n301\n450]\nder zugef\u00fchrten Eiweissstoffe. Dieses ergiebt sich aus der Vergleichung des 4. bis 6. und des 13. bis 15. Tages unserer Versuchsreihe. In jeder dieser Perioden fand die Einspritzung eines gleichen Blutvolums mit nahezu \u00fcbereinstimmendem Stickstoffgehalt statt, und dennoch wurden das erste Mal mit dem Harne nun 6.85 Gr., das zweite Mal dagegen 10.60 Gr. ausgeschieden. Das zur Transfusion verwendete Blut war in den beiden Perioden verschiedenen Thieren entnommen, es konnte also, trotzdem dass es von gesunden Hunden stammte, abweichend constituirt sein, ausserdem gingen der ersten Transfusion drei F\u00fctterungs-, der zweiten aber drei Hungertage voraus. Zu diesen Ungleichheiten der \u00e4usseren Bedingungen des Versuchs kommt i eine weitere, und vielleicht einflussreichere. Da das eingespritzte Blut nicht indemMaasse, wie man es zuf\u00fchrt, zerst\u00f6rt wird, so muss irgendwo im Organismus ein Rest desselben verbleiben. Dieser l\u00e4sst sich, wie die Section des Hundes zeigen wird, zum Theil wenigstens im Blutgef\u00e4sswerk selbst nachweisen. Nach der zweiten Transfusion besitzt also das Thier jedenfalls eine gr\u00f6ssere Blutf\u00fclle als w\u00e4hrend der ersten. Somit trifft die zweite Transfusion das Thier in einem andern Zustande als die erste; dieser1 pr\u00e4gt sich auch darin aus, dass der Hund nach der zweiten Einspritzungsperiode einen fr\u00fcher nicht ge\u00e4usserten Durst kundgab.\nObwohl nun w\u00e4hrend der Perioden der Transfusion sich der Umsatz des Eiweisses geringer, als in denen der F\u00fctterung stellte, so sank er doch nicht so tief herab, wie in den Zeiten, in welchen dem Thiere gar keine Zufuhr von N\u00e4hrstoffen gew\u00e4hrt wurde. Dieses ergiebt sich, wenn man den 10. bis 12. Tag der Versuchsreihe mit dem 13. bis 15. oder den 4. bis 6. Tag derselben vergleicht. Wollte man der gegebenen Darlegung gem\u00e4ss den Zustand des Thieres nur zwischen dem 4. bis 6. Tag f\u00fcr normal erkl\u00e4ren, so w\u00fcrde immer noch w\u00e4hrend dieser Zeit 2.2 Gr. N mehr als w\u00e4hrend der vollkommenen Entziehung aller N\u00e4hrstoffe abgeschieden sein. Hieraus folgt also, dass die Transfusion die Umsetzungen anregt, wenn auch in geringerem Grade als die F\u00fctterung.\nDie weitere Fortsetzung der Beobachtung nach dem bisher befolgten Plane scheiterte, wie schon oben erw\u00e4hnt, an dem Widerstande des Thieres das Vorgesetzte Futter ohne einen Zusatz von Wasser zu verzehren. Darf man den Durst als ein Kennzeichen daf\u00fcr ansehen, dass der procentische Wasser-","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nS. Tschiriew,\n[451\ngehalt der K\u00f6rpermasse unter den Normalwerth herabgegangen sei, so wird man es auffallend finden m\u00fcssen, warum dieses unter dem Einfl\u00fcsse der beigebrachten Mischung von Nahrungsstoffen geschehen ist. Denn es ist bekannt, dass die Hunde, ohne das Bed\u00fcrfniss nach Wasser zu \u00e4ussern, von Fleisch, also von einem Stoffgemenge leben k\u00f6nnen, dessen Wassergehalt noch geringer als der des Blutes zu sein pflegt. Wie dem auch sei, keinenfalls k\u00f6nnen die Ergebnisse des zweiten Abschnittes unserer Beobachtungsreihe mit denen der ersten verglichen werden, da der Genuss des Wassers, wie die folgenden Zahlen zeigen, einen bedeutenden Einfluss auf die Ausscheidung des Stickstoffes \u00fcbte.\nVersuchstage mit Wasseraufnahme.\nBeobachtungstage in fortlan-\tK\u00f6pergewicht am Beginn\t\tN in der Nah-\tNim Harn.\t\tMenge des genossenen Was-\t\tBemer- kungen.\nfender Z\u00e4hlung.\tdes Tages.\t\trung.\t\t\tsers.\t\t\n< \u00f6\t5616 Gr.\t\t\t\t\t\t\t\n16\t5500\t\u00bb\t0,00\t1,35 Gr.\t\t0\t\t\n17\t5466\t\u00bb\t0,00\t4,84\t\u00bb\t100 Ccm.\t\t\n18\t5030\t\u00bb\t0,05\t4,33\t\u00bb\t200\t\u00bb\t\n19\t4940\t\u00bb\tX, 4,78\t12,75\t\u00bb\t200\t\u00bb\t\n20\t5206\t\u00bb\t\t\t\t\t\t\n21\t4960\t\u00bb\t5,25\t7,48\t))\t200\t\u00bb\t25 Gr. Fett.\n22\t4995\t\u00bb\t4,97\t4,57\t))\t120\t\u00bb\t25 Gr. Fett.\n23\t4963\t\u00bb\t0,00\t0,98\t\u00bb\t0\t\u00bb\t\n24\t4845\t\u00bb\t0,00\t3,25\t\u00bb\t100\t\u00bb\t\n25\t4703\t\u00bb\t0,00\t2,44\t\u00bb\t26\t))\t\n26\t45S3\t\u00bb\t0,00\t0,51\t\u00bb\t50\t\u00bb\t\nDa die Zeiten f\u00fcr jede der besonderen F\u00fctterungsarten nicht immer gleich lang sind, so wird es der Uebersicht dienlich sein, diejenigen Beobachtungsabschnitte, in welchen sich die gleichartige Behandlungsweise des Thieres \u00fcber mehrere Tage erstreckte, auf nur einen zu reduciren. Die eben vorgelegte Tabelle nimmt dann folgende Gestalt an :","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"452]\tDer t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\t303\nBeobachtungstage in fortlaufender Z\u00e4hlung.\tK\u00f6rpergewicht.\tN der Nahrung.\tN des Harnes.\tGenossenes Wasser.\n15\t5616 Gr.\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n16\t5500 \u00bb\t0,00\t1,35 Gr.\t0 Ccm.\n17\t5460 \u00bb\t0,00\t4,84 \u00bb\t100 \u00bb\n18\t5030 \u00bb\t0,05\t4,33 \u00bb\t200 \u00bb\n19 u. 20\t5206 \u00bb\t2,89\t6,37 \u00bb\t100 \u00bb\n21\t4960 \u00bb\t5,25\t7,48 \u00bb\t200 \u00bb\n\u2022 22\t4995 \u00bb\t4,97\t4,57 \u00bb\t4 20\t\u00bb\n23\t4963 \u00bb\t0,00\t0,98 \u00bb\t0 \u00bb\n24\t4S45 \u00bb\t0,00\t3,25 \u00bb\t100 \u00bb\n25\t4703 \u00bb\t0,00\t2,44 \u00bb\t26 \u00bb\n26\t4583 \u00bb \u25a0 \u25a0. .\t0,00\t0,44 \u00bb\t50 \u00bb\nIn diesen Zahlen spricht es sich zun\u00e4chst deutlich aus, dass die Ausscheidung des Stickstoffes durch das aufgenommene Wasser vermehrt wurde. Dieses erkennt man ebensowohl durch die Vergleichung der Hungertage, wie z. B. des 16. mit dem 17. und des 23. mit dem 24., als auch durch die Zusammenstellung der F\u00e4lle, in welchen Nahrung gereicht wurde. Denn es ist vom 18. bis zum 21. Tage, in welchen das K\u00f6rpergewicht nahezu unver\u00e4ndert geblieben war, das mit dem Harne entleerte Stickstoffgewicht bedeutend gr\u00f6sser, als das mit der Nahrung aufgenommene, ein Verhalten, das in den Versuchstagen ohne Wasseraufnahme in dem Grade wenigstens nicht vorkam. Unter Ber\u00fccksichtigung des Umstandes, dass in dem 16. und im 17. Tage\n\u2014\tEntziehung fester Stoffe, Darreichung von Wasser \u2014 binnen 24 Stunden dreimal so viel N als am 10. 11. 12. und 16. Tage\n\u2014\tEntziehung fester und fl\u00fcssiger Stoffe \u2014 abgeschieden wurde, wird man sich schwerlich entschliessen k\u00f6nnen, dem massigen Gen\u00fcsse von 100 bis 200 Ccm. t\u00e4glichen Wassers hier einen \u00e4hnlichen Einfluss zuzuschreiben, wie er beim Menschen und beim Hunde nach einem vermehrten Wasserzusatz zu der gew\u00f6hnlichen Nahrung beobachtet wurde. Die unter den genannten Umst\u00e4nden von Bischo/f, Genth und vielen andern beobachteten proportionalen Zuw\u00fcchse des t\u00e4glichen Harnstoffs erreichen weitaus nicht das hier beobachtete Maass. F\u00fcr die Annahme, dass das Wasser nur durch den Hinzutritt eigenth\u00fcmlicher Bedingungen in unserm Falle so wirksam gewesen, spricht auch die Vergleichung des 22. mit den drei vorhergehenden Tagen.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nS. Tschiriew.\n[453\nIn jedem derselben wurde feste Nahrung und Wasser gegeben, aber nur am 19., 20. und 21. Tage \u00fcberwog das\u2019Agewicht des Harns das des Futters ; am 22. Tage dagegen waren beide nahezu \u00fcbereinstimmend, gerade wie am 1. bis 3. und am 7. bis 9. Tage. Die Wirkung des Wassers hatte sich ersch\u00f6pft. Bei dieser Sachlage drangt sich die Vermuthung auf, dass man es mit einer Nachwirkung der vorausgegangenen Transfusion [zu thun habe, welche sich uns schon fr\u00fcher als ein Ausweg f\u00fcr die relativ vermehrte Ausscheidung des Stickstoffs am 13. bis 15. Tage entgegenstellte. Die M\u00f6glichkeit dieser Erkl\u00e4rung l\u00e4sst sich, angesichts der bei und nach der T\u00f6dtung des Thieres gefundenen Ergebnisse nicht bestreiten.\nDie Section, zu deren Schilderung ich jetzt \u00fcbergehe, ergab zun\u00e4chst die Abwesenheit aller anatomischen St\u00f6rungen; die kleinen Wunden waren vollkommen verheilt, nirgends fand sich ein Extravasat, das Fettgewebe war selbstverst\u00e4ndlich bis auf einen geringen Rest geschwunden. Der Tod des Thieres war durch einen Aderlass aus den beiden Carotiden herbeigef\u00fchrt, und das dabei abfliessende Blut sorgf\u00e4ltig gesammelt worden. Nachdem 300 Ccm. freiwillig abgeflossen, und trotz aller angewendeten Mittel nichts mehr str\u00f6mte, f\u00fchrte ich durch die ge\u00f6ffnete v. jugularis dextra eine R\u00f6hre in das rechte Herz, liess durch eine k\u00fcnstliche Oeffnung Luft in den Pleurasack und begann das Kneten des K\u00f6rpers von Neuem. Auf diese Weise wurden noch 64 Ccm. Blut gewonnen.\nDas specifische Gewicht des freiwillig ausgeflossenen Blutes betrug 1.119, das durch die v. jugularis entleerte 1.075 Gr. Hieraus berechnet sich das Gewicht des gewonnenen Blutes zu 400 Gramm, oder zu 8.7 Procent des K\u00f6rpergewichtes (4575 Gr.), welches der Hund unmittelbar vor der Verblutung besessen hatte.\nIn 100 Ccm. des den Carotiden entstr\u00f6mten Blutes waren 27.11 Procent trockenen R\u00fcckstandes enthalten. Diese mussten \u00fcberwiegend aus Eiweissstoffen bestehen, denn es enthielten nach der Verbrennung einer andern Probe desselben Blutes 100 Ccm. = 4.21 Gr. N. Demnach enthielt der feste R\u00fcckstand 15.52 Procent Stickstoff, w\u00e4hrend wie bekannt das Eiweiss des Serums 15.70 Procent N besitzt.\n\u2022 Das Thier enthielt also jedenfalls mehr Blut, als man es sonst bei Hunden zu finden pflegt, da diese bei der Verblutung unter Anwendung aller Kunstgriffe nicht mehr als 5 Procent ihres","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"454]\nDer t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\n305\nK\u00f6rpergewichtes an Blut zu liefern verm\u00f6gen. Das von unserem Thiere gewonnene war auch weit reicher an eiweissartigen Stoffen als gew\u00f6hnliches Hundeblut, denn dieses enth\u00e4lt h\u00f6chstens 21 Procent festen R\u00fcckstandes und auf .100 Ccm. nur 3.2 Gr. Stickstoff.\nEine der vorliegenden \u00e4hnliche Beobachtung hat schon fr\u00fcher Panum mitgetheilt in seiner an neuen Gesichtspunkten und Thatsachen reichen Abhandlung.]) Als derselbe hungernden Hunden Blut einspritzte und sie 48 bez. 142 Stunden nachher t\u00f6dlete, dabei ihre Blutmenge und in dieser den festen R\u00fcckstand bestimmte, fand er diesen letzteren zu 24.17 bez. 25.64 Procent. Von diesem concenlrirten Blute enthielt das erste der beiden Thiere 7.9 Procent seines K\u00f6rpergewichtes, das zweite dagegen 9.0 Procent desselben.\nNach diesen Thatsachen wird man nicht daran zweifeln k\u00f6nnen, dass die Hunde innerhalb ihres Gef\u00e4ssraumes einen merklichen Theil des eingespritzten Blutes zur\u00fcckzuhalten verm\u00f6gen, selbst wenn, wie in meinem Falle, zwischen der letzten Transfusion 11 Tage und unter diesen 7 Hungertage verflossen sind. Der Ueberschuss von Blut, welchen diese Thiere bergen, wird aber, wie namentlich aus den Beobachtungen von Panum hervorgeht, wesentlich auf Rechnung der K\u00f6rperchen zu setzen sein, da die procentischen R\u00fcckst\u00e4nde des Serums vor und nach der Transfusion sehr ann\u00e4hernd die gleichen waren.\nWenn nun aber in meinem Falle der Hund einen namhaften Theil des Blutes, welches ihm in die Gef\u00e4sse gebracht worden war, vor der Zersetzung gesch\u00fctzt hatte, so hatte er doch auch einen anderen nicht minder grossen eingeb\u00fcsst. Ihm waren 1200 Ccm. Blut mit einem mittleren Procentgehalt von 3.08 N eingespritzt worden; empfangen hatte er also auf diesem Wege 36.96 Gr. Stickstoff. Durch Verblutung waren aus ihm 400 Gr. Blut mit 16.14 Gr. Stickstoff zu gewinnen. Mit anderen Worten, das aus seinen Adern abgeflossene Blut enthielt noch nicht einmal die H\u00e4lfte des Stickstoffes, der ihnen durch Transfusion beigebracht war. Allerdings ist dui]ch den Aderlass nicht alles Blut des Thieres gewonnen. Der R\u00fcckstand, der im Gef\u00e4ssraume verblieben war, schien dem \u00e4usseren Ansehen nach sogar gr\u00f6sser zu sein, als man ihn sonst nach Verblutungen anzutreffen pflegt. Alle\n1) Virchow\u2019s Archiv Bd. 29. pag. 258 ff.","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nS. Tschiriew,\n[455\nK\u00f6rpertheile waren weitaus nicht so blass und jedes St\u00fcckchen der Leiche, das mikroskopisch untersucht wurde, enthielt in seinen Gef\u00e4ssen noch K\u00f6rperchen; trotzdem wird man diesen Rest nach mannigfachen andern Bestimmungen schwerlich zu mehr als zwei Procent des K\u00f6rpergewichts sch\u00e4tzen d\u00fcrfen. Jedenfalls macht das zur\u00fcckgebliebene weniger aus, als das Blut betragen hat, welches der Hund urspr\u00fcnglich vor der ersten Transfusion besessen hat, welches wir ja hier ganz ausser Betracht gelassen. Sonach kann es als gewiss angesehen werden, dass unser Hund einen noch gr\u00f6sseren Betrag an Stickstoff, als den oben genannten (23 Gramm) w\u00e4hrend der Versuchsdauer aus seinem Blute verloren hat. Auf welche Weise dieses geschehen, muss einstweilen dahin gestellt bleiben.\nH. Ein zweiter Versuch der nach demselben Plane durchgef\u00fchrt werden sollte, verlief nicht so gl\u00fccklich, wie der erste, da das Thier w\u00e4hrend desselben von einer sehr heftigen Entz\u00fcndung des rechten Hinterbeines befallen wurde. Obschon desswegen die Fortsetzung der Beobachtung unterbleiben musste, so war sie doch in ihrem Beginne insofern werthvoll, als sie best\u00e4tigte, dass w\u00e4hrend der F\u00fctterung mit Blut in dem Harne weit mehr Stickstoff erscheint, als dieses nach der Einspritzung desselben der Fall ist. Hievon geben die folgenden Zahlen Nachricht :\nBeobachtungs- tag.\tZufuhr des Blutes.\tiVraenge desselben in Gr.\tiVmenge des Harns.\tK\u00f6rpergewicht.\n1\tOhne Zufuhr\t0,00 Gr.\t0,62 Gr.\t?\n2\tgef\u00fcttert\t5,36 \u00bb\t4,49 \u00bb\t4110 Gr.\n3\t\u00bb\t5,36 \u00bb\t5,46 \u00bb\t414 0 \u00bb\n4\t))\t4,56 \u00bb\t5,47 \u00bb\t4110 \u00bb\n5\teingespr.\t4,35 \u00bb\t2,52 \u00bb\t4030 \u00bb\n6\t\u00bb\t2,49 \u00bb\t1,87 \u00bb\t3868 \u00bb\n7\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t3825 \u00bb\nZu dieser Beobachtung geh\u00f6rt die Bemerkung, dass dem Blutfutter t\u00e4glich 10 Gr. Fett und ein wenig gebratener Zwiebel zugesetzt wurden. Der Stickstoffgehalt der geringen Kothmengen, welche in den vier letzten Beobachtungstagen ausgestossen wurden , ist von demjenigen der Zufuhr abgezogen. Die Stickstoffbestimmungen sind mit Natronkalk ausgef\u00fchrt, weil die an","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"456]\tDer t\u00e4gliche Umsatz der Eiweissstoffe.\t307\nzweiter Stelle mitgetheilte Versuchsreihe der Zeit nach der ersteren vorausging.\nWenn wir am Schl\u00fcsse dieser Mittheilung eine Antwort auf die Anfangs aufgeworfene Frage geben sollen, so wird sie dahin lauten m\u00fcssen, dass die t\u00e4glich bewirkte Zersetzung einer Eiweissmasse , welche der genossenen an Gr\u00f6sse nahezu gleichkommt, irgend welcher Vorg\u00e4nge bed\u00fcrfe, die in der n\u00e4chsten Beziehung zu der Verdauungsarbeit stehn. Sucht man nun die Einwirkung der Verdauung genauer zu bestimmen, so gew\u00e4hren uns die vorliegenden Beobachtungen noch die Ueberzeugung, dass dieselbe keinenfalls darauf beruhen k\u00f6nne, aus der genossenen Nahrung einen dem Blute m\u00f6glichst \u00e4hnlichen Stoff herzustellen, der nach seinem Uebergang in das Gef\u00e4sssystem der weiteren Zersetzung anheimfalle. L\u00e4ge hierin die n\u00e4chste Aufgabe der Verdauung, so w\u00fcrde die Umsetzung der Eiweissstoffe auch fortschreiten m\u00fcssen, wenn man dem Thiere, unter Abnahme der ersten Vorarbeit zur Erm\u00f6glichung weiterer Zerlegung, geradezu Blut in die Adern eingespritzt h\u00e4tte. Der geringe Erfolg dieses Unternehmens zwingt uns nach andern Wirkungsarten der Verdauungswerkzeuge zu suchen. Nun liegt es auf den ersten Blick am n\u00e4chsten, diese in einer chemischen Aenderung, in der Pepto-nisirung zu finden, welche die genossenen Eiweissstoffe durch die Verdauungss\u00e4fte erfahren haben. Mit dieser Unterstellung w\u00fcrde sich aber die zeitliche Uebereinstimmung zwischen der Aufnahme und ihrer Zerst\u00f6rung nur dann ohne weiteren Zusatz vereinigen lassen, wenn an den Tagen, in welchen \u2014 soweit wir wissen \u2014 die Verdauungsarbeit vollkommen still steht, keine harnf\u00e4higen Stoffe gebildet w\u00fcrden. Da dieses nicht der Fall, so l\u00e4sst sich aus den gegenw\u00e4rtig zu Gebote stehenden Thatsachen kein weiterer Schluss ableiten.\n20*","page":307}],"identifier":"lit1415","issued":"1874","language":"de","pages":"292-307","startpages":"292","title":"Der t\u00e4gliche Umsatz der verf\u00fctterten und der transfundirten Eiwei\u00dfstoffe","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:08:06.800867+00:00"}