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{"created":"2022-01-31T16:14:23.758048+00:00","id":"lit14162","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Helmholtz, Hermann von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 5-17","fulltext":[{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede durch das Eigenlicht der Netzhaut.\nVon\nH. von Helmholtz.\nEs ist seit lange bekannt, dafs Fechner\u2019s Gesetz, -wonach die kleinsten unterscheidbaren Helligkeitsunterschiede der ganzen Helligkeit proportional sein sollen, allerdings in einer sehr weiten Ausdehnung f\u00fcr die mittleren Abstufungen der Helligkeit gilt, aber die Empfindlichkeit des Auges sowohl f\u00fcr h\u00f6chste Lichtintensit\u00e4ten, wie auch f\u00fcr niedrigste sich geringer erweist, als sie nach dem genannten Gesetze sein sollte. Wenn sehr starkes Licht in das Auge f\u00e4llt, wissen wir, dafs dabei objectiv erkennbare und langsam schwindende Ver\u00e4nderungen in der Netzhaut entstehen, die f\u00fcr einige Zeit die Empfindungsst\u00e4rke der getroffenen Netzhautstelle herabsetzen, und d\u00fcrfen wohl darin den Grund f\u00fcr die gleichzeitige Herabsetzung der Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Helligkeiten suchen. F\u00fcr die niedrigsten Helligkeiten hat schon Fec einer selbst die Vermuthung ausgesprochen, dafs die St\u00f6rung des Gesetzes durch die subjective Lichtempfindung der Netzhaut, das sogenannte Ei gen licht derselben bedingt sei, und Volkmann hat darauf eine Methode gegr\u00fcndet, durch die er die St\u00e4rke des Eigenlichts messen wollte. Er hat dabei aber einen auffallend niedrigen Werth gefunden, n\u00e4mlich den der Helligkeit einer Fl\u00e4che von schwarzem Sammt, die aus 9 Fufs Entfernung durch eine Stearinkerze beleuchtet ist. Dafs dieser Werth viel zu gering sei, ergab sich schon aus der Thatsache, dafs auch im dunkelsten Felde ein langsam eintretender, im Sehnerven abw\u00e4rts fliefsender elektrischer Strom immer noch eine recht merkliche, gleich-","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nH. von Helmholtz.\nm\u00e4fsige Verdunkelung hervorbringt, so wie auch daraus, dafs die Flecken des Eigenlicbts auf schwach beleuchteten Objecten, die man noch deutlich erkennen kann, und die viel heller sind als jene schwarze Sammtfl\u00e4che, ganz deutlich hervortreten.\nNeuerdings haben nun die sehr sorgf\u00e4ltig und zweckm\u00e4fsig durchgef\u00fchrten Versuche der Hrn. A. K\u00f6ni\u00f6 und E. Brodhun 1 \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr die Helligkeit von Spectralfarben sowie von dem unzerlegten Licht eines weifs gl\u00fchenden Zirkonpl\u00e4ttchens gezeigt, dafs auch der Gang der Curve der Empfindlichkeit deutlich und sicher abweicht von dem, der aus Fechner\u2019s und Volkmann\u2019s Hypothese sich ergiebt, wenn man unter der Voraussetzung einer gleichm\u00e4fsigen St\u00e4rke des Eigenlichts rechnet. Nun ist aber in Wahrheit das Eigenlicht nicht gleichm\u00e4fsig \u00fcber den Grund der Netzhaut verbreitet, sondern wir sehen es stets unregelm\u00e4fsig fleckig ; die Flecken sind theils grofs, theils ganz feink\u00f6rnig und einem fortdauernden Wechsel ihrer Gestalt unterworfen. Ja, was man von dieser inneren Erregung der Netzhaut unter gew\u00f6hnlichen \u2022 Umst\u00e4nden bei schwacher \u00e4ufserer Beleuchtung \u00fcberhaupt wahrnimmt, sind wohl nur die localen Unterschiede der Helligkeit in den Flecken, w\u00e4hrend man nur ausnahmsweise Gelegenheit hat, die mittlere Helligkeit des Grundes durch Vergleichung mit noch dunkleren Feldern abzusch\u00e4tzen. Die einzigen Mittel solcher Art sind negative Nachbilder, deren Deutung aber bestritten wird, und die schon erw\u00e4hnte Anwendung des absteigenden elektrischen Stroms.\nDafs die Fleckigkeit des Eigenlichts wirklich das Haupt-hindernifs f\u00fcr die Wahrnehmung sehr schwach beleuchteter, namentlich kleinerer Objecte bildet, indem dieselben zwischen den Flecken des Eigenlichts verschwinden und mit solchen verwechselt werden, ist bei vielen Gelegenheiten zu erkennen, und ich m\u00f6chte hier einige Erscheinungen beschreiben, die mich lange Zeit geneckt haben, bis ich ihre richtige Erkl\u00e4rung fand.\nMein Schlafzimmer ist durch dichte Vorh\u00e4nge ziemlich stark verdunkelt, doch nicht so sehr, dafs ich nicht um die Zeit des Sonnenaufgangs anfangen sollte, die Umrisse der Fenster\n1 A. K\u00f6nig u. E. Brodh\u00fcn : Sitzber. d. Alcad. zu Berlin vom 26. Juli 1888 und 27. Juni 1889.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Sie St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede.\n7\nhinter den Vorh\u00e4ngen und die gr\u00f6fseren Gegenst\u00e4nde im Zimmer zu unterscheiden. In der Nacht dagegen, selbst wenn draufsen der Sternhimmel hell ist, oder der Mond an der abgewendeten Seite des Hauses am Himmel steht, sehe ich durchaus nichts von den Umrissen der Fenster, die hierbei doch diejenige Fl\u00e4che bilden, von welcher alles Licht herkommen m\u00fcfste, wenn wahrnehmbares Licht im Zimmer w\u00e4re. Nat\u00fcrlich sehe ich auch nichts von den Gegenst\u00e4nden im Zimmer, sondern nur die Flecken meines Eigenlichts. Nun habe ich aber seit einiger Zeit bemerkt, dafs ich, wenn ich die Arme bewegte, die Bewegung der sie bedeckenden weifsen Hemd\u00e4rmel sehen konnte. Da nach photometrischen Gesetzen jede beleuchtete Fl\u00e4che weniger hell sein mufs, als der hellste Theil der beleuchtenden Fl\u00e4che, so schien es mir unm\u00f6glich, dafs ich die von den Fenstervorh\u00e4ngen, welche selbst unsichtbar blieben, her beleuchteten Hemd\u00e4rmel mittels von aufsen kommenden Lichts sollte sehen k\u00f6nnen, und ich suchte nach anderen Erkl\u00e4rungen.\nIch dachte zuerst an Licht von Reibungselektricit\u00e4t. Aber alle Versuche durch absichtliche Reibung der Leinwand mit der Hand oder allerlei andern K\u00f6rpern, die ich in der N\u00e4he hatte, elektrisches Leuchten zu erzeugen, schlugen fehl.\nDaneben war an Phosphorescenz zu denken, da die Leinwand m\u00f6glicherweise Spuren von phosphorescirenden Kalksalzen enthalten konnte und \u00fcberhaupt schwache Spuren von Fluorescenz, die doch nur eine schnell vor\u00fcbergehende Phosphorescenz ist, fast an allen organischen Stoffen Vorkommen, wie ich aus fr\u00fcheren Versuchen \u00fcber die Sichtbarkeit des Ultraviolett wufste. Das Aussehen der Erscheinung erinnerte in der That sehr an Phosphorescenz.\nAndrerseits waren auch die \u00e4lteren Berichte von mehreren zuverl\u00e4ssigen Beobachtern zu bedenken, welche lebhaft vorgestellte Objekte im Gesichtsfelde gesehen zu haben versichern. Unm\u00f6glich w\u00e4re es ja nicht, dafs der Vorstellungsprocefs die inneren Enden unserer Sinnesnerven in Erregung setzte. Eine sehr unzweckm\u00e4fsige und bedenkliche Eigenth\u00fcmlickeit unserer Hirnth\u00e4tigkeit w\u00e4re dies allerdings, wie die vielen pathologischen F\u00e4lle zeigen, wo dergleichen vorzukommen scheint.\nIch suchte zwischen beiden Annahmen zu entscheiden indem ich die Augen schlofs, und wieder meine Arme bewegte. Wenn die Vorstellung der Bewegung das dazu geh\u00f6rige Ge-","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nH. von Helmholtz.\nsichtsbild hervorrufen konnte, mufste dies auch bei geschlossenen Augen geschehen k\u00f6nnen. Und ich glaubte in der That zuweilen die bewegten Arme auch durch die geschlossenen Lider hindurchzusehen, aber sie erschienen viel undeutlicher, und der Versuch mifslang sehr oft, w\u00e4hrend ich sie bei ge\u00f6ffneten Lidern unzweifelhaft bemerkte.\nWie ich hier betreffs dieser Frage \u00fcber Wirkung der Vorstellung gleich bemerken will, fand ich schliefslich, dafs unter absichtlich fester Fixirung der Gesichtslinie die Erscheinung bei geschlossenen Augen nie eintrat, und mir ist es also h\u00f6chst wahrscheinlich geblieben, dafs, wenn zuf\u00e4llig um die Zeit ein heller Fleck des Eigenlichts in der Mitte der Netzhaut lag, ich bei dem Versuch die Arme zu sehen, mit dem Auge dem vorgestellten Orte derselben folgte, und indem mein heller Fleck mit den Augen wanderte, er mir den Eindruck der bewegten hellen Objecte machte, von denen ich wufste, dafs sie da waren und dafs sie in \u00fcbereinstimmender Weise sich bewegten.\nIch mufs allerdings gestehen, dafs, wenn man gleichzeitig darauf zu achten hat, dafs die Lider geschlossen und die Fixationsrichtung festgehalten wird, die Vorstellung des bewegten Arms nicht so ungest\u00f6rt und lebhaft ausf\u00e4llt, als wenn man sich ihr ganz hingiebt. Das kann einen Zweifel auf die von mir vorgetragene Erkl\u00e4rung der Erscheinungen bei geschlossenen Augen werfen.\nEndlich aber fand ich, dafs ich mit meinen Erkl\u00e4rungsversuchen grofse Umwege gemacht hatte. Denn als ich nun die Hand in Richtung der Fenster ausstreckte und dort hin und her bewegte, erkannte ich die Hand und selbst die Finger als dunkle Schatten viel deutlicher, als nach der dunklen Seite des Zimmers gewendet den Arm. Ich \u00fcberzeugte mich also, dafs eine grofse schwaches Licht aussendende ruhende Fl\u00e4che vollkommen unter dem Eigenlicht der Netzhaut verschwinden kann, w\u00e4hrend sie doch genug Licht aussendet, um von ihr beleuchtete bewegte Objecte erkennbar zumachen. Dafs man die verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig schnell eintretenden Wechsel der Beleuchtung, welche K\u00f6rper von bekannter Form und bekannter Art der Bewegung in dem formlosen Lichtchaos des dunklen Feldes hervorbringen, leichter als Bild eines Objects interpretirt als ruhende helle Fl\u00e4chen, erkl\u00e4rt sich ohne Schwierigkeit. In der That haben wir es hierbeim.it verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig schnell eintreten-","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsmiterschiede.\n9\nden, durch einen bewufsten Willensact veranlafsten Erscheinungen zu thun, die dadurch deutlich von dem verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig langsam und ohne bewufst gewordene Veranlassung ein tretenden Wogen und Wallen des inneren Lichtes unterschieden sind.\nUm zu zeigen, dafs in der That die Fleckigkeit des Eigenlichts einen \u00e4hnlichen Gang der Unterschiedsempfindlichkeit hervorzubringen geeignet ist, wie er in den Beobachtungen der Hrn. K\u00f6nig und Brodh\u00fcn sich zeigt, habe ich die folgende Rechnung angestellt, welche bei dem Mangel ausreichender empirischer Daten nur eben den Gang der Function erl\u00e4utern soll.\nVersuch einer Theorie des Einflusses der fleckigen Vertheilung des Eigenlichts der Netzhaut auf die\nGr\u00f6fse der Unterschiedsschwellen.\nEs sei a die objective Lichtst\u00e4rke, welche n\u00f6thig w\u00e4re, um dieselbe St\u00e4rke der Erregung in einer Stelle der Netzhaut hervorzubringen, wie sie im Eigenlicht derselben sich zu erkennen giebt. Da das letztere fleckig erscheint, wird a auf verschiedenen Stellen der Netzhaut verschiedene Werthe haben m\u00fcssen. Der Fl\u00e4chenraum derjenigen Stellen dieser Membran, deren Eigenlicht dem Intervall a bis (\u00ab -j- da) entspricht, sei <p. da, worin <p im allgemeinen eine Function von a sein wird.\nWir wollen zun\u00e4chst Bezeichnungen einf\u00fchren f\u00fcr zwei Integrale. Es sei a der h\u00f6chste vorkommende Werth von a. Wir setzen\nA ist offenbar der Werth des Fl\u00e4chenst\u00fccks der Netzhaut, auf welches sich unsere Rechnung bezieht. Wir setzen ferner\nDie Gr\u00f6fse J bezeichnet hiernach den mittleren Werth, den die Intensit\u00e4t a f\u00fcr die ganze Ausdehnung der Fl\u00e4che A hat.\nDie Empfindungsst\u00e4rke dE f\u00fcr den Helligkeitsunterschied dr bei der objectiven Lichtst\u00e4rke r betrachten wir als Summe","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nH. von Helmholtz.\naller Einzelwirkungen, die den einzelnen Helligkeitsstufen da entsprechen, und setzen nach Fechner\u2019s Gesetz\ndE = dr .\nUm diese Integration auszuf\u00fchren, f\u00fchren wir statt \u00ab eine neue Variable e ein, indem wir setzen\na \u2014 J -(- e\nHier bezeichnet e offenbar die Abweichung der einzelnen Flecke vom Mittelwerth J.\nDa a von o bis a steigen kann, kann e von (\u2014J) bis (J-T-a) steigen. Indem wir diesen Werth von a in die Function <p einsetzen, stellen wir diese als Function von e dar.\nWir schreiben dem entsprechend die Gleichung 2)\ndE=dr\nS\na \u2014 J J\ncp . de\nJ + \u00ab\nDa die Grenzen der Integration immer dieselben bleiben, wollen wir sie nicht mehr bezeichnen.\nNun ist identisch\n1\t_\t___________g ,______________i!_________\nJ+r-\\-s\tJ-\\-r\t(J -f - r)2\t(J-\\-ry.\nwas leicht zu verificiren ist. Wenn wir dies einsetzen in die Gleichung 2a, erhalten wir:\ndE=\ndr\nJ -f- r,\nJV\nde\ndr\n(J+ry\n\nde\ndr\n(J -f r)\nP<jP .s2 .d\n1J\n2 b\nDas erste Integral ist dasselbe wie das der Gleichung 1 und hat also den Werth A. Das zweite dagegen\nverschwindet.\nDer ganze Werth von dE reducirt sich demnach auf folgenden Ausdruck:\ndE\u2014A\ndr\nJ -f r\n+\ndr\n(J+ry\nip . es . de J+r -f e\nA.dr J -f- r\ndr P <p (a \u2014\u25a0 J)2 . da\na \u2014r","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung Kleinster Helliglceitsunterschiede. 11\nDa in dem letzteren Integrale alle Factor en in Nenner und Z\u00e4hler noth wendig positiv sind, so ist der Werth des Integrals jedenfalls positiv. Dieser zweite Summand im Werthe von dE verschwindet bei grofsen Werth en von r gegen den ersten, welcher dem FECHNER\u2019schen Gesetze bei gleichm\u00e4fsiger Intensit\u00e4t J des Eigenlichts entspricht. F\u00fcr kleine objective Lichtst\u00e4rken r dagegen vergr\u00f6fsert das zweite Glied den Werth von dE in merklicher Weise, d. h. die Wahrnehmung des Unterschieds dr wird deutlicher, als sie nach dem FECHNER\u2019schen Gesetz f\u00fcr die Intensit\u00e4t des Eigenlichts J sein sollte, und der Schwellenwerth dr kann also kleiner gemacht werden, ohne ununterscheidbar zu werden.\nDas in (2 c) noch vorkommende Integral hat dieselbe Form wie das in (2 a) enthaltene, mit dem einzigen Unterschiede, dafs die zusammengesetztere Function\ncp . s2 . ds = (p (\u00ab \u2014 J)2. da\nunter dem Integralzeichen an Stelle von <p. ds getreten ist. Man kann das neue Integral gerade wie das fr\u00fchere behandeln, indem man setzt\nf tp . (a \u2014 J)2. da \u2014 A2 \u00a7 cp . (a \u2014 J)2 . a . da = A2 J2,\nworin J2 wiederum dem Mittelwerth der Function a \u00fcber die ganze Fl\u00e4che genommen, aber f\u00fcr eine andre Yertheilung der Werthe, wie sie durch cp (a \u2014 J)2 gegeben ist, bezeichnet. Dabei werden die mittleren Werthe einflufslos, da f\u00fcr sie\na \u2014 J\u20140.\nSo erh\u00e4lt man\ndE \u2014\nA.dr\tA2 dr\tdr\tfV/.(\u00ab\u2014Jfa\u2014J2f- da\nJ -j- r ( J-\\- r)2. (J2 -f- r)\t(J A-r)\u00e4 (J2 -j- r)2J\ta + r\nAuch das neue Integral ist nothwendig positiv. Man kann so weiter gehen, und es l\u00e4fst sich auch zeigen, dafs die entstehende unendliche Reihe convergent sein mufs selbst f\u00fcr kleine Werthe von r. Dafs sie f\u00fcr gr\u00f6fsere Werthe von r schnell convergiren mufs, ist leicht ersichtlich. Da die Reihe der verschiedenen A und J durch lauter positive Integrale gegeben wird, m\u00fcssen sie auch alle positiv sein.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nH. von Helmholtz.\nBei dem bisher gewonnenen Material von Thatsachen wird es gen\u00fcgen, dafs wir uns auf die ersten zwei Glieder dieser Reihe beschr\u00e4nken, um zu zeigen, in welchem Sinne die gemachten Annahmen das einfache FECHNER\u2019sche Gesetz ver\u00e4ndern. Setzen wir also\ndE=dr . j\u2014+\nAa\nK+r ^ (J + r)* (J2 -f r)y\nso ergiebt dies dr\n_(J+r). r r) ^ + r) 1\ndE\tr) (J2 -f- r) -f-A2J\n-J+r [i\n1 \u2014\nA \u2019 L A (./ -f r) (J2 + r) + A2_ J-hr\tA2\nA {J2 r) \u25a0\nJ-\\-r\n2 f\nIm Nenner des zweiten Gliedes, welches an sich schon klein ist, wird sich das Glied mit r im Nenner f\u00fcr nicht zu kleine r ebenfalls vernachl\u00e4ssigen lassen. Dann bleibt nur stehen\ndr\tJ r A2\n~dW y A A(J2+r)\nBetrachten wir hierin r und y als rechtwinkelige Coordinaten, so ist dies die Gleichung einer Hyperbel, deren eine Asymptote der y Axe parallel von dieser um J2 nach der negativen Seite hin abstehend verlaufen w\u00fcrde. In Fig. 1 ist diese theoretische Curve dargestellt. 0 ist der Anfangspunkt der Coordinaten, l\u00e4ngs der horizontalen Axe OR sind die Werthe der r aufgetragen, senkrecht dazu die Werthe der y, welche den Unterschiedsschwellen proportional sind, hier aber vergr\u00f6fserten Maafsstab haben, um die Zeichnung deutlicher zu halten. AB und CC sind die beiden Asymptoten der Hyperbel, deren \u00fcber OR liegendes St\u00fcck den den Beobachtungen entsprechenden Theil der Curve darstellen w\u00fcrde. Indessen stellt die Hyperbel, wie oben bemerkt, nur eine abgek\u00fcrzte Art der theoretischen Formel dar. In der That w\u00fcrde die vollst\u00e4ndigere Formel eine etwas niedere F\u00fchrung der Curve dicht bei 0 bedingen, und in der That lassen auch die Beobachtungen eine Ab-","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede.\t13\nweidiung in diesem Sinne erkennen. Doch ist hier in dem Gebiete der schwachen Lichtst\u00e4rken die Genauigkeit der Beobachtungen wohl kaum zureichend, um noch ein weiteres Glied der Formel zu bestimmen. Die Versuche mit spectralem Licht zeigen aufserdem, dafs hier Abweichungen zwischen den verschiedenen Farben bestehen, und wahrscheinlich wird auch das Gesetz durch Mischung verschiedener Grundfarben noch verwickelter.\nDie Lage der Asymptote AB indessen scheint nach den genannten Beobachtern f\u00fcr alle Farben ziemlich dieselbe zu sein, w\u00e4hrend die Lage der zweiten Asymptote und der Ab-\nFig. i-\nstand des Scheitels der Hyperbel vom Scheitelpunkt der Asymptoten (d. h. Mittelpunkt der Hyperbel) variiren w\u00fcrden, so weit eben die Hyperbeln \u00fcberhaupt einen ann\u00e4hernden Ausdruck f\u00fcr den Gang der Function zu geben verm\u00f6gen.\nIch gebe hier noch in Fig. 2 die nach den Beobachtungen von den genannten Beobachtern construirten Curvenformen f\u00fcr das spectrale Roth (Wellenl\u00e4nge 670 fip,), wobei die Ordi-naten im zehnfachen Mafsstabe der Abscissen aufgetragen sind. Die Curve K gilt f\u00fcr das trichromatische Auge des Herrn A. K\u00f6nig, B f\u00fcr das dichromatische Auge des Hrn. E. Brodhun. Die Punkte und kleinen Kreise entsprechen den wirklich ausgef\u00fchrten Beobachtungen. Die \u00c4hnlichkeit mit hyperbolischen B\u00f6gen ist augenf\u00e4llig, namentlich in der Curve B. Aber man","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nH. von Helmholtz.\nw\u00fcrde geneigt sein die zweite Asymptote der Curve nicht gerade abw\u00e4rts, sondern schr\u00e4g geneigt zu ziehen.\nAbweichend von der Deutung, welche die genannten Beobachter ihren Curven gegeben haben, w\u00fcrde nach den unsrer Formel zu Grunde gelegten Voraussetzungen die mittlere St\u00e4rke des Eigenlichts der Strecke AO (Fig. 1) entsprechen, welche nach der Rechnung gegen 50 der photometrischen Einheiten betragen w\u00fcrde, nach denen die Beobachter gerechnet haben. Dafs die Strecke, welche sie als St\u00e4rke des Eigenlichts deuten,\nFig. 2.\nverh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig zu klein ist, selbst im Vergleich zu den Flecken des Eigenlichts, ist f\u00fcr meine Augen unzweifelhaft. Es w\u00e4re noch erst zu ermitteln, ob etwa das .Lebensalter hierin grofse Verschiedenheiten bedingt. Ich selbst kann keinen greiseren Einflufs des Lichtstaubs auf meine Sehsch\u00e4rfe erkennen, als ich seit jeher gekannt habe.\nAbweichungen f\u00fcr hohe Lichtst\u00e4rken.\nDie Abweichungen von Fechner\u2019s Gesetz, die f\u00fcr hohe Werthe der Lichtst\u00e4rke r entstehen, k\u00f6nnen wir in der Formel ausdr\u00fccken, indem wir dem ersten und gr\u00f6fsten Gliede der","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede. 15\nGleichung (2f) noch einen mit r steigenden Factor im Nenner hinzusetzen, wie ich dies schon in der ersten Ausgabe meiner Physiologischen Optik gethan. Setzen wir also :\nA.dr\tA2 . J2 . dr\n(/+ r) (1 +er) ^ (J+ r)2 (J, +\u25a0 r)..........\nDarin soll \u00ab eine verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig kleine Gr\u00f6fse sein, welche f\u00fcr alle Farben gleichen Werth zu haben scheint, so weit bisher die messenden Beobachtungen reichen. Da die letzteren nur f\u00fcr die schw\u00e4cheren Grade der Blendung ausf\u00fchrbar sind, indem bei h\u00f6heren Graden der Zustand des Auges zu schnell sich \u00e4ndert, so l\u00e4fst sich in der mathematischen Formulirung h\u00f6chstens ein Correctionsglied angeben, was die kleinen Correctionen der Beobachtungen einigermafsen richtig dar stellt.\nIch gebe in der folgenden Tabelle einen Vergleich der Ergebnisse dieser Formel mit den auf spectrales Doth bez\u00fcglichen Beobachtungen von Hrn. A. K\u00f6nig.1 Als Einheit der Lichtst\u00e4rke ist hierbei diejenige gebraucht, in der eine mit Magnesiumoxyd \u00fcber einer Magnesiumflamme \u00fcberzogene Fl\u00e4che erscheint, die in einem Abstande von 1 m von einem Zehntel Quadratcentimeter schmelzenden Platinas bestrahlt wird (W. Siemens\u2019 Platinlampe), wenn der Beobachter dabei, um den Ein-flufs des Wechsels der Pupillenweite zu beseitigen, durch ein Diaphragma von 1 Quadratmillimeter \u00d6ffnung blickt. Bei der Rechnung ist M=60,8825 der Einheiten der Lichtst\u00e4rke r gesetzt, <7=74,3933, Jg\u201425. A2=2,5119. A und ^=150000. Um\nein Maafs f\u00fcr die relative Pr\u00e4cision der Beobachtungen zu geben, die bei Bestimmungen der kleinsten wahrnehmbaren Unterschiede sich nie sehr weit treiben l\u00e4fst, habe ich in der vorletzten Columne f\u00fcr die gr\u00f6fseren Lichtst\u00e4rken, bei denen die verschiedenen Farben nach dem Urtheil der beiden Beobachter keine regelm\u00e4fsigen Differenzen der Unterschiedsschwellen zeigen, noch die Mittel der Werthe f\u00fcr die sechs durchgemessenen Spectralfarben hingesetzt. Die unterste Reihe der Tabelle bezieht sich auf die Reizschwelle. Hier ist eine gr\u00f6fsere Abweichung\n1 A. K\u00f6nig und E. Brodhun: Sitzungsber. d. Akad. zu Berlin. 1888.\n26, Juli. S. 922.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nH. von Helmholtz.\nvorhanden ; aber auch die Abweichung der dar\u00fcber stehenden Zahl ist vielleicht nicht zuf\u00e4llig, sondern durch die Vernachl\u00e4ssigung der kleineren Glieder unserer Reihe bedingt.\nDie letzte Columne giebt aus den nach der Formel berechneten Werthen das Maafs der von mir als \u201eKlarheit\u201c defi-nirten Gr\u00f6fse.1\nH\u00f6here Lichtst\u00e4rke (r dr)\tUnterschied f\u00fcr Hott Wellenl\u00e4n beobachtet\tsschwelle dr von der ge 670 /<\u00ab berechnet\tMittelwerthe f\u00fcr die 6 beobachteten Spectral-farben\tMaafs der Klarheit r dr\n200000\t\t7158,2\t8500\t27,94\n100000\t\t2684\t2830\t37,26\n50000\t1050\t1080\t1150\t46,30\n20000\t320\t370\t371,2\t54,05\n10000\t156\t175\t169,75 '\t57,14\n5000\t88\t85,4\t82,5\t58,55\n2000\t33\t33,8\t36,5\t59,17\n1000\t16,9\t17,6\t18,02\t56,82\n500\t10,1\t9,30\t9,57\t53,76\n200\t4,40\t4,36\t4,50\t45,87\n100\t2,92\t2,64\t2,59\t37,88\n50\t1,88\t1,69\t\t29,59\n20\t0,89\t0,98\t\t20,41\n10\t0,655\t0,656\t\t15,25\n5\t0,459\t0,457\t\t10,94\n2\t0,343\t0,316\t\t6,328\n1\t0,258\t0,255\t\t3,921\n0,5\t0,188\t0,240\t\t2,083\n0,06\t0,060\t0,217\t\t1,000\nIn der letzten Columne zeigt sich das Maximum der Klarheit bei der Lichtst\u00e4rke 2000, aber von 500 bis 20000 weicht es h\u00f6chstens um ein Zehntel von diesem Maximum ab, also innerhalb eines Gebiets, dessen obere Grenze die untere 40 mal an Lichtst\u00e4rke \u00fcbertrifft.\n1 H. y. Helmholtz : Handbuch der Physiologischen Optik. II. Aufl. S. 394.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede. 17\nBei dieser Lage des Maximum hat das mit A2 multiplicirte Glied der Formel 3 kaum noch Einflufs, und man kann die Lage des Maximum allein aus dem ersten Gliede bestimmen. Nach der Definition ergiebt sich der \"Werth der Klarheit K\nK=1\u00b1\u00c8L=\ndr\n-l_________Li\n1 -f- sr J -f- r\\\nUm das Maximum zu bestimmen, m\u00fcssen wir den Differentialquotienten von K nach r gleich Null setzen.\nAr\n(J+r)( 14 er)\n\u2022fl\nA\nsJ\n[\n\u00e4 K\tA r J\ndr 1 \u2014 eJ L(J -j- r)2\n(1\nDies giebt das Maximum f\u00fcr\nDieser Rechnung nach w\u00fcrde das Maximum der oben berechneten Reihe bei r=3022 liegen und den Werth 59,50 haben. Der Werth der Empfindlichkeit ist hier merklich kleiner als man bei anderen Vergleichsmethoden erreicht zu haben glaubte, vielleicht weil die Felder nicht sehr grofs waren.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie","page":17}],"identifier":"lit14162","issued":"1890","language":"de","pages":"5-17","startpages":"5","title":"Die St\u00f6rung der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede durch das Eigenlicht der Netzhaut","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:14:23.758053+00:00"}