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{"created":"2022-01-31T14:46:33.085587+00:00","id":"lit14204","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stumpf, Carl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 419-462","fulltext":[{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\nVon\nC. Stumpf.\nI.\nUnter Distanz oder Abstand verstehe ich den Grad der Un\u00e4hnlichkeit zweier Sinnesinhalte, sei es hinsichtlich ihrer Qualit\u00e4t oder Intensit\u00e4t oder \u00d6rtlichkeit oder Zeitlichkeit. Im allgemeinen ist es m\u00f6glich, zwei Distanzen unter sich zu vergleichen d. h. sie als gleich oder ungleich und letzterenfalls die eine als gr\u00f6fser zu erkennen. Hierauf beruht alle Messung, da sie nichts anderes ist als die Z\u00e4hlung unter sich gleicher aneinandergrenzender Distanzen, die zusammen eine gegebene Distanz ausmachen. Insofern und insoweit ist kein Unterschied zwischen r\u00e4umlicher, zeitlicher, qualitativer und intensiver Messung. (Vgl. m. Tonpsychologie I 57.) Unterschiede, auf die wir hier nicht eingehen wollen, geben allerdings der r\u00e4umlichen und zeitlichen Messung und besonders der ersteren einen Vorrang vor allen anderen. Dafs aber auch die qualitative und intensive nicht prinzipiell unm\u00f6glich ist, beweisen ausgef\u00fchrte Versuchsreihen aus verschiedenen Gebieten,v welche als \u201eMethode der \u00c4quivalente\u201c, \u201eMethode der mittleren Abstufungen\u201c oder \u201eder \u00fcbermerklichen Unterschiede\u201c bezeichnet und als ein Mittel zur Bestimmung der Unterschiedsempfindlichkeit und zur Pr\u00fcfung des FECHNERschen Gesetzes betrachtet werden. Obgleich mir nun dieses Gesetz keineswegs als das Alpha und Omega aller sinnespsychologischen Versuche und die verschiedenen Klassen von Sinnesurteilen nicht blofs als Methoden zur Pr\u00fcfung desselben erscheinen, so m\u00f6chte ich doch gerade dieser Klasse, den Distanzvergleichungen, eine direktere Beziehung zu jenem Gesetz zuschreiben als allen anderen. Ich Zeitschrift f\u00fcr Psychologie.\t28","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nC. Stumpf.\nhabe (a. a. O. I 399) darauf hingewiesen, dafs das Gesetz, abgesehen von seiner thats\u00e4ohlichen Bew\u00e4hrung, \u00fcberhaupt nur als Gesetz von Empfindungs dis tanzen verstanden werden kann. Eine Empfindung doppelt so stark als eine andere zu nennen, hat genau genommen keinen Sinn und wird durch keinerlei Eechnungsk\u00fcnste einen gewinnen. Es ist ungef\u00e4hr ebenso absurd, wie wenn wir einen Ort oder einen Zeitpunkt als das Doppelte eines anderen bezeichnen wollten. Nur auf Distanzen finden Mafs- oder Gr\u00f6fsenbegriffe Anwendung. Hiernach ist denn auch Distanzenvergleichung der einzige Weg, welcher ganz direkt (abgesehen nat\u00fcrlich von etwaigen konstanten Urteilst\u00e4uschungen) zu Gesetzen hinf\u00fchren kann, die sich auf irgend welche Mafsverh\u00e4ltnisse im Gebiet der Empfindungen beziehen* 1.\nDie ber\u00fchmte Frage nach der Gleichheit der ebenmerklichen Unterschiede, von welcher unsre Schl\u00fcsse auf das Verhalten der Unterschiedsempfindlichkeit nach der Methode der ebenmerklichen Unterschiede abh\u00e4ngig sind2, ist selbst eine Frage nach dem Verh\u00e4ltnis von Distanzen, jedoch unter \u00e4ufserst ung\u00fcnstigen Umst\u00e4nden. Die Leichtigkeit von Distanzvergleichungen nimmt von gewissen mittleren Distanzen aus ab, wenn wir zu immer kleineren oder gr\u00f6fseren \u00fcbergehen, und sie verschwindet v\u00f6llig bei der allerkleinsten, die wir \u00fcberhaupt noch wahrnehmen k\u00f6nnen. Die Frage ist also experimentell unbeantwortbar. Nur deduktiv l\u00e4fst sich vielleicht sagen, dafs wir zwei ebenmerkliche Empfindungsunterschiede als untereinander gleich betrachten d\u00fcrfen, wenn Aufmerksamkeit, \u00dcbung und alle m\u00f6glichen Einfl\u00fcsse auf das Urteil die n\u00e4mlichen sind und besonders auch die Sinnesinhalte der gleichen Gattung angeh\u00f6ren und in der gleichen Beziehung (Intensit\u00e4t, Qualit\u00e4t u. s. f.) untersucht werden. Bei \u00fcbermerklichen Distanzen kann man freilich auch immer fragen, ob die als\n1 Historisch interessant ist eine \u00c4ufserung Lichtenbergs ( Vermischte Schriften, 1801, III 416): \u201eDafs die Distanz von 1\u2014100 in unserer Vorstellung gr\u00f6fser ist als die von 100\u2014500, habe ich sehr fr\u00fch bemerkt und durch Linien und Fl\u00e4chen auszudr\u00fccken versucht.\u201c\n1 Wttndt h\u00e4lt in der 3. Auflage seiner \u201ePhysiol. Psychologie\u201c die\nVoraussetzung der Gleichheit nun doch auch f\u00fcr \u201em\u00f6glicherweise bestreitbar\u201c (I 348), nachdem er sie in der 1. Aufl. f\u00fcr selbstverst\u00e4ndlich erkl\u00e4rt und in der 2. die Frage danach als zwecklos abgelehnt hatte.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n421\ngleich gesch\u00e4tzten wirklich genau gleich empfunden werden. Aber bei hinreichender Bestimmtheit des Urteils, wof\u00fcr sich aus den Tabellen die Anhaltspunkte ergeben, werden die Abweichungen relativ zur Gr\u00f6fse der gesch\u00e4tzten Distanzen nur minimal und f\u00fcr die Schl\u00fcsse irrelevant sein.\nEin besonders wichtiges und umstrittenes Gebiet von Distanzvergleichungen bilden die Tonqualit\u00e4ten (Tonh\u00f6hen). Hier sind die gr\u00f6fsten Gegens\u00e4tze der Meinungen aufgetreten. Die Einen wollen in den musikalischen Intervallen ein evidentes, ja seit alten Zeiten feststehendes Zeugnis f\u00fcr das FechnerscIic Gesetz, Andere nicht die geringsten Anhaltspunkte zu seinen Gunsten erblicken. Die Einen glauben hier Distanzver-gleichungen mit gr\u00f6fster Sicherheit auszuf\u00fchren, die Anderen bleiben absolut skeptisch. Den Hauptgegenstand der folgenden Studie bilden neuere Versuchsreihen hier\u00fcber von C. Lorenz, die Zu den ausgedehntesten geh\u00f6ren, die jemals in psychophysischen Dingen gemacht wurden, und schon darum eingehende Betrachtung verdienen.1 F\u00fcr mich liegt aufserdem nicht blofs in der eigenen Besch\u00e4ftigung mit dem Tongebiet, sondern auch in der hervorragenden Bedeutung, die nach dem eben und schon fr\u00fcher von mir Dargelegten Distanzvergleichungen \u00fcberhaupt zukommt, ein mehrfacher Beweggrund zu genauer Pr\u00fcfung. Ich \u00fcbergehe hierbei die Kritik, welche der Verfasser \u00fcber meine eigenen und die PREYERschen Versuche vorausschickt, da dieselben sich eben nicht auf Vergleichung von Tondistanzen, sondern auf die Fragen bezogen, ob zwei T\u00f6ne gleich oder verschieden und welcher der h\u00f6here sei, und da ich auf diese Kritik bereits (Tonpsych. II 556 f.j geantwortet habe.\nVergegenw\u00e4rtigen wir uns zuerst kurz die Entwickelung der Angelegenheit. E. H. Weber und Eechner hatten bekanntlich die Thatsache, dafs ein Intervall uns in allen Tonregionen, also bei beliebigen absoluten Schwingungszahlen, als das gleiche erscheint, wenn nur das Verh\u00e4ltnis der Schwingungs-\n1 Untersuchungen \u00fcber die Auffassung von Tondistanzen. Von Carl Loeenz. In den \u201ePhilosophischen Studien\u201c von Wundt. Bd. VI (1890). S. 26\u2014103. \u2014 Auch M\u00fcnstekberg hat Versuche gemacht, \u00fcber welche sich aber nicht urteilen l\u00e4fst, da er vorl\u00e4ufig nur die allgemeinsten Ergebnisse mitteilte. {Beitr\u00e4ge z. experim. Psychologie, lieft 3, S. 37, 41). Danach sollen Unmusikalische die arithmetische (absolute) Mitte der Schwingungszahlen, Musikalische die geometrische (relative) als Empfindungsmitte angeben.\n28*","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nC. Stumpf.\nzahlen das gleiche ist, als eine offenbare m\u00e4chtige St\u00fctze der Regel betrachtet, wonach allgemein gleichen Unterschieden der Empfindung gleiche Verh\u00e4ltnisse der Reize entspr\u00e4chen. G. E. M\u00fcller warf zuerst ein, dafs ein Intervall nicht durch einen bestimmten Unterschied der T\u00f6ne, sondern durch ein bestimmtes Konsonanz- (allgemeiner: Verwandtschafts-) Verh\u00e4ltnis d. h. nach Helmholtz durch zusammenfallende Obert\u00f6ne charakterisiert sei. Wundt, der in der 1. Aufl. seiner \u201ePhysiol. Psychologie\u201c Fechner energisch (wenn auch nicht ohne gegenteilige \u00c4ufserungen) zustimmte1, blieb auch in der 2. Aufl. trotz M\u00fcllers Einwendungen und einiger Umarbeitung im wesentlichen auf diesem Standpunkt, wobei er sich besonders auf die Thatsache berief, dafs wir auch bei einfachen T\u00f6nen Intervalle erkennen. Dennoch liefs er dieselben Intervalle auch durch die Klangverwandtschaft gegeben sein, die er mit Helmholtz auf \u00fcbereinstimmende Teilt\u00f6ne gr\u00fcndete. Ich habe auf das Bedenkliche dieses Kompromisses, dieser Doppeldefinition hingewiesen (Tonpsych. I 338) : das thats\u00e4chliche Zusammenfallen der durch reine Distanzmessung und der durch gemeinsame Obert\u00f6ne festgestellten Oktaven, Quinten w\u00fcrde ja ein unglaublicher Zufall sein. Die Beurteilung der Intervalle einfacher T\u00f6ne bilde einen Einwand gegen die HELMHOLTZsehe Verwandtschaftslehre. Aber es gebe vielleicht ein Kriterium der Verwandtschaft, welches weder mit Obert\u00f6nen noch mit Distanzen der Grundt\u00f6ne etwas zu thun habe. Hiermit meinte ich die sp\u00e4ter im II. Bande aufgezeigten Verschmelzungsstufen. An einer anderen Stelle des I. Bandes (247 \u00a3), die speciell von Distanzvergleichungen bei T\u00f6nen handelt, hob ich u. a. hervor, dafs die dem Bewufstsein bereits eingepr\u00e4gten Verwandtschaftsverh\u00e4ltnisse vielmehr gerade das gr\u00f6fste Hindernis f\u00fcr reine Distanzurteile bilden und dafs auch selbst bei nichtmusikalischen Verh\u00e4ltnissen wie 71 : 97 : 111 die so entstandenen Urteilsgewohnheiten betr\u00e4chtlich st\u00f6ren m\u00fcssen. Soweit sich mein\n1 S. 364 (Anm.): \u201eEs ist zwar wahrscheinlich, dafs die aus der Klangverwandtschaft entspringenden Eigenschaften die sichere Bestimmung der Ton Verh\u00e4ltnisse unterst\u00fctzen, aber als die eigentliche Grundlage derselben kann man sie unm\u00f6glich betrachten.\u201c Dagegen S. 363: \u201eDie Auswahl der Tonstufen wird zun\u00e4chst durch Hegeln bestimmt, welche auf die . . . Gesetze der Klangverwandtschaft gegr\u00fcndet sind.\u201c Vgl. noch S. 497\u20148.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Uber Vergleichungen von Tondistansen.\n423\neigenes Urteil festsetzen wollte, glaubte ich sagen zu d\u00fcrfen, dafs ein und dasselbe Intervall als Distanz betrachtet nach der H\u00f6he zu gr\u00f6fser werde (also z. B. die Quinte nach oben etwas gr\u00f6fser als nach unten von gleichem Ausgangston aus), und glaubte dasselbe auch auf einem indirekten Wege aus der Zunahme der relativen Unterschiedsempfindlichkeit bis etwa c3 erschliefsen zu d\u00fcrfen.\nWundt hielt auch in den \u201eEssays\u201c 1885 (S. 159 f.) an der alten Auffassung fest und berief sich darauf, dafs wir auch das nichtharmonische Verh\u00e4ltnis eines ganzen oder halben Tons wiedererkennen \u2014 worauf freilich Jeder sofort entgegnen wird, dafs hier eine sog. indirekte Verwandtschaft mafsgebend ist. C und D sind durch G, C und Gis durch A miteinander verwandt.\nIn Wundts psychologischem Laboratorium unternahm nun Lorenz seine Tondistanzvergleichungen. Die erste Nachricht von den Ergebnissen erhielten wir durch Wundt in der 3. Auflage der Physiol. Psychologie 1887 (I 428 f.). Er fand darin die \u201evollkommenste Best\u00e4tigung\u201c, den \u201eendg\u00fcltigen Beweis\u201c f\u00fcr seine Behauptung \u00fcber die F\u00e4higkeit unseres Geh\u00f6rs, Tonstufen ohne alle R\u00fccksicht auf das harmonische oder disharmonische Verh\u00e4ltnis messend zu vergleichen. Freilich zugleich auch die entschiedenste Widerlegung seiner bisherigen Annahme, dafs die auf solchem Wege gefundenen Tonstufen mit den musikalischen zusammen fallen, damit also auch des FECHNERschen Gesetzes. Nicht die relative, sondern die absolute Reizmitte, nicht das gleiche Verh\u00e4ltnis, sondern die gleiche Differenz der Schwingungszahlen werde als Mitte zwischen zwei T\u00f6nen anerkannt.\nUm zu pr\u00fcfen, was Wundt einerseits berechtigte, von einem endg\u00fcltigen Beweis zu sprechen, andererseits n\u00f6tigte, eine Lehre preiszugeben, die ihm fr\u00fcher v\u00f6llig bewiesen schien, wollen wir Lorenz\u2019 Versuche, obschon dieser sie seitdem bedeutend erweitert hat, zuerst so ber\u00fccksichtigen, wie sie bei Wundt (I 432) erscheinen. Hier ist die Tabelle (s. folgende Seite).\nDie erste Kolumne giebt die Nummern der Versuchsreihen. In der 2. und 3. bedeuten t und h, T und H den tiefen und hohen Ton, zwischen denen ein variabler mittlerer dargeboten wurde; und zwar giebt die 2. Kolumne die einfachsten Verh\u00e4ltniszahlen, die 3. die wirklichen Scliwingungszahlen dieser Grenzt\u00f6ne, m und M ist die berechnete absolute (arithmetische)","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nC. Stumpf.\nMitte. P und L sind die beiden Beobachter, I und II die Versuchsabteilungen: in I wurde vom tiefen durch den mittleren zum hohen Ton \u00fcbergegangen, in II umgekehrt. Die Zahlen unter diesen Rubriken bedeuten den vorwiegend als Mitte anerkannten Ton. R ist die zur Vergleichung berechnete relative (geometrische) Reizmitte. Hier sind jedoch bei Wundt zwei Fehler: bei Hr. 12 160,4 statt 170,4, bei Nr. 14 731,6 statt 733,6. In beiden F\u00e4llen n\u00e4hert sich durch die Korrektur R dem M. Der erste betr\u00e4chtliche Fehler steht jetzt auch in Lorenz\u2019 Originalabhandlung (S. 85).\nNr.\t\tt :m\th\tT : M\t\u25a0II\tI.\tP. II.\tI.\tL. II.\tj R\tQ\n1\t2\t3\t4\t256 : 384\t512\t384\t384\t384\t384\t362,3\t364\n2\t2\t3\t4\t264: 396\t528\t400\t400\t404\t396\t373,3\t372\n3\t3\t4\t5\t300 : 400\t500\t404\t404\t404\t396\t387,3\t388\n4\t4\t5\t6\t256 :320\t384\t320\t320\t320\t324\t313,5\t312\n5\t5\t6\t7\t320:384\t448\t384\t384\t384\t384\t378,6\t380\n6\t5\t6\t7\t340:408\t476\t412\t408\t408\t400\t402,3\t404\n7\t8\t9\t10\t256: 288\t320\t288\t288\t284\t288\t286,2\t288\n8\t16\t17\t18\t256 :272\t288\t276\t276\t272\t276\t271,5\t272\n9\t30\t31\t32\t480:496\t512\t496\t496\t496\t496\t495,7\t496\n10\t37\t45:\t53\t296:360\t424\t364\t360\tS60\t356\t354,2\t356\n11\t97\t107\t117\t388 :428 :\t468\t432\t428\t432\t428\t426,1\t428\n12\t3\t4\t5\t132 : 176 :\t220\t184\t180\t184\t176\t170,4\t172\n13\t11\t13:\t15\t176.208 :\t240\t216\t212\t212\t208\t205,5\t204\n14\t5\t6\t7\t620: 744 :\t868\t748\t740\t744\t740\t733,6\t732\n15\t8\t9:\t10\t800 : 900 :\t1000\t916\t916\t904\t912\t894,4\t896\nFerner mufs die ganze Kolumne R noch umgerechnet werden. Die Versuche wurden n\u00e4mlich an einem Tonmesser vollzogen, dessen T\u00f6ne um je 4 Schwingungen differierten. Nun kann man doch billigerweise nicht verlangen, dafs die T\u00f6ne R =362,3 u. s. w. als Mitte anerkannt wurden, da der Tonmesser sie nicht enth\u00e4lt, da sie also gar nicht vorgelegt wurden. Um also diejenigen Zahlen zu erhalten, die man erwarten mufs, wenn die relative Mitte als Empfindungsmitte galt, mufs man die Zahlen unter R so ver\u00e4ndern, dafs jedesmal die n\u00e4chst-","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n425\nliegende durch 4 teilbare Zahl daf\u00fcr eingesetzt wird. Dies ist in der von mir beigef\u00fcgten Kolumne q geschehen. Man sieht sogleich, dafs zuf\u00e4llig in den meisten Nummern die Zahlen sich wiederum erh\u00f6hen und damit der absoluten Mitte n\u00e4hern.\nAus dem gleichen Grunde mufs man zu den Zahlen unter P und L stets einen Wert bis zu +2 hinzudenken und wird dann die \u00dcbereinstimmung mit M, wo solche vorhanden, schon weniger auffallend finden. Es leuchtet ein, dafs man unm\u00f6glich ein richtiges Bild gewinnen kann, wenn man einerseits f\u00fcr die beobachteten JP Werte nur von 4 zu 4 fortschreitende Zahlen, andererseits f\u00fcr die damit zu vergleichenden P-Werte Unterschiede von Decimalen gelten l\u00e4fst.\nVergleichen wir nun M mit q, so sehen wir, dafs bei Nr. 7, 8, 9, 11 die absolute Mitte mit der relativen (nach der eben angegebenen notwendigen Ver\u00e4nderung) zusammenf\u00e4llt. Diese s\u00e4mtlichen Versuche sind also zu streichen, wenn durch die Tabelle bewiesen werden soll, dafs Distanzurteile sich nicht nach der relativen, sondern nach der absoluten Mitte richten.\nSodann bei Nr. 5, 6, 10, 12, 13, 15 betr\u00e4gt der Unterschied von M und q nur eine einzige Taste des Tonmessers. Diese Versuche sind also von sehr schwacher Beweiskraft. Die Ergebnisse, die Zahlen unter P und L, fallen im ganzen (bei Nr. 15 keineswegs) nahezu mit der absoluten Mitte zusammen, entfernen sich aber auch nicht viel von der relativen.\nSo bleiben nur Nr. 1-\u20144 und 14 als diejenigen Versuchsreihen \u00fcbrig, welche etwa eine erhebliche Beweiskraft beanspruchen k\u00f6nnten. Nun aber handelt sich\u2019s hier ungl\u00fccklicherweise bei 1 und 2 um die Oktave, in welche die Dominante, bei 3 und 4 um die \u00e4ufseren T\u00f6ne von Durdreikl\u00e4ngen, in welche der fehlende dritte Ton als Mitte eingeschaltet wurde. Bei 14 ist der mittlere Ton die kleine Terz des tieferen (5 : 6) und bildet mit beiden Grenzt\u00f6nen einen verminderten Dreiklang (N\u00e4heres s. u.). Dafs hier musikalische Motive, harmonische Gewohnheiten den Ausschlag gegeben haben, liegt auf der Hand. Daher auch die besondere Sicherheit des Urteils, die \u00dcbereinstimmung der Ergebnisse, zumal bei der Oktave (1) und dem Durklang in erster Lage (4). Und selbst wenn man es bezweifeln wollte, mufs man die M\u00f6glichkeit zugeben, womit allein schon der \u201eendg\u00fcltige Beweis\u201c dahinf\u00e4llt.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nC. Stumpf.\nSoviel im Vor\u00fcbergehen zur Beleuchtung W\u00fcNDTscher Beweise. Sachlich ist die Diskussion durch die Fortf\u00fchrung der Versuche ohnedies verschoben.\nDafs \u00fcbrigens auch Wundts neue positive Behauptung \u00fcber die absolute Reizmitte als Empfindungsmitte zweifellos und handgreiflich falsch ist, sieht man an dieser Reihe:\nAlle hier benachbarten T\u00f6ne m\u00fcfsten gleich weit in der Empfindung voneinander abstehen, da die ; Differenz der Schwingungszahlen dieselbe ist. Man vergleiche nur den letzten Schritt mit dem ersten! Wenn wir jenen als entschieden viel kleiner bestimmen, so wird man dies nicht etwa darauf schieben wollen, dafs wir ihn als Sekunde, c-\u2014c1 als Oktave erkennen; in solchem Mafs ist das Distanzurteil doch nicht ohnm\u00e4chtig und blind, dafs es sich einen gewaltigen Unterschied vort\u00e4uschen liefse, wo gar keiner w\u00e4re. Auch erkennt den Unterschied jeder, mag er die Intervalle als Sekunde und Oktave erkennen oder nicht.\nUnd wie, wenn wir eine beliebige Oktave nehmen, z. B. c2\u2014 c3 (512\u20141024), und die Aufgabe stellen, eine gleiche Distanz nach unten in der Empfindung abzumessen? Jede Oktave er-giebt durch Subtraktion der gleichen Schwingungszahlendififerenz Null. Der Ton also, der von c2 ebensoweit nach unten l\u00e4ge, wie e2 von c3, l\u00e4ge in unendlicher Tiefe.\nDie neue Behauptung ist aber f\u00fcr Wundt nicht blofs das Durchschnittsergebnis obiger Versuchsreihen. Man k\u00f6nne sich, sagt er (1166), auch am Klavier leicht davon \u00fcberzeugen, dafs die Mitte zwischen cl und c3 in e2 (nicht in c2) liege. Zwei Jahre zuvor hatte er in den \u201eEssays\u201c S. 159\u2014160 genau das U m-gekehrte als eine sehr auff\u00e4llige und leicht zu beobachtende Erfahrung bezeichnet, dafs n\u00e4mlich f\u00fcr unsere Empfindung eine Oktave immer den gleichen H\u00f6henunterschied gebe. Wir sind an dem ber\u00fchmten Experimentalpsychologen gewohnt, dafs er sich in seinen allgemeinsten Begriffen und Theorien fortw\u00e4hrend widerspricht. Die Leichtigkeit, mit der er auch das Entgegengesetzte beobachtet, kann nur den Wunder nehmen,","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Uber Vergleichungen von Tondistanzen.\n427\nder seine Angaben nicht n\u00e4her kontrolliert. Die hier erw\u00e4hnten Beobachtungen stehen denen \u00fcber Klangeinheit, \u00fcber Schwebungen, \u00fcber Obert\u00f6ne und \u00fcber tiefste T\u00f6ne w\u00fcrdig zur Seite (vergl. Tonpsych. II, 231, 330, 461, 472; Viertel).- Sehr. f. Mtmkwiss., IV, 541, 547).\nWundt glaubt auch \u00fcber die Abweichungen des Urteils von der absoluten Mitte und den Einflufs der Zeitfolge hierauf eine Regel aufstellen zu k\u00f6nnen : \u201eBei jeder Zeitfolge ist man geneigt, die jenseits der wirklichen Mitte gelegenen T\u00f6ne in gr\u00f6fserer Anzahl als die diesseits gelegenen als Mittelt\u00f6ne zu sch\u00e4tzen\u201c (S. 429). Diese Behauptung, die sich \u201ein \u00fcbereinstimmender Weise\u201c aus den die Urteilszahlen versinnlichenden Kurven ergeben soll, ist von Lorenz selbst (S. 100 f.) auf das richtige Mafs zur\u00fcckgef\u00fchrt worden. Sie trifft nur bei Einem Beobachter, P, und auch da nur in einem Teil der Versuchsreihen zu. In 6 unter den 15, die bereits Wundt Vorlagen, stimmt sie nicht einmal f\u00fcr P. Bei L und den sp\u00e4ter hinzugetretenen Beobachtern sind andere oder gar keine bestimmten Neigungen zu erkennen. Von einer einheitlichen und einigermafsen durchgreifenden Regel keine Spur. Vielleicht waren die Kurven urspr\u00fcnglich der Behauptung g\u00fcnstiger (die Versuchszahlen scheinen inzwischen teilweise vermehrt worden zu sein) : jedenfalls hat sich dieselbe als voreilig herausgestellt.\n\u00dcbrigens m\u00fcfste sich ein solcher Einflufs der Zeitfolge auch in der obigen Tabelle erkennen lassen, obgleich sie den Verlauf der Kurven in den einzelnen Versuchsreihen nicht angeben : die Abweichungen von M m\u00fcfsten bei I vorwiegend nach oben, bei II nach unten liegen. Thats\u00e4chlich liegen sie zwar bei I 16 mal nach oben und nur 1 mal nach unten, aber auch bei II 9 mal nach oben und nur 5 mal nach unten. Das einzig Bemerkenswerte ist also, dafs \u00fcberhaupt die Abweichungen nach oben bedeutend \u00fcberwiegen (bei P findet sich unter 17 Abweichungen sogar nur eine einzige nach unten. Ber\u00fccksichtigt man auch die Gr\u00f6fse der Abweichungen, so betr\u00e4gt die Summe nach oben 144, nach unten 28.). Gerade dies aber hat Wundt nicht bemerkt.\nII.\nLorenz hat nun in den folgenden Jahren noch andere Personen zu den Versuchen herangezogen, ferner neue Tonverh\u00e4ltnisse, besonders auch gr\u00f6fsere Tondistanzen ber\u00fccksichtigt. Es m\u00fcssen","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nC. Stumpf.\nindes auch die fr\u00fcheren Versuche von den fr\u00fcheren Beobachtern fortgesetzt worden sein, da die bez\u00fcglichen Werte in Wundts und Lorenz\u2019 Tabellen meistens nicht \u00fcbereinstimmen. F\u00fcr die tiefen Regionen wurden jetzt Tonmesser benutzt, deren T\u00f6ne nur um 2 Schwingungen differierten. Die Beobachter waren hin-\nAus Tab. VIII.\tAus Tab. XIX.\nI: M: H= 264 : 396 : 528 (= 2:3: 4). T : M : S = 800 : 900 :1000(=8 : 9 :10).\nM\u201e\tp\t\t\t\t\t\t,\t\tM,\tLn\t\t\t\t\t\tn\n\tI\t\t\tII\t\t\t\t\t\tI\t\t\tII\t\t\t\n\tu\tm\t0\tU\tm\t0\t\t\t\tu\tm\t0\tu\tm\t0\t\n356\t100\t\t\t\t\t100\t\u2014\t\u2014\t20\t\t840\t85\t15\t\u2014\t92\t\u2014\t8\t\n360\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t20\t\t844\t92\t\u2014\t8\t100\t\u2014\t\u2014\t\n364\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t20\t\t848\t62\t23\t15\t92\t\u2014\t8\t\n368\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t20\t\t852\t61\t8\t31\t100\t\u2014\t\u2014\t\n372\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t20\t\t856\t92\t\u2014\t8\t84\t8\t8\t\\13\n376\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t40\t\t860\t69\t8\t23\t85\t15\t\u2014\t\n380\t100\t\u2014\t\u2014\t98\t\u2014\t2\t60\t\t864\t77\t8\t15\t100\t\u2014\t\u2014\t\n384\t98\t\u2014\t2\t97\t\u2014\t3\t60\t\t868\t70\t15\t15\t100\t\u2014\t\u2014\t\n388\t100\t\u2014\t\t\t96\t. \u2014\t4\t80\t\t872\t46\t23\t31\t92\t\u2014\t8\t\n392\t98\ti\t1\t96\t4\t\u2014\t80\t\t876\t56\t14\t30\t81\t8\t11\t\n396\t50\t44\t6\t23\t65\t12\t100\t\t880\t54\t29\t17\t75\t11\t14\t\n400\t27\t39\t34\t13\t71\t16\t80\t\t884\t32\t29\t39\t71\t15\t14\t\n404\t46\t3\t51\t19\t9\t72\t80\t\t888\t37\t32\t31\t86\t8\t6 1\t\n408\t13\t\u2014\t87\t2\t\u2014\t98\t60\t\t892\t35\t34\t31\t67\t19\t14\t\n412\t5\t\u2014\t95\t\u2014\t\u2014\t100\t60\t\t896\t23\t48\t29\t53\t37\t10\t\n416\t\t\t\u2014\t100\t\u2014\t\t\t100\t40\t\t900\t19\t41\t40\t57\t29\ti4 :\tl 52\n420\t\t\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t\t904\t15\t47\t38\t25\t43\t32 !\t\n424\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t\t908\t19\t45\t36\t31\t37\t32\t\n428\t5\t\u2014\t95\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t\t912\t10\t12\t78\t32\t15\t53\t\n432\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t\t916\t4\t27\t69\t23\t35\t42\t\n436\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t\t920\t8\t19\t73\t21\t35\t44\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t924\t8\t15\t77\t29\t10\t61\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t928\t15\t\u2014\t85\t54\t8\t38\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t932\t8\t8\t84\t15\t23\t62 j\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t936\t\u2014\t23\t77\t31\t15\t54 \u00fc\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t940\t15\t\u2014\t85\t23\t15\t62 j\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t944\t15\t\u2014\t85\t38\t\u2014\t62 s\t13\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t948\t\u2014\t15\t85\t8\t15\t77\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t952\t\u2014\t8\t92\t\u2014\t8\t92\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t956\t\u2014\t\u2014\t100\t15\t\u2014\t85\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t960\t\u2014\t8\t92\t\u2014\t\u2014\t100\t","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n429\nsichtlich ihres Geh\u00f6rs und ihrer musikalischen Anlage und Bildung \u00e4ufserst verschieden, besonders P sehr musikalisch, Im dagegen so wenig, dafs er anfangs kaum unterscheiden konnte, oh T oder H der h\u00f6here Ton, obschon es sich nicht um kleine Differenzen, sondern um Terzen, Quinten, Sexten in mittlerer Lage handelte. Einen solchen Beobachter w\u00fcrde ich nicht blofs \u201eziemlich unmusikalisch\u201c nennen. Die Urteilenden notierten jedesmal, ob ihnen ein zwischen T und H eingeschalteter ver\u00e4nderlicher Ton Mv als Mitte (m) oder als dem T n\u00e4herliegend (u) oder dem II n\u00e4herliegend (o) erschien. Die Anzahl der bez\u00fcglichen Urteile ist in den Tabellen angegeben. Zwei vollst\u00e4ndige Reihen m\u00f6gen eine Anschauung geben und zugleich erl\u00e4utern, wodurch sich gut und schlecht verwertbare Reihen unterscheiden.\nDie Tabelle VIII besagt also z. B., dafs zwischen den unver\u00e4nderlichen Grenzt\u00f6nen 264 und 528 vom Experimentator ein dritter Mv angegeben wurde, dessen Schwingungszahl zwischen 356 und 436 wechselnde Werte annahm. Die absolute Mitte M \u2014 396 ist in der \u00dcberschrift mitangegeben. Unter P stehen die Anzahlen der Urteile dieses Beobachters in Prozenten der jeweiligen Gesamtzahl; diese selbst steht unter n. Um die absolute Mitte herum wurden immer eine gr\u00f6fsere Zahl von Versuchen gemacht.\nEs ist nun offenbar, dafs in einer gut brauchbaren, durchsichtigen Versuchsreihe\n1.\tdie Werte u mit zunehmendem M\u201e ab-, die o zunehmen m\u00fcssen, gleichviel welches Mv als Mitte erscheint, da die \u00c4hnlichkeit des jeweiligen Mv mit T immer mehr ab-, die mit H zunimmt, je weiter Mv in der Tonreihe gegen H r\u00fcckt. Je regelm\u00e4ssiger der bezeichnete Gang der w- und o -Werte, um so besser wird das Ergebnis den wirklichen Empfindungsverh\u00e4ltnissen entsprechen. Grofse Unregelm\u00e4fsigkeit w\u00fcrde auf Unf\u00e4higkeit zu Tonurteilen \u00fcberhaupt deuten. Die Empfindungsmitte sodann wird den Einflufs haben, dafs\n2.\tin der Gegend derselben, wo sie auch liege, sowohl die u als die o bei hinreichender Festigkeit und Bestimmtheit des Urteils nahe gleich Null, wenigstens viel geringer als die m geworden sein m\u00fcssen. Je mehr also die drei Reihen u, m, o ineinander \u00fcbergreifen, je gr\u00f6fser die Strecke der Mv, auf der noch in allen 3 Kolumnen erhebliche Werte Vorkommen, um","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nC. Stumpf.\nso mehr schwankt das Urteil, um so weniger l\u00e4fst sich schliefsen. Im g\u00fcnstigen Fall ist allerdings noch nicht ohne weiteres das bez\u00fcgliche Mv als Empfindungsmitte anzusehen, sondern erst zu pr\u00fcfen, ob nicht eine Quelle konstanter T\u00e4uschung dieselbe Wirkung thun kann.\n3.\tF\u00fcr die Bestimmtheit des Urteils wird ein weiteres Kriterium die Schnelligkeit sein, mit welcher unter m von dem erw\u00e4hnten Mittelpunkt (Maximum) aus die Werte nach oben und unten in der Tabelle abnehmen, und die liogelrn\u00e4fsigkeit, mit der dies geschieht.\n4.\tEndlich mufs das Maximum der m -Werte sich unter I und II innerhalb einer Versuchsreihe bei dem n\u00e4mlichen oder bei nur wenig verschiedenen Mv finden. Denn die Empfindungsmitte ist nat\u00fcrlich die n\u00e4mliche, mag die Zeitfolge T M, H oder H M, T sein.\nVon den mitgeteilten Beispielen erf\u00fcllt das St\u00fcck aus Tabelle VIII fast s\u00e4mtliche Bedingungen in befriedigender Weise; nur steht unter I der Maximumwert von m (44) gegen den einschl\u00e4gigen von u (50) zur\u00fcck, statt ihm \u00fcberlegen zu sein. Die erste und elementarste Bedingung ist \u00fcberhaupt fast in allen Tabellen erf\u00fcllt. Die \u00fcbrigen dagegen nur in wenigen derart, dafs kein ernstliches Bedenken erw\u00e4chst; und alle zusammen in keiner einzigen. Ein Beispiel, wie es nicht sein sollte, ist aus Tabelle XIX angef\u00fchrt. Da sind unter m, also in der wichtigsten liubrik, die Zahlen wie durcheinandergew\u00fcrfelt ; nicht weniger als 6mal hebt und senkt sich die Zahlenkurve. Sogar das tiefste und das h\u00f6chste Mv (840 und 960) beurteilte Ln noch gelegentlich als Mitte zwischen 800 und 1000. Aus einer solchen Tabelle l\u00e4fst sich \u00fcberhaupt nichts schliefsen, als dafs der Mann vollkommen ratlos war.\nEbenso vergleiche man in der Abhandlung selbst die Tabelle V f\u00fcr denselben Beobachter ; wo z. B. unter II bei dem h\u00f6chsten Mv noch einmal 21 % m auftauchen, und m sowohl unter I als unter II \u00fcberhaupt nur das Maximum 32 errreicht. \u00c4hnlich Tabelle XVIII bei Ln. Kurz ziemlich \u00fcberall, wo dieser Beobachter beteiligt ist.\nEbenso erweist sich der Beobachter B als absolut unsicher. Siehe die Originaltabellen II, III, IV (\u00fcberall wo er vorkommt).\nAuch der Beobachter M schwankt meist sehr bedenklich, z. B. Tabelle XXI, wo m unter I die Werte 0, 0, 20, 15, 5,","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Uber Vergleichungen von Tondistanzen.\n431\n20, 10, 0, 13, 13, 10, 15, 8, 10, 40, 0, 0, 0 annimmt, wo also nach. 5 Steigungen der Maximumwert beinahe am Schlufs und \u25a0dagegen in der N\u00e4he der Mitte ein 0 steht, anstatt umgekehrt. Ebenso daselbst unter II. Ferner Tabelle XXII unter MI.\nEin grofser Teil der Versuche verliert hiermit schon so gut wie v\u00f6llig seine Beweiskraft. Damit wir aber einen systematischen \u00dcberblick erhalten, will ich aus allen Tabellen die Mittelst\u00fccke, d. h. die Werte, welche um die Beizmitte herumliegen, hier mitteilen und besprechen. Derjenige Wert Mv) welcher die Beizmitte darstellt, ist fett gedruckt. Ebenso die Maxima von m. Das mitgeteilte St\u00fcck ist jedesmal so grofs gew\u00e4hlt, dafs es die Maximalzahlen der m enth\u00e4lt und meist auch die Baschheit der Abnahme nach oben und unten noch erkennen l\u00e4fst. Die Bubrik n ist weggelassen, die Bezeichnungen I, II, w, m, o nur in der ersten Tabelle hingesetzt.\nWir gruppieren die Tabellen sogleich nach musikalischen Gesichtspunkten.\nErste Gruppe: T und TI bilden musikalische Intervalle innerhalb einer Oktave (einschliefslich der Oktave selbst).\na) Oktave.\nTab. VII (256 : 512 = 1 : 2). Wundt Nr. 1.\nM,\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n\tI\t\t\tII\t\t\tI\t\t\tII\t\t\n\tu\tm\t0\tu\tm\t0\tu\tm\t0\tu\tm\t0\n376\t96\t2\t2\t90\t6\t4\t60\t20\t20\t58\t40\t2\n380\t86\t14\t\u2014\t62\t32\t6\t40\t26\t34\t52\t32\t16\n384\t3\t96\t1\t1\t98\t1\t9\t82\t9\t4\t88\t8\n388\t46\t34\t20\t54\t12\t34\t10\t74\t16\t6\t80\t14\n392\t42\t2\t56\t50\t\u2014\t50\t16\t28\t56\t16\t52\t32\nHier wird die absolute Mitte 384 mit grofser Bestimmtheit als Mitte bezeichnet. Die Abweichungen (Tabelle VIII) sind nicht bedeutend. Aber diese Beihen sind \u00fcberhaupt f\u00fcr den vorliegenden Zweck verfehlt, weil ja 384 nichts anderes ist als die Dominante, also die musikalische Mitte, unter diesem Ausdruck denjenigen Ton verstanden, der nach unseren musikalischen Gewohnheiten die Hauptrolle zwischen den beiden","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nC. Stumpf.\nTab. VIII (264 : 528 = 1 : 2). W\u00fcndt Nr. 2.\nM,\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n388\t100\t\t\t\t\t96\t\t\t4\t91\t9\t\u2014\t72\t9\t19\n392\t98\t1\t1\t96\t4\t\u2014\t59\t40\t1\t54\t29\t17\n896\t50\t44\t6\t23\t65\t12\t1 64\t35\t1\t18\t\u00f6l\t31\n400\t27\t39\t34\t13\t71\t16\t24\t67\t9\t4\t45\t51\n404\t46\t3\t51\t19\t9\t72\t16\t63\t21\t1\t9\t90\nGrenzt\u00f6nen spielt und ihnen nicht allzunahe liegt. Das Distanzurteil schwankt nat\u00fcrlich nur innerhalb einer gewissen Zone ; wenn der Zwischenton dem oberen oder unteren Grenzton n\u00e4her und n\u00e4her r\u00fcckt, wird die Ungleichheit der Distanzen unzweifelhaft. Wo nun innerhalb jener Zone ein Ton von musikalisch hervorragender Bedeutung vorhanden ist, da wird man, wenn der drastische Ausdruck erlaubt ist, auf ihn hereinfallen.\nDafs dieser Einflufs hier nicht blofs m\u00f6glicherweise, sondern wirklich stattfand, bezeugt eine Eigent\u00fcmlichkeit der Rubriken u und o, die wir auch in \u00e4hnlichen F\u00e4llen wiederfinden werden und auf welche auch Lorenz selbst gelegentlich hingewiesen hat: w\u00e4hrend n\u00e4mlich die Zahlen unter diesen Rubriken sonst sch\u00f6n regelm\u00e4fsig ab- bez. zunehmen, ist bei Mv = 384 in Tabelle YII jedesmal ein wunderlicher Sprung. Bei 380 z.B. noch 86, bei 388 wieder 46, dazwischen 3! Bei reinen Distanzurteilen sind diese Spr\u00fcnge unerkl\u00e4rlich. Sie begreifen sich aber sehr einfach daraus, dafs das Erscheinen der musikalischen Mitte dem Urteil eine sonst ganz ungew\u00f6hnliche Bestimmtheit erteilte.\nb) Grofse Sexte.\nTab. V (132 : 220 = 3 : 5). Wundt Nr. 12.\nMv 1\t\tI\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n168 100\t_\t\t\t96\t2\t2\t94\t3\t3\t61\t7\t32\n172\t97\t3\t\u2014\t77\t23\t\u2014\t79\t20\t1\t68\t16\t16\n176\t81\t18\t1\t39\t60\t1\t63\t35\t2\t34\t27\t39\n180\t74\t21\t5\t74\t21\t5\t66\t32\t2\t19\t27\t54\n184\t70\t\u2014\t30\t56\t\u2014\t44\t53\t31\t16\t1\t15\t84","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n433\nM\u00bb\tB\t\t\t\t\t\tLn\t\t\t\t\t\n168\t88\t3\t9\t73\t2\t25\t75\t9\t16\t82\t11\t7\n172\t20\t78\t2\t34\t38\t28\t46\t23\t31\t71\t11\t18\n176\t\u2014\t100\t\u2014\t5\t86\t9\t48\t25\t27\t59\t14\t27\n180\t19\t65\t16\t22\t28\t50\t45\t32\t23\t47\t32\t21\n184\t45\t5\t50\t12\t5\t83\t34\t13\t53\t53\t13\t34\nTab. IX (300 : 500 = 3 : 5). Wundt Nr. 3.\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n392\t100\t\u2014\t\u2014\t99\t\u2014\t1\t76\t21\t3\t59\t32\t9\n396\t88\t6\t6\t84\t12\t4\t37\t58\t5\t24\t40\t36\n400\t54\t42\t4\t43\t47\t10\t18\t79\t3\t15\t30\t55\n404\t54\t29\t17\t27\t33\t40\t6\t84\t10\t4\t4\t92\n408\t35\t22\t43\t9\t1\t90\t6\t65\t29\t6\t3\t91\nDie musikalische Mitte der grofsen Sexte ist die Quarte-des unteren Tons. H\u00f6ren wir ge1 (aufserhalb eines musikalischen Zusammenhangs), so treiben uns musikalische Gewohnheiten, c1 als Tonika hineinzudenken. Man frage nur einen nicht ganz Unmusikalischen, welchen dritten zwischenliegenden Ton er zu jenen erg\u00e4nze. Warum dies so und nicht anders ist, geh\u00f6rt nicht hierher. Die Wirkungen aber zeigen sich wieder in den Versuchsreihen. Die absolute Reizmitte 400, die hier wieder im ganzen mit auffallender Bestimmtheit als Empfindungsmitte bezeichnet wurde, ist eben zugleich jene musikalische Mitte. Wiederum zeigt sich auch in verschiedenen Reihen die vorhin erw\u00e4hnte Eigent\u00fcmlichkeit der u- und o-Rubrik, namentlich bei Ti in Tab. V. Bei diesem \u201egut musikalisch beanlagten\u201c Beobachter mufsten sich ja auch die musikalischen Gewohnheiten am st\u00e4rksten merklich machen.","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nC. Stumpf.\nc) Quinte.\nTab. X (256 : 384 = 2 : 3). W\u00fcndt Nr. 4.\nM\u201e\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n312\t98\t1\t1\t93\t6\t1\t50\t40\t10\t83\t14\t3\n316\t73\t26\t1\t64\t31\t5\t19\t77\t4\t53\t42\t5\n320\t5\t95\t\u2014\t6\t94\t\u2014\t2\t97\t1\t36\t61\t3\n324\t44\t45\t11\t28\t57\t15\t6\t81\t13\t30\t47\t23\n328\t32\t13\t55\t15\t6\t79\t4\t43\t53\t16\t15\t69\nWiederum ausgezeichnet sch\u00f6nes Ergebnis, \u00fcberall die absolute Mitte bevorzugt \u2014 warum auch nicht, da sie ja mit der grofsen Terz zusammenf\u00e4llt! Der Abk\u00f6mmling eines Volkes, welches vorwiegend in Moll musiziert, w\u00fcrde wohl die kleine Terz als Empfindungsmitte angeben. Sehr bezeichnend ist hier wieder der Gang der u- und o -Werte : Mv = 320 macht fast \u2022durchgehends einen m\u00e4chtigen Rifs in ihre Kontinuit\u00e4t.\nd) Grofse Terz.\nTab. XIII (256 : 320 = 4:5). W\u00fcndt Nr. 7.\nM,\tp\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n280\t96\t4\t\u2014\t88\t12\t\t\t80\t6\t14\t82\t16\t2\n284\t18\t82\t\u2014\t30\t68\t2\t2\t96\t2\t36\t62\t2\n288\t2\t98\t\u2014\t4\t96\t\u2014\t\u2014\t97\t3\t14\t83\t3\n292\t20\t74\t6\t44\t50\t6\t\u2014\t86\t14\t20\t72\t8\n296\t54\t4\t42\t62\t2\t36\t16\t8\t76\t26\t12\t62\nTab. XIX (800 : 1000 = 4:5). W\u00fcndt Nr. 15.\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n892\t64\t34\t2\t63\t37\t\t\t50\t45\t5\t78\t16\t6\n896\t78\t21\t1\t79\t19\t2\t27\t72\t1\t81\t10\t9\n900\t56\t36\t8\t70\t26\t4\t20\t77\t3\t77\t13\t10\n904\t51\t38\t11\t65\t25\t10\t18\t74\t8\t64\t19\t17\n908\t55\t26\t19\t67\t12\t21\t15\t59\t26\t59\t10\t31","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n435\nMn\tB\t\t\t\t\t\tLn\t\t\t\t\t\n892\t15\t77\t8\t11\t81\t8\t35\t34\t31\t67\t19\t14\n896\t11\t87\t2\t23\t73\t4\t23\t48\t29\t53\t37\t10\n900\t11\t85\t4\t29\t67\t4\t19\t41\t40\t57\t29\t14\n904\t4\t86\t10\t14\t67\t19\t15\t47\t38\t25\t43\t32\n908\t8\t71\t21\t10\t54\t36\t19\t45\t36\t31\t37\t32\nTn Tabelle XIII tritt die absolute Mitte gl\u00e4nzend hervor. Selbstverst\u00e4ndlich, denn sie ist identisch mit der grofsen Sekunde, der musikalischen Mitte innerhalb der grofsen Terz. Bei den u- und o-Werten auch wieder die fr\u00fchere Erscheinung. Wir k\u00f6nnen so auch die regelm\u00e4fsigen TJnregelm\u00e4fsigkeiten erkl\u00e4ren.\nIn Tabelle XIX liegt das Maximum der m nur einmal bei 900, aber in den \u00fcbrigen Reihen nicht weit davon und ziemlich gleichm\u00e4fsig nach oben und unten, so dafs das Gesamtergebnis ebenfalls der absoluten \u2014 und in gleichem Mafse der musikalischen Mitte g\u00fcnstig ist.\ne) Grofse Sekunde.\nTab. XIV (256 : 288 = 8 :9). W\u00fcndt Nr. 8.\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n264\t100\t\t\t\t\t100\t\t\t\t\t100\t\u2014\t\u2014\t98\t\u2014\t2\n268\t66\t32\t2\t82\t4\t14\t46\t40\t14\t82\t14\t4\n272\t29\t68\t3\t44\t42\t14\t1\t89\t10\t29\t59\t12\n276\t18\t62\t20\t12\t60\t28\t2\t64\t34\t12\t60\t28\n280\t\u2014\t4\t96\t2\t14\t84\t\u2014\t22\t78\t\u2014\t\u2014\t100\nDie absolute Mitte tritt gut hervor, doch erh\u00e4lt auch die darauffolgende Taste erhebliche Zahlen, besonders bei der Zeitfolge II (entgegen der W\u00fcNDTschen Regel). Musikalische Mitte ist hier der Halbton, also 256 .\t= 273. Diese Zahl\nist am Tonmesser nicht vorhanden, die n\u00e4chste vorhandene\n29\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie.","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nC. Stumpf.\nist 272 \u2014 die absolute Mitte. Vielleicht stehen mit dem Umstand, dafs die musikalische Mitte ein wenig h\u00f6her liegt, auch die erheblichen Zahlen der n\u00e4chstfolgenden Taste in Zusammenhang.\nf) Kleine Sekunde.\nTab. XV (480 : 512 = 15 : 16). Wundt Nr. 9.\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n488\t92\t8\t\t\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t94\t2\t4\n492\t70\t30\t\u2014\t94\t6\t\u2014\t72\t22\t6\t80\t14\t6\n496\t10\t85\t5\t42\t50\t8\t16\t70\t14\t15\t68\t17\n500\t10\t22\t68\t4\t58\t38\t10\t28\t62\t6\t32\t62\n504\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t2\t98\t2\t12\t86\t2\t4\t94\nBei Tonunterschieden innerhalb einer kleinen Sekunde sind reine Distanzurteile m\u00f6glich, weil hier eine musikalische Mitte f\u00fcr unser Bewufstsein nicht gegeben ist. Aber hier m\u00fcfsten viel feinere Unterschiede zum Versuch benutzt werden, als die des Tonmessers mit 4 Schwingungen Differenz. Auf diesem liegen ja zwischen 380 und 512 \u00fcberhaupt nur 7 Tasten.\nDa ist es kein Wunder, wenn sich die meisten Urteile auf die mittlere vereinigten (bei P II auf die n\u00e4chsth\u00f6here, wieder im Gfegesatz zu Wundts Hegel). Eher ist es erstaunlich, dafs doch sogar die T\u00f6ne 484 und 508, die den Grenzt\u00f6nen unmittelbar benachbarten Tasten, noch Stimmen erhalten, dafs 484 noch 3mal f\u00fcr die Mitte zwischen 480 und 512 gehalten werden konnte1 und dafs dem Ls in 5 F\u00e4llen (10 %) der Ton 484 n\u00e4her an 512 als an 480 schien. Das deutet auf eine Unsicherheit des Distanzurteils, die nicht einmal ich bei Ge\u00fcbten f\u00fcr m\u00f6glich gehalten h\u00e4tte.\nWir bemerken noch, dafs auch im vorigen Falle e) nur 7 Tasten zwischen 256 und 288 lagen, und dafs bei e) wie f) die absolute auch mit der relativen Mitte (nach der oben S. 424 begr\u00fcndeten Eeduktion) zusammenf\u00e4llt.\n1 Da die 4 m bei P I und die 2 m bei Lz II als Prozentzahlen zu verstehen sind und die wirkliche Gesamtzahl der Urteile hier immer 50 betrug, so waren die wirklichen Urteilszahlen 2, bez. 1.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistangen.\n437\nZweite Gruppe: T und H bilden musikalische Intervalle \u00fcber eine Oktave.\ng) Grofse None.\nTab. IV (48 :108 = 4 : 9).\nMv\tLz\t\t\t\t\t\tM\t\t\t\t\t\n70\t93\t6\t1\t93\t\u2014\t7\t90\t10\t\u2014\t90\t5\t5\n72\t86\t8\t6\t63\t9\t28\t58\t25\t17\t65\t27\t8\n74\t91\t7\t2\t94\t3\t3\t67\t15\t18\t47\t28\t25\n76\t87\t10\t3\t75\t10\t15\t35\t28\t37\t25\t42\t33\n78\t73\t20\t7\t49\t29\t22\t10\t38\t52\t18\t52\t30\n80\t55\t38\t7\t20\t85\t45\t\u2014\t30\t70\t10\t27\t63\n82\t17\t44\t39\t5\t24\t71\t\u2014\t5\t95\t5\t12\t83\nJ\\lv\tPs\t\t\t\t\t\tB\t\t\t\t\t\n70\t90\t5\t5\t90\t5\t5\t78\t22\t\u2014\t95\t5\t\u2014\n72\t80\t5\t15\t58\t37\t5\t58\t40\t2\t80\t20\t\u2014\n74\t68\t5\t27\t68\t10\t22\t75\t25\t\u2014\t95\t5\t\u2014\n76\t68\t\u2014\t32\t52\t8\t40\t70\t30\t\u2014\t83\t12\t5\n78\t27\t18\t55\t32\t10\t58\t55\t45\t\u2014\t65\t20\t15\n80\t13\t5\t82\t17\t23\t60\t15\t75\t10\t45\t35\t20\n82\t7\t3\t90\t2\t18\t80\t2\t53\t45\t15\t40\t45\nBei der None bietet sieb eine musikalische Mitte wenige bestimmt und eindeutig dar, als bei den Intervallen a) bis e). Am meisten wird man geneigt sein, zwischen G und d vom musikalischen Standpunkt G als Mitte anzusehen, da es mit beiden eine Quinte bildet und die indirekte Verwandtschaft von C und d haupts\u00e4chlich vermittelt. Dies w\u00fcrde hier dem Ton 72 entsprechen. Doch hat auch \u00c4. etwas f\u00fcr sich, da es ebenfalls mit C und d direkt verwandt ist (konsoniert) und darum die indirekte Verwandtschaft ebenfalls vermittelt, auch nicht allzunah an einem der Grenzt\u00f6ne liegt (w\u00e4hrend F doch zu offenbar n\u00e4her an C liegen w\u00fcrde). Dies w\u00e4re der Ton 80. Das Urteil wird also zwischen 72 und 80 schwanken und bei dieser Schwankung auch vielfach den zwischen beiden liegenden","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nG. Stumpf.\nT\u00f6nen zufallen. In der That finden wir ein sehr betr\u00e4chtliches Schwanken der Maximalwerte von m, sogar zwischen 72 und 82. 72 ist aufserdem durch ein fast in allen Reihen sehr merkliches (auch von Lorenz S. 95 bemerktes) relatives Maximum ausgezeichnet; die m-Zahlcn steigen beim \u00dcbergang von 70 zu 72 sehr auffallend, um dann wieder zu sinken.\nIm ganzen erf\u00fcllen diese Reihen die oben aufgestellten Bedingungen \u00e4ufserst unvollkommen. Sogar die Abnahme der u- und die Zunahme der o-Werte erfolgt mit bedeutenden Unstetigkeiten. Das Maximum der m liegt nicht blofs sehr ungleich, es ist auch fast immer nur klein (bei Ps I = 18!), so zwar, dafs es von den nebenstehenden u oder o \u00f6fters ganz bedeutend \u00fcbertroffen wird, und die 3 Kolumnen greifen auf weiter Strecke ineinander \u00fcber. Alles Zeichen grofser Unsicherheit. Am traurigsten sieht die Tabelle bei Ps und B aus.\nEs bleibt noch zu erkl\u00e4ren, warum die Mitte doch viel mehr gegen 80 als gegen 72 hin gelegt wurde, w\u00e4hrend letzterer Ton vorzugsweise als musikalische Mitte erscheint. Diese Neigung scheint in der That mit Distanzverh\u00e4ltnissen zusammenzuh\u00e4ngen. Ich erw\u00e4hnte, dafs mir schon vor \"Wundt und Lorenz die Quinte nach unten als Distanz betrachtet etwas kleiner als die nach oben und so jedes Intervall nach oben hin (bis etwa zur dreigestrichenen Oktave) an Distanzgr\u00f6fse zuzunehmen schien. Ist dies richtig, so wird hier und \u00fcberall, wo die musikalische Mitte ein nach beiden Seiten identisches Intervall bildet, die Empfindungsmitte mehr nach oben von dem musikalischen Mittelton liegen. Aus unserer Tabelle w\u00fcrde ich dies wegen ihrer schlechten Beschaffenheit nicht gerade erschliefsen, aber sie bietet immerhin f\u00fcr das vorher bereits Wahrscheinliche eine gewisse Best\u00e4tigung. Wo die Empfindungsmitte genauer liegt, das lehrt auch sie nicht.\nh) Oktave -j- Quinte (Duodecime).\nMusikalisch ist der hervorragendste Zwischenton hier zweifellos die Oktave, z. B. zwischen C und g das c. Aber eine musikalische Mitte in dem oben definierten Sinne bildet er nicht, da die Distanzen C\u2014c und c\u2014g doch zu offenbar verschieden sind. Wir haben also wieder grofse Schwankungen zu erwarten. Und sie sind da, sowohl in der Lage des m-Maximums, als im sonstigen Gang der Werte (noch besser an","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n439\nTab. II (34:102=1:3).\nm;\tLz\t\t\t\t\t\tM\t\t\t\t\t\n66\t88\t10\t2\t68\t12\t20\t50\t30\t20\t45\t37\t18\n68\t87\t13\t\u2014\t49\t14\t37\t38\t25\t37\t30\t42\t28\n70\t59\t30\t11\t21\t33\t46\t37\t18\t45\t37\t35\t28\n72\t36\t39\t25\t5\t16\t79\t8\t10\t82\t15\t30\t55\n74\t47\t34\t19\t5\t24\t71\t3\t12\t85\t\u2014\t22\t78\n76\t47\t43\t10\t3\t23\t74\t\u2014\t5\t95\t2\t13\t85\n78\t24\t44\t32\t4\t32\t64\t10\t10\t80\t10\t10\t80\nMr\tPs\t\t\t\t\t\tB\t\t\t\t\t\n66\t83\t7\t10\t68\t15\t17\t77\t23\t\t\t88\t12\t\t\n68\t38\t25\t37\t8\t70\t22\t63\t32\t5\t85\t15\t\u2014\n70\t15\t5\t80\t12\t10\t78\t60\t35\t5\t90\t8\t2\n72\t5\t\u2014\t95\t\u2014\t\u2014\t100\t45\t38\t17\t30\t48\t22\n74\t\u2014\t2\t98\t3\t12\t85\t17\t65\t18\t50\t35\t15\n76\t2\t\u2014\t98\t2\t5\t93\t13\t57\t30\t35\t45\t20\n78\t\u2014\t20\t80\t\u2014\t7\t93\t\u2014\t80\t20\t20\t50\t30\nder vollst\u00e4ndigen Originaltabelle ersichtlich) ; auch die H\u00f6he des Maximumwerts ist wieder fast \u00fcberall recht gering. Kurz, es l\u00e4fst sich nichts entnehmen. Spr\u00e4che aber doch etwas f\u00fcr die absolute Keizmitte, so spr\u00e4che es auch f\u00fcr den musikalischen Zwischenton, denn beide fallen hier zusammen.\nNur eins ist wieder merkw\u00fcrdig: die Neigung, die Mitte noch h\u00f6her als 68 (Oktave) zu legen. Dem Ton 78, welchem eine merkliche Bevorzugung zu teil wird, entspricht (f\u00fcr C als Grrundton) ungef\u00e4hr es, genauer dis. Es scheint schwer begreiflich, wie man dazu kommt, diesen Ton als Mitte zwischen C und g aufzufassen ; jeder mag es am Klavier versuchen. Ja, Lz bezeichnete sogar noch den Ton 84 in 40 %, den Ton 86 in 28 %> der F\u00e4lle als Mitte (in dem mitgeteilten Bruchst\u00fcck nicht ersichtlich). Das w\u00e4re etwa e, die grofse Decime des unteren Grrenztons.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nC. Stumpf.\nNun handelt es sich hier nicht um C und g selbst, sondern um viel tiefere T\u00f6ne; der Grundton 34 ist etwa Best (in der Kontraoktave), und ich halte es nicht f\u00fcr unwahrscheinlich, dafs in dieser Tiefe die Distanzen sich so rasch verkleinern, dafs die Empfindungsmitte der Duodecimo, in reinem Distanzurteil aufgefafst, sich dem h\u00f6heren Ton mehr n\u00e4hern mufs als bei Duodecimen der mittleren Region.1\nDoch auch mit Bes1 und As als Grenzt\u00f6nen will einem die Wahl von E oder F, der kleinen oder grofsen Decime, als Mitte fast unm\u00f6glich scheinen. Und so gedachte ich eben diese Ausschweifungen des Urteils als unl\u00f6sliches R\u00e4tsel auf sich beruhen zu lassen \u2014 als sich auf. dem alten Wege die Erkl\u00e4rung darbot. Diese tiefen Zungen des Tonmessers haben \u00fcberaus starke Obert\u00f6ne, und es ist eine bekannte Erscheinung, dafs man den Grundton hier mit seinem ersten Oberton verwechselt, also eine Oktave h\u00f6her taxiert. Wurde nun Desl als Bes gefafst, so war zwischen Bes und As die musikalische Drei-klangs-Mitte F. Kleine und grofse Terz {JE und F) sind in dieser Tiefe von nicht besonders Ge\u00fcbten leicht zu verwechseln. So wird das Unm\u00f6gliche wenigstens m\u00f6glich.\ni) Oktave -f- kleine Sexte.\nTab. III (40 : 128 = 5 : 16).\nMv\tLz\t\t\t\t\t\tM\t\t\t\t\t\n82\t73\t26\t1\t34\t19\t47\t25\t38\t37\t20\t35\t45\n84\t70\t25\t5\t26\t39\t35\t18\t42\t40\t7\t35\t58\n86\t64\t30\t6\t14\t30\t56\t13\t30\t57\t\u2014\t33\t67\n88\t47\t36\t17\t8\t9\t83\t15\t17\t68\t5\t17\t78\n90\t23\t43\t34\t1\t2\t97\t5\t2\t93\t2\t8\t90\n92\t25\t35\t40\t1\t8\t91\t5\t7\t88\t\u2014\t10\t90\n94\t8\t20\t72\t\u2014\t\u2014\t100\t20\t10\t70\t\u2014\t\u2014\t100\n96\t8\t24\t68\t-\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t10\t10\t80\n1 Nach Ltjfts Versuchen w\u00fcrde allerdings von der grofsen Oktave zur Kontraoktave die Unterschiedsempfindlichkeit, von welcher die Distanzsch\u00e4tzung abh\u00e4ngig zu sein scheint, zunehmen. Aber in diesem Punkte sind seine Angaben stark unsicher (s. m. Tonpsych. II 553).","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n441\nMv\tPs\t\t\t\t\t\tB\t\t\t\t\t\n82\t68\t2\t30\t55\t25\t20\t50\t45\t5\t63\t30\t7\n84\t42\t25\t33 |\t15\t30\t55\t58\t40\t2\t53\t30\t17\n86\t22\t18\t60 |\t10\t42\t48\t43\t42\t15\t35\t45\t20\n88\t5\t2\t83\t8\t2\t80\t33\t40\t27\t28\t40\t32\n80\t2\t\u2014\t88\t5\t5\t80\t32\t35\t33\t8\t25\t67\n82\t2\t\u2014\t88\t5\t5\t80\t15\t50\t35\t\u2014\t30\t70\n84\t10\t\u2014\t80\t\u2014\t\t100\t\u2014\t50\t50\t\u2014\t20\t80\n86\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t50\t50\t\u2014\t10\t80\nDieses grofse Intervall enth\u00e4lt keinen Z-wischenton, der einer gebr\u00e4uchlichen harmonischen oder melodischen Kombination entspr\u00e4che. Am ehesten noch allenfalls die Oktave des h\u00f6heren Grenztons, z. B. zwischen c und as1 das as. Auf dieses wird man beim Singen am leichtesten verfallen und es bei der Wiederholung am leichtesten treffen. Aber es liegt doch zu \u2022offenbar n\u00e4her am unteren Grenzton und wird darum nicht einmal musikalisch als eigentliche Mitte angesehen werden. \u00dcbrigens wurde in den Versuchen der entsprechende Ton (64) gar nicht dargeboten.\nSo finden wir denn die Schwankungen wieder sehr bedeutend. Aber auch wieder dieselbe Merkw\u00fcrdigkeit: mit Vorliebe werden T\u00f6ne als Mitte bezeichnet, die nicht blofs von jenem musikalischen Zwischenton, sondern auch von der absoluten Reiz-mitte nach oben hin liegen, und die man in keiner Weise als Mitte w\u00fcrde gelten lassen, wenn man den Versuch etwa am Klavier in der mittleren Kegion ausf\u00fchrte. Der Ton 96, welcher dem Beobachter B noch in 50\u00b0/o F\u00e4llen als Mitte erschien, entspricht z. B. bei c und as1 als Grenzt\u00f6nen dem es1. Ja, sogar der Ton 102, der etwa dem e1 entspr\u00e4che, wurde von diesem Beobachter noch 30 % mal, von Lz 12 %> mal als Mitte beurteilt. Das erscheint wieder ganz unm\u00f6glich. Die obige Erkl\u00e4rung greift aber auch hier Platz : die Versuche spielten in der allertiefsten Kegion, der tiefe Grenzton 34 = Et wurde als seine Oktave E aufgefafst. In der so entstehenden kleinen Sexte E\u2014c ist aber der mittlere Accordton des Durdreiklangs G \u2014 96.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nC. Stumpf.\nk) Doppeloktave.\nTab. XX (64 : 256 = 1 : 4).\nMv\tLz\t\t\t\t\t\tM\t\t\t\t\t\n160\t48\t38\t14\t38\t13\t49\t20\t25\t55\t38\t28\t34\n164\t54\t33\t13\t20\t8\t72\t18\t32\t50\t25\t28\t47\n168\t47\t25\t28\t12\t15\t73\t8\t30\t62\t20\t13\t67\n172\t40\t40\t20\t8\t2\t90\t8\t8\t84\t10\t15\t75\n176\t17\t25\t58\t2\t8\t90\t2\t8\t90\t8\t8\t84\nTab. XXI (128:612 = 1 : 4).\nMt\tLz\t\t\t\t\t\tM\t\t\t\t\t\n320\t62\t30\t8\t35\t13\t52\t30\t13\t57\t75\t17\t8\n324\t70\t25\t5\t13\t30\t57\t13\t13\t74\t58\t15\t27\n328\t60\t27\t13\t5\t27\t68\t8\t10\t82\t52\t18\t30\n332\t50\t32\t18\t17\t23\t60\t2\t15\t83\t30\t15\t55\n336\t8\t50\t42\t\u2014\t10\t90\t2\t8\t90\t35\t27\t38\n340\t40\t27\t33\t2\t15\t83\t5\t10\t85\t27\t28\t45\n344\t10\t40\t50\t\u2014\t\u2014\t100\t10\t40\t50\t20\t20\t60\n348\t20\t\u2014\t80\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t\u2014\t100\t40\t30\t30\nTab. XXII (256 :1024 = 1 : 4).\nMt\t\t\tI\t2\t\t\tM\t\t\t\t\t\n640\t78\t17\t5\t32\t13\t55\t8\t12\t80\t35\t25\t40\n644\t87\t8\t5\t40\t20\t40\t18\t10\t72\t30\t15\t55\n648\t75\t13\t12\t15\t17\t68\t25\t17\t58\t57\t10\t33\n652\t63\t20\t17\t\u2014\t15\t85\t32\t10\t58\t50\t8\t42\n656\t30\t28\t42\t\u2014\t13\t87\t5\t2\t93\t23\t20\t57\n660\t32\t15\t53\t\u2014\t2\t98\t7\t8\t85\t30\t20\t50\n664\t30\t\u2014\t70\t10\t30\t60\t\u2014\t10\t90\t20\t\u2014\t80\n668\t20\t\u2014\t80\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t10\t90\t\u2014\t\u2014\t100\n672\t\u2014\t10\t90\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t15\t85\t\u2014\t20\t80\n676\t30\t\u2014\t70\t\u2014\t\u2014\t100\t\u2014\t20\t80\t40\t\u2014\t60","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n443\nEine musikalische Mitte ist hier aufs unzweideutigste gegeben in der Oktave. Ahe Welt hatte darum, solange man zwischen Distanz und Intervall nicht unterschied, die Oktaven als gleich grofse Distanzen bezeichnet, und jeder theoretisch Unvorbereitete thut es noch heute. Dies ist ja der st\u00e4rkste Beweis f\u00fcr die Gewalt der musikalischen Erfahrungen.\nWenn nun trotzdem die Oktave in Tab. XX und XXI (in XXII wurde sie nicht vorgelegt) fast in keinem einzigen Fall als Mitte anerkannt wurde, so ist klar, dafs man sich diesmal, wo die Versuchung s. z. s. am nacktesten herantrat, ausdr\u00fccklich und kr\u00e4ftig dagegen gestemmt hat, w\u00e4hrend man ihr in den fr\u00fcheren F\u00e4hen, wo sie versteckter auftrat oder (wie beim Dreiklang) nicht viel Spielraum liefs, unterlag. Dies ist das Erste, was sich aus den Tabehen erkennen l\u00e4fst.\nDas Zweite ist aber, dafs mit Aufgabe jenes St\u00fctzpunkte\u00bb das Urteil fast ganz seinen Halt verlor: Zeichen dessen die jammer w\u00fcrdigen Schwankungen der Lage des Maximums, besonders in den zwei letzten Tabellen, und die sonstigen Un-regelm\u00e4fsigkeiten jeder Art, die in den vollst\u00e4ndigen Tabellen noch krasser hervorspringen. Da folgen sich z. B. in XXI unter M I die m-Werte: 0, 0, 20, 15, 5, 20, 10, 0, 13, 13, 10, 15, 8, 10, 40, 0, 0, 0. \u00c4hnlich XXII unter Ls I u. s. f. Man erh\u00e4lt den Eindruck, dafs das Maximum nur zuf\u00e4hig da liegt, wo es liegt. Und welche Maxima! Das gr\u00f6fste in allen drei Tabellen ist 50, in der letzten Tabelle 30. Das heifst, im g\u00fcnstigsten Fall wurde der bez\u00fcgliche Ton eben so oft f\u00fcr die Mitte als nicht f\u00fcr die Mitte erkl\u00e4rt.\nDrittens l\u00e4fst sich erkennen, dafs die T\u00f6ne, denen das Maximum zufiel, fast durchgehends \u00fcber der absoluten Reiz-mitte liegen. Beweisen die Zahlen hier \u00fcberhaupt etwas, so beweisen sie gegen die Theorie Wundts und des Verfassers.\nDie Urteile, welche zum Vorschein kommen, sind im einzelnen wieder oft sehr schwer begreiflich; z. B. dafs in Tabelle XXII sogar 676 = etwa f2 von dem Beobachter M noch 20 % mal f\u00fcr die Mitte zwischen c1 und c3, 40 % mal sogar f\u00fcr n\u00e4her an c1, auch von Ls 30% mal f\u00fcr n\u00e4her an c1 erkl\u00e4rt werden konnte.\nEs ist nicht anzunehmen, dafs hier wieder f\u00fcr den tieferen Grenzton dessen Oktave eingetreten sei. Denn gerade diese Tabehe bezieht sich auf T\u00f6ne der mittleren Region ; auch w\u00e4re","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nC. Stumpf.\ndann eine noch, st\u00e4rkere Verschiebung zu erwarten. G-leichwohl d\u00fcrften die Obert\u00f6ne auch hier die Schuld tragen, indem sie die Klangfarbe erhellen und dadurch den Klang scheinbar erh\u00f6hen. Diese Wirkung mufste sich bei dem tieferen Grenzton viel mehr geltend machen, weil dessen s\u00e4mtliche Obert\u00f6ne bis zum 8. (c2 *\u2014e4) in die am st\u00e4rksten h\u00f6rbare Kegion fallen, w\u00e4hrend bei dem h\u00f6heren Grenzton nur der erste (e4) besonders stark war (vgl. Tonpsychol. II 289). Wurde nun der tiefere Grenzton scheinbar h\u00f6her, so mufste auch die Empfindungsmitte scheinbar gegen den h\u00f6heren zu r\u00fccken. In geringerem Mafse gilt dies auch bei Tab. XX und XXI, da tiefere Kl\u00e4nge eben im allgemeinen st\u00e4rkere Obert\u00f6ne haben als h\u00f6here.1 Wo die Empfindungsmitte aber in Wahrheit liegt, l\u00e4fst sich aus keiner entnehmen.\nDritte Gruppe: Nichtmusikalische Kombinationen.\n1) Verstimmungen der verminderten Quinte oder iiberm\u00e4fsigen Quarte.2\nTab. XI (820 : 448 = 5 : 7). Wundt Nr. 5.\nMr,\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n376\t78\t16\t6\t64\t32\t4\t20\t68\t12\t50\t44\t6\n380\t72\t6\t22\t38\t24\t38\t46\t28\t26\t46\t14\t40\n384\t27\t68\t5\t9\t80\t11\t4\t88\t8\t9\t80\t11\n388\t52\t22\t26\t36\t14\t50\t2\t76\t22\t16\t52\t32\n392\t30\t20\t50\t10\t8\t82\t4\t28\t68\t4\t44\t52\n1 Das n\u00e4mliche kann noch auf andere Tabellen, z. B. bei der None, neben den dort erw\u00e4hnten besonderen Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnden An-\nwendung finden.\ns Unter der \u00fcberm\u00e4fsigen Quarte verstehe ich hier den Tritonus,\nunter der verminderten Quinte dessen Umkehrung, also in der C-Tonart /\u2014h und h\u2014fl. So existieren jene Intervalle f\u00fcr das musikalische Bewufstsein. Mathematisch entsprechen ihnen die Verh\u00e4ltnisse 32 : 45 und 45:64.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n445\nTab. XII (340 : 476 ==5:7). Wundt Nr. 6.\nMv\tP\tj\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n400\t98\t1\t1\t63\t22\t15\t81\t14\t5\t50\t16\t34\n404\t85\t3\t12\t61\t11\t28\t45\t40\t15\t24\t16\t60\n408\t62\t25\t13\t25\t22\t53\t24\t50\t26\t13\t13\t74\n412\t59\t7\t34\tii\t3\t86\t12\t49\t39\t5\t14\t81\n416\t20\t1\t79\t\u2014\t\u2014\t100\t6\t30\t64\t\u2014\t3\t79\nTab. XVIII (620 : 868 = 5 : 7). Wundt Nr. 14.\nM*\tP\t1\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n728\t94\t5\t1\t77\t21\t2\t57\t36\t7\t62\t20\t18\n732\t92\t5\t3\t73\t15\t12\t41\t50\t9\t52\t17\t31\n736\t74\t13\t13\t56\t21\t23\t44\t33\t23\t47\t17\t36\n740\t63\t25\t12\t54\t16\t30\t30\t51\t19\t28\t22\t50\n744\t71\t13\t16\t56\t9\t35\t30\t43\t27\t27\t22\t51\nMv\tB\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n728\t43\t44\t13\t47\t38\t15\t40\t31\t29\t61\t23\t16\n732\t36\t43\t21\t38\t45\t17\t44\t25\t31\t55\t20\t25\n736\t27\t61\t12\t25\t54\t21\t29\t40\t31\t36\t39\t25\n740\t29\t56\t15\t25\t50\t25\t39\t27\t34\t44\t29\t27\n744\t34\t47\t19\t31\t46\t23\t37\t38\t25\t51\t20\t29\nNicbtmusikaliscbe Kombinationen werden gleiobwobl von jedem musik-infizierten Bewufstsein nacb musikalischen Gewohnheiten und Gesichtspunkten aufgefafst: sie werden mit den n\u00e4chstliegenden Intervallen identifiziert oder, wenn die Abweichungen von denselben merklich sind, eben als Verstimmungen oder Ann\u00e4herungen aufgefafst.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nC. Stumpf.\nIn obigen F\u00e4llen erscheint uns 5 : 7 als das Intervall der verminderten Quinte (z. B. c\u2014ges)1, und in diese wird die kleine Terz des G-rundtons (es) als Mitte erg\u00e4nzt, welche mit den Grenzt\u00f6nen einen verminderten Dreiklang darstellt. Das ist aber genau derselbe Ton, welcher der absoluten Beizmitte entspricht.\nOder man fafst 5 : 7 als \u00fcberm\u00e4fsige Quarte (c\u2014fis), welcher es sich mathematisch noch mehr n\u00e4hert als der verminderten Quinte (diese w\u00e4re z. B. 320 : 45579, jene 320 : 450, und der Ton 7 in der Tab. XI ist 448), obschon sie ja enharmonisch zusammenfallen. Die musikalische Mitte der \u00fcberm\u00e4fsigen Quarte ist wiederum die kleine Terz des Grundtons, es (oder die damit enharmonisch identische des oberen Tons, dis), welche mit den Grenzt\u00f6nen den oberen Dreiklang des allbekannten verminderten Septimenaccords bildet.\nDer Mittelton ist besonders in Tab. XI gut erkannt, in den beiden anderen mit einer kleinen Neigung nach unten, die bei den h\u00f6heren Schwingungszahlen weniger bedeutet, sich aber aus der leichten Vertiefung des oberen Grenztons gegen\u00fcber den wahren musikalischen Intervallen erkl\u00e4ren liefse, wenn diese Erkl\u00e4rung nicht allzu fein w\u00e4re \u2014 diese Tabellen sind ja \u00fcberhaupt nicht gut beschaffen. Bei XI sind dem Mittelton auch ungleich mehr Versuche gewidmet (350 gegen\u00fcber 50 bei den \u00fcbrigen T\u00f6nen), und es scheint, dafs durch die h\u00e4ufige Angabe dieses Tones die Erkenntnis desselben als der musikalischen Mitte immer mehr erleichtert wurde. Auch in allen anderen Tabellen, wo eine gleiche Beg\u00fcnstigung des Mitteltons stattfand, macht sich ein \u00e4hnlicher Einflufs bemerklich (VII, X, XIII, XIV, XV, XVI, XVII).\nAufser diesem Ton tritt in Tab. XI aber auch der Ton 360 (in unsrem Bruchst\u00fcck nicht enthalten) merklich hervor, was Lokenz selbst richtig darauf bezieht, dafs dieser Ton mit beiden Grenzt\u00f6nen musikalische Intervalle bildet. Er giebt n\u00e4mlich mit ihnen den oberen Dreiklang eines Dominantseptimenaccords in dritter Lage (c d fis).\n1 Der den Musiktheoretikern wohlbekannte Ton 7 (Kirnbergers Ton i, die \u201enat\u00fcrliche Septime\u201c), wird sogar manchmal im Dominant-septimenaccord, dessen oberen Teil der verminderte Dreiklang bildet wirklich statt der musikalischen Septime intoniert. In F\u00e4llen wie den gegenw\u00e4rtigen bleibt aber der Unterschied \u00fcberhaupt unmerklich.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n447\nTab. YI (176 : 240 = 11 :15). Wundt Nr. 13.\nMv\t\t\tP\t\t\tj\t\t\tLz\t\t\t\n200\t99\t\t\t1\t96\t3\t1\t98\t\u2014\t2\t86\t3\t11\n204\t95\t1\t4\t93\t2\t5\t93\t5\t2\t50\t5\t45\n208\t72\t28\t\u2014\t46\t44\t10\t81\t16\t3\t37\t23\t40\n212\t83\t2\t15\t59\t13\t28\t37\t47\t16\t8\t14\t78\n216\t51\t\u2014\t49\t50\t8\t42\t26\t33\t41\t2\t3\t95\n220\t6\t\u2014\t94\t17\t1\t82\t10\t14\t76\t1\t1\t98\n224\t4\t4\t92\t2\t2\t96\t4\t5\t91\t\u2014\t\u2014\t100\nMv\tB\t\t\t\t\t\tLn\t\t\t\t\t\n200\t79\t7\t14\t67\t29\t4\t47\t31\t22\t63\t31\t6\n204\t92\t4\t4\t50\t25\t25\t44\t37\t19\t56\t22\t22\n208\t57\t32\t11\t32\t46\t22\t28\t22\t50\t44\t25\t31\n212\t61\t14\t25\t4\t39\t57\t25\t25\t50\t28\t12\t60\n216\t14\t29\t57\t7\t18\t75\t19\t22\t59\t25\t22\t53\n220\t\u2014\t50\t50\t14\t7\t79\t12\t3\t85\t22\t16\t62\n224\t7\t50\t43\t4\t11\t85\t9\t3\t88\t9\t3\t88\nHier liegt eine weitere Vertiefung der \u00fcberm\u00e4fsigen Quarte vor, welche zwischen dieser und der reinen Quarte die Mitte h\u00e4lt (die reine Quarte von 176 ist 2342/s, die \u00fcberm\u00e4fsige 2471/a). Infolge der viel strengeren Anforderungen an die Reinheit von Konsonanzen als von Dissonanzen wird dieses Intervall nicht etwa schon als Quarte, sondern entschieden noch als \u00fcberm\u00e4fsige Quarte gefafst und daher die kleine Terz des Grundtons als Mitte angesehen, aber eine etwas vertiefte, weil das Intervall selbst doch auch merklich vertieft ist.\nDie kleine Terz w\u00e4re 211 Vs, die nach der Tiefe zun\u00e4chstliegende Taste des Tonmessers ist 208 : derselbe Ton, der auch die absolute Reizmitte bildet. Er erscheint in der Tabelle im grofsen und ganzen als Mitte. Aber auch die bedeutenden Schwankungen in der Lage und die geringe absolute Anzahl der Maximumwerte begreifen sich f\u00fcr uns vollkommen, w\u00e4hrend es nicht begreiflich w\u00e4re, warum das reine Distanzurteil hier mehr Schwierigkeiten als sonst finden sollte.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nC. Stumpf.\nTab. XVI (296 : 424 == 37 : 53). Wpndt Nr. 10,\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLs\t\t\t\t\t\n352\t88\t12\t\t\t54\t40\t6\t18\t74\t8\t64\t32\t4\n356\t76\t22\t2\t30\t54\t16\t20\t64\t16\t24\t54\t22\n360\t20\t79\t1\t3\t88\t9\t2\t94\t4\t9\t67\t24\n364\t18\t56\t26\t10\t48\t42\t2\t94\t4\t8\t54\t38\n368\t36\t24\t40\t44\t16\t40\t6\t56\t38\t26\t42\t32\nHier ist umgekehrt die verminderte Quinte etwas erh\u00f6ht sie w\u00e4re richtig = 421), aber noch weit von der reinen (444). Man wird also die kleine Terz des Grundtons hier ein wenig erh\u00f6ht als Mitte fassen. Die kleine Terz ist 355 75, die n\u00e4chste Taste 356, die n\u00e4chste merklich h\u00f6here aber 360, zugleich die absolute Mitte, die hier denn auch mit guter \u00dcbereinstimmung getroffen ist. Der Mittelton wurde aber hier nicht weniger als 400 mal vorgelegt, alle anderen nur je 50 mal (vgl. o. zu Tab. XI). Man kann diesen Einflufs der Vermehrung auch daraus erschliefsen, dafs bei Wundt (s. die Tab. oben S. 424) die Zahl 360 nur in 2 von den 4 Vertikalreihen (P II und Lz I) als Mitte angegeben ist, in den beiden anderen 364 und o56. Die Beobachtungen von P und Lz m\u00fcssen also inzwischen vermehrt und die bessere \u00dcbereinstimmung hierdurch erzielt\nworden sein.\nWir finden in dieser Tabelle, wie auch in der vorigen und in XI, zugleich dieselbe Erscheinung in den u- und o-Reihen, die bei der reinen Quinte auffiel: die sonst ziemlich stetige Ab-und Zunahme erleidet bei 360 (bz. 208, 384) mehr oder weniger bedeutende Unterbrechungen : eine weitere Auszeichnung dieser T\u00f6ne, welche sich nicht aus reinen Distanzurteilen, sehr wohl aber aus der harmonischen Bedeutung der T\u00f6ne begreift.\nm) Verstimmung der kleinen Terz.\nTab. XVII (388 : 468 = 97 :117). Wunpt Nr. 11.\nMv\tP\t\t\t\t\t\tLz\t\t\t\t\t\n424\t58\t34\t8\t70\t22\t8\t50\t44\t6\t24\t68\t8\n428\t19\t74\t7\t11\t78\t11\t23\t71\t6\t6\t85\t9\n432\t20\t68\t12\t8\t54\t38\t14\t74\t12\t12\t66\t22","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n449\nWir haben hier eine etwas zu grofse kleine Terz (rein w\u00e4re sie bei 465,6), aber die Abweichung ist sehr gering. Bei der n\u00e4chstniedrigeren Taste des Tonmessers w\u00fcrde das Intervall schon zu klein ausfallen. Kleine Terzen von so geringer Unreinheit h\u00f6ren wir fortw\u00e4hrend in der Musik. Eine musikalische Mitte hat aber die kleine Terz nicht. Zwischen c und es liegen d und des (cis), das erstere aber offenbar n\u00e4her an es,, das letzere an c. Hier\u00fcber und insoweit l\u00e4fst uns das reine Distanzurteil nicht im Zweifel. Man wird also die Mitte zwischen d und des suchen, hier mit entschiedener, durch die Umst\u00e4nde aufgen\u00f6tigter Emancipation von den musikalischen Intervallen, dennoch aber geleitet durch die beiden anstofsenden musikalischen T\u00f6ne, die Skylla d und die Charybdis des, die nat\u00fcrlich auch nicht unter diesen Buchstabenzeichen, wohl aber als T\u00f6ne vorgestellt werden, d w\u00e4re 43672, unter den Tasten des Tonmessers also 436; des w\u00e4re 414, unter den Tasten also-412 oder 416. Zwischen 436 und 416 liegt in der That die Taste, auf welche die meisten m-Sch\u00e4tzungen entfielen, 428. Kleine Ausbiegungen der \u00bb\u00ab-Kurve bei 416 (P I und II) und 436 (Lz II) scheinen \u00fcbrigens auch direkt auf die Anziehungskraft der Skylla und Charybdis hinzudeuten. \u00dcbrigens ist die Heiz-mitte 428 hier auch wieder weit h\u00e4ufiger vorgelegt worden.\nZusammengefafst ergiebt sich :\n1.\tBei allen Intervallen, welche eine ausgesprochene musikalische Mitte besitzen, wurde dieselbe mit grofser Bestimmtheit als Empfindungsmitte bezeichnet, ausgenommen bei den Doppeloktaven.\n2.\tBei diesen, wo das Urteil sich energisch von dem musikalischen Eindruck emancipierte, und in allen F\u00e4llen, wo eine musikalische Mitte nicht eindeutig vorhanden war, ergaben sich starke Schwankungen des Urteils. Doch entsprachen in den letzteren F\u00e4llen den mehreren zwischenliegenden musikalisch ausgezeichneten T\u00f6nen gleichwohl h\u00e4ufig sekund\u00e4re Maxima. Bei den um eine Oktave vermehrten Quinten und Sexten machte sich die musikalische Mitte zwischen dem h\u00f6heren Grenzton und dem ersten Oberton des tieferen in solcher Weise geltend.","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nC. Stumpf.\n3.\tBei unmusikalischen Tonkombinationen wurde die musikalische Mitte des n\u00e4chstliegenden musikalischen Intervalls als Empfindungsmitte angegeben; doch auch hier mit gr\u00f6fseren Schwankungen als heil.\n4.\tWo \u00fcberhaupt eine gr\u00f6fsere Bestimmtheit des Urteils hervortrat, also wo eine musikalische Mitte deutlich vorhanden war, da waren es die musikalisch begabteren und ge\u00fcbteren Beobachter, welche diese bestimmten Urteile abgaben, w\u00e4hrend die Tabellen der Unmusikalischen die gr\u00f6bsten Schwankungen nnd Unregelm\u00e4fsigkeiten zeigen.\nKurz, bis in alle Einzelheiten werden uns die Tabellen verst\u00e4ndlich, wenn wir das musikalische Intervallbewufstsein im eigentlichsten Sinn als mais gebend betrachten.\nWenn irgend etwas, so ist dies durch Lorenz\u2019 Versuche bewiesen; wie es sich ja schon aus Wundts Referat deutlich erkennen liefs. Man mufs anerkennen, dafs Lorenz selbst auf diesen Einflufs an zahlreichen Einzelheiten aufmerksam macht und denselben in nicht weniger denn 15 Einzelreihen unverkennbar findet. Ich kann seinen Ausf\u00fchrungen dar\u00fcber (S. 94 f., ferner 66 f., 99 f.) nur zustimmen.\nLorenz meint jedoch aus einigen F\u00e4llen erschliefsen zu d\u00fcrfen, dafs die Klangverwandtschaft \u201esich doch nicht \u00fcberall geltend mache, wo die Verh\u00e4ltnisse der Schwingungszahlen es ihr gestatten\u201c, und f\u00e4hrt nun ganz in W\u00fcNDTschem Tone fort: \u201eDamit wird um so deutlicher die Thatsache bewiesen, dafs f\u00fcr die Auffassung der T\u00f6ne in erster Linie nicht die Verh\u00e4ltnisse der Schwingungszahlen, sondern die absoluten Unterschiede der Schwingungszahlen in Betracht kommen.\u201c (S.96.) Man traut seinen Augen kaum, wenn man nach so starken Zugest\u00e4ndnissen mit solcher Zuversicht und Allgemeinheit einen solchen Schlufs gezogen findet. Und was ist es, das diese Wendung bewirkt?\nErstlich die Tab. XIX (oben d). Hier k\u00f6nne von einem Einflufs des Ganztonintervalls nach den Versuchsergebnissen nicht die Rede sein. Warum nicht? Die Maximalwerte von m liegen alle um den Ganzton (900) herum, soweit sie nicht mit ihm zusammenfallen. Aufserdem, da die absolute Mitte der Schwingungszahlen ebenfalls 900 ist, so sind ja alle Schwankungen und Abweichungen vom Ganzton zugleich ebensolche von der absoluten Mitte!","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\t451\nZweitens sei auch, in einigen anderen Reihen, wo die Schwingungszahlen harmonische Verh\u00e4ltnisse, und zwar zum Teil sehr g\u00fcnstige und leicht erkennbare \u2014 wie in VIII und XI (oben a und b) \u2014 zum Teil solche von geringeren Graden der Klangverwandtschaft \u2014 wie in XII und XVIII (oben b), XX bis XXII (oben k) \u2014 bilden, der Einflufs dieser harmonischen Beziehungen aus den Versuchszahlen entweder gar nicht oder doch nicht in so auffallender Weise zu erkennen; \u201ed. h. die f\u00fcr die Reizmitte M erhaltenen Versuchsreihen (lies Versuchszahlen) sind zum Teil immer noch ausgezeichnet durch das Maximum der Sch\u00e4tzungen m oder durch das Verh\u00e4ltnis der Sch\u00e4tzungen u und o, sie stehen aber nicht in einem so auff\u00e4lligen Kontraste zu den Versuchszahlen der Nachbart\u00f6ne, wie bei den im Vorhergehenden erw\u00e4hnten Reihen.\u201c\nWir haben aber gesehen, dafs, wo immer ein irgend hervortretendes \u00ab\u00ab-Maximum in diesen Reihen sich findet, dasselbe allemal auch mit der musikalischen Mitte zusammenf\u00e4llt. Wo* die Reizmitte eine andere ist als diese, wie bei 1 :4 in XX bis XXII, da werden \u00fcberhaupt nur sehr niedrige Maximalzahlen erreicht und schwankt deren Lage hin und her. Nat\u00fcrlich ist dann auch der Kontrast zu den Urteilszahlen der Nachbart\u00f6ne geringer, da die Zahlen selbst geringer sind.\nDas sind die Beweise ! Das ist die Maus, die aus dem kreifsenden Berg von Versuchen herausspringt! Damit wir aber nichts \u00fcbersehen : es soll auch noch der Umstand f\u00fcr obigen Schlufs sprechen, \u201edafs \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse wie bei einigen der harmonischen auch bei einigen der vollst\u00e4ndig unharmonischen Reihen, z. B. in Tab. XIV, XV, XVII (oben e, f, m), wo allerdings nur verh\u00e4ltnism\u00e4fsig kleine Distanzen zur Vergleichung kamen, sich beobachten lassen.\u201c Dar\u00fcber verweise ich auf das oben zu diesen Reihen Gesagte.\nIII.\nDie eigent\u00fcmliche Betrachtungsweise m\u00fcssen wir noch ins Auge fassen, durch welche Lorenz seine Bestimmung der Empfindungsmitte \u201eetwas exakter\u201c zu gestalten glaubt und auf Grund deren er s\u00e4mtliche Tabellen umrechnet (S. 69 f.). Denn auch sie w\u00fcrde eventuell eine gr\u00f6fsere Tragweite besitzen. Lorenz subsumiert die gefundenen m-, u-, o-Urteile unter den Begriff der richtigen und falschen F\u00e4lle (r und f): Es\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie.\t30","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nG. Stumpf.\nsolle beurteilt werden, ob der Ton M in der Mitte zwischen T und R liegt oder nicht, und letzterenfalls, welchem er n\u00e4her liegt. Liegt er nun den Schwingungszahlen nach nicht in der Mitte, sondern dem tieferen n\u00e4her, so bezeichnet Lorenz die Sch\u00e4tzungen u als \u201erichtig\u201c (sc. objektiv richtig), die o als falsch, im umgekehrten Fall umgekehrt. Die Sch\u00e4tzungen m sind in beiden F\u00e4llen unrichtig. Lorenz rechnet sie aber zur H\u00e4lfte den richtigen, zur H\u00e4lfte den\n(7YI \\\nr\u2018 \u2014 r + y), mit Berufung auf die analoge\n(doch auch nicht ganz durchsichtige und nicht auf Distanz-vergleichungen bez\u00fcgliche) Behandlung der \u201eGleichheits- oder Nullf\u00e4lle\u201c durch Fechner.\nLiegt sodann der Zwischenton den Schwingungszahlen nach wirklich in der Mitte, so sind die m nat\u00fcrlich die objektiv richtigen Urteile. Gleichwohl werden sie wiederum halbiert, damit alles auf u oder o reduziert werde, und wird hier als Zahl der\nrichtigen F\u00e4lle r1 = u -f- \u2014 bestimmt.\nAlso wo die m falsch sind, werden sie zur H\u00e4lfte als richtige, und wo sie richtig sind, zur H\u00e4lfte als falsche gerechnet.\nDie Zahl welche hienach in den umgerechneten Tabellen an die Stelle der Zahlen m, u, o tritt, hat infolgedessen eine doppelte Bedeutung (S. 81). In den F\u00e4llen, wo der Zwischenton nicht in der Beizmitte liegt, giebt sie an, wievielmal unter 100 F\u00e4llen die den Schwingungszahlen nach kleinere Distanz f\u00fcr kleiner gehalten wurde, also die objektiv richtigen\n\u2022\t\u2022\t.\t7\u00ceZ\nUrteile, einschliefslich jedoch der \u2014- falschen. Bei der Beiz-\n\" \u00ab\nmitte aber giebt sie an, wie oft unter 100 F\u00e4llen eine der beiden und zwar die tiefere Distanz als die kleinere aufgefafst\nwurde, also die objektiv falschen Urteile, einschliefslich der\nrichtigen. Das ist doch eine vertrackte Art, die Dinge zu behandeln. Die Begriffe von Bichtig und Falsch verlieren ja auf diesem Wege ganz ihren Sinn.\nDie Empfindungsmitte soll nun da liegen, wo r' \u2014 50, d. h. wo die eine Distanz ebenso oft (einschliefslich obiger (Fiktionen f\u00fcr kleiner wie f\u00fcr gr\u00f6fser gegen\u00fcber der anderen beurteilt werde. Aber welche B\u00fcrgschaft haben wir \u00fcberhaupt,","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Uber Vergleichungen von Tondistanzen.\n453\ndafs der so pr\u00e4parierte Wert r' irgend einmal die wahre oder auch nur wahrscheinliche Empfindungsmitte darstellt? Abgesehen von allen \u00fcbrigen Manipulationen liegt, soviel ich verstehe, schon im Ausgangspunkt eine Verwechselung oder Erschleichung. Es sollte doch beurteilt werden, ob der Ton subjektiv, f\u00fcr die Empfindung, in der Mitte liegt. Ob also ein Urteil in dieser Beziehung richtig oder falsch ist, das kann nicht durch sein Verhalten zur Mitte der Schwingungszahlen definiert werden; es sei denn unter der Voraussetzung, dafs die subjektive mit der objektiven Mitte zusammenf\u00e4llt, was doch erst bewiesen werden soll. Wenn wir die Empfindungsmitte schon kennen, so kann auf diesem Wege etwa bestimmt werden, wie fein das Urteil eines Beobachters ihr entspricht, wie grofs die Fehler sind, und es kann daraus vielleicht weiter auf die Unterschiedsempfindlichkeit geschlossen werden. Aber mit welchem Recht die Empfindungsmitte selbst so erschlossen werden k\u00f6nne, leuchtet nicht ein.\nNehmen wir einmal an, die Empfindungsmitte (E. M.) liege in der Tonreihe unterhalb der absoluten Reizmitte (R. M.\\ und es haben sich f\u00fcr einen Ton MVJ welcher zwischen E. M. und R. M. liegt,\nT E.M. M\u201e R.M.\tII\ndie Urteilsanzahlen ergeben: 20 u, 50 m, 30 o, so berechnet sich r' \u2014 20 -j- 25 = 45. Dies w\u00e4ren die \u201erichtigen F\u00e4lle\u201c : sie w\u00e4ren aber s\u00e4mtlich in Bezug auf die Empfindungsmitte falsch.\nNehmen wir an, dafs ein Beobachter ausschliefslieh und genau so, wie er empfindet, urteile, und dafs unter Voraussetzung der gleichen Lage von E. M. der ver\u00e4nderliche Ton M\u201e gerade mit Tl. M. Zusammenfalle, so w\u00fcrden sich ergeben : \u2014 u, \u2014m, 100 o. Danach r' \u2014 0: und doch w\u00e4ren alle Urteile in Bezug auf die Empfindungsmitte richtig.\nNun kann man sagen : r und f und r1 sind Buchstaben, algebraische Werte, und m\u00fcssen nicht auf die Begriffe von Wahr und Falsch bezogen werden. Sie sind nur rechnerische Hilfsmittel zur Vereinfachung der Tabellen. In der That ist eine Vereinfachung m\u00f6glich, da die dritte Kolumne nur das Complement der beiden ersten zu 100 ist und diese selbst durch die beiden, zun\u00e4chst dann allerdings willk\u00fcrlichen, For-\n30*","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nC. Stumpf.\nmein auf Eine gebracht werden k\u00f6nnen. Auch ist klar, d&fis in einer, wenn nicht idealen, doch sozusagen normalen (die oben S. 429 erw\u00e4hnten Bedingungen erf\u00fcllenden) Versuchsreihe bei der wirklichen Empfindungsmitte, wo sie auch liege, r\u2018 etwa = 50 sein mufs. Denn die u m\u00fcssen mit fortschreitendem M\u201e an diesem Punkte bis 0 oder nahe 0 abgenommen und die m bis 100 oder nahe 100 zugenommen haben. Insoweit wird\nVYh\nalso der Wert r\u2018 \u2014 u -|\u2014\u2014 faktisch verwendbar und zwar ohne\nEinf\u00fchrung der Beizmitte in die Definition.\nAber die Frage ist, ob dadurch die \u00dcbersicht und die Einsicht in den durch die Originaltabellen ausgedr\u00fcckten Sachverhalt nicht vielmehr leidet. Dies ist ganz entschieden der Fall. Denken wir uns in der u- und m-Kolumne einer Versuchsreihe folgende zusammengeh\u00f6rige Wertreihen: u \u2014 50, 40, 30, 20, 10, 0; m \u2014 0, 20, 40, 60, 80, 100: so wird f\u00fcr s\u00e4mtliche 6 verschiedene Mv r' = 50. Statt dafs also die Lage der Empfindungsmitte deutlicher hervortr\u00e4te, streitet sich nun eine ganze Zone von H\u00a3,-Werten darum.\nBei einer weniger normalen Versuchsreihe wird nicht f\u00fcr unmittelbar aufeinanderfolgende, aber f\u00fcr mehr oder weniger getrennte M, das gleiche r\u2018 herauskommen, und zwar auch gelegentlich r' = 50, und man wird es diesen F\u00e4llen dann in der umgerechneten Tabelle nicht mehr ansehen, aus wie verschiedenen Mischungen von u- und ^-Zahlen sie entstanden sind. Es werden also Spr\u00fcnge in den r'-Werten der neuen Tabellen auf-treten, die noch wunderlicher sind als alle in den alten, und uns zwingen, zum Verst\u00e4ndnis doch wieder auf diese zur\u00fcckzugehen.\nIn der That ergiebt sich dasselbe und noch mehr Inkonvenientes f\u00fcr Lorenz. Seine obigen, nicht eben einfachen Feststellungen gen\u00fcgen nicht, um in den einzelnen F\u00e4llen unzweideutig irgend eine Lage f\u00fcr die Empfindungsmitte herauszurechnen, sondern es werden eine Menge weiterer \u00dcberlegungen (S. 82 f.) n\u00f6tig, welche f\u00fcr die Gewissenhaftigkeit des Verfassers ein gutes Zeugnis ablegen, das Zutrauen zu seiner Methode aber nicht erh\u00f6hen : es mufs zwischen mehreren Pr\u00e4tendenten auf die Empfindungsmitte gew\u00e4hlt werden ; es wird aber auch umgekehrt, wo gar kein r' herauskommt, welches nahezu = 50 w\u00e4re, durch Interpolation eines hineingerechnet u. s. f.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\t455\nUnd schliefslich f\u00e4llt die General\u00fcbersicht der so f\u00fcr die Verschiedenen Grenzt\u00f6ne resultierenden Mitten (S. 85) teilweise noch weniger zu Gunsten der absoluten Beizmitte aus als die Urtabellen, z. B. bei Y, VI, XIX, wo der so erhaltene Wert sich von der absoluten Beizmitte bedeutend entfernt. Die drei letzten F\u00e4lle (XX\u2014XXII) erscheinen hier allerdings recht g\u00fcnstig f\u00fcr die absolute, sehr ung\u00fcnstig f\u00fcr die relative Mitte. Aber wir wissen ja, woran dies liegen kann; und zudem wird bei dieser Umrechnung alles, was zur Beurteilung des Zuverl\u00e4ssigkeitsgrades dient, alle Unterschiede der Schwankungen u. s. f. getilgt.\nIV.\nDie Ausdehnung der L\u00f6RENZschen Untersuchungen mag auch die Ausdehnung unserer Kritik rechtfertigen. Sie ist nicht zu lang, wenn sie allen denen, welche sich von einer solchen Milchstrasse von Zahlen imponieren lassen, zum hellsten Bewufstsein bringt, wieviel mehr auf genaue Kenntnis und Beachtung der eine Urteilsklasse beeinflussenden Faktoren ankommt, als auf die Anzahl der Versuche. Sachlich war dem Wesen nach nichts anderes zu sagen, als was ich bereits im I. Bande der Tonpsychologie vorausgesagt und worauf ich auch in einer Kritik der ganzen W\u00fcNDTschen Tonlehre (Viertel).-Sch. f\u00fcr Musihwiss. 1888. S. 540 f.) bei Erw\u00e4hnung der damals vorliegenden L\u00f6RENZschen Ergebnisse _ kurz hingewiesen hatte. Aber die Bemerkungen scheinen eben noch zu kurz gewesen zu sein.\nMehr noch als den Leser dieser Kritik, wenn sie zu lang ist, mufs ich jedenfalls den fleifsigen Experimentator bedauern, der mit \u00fcbelberatenem Eifer Jahre hindurch nebst seinen Genossen Zeit und Arbeitskraft verschwendete, wo doch von vornherein ein klares Ergebnis mit Klarheit ausgeschlossen war.\nDas Einzige, wof\u00fcr in positiver Beziehung aus einigen Tabellen eine schwache Vermutung sich ableiten liefs, dafs n\u00e4mlich die Empfindungsmitte (innerhalb der jeweilig untersuchten Tonregion) h\u00f6her als die relative Reizmitte liege, ist als Vermutung nicht neu ; und dafs es hier bewiesen w\u00e4re, l\u00e4fst sich angesichts des allgemeinen Zustandes jener Tabellen und der Versuchsumst\u00e4nde nicht behaupten.\nAuch das freilich haben wir gelernt, dafs hier, wenn irgendwo, Tadeln leichter ist als Bessermachen. Ich will aber","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nC. Stumpf.\nwenigstens noch hinzuf\u00fcgen, bezw. in Erinnerung bringen, wie ich mir Versuche \u00fcber Tondistanzen, wenn sie einige Aussicht auf Erfolg haben sollen, angestellt denke.\nVor allem nicht als blofse Massen versuche, am wenigsten durch eine Art Volksabstimmung, an der sich Musikalische und Unmusikalische gleichm\u00e4fsig beteiligen, sondern ausschliefslich mit musikalisch wohlgeschulten Beobachtern (wohlgeschult nat\u00fcrlich dem Geh\u00f6r nach, nicht der Technik nach). Unmusikalische, welche oft nicht einmal deutlich erkennen, ob T oder H der h\u00f6here Grenzton, oder welche wenigstens bei kleineren Ver\u00e4nderungen des Zwischentons nicht einmal erkennen, ob er h\u00f6her oder tiefer wird, k\u00f6nnen unm\u00f6glich irgend eine Sicherheit dar\u00fcber haben, ob er zwischen den Grenzt\u00f6nen in der Mitte liegt. Man w\u00fcrde fast ebenso zweckm\u00e4fsig durch Volksabstimmung ein\u00e8 Gleichung l\u00f6sen. Der Musikalische allein ist auch f\u00e4hig, in deutlicher Phantasievorstellung einen gegebenen Mittelton zu variieren und sich ein Urteil zu bilden, ob er durch Erh\u00f6hung oder Vertiefung der Mitte n\u00e4her kommen w\u00fcrde. \u00dcberdies haben Musikalische auch eo ipso eine \u00dcbung in wirklichen Distanzsch\u00e4tzungen. Welcher Konsonanztheorie man huldigen m\u00f6ge, immer wird man anerkennen m\u00fcssen, dafs die Intervalle nicht durch die Thatsachen der Konsonanz und Dissonanz allein im Bewufstsein charakterisiert sind und an deren Merkmalen wiedererkannt werden, sondern dafs Distanzurteile in das Intervallurteil mit eingehen. Ich will hier nicht von den exotischen Leitern reden, welche in viel gr\u00f6fserem Mafse als die unsrigen auf das Distanzprinzip gegr\u00fcndet sind (vgl. Helmholtz Tonempf. 4. Aufl. 423). Jeder Musikalische kann nicht umhin zu bemerken, dafs die kleine Terz dem Grundton n\u00e4her liegt als die grofse, wie ja auch der Name besagt; und selbst wenn der Unterschied beider Terzen ein Unterschied der Konsonanz ist, so spielt in unserem Bewufstsein doch der Distanzunterschied eine sehr wesentliche Bolle in der Auffassung und weiterhin auch in der Gef\u00fchlswirkung dieser Intervalle. Damit ist nicht behauptet, dafs die grofse Terz in allen Begionen die n\u00e4mliche Distanz bedeute, sondern nur dafs von einem Grundton aus, z. B. von c1, nach gleicher Bichtung grofse und kleine Terz ausschliefslich oder mit durch ihre Distanz voneinander unterschieden werden. Dem Unmusikalischen ist selbst diese leichteste Art der Dis-","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\t457\ntanz Vergleichung weniger oder gar nicht gel\u00e4ufig. Der Musikalische aber hat durch die hierin erlangte unfehlbare Sicherheit auch einen Vorsprung f\u00fcr andere Arten.\nDenkbar ist vielleicht ein Individuum, welches keine Anlage f\u00fcr Musik (genauer: f\u00fcr alles, was von Konsonanz und Dissonanz abh\u00e4ngt) und doch Anlage f\u00fcr Tonurteile in Hinsicht der blofsen H\u00f6henunterschiede bes\u00e4fse. Aber das unmusikalische Leben bietet wenig Veranlassung, diese Anlage auszubilden, das musikalische fort und fort; und diese zeitlebens fortgesetzte \u00dcbung kann schwerlich durch eine nachtr\u00e4gliche, und wenn auch Semester daraufgehen, ersetzt werden.\nZweitens mit psychologisch ad hoc einge\u00fcbten Beobachtern. Damit meine ich solche, die nicht blofs theoretisch den Unterschied von Verwandtschaft und Distanz klar erkennen, die auch nicht blofs im allgemeinen eine praktische \u00dcbung in wissenschaftlichen Sinnesurteilen erworben haben, sondern die eine grofse \u00dcbung speciellin der Abstraktion von den Verwandtschaftsverh\u00e4ltnissen besitzen. Dadurch mufs der Einflufs der musikalischen Gewohnheiten paralysiert werden, w\u00e4hrend doch die erzielte Feinheit des Geh\u00f6rs erhalten bleibt. Es giebt eine gr\u00f6fsere Anzahl von sinnespsyohologischen Untersuchungen (besonders auch im Earbengebiet), bei welchen gewisse Nebenumst\u00e4nde in Wirklichkeit nicht ganz beseitigt werden k\u00f6nnen und das einzige Mittel gegen ihren Einflufs in der Gew\u00f6hnung besteht, von ihnen abzusehen (vgl. Tonpsych. II, 141,322). Diese l\u00e4fst sich durch besondere \u00dcbung erwerben, in unserem Falle namentlich mit Hilfe von Vergleichungen eines und desselben Intervalles in verschiedenen Tonregionen. Dadurch kann man sich immer mehr gew\u00f6hnen, das innere Ohr von dem deutlich erkannten Verwandtschaftsverh\u00e4ltnis gleichwohl ausdr\u00fccklich ab- und dem reinen Distanzverh\u00e4ltnis zuzuwenden. Ein einziges Urteil eines solchen Beobachters wiegt mehr als tausend von Unmusikalischen und Unge\u00fcbten.\nDrittens mit stetiger Tonver\u00e4nderung. Der Beobachter selbst oder ein anderer mufs den Zwischenton so lange hin und her ver\u00e4ndern, bis er endgiltig gleich weit von den \u00e4ufseren entfernt scheint, und diese Ver\u00e4nderung mufs stetig erfolgen t\u00f6nnen. Dann allein sind genauere Bestimmungen m\u00f6glich, zumal bei kleineren Unterschieden-der Grenzt\u00f6ne. Es","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nG. Stumpf.\nkann auch der unterste und der Zwischenton fest gegeben und der obere Grenzton ver\u00e4nderlich sein, oder umgekehrt.\nViertens mit einfachen T\u00f6nen. Wir erw\u00e4hnten schon, dafs starke Obert\u00f6ne in mehrfacher Weise Einflufs gewinnen k\u00f6nnen, indem sie einen Klang mehr als den anderen erhellen und damit scheinbar in die H\u00f6he r\u00fccken, oder indem sie gar eine Verwechslung des Grundtons mit seiner h\u00f6heren Oktave bewirken. Besonders der erste Umstand macht bei gr\u00f6fseren Distanzen alle Versuche mit zusammengesetzten Kl\u00e4ngen, am meisten also mit Zungenkl\u00e4ngen, unrein. Es ist merkw\u00fcrdig, wie sich das Urteil \u00fcber die Distanz \u00e4ndert, wenn man zu einfachen oder auch nur nahezu einfachen Kl\u00e4ngen \u00fcbergeht. Dieselben zwei Grundt\u00f6ne scheinen eine weitere Distanz anzunehmen. Man pfeife mit dem Munde den h\u00f6chsten und den tiefsten Ton, den man hervorbringen kann (gew\u00f6hnlich etwa \u00df2\u2014c4, bei Ge\u00fcbten mehr) : sie machen den Eindruck einer gr\u00f6fseren Distanz als dieselben T\u00f6ne auf dem Klavier. Oder man vergleiche auf einem sehr milden Orgelregister (Hohlfl\u00f6te, Kohrfl\u00f6te, Eiauto amabile) einen Ton der eingestrichenen mit dem gleichnamigen der kleinen Oktave, so hat man den Eindruck als ob mehr als eine Oktave dazwischen l\u00e4ge. Man sch\u00e4tzt eben diejenigen T\u00f6ne, die man gew\u00f6hnlich nur mit zahlreichen Obert\u00f6nen zu h\u00f6ren bekommt, jetzt, wo sie von nur wenigen oder keinen Obert\u00f6nen begleitet sind, tiefer. Betr\u00fcge nun dieser Unterschied der scheinbaren H\u00f6he gleichviel, so w\u00fcrde sich die scheinbare Distanz nicht \u00e4ndern. So aber betr\u00e4gt er der Kegel nach f\u00fcr die h\u00f6heren T\u00f6ne weniger als f\u00fcr die tieferen, weil bei Instrumenten mit scharfen Kl\u00e4ngen die Zahl und St\u00e4rke der Obert\u00f6ne nach unten w\u00e4chst. Daher m\u00fcssen solche Instrumente uns ein verschobenes Bild der Distanzen darbieten. Dieselben werden nach unten immer mehr verk\u00fcrzt gegen\u00fcber den wahren Distanzen, d. h. denen der einfachen T\u00f6ne. Und dies mufs sieh besonders bei gr\u00f6fseren Distanzen geltend machen.\nHier lag die zweite konstante Fehlerquelle der LoRENZschen Versuche (neben der Einwirkung der Verwandtschaftsverh\u00e4lt-nisse)., deren Wirksamkeit uns in einigen F\u00e4llen besonders deutlich schien. Selbst wenn die Versuche unzweifelhaft ergeben h\u00e4tten, dafs wir gleiche Distanzen da annehmen, wo gleiche Sehwingungsunterschiede vorhanden sind, dafs also bei gleichem Intervall die Distanz nach oben immer mehr gr\u00f6fser","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergltichungen von Tondistanzen.\t4591\nerscheint, so k\u00f6nnte dieses Ergebnis immer noch auf dem obengenannten Umstand beruhen, und es w\u00fcrde \u00fcber die wahren Distanzen der Tonqualit\u00e4ten und gegen die FECHNERsche Formel in unserem Gebiet nichts gefolgert werden k\u00f6nnen.\nGleichwohl bin ich, wenn ich ausgef\u00fchrten Versuchen mit einfachen T\u00f6nen vorgreifen darf, nach bisherigen Beobachtungen der Meinung, dafs sich das FECHNERsche Gesetz auch da nicht bew\u00e4hren wird und dafs wirklich die Distanzen nach oben hin zu etwa c3 gr\u00f6fser werden.\nAber diese Vergr\u00f6fserung betr\u00e4gt ganz sicher nicht soviel, als sie nach Wundt betragen m\u00fcfste, der hier wie so manchmal einen richtigen Gedanken anderer falsch gewendet bezw. \u00fcbertrieben hat. Zwischen e1 und c3 bildet zwar nicht c2, aber sicherlich auch nicht e2 die Mitte, sondern beil\u00e4ufig d2. Zwischen c1 und g2 nicht c2, sondern beil\u00e4ufig b1. Zwischen cx und d2 nicht gl, sondern beil\u00e4ufig gis1.\nV.\nAufser der Feststellung der wirklichen Distanzverh\u00e4ltnisse unter den Tonqualit\u00e4ten hat nun aber auch die weitere Verfolgung jener, wenngleich falschen, Distanzauffassungen ein Interesse, welche aus Veranlassung bestimmter sonstiger Einfl\u00fcsse mit Regelm\u00e4fsigkeit unter gewissen Umst\u00e4nden eintreten. Wir h\u00f6rten oben von einer Regel hinsichtlich der Zeitfolge, die sich aber nicht allgemeiner best\u00e4tigte. Eine F\u00fclle bemerkenswerter Z\u00fcge liefert dagegen die Analyse des musikalischen Denkens. Rur andeutungsweise m\u00f6chte ich Einiges beif\u00fcgen.\nEine Reihe musikalischer Kenntnisse \u00fcber die Gleichheit zweier Intervalle (z. B. Quinten) als solcher, vielleicht auch die Gleichheit der Distanzen auf dem Klavier u. s. f. bewirken die erste Abweichung von der richtigen Auffassung der Empfindungen: die Intervalle gleicher Art scheinen uns gegen die H\u00f6he nicht gr\u00f6fser zu werden, sondern gleich zu bleiben.\nErfahrungen und Vorstellungen anderer Art hingegen, wie die Verkleinerung der Griffe auf den Saiten-Instrumenten und besonders die geringere (scheinbare und wirkliche) Ausdehnung der h\u00f6heren T\u00f6ne und damit zusammenh\u00e4ngende Associationen, treiben noch weiter : das Tonreich scheint sich gegen oben immer mehr zu verkleinern. Eine in der h\u00f6heren Oktave wiederholte Melodie erscheint unter Beibehaltung der Distanz-","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nC. Stumpf.\nVerh\u00e4ltnisse doch hinsichtlich der absoluten Gr\u00f6fse der Schritte wie eine verkleinerte Kopie der urspr\u00fcnglichen. Diese T\u00e4uschung ist in wirklicher Musik, im musikalischen Zusammenhang sogar die herrschende, die vorige dagegen mehr bei der Vergleichung der Intervalle im isolierten Zustand. In Verbindung mit der Vorstellung des \u201eAufsteigern\u201c in der Tonreihe und des Zur\u00fcck-kehrens bei der Oktave f\u00fchrt sie zur Darstellung des Tonreiches als einer nach oben sich verj\u00fcngenden Wendeltreppe.\nFerner erleidet auch die musikalische Mitte zwischen zwei 'Grenzt\u00f6nen, wie sie oben definiert wurde, je nach den Umst\u00e4nden Verschiebungen.\n\tJt\t\u00df. -4- *1 \u00abu P-\t\t- p f *\u2022 V\t/Ts \u20140\u2014*' \u00ab\t!\t4\n\t\u20141\u2014J\u2014tf\u2014lj\u2014 V\t\t. tu p 1 -V\t\u2014q:|\n\u00dc\n4.-\n5.\nP\u2018-\n-P-\n\ne \u00ab\n----N-\n\nzZjzz'zz\u00c9zzl:\nBei 1. wird e2, bei 2. d2 als Tonmitte zwischen a1 und a2 aufgefafst. Die Erkl\u00e4rung ist einfach. In beiden F\u00e4llen scheint der Schritt Tonica-Dominante vor- und r\u00fcckw\u00e4rts gleich grofs. Aber bei 1. (Beginn der 9. Symphonie Beethovens) werden die Grenzt\u00f6ne als Tonica und e2 als Dominante gefafst (erst sp\u00e4ter \u00e4ndert sich diese Auffassung). Bei 2. dagegen (Haydns \u201eDudel-\u25a0sack-Symphonie\u201c) wird der mittlere Ton d2 als Tonica gefafst, die Grenzt\u00f6ne als Dominante. Daher der Unterschied. Nichts kann deutlicher zeigen, wie wenig der musikalische Eindruck uns \u00fcber die wahren Distanzverh\u00e4ltnisse Aufschlufs geben kann. Zwischen denselben beiden Grenzt\u00f6nen a1 und a2 kann es doch nicht zwei Distanzmitten geben.1\nEbenso wird in 3. die grofse, in 4. die kleine Terz als Mitte angesehen. Es kommt eben darauf an, ob uns die Duroder Mollauffassung durch die augenblicklichen Umst\u00e4nde\n1 Es wird auch Vorkommen, dafs Jemand im 1. Beispiel den zweiten\nSchritt f\u00fcr den gr\u00f6fseren erkl\u00e4rt. Auch dann wird zun\u00e4chst der musikalische Eindruck schuld sein, insofern der Schritt von der Dominante zur Tonica herab, zumal hei diesem Bhythmus, etwas besonders Wuchtiges hat, was nicht so sehr in der Gr\u00f6fse des Schrittes als in der Bedeutung (\u00e2vvaui\u00e7) der T\u00f6ne innerhalb der Leiter seinen Grund hat.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen.\n461\nn\u00e4hergelegt wird. Bei 5. (Martha) wird die grofse Terz nach, oben und die kleine nach unten von c2, soweit sich \u00fcberhaupt w\u00e4hrend des Melodieh\u00f6rens die Distanzauffassung entfaltet, als gleich gefafst : c2 erscheint als Mitte, hier also wieder die kleine Terz des tieferen Grenztons, ohschon wir uns in Dur befinden und dies auch erkennen. Von der Toni\u00e7a c2 geht die Bewegung symmetrisch nach beiden Seiten, denn beidemale geht es durch die n\u00e4chste zur \u00fcbern\u00e4chsten Stufe. Durch die Gleichheit des Rhythmus wird dieser Eindruck der Symmetrie noch vervollkommnet. Infolge dieser Symmetrie erscheint momentan auch die Gr\u00f6fse der Schritte gleich; der Unterschied e2\u2014h1 gegen\u00fcber c2\u2014d2 wird nicht merklich, zumal h1 und d2 nur als kurze Durchgangsnoten auftreten. So erweckt auch in vielen anderen F\u00e4llen die Symmetrie der Bewegung innerhalb der gegebenen Leiter den Anschein gleicher Bewegungsgr\u00f6fse.\nFeinere und zugleich tiefer wurzelnde T\u00e4uschungen betreffen den Unterschied der Ganzt\u00f6ne in der Leiter. Mathematisch ist in der C-Leiter der Schritt c\u2014d (8 :9) gr\u00f6fser als d\u2014e (9: 10). F\u00fcr die gr\u00f6bere musikalische Auffassung sind die Schritte gleich grofs. Wenn man aber Musiker bittet, einmal genauer zu pr\u00fcfen, ob ihnen nicht einer der Schritte etwas gr\u00f6fser scheint, so pflegen sie den zweiten Schritt f\u00fcr gr\u00f6fser zu erkl\u00e4ren. Dies h\u00e4ngt mit der besonderen Bedeutung der Terz (des \u201echarakteristischen Tons\u201c) f\u00fcr die Leiter zusammen. Der wichtigere Schritt erscheint als der gr\u00f6fsere. Analoges ergiebt sich bei den \u00fcbrigen Ganztonschritten der Leiter.\nDiese konstante T\u00e4uschung hat aber nicht etwa zur Folge, dafs man, nach der Mitte zwischen c und e gefragt, ein etwas erh\u00f6htes d als solche bezeichnet. Dergleichen Sinnest\u00e4uschungen kennen ja keine Konsequenz. Dasselbe musikalische Bewufstsein, welches die erste Aussage erzeugt, sperrt sich gegen die zweite, welche ihm die Vorstellung eines musikalisch unm\u00f6glichen Tones aufdr\u00e4ngen w\u00fcrde, obgleich beide Aussagen logisch auf das N\u00e4mliche hinauslaufen. Man wird die Konsequenz als solche anerkennen, weil man mufs; aber man w\u00fcrde die Frage, in der zweiten Form gestellt, direkt nach dem Sinneseindruck nicht so beantworten.\nNoch feiner endlich und doch ebenfalls von gr\u00f6fser Festigkeit sind die Auffassungen der enharmonischen Verschiedenheiten. Es ist ein bekannter Streit, ob man dis oder es h\u00f6her","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nC. Stumpf.\nintoniert. Mathematisch ist es h\u00f6her. In Wirklichkeit wird meistens dis h\u00f6her genommen. Man stellt sich den Schritt dahin (z. B. d\u2014dis, c\u2014dis u. s. f.) gr\u00f6fser vor, als den nach es (d\u2014es, c\u2014es u. s. f.). Dies h\u00e4ngt wieder mit der harmonischen und modulatorischen Bedeutung der Schritte und ihrer dadurch bedingten eigent\u00fcmlichen Gef\u00fchlsqualit\u00e4t zusammen.\nDie letzten, aus dem Zusammenhang der Tonpsychologie herausgegriffenen Bemerkungen sollten nur (um den etwas mageren K\u00f6rper dieser Untersuchung ein wenig aufzuputzen) hindeuten auf die Menge der Umst\u00e4nde und Einfl\u00fcsse, welche innerhalb der Musik die Distanzvorstellungen bedingen. Und nirgends als in der Musik wird ja die Auffassung der T\u00f6ne als solcher in ausgedehnterem Mafse praktisch und lebendig. Ganz d\u00fcrfen aber auch diese so leicht ver\u00e4nderlichen Bedingungen selbst bei psychophysischen Versuchen obenbesprochener Art nicht \u00fcbersehen werden. Man wird bei der Auswahl der Versuchsumst\u00e4nde und bei der Auslegung der Ergebnisse best\u00e4ndig die M\u00f6glichkeit im Auge behalten m\u00fcssen, dafs neben den gr\u00f6beren auch solche feinere musikalische Gew\u00f6hnungen ihre Nachwirkung \u00e4ufsern. Wenn es sich beispielsweise gezeigt h\u00e4tte, dafs innerhalb der Quinte bei absteigender Folge neben der grofsenauch die kleine Terz gerne als Mitte angesehen w\u00fcrde (was etwa der W\u00fcNDTschen Segel entspr\u00e4che, thats\u00e4chlich aber nicht der Fall ist), so w\u00fcrde man vor allen weiteren Folgerungen zun\u00e4chst daran zu denken haben, dafs Mollmelodien sich mit Vorliebe von der Dominante abw\u00e4rts zur Tonica bewegen (vgl. Beispiel 4 mit 3). Wie weit solche Einfl\u00fcsse reichen k\u00f6nnen, l\u00e4fst sich nat\u00fcrlich nicht von vornherein bestimmen.","page":462}],"identifier":"lit14204","issued":"1890","language":"de","pages":"419-462","startpages":"419","title":"\u00dcber Vergleichungen von Tondistanzen","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:46:33.085593+00:00"}