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{"created":"2022-01-31T16:21:35.841486+00:00","id":"lit14271","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"K\u00f6nig, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 507-509","fulltext":[{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n507\nvollen Durcharbeitung des Stoffes wird man \u00fcber unbedeutende M\u00e4ngel und Irrt\u00fcmer gerne hinwegsehen. Kein aufmerksamer Leser wird das Buch ohne reichen Gewinn aus der Hand legen.\tArthur K\u00f6nig.\nH. Maudsley. The cerebral cortex and its work. Mind, Apr. 1890. S. 161\u2014190.\nDie Thatsache, dafs Tiere, welche keine Hemisph\u00e4ren besitzen, vieler komplizierter Bewegungen f\u00e4hig sind, legt die Vermutung nahe, dafs auch beim Menschen die Grofshirnrinde an der Ausf\u00fchrung solcher Bewegungen nicht direkt beteiligt ist. Wahrscheinlich f\u00fchren keine sensorischen Nervenfasern direkt zur Rinde und keine motorischen direkt von ihr zu den Muskeln. Wenn also die Rinde Empfindungen und Bewegungen nicht direkt vermittelt, fragt sich, worin ihre Leistungen bestehen?\nDer Grundplan des Nervensystems ist der einer einfachen Reflexbewegung. Die einfachsten Reflexe werden durch die Nervenzellen des R\u00fcckenmarks \u00fcbertragen; zwischen denjenigen R\u00fcckenmarkszellen, welche die sensorischen Impulse aufnehmen, und denjenigen, welche die motorischen Impulse aussenden, baut sich nun aber ein Reflexsystem h\u00f6herer Ordnung auf, auf diesem ein zweites von noch h\u00f6herer Ordnung u. s. w ; und diese h\u00f6heren Systeme dienen ebenso wie die niederen der Umsetzung von Eindr\u00fccken in passende Bewegungen. Das h\u00f6chste solche System stellt sich in der Grofshirnrinde dar, wo ein Nervenstrom von Zellengruppe zu Zellengruppe lange Zeit herumwandern kann, ehe er schliefslich hinabsteigt und zu einer \u00e4ufseren Bewegung wird. Jeder Durchgang durch eine Ganglienzelle ist ein Rindenreflex, und jedem entspricht auf der psychischen Seite ein Gedanke. Ein Gedanke ist also, physiologisch betrachtet, ein Rindenreflex.\nAn diesen Rindenreflexen bemerken wir dieselbe Zweckm\u00e4fsigkeit, die f\u00fcr die niedersten Reflexe charakteristisch ist ; und dazu geh\u00f6rt, dafs unsere Gedanken uns nicht jede Einzelheit der wirklichen Dinge vorf\u00fchren, sondern nur solche Seiten derselben, welche f\u00fcr unser Leben praktisch wissenswert sind. Unsere Gedanken sind daher eigentlich nur Zeichen f\u00fcr die Dinge, und in der Manipulation solcher Zeichen besteht das logische Denken. Nur in zwei Beziehungen unterscheidet sich das Denken von der Reflexbewegung: erstens ist es sehr viel komplizierter , und zweitens ist es von Bewufstsein begleitet. Doch ist Bewufstsein nur das Licht, welches den vern\u00fcnftigen Vorgang begleitet, nicht die Kraft, welche ihn bewirkt.\nStrong (Worcester, U. S. A.).\nF\u00f6rster (Breslau). \u00dcber Rindenblindheit. Gr\u00e4fes Archiv. Bd. XXXVI (1) S. 94-108.\nBei einem 44j\u00e4hrigen Postbeamten stellte sich Ende 1884 ohne irgend welche erheblichen Begleiterscheinungen pl\u00f6tzlich ein vollst\u00e4ndiger Ausfall der rechten H\u00e4lften beider Gesichtsfelder ein. Die Grenzlinie zwischen den Defekten und den funktionierenden Teilen umging den Fixations-","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508\nLitteraturbericht.\npunkt derart, dafs sie in seiner unmittelbaren N\u00e4he eine kleine Ausbuchtung nach rechts machte, w\u00e4hrend sie sonst mit dem vertikalen Meridian beider Netzh\u00e4ute zusammenfiel. Auf der funktionierenden H\u00e4lfte, d. h. in dem in ihr enthaltenen Fixationspunkt, war die Sehsch\u00e4rfe Vs bestehen geblieben. F\u00fcnf Monate sp\u00e4ter war sie unter geeigneter Behandlung bis zur Norm gestiegen, w\u00e4hrend die Lage der Grenzlinie ganz unver\u00e4ndert geblieben war. Der Patient war wieder im Stande seinen Dienst zu \u00fcbernehmen. Im Hochsommer 1889 trat w\u00e4hrend einer Fufsreise im Gebirge eine neue St\u00f6rung des Sehverm\u00f6gens ein, welche sich in wenigen Tagen so steigerte, dafs der Patient wie ein Blinder gef\u00fchrt werden mufste. Als er sechs Wochen nach diesem zweiten Anfall in die Klinik des Verfassers gebracht wurde, stellte sich heraus, dafs nunmehr das Gesichtsfeld auf beiden Augen aus einem kleinen Gebiet von 2\u20143\u00b0 Durchmesser bestand, welches aber den Fixationspunkt enthielt. In diesem Beste war die Sehsch\u00e4rfe V\u00ab vorhanden, die sich sp\u00e4ter bis auf V\u00ab hob. Die Farben wurden alle als \u201egrau\u201c, aber von verschiedener Helligkeit bezeichnet, nur purpurrot wurde als grau mit einem Stich ins Br\u00e4unliche beschrieben. Die Augenspiegeluntersuchung ergab bis auf eine sp\u00e4ter vor\u00fcbergehende schwache B\u00f6tung der Papillae opt. keinerlei Abnormit\u00e4t. Es waren also jetzt auch die linken Gesichtsh\u00e4lften fortgefallen, aber dadurch, dafs nunmehr die Grenzlinie des neubetroffenen Gebietes eine analoge Ausbuchtung nach links gemacht hatte, der Fixationspunkt und seine n\u00e4chste Umgebung allein erhalten geblieben.\nEs ist aufser allem Zweifel, dafs beide Anf\u00e4lle auf thrombotische Prozesse in den Gef\u00e4fsen der Hirnrinde zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Die auffallende Thatsache, dafs auf beiden Augen ein centrales Gebiet mit einer so grofsen und allm\u00e4hlich zunehmenden Sehsch\u00e4rfe erhalten bleibt, erkl\u00e4rt der Verfasser unter Ber\u00fccksichtigung der von Heubner, Duret und Deeke genauer untersuchten Gef\u00e4fsversorgung der Bindensubstanz. W\u00e4hrend die weifse Substanz und die grofsen Hirnganglien von den sechs Hauptarterien in gesonderten Gebieten versorgt werden, tritt hinsichtlich der Binde erst eine Anastomose dieser Gef\u00e4fse in einem \u00fcber die ganze Pia verbreiteten Netz ein; von diesem Netze zweigen dann erst die kapillaren Gef\u00e4fse ab, welche die Binde versorgen. Des Verfassers Hypothese geht nun dahin, dafs diese Art der Ern\u00e4hrung besonders derjenigen Stelle in den Occipitallappen zu gute kommt, welche der sch\u00e4rfsten Wahrnehmung, dem direkten Sehen dient. Wenn nun auch das Hauptgef\u00e4fs, welches den einen Hinterhauptslappen versorgt, thrombosiert, so wird doch die Stelle des sch\u00e4rfsten Sehens von andern Gef\u00e4fsen aus noch gen\u00fcgend ern\u00e4hrt, um sie einigermafsen funktionsf\u00e4hig zu erhalten. Selbst wenn beiden Hinterhauptslappen ihre Hauptblutzufuhr abgeschnitten wird, kann diese bevorzugte Stelle doch noch durch g\u00fcnstige Verzweigungsverh\u00e4ltnisse des Kapillarnetzes versorgt werden. Die Besserung der Sehsch\u00e4rfe, welche sich allm\u00e4hlich aushildete, w\u00fcrde durch die vollkommenere Ausbildung des erhalten gebliebenen Kapillarnetzes zu erkl\u00e4ren sein. Ist diese Hypothese richtig, so mufs bei einer Hemianopsie, deren Abgrenzungslinie genau durch den Fixationspunkt geht, der Sitz des Herdes nicht in der Hirnrinde, sondern in der Bahn des Tractus opticus zu suchen sein.","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"J\u00c2tteraturberkht.\n509\nYon besonderem Interesse sind noch die Beobachtungen, welche der Verfasser \u00fcber die bei dem Patienten vorhandenen St\u00f6rungen in den Geistesfunktionen machte. \u25a0 Es ergab sich, dafs hinsichtlich der optischen Erinnerungsbilder kein Defekt vorhanden war, wohl aber, dafs das Ortsged\u00e4chtnis, das Lokalisationsverm\u00f6gen, also die F\u00e4higkeit, sich die Dinge in bestimmter Anordnung ne be neinander vorzustellen, in hohem Grade verloren gegangen war. In Verbindung mit dem ungemein kleinen Gesichtsfelde erkl\u00e4rte sich hieraus, dafs der Patient in allen seinen Bewegungen viel hilfloser war, als ein v\u00f6llig Erblindeter, dessen Geistesfunktionen intakt sind.\tArthur Koni\u00ab.\nO. Katz. Die Augenheilkunde des Galenus. Erster (theoretischer) Teil:\n\u00dcber Anatomie und Physiologie des Sehorgans. Berlin 1890. Imugural-\nDissertaiion. 124 S.\nNach einer kurzen Einleitung, in welcher der Verfasser eine Lebensgeschichte von Galenus bringt und den Einflufs bespricht, den dieser von der Gegenwart sehr undankbar behandelte grofse Arzt des Altertums bis zu den Zeiten von Vesal und Harvey auf die medizinische Wissenschaft ausge\u00fcbt hat, enth\u00e4lt das fleifsig gearbeitete Schriftchen eine ziemlich wortgetreue und doch gut lesbare \u00dcbersetzung des im Titel angef\u00fchrten GALENSchen Werkes. Auf die Handschriften ist zwar nicht zur\u00fcckgegangen, sondern es ist nur die K\u00fcHNSche Ausgabe zu Grunde gelegt, aber zahlreiche kritische Anmerkungen, aus denen oftmals das reichhaltige philologische Wissen von Professor Hirschberg, mit dessen Unterst\u00fctzung die \u00dcbersetzung angefertigt wurde, hervorleuchtet, werden die Arbeit vielleicht' auch dem Fachphilologen beachtenswert erscheinen lassen.\tArthur K\u00f6nig.\nE. Wiedemann. Zur Geschichte der Lehre vom Sehen. Wiedemanns Ann.\nBd. XXXIX, S. 470-474.\nZwei Hauptansichten waren es, die im Altertum \u00fcber den Vorgang des Sehens bestanden: die eine, von Plato vertretene, l\u00e4fst von den Augen f\u00fchlf\u00e4denartige Strahlen ausgehen und die gesehenen Gegenst\u00e4nde gleichsam von ihnen betasten, die andere, von Demokrit und Aristoteles verfochtene, dagegen von den Gegenst\u00e4nden selbst die Lichtstrahlen ausgehen, welche dann das Auge treffen. Es siegte im Altertum die erstere Ansicht, Euklid und Ptolem\u00e4us nahmen sie an. Nach der in den bisher erschienenen Geschichten der Physik gegebenen Darstellung ist der Araber Jbn al Hait am (f 1038) der erste gewesen, der wieder die richtige ARisToiELische Anschauung vertrat. Der Verfasser, dem die Geschichte der Physik schon manchen wertvollen Beitrag verdankt, weist nun nach, dafs Jbn al Haitam unter seinen Landsleuten bereits Vorg\u00e4nger gehabt hat. Sowohl Al Farabi (870\u2014950) wie Al Razi (f 923 oder 932) haben bereits die ARiSTOTELische Lehre sich zu eigen gemacht, und auch in den Schriften der lautern Br\u00fcder (Ichw\u00e2n Al Saf\u00e4 [10. Jahrh.]) ist dieselbe Ansicht ausgesprochen.\tArthur K\u00f6nig.","page":509}],"identifier":"lit14271","issued":"1890","language":"de","pages":"507-509","startpages":"507","title":"F\u00f6rster: \u00dcber Rindenblindheit. Gr\u00e4fes Archiv. Bd. XXXVI (1), S. 94-108","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:21:35.841491+00:00"}