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{"created":"2022-01-31T16:18:09.802323+00:00","id":"lit14273","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Verworn, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 125-127","fulltext":[{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n125\nnach \u00dcberwindung eines Reizstadiums, genau dieselben Bewegungen aus die sie im Zusammenh\u00e4nge mit dem K\u00f6rper ausf\u00fchrten; dasselbe gilt auch f\u00fcr Bewegungen infolge von Reizung. Aus diesen Resultaten zieht Verfasser den Schlufs, dafs jedes Protoplasmateilchen selbst\u00e4ndiges Centrum f\u00fcr die in ihm auftretenden Seelenerscheinungen sei, und dafs alle Bewegungen des Tieres Resultat dieser Elementarbewegungen seien; das Problem der rhythmisch schlagenden Wimpern, welches dieser Hypothese zu widersprechen scheint, findet seine Erkl\u00e4rung in der Annahme eines Peristomwimpermechanismus.\nAuf Grund obiger Hypothese und des dieselbe erg\u00e4nzenden Zusatzes, dafs die Bewegung jedes Protoplasmateilchens Ausdruck der in ihm stattfindenden Prozesse sei, wird sodann die ganze Lebenstli\u00e4tigkeit des Protozoons als Konsequenz der Stoffwechseivorg\u00e4nge abgeleitet und die Ansicht bek\u00e4mpft, dafs eine Psyche notwendig an die Existenz eines morphologisch differenzierten Nervensystems gebunden sei. Dafs endlich Verfasser die letzten Ursachen primitiver psychischer Vorg\u00e4nge in die Eigenschaften der jedes Plasmaelementarteilchen konstituierenden Molek\u00fcle verlegt und dadurch die Schranken zwischen anorganischer und organischer Natur niederzureifsen sucht, kann also nicht mehr verwundern, f\u00fcr ihn giebt es auch nicht mehr Elementarerkenntnis und Elementarwillensvorg\u00e4nge, sondern nur einen psychischen Elementarprozefs, n\u00e4mlich die Umsetzung der Erkenntnis in Willen. Den Schlufs des Buches bildet eine \u00dcbersicht \u00fcber die Entwickelung des psychischen Lebens im Protistenreich, welche mit der morphologischen Entwickelung Hand in Hand geht.\tB\u00fcrckhardt (Berlin).\nJ. Loeb. Der Heliotropismus der Tiere und seine \u00dcbereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen, gr. 8\u00b0. IV u. 118 S. W\u00fcrzburg 1890. il. 4.\nDer Verfasser hat es sich zur Aufgabe gemacht, f\u00fcr die Abh\u00e4ngigkeit der tierischen Bewegungen vom Licht in der gleichen Weise Gesetze zu finden, wie sie die moderne Pflanzenphysiologie f\u00fcr die Bewegung der Pflanzen festgestellt hat. Durch zahlreiche Arbeiten der Pflanzenphysiologen ist bekannt, dafs die Stellungnahme der Pflanzen zum Licht, der sogenannte Heliotropismus, abh\u00e4ngig ist von zwei Faktoren, einerseits von der Richtung der Lichtstrahlen und andererseits von der Wellenl\u00e4nge derselben, indem haupts\u00e4chlich die kurzwelligen, also die st\u00e4rker brechbaren Strahlen von gewisser Intensit\u00e4t heliotropisch wirksam sind. Innerhalb des Lichts von bestimmter Wellenl\u00e4nge stellen die Pflanzen von radi\u00e4rem Bau ihre L\u00e4ngsaxe in die Richtung der Strahlen ein, w\u00e4hrend alle Pflanzen oder Organe von dorsiventralem Bau ihre Fl\u00e4che senkrecht gegen die Strahlenrichtung einstellen. Freibewegliche Schw\u00e4rm-sporen schwimmen demzufolge in der Richtung der Strahlen entweder der Lichtquelle zu, sind also positiv heliotropisch oder von ihr weg, sind also negativ heliotropisch.\nVerfasser hat nun in einer grofsen Anzahl sehr interessanter Versuche, die fast ausschliefslicli an Insekten ausgef\u00fchrt wurden, den Nachweis gef\u00fchrt, dafs dieselben Faktoren, welche die Bewegung der Pflanzen beimHeliotropismus beeinflussen, auch auf die der Tiere bestimmend wirken.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nLitteraturbericht.\nAls typisch k\u00f6nnen die Versuche an den Raupen von Porthesia chrysorrhoea betrachtet werden. Zu diesen Versuchen wurden eine grofse Anzahl der kleinen Raupen iu ein Reagenzglas gebracht und bei einer Zimmertemperatur von 12\u2014150 C. der Wirkung des durch ein Fenster einfallenden Tageslichts ausgesetzt. Wurde das Reagenzglas mit seiner L\u00e4ngsaxe senkrecht zur Ebene des Fensters horizontal auf eine dunkele Unterlage gelegt, so krochen alle Raupen ohne Ausnahme an die obere Seite und dem Fenster zu, so dafs der Bauch nach oben und der Kopf nach vorn, beide also dem einfallenden Lichte entgegen gerichtet waren. Innerhalb 1\u20145 Minuten waren sie s\u00e4mtlich in dieser Stellung an der Fensterseite des Reagenzglases versammelt, wo sie dauernd sitzen blieben. Durch eine Umdrehung des Reagenzglases um 180\u00b0 konnte jeden Augenblick wieder dieselbe Erscheinung hervorgerufen werden. Wurde das Reagenzglas mit der L\u00e4ngsaxe parallel dem Fenster gelegt, so blieben alle Raupen gleichm\u00e4fsig \u00fcber das ganze Reagenzglas zerstreut, aber kehrten ihre Bauchseite und den Kopf ebenfalls dem einfallenden Lichte zu; sobald jedoch das Glas mit dem einen Ende ein klein wenig gegen das Fenster geneigt war, so krochen s\u00e4mtliche Raupen in das dem Fenster am n\u00e4chsten gelegene Ende, wo sie sich in der angegeben Richtung einstellten. Waren die Tiere an der Fensterseite des senkrecht zur Fensterebene gerichteten Reagenzglases versammelt, und wurde die dem Fenster zugekehrte Seite mit einem undurchsichtigen K\u00e4stchen bedeckt, so krochen sie sofort nach der Zimmerseite bis an die Grenze der Bedeckung. Hier kehrten sie um und blieben mit nach dem Fenster gekehrtem Kopfe dicht an der Grenze im Hellen sitzen. Im direkten Sonnenlicht findet die Einstellung und Ansammlung der Tiere noch viel schneller statt als im diffusen Tageslicht. Die Versuche zeigen also, dafs die Tiere ebenso wie die positiv heliotropischen Schw\u00e4rm-sporen der Pflanzen sich mit ihrer L\u00e4ngsaxe in die Richtung der Strahlen einstellen und sich in dieser Richtung zur Lichtquelle hin bewegen.\nDieselben Versuche wurden ausgef\u00fchrt, nachdem die Fensterseite des senkrecht zur Ebene des Fensters stehenden Reagenzglases mit einem blauen Glasschirm bedeckt war. Der Versuch hatte genau den selben Erfolg wie im Tageslicht. Wurde dagegen statt des blauen Glases rotes Glas angewendet, so blieb die Ansammlung ganz aus oder dauerte bedeutend l\u00e4nger ; nur im direkten Sonnenlicht konnte die gleiche Schnelligkeit erzielt werden. Also auch f\u00fcr die Raupen sind wie f\u00fcr die Pflanzen die kurzwelligen, st\u00e4rker brechbaren Strahlen die wirksamsten, ohne dafs bei gen\u00fcgender Intensit\u00e4t den weniger brechbaren die Wirksamkeit ganz fehlte. Es zeigt sich zugleich, dafs die Orientierungsbewegungen nur von einer bestimmten Intensit\u00e4t an stattfinden.\nAufser dem positiven H eliotr o pis mus konstatierte Verfasser bei den Raupen auch negativen Geotropismus, d. h. die Eigent\u00fcmlichkeit unter Ausschlufs anderer Reize der Wirkung der Schwerkraft entgegen zn kriechen, ferner eine Art Kontaktreizbarkeit, welche die Tiere veranlafst, sich an konvexen Ecken der K\u00f6rper festzusetzen, und schliefslich einen negativen Thermotropismus, der die Tiere von einer W\u00e4rmequelle fortkriechen l\u00e4fst. Diesen Erscheinungen mufs","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Idtteraturbericht.\n127\nbei der Ausf\u00fchrung der Versuche \u00fcber den Heliotropismus zur Vermeidung von Fehlern Rechnung getragen werden.\nAufser den Raupen von Porthesia chrysorrhoea hat Verfasser noch eine grofse Anzahl anderer Insekten auf ihren Heliotropismus untersucht und dabei stets die analogen Erscheinungen gefunden. Besonders ausf\u00fchrlich behandelt er die Beziehungen des Heliotropismus der Insekten zu verschiedenen Lebensth\u00e4tigkeiten. Es ergeben sich bei diesen Untersuchungen eine F\u00fclle interessanter biologischer Erscheinungen. So stellt sich z. B. heraus, dafs die Nachtschmetterlinge, von denen man bisher glaubte, dafs sie das Tageslicht fliehen, w\u00e4hrend sie das Licht einer Kerzenflamme trotz seiner verderbenbringenden Wirkung aufsuchen, durchaus ebenso wie die Tagesschmetterlinge positiv helio-tropisch sind, nur mit dem Unterschiede, dafs bei ihnen die Reizbarkeit durch Licht periodischen Schwankungen unterworfen ist und am Tage g\u00e4nzlich fehlt. Bei anderen Insekten zeigt der Heliotropismus Schwankungen von gr\u00f6fserer Zeitdauer. So ist der sogenannte Hochzeitsflug der m\u00e4nnlichen und weiblichen Ameisen bedingt durch den zur Zeit der Geschlechtsreife hervortretenden positiven Heliotropismus. Andere Insekten, wie die Fliegenlarven sind im Gegensatz zu den bisher besprochenen negativ heliotropisch , d. h. sie zeigen dieselben Erscheinungen in umgekehrtem Sinne, indem sie sich von der Lichtquelle fort bewegen. Wenn der Verfasser aber aus der Thatsache, dafs gewisse augenlose Muscidenlarven negativ heliotropisch sind, den Schlufs zieht, dafs bei Tieren \u201edie heliotropische Reaktion Eigent\u00fcmlichkeit des Protoplasmas und nicht spezifische Eigent\u00fcmlichkeit der Augen\u201c ist, so d\u00fcrfte diese Verallgemeinerung eines speciellen Falles, der selbst nicht ganz einwandsfrei ist, doch wohl nicht ohne weiteres anzunehmen sein. W\u00e4hrend die Fliegenlarven negativ heliotropisch sind, ist die Fliege selbst positiv heliotropisch, doch tritt der Heliotropismus bei ihr nicht so deutlich hervor, da er durch andere Reizwirkungen leicht verdeckt wird.\nAufser an Insekten wurden vom Verfasser auch an Fr\u00f6schen, weifsen M\u00e4usen, Crustaceen, Mollusken und W\u00fcrmern heliotropische Eigenschaften gefunden.\nDie letzte Konsequenz, welche der Verfasser aus seiner Arbeit ziehen zu m\u00fcssen glaubt, dafs n\u00e4mlich die \u201eheliotropischen Erscheinungen nicht auf spezifischen Eigenschaften des Centralnervensystems beruhen\u201c, d. h. nicht als h\u00f6here psychische und Reflexwirkungen aufzufassen sind, und zwar aus dem alleinigen Grunde, weil auch die Tiere, welche Nerven besitzen, sich ebenso verhalten wie die nervenlosen Pflanzen, d\u00fcrfte \u00fcbrigens nur f\u00fcr einen verschwindend kleinen Teil aller mit einem Centralnervensystem versehenen Tiere physiologisch haltbar sein, bestimmt nicht f\u00fcr die h\u00f6heren Tiere.\tVebworn (Jena).\nG. Itelson. Zur Geschichte des psychophysischen Problems. Arch. f. Gesch. d. Philosophie, III., 1890, S. 282\u2014290.\nAus \u00e4lterer und teilweise abgelegener Litteratur stellt I. einige Er\u00f6rterungen zusammen \u00fcber die Mefsbarkeit, bezw. Nichtmefsbarkeit","page":127}],"identifier":"lit14273","issued":"1890","language":"de","pages":"125-127","startpages":"125","title":"J. Loeb: Der Heliotropismus der Tiere und seine \u00dcbereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Gr. 8\u00b0, IV u. 118 S., W\u00fcrzburg 1890","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:18:09.802329+00:00"}