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{"created":"2022-01-31T14:17:30.124358+00:00","id":"lit14304","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Bruchmann, K.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 151-152","fulltext":[{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturberichl.\n151\npsychologischen Zergliederung mit der klinischen Erfahrung, allgemeiner der \u201eideologischen\u201c mit der \u201ebiologischen\u201c Methode. Die psychologische Untersuchung ergiebt das Wort als einen \u201eSammelbegriff\u201c, n\u00e4mlich die Verkn\u00fcpfung von vier Bildergattungen, einem Geh\u00f6rs- (Sprach-), Gesichts-Schrift-), Sprech- und Schreibe-Bilde. Sie bilden zusammen die \u201einnerliche Sprache\u201c, welche unser Denken als seinen \u201eK\u00f6rper\u201c begleitet. Die Menschen zerfallen, je nachdem sie sich vorwiegend einer dieser inneren Sprachverrichtungen bedienen, in die vier Gruppen der in Sprach-, Schrift-, Sprech- und Schreibvorstellungen Denkenden. Dazu kommt die f\u00fcnfte der \u201eGemischten\u201c. Jeder dieser Typen wird an Beispielen lebendig charakterisiert.\nDie Hauptformen der unter dem Titel der Aphasie zusammenge-fafstenSprachst\u00f6rungen, welchen der zweite umfangreichere Teil gewidmet ist, bestehen f\u00fcr den Verfasser in dem Verlust einer jener Bildergattungen. Der Verlust der Sprachbilder ergiebt: Worttaubheit; Erl\u00f6schen der Schriftbilder: Wortblindheit; Einbufse des Sprachged\u00e4chtnisses: motorische Aphasie; des Schreibged\u00e4chtnisses: Agraphie.\nIm Unterschiede von den mehr den Komplikationen des thats\u00e4ch-lichen klinischen Materials nachgehenden deutschen Forschern, legt B. den Hauptwert auf die scharfe Herausarbeitung dieser vier Idealtypen, womit er jedenfalls ein durch seine leichte Fafslichkeit f\u00fcr die einf\u00fchrende Orientierung sehr geeignetes Schema gewinnt.\nDiejenigen St\u00f6rungen, welche aus einer Unterbrechung der Verbindungen der Bildergattungen untereinander hervorgehen, die sog. Leitungs-aphasien, werden nur gestreift, als noch nicht so sicher erkannt wie die \u201eunkomplicierten F\u00e4lle\u201c. Das LiCHTHEiMSche System wird als \u201egeistreicher Versuch\u201c beurteilt.\nEine absolute und allgemeine Unterordnung einzelner dieser Funktionen unter andere oder, anatomisch gesprochen, der betreffenden Centren untereinander, wie sie fast allgemein in Deutschland angenommen wird (wie des Schreibecentrums unter das Schriftcentrum und beider unter das Sprachcentrum), will Verfasser nicht anerkennen. Die durch den Sym-ptomenkomplex h\u00e4ufig angezeigten thats\u00e4chlichen Unterordnungen f\u00fchrt B. auf die geistige, durch Anlage und Ausbildung bedingte Verfassung der betr. Individuen vor ihrer Erkrankung zur\u00fcck, wie er \u00fcberhaupt den psychologischen Typus eines Individuums (s. oben) weitgehend zur Erkl\u00e4rung der die Hauptform der Aphasie begleitenden Neben- und Allgemeinst\u00f6rungen verwertet.\nZum Schlufs wird jeder der vier Sprachverrichtungen ein Centrum zugewiesen (den Sprach- und Sprechbildern in der ersten Schl\u00e4fen- bezw. dritten Stirnwindung als sicher, den Schreib- und Schriftbildern in der zweiten Stirnwindung bezw. dem unteren Scheitellappen als h\u00f6chst wahrscheinlich) und eine Anleitung zur Erkennung der verschiedenen Formen der Aphasie gegeben.\tLiepmaxn (Berlin).\nJ. Wolff (Prof. d. Philos. a. d. Univ. Freiburg, Schweiz). Das Bewufst-sein und sein Objekt. Berlin, Mayer & M\u00fcller. 1889. 620 S. Jt. 12.\nDas Buch stellt sich dem Beferenten dar als eine Wissenschafts-","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitteraturbericht.\nlehre, in der aber empirische Psychologie und Metaphysik sich gegenseitig erl\u00e4utern sollen. Zwar fehlt die Formel der FiCHTESchen Wissenschaftslehre vom Ich und Nicht-Ich hei Wolff, aber seine Darlegungen erinnerten den Beferenten an Fichte und so mittelbar auch an Kants synthetische Einheit der Apperception. Ist gegen jene \u201eErl\u00e4uterung\u201c durch empirische Psychologie (wobei Neuere \u00f6fter ber\u00fccksichtigt werden) nichts einzuwenden, so scheint dem Beferenten gerade zu bedauern, dafs vielmehr jene andern alten Fragen, aus deren Behandlung nichts Neues zu erhoffen ist, so viel Baum in Anspruch nehmen.\nL\u00e4fst sich Bewufstsein zun\u00e4chst ganz allgemein als \u201eInteresse\u201c bestimmen (31. 98), so n\u00e4her in der Art, dafs es einheitlich ist, also F\u00fchlen des Fuhlens, Wollen des Wollens, nicht reflektiertes Wissen vom F\u00fchlen u. s. w. Die Doppelheit des psychischen Aktes und das Wissen davon sind eins (94. 97), das reine Bewufstsein nicht etwas von seinen Akten verschiedenes (68). Nachdem seine Definitionen gepr\u00fcft sind (75. 82. 86) und sein Verh\u00e4ltnis zur Aufmerksamkeit (59 f.), wird das psychologisch Unhewufste eingehend bek\u00e4mpft (101 f. 178). Statt seiner sei Asscoiation (137. 166. 191) und Gewohnheit (180) zur Erkl\u00e4rung der Ph\u00e4nomene zu benutzen. Nicht einmal \u201edie kleinsten Elemente der Empfindungen\u201c seien unbewufst (145). Entgegenstehende Thatsachen, wie Beflexbewe-gungen und Instinkte (161 f.), besonders das Ged\u00e4chtnis (209 f.) werden ausf\u00fchrlich besprochen.\nBewufstsein hat die Seele. Sie ist Substanz oder Substrat (11. 297), aber ohne besondere \u201eAnlagen\u201c (203). Ihr Verh\u00e4ltnis zum Leibe 430, Sitz des Bewufstseins 215, Lokalisierung der Empfindung 411 f. Alle Einheit des Wissens hat ihren Grund im Ich (231. 245. 275. 263).\nDas Objekt ist nat\u00fcrlich zuerst ein inneres (315 f.), woraus sich das \u00e4ufsere \u201eentwickelt\u201c (332. 350 f.). Daf\u00fcr ist die Analyse der Leibesempfindung von besonderer Wichtigkeit (372 f. 404). Die erste Empfindung ist die des Baumes (473 f. 494. 500. 513), und zwar ist sie Qualit\u00e4ten-Empfindung, so dafs Verfasser hierin weder Kant noch Lotze, sondern einigermafsen nur Spencer beistimmt (507 f.).\nIst nun das Objekt als \u00e4ufseres, inneres (= psychischer Akt in seinen Modifikationen, Urteil, Gef\u00fchl, Wille), auch als Subjekt, das von sich selbst weifs, betrachtet, so ist noch das Verh\u00e4ltnis des Leibes zur Aufsen-welt (522 f.), sowie das der Beflexion zum prim\u00e4ren Bewufstsein (573. 591), endlich der Wert und die Sicherheit des Wissens selbst (7. 603) festzustellen.\tK. Bruchmann (Berlin).\nA. Mosso. Die Furcht. Aus dem Italien, von W. Finger. Mit 7 Holz-schn. u. 2 Lichtdrucktafeln. Leipzig, Hirzel. 1889. 251 S. M. 5.\nDarwin versuchte bekanntlich die Ausdrucksbewegungen, zwar nicht ausschliefslich aber doch vorwiegend, als Bewegungen aufzufassen, die urspr\u00fcnglich einmal einen irgendwie gewollten Sinn hatten oder mit absichtlich Gewolltem in engem Zusammenhang standen, und dann durch Vererbung im Laufe zahlreicher Generationen zu festen Gewohnheiten wurden, auch wo der urspr\u00fcngliche Sinn verloren ging. Das Aufreifsen von Augen und Mund z. B. in der Furcht lasse sich verstehen, meint er, als","page":152}],"identifier":"lit14304","issued":"1890","language":"de","pages":"151-152","startpages":"151","title":"J. Wolff, Das Bewu\u00dftsein und sein Objekt, Berlin, Mayer & M\u00fcller. 1889","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:30.124363+00:00"}