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{"created":"2022-01-31T16:19:27.876672+00:00","id":"lit14310","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ebbinghaus, Hermann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 152-153","fulltext":[{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitteraturbericht.\nlehre, in der aber empirische Psychologie und Metaphysik sich gegenseitig erl\u00e4utern sollen. Zwar fehlt die Formel der FicHTEschen Wissenschaftslehre vom Ich und Nicht-Ich hei Wolfe, aber seine Darlegungen erinnerten den Referenten an Fichte und so mittelbar auch an Kants synthetische Einheit der Apperception. Ist gegen jene \u201eErl\u00e4uterung\u201c durch empirische Psychologie (wobei Neuere \u00f6fter ber\u00fccksichtigt werden) nichts einzuwenden, so scheint dem Referenten gerade zu bedauern, dafs vielmehr jene andern alten Fragen, aus deren Behandlung nichts Neues zu erhoffen ist, so viel Raum in Anspruch nehmen.\nL\u00e4fst sich Bewufstsein zun\u00e4chst ganz allgemein als \u201eInteresse\u201c bestimmen (31. 98), so n\u00e4her in der Art, dafs es einheitlich ist, also F\u00fchlen des Fuhlens, Wollen des Wollens, nicht reflektiertes Wissen vom F\u00fchlen u. s. w. Die Doppelheit des psychischen Aktes und das Wissen davon sind eins (94. 97), das reine Bewufstsein nicht etwas von seinen Akten verschiedenes (68). Nachdem seine Definitionen gepr\u00fcft sind (75. 82. 86) und sein Verh\u00e4ltnis zur Aufmerksamkeit (59 f.), wird das psychologisch Unbewufste eingehend bek\u00e4mpft (101 f. 178). Statt seiner sei Asscoiation (137. 166. 191) und Gewohnheit (180) zur Erkl\u00e4rung der Ph\u00e4nomene zu benutzen. Nicht einmal \u201edie kleinsten Elemente der Empfindungen\u201c seien unbewufst (145). Entgegenstehende Thatsachen, wie Reflexbewegungen und Instinkte (161 f.), besonders das Ged\u00e4chtnis (209 f.) werden ausf\u00fchrlich besprochen.\nBewufstsein hat die Seele. Sie ist Substanz oder Substrat (11. 297), aber ohne besondere \u201eAnlagen\u201c (203). Ihr Verh\u00e4ltnis zum Leibe 430, Sitz des Bewufstseins 215, Lokalisierung der Empfindung 411 f. Alle Einheit des Wissens hat ihren Grund im Ich (231. 245. 275. 263).\nDas Objekt ist nat\u00fcrlich zuerst ein inneres (315 f.), woraus sich das \u00e4ufsere \u201eentwickelt\u201c (332. 350 f.). Daf\u00fcr ist die Analyse der Leibesempfindung von besonderer Wichtigkeit (372 f. 404). Die erste Empfindung ist die des Raumes (473 f. 494. 500. 513), und zwar ist sie Qualit\u00e4ten-Empfindung, so dafs Verfasser hierin weder Kant noch Lotze, sondern einigermafsen nur Spencer beistimmt (507 f.).\nIst nun das Objekt als \u00e4ufseres, inneres (= psychischer Akt in seinen Modifikationen, Urteil, Gef\u00fchl, Wille), auch als Subjekt, das von sich selbst weifs, betrachtet, so ist noch das Verh\u00e4ltnis des Leibes zur Aufsen-welt (522 f.), sowie das der Reflexion zum prim\u00e4ren Bewufstsein (573. 591), endlich der Wert und die Sicherheit des Wissens selbst (7. 603) festzustellen.\tK. Bruchmann (Berlin).\nA. Mosso. Die Furcht. Aus dem Italien, von W. Finger. Mit 7 Holz-schn. u. 2 Lichtdrucktafeln. Leipzig, Hirzel. 1889. 251 S. it. 5.\nDarwin versuchte bekanntlich die Ausdrucksbewegungen, zwar nicht ausschliefslich aber doch vorwiegend, als Bewegungen aufzufassen, die urspr\u00fcnglich einmal einen irgendwie gewollten Sinn hatten oder mit absichtlich Gewolltem in engem Zusammenhang standen, und dann durch Vererbung im Laufe zahlreicher Generationen zu festen Gewohnheiten wurden, auch wo der urspr\u00fcngliche Sinn verloren ging. Das Aufreifsen von Augen und Mund z. B. in der Furcht lasse sich verstehen, meint er, als","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n153\nein Mittel, in der Gefahr so scharf als m\u00f6glich zu sehen und so deutlich als m\u00f6glich zu h\u00f6ren; Herzklopfen, Schweifs, Zittern u, s. w. aus den Anstrengungen, dem Gegner zu entfliehen oder sich seiner zu erwehren. Gewohntermafsen tritt das alles jetzt regelm\u00e4fsig ein, wenn wir uns f\u00fcrchten, auch wo es gar nichts zu sehen oder scharf zu h\u00f6ren giebt und ein eigentlicher Gegner gar nicht vorhanden ist.\nGegen diese Auffassung wendet sich der Grundgedanke des Mosso-schen Buches. Die Ausdrucksbewegungen der Furcht sind nichts irgendwann wegen seiner Zweckm\u00e4fsigkeit absichtlich Gewolltes oder mit einem gewollten Zwecke irgendwie Zusammenh\u00e4ngendes, sondern lediglich Reflexbewegungen. Freilich stehen sie, wie alle Reflexbewegungen, im Dienste eines bedeutenden Zweckes, aber nicht sie sind das, worauf es dabei eigentlich ankommt. Sie bilden blofse Nebeneffekte, welche die Natur sozusagen mit in den Kauf nehmen mufste, indem sie aus anderen R\u00fccksichten gewisse verwickelte Anordnungen zum Besten des Organismus schuf. Durchweg die h\u00f6chste Sorge bei Reizungen des Nervensystems zeigt die Natur f\u00fcr dessen ausgiebige Ern\u00e4hrung. Selbst bei den geringf\u00fcgigsten Eindr\u00fccken verst\u00e4rkt sie sofort den Blutreichtum des Gehirns. So auch bei den Eindr\u00fccken, die uns f\u00fcrchten machen; nur besonders stark in diesem Falle, weil auch die Reizung einen starken Angriff darstellt. Daher die pl\u00f6tzliche Blutleere nicht nur der Haut, sondern des ganzen \u00fcbrigen Organismus, sowie die Verst\u00e4rkung des Herzschlages. Das Hintreiben des Blutes zum Gehirn geschieht durch Kontraktion der die Gef\u00e4fsw\u00e4nde bekleidenden Muskeln. Gef\u00e4fsverengerungen sind aber regelm\u00e4fsig begleitet von Kontraktionen der glatten Muskulatur \u00fcber haupt. Daher die Zusammenschn\u00fcrung der Blase und der D\u00e4rme, das Auspressen des Schweifses, die G\u00e4nsehaut und das Aufrichten der Haare, sowie die mit Kontraktion der glatten Muskeln stets Hand in Hand gehende Erweiterung der Pupille (durch die das Sehen viel undeutlicher wird, als es durch Aufreifsen der Augen verbessert werden k\u00f6nnte). Alles das wird begleitet von Ver\u00e4nderungen der Atmung, von Beklemmungen und einem Ringen nach Luft; aber auch hierin \u00e4ufsert sich nichts Anderes, als was bei jeder st\u00e4rkeren Reizung, z. B. bei einem Sturzbade, eintritt. Die mit den h\u00f6chsten Graden der Furcht verbundenen Ausdrucksbewegungen, das heftige Zittern, das Wanken der Knie, die allgemeine L\u00e4hmung der willk\u00fcrlichen Muskeln sind Zeichen der Schw\u00e4che, hervorgerufen durch die von den h\u00f6chsten Graden der Reizung verursachte Ersch\u00f6pfung. F\u00fcr die Erhaltung des Organismus sind diese Aufserungen direkt unzweckm\u00e4fsig, da sie seine leichtere Vernichtung durch den Gegner erm\u00f6glichen; sie sind daher geradezu als Krankheitserscheinungen aufzufassen.\nDas Buch ist mit einer behaglichen Breite geschrieben, die an den Gelegenheiten zu einem kleinen Exkurs nicht vor\u00fcbergeht. Daraus entspringen z. B. in der Einleitung treffende allgemeine Bemerkungen \u00fcber die physiologischen Funktionen von Gehirn und R\u00fcckenmark, weiterhin ein (in dem italienischen Original fehlendes) Kapitel \u00fcber den Schmerz, mit 16 vortrefflichen Momentphotographien eines schmerzver-zogenen Gesichts.\tEbbinghaus.","page":153}],"identifier":"lit14310","issued":"1890","language":"de","pages":"152-153","startpages":"152","title":"A. Mosso: Die Furcht. Aus dem Italien. von W. Finger. Mit 7 Holzschn. u. 2 Lichtdrucktafeln, Leipzig, Hirzel 1889, 251 S.","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:19:27.876677+00:00"}