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{"created":"2022-01-31T16:16:28.948556+00:00","id":"lit14320","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Peretti","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 1: 226-227","fulltext":[{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nLitteraturbericht.\nDie Schilderung der einzelnen Formen, so namentlich der Melancholie, enth\u00e4lt hei aller Knappheit ein treffendes Bild der Erkrankung, und gut ausgew\u00e4hlte Beispiele unterst\u00fctzen das Verst\u00e4ndnis.\nMan merkt es dem Buche an und es kommt ihm zu gute, dafs sein Verfasser jahrelang einer der gr\u00f6fsten Privatanstalten Deutschlands vorgestanden hat, und dafs er ein ebenso scharfer wie durch und durch praktischer Beobachter ist. Die eingestreuten Bemerkungen \u00fcber Sch\u00fclerselbstmord, Einflufs der Presse, \u00dcberb\u00fcrdung der Schuljugend u. s. w, sind vortrefflich,\u201c und zumal wir Psychiater von Fach haben alle Ursache, ihm ebenso dankbar zu sein f\u00fcr das, was er hier giebt, als auch f\u00fcr das, was er unterl\u00e4fst.\nGerade Laien gegen\u00fcber ist es doppelt geboten, nur das zweifellos Feststehende zu geben, und alle noch etwa strittigen Gebiete zu vermeiden, wie es deren in einer so jungen Wissenschaft, wie es die Psychiatrie nun einmal ist, leider noch viele giebt. Hier liegt die Gefahr besonders nahe, dafs derartige, nicht von allen geteilte Ansichten, einseitig auf-gefafst und zum Nachteile des Einzelnen wie der ganzen Wissenschaft verwertet werden, weshalb sie in einem f\u00fcr weitere Kreise bestimmten Werke am besten ganz unber\u00fchrt bleiben.\nAus einer gleichen Erw\u00e4gung h\u00e4tte auch das sogenannte \u201emoralische Irresein\u201c ruhig fortfallen k\u00f6nnen, um so mehr, als es schwer halten d\u00fcrfte, auf Grund der vorliegenden Schilderung zu einer Erkenntnis zu gelangen, weshalb ein solcher \u201emoralisch Irrer\u201c ein Geisteskranker und kein Verbrecher sei.\nDie letzten Kapitel \u201eVorbeugende Mafsregeln\u201c und \u201eBehandlung\u201c enthalten gewissermafsen die Nutzanwendung der bisherigen Ausf\u00fchrungen, und es unterliegt keinem Zweifel, dafs es um die Geisteskranken ein ganz Teil besser stehen w\u00fcrde, wenn alles das auch gewissenhaft befolgt w\u00fcrde, was hier angeraten wird.\nWir k\u00f6nnen daher das Buch allen denen auf das angelegentlichste empfehlen, die Veranlassung haben, sich mit Irren und Irrenpflege besch\u00e4ftigen zu m\u00fcssen, ohne gerade z\u00fcnftige Psychiater zu sein.\nPelman.\nFr. Scholz. Handbuch der Irrenheilkunde. Gr. 8\u00b0. VIII u. 184 S. Leipzig, 1890, E. H. Mayer. Preis M. 3.60.\nDer Versuch, \u201eK\u00fcrze mit m\u00f6glichster Vollst\u00e4ndigkeit zu verbinden, alles Spekulative auszuscheiden und nur Thatsachen zu bringen\u201c, ist Sch. bei Abfassung seines Handbuches nicht mifslungen; das nur 184 Seiten starke B\u00e4ndchen umfafst in f\u00fcnf Abschnitten das Wesentliche der Psychiatrie und l\u00e4fst selbst die juristischen Fragen nicht unber\u00fchrt, Entsprechend der Bestimmung des Buches f\u00fcr \u00c4rzte und Studierende, welche die Psychiatrie nicht zur ihrer Specialit\u00e4t erw\u00e4hlt haben, hat Verfasser den f\u00fcnften und letzten Abschnitt \u201eAllgemeine Diagnostik und Therapie\u201c, welcher r\u00e4umlich den vierten Teil des ganzen Werkes ausmacht, besonders eingehend bearbeitet, und das Kapitel \u00fcber die psychiatrische Untersuchung wird manchem von Nutzen sein k\u00f6nnen. Von den andern Abschnitten enth\u00e4lt der erste die psychischen Elementarst\u00f6rungen, der zweite die k\u00f6rperlichen Elementarst\u00f6rungen und Begleiterscheinungen,","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Id\u00fceraturiericht.\n227\nder dritte die Ursachen des Irreseins. Die Einteilung der Irreseinsformen, deren Beschreibung der vierte Abschnitt gewidmet ist, lehnt sich an v. Krafft-Ebing und an Mendel an, und wenn sich auch \u00fcber Einzelnes, wie die Auffassung der melancholischen Tobsucht, die Stellung der sekund\u00e4ren Paranoia Meinungsverschiedenheiten unter den Fachgenossen finden m\u00f6chten, so kann man doch der Gesamteinteilung zustimmen und man mufs anerkennen, dafs Verfasser dem Bestreben, knappe und klare Bilder zu zeichnen, vollauf gerecht geworden ist. Es werden folgende Formen aufgestellt: angeborene oder in fr\u00fchester Kindheit erworbene Entwickelungshemmungen des Gehirns (Idiotismus, Kretinismus, moralisches Irresein), Psychoneurosen (prim\u00e4rer Bl\u00f6dsinn, akute hallucina-torische Verworrenheit, Melancholie, Manie, Tobsucht, sekund\u00e4re Schw\u00e4chezust\u00e4nde, Paranoia, periodisches Irresein), Geisteskrankheiten, die mit centralen Neurosen (Epilepsie, Hysterie, Hypochondrie, Chorea) verbunden sind, Vergiftungspsychosen (alkoholistisches Irresein, Morphinismus, Irresein durch Bleivergiftung) und schliefslich organische Geisteskrankheiten (akutes Delirium, Irresein der Greise, Paralyse, luetisches Irresein, traumatisches Irresein nebst Rail-way-spine, Irresein bei der multiplen Sklerose und Irresein bei Neubildungen im Gehirn).\nJedem, der sich \u00fcber den jetzigen Stand der Irrenheilkunde informieren will, kann das klar geschriebene und gut ausgestattete Buch bestens empfohlen werden.\tPeretti (Bonn).\nTh. Meynert. Amentia, die Verwirrtheit. Jahrb\u00fccher f\u00fcr Psychiatrie, Bd. IX. 1890, S. 1-112.\nUnter dem Namen \u201eAmentia, die Verwirrtheit\u201c, schildert M. ein Krankheitsbild, in welchem sich der Mangel von Verbindung der Symptome untereinander, der Mangel von Verbindung der \u00e4ufseren \"Wahrnehmungen, ein in weit auseinanderliegenden Abstufungen g\u00e4nzlicher oder teilweiser Ausfall der Associationsleistung, der Koordination der Rindenbilder, der Gedankeng\u00e4nge geltend macht. Die Verwirrtheit, wie sie aus diesem Associationsmangel resultiert, wird am besten durch das Wort Amentia (Geistesmangel) ausgedr\u00fcckt und ist wohl zu unterscheiden von der Dementia, dem Bl\u00f6dsinn, bei welchem trotz des Mangels der Associationen das Bewufstsein weniger, als bei der Verwirrtheit getr\u00fcbt ist, und von der Bet\u00e4ubung, bei der die Wahrnehmungen herabgesetzt sind, w\u00e4hrend der Verwirrte die Wahrnehmungen hat, aber sie nicht versteht. Neben dem Zerfall der Associationsanordnung ist als weiteres Grundsympton der Verwirrtheit die Illusion anzuf\u00fchren, welche, da sich Ausdruck, Benennung und Wahrnehmung nicht mehr decken, eine tiefere kortikale St\u00f6rung, als die Hallucination bedingt und ihrer \u00c4hnlichkeit mit der Suggestion in der Hypnose wegen als unbegrenzte Selbsteinredung bezeichnet werden kann.\nEs ist hier nicht der Ort, die klinischen Auseinandersetzungen des Verfassers, welcher der Verwirrtheit eine Reihe von bisher bei verschiedenen anderen Formen beschriebenen Krankheitsbildern zuweist, bis in ihre Einzelheiten zu verfolgen, wenn schon f\u00fcr den Fachpsychiater der anregenden und zweifellos auch fruchtbringenden Gedanken viele","page":227}],"identifier":"lit14320","issued":"1890","language":"de","pages":"226-227","startpages":"226","title":"Fr. Scholz: Handbuch der Irrenheilkunde. Gr. 8\u00b0. VIII u. 184 S., Leipzig 1890, E. H. Mayer","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:16:28.948566+00:00"}