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{"created":"2022-01-31T14:27:14.570504+00:00","id":"lit14336","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schaefer, Karl L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 111-114","fulltext":[{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Ein Versuch \u00fcber die intrakranielle Leitung leisester T\u00f6ne von Ohr zu Ohr.\nVon\nKarl L. Schaefer in Jena.\nEin zun\u00e4chst monotisch wahrgenommener Ton kann auf mehreren Wegen auch das andere Ohr treffen. Einmal durch die Luft, sei es, dafs er durch Vermittelung von Reflexion, etwa an einer Wand, das zweite Ohr erreicht, sei es direkt um den Kopf herum. Zweitens k\u00f6nnte er \u2014 hierauf hat Thompson aufmerksam gemacht \u2014 durch die Tube des zuerst afficirten Ohres in den Nasenrachenraum und durch die andere Tube zum Trommelfelle dieser Seite geleitet werden; es w\u00e4re das eine andere Art der Luft\u00fcbertragung. Ein dritter Weg ist die Leitung durch die Kopfknochen.\nDer erste Eall wird wohl am h\u00e4ufigsten realisiert sein, zumal mit R\u00fccksicht darauf, dafs die Schallwellen \u2014 und zwar in um so h\u00f6herem Grade, je tiefer die T\u00f6ne \u2014 der Beugung f\u00e4hig sind. \u00dcber die M\u00f6glichkeit einer \u00dcberleitung durch die Tuben scheint bis jetzt kein experimentelles Material vorzuliegen. Der Umstand, dafs die Tubenwandungen f\u00fcr gew\u00f6hnlich, ohne ein Lumen zwischen sich zu lassen, aneinanderliegen, d\u00fcrfte f\u00fcr die Annahme einer solchen Kommunikation erschwerend in die Wagschale fallen. Eine desto gr\u00f6fsere Rolle spielt dagegen die Knochenleitung in der Otologie wie in der Otiatrie. So ist sie z. B. auch zur Erkl\u00e4rung der Thatsache herbeigezogen, dafs man die Schwebungen zweier T\u00f6ne selbst dann vernimmt, wenn jeder Ton einem Ohre so zugeleitet wird, dafs er auf direktem Wege nur dieses, nicht auch das andere erreichen kann. Die Methode dieses Versuches ist bereits fr\u00fcher","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nKarl L. Schaefer.\nin dieser Zeitschrift1 beschrieben, sein Resultat kann nur zwei Deutungen erfahren. Entweder findet cerebral eine Kombination der T\u00f6ne statt, derart, dafs Schwebungen resultiren, oder es gelangt eben jeder Ton durch die Kopfknochen auch zu dem acustischen Endapparat der anderen Seite. Letzterer Auffassung wurde am angegebenen Orte Raum gegeben, jedoch konnte die Frage noch nicht er\u00f6rtert werden, ob dieselbe nicht f\u00fcr ganz leise T\u00f6ne ihre G\u00fcltigkeit verlieren m\u00f6chte. Es ist wenigstens diskutabel, dafs es bereits weit \u00fcber der H\u00f6rschwelle eine gewisse Grenze giebt, unter welche die St\u00e4rke des zugeleiteten Tones nicht vermindert werden darf, wenn er nicht nach der weiteren Schw\u00e4chung durch den intrakraniellen Leitungswiderstand auf dem anderen Ohre mit einer Intensit\u00e4t eintreffen soll, die \u00fcberhaupt unter die H\u00f6rschwelle f\u00e4llt. In solchem Falle d\u00fcrften dann bei obiger Yersuchsanordnung keine Schwebungen mehr h\u00f6rbar sein. Wie nun eingehende Versuche lehren, bleiben diese auch bei sehr geringer Intensit\u00e4t der Prim\u00e4rt\u00f6ne vernehmlich2, und es w\u00e4re daher der Nachweis erw\u00fcnscht, dafs auch die Knochenleitung bis zu demselben niedrigen Intensit\u00e4tsgrade hinab funktioniert. Dieser Nachweis l\u00e4fst sich nun thats\u00e4chlich in folgender Weise f\u00fchren.\nBekanntlich hat Mach Webers Entdeckung, dafs der median lokalisierte Ton einer auf den Scheitel gesetzten Stimmgabel in ein Ohr verlegt wird, wenn man dieses verschliefst, so erkl\u00e4rt: Durch die Wellen, welche der Ton unter Vermittelung der Kopfknochenleitung im Labyrinth hervorruft, wird der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen-Apparat, das Trommelfell, endlich die Luft des \u00e4ufseren Geh\u00f6rgangs mit in Schwingungen versetzt. Der Ton fliefst also sozusagen in genauer Umkehrung des sonst \u00fcblichen Weges aus dem Ohr in die Luft ab. Hemmt man diesen Abflufs in der angegebenen Art, so ger\u00e4t infolge der Reflexion der Wellen das Trommelfell in st\u00e4rkere Schwingungen, daher verst\u00e4rkt sich\n1 Bd. I, S. 81 Anmerkung.\n* Die Schwebungen erloschen stets etwas eher als die Tonwahrnehmung \u00fcberhaupt. Ihre Schwelle liegt also \u2014 und zwar, wie es scheint, f\u00fcr verschiedene Tonpaare verschieden weit \u2014 \u00fcber der Schwelle der letzteren. Doch liefsen sich leider brauchbare Erhebungen \u00fcber die Schwellendistanz in Ermangelung eines Mittels, die Intensit\u00e4ten der Prim\u00e4rt\u00f6ne genau zu bestimmen und das ungleich rasche Verklingen der Gabeln zu verh\u00fcten, noch nicht anstellen.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Intrakranielle Leitung leisester T\u00f6ne von Ohr zu Ohr.\n113\nder Ton im verschlossenen Ohre und wird mithin aus der Medianebene nach der Seite der st\u00e4rkeren Erregung, also ins Ohr verlegt. Derselbe Effekt mufs sich offenbar auch erzielen lassen, wenn man statt des Fingers einen auf den benutzten Ton genau abgestimmten Resonator in den Geh\u00f6rgang einf\u00fcgt, vorausgesetzt auch, dafs ein direktes Ansprechen des Instrumentes durch die Gabel \u00fcber dem Kopfe ausgeschlossen w\u00fcrde. \u2014 Verschlufs eines Ohres, welchem durch Knochenleitung ein Ton zugef\u00fchrt wird, durch den Finger oder durch Einstecken eines entsprechenden Resonators steigert also die Intensit\u00e4t der gemachten Wahrnehmung. Dies ist der eine Punkt, auf den die nunmehr zu beschreibenden Versuche sich st\u00fctzen; der andere ist der, dafs eine akustische Wahrnehmung, welche direkt in ein Ohr verlegt wird, stets dann, aber auch nur dann weiter in den Kopf hinein, also der Medianebene n\u00e4her r\u00fcckt, wenn die Intensit\u00e4t einer gleichzeitig mit dem anderen Ohr gemachten qualitativ gleichen Wahrnehmung um eine gewisse Gr\u00f6fse w\u00e4chst.1\nDie Versuchsanordnung war nun zun\u00e4chst diese. Eine Stimmgabel auf Resonanzkasten wurde ln einem mit doppelter Th\u00fcr verschliefsbaren Zimmer aufgestellt. Vor dem Schallloch des Kastens war ein Glastrichter placirt, dessen R\u00f6hre in einem , Gummischlauche von hinreichender L\u00e4nge, um in ein entferntes Zimmer geleitet zu werden, steckte. W\u00e4hrend nun ein Assistent die Gabel in Th\u00e4tigkeit erhielt, befand sich der Experimentator in dem zweiten Raume, in welchem der Ton nicht anders h\u00f6rbar war, als wenn das Schlauchende in den Geh\u00f6rgang gef\u00fchrt wurde. Dann aber erschien er in letzterem selbst zu entspringen. Es war nun die Aufgabe, zu beobachten, ob unter gleichzeitigem Intensit\u00e4tszuwachs ein Hineinwandern in den Kopf zu konstatieren w\u00e4re, wenn das andere Ohr mit dem Resonator bewaffnet wurde. Allein es gelang nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, nicht mit gen\u00fcgender Sicherheit, das gew\u00fcnschte Resultat zu erhalten. Durch den langen Schlauch wurde der Ton sehr ged\u00e4mpft, aufserdem verklang die Gabel aufserordent-lich rasch und das in allzu kurzen Pausen n\u00f6tig werdende Wieder anschlagen setzte st\u00f6rendste Intensit\u00e4tsschwankungen.\n1 Vgl. den Artikel \u201eZur interaurealen Lokalisation dwtischer Wahrneh-mutigen\u201c in dieser Zeitschrift, Bd. I, S. 300.\nQ\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie II.","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nKarl L. Schaefer.\nZudem ergab sieb, dafs der Ton bei maximaler Intensit\u00e4t durch die Luft h\u00f6rbar war, zwar nicht f\u00fcr die unbewaffneten Ohren, wohl aber bei Benutzung des Resonators. Daher denn diese Methode aufgegeben und durch eine andere ersetzt wurde. Eine Stimmgabel wird ganz leise angeschlagen. Der in einiger Entfernung sitzende Beobachter wartet, bis der Ton v\u00f6llig verklungen ist, also unm\u00f6glich noch durch Luftleitung zu einem der Ohren gelangen kann, und setzt dann den Resonator an, worauf der Ton sehr leise wieder zur Wahrnehmung gelangt, und zwar wie gew\u00f6hnlich scheinbar dem Resonator entspringend. Verschliefsen des anderen Ohres bewirkt nun sofort deutliche Verst\u00e4rkung des Tones und Ann\u00e4herung an die Medianebene. Im Moment der \u00d6ffnung springt der Ton zur\u00fcck, und diese Erscheinung l\u00e4fst sich, allerdings mit stetig abnehmender Deutlichkeit, bis nahe zum v\u00f6lligen Verklingen des Resonatortones verfolgen. Eine andere plausible Erkl\u00e4rung dieses Ergebnisses als die, dafs auch das zweite Ohr durch Knochenleitung \u2014 Luftleitung ist absolut ausgeschlossen \u2014 den Ton wahrnimmt und diese Wahrnehmung durch Verschlufs des Ohres in gen\u00fcgendem Grade 'intensiver wird, um eine \u00c4nderung der Lokalisation zu veranlassen, eine andere Erkl\u00e4rung, wie gesagt, konnte bis jetzt nicht gefunden werden. Die Richtigkeit der Thatsache aber erhielt durch mehrere ge\u00fcbte Beobachter, welche die G\u00fcte hatten, dieselbe an sich selbst nachzupr\u00fcfen, volle Best\u00e4tigung.","page":114}],"identifier":"lit14336","issued":"1891","language":"de","pages":"111-114","startpages":"111","title":"Ein Versuch \u00fcber die intrakranielle Leitung leisester T\u00f6ne von Ohr zu Ohr","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:27:14.570510+00:00"}