Open Access
{"created":"2022-01-31T16:10:58.944129+00:00","id":"lit14367","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schaefer, Karl L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 132-133","fulltext":[{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nLittevaturbericht.\nwelche sich nicht selbst beobachten k\u00f6nnen. Nun solle aber im Sinne Dw.\u2019s die Psychologie allen andern philosophischen Disciplinen als Grundlage dienen. Damit werde die Erfahrung an Stelle der Philosophie gesetzt, die Vernunfterkenntnis vernichtet, die grofsen Geister, welche die Menschheit erleuchtet haben, heruntergezogen. Eine solche Theorie sei engherzig und intolerant, erkenne nichts an, als sich selbst. Daher m\u00fcsse sie mit allen Mitteln bek\u00e4mpft werden. \u201eLa tol\u00e9rance se mesure \u00e0 la hauteur des principes, \u00e0 la largeur des conceptions.\u201c Geachtet stehe die Philosophie der Universit\u00e4t Br\u00fcssel in der Welt da. Im Namen der Vernunft k\u00e4mpfe sie f\u00fcr die Freiheit und stehe ihren Mann gegen den Klerikalismus. Zu einer solchen Aufgabe reiche die Erfahrung, auf welche sich die Psychologie st\u00fctze, nicht aus; denn diese widerstreite oft der Vernunft. \u201eNous invoquons le libre examen, et le libre examen est un acte de conscience, qui ne peut avoir aucune autorit\u00e9 \u00e0 vos yeux, attendu qu\u2019il n\u2019accepte aucune v\u00e9rification ext\u00e9rieure.\u201c \u2014 Inzwischen ist der \u201ePall Dwelshauvers\u2019\u201c durch die Tagespresse in weitesten Kreisen bekannt geworden.\tG\u00f6tz Martius (Bonn).\nS. Stricker. \u00dcber Gedankenstottern. - Arbeiten aus d. Institute f. allg. u, experiment. Pathologie, Wien. 1890. 8 Seiten.\nIn seinen \u201eStudien \u00fcber die Sprachvorstellungen\u201c (W. Braum\u00fcller. Wien. 1880.) wies Verfasser bereits darauf hin, dafs man hei dem Denken an einen wohlbekannten Vers oder Satz die Empfindung hat, als spr\u00e4che man ihn leise vor sich hin, trotzdem auch die aufmerksamste Selbstbeobachtung der Sprachwerkzeuge keine Bewegung erkennen l\u00e4fst. Die Vorstellung des Lautes M ist mit einem Gef\u00fchl in den Lippen, diejenige von D mit einem solchen an der Zungenspitze verbunden, u. s. w. Das stille Denken ist also aufs engste verkn\u00fcpft mit der Andeutung einer Muskelinnervation, und eben diese \u201eInnervation der entsprechenden Artikulationsmuskeln macht das Wesen der Sprachvorstellung aus.\u201c Sie geht aus vom Sprachcentrum, das selbstverst\u00e4ndlich ein motorisches ist, die Nervencentren der Artikulationsmuskeln enth\u00e4lt, und vom Acusticus oder Opticus aus oder endlich auf dem Wege innerer Beize erregt werden kann. Sind die letzteren nicht stark genug, um das Bild des ihnen entsprechenden Wortes zu wecken, so ist dieses \u201evergessen\u201c. Geringe Grade solcher Aphasie liegen innerhalb der physiologischen Breite. Pathologische Steigerungen derselben machen das Denken in Worten und damit auch die freie Sprache mehr oder weniger unm\u00f6glich. Dabei kann aber die Erregbarkeit durch akustische und optische Beize erhalten sein, d. h. es kann noch die F\u00e4higkeit bestehen, Geh\u00f6rtes oder Gelesenes zu verstehen und also auch nachzusprechen. Andernfalls werden die Worte zwar gesehen und geh\u00f6rt, aber ihr Sinn nicht mehr begriffen. Dieser Lehre zufolge mufs die Aphasie notwendig auch von Agraphie begleitet sein, da ja zum Niederschreiben eines Wortes die Vorstellung desselben Voraussetzung ist. Zu diesen Ausf\u00fchrungen geben nun die im weiteren mitgeteilten Selbstbeobachtungen des Herrn cand. med. J. Trammer interessante Belege, indem sie den innigen Zusammen-","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Lilteraturbericht.\n133\nhang der Lautvorstellungeu mit den ihnen entsprechenden Innervationsvorg\u00e4ngen illustrieren. Herr Ta. berichtet, als Kind eine Verletzung der linken Schl\u00e4fe erlitten zu haben und \u00fcberdies einer Stottererfamilie zu entstammen. Seit jenem Unf\u00e4lle stottert er. Namentlich bieten die mit er und pr beginnenden Silben Schwierigkeiten in der Aussprache. Zudem besteht aber auch \u201eGedankenstottern\u201c. Beim stillen Memorieren eines Vortrages zum Beispiel stellt sich, meist kurz vor einem jener besonders schwer auszusprechenden Worte, eine v\u00f6llige Stauung, Hemmung der Gedanken ein und entschieden sekund\u00e4r im Anschl\u00fcsse daran oben erw\u00e4hntes Sprachstottern, wenn das Gedachte zugleich laut gesagt werden soll. Ein Stocken der Gedanken wie der Feder stellt sich auch gelegentlich bei schriftlichen Arbeiten ein. Vorsprechen, weniger gut Lesen des schwierigen Wortes beseitigt den Anfall meist sofort. An letztere Mitteilung kn\u00fcpft St. noch die Bemerkung, dafs \u00fcberhaupt akustische Reize am ehesten und leichtesten das Sprach-centrum erregen.\tSchaefer (Jena).\nW. Dilthey. Beitr\u00e4ge zur L\u00f6sung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realit\u00e4t der Aufsenwelt und seinem Recht. Sitzungsbericht der k\u00f6nigl. preufs. Akademie der Wissensch. zu Berlin. S. 46. 1890.\nDie Abhandlung bietet einen neuen, an Alexander Bain1 freilich erinnernden, aber, offenbar unabh\u00e4ngig von diesem, fein und umsichtig gef\u00fchrten Versuch, den Glauben an die Realit\u00e4t der Aufsenwelt und und seine Berechtigung psychologisch zu begr\u00fcnden. Mit Recht gen\u00fcgen dem Verfasser nicht die neuerlichen Versuche von Helmholtz und Zeller, diesen Glauben \u201eauf Grund von Empfindungen in Denkprozessen oder Vorg\u00e4ngen, die diesen \u00e4quivalent sein sollen,\u201c entstehen zu lassen, er m\u00f6chte \u201e\u00fcber die Annahme hinauskommen, dafs die Realit\u00e4t der Aufsenwelt nur den Wert einer Hypothese hat.\u201c Er will \u201eden Menschen in seiner empirischen Lebensf\u00fclle zu Grunde gelegt\u201c wissen und hofft so, jenen Glauben sicher zu stellen.\nDer Grundgedanke ist folgender: \u201eDer Mensch ist zun\u00e4chst ein System von Trieben, die vom Bed\u00fcrfnis nach der Befriedigung dr\u00e4ngen\u201c \u201eEindr\u00fccke und Bilder rufen in diesem System unserer Triebe und der mit ihnen verbundenen Gef\u00fchle zweckm\u00e4fsige Reaktionen hervor, durch diese werden willk\u00fcrliche Bewegungen ausgel\u00f6st und so wird das Eigenleben an seine Umgebung angepafst. Daher ist die tierischmenschliche Lebenseinheit, von innen angesehen, auf jeder Stufe ein B\u00fcndel von Trieben, Lust- und Unlustgef\u00fchlen, sowie von Volitionen.\u201c \u201edessen Aufsenseite nur unser K\u00f6rper ist.\u201c \u201eDie Vorg\u00e4nge von Wahrnehmung und Denken, welche sich zwischen dem Reiz und der Willensreaktion auf den h\u00f6heren Stufen des Lebens einschalten, erweitern und vermannigfaltigen sich nur in diesem Zusammenhang mit dem Triebleben. Daher hat jeder Vorgang von Wahrnehmung, jeder Denkprozefs gleichsam eine innere Seite: Interesse, Aufmerksamkeit und die aus\n1 The Senses and the Intellect: \u201e'perception and belief of the material world.\u201c S. 375 ff.","page":133}],"identifier":"lit14367","issued":"1891","language":"de","pages":"132-133","startpages":"132","title":"S. Stricker: \u00dcber Gedankenstottern. Arbeiten aus d. Institute f. allg. u. experiment. Pathologie, Wien 1890, 8 S.","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:58.944135+00:00"}