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{"created":"2022-01-31T16:10:28.963698+00:00","id":"lit14368","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Rehmke, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 133-136","fulltext":[{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n133\nhang der Lautvorstellungen mit den ihnen entsprechenden Innervationsvorg\u00e4ngen illustrieren. Herr Ta. berichtet, als Kind eine Verletzung der linken Schl\u00e4fe erlitten zu haben und \u00fcberdies einer Stottererfamilie zu entstammen. Seit jenem Unf\u00e4lle stottert er. Namentlich bieten die mit er und pr beginnenden Silben Schwierigkeiten in der Aussprache. Zudem besteht aber auch \u201eGedankenstottern\u201c. Beim stillen Memorieren eines Vortrages zum Beispiel stellt sich, meist kurz vor einem jener besonders schwer auszusprechenden Worte, eine v\u00f6llige Stauung, Hemmung der Gedanken ein und entschieden sekund\u00e4r im Anschl\u00fcsse daran oben erw\u00e4hntes Sprachstottern, wenn das Gedachte zugleich laut gesagt werden soll. Ein Stocken der Gedanken wie der Feder stellt sich auch gelegentlich bei schriftlichen Arbeiten ein. Vorsprechen, weniger gut Lesen des schwierigen Wortes beseitigt den Anfall meist sofort. An letztere Mitteilung kn\u00fcpft St. noch die Bemerkung, dafs \u00fcberhaupt akustische Beize am ehesten und leichtesten das Sprach-centrum erregen.\tSchaefer (Jena).\nW. Dilthey. Beitr\u00e4ge zur L\u00f6sung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realit\u00e4t der Aufsenwelt und seinem Recht. Sitzungsbericht der k\u00f6nigl. preufs. Akademie der Wissensch. zu Berlin. S. 46. 1890.\nDie Abhandlung bietet einen neuen, an Alexander Bain1 freilich erinnernden, aber, offenbar unabh\u00e4ngig von diesem, fein und umsichtig gef\u00fchrten Versuch, den Glauben an die Realit\u00e4t der Aufsenwelt und und seine Berechtigung psychologisch zu begr\u00fcnden. Mit Recht gen\u00fcgen dem Verfasser nicht die neuerlichen Versuche von Helmholtz und Zeller, diesen Glauben \u201eauf Grund von Empfindungen in Denkprozessen oder Vorg\u00e4ngen, die diesen \u00e4quivalent sein sollen,\u201c entstehen zu lassen, er m\u00f6chte \u201e\u00fcber die Annahme hinauskommen, dafs die Realit\u00e4t der Aufsenwelt nur den Wert einer Hypothese hat.\u201c Er will \u201eden Menschen in seiner empirischen Lebensf\u00fclle zu Grunde gelegt\u201c wissen und hofft so, jenen Glauben sicher zu stellen.\nDer Grundgedanke ist folgender: \u201eDer Mensch ist zun\u00e4chst ein System von Trieben, die vom Bed\u00fcrfnis nach der Befriedigung dr\u00e4ngen\u201c \u201eEindr\u00fccke und Bilder rufen in diesem System unserer Triebe und der mit ihnen verbundenen Gef\u00fchle zweckm\u00e4fsige Reaktionen hervor, durch diese werden willk\u00fcrliche Bewegungen ausgel\u00f6st und so wird das Eigenleben an seine Umgebung angepafst. Daher ist die tierischmenschliche Lebenseinheit, von innen angesehen, auf jeder Stufe ein B\u00fcndel von Trieben, Lust- und Unlustgef\u00fchlen, sowie von Volitionen.\u201c \u201edessen Aufsenseite nur unser K\u00f6rper ist.\u201c \u201eDie Vorg\u00e4nge von Wahrnehmung und Denken, welche sich zwischen dem Reiz und der Willensreaktion auf den h\u00f6heren Stufen des Lebens einschalten, erweitern und vermannigfaltigen sich nur in diesem Zusammenhang mit dem Triebleben. Daher hat jeder Vorgang von Wahrnehmung, jeder Denkprozefs gleich sam eine innere Seite: Interesse, Aufmerksamkeit und die aus\n1 The Senses and the Intellect: \u201eperception and belief of the material\nworld.\u201c S. 375 ff.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLitteraturbericht.\nden inneren Strebungen stammende Energie und Gef\u00fchlsbetonung ; durch diese h\u00e4ngt er mit dem Eigenleben zusammen.\u201c Dafs nun \u201emein Selbst\u201c, dieses \u201eSystem von Trieben, Gef\u00fchlen und Volitionen\u201c, von sich das Objekt unterscheidet, gr\u00fcndet sich auf der \u201eBeziehung zwischen dem Bewufstsein der willk\u00fcrlichen Bewegung und dem des Widerstandes\u201c; \u201eden Kern meiner Wahrnehmung von willk\u00fcrlicher Bewegung bildet das Bewufstsein von meinem Bewegungsimpuls, den Kern der Widerstandserfahrung das Bewufstsein des Willensimpulses und der Intention, dann das der Hemmung der Intention, also zwei Willenszust\u00e4nde.\u201c \u201eDas Hemmungsbewufstsein, das in der Widerstandserfahrung auftritt, hat, wie die Intention selbst eine Bewegungsvorstellung einschliefst, ein Druckempfindungsaggregat zur Vorbedingung\u201c; aber dieses \u201eBewufstsein der Hemmung der Intention entsteht nicht etwa unmittelbar, wenn ein Druckempfindungsaggregat auftritt,\u201c sondern als \u201ezweites Glied tritt ein Denkvorgang auf, das Aneinanderhalten der Bewegungsvorstellung und des Druckempfindungsaggregates, woraus das Bewufstsein des Unterschiedes und des Widerspruches zwischen dem Intendierten und dem Auftretenden sich ergiebt; dazu kommt zugleich das Bewufstsein des Aufh\u00f6rens der mit dem Impuls verbundenen und einer glatt ablaufenden Bewegung angeh\u00f6rigen Empfindungen und das Bewufstsein des Ersatzes der beabsichtigten Bewegung durch das Empfindungsaggregat des Druckes, das nicht innerhalb der Intention lag.\u201c Unter \u201ediesen Bedingungen entstellt nun in dem System von Trieben \u201eMensch\u201c ein neuer Willenszustand, eine neue Erfahrung: die Erfahrung der Hemmung der Intention\u201c; \u201ediese Willenserfahrung, durch die angegebenen Bewufstseinsvorg\u00e4nge vermittelt, ist es, die im Widerstandsbewufstsein enthalten ist, und sie ist es, welche die kernhafte lebendige Realit\u00e4t des von uns Unabh\u00e4ngigen aufschliefst.\u201c \u201eDie Realit\u00e4t der Aufsenwelt ist weder in einer unmittelbaren Willenserfahrung in der Widerstandsempfindung gegeben, noch auch aus den Datis des Bewufstseins erschlossen, d. h. durch blofse Denkvorg\u00e4nge abgeleitet,\u201c sondern sie wird \u201eaufgeschlossen\u201c durch eine Willenserfahrung (Hemmung der Intention), deren bedingende Antecedentien Willensimpuls, Druckempfindung und Denkvorgang sind. \u201eIn dem Impuls und dem Widerstand als in den zwei Seiten, die in jedem Tastvorgang Zusammenwirken, wird die erste Erfahrung des Unterschiedes eines Selbst und eines Andern gemacht. Der erste Keim von Ich und Welt, sowie von deren Unterscheidung ist hier vorhanden. Dies aber in der lebendigen Erfahrung des Willens.\u201c\n\u201eDer Willensimpuls und die Erfahrung des Widerstandes sind ausgestattet und gleichsam ausgekleidet mit qualitativen und r\u00e4umlichen Bestimmungen von den Empfindungsaggregaten her.\u201c \u201eDer Wille und seine Hemmung treten innerhalb desselben Bewufstseins auf. Wie sie beide gleichsam umkleidet sind von Empfindungsaggregaten und Denkvorg\u00e4ngen, wird der Wille zu der im K\u00f6rper erscheinenden Person, das Widerstehende zum Objekt. So kommt es, dafs beide bewufste Thatsachen sind und wir sagen k\u00f6nnen, dafs das Bewufstsein beide umfasse.\u201c \u201eMein Bewufstsein hat in der lebendigen Erfahrung, bestimmt zu werden (Hemmung),","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericlit.\n135\neinen Impuls zu erleiden, augenscheinlich denselben Kern von Willensvorgang, den wir am Bewufstsein des Impulses (unseres Willensimpulses) finden.\u201c \u201eWir nehmen nun an, dafs die Ursache (der Hemmung) gleichsam in Das, worin sie wirkt, hineintritt, \u2014 und so in ihm gegenw\u00e4rtig ist, aber dies schliefst f\u00fcr uns nicht aus, dafs sie zugleich jenseits desselben und von demselben getrennt ist. Dies der abstrakte Ausdruck des Thatbestandes, nach welchem innerhalb des Bewufstseins ein Widerstand, eine Hemmung der Intention auftritt, die sich gleichsam jenseits des Willens erstreckt.\u201c Aber \u201ewir brauchen nicht von den Thatsachen des Bewufstseins im blofsen Denken vermittelst des Schlusses auf Ursachen in das Bewufstseinstranscendente hin\u00fcberzulangen,\u201c denn \u201ein jeder Erfahrung von Hemmung und Widerstand ist die Kraft gegenw\u00e4rtig, die in diesem Druck auf den Willen gegenw\u00e4rtig ist.\u201c Und wenn auch \u201edie Erfahrungen des Willens, in denen das Objekt entsteht, durch Empfindungen und Denkprozesse vermittelt sind,\u201c wenn auch \u201evom Impuls zur Hemmung nur Empfindungen, Vorstellungen, Denkprozesse hin\u00fcberf\u00fchren, und diese Empfindungen als blofs subjektive Bilder auf-gefafst werden k\u00f6nnen, so verbieten doch die harten Willensthatsachen von Impuls und Hemmung solche subjektive, ph\u00e4nomenalistische Wendung. Der Impuls dauert fort, w\u00e4hrend die Hemmung eintritt; es sind nicht Zust\u00e4nde, die einander folgen, vielmehr gleichzeitig besteht der Impuls fort und findet sich gehemmt.\u201c \u2014\nAus der reichen Untersuchung, die sich nach der Tagseite und der Nachtseite des Seelenlebens hin bem\u00fcht, den Einzelnachweis f\u00fcr die Dichtigkeit ihres Grundgedankens zu liefern, habe ich im Vorstehenden nur den Grundgedanken selbst kurz zu zeichnen gesucht, m\u00f6glichst mit den eigenen Worten des Verfassers. Die Realit\u00e4t wird auf die \u201eWillenserfahrung\u201c gestellt; \u201eda ein auftretender Empfindungsverband sich vom Impuls unabh\u00e4ngig erweist, mein Triebleben hemmt und mein Bed\u00fcrfnis nicht zur Befriedigung gelangen l\u00e4fst, so ist mir in diesen Wirkungen eine Kraft gegenw\u00e4rtig, deren Aufsenseite gleichsam die Empfindungsverbindung ist. Hierin ist die Dingvorstellung gegeben.\u201c \u2014\nIch kann dem Verfasser nicht zustimmen, dafs \u201ein dieser Ansicht der Ph\u00e4nomenalismus\u201c, so erw\u00fcnscht es mir auch w\u00e4re, \u201eaufgehoben sei, indem das Bewufstsein von der Realit\u00e4t der Aufsenwelt den Thatsachen des Willens, der Triebe und Gef\u00fchle eingeordnet wird, welche das Leben selber ausmachen.\u201c Der Raum fehlt mir, um meine abweichende Ansicht zu begr\u00fcnden, ich darf hier nur die Punkte der Abhandlung andeuten, die mir angriffsf\u00e4hig erscheinen. In erster Linie nehme ich die Behauptung in Anspruch, dafs der Mensch von \u201einnen\u201c angesehen ein \u201eSystem von Trieben, Gef\u00fchlen und Volitionen\u201c, dessen \u201eAufsenseite\u201c der K\u00f6rper sei. Ich vermag mir auf diese Medaille mit den zwei ganz verschiedenen Seiten trotz Spinoza keinen Reim zu machen. Zweitens beanstande ich, dafs Wahrnehmen und Denkprozefs durch Interesse und Aufmerksamkeit nur mit dem Eigenleben, mit dem Ich \u201eZusammenh\u00e4nge\u201c, beides geh\u00f6rt mir ganz ebenso wie Gef\u00fchl und Wille zum Eigenleben. Einen dritten Einwand fasse ich dahin zusammen: es schopenhauert ; der Wille, anstatt als Bestimmtheit des Bewufstseins-","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nLitteraturbericht.\nSubjektes aufzutreten, gilt als der selbst\u00e4ndige Kern, der seinen Verwandten in dem ebenfalls selbst\u00e4ndig hingestellten Triebe hat; dieser Wille erh\u00e4lt das zugeschrieben, was nur dem Subjekt, aber freilich diesem nicht als wollenden, sondern als denkenden, zukommt: der Wille macht Erfahrungen, die Erfahrung der Hemmung der Intention ist ein Willenszustand. Endlich: weil mir mit dem Willen und Gef\u00fchl auch seihst der \u201eKern\u201c des \u201eEigenlebens\u201c nicht ersch\u00f6pfend dargestellt ist, so kann ich auch die Erfahrung von etwas, das blofs von meinem Willen unabh\u00e4ngig ist, mich in der Ausf\u00fchrung meiner Bewegung hindert und Druckempfindung liervorruft, nicht gen\u00fcgen lassen, um die Realit\u00e4t, d. i. die Unabh\u00e4ngigkeit von mir \u00fcberhaupt \u201eaufzu-schliefsen\u201c.\nDafs der Verfasser diese Realit\u00e4t dem Boden der Hypothese entr\u00fcckt zu haben \u00fcberzeugt ist, versteht sich von der Vorausetzung aus, das Eigenleben sei nur Wille (und Gef\u00fchl), sehr wohl; die Worte \u201eunabh\u00e4ngig von meinem Willen\u201c, \u201eunabh\u00e4ngig von mir\u201c und \u201ereales Objekt\u201c m\u00fcssen dann eben eindeutig sein. Aber \u201eder Mensch in seiner empirischen Lebensf\u00fclle\u201c scheint mir bei jener Voraussetzung leider nur im Bruchst\u00fcck zu Grunde gelegt zu sein.\nAber selbst wenn Dilthey Recht h\u00e4tte in der Bestimmung des Seelenkerns, so w\u00e4re doch die eigentliche Aufgabe nicht gel\u00f6st; der Verfasser unterscheidet leider nicht zwischen der Aufsenwelt \u00fcberhaupt und einem bestimmten Einzeldinge der Aufsenwelt; die Realit\u00e4t des letzteren nun ist freilich noch nicht mit derjenigen der Aufsenwelt, wohl aber diese mit jener schon gesetzt. Ich kann ihm durchaus in der feinen Analyse des Gegebenen, welches den Grund f\u00fcr das Wissen von der Realit\u00e4t eines bestimmten Einzelnen in der Aufsenwelt bildet, beipflichten, ohne den versuchten Nachweis von der Realit\u00e4t der Aufsenwelt \u00fcberhaupt als einen gl\u00fccklichen anzuerkennen Mag jenes Wissen in betreff des einzelnen sich gr\u00fcnden auf Willensimpuls, Druckempfindung, Vergleichung und Unterscheidung von Druckempfindung und Bewegungsempfindung, und endlich auf Widerstandsempfindung: so kann dieses vorgestellte Einzelne nicht als wirkliches ;,aufser mir Gegebenes\u201c gewufst werden, wenn mir nicht schon das Bewufstsein eines \u201eaufser mir\u201c, einer Aufsenwelt \u00fcberhaupt gegeben ist. Diltheys Nachweis bezieht sich also in Wahrheit nur auf die Realit\u00e4t des Einzelnen und dieser setzt die der Aufsenwelt \u00fcberhaupt als reale notwendig schon voraus; insoweit er also auch Nachweis der Realit\u00e4t der Aufsenwelt \u00fcberhaupt sein wollte, w\u00e4re er, wie die Versuche von Zeller und Helmholtz , eine Erschleichung.\nJ. Rehmke (Greifswald).\nS. Erben. Neue Beitr\u00e4ge zur Kenntnis der Reflexe. Wien. med. Woehensehr. Nr. 21\u201424.\nVerfasser stellt den Satz auf, dafs es unberechtigt sei, die Reflexbogen durch die grofsen motorischen Ganglienzellen 1 . vorderen g. < n Substanz des R\u00fcckenmarks zu legen. Er folgert -es aus pathologischen","page":136}],"identifier":"lit14368","issued":"1891","language":"de","pages":"133-136","startpages":"133","title":"W. Dilthey: Beitr\u00e4ge zur L\u00f6sung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realit\u00e4t der Au\u00dfenwelt und seinem Recht. Sitzungsbericht der k\u00f6nigl. preu\u00df. Akademie der Wissensch. zu Berlin, S. 46, 1890","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:28.963703+00:00"}