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{"created":"2022-01-31T16:13:23.764635+00:00","id":"lit14370","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Brie","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 137-138","fulltext":[{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turbericht.\n137\nBeobachtungen, welche dahin gehen, dafs bei gewissen Muskelatrophien, welche durch R\u00fcckenmarks-Affektionen bedingt sind, speciell der sogenannten \u201eamyotrophischen Lateral-Sklerose\u201c trotz Atrophie dieser genannten Ganglienzellen die Reflexe nicht nur erhalten, sondern sogar gesteigert seien. Der Reflexbogen sei daher durch das GERLACHsehe Fasernetz oder anderweitige von ihm vermutungsweise n\u00e4her bezeichnete Zellen des Hinter- oder Vorderhorns zu legen. Allein es wird auch durch die F\u00e4lle des Verfassers nicht bewiesen, dafs gerade solche Muskelfasern, welche in der Atrophie begriffen, deren zugeh\u00f6rige Vorderhornzellen also als atrophierend zu denken sind, gesteigerte Reflexe zeigen. Die vom Verfasser weiterhin geschilderte Steigerung der Sehnenreflexe auch auf der nicht-gel\u00e4hmten Seite von Hemiplegikern ist eine anerkannte Thatsache.\tGoldscheider (Berlin).\nD. A. Cullerre. Die Grenzen des Irreseins. Ins Deutsche \u00fcbertragen von Dr. med. Otto Dornbl\u00fcth. Hamburg 1890. 270 S.\nIn dem vorliegenden, kleinen Werke werden in einer f\u00fcr den gebildeten Laien bestimmten Darstellung alle die Zust\u00e4nde anschaulich geschildert, welche auf der breiten Grenze zwischen psychischer Gesundheit und Krankheit stehen. Die wissenschaftlichen Er\u00f6rterungen sind auf das Unumg\u00e4nglichste beschr\u00e4nkt und auf den beschreibenden Teil mit der ausf\u00fchrlichen Erz\u00e4hlung zahlreicher Einzelf\u00e4lle und Krankheitsgeschichten ist der Nachdruck gelegt. Verfasser will durch diese Arbeit den gebildeten Klassen, bei welchen man ja meist die wunderbarsten Vorstellungen in \u00e4rztlichen Dingen findet und besonders von dem, was Geisteskrankheit und Irrenanstalt heifst, Gelegenheit geben, sich eine richtige Ansicht \u00fcber Geistesst\u00f6rung zu bilden und zwar vor allem gerade an der Hand derjenigen abnormen Zust\u00e4nde, welche den \u00dcbergang vom Gesunden zum Kranken darstellen.\nIm allgemeinen Teil spricht Verfasser von dem Begriff und dem Ursprung des Irreseins, von der bedeutsamen Rolle, welche die Erblichkeit bei den Geistesst\u00f6rungen spielt, und hebt hervor, dafs nicht die Krankheit selbst vererbt wird, sondern eine Krankheitsanlage, die sich auf die Nachkommen in verschiedenartigen \u00c4ufserungen \u00fcbertr\u00e4gt. \u2014 Es folgen dann Kapitel \u00fcber die Zeichen, an welchen man die erbliche Entartung erkennt, die M\u00e4ngel des Verstandes, des sittlichen Gef\u00fchls und die k\u00f6rperlichen Degenerationssymptome. In den n\u00e4chsten Abschnitten werden die abnormen psychischen Zust\u00e4nde behandelt, die bei den erblich Belasteten und Entarteten Vorkommen und eben Grenzzust\u00e4nde darstellen, die Platzangst, die Zweifelsucht, die Ber\u00fchrungsfurcht, die Zwangsvorstellungen, alle als \u201eZwangszust\u00e4nde\u201c zusammengefafst. Diesen reihen sich die \u201ekrankhaften Triebe\u201c an, denen ja auch ein Zwang zu Grunde liegt, aber nicht wie bei den vorigen, der Zwang, etwas Unangenehmes zu erdulden, sondern auszuf\u00fchren (Selbstmord- und Mordtrieb, Dipsomanie, Stehltrieb etc.). Des weitern ist die Rede von den \u201eExcentrischen\u201c, von den \u201eVerfolgern\u201c, den \u201eSchw\u00e4rmern\u201c, den \u201eVerderbten\u201c (Hysterische, L\u00fcgner, Simulanten, Verbrecher) und von den \u201egeschlechtlich Abnormen\u201c. Verfasser betont immer, dafs die einzelnen Zust\u00e4nde","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLMeraturbericlt t.\nnicht Krankheiten f\u00fcr sich sind, sondern mit anderen Symptomen der Entartung sich kombinieren. Zahlreiche mitgeteilte Beobachtungen, teils eigene, teils solche aus den Werken hervorragender Irren\u00e4rzte, illustrieren die Schilderung der einzelnen Zust\u00e4nde und zeigen wiederholt deutlich, wie aus diesen Abnormit\u00e4ten wirkliche Geistesst\u00f6rung sich entwickeln kann. \u2014 In den beiden letzten Abschnitten werden noch Fragen aus der gerichtlichen Medizin (Verbrechen und Irresein; Zurechnungsf\u00e4higkeit) ber\u00fchrt ; ferner die Beziehungen des Irreseins zur Civilisation (Irresein in der Geschichte, in Litteratur und Kunst; Irresein, Talent und Genie).\tBrie (Bonn).\nC. Lombroso. Der geniale Mensch. \u00dcbersetzt von Fraenkei,. Hamburg 1890. XXXI u. 447 S.\nAls Lombroso seinen \u201eVerbrecher\u201c schrieb, war er keinen Augenblick dar\u00fcber im Zweifel, dafs sein Buch auf heftigem Widerspruch stofsen werde. Es hat daran auch nicht gefehlt, aber neben dem Widerspruch stellten sich \u2014 und nicht nur in dem Vaterlande des Verfassers \u2014 zahlreiche Stimmen auf seine Seite, und wer zur Zeit \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Verbrechen und Irresein mitreden will, mufs Lombrosos Ansichten kennen und Stellung zu ihnen nehmen.\nUnd in der That enth\u00e4lt der erste Teil des \u201eVerbrechers\u201c unter manchem Absonderlichen eine solche F\u00fclle an wertvollem Material und an dessen geistreicher Verwertung, dafs der durchschlagende Erfolg des Buches seine gute Berechtigung hat. Meines Erachtens hat Lombroso durch den zweiten Teil des \u201eVerbrechers\u201c seinem Ruhme keine weiteren Lobeeren hinzugef\u00fcgt, und ebensowenig d\u00fcrfte dies von dem \u201egenialen Menschen\u201c gelten.\nIch will nicht von den Bedenken reden, die man von vornherein gegen ein Bestreben geltend machen kann, das immer weitere Gebiete der menschlichen Th\u00e4tigkeit in den Kreis der Geistesst\u00f6rungen hineinzuziehen sucht, und dies sogar dann nicht, wenn es wie hier an dem Genie geschieht, der erhabensten Frucht des menschlichen Geistes, und dem H\u00f6chsten, was er \u00fcberhaupt erreichen kann. Denn wenn der Nachweis eines derartigen Zusammenhanges von Genie und Wahnsinn erbracht w\u00fcrde, dann w\u00fcrde man sich darin f\u00fcgen m\u00fcssen, so schwer uns dies werden w\u00fcrde.\nDieser Nachweis aber wird weder von Lombroso erbracht, noch kann er meines Erachtens \u00fcberhaupt gef\u00fchrt werden.\nDafs ein Genie geisteskrank wird, \u2014 werden kann, beweist denn doch weiter nichts, als dafs sich Genie und Geistesst\u00f6rung nicht aus-schliefsen, dafs die Genialit\u00e4t nicht vor der Erkrankung sch\u00fctzt, wie etwa das Impfen vor den Pocken, und ebenso wie ein Genie durch seine Genialit\u00e4t nicht vor dem Blindwerden gefeit ist, kann es trotz dieser Genialit\u00e4t an Geistesst\u00f6rung erkranken.\nSo lange wir keine Statistik der Genies besitzen, hat eine Sch\u00e4tzung ihrer Krankf\u00e4lligkeit einen zu geringen Wert, um Schl\u00fcsse daraus zu ziehen, und zudem, wer und was ist denn eigentlich ein Genie?\nLombroso hat in seinem Buche ein gar gewaltiges Material zusammen-","page":138}],"identifier":"lit14370","issued":"1891","language":"de","pages":"137-138","startpages":"137","title":"D. 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