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{"created":"2022-01-31T16:12:58.704328+00:00","id":"lit14371","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 138-139","fulltext":[{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLitteraturbericht.\nnicht Krankheiten f\u00fcr sich sind, sondern mit anderen Symptomen der Entartung sich kombinieren. Zahlreiche mitgeteilte Beobachtungen, teils eigene, teils solche aus den Werken hervorragender Irren\u00e4rzte, illustrieren die Schilderung der einzelnen Zust\u00e4nde und zeigen wiederholt deutlich, wie aus diesen Abnormit\u00e4ten wirkliche Geistesst\u00f6rung sich entwickeln kann. \u2014 In den beiden letzten Abschnitten werden noch Fragen aus der gerichtlichen Medizin (Verbrechen und Irresein; Zurechnungsf\u00e4higkeit) ber\u00fchrt; ferner die Beziehungen des Irreseins zur Civilisation (Irresein in der Geschichte, in Litteratur und Kunst; Irresein, Talent und Genie).\tBrie (Bonn).\nC. Lombroso. Der geniale Mensch. \u00dcbersetzt von Fraenkel. Hamburg 1890. XXXI u. 447 S.\nAls Lombroso seinen \u201eVerbrecher\u201c schrieb, war er keinen Augenblick dar\u00fcber im Zweifel, dafs sein Buch auf heftigem Widerspruch stofsen werde. Es hat daran auch nicht gefehlt, aber neben dem Widerspruch stellten sich \u2014 und nicht nur in dem Vaterlande des Verfassers \u2014 zahlreiche Stimmen auf seine Seite, und wer zur Zeit \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Verbrechen und Irresein mitreden will, mufs Lombrosos Ansichten kennen und Stellung zu ihnen nehmen.\nUnd in der That enth\u00e4lt der erste Teil des \u201eVerbrechers\u201c unter manchem Absonderlichen eine solche F\u00fclle an wertvollem Material und an dessen geistreicher Verwertung, dafs der durchschlagende Erfolg des Buches seine gute Berechtigung hat. Meines Erachtens hat Lombroso durch den zweiten Teil des \u201e Verbrechers\u201c seinem Ruhme keine weiteren Lobeeren hinzugef\u00fcgt, und ebensowenig d\u00fcrfte dies von dem \u201egenialen Menschen\u201c gelten.\nIch will nicht von den Bedenken reden, die man von vornherein gegen ein Bestreben geltend machen kann, das immer weitere Gebiete der menschlichen Th\u00e4tigkeit in den Kreis der Geistesst\u00f6rungen hineinzuziehen sucht, und dies sogar dann nicht, wenn es wie hier an dem Genie geschieht, der erhabensten Frucht des menschlichen Geistes, und dem H\u00f6chsten, was er \u00fcberhaupt erreichen kann. Denn wenn der Nachweis eines derartigen Zusammenhanges von Genie und Wahnsinn erbracht w\u00fcrde, dann w\u00fcrde man sich darin f\u00fcgen m\u00fcssen, so schwer uns dies werden w\u00fcrde.\nDieser Nachweis aber wird weder von Lombroso erbracht, noch kann er meines Erachtens \u00fcberhaupt gef\u00fchrt werden.\nDafs ein Genie geisteskrank wird, \u2014 werden kann, beweist denn doch weiter nichts, als dafs sich Genie und Geistesst\u00f6rung nicht aus-schliefsen, dafs die Genialit\u00e4t nicht vor der Erkrankung sch\u00fctzt, wie etwa das Impfen vor den Pocken, und ebenso wie ein Genie durch seine Genialit\u00e4t nicht vor dem Blindwerden gefeit ist, kann es trotz dieser Genialit\u00e4t an Geistesst\u00f6rung erkranken.\nSo lange wir keine Statistik der Genies besitzen, hat eine Sch\u00e4tzung ihrer Krankf\u00e4lligkeit einen zu geringen Wert, um Schl\u00fcsse daraus zu ziehen, und zudem, wer und was ist denn eigentlich ein Genie?\nLombroso hat in seinem Buche ein gar gewaltiges Material zusammen-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Littera turberich t.\n139\ngebracht, und ich glaube fast, mancher, der dort kurzweg zu den Genies gerechnet wird, w\u00fcrde sich sehr wundern, wenn er sich Ln dieser Gesellschaft s\u00e4he. Einen nicht geringen Teil konnte ich selbst mit Hilfe des Konversationslexikons nicht ermitteln. F\u00fcr andere Behauptungen sollte es ihm schwer fallen, stichhaltige Beweise beizubringen; und w'enn immer wieder C\u00e4sar, Mohammed und Napoleon als Epileptiker ins Feld gef\u00fchrt werden, dann ist man leicht geneigt, auch andere Angaben als nicht \u00fcber alle Zweifel erhaben anzusehen.\nAus diesen Anschauungen heraus m\u00fcssen uns Ausspr\u00fcche wie \u201edas Genie ist eine wirkliche Degenerationspsychose aus der Gruppe des moralischen Irreseins\u201c oder \u201edas Genie h\u00f6rt zu der Familie der Epi-lypsien\u201c etwas sonderbar ber\u00fchren. Denn selbst zugegeben, dafs sich zwischen der Genialit\u00e4t und diesen krankhaften Zust\u00e4nden manche Vergleichungspunkte f\u00e4nden, dafs Temperatur und Klima, Bodenbeschaffenheit und soziale Einfl\u00fcsse auf beide in ziemlich gleicher Weise einwirkten, so ist damit doch keineswegs erwiesen, dafs sie sich deshalb gleich sein oder auch nur n\u00e4her stehen m\u00fcssen, als andere Zust\u00e4nde.\nL\u00e4ge es nicht vielmehr n\u00e4her, in allen diesen Dingen ein gemeinsames Gesetz zu vermuten, dem beide unterliegen, weil beide eben Menschen sind? Und sind nicht am Ende die Ber\u00fchrungspunkte zwischen den Geisteskranken einerseits und den Idioten und Schwachsinnigen andererseits weit inniger und zahlreicher als mit den Genies ? Es wird daher auch fernerhin erlaubt sein, sich an den Sch\u00f6pfungen eines Goethe, Rafael, Mozart u. a. in reiner Freude zu erg\u00f6tzen, ohne uns diese Freude durch den Gedanken tr\u00fcben zu lassen, dafs wir es mit einem geistig Degenerierten aus der Gruppe des moralischen Irreseins und der Epilepsie zu thun haben.\nMit diesen kleinen Ausstellungen kann man das Werk des italienischen Forschers gelten lassen, und aus ihm wie aus allen Arbeiten Lombrosos zahlreiche Anregung und Belehrung sch\u00f6pfen.\tPelman (Bonn).\nR\u00e9gis. Die K\u00f6nigsm\u00f6rder in derGeschichte und der Gegenwart. Medizinischpsychologische Studie. Mit 20 Portrait\u00ab von K\u00f6nigsm\u00f6rdern. Lyon und Paris. 1890. 97 S.\nR\u00e9gis hat sich der ebenso interessanten wie dankbaren Aufgabe unterzogen, eine bestimmte Klasse von M\u00f6rdern vom anthropologischklinischen Standpunkte aus zum Gegenst\u00e4nde einer wissenschaftlichen Untersuchung zu machen, und er hat sich zu diesem Behufe die K\u00f6nigsm\u00f6rder gew\u00e4hlt. Es ist ihm in dreij\u00e4hriger Arbeit gelungen, sich das Material \u00fcber mehr als 80 derartige Individuen zu verschaffen, wobei er allerdings die Bezeichnung \u201eK\u00f6nigsm\u00f6rder\u201c in dem weiteren Sinne gebraucht, dafs es nicht gerade ein K\u00f6nig zu sein braucht, auf dessen Leben es abgesehen war. Wir begegnen daher in dieser Gesellschaft auch Namen wie Sand (Kotzebue), Charlotte Corday (Marat), Aubertin, (J. Ferry) u. a. m., die sich weniger hochstehende Pers\u00f6nlichkeiten zu ihren Opfern erkoren hatten, immer aber waren es Personen von einer hervorragenden politischen oder sozialen Stellung, gegen die sich ihre Waffe richtete.\nZun\u00e4chst gilt es hier eine Scheidung zu treffen und die falschen von den wahren K\u00f6nigsm\u00f6rdern zu trennen. Bei einer ganzen Anzahl","page":139}],"identifier":"lit14371","issued":"1891","language":"de","pages":"138-139","startpages":"138","title":"C. Lombroso: Der geniale Mensch. \u00dcbersetzt von Fraenkel. Hamburg 1890, XXXI u. 447 S.","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:12:58.704334+00:00"}