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{"created":"2022-01-31T16:12:59.677012+00:00","id":"lit14376","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Rehmke, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 180-218","fulltext":[{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\nVon\nJ. Rehmke.\n(Mit besonderer Ber\u00fccksichtigung von 0. Fl\u00fcgels \u201eDie Seelenfrage etc.\u201c\n2. Auflage 1890.)\nDie Seelenfrage besteht noch immer und es steht nicht gerade gut um sie. Die kritische Zergliederung des Gegebenen \u201eSeele\u201c, die als wissenschaftliche Aufgabe den Inhalt jener Frage ausmacht, wird von zwei verschiedenen Seiten gehemmt und gest\u00f6rt; die Einen schauen und dichten etwas in das Gegebene hinein, was in Wirklichkeit nicht darin ist, und Gem\u00fctsbed\u00fcrfnisse, die aus ererbten Interessen sich erheben, leiten dabei die schaffende Einbildungskraft; die Anderen sehen und beachten etwas garnicht, was in Wirklichkeit doch zu dem Gegebenen \u201eSeele\u201c geh\u00f6rt, und das Ergebnis ihres Zergliederungsgesch\u00e4ftes ist infolgedessen nicht nur ein unvollst\u00e4ndiges, sondern auch ein irref\u00fchrendes, gleich demjenigen der dichtenden Psychologen.\nNennen wir die Einen die Dichter, die Anderen die Physiker unter den Psychologen. Jene behaupten, Seele sei ein \u201eurspr\u00fcngliches reales Wesen\u201c, das erst unter dem Einflufs anderer \u201erealer Wesen\u201c zum Bewufstseinsleben, zu Empfindungen, Gef\u00fchlen u. s. f. komme; diese behaupten, Seele sei nur als eine Summe bestimmter Erscheinungen, Empfindungen Gef\u00fchle u. s. f., gegeben ; sie teilen sich in Ansehung der Frage, ob diese \u201eErscheinungen\u201c nicht doch einem besonderen \u201erealen Wesen\u201c zugeh\u00f6ren, in die Entschiedenen und die Zaghaften; jene verneinen die Frage kurzweg, diese lassen sie dahingestellt, als aus der Zergliederung des Gegebenen selbst unbeantwortbar. Beide sind darin einig, dafs f\u00fcr die psychologische Forschung das Gesamtmaterial v\u00f6llig in den sogenannten seelischen Erscheinungen allein vorliege, und dafs ein rundes Wissenschaft-","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n181\nfiches Ergebnis, eine Psychologie, nur aus der Zergliederung derselben, m\u00f6ge ihnen nun ein \u201eeinheitliches Wesen zu Grunde liegen\u201c oder nicht, schon m\u00f6glich sei; um eine \u201eSeelenfrage\u201c, welche die M\u00f6glichkeit eines besonderen Wesens, mag man es auch anders bestimmen, als jene Dichter, ins Auge fasse, brauche sich der Psychologe, unbeschadet seiner Wissenschaft, gar nicht zu k\u00fcmmern. Deshalb nenne ich sie die Physiker unter den Psychologen.\nWie n\u00e4mlich die \u201ePhysiker im eigentlichen Sinne\u201c die \u201ephysischen Erscheinungen\u201c allein als Gegenstand ihrer Wissenschaft haben und in Wahrheit unbeschadet derselben sich um die Dingfrage nicht zu k\u00fcmmern brauchen und sie der philosophischen Forschung \u00fcberlassen, so meinen auch die \u201ePhysiker unter den Psychologen\u201c allein mit den \u201epsychischen Erscheinungen\u201c wissenschaftlich auskommen zu k\u00f6nnen, ohne die Seelenfrage in dem philosophischen Sinne mit hereinnehmen und deren Unterst\u00fctzung als grundlegende der Psychologie ein verleiben zu m\u00fcssen. Ob aber hierdurch das Bild des Gegebenen \u201eSeele\u201c nicht verschoben und verzerrt sich herausstellt ?\nTrotz der Verschiedenheit der Stellung, welche in der Psychologie die Dichter und Physiker einnehmen in Betreff der Seelenfrage, treffen wir heute eine durchg\u00e4ngige Einstimmigkeit derselben, wo es sich darum handelt, das Verdammungsurteil \u00fcber die materialistische Beantwortung der Frage zu f\u00e4llen. Kann man den Worten trauen, so ist den leitenden Geistern der Gegenwart die materialistische Psychologie etwas, das f\u00fcr sie dahinten liegt. Ob dies auch in Wirklichkeit der Fall ist?\nUm den Materialismus in der Psychologie v\u00f6llig \u00fcberwunden zu haben, ist es nicht genug, dafs man behauptet, \u201eder Gedanke sei nicht Bewegung, und Empfindung und Bewegung seien nicht zu identifizieren\u201c, sondern dafs man sich desjenigen bestimmten positiven Umstandes, welcher den Bechtsgrund f\u00fcr jene Verneinung abgiebt und aus dem Materialismus herausf\u00fchrt, auch kritisch klar wird, um vor allem B\u00fcckfall in die Anschaulichkeit des Materialismus in Ansehung des Gegebenen \u201eSeele\u201c gesch\u00fctzt zu sein.\nDiese Bemerkung dr\u00e4ngte sich mir auch wieder auf beim Uesen der in zweiter Auflage k\u00fcrzlich erschienenen Schrift","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nJ. Mehmke.\nO. Fl\u00fcgels \u201eDie Seelenfrage mit R\u00fccksicht auf die neueren Wandlungen gewisser naturwissenschaftlicher Begriffe\u201c. Der Verfasser f\u00fchrt nicht nur Stellen aus den Schriften bedeutender Naturforscher an, die es ihm best\u00e4tigen, \u201edafs allm\u00e4hlich eine durchgreifende Erkenntnis von der Unvergleichbarkeit der geistigen und der Bewegungserscheinungen sich Bahn bricht\u201c, sondern er selbst weifs mit anerkennenswertem Geschick die Punkte herauszuheben, in denen die Behauptung von der Identit\u00e4t der Empfindung und der Bewegung und dafs Gedanke Bewegung sei, sich als windige und grundlose zeigt.\nIndes, nicht hierin liegt f\u00fcr mich das Interessante des B\u00fcchleins, sondern in dem Umstande, dafs sein Bem\u00fchen, die \u201egeistigen Erscheinungen\u201c als den Bewegungserscheinungen gegens\u00e4tzliche, in ihrer positiven Bestimmtheit festzustellen, sich auf denselben Boden, auf dem auch die materialistischen Behauptungen sich bewegen, stellt und abspielt, und infolgedessen, wie ich nachweisen werde, in den Zauberkreis materialistischer Grundanschauung trotz allem immer wieder hineingezogen wird.\nDer Titel der Schrift: \u201eDie Seelenfrage mit R\u00fccksicht auf die neueren Wandlungen gewisser naturwissenschaftlicher Begriffe\u201c wird schon manchen, der Ernst machen will mit seinem Gegensatz zur materialistischen Auffassung, stutzig machen: Was hat die Seelenfrage zu thun mit \u201eWandlungen naturwissenschaftlicher Begriffe\", die doch allesamt nur im Gebiet des Physischen oder Raumgegebenen ihre Anwendung haben? M\u00f6gen diese sich tausendfach \u201ewandeln\u201c, so ist doch nicht ersichtlich, wie daraus der Seelenfrage irgendwelcher Nutzen erwachsen d\u00fcrfte! Da der FL\u00fcGELsche Fall typisch ist, so verlohnt es sich wohl, dafs wir n\u00e4her auf ihn eintreten, um uns das R\u00e4tsel, welches der Titel aufgiebt, l\u00f6sen zu lassen.\nFl\u00fcgel marschirt in HERBARTischen Stiefeln auf das fest-gestecke Ziel des HERBARTischen Seelenbegriffs los und durch das Gebiet der physikalischen Atomistik, das ihm die Mittel liefern mufs, hindurch. Er nimmt als Richtschnur den Satz \u201ekeine Kraft ohne Stoff\u201c aus der Atomistik f\u00fcr seine psychologischen Zwecke auf und wendet ihren Atombegriff in bestimmter Weise auf das Seelische an.\nDaher ist es f\u00fcr ihn von Wichtigkeit, sich zun\u00e4chst \u00fcber \u201edie den Naturerscheinungen zu Grunde gelegten Atome,","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelen fr age.\n183\ndenen Kr\u00e4fte eigen sein m\u00fcssen\u201c, zu unterrichten, indem das Wirken der Atome aufeinander genauer bestimmt wird. Denn die Kr\u00e4fte der Atome zeigen sich ja eben in der Wirkung der Atome. Die Atomistik, sagt Fl\u00fcgel, mufs die Fernwirkung abweisen; sie ist \u201eerstens unbegreiflich\u201c,1 \u201ezweitens widersinnig, in sich widersprechend und daher unm\u00f6glich, denn Kraft steht zum Stoff im Verh\u00e4ltnis des Accidens zur Substanz\u201c; also \u201edarf die Kraft nicht \u00fcber das Wesen selbst, dessen Th\u00e4tigkeit sie ist, hinausreichen\u201c, denn \u201ewo das Wesen wirkt, mufs es auch sein\u201c.2\nFl\u00fcgel f\u00e4hrt fort : ferner schliefst \u201edie unmittelbare Wirkung in die Ferne den Widerspruch einer ursachlo sen Wirkung oder eines ursachlosen Geschehens in sich, denn die Kraft selbst wird als ein urspr\u00fcngliches (ursachloses) Besitztum des Wesens vorgestellt\u201c ; \u201ewirken zwei Wesen aufeinander in die Ferne, so verursacht oder bestimmt nicht das eine das andere zur Wirksamkeit; jedes w\u00fcrde in Th\u00e4tigkeit begriffen sein, auch wenn kein anderes Wesen vorhanden w\u00e4re, auch wenn es nichts bewirkte; hier liegen die widersinnigen Gedanken eines ursachlosen Geschehens und einer nicht wirkenden Kraft zu Tage\u201c ; endlich aber wird bei der unmittelbaren Fernwirkung der schlechthin leere Kaum zum Tr\u00e4ger eines Gesetzes gemacht, denn die Wirkung der Kraft soll geringer werden, je weiter sich die betreffenden K\u00f6rper voneinander entfernen; soll hier der leere Raum die Wirkung vermindern? soll das, was nichts Reales ist, einen Widerstand leisten k\u00f6nnen?\u201c\nEs geht hier Fl\u00fcgel, wie seinem Meister Herbart so oft, dafs er die Widerspr\u00fcche, welche er in etwas findet, selber zuvor hineingedichtet hat ; genug, wie dem auch sei, die\n1\t\u201eMan stelle sich nur einmal zwei K\u00f6rper vor, die voneinander durch einen v\u00f6llig leeren Kaum geschieden sind, diese sollen das Bestreben haben, sich einander zu n\u00e4hern, jeder soll bestrebt sein, den anderen, von dessen Vorhandensein er gar nichts wissen oder sp\u00fcren kann, zu sich heranzuziehen und dieses Streben soll ohne Weiteres Erfolg haben\u201c. S. 68. Mythologie.\n2\tIch mufs mich hier darauf beschr\u00e4nken, die logischen Ungeheuerlichkeiten dieser S\u00e4tze durch gesperrten Druck der Stichworte anzumerken, so sehr es mich auch reizt, diese abenteuerlichen Behauptungen in ihr Nichts zu zerpfl\u00fccken.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nJ. Behmhe.\nangeblichen Widerspr\u00fcche dienen ihm, den bekannten HerbartI-schen Satz wieder hinzustellen: \u201ees kann nur Wirkungen in der unmittelbaren Ber\u00fchrung der Dinge geben\u201c, und \u201edie er-fahrungsm\u00e4fsig festgestellten Fernwirkungen m\u00fcssen irgendwie auf reale Weise vermittelt sein.\u201c\n\u201eAus der Abweisung der unmittelbaren Fern Wirkung er-giebt sich nun weiter, dafs die Kr\u00e4fte (Th\u00e4tigkeiten) erst entstehen infolge des Zusammenwirkens der Wesen, indem sie sich gegenseitig zur Th\u00e4tigkeit bestimmen\u201c; die Erfahrung best\u00e4tige dies, denn sie zeige \u201enirgends einseitige Th\u00e4tigkeit, sondern Wechselwirkung\u201c. \u201eDie Kr\u00e4fte sind also nicht urspr\u00fcnglich in den Wesen vorhanden.\u201c\n\u201eDie Verschiedenheit der Wirkungen aber f\u00fchrt auf eine urspr\u00fcngliche, qualitative Verschiedenheit der Wesen.\u201c \u201eZwei qualitativ gleiche Wesen k\u00f6nnen einander nichts an-haben, nicht zur Kraft bestimmen, aber zwei qualitativ entgegengesetzte k\u00f6nnen bei unmittelbarer Ber\u00fchrung nicht gleichg\u00fcltig bleiben, ihr Zusammen mufs f\u00fcr jedes der beiden Wesen einen realen Erfolg haben, die gegens\u00e4tzliche Verschiedenheit f\u00fchrt in der unmittelbaren Ber\u00fchrung ein th\u00e4tiges Eingreifen des einen in das andere mit sich: Wechselwirkung.\u201c \u201eEine anschauliche Erkenntnis dieser Vorg\u00e4nge in den Wesen, eine Erkenntnis dessen, was in den Wesen selbst geschieht, ist nat\u00fcrlich nicht m\u00f6glich, so wenig uns die urspr\u00fcnglichen Qualit\u00e4ten der Elemente an sich je bekannt werden k\u00f6nnen; aber ganz etwas anderes ist es, festzustellen, dafs dergleichen Vorg\u00e4nge sich in den Atomen vollziehen.\u201c\nAuf Grund dieser Schulbehauptungen kommt Fl\u00fcgel zu dem Satze: \u201eJedes in Wechselwirkung mit anderen begriffene Wesen oder Atom befindet sich in inneren Th\u00e4tigkeits-zust\u00e4nden, und zwar in ebenso vielen verschiedenen Zust\u00e4nden zugleich, gegen wie viel qualitativ verschiedene Wesen es wirkt.\u201c\nWir kennen die Weise sowie den Text von dem \u201erealen Wesen\u201c und seinen \u201einneren Zust\u00e4nden\u201c genugsam; verk\u00fcndigen doch Herbarts Sch\u00fcler diese W\u00f6rter noch immer laut und oft! Aher ich w\u00e4re Fl\u00fcgel dankbar gewesen, wenn er wirklich etwas beigetragen h\u00e4tte, die dunklen W\u00f6rter zu erhellen; bem\u00fcht hat er sich freilich, jedoch ohne allen Erfolg.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n185\nEr belehrt, dafs wir nicht nur zur Erkl\u00e4rung des Einwirkens der Atome \u201eoder\u201c realen Wesen auf einander verschiedene Qualit\u00e4t derselben, sondern auch innere Zust\u00e4nde als Wirkungen annehmen m\u00fcfsten; \u201eauf zwei Punkten macht sich das Unzureichende der blofs \u00e4ufseren Zust\u00e4nde und die Erg\u00e4nzung durch die Annahme solcher inneren Zust\u00e4nde geltend, einmal zum Behufe der richtigen Aulfassung und Erkl\u00e4rung des leiblichen und sodann des geistigen Lebens\u201c. Was das leibliche Leben angeht, so m\u00f6chte Fl\u00fcgel f\u00fcr seine Behauptung vergebens nach H\u00fclfe sich Umsehen unter den Physiologen ; diese linden, sofern sie auf ihrem eigenen Gebiete, dem \u201eLeibesleben\u201c, bleiben, ihre wissenschaftliche Rechnung nur bei dem qualitativ bestimmten Stoffe und seinen \u201e\u00e4ufseren\u201c Zust\u00e4nden, d. i. den physikalischen und chemischen Zust\u00e4nden desselben.\nOb aber nicht die \u201erichtige\u201c Auffassung des \u201egeistigen Lebens\u201c zur Annahme solcher inneren Zust\u00e4nde\u201c dr\u00e4ngt? Empfindung, dafs ist ja allgemein zugestanden, ist doch kein \u201e\u00e4ufserer Zustand\u201c, keine Bewegung! Ist sie aber dann ein \u201einnerer Zustand\u201c? Da sie doch zweifellos existiert, so scheint das bejaht werden zu m\u00fcssen; denn \u00e4ufserer und innerer Zustand sind Gegens\u00e4tze, die eine dritte M\u00f6glichkeit auszuschliefsen scheinen.\nVon dieser \u00dcberlegung m\u00f6gen etwa Diejenigen geleitet sein, welche Fl\u00fcgel als Zeugen f\u00fcr seinen Glauben an die \u201egeistigen Erscheinungen\u201c als \u201einnere Zust\u00e4nde\u201c herbeiruft aus den Reihen der Naturforscher, Zeugen, wie Z\u00f6llner, H\u00e4ckel, N\u00e4geli, Preyer u. a. m., welche der \u201eh\u00f6her organisierten\u201c Materie oder auch der Materie \u00fcberhaupt die \u201eInnerlichkeit\u201c, \u201einnere Zust\u00e4nde\u201c zuzuschreiben angesichts des \u201eGeisteslebens\u201c sich gedrungen sehen : und Fl\u00fcgel begr\u00fcfst sie als einsichtige M\u00e4nner, welche \u201eeine Erg\u00e4nzung\u201c der mechanistischen Atomistik durch innere Zust\u00e4nde in den Atomen anstreben. \u201eEmpfindung\u201c behauptet N\u00e4geili1 \u201eist eine Eigenschaft der Eiweifsmolek\u00fcle, und wenn sie diesen zukommt, m\u00fcssen wir sie auch denen der \u00fcbrigen Stoffe zuerkennen\u201c, und Kr\u00e4mer2: \u201ees mufs der Impuls zur Bewegung oder die Kraft ein innerer Zustand der Atome sein, der der Empfindung im allgemeinen vergleichbar ist.\u201c\n1 Vortrag \u00fcber die Grenzen der Naturerkenntnis. M\u00fcnchen 1877.\n\u2019 Das Problem der Materie. 1887.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nJ. Behmke.\nIn solcher \u201eErg\u00e4nzung\u201c der alten Atomistik sieht Fl\u00fcgel, und dies ist bezeichnend f\u00fcr die Kichtung, den HERBARTischen Weizen bl\u00fchen; er darf sich nicht wundern, wenn infolgedessen die Meinung, der Herbartianismus h\u00e4nge an den Rocksch\u00f6fsen des Materialismus, sich gest\u00e4rkt findet. Er f\u00fchlt sich ganz heimisch in dem Gedankengange jener Zeugen, die freilich, wie er, der Meinung sind, dafs Empfindung etwas anderes sei, als Bewegung, aber dennoch von ihrem materialistischen Boden sich deshalb fortzubewegen es durchaus nicht angezeigt erachten, die es vielmehr Fl\u00fcgel als treffliche Einsicht anrechnen werden, dafs er ihre Meinung als eine Erg\u00e4nzung der alten Atomistik bezeichnet hat. Und Fl\u00fcgel selbst kommt ihnen noch weiter entgegen bei der Er\u00f6rterung der \u201einneren Zust\u00e4nde\u201c.\n\u201eZu den inneren Th\u00e4tigkeitszust\u00e4nden,\u201c schreibt er, \u201esind auch die Zust\u00e4nde zu rechnen, deren wir uns als Empfindungen bewufst sind; diese Th\u00e4tigkeitszust\u00e4nde erfordern einen Tr\u00e4ger, eine Substanz, deren Accidenzen sie sind, einen Stoff; unter Stoff hat man sich die Atome vorzustellen, und es entsteht nun die Frage, ob alle Atome des Gehirns, denn dieses ist erfahrungsm\u00e4fsig der Herd des geistigen Lebens, oder ob nur ein Teil, ob \u00fcberhaupt eine Mehrheit von Wesen oder nur ein einziges Tr\u00e4ger der geistigen Erscheinungen sein kann.\u201c Die Frage wird, unter jener Voraussetzung, dafs Tr\u00e4ger jeder \u201egeistigen Erscheinung\u201c das Atom sei, richtig beantwortet: \u201eangesichts der Thatsache, dafs alle die verschiedenen geistigen Zust\u00e4nde, welche gleichzeitig in uns auftreten oder uns nacheinander gegeben werden, sich in einem Bewufstsein zusammenfinden, kann eine Mehrzahl von Atomen nicht der Tr\u00e4ger dieser \u201eZust\u00e4nde\u201c sein, alles geistige Leben ist innerer Zustand Eines Wesens, und dieses ist, wie jedes andere Atom, einfach und von bestimmter Qualit\u00e4t, es ist das punktf\u00f6rmige Seelenatom.\u201c\nIst das nicht allem Anschein nach materialistischer Seelenbegriff in reinster Form? Ich hob schon hervor, dafs durch Abweisung bestimmter materialistischer Behauptungen \u00fcber das \u201egeistige Leben\u201c noch keineswegs der Materialismus \u00fcberhaupt f\u00fcr den Betreffenden unsch\u00e4dlich gemacht ist, sondern dafs es darauf ankommt, die \u201egeistigen Erscheinungen\u201c in ihrer bestimmten positiven Eigenart sich klar zu machen, um nicht wieder bei der Auffassung von Seele und Seelischem dem","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n187\nAnschaulichen und damit dem Materialismus zu verfallen, der immerfort vor der Th\u00fcr lauert. Den guten Willen, dem Materialismus zu entgehen, hat unser Herbartianer ; aber die Mittel, welche er anwendet, f\u00fchren ihn, anstatt heraus, hinein in denselben; weder der \u201einnere Zustand\u201c zur Bestimmung des \u201egeistigen Zustandes\u201c, noch das \u201epunktf\u00f6rmige Atom\u201c zur Bezeichnung des \u201eeinfachen Wesens\u201c, des Tr\u00e4gers jenes Zustandes, k\u00f6nnen sich diesem Vorwurf entziehen.\nZwar lesen wir, das Seelenatom solle nicht k\u00f6rperlich gedacht werden; \u201ewie die Atome, welche die Materie bilden, untereinander eine grofse Verschiedenheit der Qualit\u00e4ten darbieten, so wird der Seele auch eine von allen anderen abweichende Qualit\u00e4t zukommen\u201c; aber dann dr\u00e4ngt sich uns doch sofort die Frage auf: warum wird trotzdem die Seele ein Atom genannt? Die f\u00fcr die Behauptung der \u201einneren Zust\u00e4nde\u201c aus dem naturwissenschaftlichen Kreise herbeigerufenen Zeugen fassen das Atom als einen Begriff von K\u00f6rperlichem; sie werden sich nicht dazu verstehen, zu behaupten, das Atom sei nicht k\u00f6rperlich, nicht selber Materie, wenngleich Atome \u201edie Materie bilden\u201c, denn sie wissen sehr wohl, dass aus Nichtk\u00f6rperlichem nicht K\u00f6rperliches zusammengesetzt sein kann. Wenn nun Fl\u00fcgel auch dieser letzteren Meinung w\u00e4re, was anzunehmen ist, so kann ich um so weniger billigen, dafs er f\u00fcr das nicht k\u00f6rperlich gedachte und f\u00fcr das k\u00f6rperlich gedachte einfache Wesen eine und dieselbe Bezeichnung w\u00e4hlt, die uns aus alter Gewohnheit auch das erstere dennoch als k\u00f6rperliches einfaches Wesen denken l\u00e4sst. Jene Zeugen, welche den \u201edie Materie bildenden\u201c Atomen \u201einnere Zust\u00e4nde\u201c zulegen, h\u00e4tten ihn nicht zu dieser Zweideutigkeit verleiten sollen, vielmehr w\u00e4re es an ihm gewesen, die Zulage und \u201eErg\u00e4nzung\u201c selber erst in ihrer Berechtigung zu pr\u00fcfen.\nUnd es ist ebenso wenig zu billigen, dafs er das Wort \u201eStoff\u201c in dem ganz ungebr\u00e4uchlichen Sinne eines Tr\u00e4gers von Zust\u00e4nden \u00fcberhaupt verwendet und es damit der gewohnten Gleichdeutigkeit mit \u201eMaterie\u201c enthebt. Wollte etwa Fl\u00fcgel durch die Umdeutung des \u201eAtoms\u201c und des \u201eStoffs\u201c und den Gebrauch der Worte in umfassenderem Sinne materialistisch gesinnte Kreise umstimmen und anlocken, so n\u00fctzt diese Weitherzigkeit seinem Zwecke gewifs nichts; Zugest\u00e4ndnisse dieser Art, \u201eauch Atom\u201c, \u201eauch Stoff\u201c, sind","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nJ. Mehmke.\nimmer vom \u00dcbel; sie st\u00e4rken nur den Gegner und ziehen den Weitherzigen zu ihm hin\u00fcber. So kommt es: Fl\u00fcgel zog aus, um den Materialismus zu besiegen, und vom Materialismus angesteckt kehrt er heim. Allerdings auch die andere Wahrheit best\u00e4tigt sich bei ihm: Niemand wird angesteckt, der nicht schon die g\u00fcnstigen Bedingungen in sich mitbringt; es ist unzweifelhaft, dafs der HERBARTische Bealismus, wenn nicht selbst schon Materialismus, so doch wenigstens einen vorz\u00fcglichen N\u00e4hrboden materialistischer Anschauung bildet. Was ist es wohl anders, als materialistische Auffassung der Seele, wenn wir lesen: \u201eEs liegt gar keine N\u00f6tigung vor, der Seele einen unver\u00e4nderlichen Sitz im Gehirn zuzuschreiben, es ist, wie Herbart hervorhebt, sehr wohl m\u00f6glich, dafs sich die Seele innerhalb gewisser Grenzen im Gehirn hin und herbewegt,\u201c und \u201ees versteht sich von selbst, dafs die Seele als ein einfaches reales Wesen nicht an mehreren Orten zugleich sein kann, dies folgt auch in keiner Weise aus der Annahme ihrer Beweglichkeit.\u201c Den Teufel sp\u00fcrt das V\u00f6lkchen ein, und wenn er sie beim Kragen h\u00e4tte!\nWem kann und darf man einen Sitz und Ort im Gehirn, wem eine Bewegung und Beweglichkeit zuschreiben? Doch einzig und allein dem Baumgegebenen, dem K\u00f6rperlichen! Soll unsere Sprache als Verst\u00e4ndigungsmittel nicht vernichtet werden, so k\u00f6nnen wir nicht darauf verzichten, dafs \u201eSitz, Ort, Bewegung und Beweglichkeit\u201c im wissenschaftlichen, eigentlichen Gebrauche nur auf das K\u00f6rperliche angewendet werden.\nDie HERBARTische Philosophie, welche es als das eigenste philosophische Gesch\u00e4ft verk\u00fcndet, die Widerspr\u00fcche aufzul\u00f6sen, sollte sich h\u00fcten, selbstth\u00e4tig neue Widerspr\u00fcche zu schaffen, und sollte feinf\u00fchliger sein gegen so plumpe Widerspr\u00fcche, wie derjenige ist, in welchem der Seele einerseits K\u00f6rperlichkeit, Materialit\u00e4t, B\u00e4umlichkeit abgesprochen und andererseits Sitz, Ort, Bewegung und Beweglichkeit im Gehirn zugesprochen wird. Und es ist auch nur ein kleines Versteckenspielen mit dem Materialismus, oder eine betr\u00e4chtlich naive Auffassung, wenn man meint, die Seele durch die \u201ePunktf\u00f6rmigkeit\u201c, welche von ihr ausgesagt wird, gegen alle K\u00f6rperlichkeit sicher gestellt zu haben : fein oder grob, Materialismus bleibt es doch!","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n189\nIn der That beklagenswert ist die Thatsache, dafs noch heute so viele in dem \u201epunktf\u00f6rmig Gegebenen\u201c nicht Baumgegebenes zu haben meinen, und eine Einheit, die nicht ein r\u00e4umlich Gegebenes sein soll, als \u201epunktuelle Einheit\u201c zu bezeichnen wagen. Der gewohnte Hinweis auf den \u201emathematischen Punkt\u201c, der nicht B\u00e4umliches sei, ist ja n\u00e4her besehen ein niederschmetternder Beleg f\u00fcr die Unwahrheit jener Bezeichnung selbst, und zwar in zweifacher Hinsicht: der mathematische Punkt ist erstens nicht ein \u201ereales Wesen\u201c, ein \u201eAtom\u201c, was doch die Seele sein soll, und zweitens stets eine Bestimmtheit, ein \u201eAccidens\u201c des Baumgegebenen, was doch die Seele als Nichtr\u00e4umliches nicht sein kann. Aber trotz alledem redet und schreibt man unentwegt weiter von \u201epunktueller Einheit\u201c und \u201ePunktf\u00f6rmigkeit\u201c des \u201erealen Wesens\u201c Seele!\nMan sp\u00fcrt es nicht, dafs man auf materialistischem Grunde sich bewegt; das \u201eerhebende\u201c Wort von der \u201eImmaterialit\u00e4t\u201c der Seele t\u00e4uscht schon gemeiniglich dar\u00fcber hinweg und so \u00fcberl\u00e4fst man sich ruhig weiter dem materialistischen Gedichte.\nAuch Fl\u00fcgel verf\u00e4ngt sich mehr und mehr in den Maschen des materialistischen Netzes, was bei der Auffassung der Wechselwirkung von Seele und Leib zu Tage tritt. Wie von ihm bei physikalischen Atomen die Fernwirkung ausgeschlossen und nur Wirkung durch Ber\u00fchrung angenommen ist, so gilt dies auch f\u00fcr die \u00fcbrigen, d. i. f\u00fcr die Seelenwesen oder punktf\u00f6rmigen Seelenatome; Wechselwirkung von Leib und Seele ist ihm bedingt durch die Ber\u00fchrung des Seelenatoms mit einem Gehirnatom.\nDas Nest von Widerspr\u00fcchen gr\u00f6bster Art, welches uns in diesen Worten entgegenstarrt, auszunehmen, w\u00fcrde der Baum fehlen; doch einige Andeutungen kann ich nicht unterlassen. Das Gehimatom hat, wie Fl\u00fcgel mit seinen naturforsch enden Zeugen annimmt, \u00e4ufsere und innere Zust\u00e4nde ; das Seelenatom als nichtr\u00e4umliches allein innere ; die inneren Zust\u00e4nde des Gehirnatoms sollen die eigentlichen Bedingungen der Zust\u00e4nde der Seele, und diese die der inneren Zust\u00e4nde des Gehirnatoms sein: also sollen sich diese zwei realen Wesen nach ihrer \u201eInnerlichkeit\u201c \u201eber\u00fchren\u201c, der \u00e4ufsere Zustand des Gehirnatoms kommt nicht in Betracht. Wer vermag sich einen Beim auf diese Art Ber\u00fchrung zu machen?","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nJ. Rehmke.\nUnser Sprachgebrauch kennt das Wort Ber\u00fchrung nur im Sinne des Aneinander zweier \u00dfaumgegebenen, und es ist uns auch nicht m\u00f6glich, ein anderes Aneinander von den \u201erealen Wesen\u201c zu denken; \u201e\u00e4ufsere Zust\u00e4nde\u201c derselben bleiben die notwendige Voraussetzung der Ber\u00fchrung. Wird der \u201eSeele\u201c der \u201e\u00e4ufsere Zustand\u201c ab gesprochen, ist sie nicht Kaumgegebenes, so ist es sinnlos von Ber\u00fchrung ihrerseits mit einem anderen \u201erealen Wesen\u201c zu reden, und soll es Sinn erhalten, so mufs die Immaterialit\u00e4t der Seele als realen Wesens gestrichen und sie selbst f\u00fcr ein Kaumgegebenes, wenn auch nur f\u00fcr ein \u201epunktf\u00f6rmiges Atom\u201c, ausgegeben werden. Es heifst aber als Psychologe vom baren Widerspruche leben wollen, wenn man sowohl die Immaterialit\u00e4t als auch die Ber\u00fchrung mit Gehirnatonfen schlechthin der Seele zulegt; das Wort \u201ereales Wesen\u201c deckt den Widerspruch nicht zu und es bleibt solange eine klingende Schelle, als bis wir wissen, was dieses Wesen positiv ist. Ich meine aber zeigen zu k\u00f6nnen, dafs alle Bem\u00fchungen \u00fcber das \u201eWas\u201c der Her-BARTianischen Seele uns aufzukl\u00e4ren, ins Gebiet des Materialismus f\u00fchren, insbesondere aber f\u00fchren dahin jene \u201einneren Zust\u00e4nde\u201c, auf die Fl\u00fcgel im Kampfe mit dem Materialismus als auf seine besten Beweismittel gerne hinweist; gerade sie werden ihm, weil er sie ungepr\u00fcft hinnimmt, zum Fallstricke. Hat denn das Wort \u201einnerer Zustand\u201c \u00fcberhaupt einen psychologischen Sinn? Befindet sich auch Fl\u00fcgel anscheinend in guter Gesellschaft, da hervorragende Naturforscher dieses Wort zu verwenden belieben f\u00fcr ihre physikalischen Atome, so kann uns das nur Anlafs sein, auch sie mit ihm zur Verantwortung zu ziehen.\nWenn N\u00e4geli a. a. 0. behauptet: \u201eDie Molek\u00fcle m\u00fcssen etwas besitzen, was der Empfindung, wenn auch noch so fern, verwandt ist; geistige Kraft ist das Verm\u00f6gen der Stoffteilchen, aufeinander zu wirken\u201c; wenn E. L. Fischer ferner fragt: \u201ewie soll man sich eine solch notwendige zu postulierende Innerlichkeit in den Dingen denken, wenn nicht in Analogie mit dem, was wir als Innerlichkeit erfahren, n\u00e4mlich als eine Art Empfinden und Streben?\u201c, ja, wenn N\u00e4geli kurzweg erkl\u00e4rt: \u201eDie Empfindung ist eine Eigenschaft der Eiweifsmolek\u00fcle\u201c, so kann wohl einen Augenblick der Mut, mit dem solche Redensarten in die Welt geschickt werden,","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n191\nverbl\u00fcffend auf uns wirken, um dann aber doch ein bitteres Lachen auszul\u00f6sen \u00fcber den bejammernswerten Stand psychologischer Bildung unter den Gebildeten der Gegenwart.\nIch kann es mir nicht denken, dafs N\u00e4gel l sich bem\u00fcht hat, seinen Satz noch einmal anzusehen und sich zu fragen: verstehst du auch, was du liesest? \u201eEmpfindung eine Eigenschaft der Eiweifsmolek\u00fcle?\u201c Ich kann es nicht anders deuten, als \u201eEiweifsmolekel k\u00f6nnen empfinden, k\u00f6nnen Empfindungen haben.\u201c Was ist denn Empfindung? Nicht eine Bewegung irgend welcher Art, kein \u201e\u00e4ufserer Zustand\u201c soll es sein; sie ist, t\u00f6nt das erl\u00f6sende Wort, ein \u201einnerer Zustand\u201c der Molekel, die \u201eInnerlichkeit\u201c dieses Dinges. Was will dies heifsen? Wir kennen ja wohl einen inneren Zustand der Molekel, die Molekularbewegung, aber da Empfindung nicht Bewegung irgend welcher Art sein soll, so darf uns nicht der Gedanke kommen, sie selber als eine Molekularbewegung, einen inneren Bewegungszustand der Molekel aufzufassen. Ist sie aber doch ein bestimmter \u201einnerer Zustand\u201c desselben, wie behauptet wird, so mufs wenigstens beiden, der Molekularbewegung und der Empfindung, ein Gattungsbegriff \u201einnerer Zustand\u201c zu Grunde liegen. Doch dies ist in Wahrheit nicht der Fall; dasselbe Wort bedeutet in diesen zwei F\u00e4llen nicht dasselbe. Ich erachte es aber von h\u00f6chster Wichtigkeit, dafs man sich des verschiedenen Sinnes von \u201einnerem\u201c Zustande versichere, um von Sinnlosigkeiten gr\u00f6bster Art, die man sonst in unschuldsvoller Ahnungslosigkeit leichthin ver\u00fcbt, den Mund und die Feder rein zu halten.\nDas Wort \u201einnerer Zustand\u201c oder \u201eInneres\u201c, f\u00fcr Empfindung und anderes \u201egeistiges Leben\u201c gebraucht, hat, wie ein Blick in die Geschichte der Psychologie lehrt, nicht wenig dazu beigetragen, den Materialismus in der Psychologie, gegen den grade es ausgespielt wurde, zu erhalten, und wenn wir es heute in der Seelenfrage noch immer nicht weiter gebracht haben, so ist dies zum Teil jenem irref\u00fchrenden Worte zur Last zu legen. Bilder haben als Beleuchtungsmittel in wissenschaftlicher Darstellung sicherlich ihren Nutzen, aber sie sind nicht, wie die Gedanken im b\u00fcrgerlichen Leben, zollfrei, d. h. sie d\u00fcrfen erst Einlafs erhalten, wenn der eigentliche positive Sinn dessen, \u25a0was sie beleuchten sollen, dem Einf\u00fchrenden selber klar ist. G\u00e4be es auf diesem Gebiete keinen Schmuggel, so w\u00fcrden\nZeitschrift fur Psychologie II.\t13","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nJ. Behrnke.\nmanche Bilder, die ntm \u00fcberall feilgeboten werden, gar nicht die Zollgrenze \u00fcberschritten haben : vielleicht geh\u00f6rt zu diesen das Wort \u201einnerer Zustand,\u201c \u201eInneres\u201c als Bezeichnung des Seelischen !\n\u201eInneres und \u00c4ufseres\u201c bedeuten zwei Begriffe, die aufeinander angewiesen sind, das eine ist nicht, es sei denn zugleich das andere. Unbestreitbar haben die Worte in ihrem eigentlichen Sinne nur im Eaumgegebenen ihre Verwendung, diese setzt also bestimmtes Baumgegebenes, das ist ein Ding und seine Umgebung voraus und geht eben auf ein bestimmtes Ding: was dessen Baumgrenze an Eaumgegebenem einschliefst, ist das \u201eInnen\u201c oder \u201eInnere\u201c, was sie ausschliefst, das \u201eAufsen\u201c oder \u201e\u00c4ufsere\u201c.\nSo spricht man in eigentlicher Weise von dem Inneren des Baumdinges \u201eMolekel\u201c, wenn sein Innen raum gemeint ist, und in eigentlicher Weise von dem inneren Zustand desselben, wenn man damit seine Molekularbewegung kennzeichnen will; dieser innere Zustand f\u00fcllt einen Baum aus und hat wie jeder Zustand des Baumgegebenen einen Ort aufzuweisen, wo er ist (n\u00e4mlich in dem Dinge), ohne welchen er auch selber schlechterdings nicht gedacht werden kann, denn er ist eben eine Bestimmtheit des Baumgegebenen.\nFragen wir nun, ob sich die Empfindung gleichfalls im eigentlichen Sinne als ein innerer Zustand behaupten l\u00e4fst. Die genannten Zeugen unter den Naturforschern scheinen es -f\u00fcr ang\u00e4nglich zu halten, denn dasjenige, dessen innerer Zustand die Empfindung genannt wird, ist ihnen bestimmtes Baumgegebenes, Molekel oder Atom; als innere Bestimmtheit desselben m\u00fcfste sie also gefafst werden, die Empfindung als in ihm gegeben gedacht werden k\u00f6nnen.\nNehmen wir als Beispiel eine bestimmte Empfindung, die Farbenempfindung \u201erot\u201c und setzen wir, die Gehirnzelle sei das Empfindende, der Tr\u00e4ger dieses inneren Zustandes, so m\u00fcfste, wenn das Wort im eigentlichen Sinne gelten k\u00f6nnte, die so empfindende Gehirnzelle ihren Innenraum oder einen Teil desselben als roten haben. Denn, hat die Gehirnzelle diese Empfindung und ist letztere im eigentlichen Sinne innerer Zustand, so mufs jene eben in ihrem Bauminnern rot sein. Doch dies wird auch keiner von unseren \u201eZeugen\u201c Wort haben wollen ; \u201enicht das Bot steckt als Bestimmtheit in der Gehirn-","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n193\nzelle\u201c, werden sie sagen, \u201esondern sie empfindet nur das Rot und dieses ihr Empfinden ist eben \u201einnerer Zustand\u201c, \u201ein ihr\u201c, wie ja auch unsere Empfindungen \u201ein uns\u201c sind, ohne das wir damit sagen wollen, dafs wir selbst rot, s\u00fcfs, weich u. s. f. seien.\u201c\nJa, die Zeugen werden selbst bereitwilligst zugeben, dafs dieses \u201eEmpfinden\u201c oder \u201eEmpfindung haben\u201c nicht eine Bestimmtheit der Gehirnzelle als des Raumgegebenen sein, dafs es nicht etwa als eine besondere Molekularbewegung gedeutet werden k\u00f6nne. Damit f\u00e4llt dann aber der eigentliche Sinn des \u201einneren Zustandes\u201c f\u00fcr dies Empfinden aufser Betracht, das Wort kann nur im bildlichen Sinne verwendet worden sein, um das \u201eEigentliche\u201c zu beleuchten, dafs n\u00e4mlich Empfindung ein der Gehirnzelle eigent\u00fcmliches, aber mit den \u00fcbrigen Bestimmtheiten derselben gar nicht vergleichbarer Zustand sei. Wird also Empfindung \u201einnerer Zustand\u201c genannt, so mufs das Wort etwas durchaus Anderes an der Gehirnzelle bedeuten, als wenn vom inneren Zustande \u201eMolekularbewegung\u201c geredet wird; diese beiden Zust\u00e4nde w\u00e4ren der Gattung nach v\u00f6llig verschieden. Aber gesteht man diese Gattungsverschiedenheit nicht zu, so bleiben nur zwei M\u00f6glichkeiten: entweder ist der eigenartige Zustand der Gehirnzelle, welche sie Empfindung nennen, ein \u201einnerer\u201c in demselben Sinne, wie die Molekularbewegung, also Bestimmtheit des Rauminnern, oder aber \u201einnerer\u201c Zustand will nur sagen, dafs das so Bezeichnete ein der Gehirnzelle Eigent\u00fcmliches ist. Im letzteren Falle w\u00fcrde jedoch ebenfalls der \u00e4ufsere Zustand derselben ein \u201einnerer\u201c Zustand genannt werden m\u00fcssen, und nat\u00fcrlich in demselben Sinne auch das im Rauminnern als Bestimmtheit desselben Gegebene, die Molekularbewegung, mit demselben Worte bezeichnet werden \u2014 und dann m\u00fcfste zur Feststellung dessen1, was Empfindung als besonderer Zustand im Gegensatz zu den anderen ist, noch erst geschritten werden. Dies aber trifft nicht die Meinung der \u201eZeugen\u201c, welche ja gerade in dem Worte \u201einnerer Zustand\u201c das die Besonderheit der Empfindung als Zustandes der Gehirnzelle Ausmachende gekennzeichnet wissen wollen. Auch im ersteren Falle (Empfindung ist wie die Molekularbewegung, Bestimmtheit des Rauminnern) k\u00e4me dieselbe Forderung auf, nun noch den Unter-\n13\u00bb","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nJ. Rehmke.\nschied dieser beiden \u201einneren\u201c Zust\u00e4nde der Molekel herauszustellen: was wieder gegen die Meinung der Zeugen, und zwar in gleicher Weise wie heim anderen Falle, stritte.\nDoch es m\u00f6chte mancher, der nun einmal in den \u201einneren Zustand\u201c Empfindung verliebt ist, sich, um die Sache sauber in der Hand zu haben, zu dem Zugest\u00e4ndnis herbeilassen, dafs allerdings in demselben Sinne Molekularbewegung und Empfindung innere Zust\u00e4nde der Gehirnzelle seien, und es daher in der That n\u00f6tig erscheine, die beiden noch in ihrer Besonderheit erst zu bestimmen. \u201eInnere Zust\u00e4nde,\u201c m\u00f6gen sie sagen, \u201eheifsen diejenigen, welche nicht, wie der \u201e\u00e4ufsere\u201c des Molekels, direkt am Molekel wahrgenommmen werden; von demselben sind die einen solche, welche n\u00e4her als Bestimmtheiten des Eauminnern zu bezeichnen sind, die anderen solche, in denen die Gehirnzelle Empfindungen hat; man meine also, wenn man von letzteren als inneren Zust\u00e4nden spricht, nicht etwa Bestimmtheiten des Eauminnern.\u201c\nWarum aber gebraucht man dennoch das Wort \u201einnerer Zustand\u201c, wenn einmal mit demselben im Sinne des \u201enicht direkt am Dinge wahrnehmbaren Zustandes\u201c gar kein Gegensatz der Empfindung zur Molekularbewegung bezeichnet, ja \u00fcberhaupt gar keine positive Bestimmtheit geboten wird, und ferner die Gewohnheit des Sprachgebrauchs immer wieder verleitet, die als \u201einneren\u201c Zustand bezeichnete Empfindung m Sinne oder -Bestimmtheit eines Eauminnern zu fassen. Der bildliche Ausdruck \u201einnerer Zustand\u201c zur Bezeichnung der Empfindung f\u00fchrt die Gefahr irrt\u00fcmlicher Auffassung im st\u00e4rksten Mafse bei sich.\nWollte man in diesem Punkte dem Gegebenen selbst doch nur mehr die Ehre geben, man m\u00f6chte sich bald frei machen von jenem \u201ebildlichen\u201c Ausdrucke, der nichts Gutes stiften kann. Man erkundige sich doch genau dort, wo allein bildlose Auskunft \u00fcber \u201eEmpfindung\u201c und \u201eEmpfindung haben\u201c erteilt werden kann: bei sich selbst, und frage sich nun, ob das Wort von den \u201eEmpfindungen in uns\u201c ein wohlangebrachtes Bild f\u00fcr den wissenschaftlichen Zweck sei!\nWenn ich das, was man Farbe, Ton u. s. f. nennt, habe, so finde ich in diesem Gegebenen nichts, was es als meinen inneren Zustand zu bezeichnen zw\u00e4nge, sondern nur dieses, dafs ich in einem bestimmten \u201eZustande\u201c, wenn dies","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n195\nWort hier einmal beibehalten wird, hin, demjenigen n\u00e4mlich, dafs ich, anders l\u00e4fst es sich wiederum nicht ausdr\u00fcck en, Empfindungen \u201eFarbe\u201c, \u201eTon\u201c habe. Vergleiche ich dieses \u201ehaben\u201c mit demjenigen eines Dinges, so f\u00e4llt der Unterschied sofort in die Augen; auch das Ding hat Farbe, aber es ist etwas anderes, wenn ich Farbe habe; jenes ist gleichdeutig mit dem Ausdrucke: das Ding ist farbig, dieses l\u00e4fst sich aber keineswegs wiedergeben mit dem Worte: ich bin farbig. Der verschiedene Sinn solchen \u201eFarbe-Habens\u201c l\u00e4fst sich auch auf andere Weise klar machen. Gesetzt, ein wahrgenommenes Ding hat die Farbe \u201erot\u201c nur an einer bestimmten Stelle, im \u00fcbrigen ist es gr\u00fcn, so habe ich, der Wahrnehmende, dieselbe rote Farbe an eben derselben Stelle des Dinges. W\u00fcrde das \u201eFarbehaben\u201c in beiden F\u00e4llen dasselbe bedeuten, so w\u00e4re das Behauptete eine Sinnlosigkeit, denn eine rote Farbe kann an eben derselben Stelle nicht zwei verschiedenen Wesen in demselben Sinne zugeh\u00f6ren: zweifellos ist aber das Ding ein anderes als ich; soll also von beiden dennoch das \u201edie rote Farbe an eben derselben Stelle haben\u201c mit Grund ausgesagt werden, so mufs das haben verschiedenen Sinn enthalten, der nat\u00fcrlich nur durch die Verschiedenheit der beiden \u201eHabenden\u201c gedeutet werden kann, da das \u201eGehabte\u201c ja ein und dasselbe ist, n\u00e4mlich die rote Farbe: Das eine Habende ist Bewufstseinsgegenstand, das andere aber Bewufstseinssubjekt, das eine ist \u201eDing\u201c, das andere \u201eich\u201c: darin gr\u00fcndet sich die Verschiedenheit des Habens und die M\u00f6glichkeit, dafs beide doch ein und dasselbe \u201ehaben\u201c.\nEs ist nun nichts dagegen zu erinnern, wenn man das eigent\u00fcmliche Gehabtsein der Farbe seitens des Bewufst-seinssubjektes dadurch zu bezeichnen liebt, dafs man von! der Farbe sagt: sie sei die Farbenempfindung desselben. Aber wie ist es doch gekommen, dafs man sich dann versucht sah, wieder von der \u201eFarbenempfindung in mir\u201c zu reden, und Farbe des Dinges und Farbenempfindung in mir nicht als ein und dasselbe, dagegen das eigent\u00fcmliche Haben von Farbe seitens des Dinges und Farbenempfindung meinerseits als ein und dasselbe aufzufassen?\nDer Grund liegt in dem Doppelsinn des Wortes \u201eich\u201c. Wir gebrauchen das Wort einmal f\u00fcr das Bewufstseinssubjekt welches Bewufstseinsgegenst\u00e4nde hat: ich empfinde,","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nJ. BehmJce.\nich f\u00fchle, ich will etwas u. s. f., und zweitens f\u00fcr den M en sch en, der individuelles Bewufstsein in exemplarischem Zusammen mit dem bestimmten Leibe ist: ich bin in Elmshorn geboren, ich lebe in Greifswald, ich esse, trinke, stehe, gehe u. s. f. Man sieht, in dem zweiten Falle ist das raum- und ortsbestimmende Moment der Leib; ohne diesen h\u00e4tten jene Aussagen vom \u201eich\u201c gar keinen Sinn; verst\u00e4ndlicherweise ruht auch hier der Blick des Aussagenden eben auf diesem Leibe, und so kommt es wohl, dafs er, der das Stehen und Gehen doch von sich aussagt, sich mit diesem Leibe im eigentlichen Sinne schon f\u00fcr v\u00f6llig identisch h\u00e4lt.\nNennen wir das \u201eich\u201c = individuelles \u201eBewufstsein -f- Leib\u201c das \u201eich\u201c im weiteren Sinne, so l\u00e4fst sich von diesem, welches ifst und trinkt, sagen: die Speisen und Getr\u00e4nke kommen in mich (= meinen Leib) hinein und sind in diesem Sinne in mir, das ist in meinem Leibe, und durch den Mund gelangen sie in \u201emich\u201c hinein, \u201eich\u201c habe sie in mir, und nur weil ich sie in mir habe, habe ich (mein Leib) sie.\nYergifst man nun, dafs das \u201eich\u201c Verschiedenes bedeuten k\u00f6nne, so h\u00e4lt man es f\u00fcr durchaus berechtigt, anzunehmen, dafs, wenn das \u201eich\u201c etwas Neues \u00fcberhaupt habe, dieses in \u201emich\u201c hinein gekommen und nun in \u201emir\u201c sein m\u00fcsse; ob ich esse oder empfinde, die Empfindung sei gleicherweise, wie das Essen, in mir, zumal ja, so meint man wenigstens zu wissen, wie f\u00fcr das Haben des Essens der Mund, so f\u00fcr das Haben der Empfindung \u201eFarbe\u201c das Auge das Eingangsthor bilde, und wie die Speiser\u00f6hre das Essen in den Magen, so der Augennerv die Farbenempfindung ins Gehirn leite. Zwar diese altmaterialistische Auffassung wird so von keinem Gebildeten mehr vertreten werden, er setzt f\u00fcr die Empfindung vielmehr die Reizerregung, welche ins Gehirn gef\u00fchrt wird, aber da die Farbenempfindung sich zweifellos an die \u201eErregung des Gehirns in mir\u201c anschliefst, so sei sie, wie diese, ebenfalls in mir (d. i. also in meinem Leibe) zu denken.\nDafs dieser Unterschied von ich = Bewufstseinssubjekt und ich \u2014 Mensch \u00fcbersehen wird, tr\u00e4gt in der That das Meiste dazu bei, wenn man noch immer von den \u201eEmpfindungen in uns\u201c mit vollem Rechte im eigentlichen Sinne glaubt reden zu d\u00fcrfen. Die Wirren aber, welche daraus entstehen und entstanden sind, werden nicht eher aufh\u00f6ren, als bis man sich der","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelen frage.\n197\ng\u00e4nzlichen Unvergleichbarkeit, nicht blofs von Bewegung und Empfindung, sondern von Ding und Empfindungssubjekt vergewissert hat. So lange dies nicht geschehen ist, wird man es immer f\u00fcr geradezu selbstverst\u00e4ndlich halten, dafs die durch \u201eGehirnerregung in mir (dem Leibe)\u201c bedingte Empfindung auch in mir, was dann nichts anderes heifsen kann, als in meinem Leibe, auftritt; \u201emeine\u201c Gehirnerregung und \u201emeine\u201c Empfindung werden so demselben \u201eTr\u00e4ger\u201c zugeschrieben.\nDafs ich die Sache nicht \u00fcbertreibe und mich dem Verst\u00e4ndnis des \u201eblofs bildlich\u201c gemeinten Ausdrucks \u201eEmpfindung in uns\u201c nicht etwa eigensinnig verschliefse, wird jeder, welcher f\u00fcr sich die Probe macht, erkennen und best\u00e4tigen. Aber noch eine andere Best\u00e4tigung liegt offenbar in der wunderlichen \u201eProjektionstheorie\u201c vor: die Anh\u00e4nger derselben k\u00f6nnen es nicht leugnen,dafs die Farbenempfindung, wenn ich sie wahrnehme, nicht \u201ein mir\u201c (dem Leibe), sondern aufser mir ist; sie wollen aber eben so wenig von der Meinung lassen, dafs, da der Beiz auf das Auge eingewirkt und eine Erregung des Nerven hervorgerufen hat, welche sich von aufsen nach innen des Leibes, \u201ein mich hinein\u201c fortpflanzt, und im Gehirn, \u201ein mir\u201c, ihr Ende erreicht, die sich ankn\u00fcpfende Empfindung auch zun\u00e4chst \u201ein mir\u201c (dem Leibe) auftrete. Um nun dieses angenommene \u201ein mir\u201c mit dem \u201eaufser mir\u201c, welches die gegebene Farbenempfindung zeigt, zu reimen, wurde die kindliche Theorie von der Projektion der Farbenempfindung geschaffen: so zieht ein Ungeheuerliches, \u201eEmpfindung in mir\u201c, das andere, die Projektionstheorie, nach sich.\nIch m\u00fcfste diese \u201eEmpfindung in mir\u201c auch dann f\u00fcr eine irrige Behauptung halten, wenn ich, dieses Empfindungssubjekt, mich identisch w\u00fcfste mit einem Dinge, dem Leibe oder einem Gehirnatom, das ja zweifellos \u00fcber ein \u201einnen\u201c verf\u00fcgt; denn stets h\u00e4tte ich die \u201eFarbenempfindung\u201c als Bestimmtheit eines anderen Gegebenen, nicht als eine meiner selbst, also, nicht \u201ein mir\u201c: und ich kann doch nur Bechenschaft geben \u00fcber das, was ich selber und wie ich es habe als meinen Bewufstseinsgegenstand oder Gegebenes.\nNur eine \u00dcberlegung und eine Auslegung k\u00f6nnte den bildlichen Ausdruck \u201ein mir\u201c f\u00fcr die Empfindung einiger-mafsen rechtfertigen: da doch das Bewufstseinssubjekt, welches","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nJ. Behmke.\nEmpfindungen fiat, als dieses bestimmte sicfi bedingt und charakterisiert siebt vor allem auch durch sein exemplarisches Zusammen mit dem bestimmten Leibe, so habe man mit dem \u201ein mir\u201c nur ausdr\u00fccken wollen, dafs die Empfindung eben diesem Bewufstseinssubjekt eigen sei; dieses Gehabtsein der Empfindung solle durch das von dem Leibe nur entnommene Bild erl\u00e4utert werden, obgleich man wohl wisse, dafs die Farbenempfindung nicht im Leibe, mit dem jenes Zusammen mit dem Bewufstseinsubjekt bestehe, stecke.\nDieser Auslegung jedoch werden sich nur wenige f\u00fcgen, dagegen viele erkl\u00e4ren, das, was sie mit \u201eEmpfindung in mir\u201c sagen wollen, sei in dem Vorstehenden noch gar nicht ber\u00fchrt; das, was empfunden werde, (Farben u. s. f.) solle mit dem Worte gar nicht getroffen werden, sondern nur die \u201eTh\u00e4tig-keit\u201c, in welcher dasjenige, welches empfindet, sich befindet; das Empfinden sei ein Zustand, der nicht \u201enach aussen hin\u201c sich darstelle, d. h. er sei weder sinnlich wahrnehmbar noch vorstellbar, nichts Anschauliches \u00fcberhaupt, und doch sei er.\nDieses k\u00e4me, wenn nicht noch heimlich mehr darin liegt, auf meine vorher gegebene Auslegung des Bildes hinaus, nur dafs hinzugef\u00fcgt ist, \u201ein mir\u201c bedeute, dafs dieser \u201eZustand\u201c \u00fcberhaupt nicht sinnlich wahrnehmbar sei. Indessen hier l\u00e4fst denn doch der Ausdruck \u201ein mir\u201c, weil er stets zu dem Schielen nach einem Dinge, einem Saumgegebenen veranlafst, jene Versuchung bestehen, vor der man auf der Hut sein mufs; und durch das blofs negative \u201enicht sinnlich wahrnehmbar\u201c ist man vor ihr nicht gefeit; ich meine die Versuchung, welche den Empfindungszustand als einen des Leibes oder eines seiner Atome ansehen l\u00e4fst; hand-kehrum sind wir aus dem Bilde in den eigentlichen Sinn des \u201ein mir\u201c hin\u00fcbergeglitten, jener Zustand gilt als im Innern gegeben, allerdings dem Blicke des Draufsenstehenden entzogen. Dann ist wieder \u201eich\u201c und Leib oder sein Atom identifiziert, wozu die leicht sich einstellende Verwechselung von \u201eich\u201c im engeren und \u201eich\u201c im weiteren Sinne ja h\u00fclfreich\u00a9 Hand leistet.\nWer nun auftritt mit der Behauptung, ein Ding, ein Haumgegebenes k\u00f6nne nicht empfinden, sondern dazu bed\u00fcrfe es eines \u201eBewufstseinssubjektes\u201c als eines \u201eTr\u00e4gers\u201c dieser","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n199\nEmpfindungen, und das sei etwas ganz anderes als ein Ding, der wird wohl zur Ruhe gewiesen mit der Bemerkung, dieses Bewufstseinssubjekt sei eben das Ding, die G-ebirnzelle oder ein anderes Atom selber. Was das beifsen solle, ist freilich dunkel und erweist sich, wie wir zeigen werden, als leeres Wort, aber zun\u00e4chst h\u00e4lt man wohl es f\u00fcr ein sinnvolles. Man meint, unsere Forderung eines Bewufstseinsubjektes gehe einzig aus dem Bed\u00fcrfnis hervor, einen .,Tr\u00e4ger\u201c, subjektum, f\u00fcr die Empfindung zu haben; ein solches \u201eSubjekt\u201c biete sich ja in dem Ding an, welches nun nur neben Zust\u00e4nden der Bewegung auch noch diesen \u201eEmpfindungszustand\u201c an sich trage, und die Eigenart dieses seines Zustandes als \u201egeistigen\u201c oder \u201ebewufsten\u201c sei es, welche das Ding als Tr\u00e4ger desselben, als Subjektum dieses Bewufstseinszu-standes d. h. als Bewufstseinssubjekt mit vollem Rechte bezeichnen lasse. Kein Bed\u00fcrfnis sei, noch ein besonderes, dem Ding ganz ungleichartiges, Bewufstseinssubjekt f\u00fcr die Empfindung zu fordern.\nDiesen Standpunkt nehmen die obengenannten Naturforscher, welche der Molekel oder dem Atom Empfindung zuschreiben, ein, und mit dem Recht, das aus dem raumgegebenen Tr\u00e4ger sich herleitet, k\u00f6nnen sie ja die Empfindung einen inneren Zustand nennen \u2014 aber ist auch dieser Anstofs beseitigt, so bietet doch jetzt gr\u00f6fsere Schwierigkeit die Behauptung, das Raum g eg ebene, Ding sei Tr\u00e4ger der Empfindung, es empfinde. Diese Schwierigkeit wird oft gar nicht bemerkt infolge einer alten Gewohnheit, so zu reden: \u201eder Mensch bewegt sich und empfindet, Tier und Pflanze bewegen sich und empfinden\u201c: man sp\u00fcrt nicht, dafs doch nicht ein und dasselbe Gegebene es ist, von dem die Aussage der Bewegung und der Empfindung gilt. Ein und dasselbe Wort bezeichnet hier verschiedenes, da man sich aber dieses nicht klar gemacht hat und da die Bewegung nat\u00fcrlich von dem Raumgegebenen \u201eMensch, Tier, Pflanze\u201c ausgesagt wird, so sieht man sich verleitet, keinen Anstofs daran zu nehmen, dafs auf eben dasselbe Gegebene auch die Aussage der Empfindung bezogen wird.\nWer daran keinen Anstofs nimmt, dafs das Ding, d. i. Raumgegebenes empfinde, dafs es \u201eSubjekt\u201c der Empfindung sei, der wird sich \u00fcber den Begriff Empfindung selbst Rechen-","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nJ. Rehmke.\nSchaft zu geben, auch nicht veranlafst sehen und mit dem dinglichen Begriff \u201einnerer Zustand\u201c die Angelegenheit v\u00f6llig bereinigt glauben. Doch dieser Traum mufs ihm genommen werden.\nJeder kann, wie ich bemerkte, nur bei sich selbst in Erfahrung bringen, was Empfindung sei, und hier erf\u00e4hrt er, sie sein sein Zustand. Mein Zustand, sagt er, ist sie, ich empfinde. Wenn nun jemand behauptet, ich, der \u201eTr\u00e4ger\u201c der Empfindung, sei dasselbe mit einem Atom, Gehirnzelle oder was f\u00fcr ein Raumgegebenes man will, so mag es ja wohl sein, dafs er kl\u00fcger ist als ich und mich belehren kann, aber ich selbst doch vermag allein zu sagen, ob diese Identit\u00e4t bestehe oder nicht. Ich weifs mic als Empfindenden, ich weifs mich als identischen Tr\u00e4ger vieler verschiedenen Empfindungen, aber, welche Kopfspr\u00fcnge ich auch mache, die Identit\u00e4t von diesem \u201eich\u201c und einem Raumgegebenen zu denken, bringe ich schlechterdings nicht fertig; das Atom, die Gehirnzelle, bietet sich mir immer als etwas \u201eanderes\u201c dar. Ebensowenig aber wie ich, der Empfindende, mich mit einem Dinge identisch wissen kann, vermag ich meine Bestimmtheit, die Empfindung, als dingliche zu verstehen; jene \u201eIdentit\u00e4t von ich und Ding\u201c ist, wie der \u201einnere Zustand, Empfindung eines Dinges\u201c, nichts als ein leeres Wort, bei dem sich niemand etwas denken kann.\nVon solcher Identit\u00e4t will denn auch der moderne Psychologe nichts wissen, er r\u00e4umt bereitwillig ein, dafs Empfindung \u201ePsychisches\u201c, d. i. durchaus ungleichartig dem Physischen oder Raumgegebenen sei, weshalb sie niemals Zustand eines Dinges genannt werden d\u00fcrfe. Und doch ber\u00fchrt er sich mit jenen, indem er von einem besonderen \u201eSubjekte\u201c gegen\u00fcber dem Raumgegebenen f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der Empfindung meint absehen zu k\u00f6nnen und zu m\u00fcssen. Soweit er f\u00fcr die Empfindung einer Anlehnung bedarf, reicht ihm dazu der organisierte Leib hin, und ist ihm auch dieses Ding nicht im eigentlichen Sinn \u201eTr\u00e4ger\u201c der Empfindung, so tr\u00e4gt und umschliefst es ihm doch irgendwie dieselbe. Wir ersehen dies schon daraus, dafs die hergebrachten Redensarten von unserem \u201eInnern\u201c und \u201ein uns\u201c Pr\u00e4dikate sind, die auch hier gerne den Empfindungen beigelegt werden und an denen man nichts zu erinnern findet.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n201\nDafs noch ein besonderes Subjektum, nennen wir es im Unterschied von dem Ding Bewufstseinssubjekt, angenommen werden m\u00fcsse, um die Empfindung als Gegebenes zu verstehen, wird in diesem Lager verneint, man kennt freilich ein Bewufstseinssubjekt \u201eich\u201c, aber das soll sich erst aus den bestehenden Empfindungen selbst entwickeln, letztere also m\u00fcssen demselben vorhergehen. Auch diese Auffassung gr\u00fcndet sich auf eine Verwechselung von \u201eich\u201c und \u201eich\u201c, wie ich zeigen werde, freilich einer anderen als der vorher erw\u00e4hnten.\nSelbstverst\u00e4ndlich gestehe ich unumwunden zu, dafs in der Entwicklung des Seelenlebens oder individuellen Bewufst-seins1 die \u201eEmpfindungen\u201c eine grundlegende Stellung einnehmen, aber ich halte es f\u00fcr durchaus irrig, in ihnen das elementare individuelle Bewufstsein voll und ganz bezeichnet zu sehen.\nIch denke dabei nicht an \u201eGef\u00fchle\u201c, die mit jenen Empfindungen etwa zugleich schon da seien, diese Frage braucht hier nicht er\u00f6rtert zu werden, sondern daran, dafs das individuelle Bewufstsein, auch auf der elementarsten Stufe, erst dann in ganzer Zergliederung vorhegt, wenn nicht nur jenes Elementare, die Empfindungen, d. i. der Bewufstseinszustand, sondern auch das andere Moment, ohne welches sie schlechterdings als Gegebenes nicht denkbar sind, das Bewufstseinssubjekt, welches die Empfindungen hat, genannt ist.\nManchem, der mir sonst zustimmt, mag es auf den ersten Blick freilich eine Pedanterie zu sein scheinen, dafs ich bei der psychologischen Betrachtung auf die Betonung dieses anderen Momentes solches Gewicht lege, da doch der Entwicklungsgang des individuellen Bewufstseins ganz und gar durch seine \u201eZust\u00e4nde\u201c bestimmt werde, und das Moment \u201eBewufstseinssubjekt\u201c in der ganzen Entwicklung dasselbe bleibe. Indessen ist das Nichtbeachten dieses Momentes, wie wir sehen werden, keineswegs so harmlos und ungef\u00e4hrlich f\u00fcr die Psychologie; man vergifst gar zu leicht dasselbe ganz und gar, und lebt sich in die Meinung ein, dafs das, was sich entwickle, und dessen Entwicklung eben die Psychologie zum\n1 Da wir nur vom Gegebenen ausgehen k\u00f6nnen, so kommt zun\u00e4chst nur das bewufste \u201eSeelenleben\u201c in Frage, die Behauptung eines unbe-wufst Psychischen wird sp\u00e4ter gepr\u00fcft werden.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nJ. Mehmke.\nGegenstand hat, die Bewufstseinszust\u00e4nde, dieses andere Moment des individuellen Bewufstseins, seien, w\u00e4hrend das sich Entwickelnde doch allein das Ganze, das individuelle Be-wufstsein ist und sein kann.\nEs gilt hier, wie \u00fcberall, nicht nur sicher und bestimmt denken, sondern auch sprechen, um nicht Irrungen f\u00fcr sich und andere durch seine Worte einzuleiten: der Bewufst-seinszustand, die Empfindung, kann sich gar nicht entwickeln; Entwickelung ist Ver\u00e4nderung, und, das Wort beim Wort genommen, ist es sinnlos zu sagen, der Bewufstseins-zustand ver\u00e4ndere sich. Ich weifs ja wohl, dafs dies eine hergebrachte Redensart ist, nach der schon der Mund eines jeglichen eingestellt ist, aber sinnlos bleibt sie trotzdem. Der Bewufstseinszustand ist ein Unver\u00e4nderliches, er ist, so wie er ist, oder er ist nicht, ein drittes giebt es nicht, das von ihm ausgesagt werden k\u00f6nnte, also Ver\u00e4nderung desselben\u201c ist ein unbedachtes Wort. Sich \u00e4ndern kann allein das individuelle Bewufstsein, indem es jetzt diesen, und nachher einen anderen Zustand als sein Moment aufweist; mag der letztere auch eine grofse Anzahl von Merkmalen mit dem ersteren gemein haben, er ist als Zustand ein anderer, von ihm unterschiedener, besonderer, und kann wiederum selber keine Entwicklung erfahren; die Evolutionspsychologen sollen sich also h\u00fcten, [anstatt des Ganzen nur sein eines Moment zu Grunde zu legen.\nUm nun den Irrtum der modernen Psychologie in der Auffassung der Empfindung und was sich weiter vom Seelenleben daran kn\u00fcpft, aufzudecken, m\u00fcssen wir bestimmt unterscheiden zwischen \u201eBewufstseinszustand\u201c und \u201eBewufstseins-g egenstand\u201c; ersteres bezeichnet die besondere Bestimmtheit des individuellen Bewufstseins, \u201eBewufstseinsgegenstand\u201c aber dasjenige, was dem denkenden Bewufstseinssubjekte Gegebenes und somit Gegenstand der Erkenntnis ist. Das letztere ist ein erkenntnistheoretischer oder logischer, das erstere ein psychologischer Begriff ; das durch beide Bezeichnete f\u00e4llt keineswegs ganz aufser einander, indes ebenso wenig ganz zusammen, und zwar stellt sich das Verh\u00e4ltnis so heraus, dafs alles, was \u201eBewufstseinszustand\u201c ist, auch \u201eBewufstseinsgegenstand\u201c, aber nicht aller Bewufstseinsgegenstand Bewufstzu-stand ist.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n203\nWas diese zwei Worte, wie ich meine, deutlich auseinanderhalten, das wird nun nach einem verh\u00e4ngnisvollen Sprachgebrauch, demzufolge das verschiedene mit einem und demselben Worte bezeichnet wird, ineinander gemengt. Die beliebte Wendung von dem \u201ein uns\u201c hat auch dieses Wort geboren: Bewufstseinsinhalt\u201c. Wir wollen dies Wort so nehmen, dafs es nur bezeichnen soll dasjenige, was \u201eich\u201c habe.\nWas nun oben (S. 194 ff.) von dem Haben des Dinges und des Bewufstseinssubjektes gesagt ist und dort nicht zu Ende gef\u00fchrt zu werden brauchte, findet hier seinen Abschlufs. Dort wurde die Er\u00f6rterung abgebrochen, als der Einwurf kam, Farben-\u201eEmpfindung haben\u201c wolle gar nicht bedeuten Farbe haben = farbig sein, sondern nur \u201edenEmpfindungszustand haben\u201c : damit erhielt das Wort \u201ehaben\u201c ja ganz denselben Sinn wie beim Farbehaben des Dinges, dieses ist ein farbiges, und das Bewufstseinssubjekt, welches Empfindung hat, ist ein empfindendes. Indessen ist die verschiedene Bedeutung des Wortes doch nicht aus der Welt geschafft, sie kehrt wieder, wenn ich sage: \u201eich habe diesen Bewufstseinszustand\u201c und \u201eich habe diesen Bewufstseinsgegenstand\u201c, \u201edies ist Zustand\u201c und \u201edies ist Gegenstand meines Bewufstseins\u201c. Der erste Fall ist seinem Sinn nach klar: wie das Ding diese Farbe, so habe ich diesen Bewufstseinszustand. Der zweite Fall aber zeigt ein anderes Haben: der Gegenstand \u201eBaum\u201c, den ich habe, geh\u00f6rt freilich, wie ja das \u201ehaben\u201c \u00fcberhaupt sagen soll, zu mir, aber seine Existenz \u00fcberhaupt ist nicht bedingt und gekn\u00fcpft an meine Existenz, wie es doch der Fall ist mit jenem Bewufstseinszustand, der nur da ist, indem und weil ich ihn habe.\nWorin gr\u00fcndet sich dieser Unterschied? In den verschiedenen Subjekten dieses Habens. Jenen Gegenstand hat das logische Subjekt \u201eich\u201c, diesen Zustand das psychologische Subjekt \u201eich\u201c. Dieser Zustand nicht nur, sondern auch das ganze psychologische Subjekt, das ganze individuelle Bewufstsein, ist, weil ein Gegenstand des Erkenntnisses, ein Gegenstand des logischen Subjektes.\nW\u00e4hle ich nun zur Bezeichnung des Bewufstseinszustandes und des Bewufstseinsgegenstandes ein und dasselbe Wort und spreche demnach von beiden als meinem Bewufstseinsinhalt, so geschieht es leicht, dafs ich mir des Unterschiedes","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nJ. Rckmke.\nihrer \u201eSubjekte\u201c nicht bewufst bleibe und anstatt des psychologischen das logische sowie ein andermal anstatt des logischen das psychologische Subjekt denke. Da allein die erste Vertauschung uns hier interessieren kann, so merke ich nur in betreff der letzteren an, dafs sie wohl die ganze Schuld daran tr\u00e4gt, wenn man noch heute meint, der \u201eIdealismus\u201c in der Erkenntnistheorie lasse sich wissenschaftlich nicht widerlegen.\n\"Was die erstgenannte Vertauschung angeht, so schicke ich voraus : der \u201eBewufstseinsinhalt\u201c des logischen Subjekts ist alles ihm Gegebene, alles, was Gegenstand eines Bewufst-seins genannt wird, also das individuelle Bewufstsein, \u201eich in diesem und diesem Bewufstseinszustande\u201c, einerseits und andererseits das \u00fcbrige besondere Gegebene, die Raumwelt sowie das sonstige individuelle Bewufstsein; der \u201eBewufstseinsinhalt\u201c des psychologischen Subjekts dagegen sind \u201emeine\u201c Bewufstseinszustande allein.\nGegenstand des logischen Subjekts zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung kann nun nat\u00fcrlich jeder \u201eTeil\u201c seines \u201eBewufstseinsinhaltes\u201c sein; so kann ich im besonderen auch den \u201eTeil\u201c, welchen ich das individuelle Bewufstsein \u201eich\u201c nenne, zum Vorwurf nehmen, ich kann auch wieder einen \u201eTeil\u201c desselben, z. B. die Empfindung als ein St\u00fcck des \u201eBewufstseinsinhaltes\u201c des individuellen Bewufstseins herausgreifen, wie ich auch anderes, z. B. den menschlichen K\u00f6rper, oder die Verdauungsprozesse desselben als besonderen Forschungsgegenstand w\u00e4hlen kann ; alles ist ja \u201eBewufstseinsinhalt\u201c des logischen Subjekts, ist das ihm Gegebene, sein Gegenstand.\nDer Doppelsinn \u201eBewufstseinsinhalt\u201c verf\u00fchrt nun leicht dazu, den Forschungsgegenstand \u201eEmpfindung\u201c als Gegebenes in dieselbe unabh\u00e4ngige Stellung zum individiiellen Bewufstsein zu versetzen wie den Verdauungsprozefs des Leibes u. a. \u00e4hnliche; man h\u00e4lt daf\u00fcr, dafs \u201eEmpfindung\u201c, weil dieser Zustand ein besonderer Forschungsgegenstand sein kann, auch ebenso unabh\u00e4ngig vom individuellen Subjekt gegeben sei, wie der besondere Gegenstand \u201eVerdauungsprozefs\u201c es ist, dafs sie von dem individuellen Subjekt, gleich diesem, ebenfalls im Gegebenen gesondert dastehen k\u00f6nne, wie sie ja, gleich diesem, dem logischen Subjekt als sein Gegenstand","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n205\ngesondert \u201egegen\u00fcber\u201c stebt. Aber etwas anderes ist es, wenn ich (das logische Subjekt) die \u201eEmpfindung\u201c als besonderen Gegenstand habe, und etwas anderes, wenn ich (das psychologische Subjekt) dieselbe als besonderen Zustand habe.\nDieser Unterschied w\u00fcrde auch schwerlich verkannt werden, wenn nicht ein anderer, Verwirrung stiftender Umstand hinzuk\u00e4me: man sagt mit Recht Far b en empfindung und Farbe ist ein und dasselbe, es giebt keine Farbe, die nicht Farbenempfindung w\u00e4re. Ein und dasselbe aber kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und bezeichnet werden, das eine Mal als \u201eZustand\u201c des psychologischen Subjektes, das; andere Mal als Moment eines gegebenen Dinges. H\u00e4lt man aber diese beiden Betrachtungsweisen nicht auseinander, so kommt es wohl in der psychologischen Betrachtung dazu, dass man, anstatt jenes Zustandes dieses Moment des Dinges ins Auge fafst, wodurch dann die heilloseste Verwirrung eingeleitet ist. Denn man hat v\u00f6llig den Boden, auf dem man stand, verlassen und sich auf einen anderen gestellt, man ist aus einer Fachwissenschaft in eine andere \u00fcbergetreten, die psychologische hat der physikalischen Betrachtung Platz gemacht. Dann freilich kann man sich nicht sehr verwundern, wenn die Farbenempfindung nun, wie die Farbe ja mit Recht, als vom individuellen Subjekt unabh\u00e4ngig angesehen wird. Eine bestimmte Fachwissenschaft jedoch darf ihren angestammten Boden nicht verlassen oder aber sie giebt sich selber auf und es f\u00fchrt mithin zu falschen Ergebnissen, wenn, was anderswo gepfl\u00fcckt ist, von dem Seelenleben behauptet wird. Es geht ihr dann, wie nach der formalen Logik derjenigen Einteilung eines Begriffs, die sich zweier verschiedener Einteilungsgr\u00fcnde zugleich bedient.\nDie moderne Psychologie krankt an dieser Vertauschung; ihr Gegenstand ist doch das individuelle Bewufstsein; aber indem sie dieses analysiert, wird sie, sobald sie den \u201eBewufst-seinsinhalt\u201c desselben, seine Zust\u00e4nde, ins Auge fafst, physikalisch; das Moment desselben, das individuelle Bewafstseins-subjekt, wird mit dem logischen Subjekt vertauscht und so glaubt man in Wirklichkeit als psychologischen Gegenstand (nehmen wir dies als Beispiel) nur die Empfindung, das andere Moment jenes individuellen Bewufstseins, als indivi-","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nJ. Reimte.\nduelles Gegebenes selbst, zur Untersuchung zu haben. Die Pr\u00fcfung des Gegebenen selbst, welches den Gegenstand der Psychologie bildet, zeigt freilich ein solches nicht auf, sondern immer nur individuelles Bewufstsein, d. i. die b eiden Momente \u201eBew ufstseins subj ekt und seinen Empfindungszustand\u201c zusammen.\nDer letzte Beweis daf\u00fcr, dafs die Psychologen, welche die M\u00f6glichkeit der Empfindung ohne das andere Moment des individuellen \u00dfewufstseins behaupten und damit gleichsam aus dem psychologischen Nexus ausgetreten sind, um das physikalische B\u00fcrgerrecht zu erwerben, ist die Thatsache, dafs die \u201eEmpfindung\u201c, wenn sie Gegenstand ihrer Untersuchung ist, durchaus physikalische Gewohnheiten zeigt, denn sie tritt einmal auf im Gew\u00e4nde des Atoms und dann im Schleier des Unbewufsten. Freilich nennt man die Empfindung nicht \u201eAtom\u201c, sondern \u201eErscheinung\u201c einfachster, primitivster Art, aber diese wird als f\u00fcr sich Gegebenes angenommen, wie man es allgemein von den Kaumatomen, dem physischen Einfachen, annimmt, so dafs sie mit diesem in eine Linie r\u00fcckt als das psychische Einfache; jenes gilt dann als die \u201e\u00e4ufsere\u201c, diese als die \u201einnere\u201c einfache \u201eErscheinung\u201c ; und man hat selbst kaum etwas zu erinnern gegen den Vorschlag, die Empfindung das \u201einnere\u201c oder \u201epsychische\u201c Atom zu heifsen.\nGewifs bleibt es unbestritten, dafs Empfindung mein einfachster \u201eBewufstseinsinhalt\u201c ist, aber der Sinn dieses zweideutigen Wortes ist ein anderer, als wenn es auf das Atom angewendet wird; im letzteren Fall heifst es so viel als mein \u201eeinfachster Gegenstand\u201c, \u201eeinfachstes individuell Gegebenes\u201c, im ersteren aber \u201eeinfachster Zustand des individuellen Subjekts\u201c, \u201eeinfachste Bestimmtheit des individuellen Bewufstseins\u201c ; hier ist also nicht die Empfindung als solche, sondern das durch sie bestimmte Bewufstsein das einfachste individuell Gegebene.\nWeil aber, wie bemerkt, auch die Empfindung, diese Bestimmtheit des individuellen Bewufstseins, besonderer Gegenstand der Untersuchung sein kann und ist, weil ich also das abstrakte Moment f\u00fcr sich einer besonderen Betrachtung unterstellen kann, geschieht es leicht, dafs man sie selbst auch als f\u00fcr sich Gegebenes, als individuelles Gegebenes","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n207\nauffafst und, indem man \u201eBewusstseinsinhalt-.\u201c psychologischen Stils mit \u201eBewufstseinsinhalt\u201c logischen Stils vertauscht, gar nicht des anderen Momentes des Bewufstseinssubjektes, mit dem zusammen sie nur je \u201egegeben\u201c ist, mehr gedenkt, ja dasselbe f\u00fcr gar nicht n\u00f6tig zum Gegebensein der Empfindung erachtet.\nUnd nun beginnt das Dichten, das sich mit Notwendigkeit dem Raumgegebenen zuwendet. Da n\u00e4mlich das Gegebene \u00fcberhaupt, wenn wir es zergliedern, uns nur zweierlei Arten von individuellem Gegebenen, das Ding und das individuelle Bewufstsein Ich, zeigt, die Empfindung als einfachste \u201eErscheinung\u201c aber nichts mit dem Ich zu schaffen haben soll, freilich auch als der abstrakte Zustand des Ich (als welcher sie uns doch zun\u00e4chst gegeben ist) nicht ohne weiteres in ihrem angeblichen individuellen Gegebensein dasteht, so mufs ihr ein individuelles Gewand umgelegt und umgedichtet werden. Dieses findet die Einbildungskraft, da ja vom Ich abgesehen wird, nun allein noch im Dinggegebenen, und somit mufs die Empfindung als f\u00fcr sich Gegebenes notwendig in dinglicher Weise gefafst werden, wenn sie \u00fcberhaupt f\u00fcr individuell Gegebenes gelten und ausgegeben werden soll. Man lese nur in den Schriften der modernen Psychologen und man wird best\u00e4tigt finden, dafs die Empfindung dort stets im Gew\u00e4nde des Dinggegebenen, sagen wir eines \u201einneren\u201c Atoms, auftritt.\nDie auf Grund der Verwechselung von psychologischem und logischem \u201eIch\u201c (die durch das unheilstiftende doppelsinnige Wort von \u201e Bewufstseinsinhalt\u201c gef\u00f6rdert wird) anstandslos in Scene gesetzte Zerreifsung des individuellen Bewufstseins, bei welcher das eine Moment \u201eBewufstseinssubjekt\u201c v\u00f6llig \u00fcber Bord fliegt und das andere, die Empfindung, dingliches Gegebensein angedichtet bekommt, um nicht auch \u00fcber Bord zu fliegen: diese dem Gegebenen selbst geradezu ins Gesicht schlagende Behandlung der Empfindung hat den Psychologen noch mit einer anderen Ungeheuerlichkeit, wenn nicht beschenkt, so doch vertrauter gemacht: mit dem Begriff des unbewufst Psychischen.\nIst die Empfindung ein ohne das Be wufsts eins Subjekt Gegebenes, und mufs sie demnach in Dingart gedacht werden, wenn auch, um noch einen Unterschied zu behalten\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie IX.\t14","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nJ. Behmke\ngegen\u00fcber dem Physischen, nicht als \u00e4ufseres, sondern als \u201einneres\u201c Atom, aus dem sich dann eben die \u201epsychische Welt\u201c, die \u201eInnenwelt\u201c auf baut, analog der Aufsenwelt, die sich aus \u00e4ufseren Atomen auf baut: so findet man allerdings keine Schwierigkeiten mehr darin, die Empfindung als unbewufstes Gregebenes zu fassen. Dafs das Baumgegebene als solches ein unbewufstes sei, leidet ja keinen Zweifel, der Begriff des Dinge\u00bb schliefst das Bewufstsein aus. Da nun in dem Gegensatz des \u201e\u00c4ufseren\u201c und \u201eInnern\u201c nicht der des Unbewufsten und Be-wufsten enthalten ist, und die irrige Meinung besteht, man habe durch die Bezeichnung der Empfindung als \u201eInneres\u201c schon genugsam ihren Gegensatz zum Baumgegebenen gekennzeichnet, so meint man, die dingartig gedichtete Empfindung k\u00f6nne sehr wohl das dem Ding \u00fcberhaupt zukommende Merkmal des Unbewufsten tragen, das \u201eeigentliche\u201c Ding sei das \u00e4ufsere unbewufste Gegebene, die Empfindung das innere un-bewufste gegebene \u201eDing\u201c. Man wird sich dabei nicht klar, dafs man in diesem Falle nicht die \u201eFarbenempfindung\u201c, sondern die \u201eFarbe\u201c, dafs man also das Gegebene nicht psychologisch, sondern physikalisch betrachtet, und nur infolge dieser Verwechselung sich in seinem wissenschaftlichen Gewissen durch das Wort \u201eunbewufste Empfindung\u201c gar nicht gezwickt f\u00fchlt.\nAngesichts der dinglichen, \u201enaturwissenschaftlichen\u201c Auffassung von Empfindung ist es begreiflich, wenn in der modernen Psychologie der Buf nach \u201enaturwissenschaftlicher Methode\u201c das Feldgeschrei geworden ist. Forschungsmethoden sind wissenschaftliche, wenn sie ihrem bestimmten Gegenstand v\u00f6llig an-gepafst erscheinen, und dies ist nur der Fall, wenn sie selbst aus der Eigenart des Gegenstandes heraus geboren und gewachsen sind; naturwissenschaftliche Methode ist also der Forschungsgang, welcher dem Gegenstand der Naturwissenschaft, dem Dinge, auf den Leib pafst. Ist eine Empfindung dinglich aufgefafst, so mufs selbstverst\u00e4ndlich auch die Methode ihrer Fassung die \u201edingliche\u201c d. i. die naturwissenschaftliche Methode sein : es ist daher durchaus folgerecht, wenn die physikalischen Psychologen die naturwissenschaftliche Methode f\u00fcr die Psychologie fordern, die irrt\u00fcmliche Auffassung des Gegenstandes zieht diesen Irrtum notwendig nach sich.\n\u25a0 Diese naturwissenschaftlichen Psychologen trifft der Vorwurf,","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n209\ndafs sie an dem besonderen Gegebenen, welches Gegenstand der Psychologie ist, an dem individuellen Bewufstsein das Moment des Bewufstseinssubjektes unbeachtet lassen und es als die notwendige Bedingung f\u00fcr das Gegeben sein des \u00e4nderen, der Empfindung, schliefslich sogar verneinen. Abgesehen davon, dafs sie damit den Boden des Gegebenen verlassen, auf dem Empfindung stets mit jenem anderen Moment zusammen, niemals aber selbst als \u201eindividuelle Erscheinung\u201c gegeben ist, f\u00fchrt diese Nichtbeachtung des Subjektsmomentes notwendig zu dinglicher d. i. materialistischer Auffassung des Seelischen, die auch nur verschleiert und keineswegs vernichtet ist durch die bekannte Bezeichnung desselben als des \u201eInneren\u201c, der \u201eInnenwelt\u201c ; denn wenn diesem Worte nicht seine eigentliche Bedeutung, welche ja nur auf dem Boden des Baumgegebenen zu Becht besteht, zukommen soll, so gilt es eben die eigentliche Bedeutung jenes \u201eInnern\u201c, des Seeli-lischen, durch bestimmte Worte erst festzustellen, damit wir diesen bildlichen Ausdruck verstehen. Das wird aber unm\u00f6glich, wenn man das Einzige, durch das es geschehen k\u00f6nnte, das Bewufstsein, abweist, wenn man anstandslos von den Empfindungen als unbewufst Gegebenem redet.\nDie Nichtbeachtung des Bewufstseinssubjektes aber schliefst die M\u00f6glichkeit, f\u00fcr die Empfindung als das \u201einnere\u201c im Gegensatz zum Physischen, dem \u00dfaumgegebenen Stehende einen bestimmten Sinn zu finden, \u00fcberhaupt aus, wenn er, wie zweifellos ist, nur im \u201eBewufstsein\u201c allein zu finden ist. Wo immer wir Bewufstsein gegeben haben, da treffen wir es als individuelles, als ein besonderes \u201eIch\u201c, und die Zergliederung dieses Gegebenen, wir m\u00f6gen sie anstellen, wann und so oft wir wollen, zeigt dasselbe stets als Einheit, d. i. als notwendiges Zusammen zweier Momente, des Bewufstseinssub-jekts und des Bewufstseinszustandes : das will heifsen, denken wir das eine nicht, so k\u00f6nnen wir auch das andere nicht denken (es sei denn, wir springen unwissenschaftlicherweise von dem psychologischen in das physikalische Gegebene); haben wir (das logische Subjekt) nicht das Bewufstseinssubjekt, so haben wir auch nicht den Bewufstseinszustand, die Empfindung, dann ist dieser in der That \u201eunbewufst\u201c, aber dies Wort nur in der Anwendung genommen, wie man im Scherz von dem Nichts \u00fcberhaupt als unbewufstem reden k\u00f6nnte, nicht aber in dem\n14*","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nJ. Behmke.\nSinne, wie wir von dem Ding als gegebenem Unbewufsten sprechen k\u00f6nnen: Gegebenes ist das eine Moment des individuellen Bewufstseins, Empfindung, f\u00fcr sich niemals.\nAber wie steht es in dieser Hinsicht mit seinem anderen Momente, dem Subjekt?\nIch kn\u00fcpfe zur Beantwortung der Frage wieder an Fl\u00fcgels Bemerkungen an. Er geh\u00f6rt nicht zu jenen Philosophen, welche das Subjekt \u00fcbersehen und \u00fcber Bord werfen.\nKr\u00e4ftig wehrt er sich dagegen, dafs die \u201einneren Zust\u00e4nde\u201c, die \u201egeistigen Erscheinungen\u201c als f\u00fcr sich Gegebenes behauptet werden und betont die Notwendigkeit eines Subjekts, ohne welches sie nicht, als dessen Zust\u00e4nde sie allein, gegeben seien. Ganz richtig hebt er hervor, dafs \u201eTh\u00e4tigkeit\u201c f\u00fcr sich allein gegeben nicht denkbar, daher unm\u00f6glich ist, da sie immer zur notwendigen Bedingung ihres Gegebenseins einen Tr\u00e4ger, ein \u201eSubjectum\u201c gebraucht. Soweit er sich in dieser Sache gegen widersprechende Ansichten wendet, kann ich ihm beipflichten. Aber seine Auffassung von diesem \u201eSubjekte\u201c selbst geht nach derselben Seite in die Irre, wie die von der \u201eEmpfindung\u201c, welche seine soeben von mir behandelten Gegner vortragen.\nEr kennt dieses \u201eSubjekt\u201c f\u00fcr sich als ein individuell Gegebenes, also auch ohne die \u201eTh\u00e4tigkeit\u201c, ohne Empfindung und andere \u201egeistige\u201c Zust\u00e4nde; diese kommen erst hinzu, h\u00e4ngen sich erst dem \u201eSubjekt\u201c an, wenn es in Wechselwirkung tritt mit anderem Gegebenen.\nWir wissen schon, dafs er dieses \u201eSubjekt\u201c das Seelenatom nennt und es in seiner Qualit\u00e4t von den Atomen, \u201ewelche die Materie bilden\u201c, unterschieden annimmt, indem es nur \u201einnere Zust\u00e4nde\u201c bekommen soll. Aber dasselbe ist nicht als solches ein Bewufstseinssubjekt, sondern hat nur zu Zeiten \u201eBewulstsein\u201c ; letzteres ist also wie ein Zustand gedacht, in den jenes eintritt und aus dem es austreten kann. Solche Auffassung f\u00fchrt aber notwendig zu einer Bestimmung des Subjektes, die aus dem Eaumgegebenen stammt (\u201eAtom\u201c), die dem im individuellen Bewufstsein thats\u00e4chlich vorhegenden Subjektsmomente ein ebenso unpassend angedichtetes Gewand ist, wie das von den modernen Psychologen dem Empfindungsmomente angedichtete dingliche F\u00fcrsichgegebensein als \u201einnere\u201c Erscheinung.\nAuch Fl\u00fcgel blieb, wollte er einmal das Subjekt, ohne es als Bewufstseinssubjekt anzuerkennen, als ein individuell","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n211\n(gegebenes fassen und behaupten, nichts anderes \u00fcbrig, als es zum Dinggegebenen zu machen, da ihm ja dies allein noch zur Wahl stand, nachdem er das zweite, das individuelle Bewufst-sein, f\u00fcr dieses Seelensubjekt selbsteigen von der Wahl ausgeschlossen hatte.\nSo verschreibt also auch Fl\u00fcgel sich dem Materialismus und damit dem unbewufsten Psychischen. Es bleibt n\u00e4mlich dabei, dafs Avir individuell Gegebenes schlechterdings nicht haben und denken k\u00f6nnen, es sei denn entweder als individuelles Bewufstsein oder als Ding; was also nicht jenes ist (und die HERBARTische \u201eSeele\u201c soll es ja nicht ihrem \u201eWesen\u201c nach sein), mufs Ding sein, mufs demnach auch al3 solches Ding gedacht werden, wenn \u00fcberhaupt bei dem Worte \u201eSeele\u201c noch etwas von dem Herbartianer gedacht werden soll. Fl\u00fcgel selbst best\u00e4tigt dieses dadurch, dafs er ohne Anstand f\u00fcr seine Seele die dingliche Bezeichnung \u201eAtom\" aufnimmt, und alle Verklauselungen, dafs dieses \u201eReale\u201c aber nicht ein Raumgegebenes sei, machen als leere negative Formeln den Wirrwarr nur gr\u00f6fser, befreien aber den Herbartianer nicht aus den F\u00e4ngen des Materialismus selbst. Dies zeigt sich besonders daran, dafs ohne Schwierigkeit der Begriff des Unbewufsten f\u00fcr die HERBARTische \u201eSeele\u201c angenommen wird ; sie ist also ein besonderes eigenartiges Ding unter den Dingen, die das Sein ausmachen. Der Herbartianer kennt nur eine Art individuellen Seins, er nennt sie das \u201eReale\u201c, er denkt aber und kann unter diesem Titel nichts anderes denken als das raumgegebenene Individuelle, d. i. das Ding. Seele und Seelisches \u201eohne Bewufstsein\u201c ist ein leeres Wort oder aber Ding und Dingliches.\nSo scheint denn gar kein Weg aus der materialistischen Psychologie herauszuf\u00fchren? Vielleicht finden wir ihn, wenn wir uns klar geworden sind, wie es kommt, dafs die verschiedenartigen Versuche, die Seelenfrage zu l\u00f6sen, welche die Gegenwart zeigt, allesamt den Materialismus als Mutterboden haben, so viel auch ihre Vertreter die \u201eImmaterialit\u00e4t\u201c der Seele in die Welt hinausposaunen und das volle Anrecht auf tiefste Entr\u00fcstung zu haben meinen, wenn ich es ihnen auf den Kopf Zusage, dafs sie trotz alledem in materialistischer Anschauung stecken.","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nJ. Mehmke.\nKeinen Versuch, in der G-eschichte der \u201ePsychologie\u201c bis auf heute herab, giebt es, der nicht dem Banne des Materialismus irgendwie verfallen w\u00e4re bei Feststellung des Seelengegebenen; diese Thatsache erkl\u00e4rt sich aus der dem Menschen eigenen und gar schwer zu b\u00e4ndigenden Sucht nach Anschaulichkeit, derzufolge dem Objektgegebenen allein der Begriff des Objektiven d. i. Wirklichen zugeteilt wird. Alles anschaulich Gegebene ist Objektgegebenes oder Kaumgegebenes und umgekehrt. Was nun von \u201eSubjektgegebenem\u201c sich unmittelbar als Wirkliches bietet, das wird, um es \u00fcberhaupt in seiner Wirklichkeit verstehen zu k\u00f6nnen, von ihnen sofort, eben auf Grund seiner erfahrenen Wirklichkeit zu Objektgegebenem, d. i. zu anschaulich Gegebenem gestempelt, und daher als Raumgegebenes anzuschauen gesucht. Die Worte \u201eObjektives\u201c und \u201eObjektivit\u00e4t\u201c im Sinne von \u201eWirkliches\u201c und \u201eWirklichkeit\u201c verk\u00fcnden ja deutlich die Verirrung; denn das Subjekt \u201eich\u201c ist zweifellos Wirkliches, und es kann doch niemals Objekt sein, weil es eben Subjekt ist. Bin ich (das psychologische Subjekt) mir (dem logischen Subjekt) auch selber Gegenstand, \u201eObjekt,\u201c so bin ich es doch niemals als Objekt, d. i. als anschaulich Gegebenes, denn dieses ist immer Raumgegebenes, und das letztere, so viel weifs ich bestimmt, bin ich (das individuelle Bewufst-seinsobjekt) auf keinen Fall.\nDie Sucht nach Anschaulichkeit macht es, dafs das Seelengegebene stets in das Gewand des Objekts gesteckt worden ist, und daher schreibt es sich, dafs man von dem Begriff, auf welchem das Wirkliche, \u201eSeele\u201c \u00fcberhaupt sich gr\u00fcndet, ab' sehen zu k\u00f6nnen meinte als von einem diesem nur zeitweilig anh\u00e4ngenden Momente: von dem Bewufstsein.\nWer nicht rettungslos in die Fesseln der Anschaulichkeit und damit des materialistischen Denkens verstrickt ist, mufs einsehen, dafs das \u201eIch,\u201c als das er sich selbst weifs, keineswegs anschaulich Gegebenes ist, und dafs nicht etwa, wie Schopenhauer die verbl\u00fcffende Bemerkung aus\u00fcbte, \u201eich\u201c und Leib identisch sind.\nDas \u201eIchgegebene\u201c ist nun als ein von allem Dingge-gebenen verschiedenes nicht anders zu bezeichnen, denn mit dem Worte \u201eindividuelles Bewufstsein\u201c, und es gilt:","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n213\nBewufstsein vom Ichgegebenen gestrichen \u2014 alles Ichgegebene gestrichen.\nEin jeder weifs sich und bat sich als individuelles Bewufstsein; die Zergliederung dieses Gegebenen ergiebt stets Bewufstseinssubjekt und B ewufstseinszustand als seine zwei Momente; das eine ist ohne das andere als Gegebenes nicht denkbar: darin besteht eben die Eigent\u00fcmlichkeit des Bewufstseins, die wir nicht weiter erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, sondern in ihrer Tbats\u00e4cblicbkeit schlechtweg hinnehmen m\u00fcssen, und es gilt: Bewufstseinssubjekt oder aber Bew ufstseins-zustand gestrichen \u2014 alles Bewufstsein, alles Ichgegebene gestrichen.\nDaher ist es auch nicht zu verwundern, dafs diejenigen, welche, sei es das eine, sei es das andere abstrakte Moment des individuellen Bewufstseins dennoch als ein f\u00fcr sich Gegebenes, also als individuell Gegebenes denken wollen, die dichtende Anleihe beim anschaulich Gegebenen, beim Dinge, machen m\u00fcssen. Wo ein Moment f\u00fcr sich Gegebenes sein soll, da ist sicherlich kein individuelles Bewufstsein, das ja beide Momente als Bedingungen seiner M\u00f6glichkeit verlangt, vorgestellt. Soll jenes angeblich f\u00fcr sich Gegebene das Bewufstseinssubjekt sein, so kann es nur als \u201eSubjekt,\u201c nicht aber als Bewufstseinssubjekt gefafst werden, denn dieses ist es nur als Moment jenes Bewufstseins, es bleibt demnach nichts \u00fcbrig, als dafs, will man sein individuell Gegebensein durchdr\u00fccken, das Ding seine Hilfe leihen mufs. Da aber dieses ein ganz anderes Individuelles ist, als das individuelle Bewufstsein, so ist man im Dinglichen mit seinem \u201eSubjekt\u201c festgefahren und kann diese Dichtung, ohne alles Dingliche desselben wieder aufzugeben, nicht als Moment des individuellen Bewufstseins verstehen: d. h. aller Anschlufs an das Gegebene selbst, mithin alle wissenschaftliche Fassung ist unm\u00f6glich gemacht.\nEbenso mufs es gehen, wenn das andere Moment, der Be-wufstseinszustand als f\u00fcr sich gegeben betrachtet wird; man wird ihn entweder offen materialistisch als Zustand des Gehirns bezeichnen, oder kryptomaterialistisch als eigenartigen Zustand \u201ein\u201c dem Gehirn: in beiden F\u00e4llen kann man dem Gegebenen nicht gerecht werden und findet keinen Anschlufs an dasselbe.\nWenn sich Herbartianer und sogenannte Positivisten streiten, so haben sie beide in dem, was die einen an den","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nJ. Behmke.\nanderen verneinen, Recht: das Seelengegebene ist weder jemals ein f\u00fcr sieb gegebener Seelenzustand, noeb jemals ein f\u00fcr sieb gegebenes Seelensubjekt. Und wirft der Herbartianer dem Positivisten Materialismus vor, so bat er Recht, aber mit gleichem Rechte kann dieser ihn Materialisten schelten.\nWas die Herbartianer durch ihre Seelenauffassung gesichert wissen wollen, dafs n\u00e4mbeb Seele ein individuelles \u201eWesen\u201c besonderer Art sei: dies kommt allein in der Auffassung der Seele als individuellen Rewufstseins so zum Ausdruck, dafs dadurch dem Seelengegebenen nicht Gewalt angethan wird; Seele und Unbewufstes treffen sich aber dann niemals im Gegegebenen, und ein unbewufstes Seelenleben bleibt ein totes Wort. Aufgabe der Psychologie wird es sein, nun den wahren Sinn der \u00fcblichen Redensarten: \u201eich verlor das Bewufstsein, war bewufstlos, kam wieder zum Be-wufstsein u. s. f.\u201c zu zeigen, wobei nicht zu vergessen ist, dafs Seele allein jenes individuelle Gegebene bedeuten darf, was wir das Bewufstsein nennen, und dafs jede Vergefslichkeit in dieser Beziehung naturnotwendig zum Materialismus f\u00fchrt, wenn man nicht \u00fcberhaupt das Denken aufgiebt.\nDie Seele, das individuelle Bewufstsein, ist indes nicht nur individuelles, sondern auch konkretes, d. i. ver\u00e4nderliches \u201eWesen\u201c: dieses ist der \u201eTr\u00e4ger\u201c der seelischen Ver\u00e4nderungen, d. h. dasjenige, welches sich ver\u00e4ndert; weder ist, wie ich schon oben (S. 202) bemerkte, der Bewufstseinszustand, noch auch das andere Moment, das Bewufstseins Subjekt, das sich Ver\u00e4ndernde, denn beide sind sie Abstrakta des konkreten Bewufstseins. In der Ver\u00e4nderung dieser \u201eSeele\u201c freilich nehmen ihre zwei Momente eine verschiedene Stellung ein, das eine, das Bewufstseinssubjekt, bleibt ein und dasselbe, das andere, der Bewufstseinszustand, jedoch ist zu verschiedenen Zeiten ein verschiedener. Die Stetigkeit des ersten aber hat vor allem dazu beigetragen, es selber als ein individuelles Gegebenes aufzufassen, das nicht nur nicht dieses oder jenes bestimmten, sondern \u00fcberhaupt gar keines Bewufstseinszustandes als notwendiger Bedingung seines eigenen Seins bed\u00fcrfte.\nDie Bestimmung individuelles Bewufstsein (dessen zwei dasselbe in jeglichem seiner Augenblicke ausmachenden Momente das \u201eSubjekt\u201c und der \u201eZustand\u201c sind) sch\u00fctzt meines","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Vie Seelenfrage.\n215\nErachtens allein ausreichend gegen jede sonst immer wieder leicht sich einschleichende Materialisierung des Seelengegebenen. Mit der Bezeichnung \u201eimmaterielles Wesen\u201c ist noch keineswegs, wie die Geschichte aller Orten bezeugt, genug gethan, erst im \u201eBewufstsein\u201c ist der positive Begriff gegeben, welcher die \u201eImmaterialit\u00e4t\u201c allein zu st\u00fctzen und zu tragen vermag.\nBewulstsein und Raumgegebenes als individuell Gegebenes schliefsen sich begrifflich schlechthin aus, die Bestimmtheiten des ersteren sind durchaus andere als die des letzteren; diesem geh\u00f6ren diejenigen des Ortes, der R\u00e4umlichkeit, der Gr\u00f6fse und Gestalt, vom individuellen Bewulstsein sind sie ausgeschlossen: das bedeutet die \u201eImmaterialit\u00e4t\u201c der Seele. Seele hat keine Gr\u00f6fse, auch nicht in infinitesimal kleinster Dosis. Aus diesem Grunde ist von einem \u201eInnern\u201c und \u201ein der Seele\u201c nur mit gr\u00f6fster Behutsamkeit zu reden, und ich meine, im Blick auf den Schaden, welchen diese \u201eBilder\u201c anstiften, ist es dringend geraten, dieselben aufser Kurs zu setzen, zumal da sie sehr wohl entbehrt werden k\u00f6nnen. Die Seele hat, weil keine Gr\u00f6fse, auch keinen Ort: die Seele ist, aber sie ist nirgends.\nFerner kann von einer Ber\u00fchrung zwischen immaterieller Seele und materiellem individuell Gegebenen im eigentlichen Sinne, wie Fl\u00fcgel will, nicht die Rede sein. Ich verstehe wohl, dafs die in das anschaulich Gegebene als das angeblich allein Wirkliche Gebannten das \u201eWirken\u201c von Leib auf Seele und umgekehrt sich nicht anders mundgerecht machen k\u00f6nnen, aber sie verlieren dabei zugleich die \u201eImmaterialit\u00e4t\u201c der Seele: was sie bedenken sollten.\nDie Wechselwirkung von Leib und Seele leugne ich ge-wifs nicht, aber ihre Voraussetzungen d\u00fcrfen nicht gedacht werden, wie die zweier Dinge, n\u00e4mlich als r\u00e4umliches Zusammen. Das Zusammen von Seele und Leib darf, um irrige Vorstellungen nicht hervorzulocken, selbst nicht im Bilde der Ber\u00fchrung gefafst werden; jenes ist ein solches, das sich mit keinem Zusammen des Raumgegebenen vergleichen l\u00e4fst, und daher nenne ich es ein exemplarisches Zusammen, eine Bezeichnung, die lediglich prophylaktischen Zweck hat. Wie innig dieses Zusammen ist, geht daraus hervor, dafs dasselbe Wort, welches das individuelle Bewufstsein bezeichnet,","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nJ. Mehmke.\n\u201eich\u201c, wie wir gesehen haben, in unserem Sprachgebrauch ebenfalls verwendet wird zur Benennung dieses Zusammens von Seele und Leib, so zwar, dafs diesem \u201eich\u201c nun Bestimmtheiten angeh\u00f6ren, die allein von dem einen Faktor, dem Leibe, herstammen k\u00f6nnen: ich \u201edie Seele\u201c bin zwar nirgends, aber ich, das \u201eZusammen von Seele und Leib,\u201c bin sicherlich immer irgendwo u. s. w.\nDie Seele als individuelles Gegebenes anderer Art als der Leib gestattet auch nicht die andere Deutung des \u201eZusammens\u201c von Seele und Leib, welche beide nicht besondere individuell Gegebene sein l\u00e4fst, sondern sie f\u00fcr zwei Seiten eines und desselben konkreten Gegebenen ausgiebt oder etwa Seele die innere, Leib die \u00e4ufsere Einheit eines und desselben Gegebenen nennt. Ich kann zum Letzteren, da mir der Baum hier fehlt, nur bemerken, dafs, wenn man nicht das eine Gegebene \u201eSeele\u201c selbst schon als Baumgegebenes, gleichsam als Centralpunkt im Leibe, fafst, mir das Wort innere Einheit nicht verst\u00e4ndlich ist, dafs aber, wenn man es so fafst, die \u201einnere Einheit\u201c doch ein anderes Gegebenes ist als der Leib. Und was jener Behauptung von den \u201ezwei Seiten\u201c eines und desselben angeht, so steht mir die Gattungsgegens\u00e4tzlichkeit von Bewufstsein und K\u00f6rper, von \u201eEmpfindung\u201c und \u201eBewegung,\u201c von \u201eDenken\u201c und \u201eAusdehnung\u201c so sehr im Wege, dafs ich mich dieser \u201eZweiseiten - Theorie\u201c nicht auf Verst\u00e4ndnisweite zu n\u00e4hern verwag.\nBeide Theorien sind aus der Einsicht hervorgegangen, dafs die Baumwelt nur Platz habe f\u00fcr B\u00e4umliches und demnach die \u201eimmaterielle\u201c Seele nicht neben dem Leibe da sein k\u00f6nne. Dem pflichte ich bei. Das unleugbare Zusammen von Seele und Leib m\u00fcfste nun aber von ihnen das Zusammen zweier Abstrakta genannt werden; dem widerstreitet sowohl das Selengegebene als auch der Leib, und jene notwendige Folgerung ihrer Theorien ziehen selbst die strengsten Anh\u00e4nger derselben nicht, da sie sowohl Seele als auch Leib nicht als Unver\u00e4nderliches, was ja alles Abstrakte ist, sondern als Ver\u00e4nderliches, dessen Entwickelung sie als Psychologen gerade erforschen wollen, voraussetzen. Eine Inkonsequenz ihrerseits bleibt dies jedoch; jeder Versuch, durch Analogien aus dem Dinggegebenen diesen Vorwurf abzuweisen, wird ihn als berechtigten nur best\u00e4tigen. Ein Ding hat im","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Die Seelenfrage.\n217\neigentlichen und \u00fcbertragenen Sinne allerdings verschiedene Seiten, die es der Betrachtung bietet, so zwar, dafs es selbst als das konkrete oder ver\u00e4nderliche Ding vorliegt; die verschiedenen Betrachtungen haben hier trotz ihres verschiedenen Inhalts doch immer das Identische des Dinges als Eaum-gegebenen aufzuweisen, so dafs jedermann sicher ist, in allen Betrachtungen doch ein und dasselbe Ding nach seinen verschiedenen Seiten gegeben zu haben. Ohne dieses Identische w\u00fcrde keiner je auf die Vermutung kommen, der ohne dasselbe ja ganz verschiedene Inhalt seiner verschiedenen Betrachtungen sei nur ein und dasselbe Gegebene nur von verschiedenen Seiten angesehen.\nWelches ist aber das notwendig erforderliche Identische jener angeblichen verschiedenen Betrachtungsweisen eines und desselben Gegebenen, von dem einige Anthropologen reden ? Es ist nicht vorhanden, und eben deswegen verstehe ich die Behauptungen jener Theorien nicht. Das Fehlen des Identischen in \u201eSeele\u201c und \u201eLeib\u201c ist die t\u00f6tliche Schw\u00e4che jeder spinozistischen Anthropologie.\nFehlt das Identische aber, so giebt es nur noch eine M\u00f6glichkeit, n\u00e4mlich \u201eSeele\u201c und \u201eLeib\u201c als zwei durchaus verschiedene Seiten, Momente eines Ganzen zu behaupten, wenn sie eben nicht f\u00fcr zwei besondere Ganze gelten sollen. Dann also w\u00e4ren sie Abstrakta, und von einer Entwickelung w\u00fcrde bei ihnen nicht zu sprechen sein, da sie ja unver\u00e4nderlich sein m\u00fcfsten : dies indes richtet sich durch das Gegebene selber, und w\u00fcrde die M\u00f6glichkeit der Psychologie als \u201eWissenschaft von der Entwickelung des Seelengegebenen\u201c ausschliefsen.\nEs ist aber m\u00f6glich, das Zusammen der zwei Konkreten, Seele und Leib, zu fassen, ohne sie, sei es zu Abstrakten herabzudichten, sei es in r\u00e4umliches Nebeneinander hineinzudichten und ohne das Wirken der beiden Gegebenen aufeinander wegzudichten. Doch dieses auszuf\u00fchren fehlt der Baum.\nIch habe hier nur noch das Interesse, darauf hinzuweisen, dafs die Frage nach der \u201eEntstehung\u201c der Seele nicht im mindesten schwieriger wird, wenn wir das primitive Seelengegebene schon als individuelles Bewufstsein (Bewufst-seinssubjekt und Bewufstseinszustand) verstehen, als wenn die \u201epositivistische\u201c Psychologie dasselbe nur als Zustand","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"-218\nJ. SehmJce.\n\u201eEmpfindung\u201c gelten l\u00e4lst. Das Dunkel der \u201eEntstehung\u201c wird um keinen Grad heller erscheinen im letzteren Fall. Und vor einer als stiller Passagier vielfach sonst mitreisenden Vermutung sch\u00fctzt die Fassung individuelles Bewusstsein ungleich besser, weil sie alles unbewufst Gegebene aus dem Begriff \u201eSeele\u201c fernh\u00e4lt; vor der Vermutung n\u00e4mlich, dafs dies Seelengegebene doch vielleicht aus dem Dinggegebenen als dessen Erzeugnis geworden sei. Seele und Ding sind durchaus, d. i. gattungsm\u00e4fsig, verschiedenes individuell Gegebenes; es w\u00e4re Sch\u00f6pfung aus Nichts in reinster Form, wenn aus dem Dinggegebenen Seele hervor-ginge.","page":218},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"Erwiderung.\nVon\n0. Fl\u00fcgel.\nIn dieser Zeitschrift (Bd. II, S. 180) findet sich ein Aufsatz des Herrn Professor J. Rehmke: Die Seelenfrage mit besonderer R\u00fccksicht von 0. Fl\u00fcgels: Die Seelenfrage u. s. w. Hierin bed\u00fcrfen einige Mifsverst\u00e4ndnisse einer Berichtigung. Der Verfasser sucht nachzuweisen, dafs meine Auffassung des geistigen Lebens Materialismus sei oder zum Materialismus f\u00fchre, ohne zu sagen,, was unter Materialismus zu verstehen sei, und noch weniger, worin das Falsche und Unberechtigte desselben bestehe. \u00dcbrigens richtet er den Vorwurf des Materialismus gegen alle Psychologen, wahrscheinlich mit der einzigen Ausnahme von J. Rehmke. \u201eKeinen Versuch in der Geschichte der Psychologie bis auf heute herab giebt es, der nicht dem Banne des Materialismus irgendwie verfallen w\u00e4re bei Feststellung des Seelengegebenen.\u201c S. 212.\nUm nun meine Auffassung vom geistigen Leben und zugleich die Psychologie Herbakts als Materialismus zu erweisen, giebt sich der Verfasser dem Mifsverst\u00e4ndnisse hin, als seien die Atome (und also auch das Seelenwesen) selbst schon an und f\u00fcr sich Materie. So ist es bekanntlich nicht. Das Merkmal der Materie ist, dafs sie sinnlich wahrgenommen wird. Was nicht sinnlich wahrgenommen werden kann, ist nicht Materie, ist insofern immateriell. Unter Atom versteht man die letzten Bestandteile der Materie, aus welchen erst die Materie mit ihren Erscheinungen erkl\u00e4rt werden soll. Nun waren ja freilich die Atome der Alten und wohl auch mancher Neuern nichts als kleine Teile der Materie, behaftet mit denselben Kr\u00e4ften","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Erwiderung.\n445\n\u25a0und Eigenschaften als diese selbst. Allein der Fortschritt der Forschung besteht in dieser Hinsicht darin, alle Eigenschaften der Materie als \"Wirkung anzusehen, verursacht teils durch die Wechselwirkung der Atome untereinander, teils durch deren Wirkung auf unsere Sinnesorgane. Sie selbst aber, die Atome, sofern man sie an und f\u00fcr sich, einzeln, abgesehen von jeder Wechselwirkung denkt, besitzen keine der Eigenschaften, welche der Materie als einer zusammengesetzten Masse, zukommen, sie sind insofern immateriell, aber f\u00e4hig, Materie zu bilden. M\u00f6gen nun auch hinsichtlich der Atomenlehre noch viele unklare und voneinander abweichende Meinungen herrschen, so l\u00e4fst sich doch sagen, man ist auf dem Wege zu dieser Erkenntnis, jedenfalls sind die realen Wesen im Sinne Herbakts \u2014 und nur um diese handelt es sich hier \u2014 zu fassen als an sich immaterielle Wesen, die durch ihr Zusammenwirken die Materie bilden. Die Frage, ob die letzten Bestandteile der Materie streng einfach, in r\u00e4umlicher Beziehung also punktf\u00f6rmig gedacht werden m\u00fcssen, oder ob man ihnen eine gewisse, wennschon \u00fcberaus kleine Ausdehnung zuschreiben darf, diese Frage kann bei der Er\u00f6rterung \u00fcber die Seele als den realen Tr\u00e4ger der geistigen Zust\u00e4nde bei seite gelassen werden, und ist auch von mir bei Seite gelassen, weil es sich hierbei allein um intensive Einheit, um Einfachheit der urspr\u00fcnglichen Qualit\u00e4t handelt. Darum habe ich es zu vermeiden gesucht, von punktf\u00f6rmiger Seele, von Seelenatom, \u00fcberhaupt von punktf\u00f6rmigen Atomen zu reden, Und wenn Verfasser die letztgenannten W\u00f6rter mit besonderm Nachdruck hervorhebt und mit Anf\u00fchrungsstrichen als meine Worte vortr\u00e4gt, so ist dies keine genaue Berichterstattung, und wenn er glaubt, die Atome nenne man darum immateriell, weil sie punktf\u00f6rmig gedacht werden, so irrt er, sie bleiben immateriell, auch wenn sie eine gewisse Ausdehnung besitzen sollten.\nDer Verfasser sieht nun aber ohne weiteres die Atome als K\u00f6rper, als kleine Teile der Materie an, und darum meint er, Herbarts Lehre von der Seele sei Materialismus, weil er die Seele als ein einfaches reales Wesen, wie die Atome \u00fcberhaupt ansieht. In Wahrheit aber sind alle Atome und also die Seele immateriell, d. h. nichts sinnlich Wahrnehmbares, nicht mit den Eigenschaften und Kr\u00e4ften der Materie behaftet.\nEin zweites Mifsverst\u00e4ndnis besteht darin, da-fs Verfasser\n30*","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\n0. Fl\u00fcgel.\nmeint, ich schreibe der Seele nur innere Zust\u00e4nde zu und halte sie f\u00fcr unf\u00e4hig, \u00e4ufsere Zust\u00e4nde zu haben. \u201eDas Gehirnatom,\u201c heifst es S. 189, \u201ehat (nach Fl\u00fcgel) \u00e4ufsere und innere Zust\u00e4nde, das Seelenatom als nicht-r\u00e4umliches allein innere.\u201c \u201eDas Seelenatom soll nur innere Zust\u00e4nde bekommen.\u201c S. 210. Wie mag Verfasser zu dieser Ansicht und zu diesem Bericht gekommen sein? \u00dcberall ist in meiner Schrift und in der ganzen Herbart-schen Litteratur \u00fcber diesen Punkt das gerade Gegenteil gesagt, dafs auch hinsichtlich der \u00e4ufseren Zust\u00e4nde, n\u00e4mlich der Bewegungsvorg\u00e4nge, zwischen dem Seelenwesen und jedem andern realen Wesen kein Unterschied ist. So gut wie jedes andere einfache Wesen mufs die Seele gedacht werden bald ruhend, bald sieh bewegend, mit diesem oder jenem Wesen in Ber\u00fchrung oder aufser Ber\u00fchrung. Die \u00e4ufseren Bewegungsvorg\u00e4nge sind die formale Bedingung f\u00fcr die Entstehung der inneren Zust\u00e4nde (z. B. der Empfindungen).\nWenn es freilich so w\u00e4re, wie Verfasser meine Ansicht darstellt, als seien \u00e4ufsere Zust\u00e4nde f\u00fcr die Seele nicht m\u00f6glich, dann h\u00e4tte er Hecht, wenn er sagt S. 189: \u201eEin Nest von Widerspr\u00fcchen gr\u00f6bster Art starre ihm entgegen, wenn er sich eine Wechselwirkung von Gehirn und Seele denken solle.\u201c Allein Verfasser sollte bedenken, dafs er selbst diese Widerspr\u00fcche gekn\u00fcpft hat und zwar dadurch, dafs er unter-l\u00e4fst, den so klar ausgesprochenen Gedanken aufzufassen und statt dessen das gerade Gegenteil mir als meine Ansicht unterzuschieben. Es f\u00e4llt ganz auf ihn, wenn er S. 188 sagt: \u201eDie HERBARTsche Philosophie, welche es als das eigenste philosophische Gesch\u00e4ft verk\u00fcndet, die Widerspr\u00fcche aufzul\u00f6sen, sollte sich h\u00fcten, selbstth\u00e4tig neue Widerspr\u00fcche zu schaffen und sollte feinf\u00fchliger sein \"gegen so plumpe Widerspr\u00fcche, wie derjenige ist, in welchem der Seele einerseits K\u00f6rperlichkeit, Materialit\u00e4t, R\u00e4umlichkeit abgesprochen und andererseits Sitz, Ort, Bewegung und Beweglichkeit im Gehirn zugesprochen wird.\u201c Hierin liegt kein Widerspruch. Der Widerspruch kommt erst hinein, weil Verfasser die Behauptung dazwischen schiebt, die Seele habe nur innere Zust\u00e4nde. Der Verfasser bemerkt in dieser Hinsicht S. 184: \u201eWir kennen die Weise, sowie den Text von den realen Wesen und seinen inneren Zust\u00e4nden genugsam, verk\u00fcndigen doch Herbarts Sch\u00fcler diese W\u00f6rter noch immer laut und oft.\u201c Allein es scheint, als w\u00e4re","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Erwidermg.\n447\ndas, was allerdings hinreichend bekannt sein sollte, doch noch nicht laut und oft genug verk\u00fcndet, wenigstens Herr Rehmke kennt die einfachsten Grundz\u00fcge der Lehre Herbarts \u00fcber die realen Wesen und ihre Zust\u00e4nde noch gar nicht, geschweige denn genugsam.\nEine \u00e4hnliche Bemerkung macht Verfasser gegen die Verwerfung des Begriffs von der unmittelbaren Fernwirkung. Da heifst es S. 183: \u201eIch mufs mich hier darauf beschr\u00e4nken, die logischen Ungeheuerlichkeiten dieser S\u00e4tze durch gesperrten Druck der Stichworte anzumerken, so sehr es mich auch reizt, diese abenteuerlichen Behauptungen in ihr Nichts zu zerpfl\u00fccken.\u201c Es w\u00e4re der Sache dienlicher gewesen, er h\u00e4tte diesem Reize nachgegeben und h\u00e4tte versucht, die Widerspr\u00fcche hier nachzuweisen, statt von erdichteten Widerspr\u00fcchen zu reden. Vielleicht h\u00e4tte er alsdann wenigstens ein Gef\u00fchl von den Schwierigkeiten bekommen, welche die neueren Physiker bestimmt haben, den Begriff der unmittelbaren Pernwirkung aufzugeben.\nAus dem Obigen m\u00f6ge man ersehen, wie Verfasser seine Behauptung begr\u00fcndet, Herbarts Psychologie sei oder f\u00fchre zum Materialismus. Einen anderen Grund daf\u00fcr scheint er in der Anschaulichkeit von Herbarts Lehre zu sehen. Anschaulichkeit und Materialismus scheint ihm dasselbe zu sein. Es heifst S. 186: \u201eEs kommt darauf an, die geistigen Erscheinungen in ihrer bestimmten positiven Eigenart sich klar zu machen, um nicht wieder bei der Auffassung von Seele und Seelischem dem Anschaulichen und damit dem Materialismus zu verfallen.\u201c Ebenso S. 212.\nSonst pflegt Anschaulichkeit einer Lehre eher als Vorzug angerechnet zu werden, aber nicht als Nachteil. Indessen anschaulich ist die Lehre von den Atomen \u00fcberhaupt nicht und ebensowenig Herbarts Lehre von den einfachen Wesen. Hier ist wohl alles auf Freiheit von Widerspr\u00fcchen, auf Denk-barkeit abgesehen, aber anschaulich ist kein einfaches Wesen und noch weniger ein innerer Zustand.\nSo oft Verfasser auch vom Materialismus redet und den blofsen Namen als eine Art Vorwurf ausspricht, so hat er doch niemals deutlich gesagt, was darunter zu verstehen ist. Gew\u00f6hnlich meint man damit die Leugnung eines besondern selbst\u00e4ndigen Seelenwesens, so dafs der Geist angesehen wird als eine Eigenschaft des Gehirns, als eines materiellen Organs.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\n0. Fl\u00fcgel.\nUnd dahin d\u00fcrften des Verfassers Worte zielen: \u201eSoweit der moderne Psychologe \u2014 und dazu rechnet er doch wohl auch sich selbst \u2014 f\u00fcr die Empfindung einer Anlehnung bedarf, reicht ihm dazu der organisierte Leib hin, und ist ihm auch dieses Ding nicht im eigentlichen Sinne Tr\u00e4ger der Empfindung, so tr\u00e4gt und umschliefst es ihm doch irgendwie dieselbe.\u201c S. 200 . . . Dann heifst es aber auch wieder : \u201eDie Seele hat, weil keine Gr\u00f6fse, auch keinen Ort: die Seele ist, aber sie ist nirgends . . . das Zusammen von Seele und Leib ist ein solches, das sich mit keinem Zusammen des Baumgegebenen vergleichen l\u00e4fst, und daher nenne ich es ein exemplarisches Zusammen.\u201c S. 215. Jeder wird zugeben, dafs der Verfasser hier wenigstens die von ihm so verbotene Anschaulichkeit vermieden hat.\nAus den zuletzt angef\u00fchrten Worten des Verfassers k\u00f6nnte man vermuten, dafs er in dualistischer Weise das geistige Leben im schroffen Gegens\u00e4tze zu allen materiellen Erscheinungen auffasse, und nur darin kann es auch begr\u00fcndet sein, wenn er S. 182 sagt: \u201eWas hat die Seelenfrage zu thun mit Wandlungen naturwissenschaftlicher Begriffe? M\u00f6gen diese sich tausendfach wandeln, so ist doch nicht ersichtlich, wie daraus der Seelenfrage irgendwelcher Nutzen erwachsen d\u00fcrfte!\u201c Es heifst aber doch, den Begriff des Materialismus und dessen Geschichte in alter und neuer Zeit ganz verkennen, wenn man nicht einsehen will, dafs sich der Materialismus ganz und gar auf die naturwissenschaftlichen Begriffe von Stoff, Kraft, Bewegung u. s. w. gr\u00fcndet und also auch nur von hieraus beurteilt und berichtigt werden kann.","page":448}],"identifier":"lit14376","issued":"1891","language":"de","pages":"180-218","startpages":"180","title":"Die Seelenfrage: Mit besonderer Ber\u00fccksichtigung von O. Fl\u00fcgels \"Die Seelenfrage etc.\", 2. Auflage 1890, Mit einer Erwiderung von O. Fl\u00fcgel im selben Band auf S. 444","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:12:59.677017+00:00"}