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{"created":"2022-01-31T16:11:47.921403+00:00","id":"lit14407","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schumann, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 294-296","fulltext":[{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem psychologischen Institut zu G\u00f6ttingen.)\n\u00dcber die\nUnterschiedsempfmdlichkeit f\u00fcr kleine Zeitgr\u00f6fsen.\nEine vorl\u00e4ufige Mitteilung.\nVon\nF. Schumann.\nBei der weiteren Verfolgung meiner in einer fr\u00fcheren Mitteilung (Nachr. von der Ges. d. Wiss. zu G\u00f6ttingen, 1889, No. 20 angedeuteten Theorie der Vergleichung kleiner Zeiten, mufste ich mich mit den von anderen Forschern bei Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit des Zeitsinnes erhaltenen Resultaten auseinandersetzen. Eine sorgf\u00e4ltige kritische Durchsicht der betreffenden Abhandlungen zeigte indessen, dafs fast alle bisher erhaltenen Resultate nicht als sichergestellt gelten k\u00f6nnen, weil die Untersuchungen in methodischer und technischer Hinsicht viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig lassen. Ich unternahm daher neue Versuche mit einer m\u00f6glichst verbesserten Versuchsanordnung. \u00dcber die Hauptresultate derselben werde ich im Folgenden kurz referieren, da ich den ausf\u00fchrlichen Bericht erst im Zusammenhang mit anderen noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen zu bringen gedenke.\nDie Untersuchungen, welche sich zun\u00e4chst nur auf unmittelbar aufeinander folgende Intervalle erstreckten, wurden ausgef\u00fchrt nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle und nach derjenigen der mittleren Fehler. Die Methode der Minimal\u00e4nderungen ist unbrauchbar, da zwei unmittelbar aufeinander folgende ungleiche Intervalle nach \u00f6fterer Wiederholung einander gleich zu werden scheinen, auch wenn ihre Differenz anfangs subjektiv deutlich merkbar ist (Mach).\nKurze, angenehm klingende, knallartige Ger\u00e4usche, hervorgerufen durch momentane Schliefsung eines durch ein Telephon","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Meine Zeitgr\u00f6fsen. 295\ngehenden galvanischen Stromes, begrenzten die zu vergleichenden Intervalle. Der Schlufs des Stromes erfolgte dadurch, dafs Platinspitzen, welche an der Peripherie eines um eine horizontale Axe mit gleichm\u00e4fsiger Geschwindigkeit rotierenden Metallringes in variierbaren und genau bestimmbaren Abst\u00e4nden befestigt waren, in ihrer tiefsten Lage eine Quecksilberkuppe streiften. Die Konstanz der Rotationsgeschwindigkeit wurde mit H\u00fclfe eines nach meinen Angaben von dem hiesigen Mechaniker C. Diederichs in exaktester Weise konstruierten Chronographen1 kontrolliert. Es ergab sich, dafs z. B. Intervalle von 0,3 Sek. mit einem mittleren Fehler von 0,003 Sek. hergestellt werden konnten.\nBei den Versuchen nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle (unwissentliches Verfahren) wurde mehrere Tage hintereinander mit derselben Normalzeit operiert, bis sich keine merkliche \u00dcbung in den Resultaten mehr zeigte. Es war dies erforderlich, da nach meiner Theorie nur die bei ann\u00e4hernd maximaler Ein\u00fcbung auf die einzelnen Zeiten erhaltenen Resultate Wert haben k\u00f6nnen. Untersucht wurden Zeiten von 0,15 \u20142,0 Sek. In \u00dcbereinstimmung mit den Resultaten Maohs ergab sich ein Maximum der relativen Unterschiedsempfindlichkeit bei 0,3\u20140,4 Sek., und zwar erwies sich die Unterschiedsempfindlichkeit hier so grofs, dafs das Verh\u00e4ltnis des eben merklichen Unterschiedes zur Normalzeit bei einer Versuchsperson sogar nur 0,022 betrug. Bei diesen kleinen Zeiten wird nat\u00fcrlich die Unterschiedsempfindlichkeit sehr von der Art der benutzten Schalleindr\u00fccke abh\u00e4ngen, so dafs die Wahl der zeitlich scharf begrenzten, knallartigen Telephonger\u00e4usche eine besonders gl\u00fcckliche gewesen zu sein scheint. Ferner h\u00e4ngen die Resultate, wie Versuchsergebnisse beweisen, in auffallend\n1 Anmerkung. Dieser Chronograph unterscheidet sich von dem WuNBTSchen nur in zwei wesentlichen Punkten. Eine gr\u00f6fsere Billigkeit erreichte ich dadurch, dafs ich statt des teuren Uhrwerks einfach ein durch Treten in Bewegung zu setzendes Schwungrad benutzte. Nach geringer \u00dcbung ist man durchaus im st\u00e4nde, vor dem Apparate sitzend, das Schwungrad durch Treten in Bewegung zu erhalten und zu gleicher Zeit mit den H\u00e4nden alle erforderlichen Manipulationen auszuf\u00fchren. Zweitens habe ich den von Wundt benutzten Zeitmarkierer durch den PFEii.schen Zeitmarkierer ersetzt, welcher mir handlicher und genauer zu sein scheint (vgl. R. Tigerstedt, Arch. f. (Anat. und) Physiol, Suppl.-Bd., 1885, S. 133 und 137 f.)\n20*","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nF. Schumann.\nstarker Weise von der Gr\u00f6fse der benutzten Differenzen ab, so dafs eine genaue Bestimmung des Ganges der Unterschiedsempfindlichkeit unverh\u00e4ltnism\u00e4fsig viel Zeit erfordert.\nWeitere Versuchsreihen, welche mit Zeiten von 0,6\u20145,0 Sek. nach der Methode der mittleren Fehler ausgef\u00fchrt wurden, ergaben Resultate, welche den von Glass erhaltenen \u00e4hnlich waren. Bei diesen Versuchsreihen konnte ich mich der Glass-schen Versuchsanordnung bedienen, da mir Herr Geheimrat Wundt die Benutzung der betreffenden Apparate in seinem Laboratorium bereitwilligst erlaubte. Die Resultate schienen die \u00dcbersch\u00e4tzung kleiner und die Untersch\u00e4tzung gr\u00f6fserer Zeiten zu best\u00e4tigen. Da ich jedoch vermuthete, dafs bei den kleinen Zeiten der ziemlich geringe konstante Fehler von Fehlerquellen der Versuchsanordnung herr\u00fchren k\u00f6nnte, machte ich sp\u00e4ter im hiesigen Institute eine neue Versuchsreihe, indem ich mich zur Bestimmung der Haupt- und Fehlzeiten des Chronographen bediente. Es ergab sich in der That, dafs von einer \u00dcbersch\u00e4tzung kleiner Zeiten, wenigstens wenn eine gr\u00f6fsere Anzahl von Versuchen hintereinander mit derselben Hauptzeit gemacht wird, keine Rede sein kann. Indem ich ferner diese neuen und genaueren Versuche auch auf kleinere Zeiten bis 0,3 Sek. ausdehnte, konnte ich feststellen, dafs die Methode der mittleren Fehler (in der bisher bei Untersuchung des Zeitsinnes angewandten Modifikation) zur Bestimmung der Unterschiedsempfindlichkeit nicht dienen kann. Dieses Urteil st\u00fctzt sich erstens auf die Thatsache, dafs bei Zeiten von 0,3\u20140,4 Sek., bei denen doch nach den anderen Versuchen die Unterschiedsempfindlichkeit so aufserordentlich fein ist, der mittlere Fehler einen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofsen Wert hat, und zweitens auf die innere Wahrnehmung, welche zeigt, dafs die psychischen Prozesse beim Vergleichen und beim Reproduzieren kleiner Zeiten verschieden sind.","page":296}],"identifier":"lit14407","issued":"1891","language":"de","pages":"294-296","startpages":"294","title":"\u00dcber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr kleine Zeitgr\u00f6\u00dfen, Eine vorl\u00e4ufige Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:11:47.921409+00:00"}