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Bemerkungen über die Sensibilitätsverhältnisse verschiedener Organe des menschlichen Körpers, und vorzüglich über das Sensibilitätsverhältnis des Magens

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{"created":"2022-01-31T17:04:45.036068+00:00","id":"lit14583","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Cless","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 5: 67-86","fulltext":[{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"67\nfich auch felbft, indem er fagt, die Scham fey beiden geroeinfchaftlich.\nDer Kitzler ift fo grofs als die Ruthe, unterfcbei-det fich aber durch Mangel an Vorhaut, und dadurch dafs er einen, an feiner untern Fl\u00e4che nicht verfchlolfe-nen Halbkanal bildet.\nII.\nBemerkungen \u00fcber die Senfibilit\u00e4tsverli\u00e4ltniffe verfchiedener Organe des menfchlichen K\u00f6rpers, und vorz\u00fcglich \u00fcber das Senfi-bilit\u00e4tsverh\u00e4ltnifs des Magens, von Dr. Cle s s.\nEs ift meines Wiffens noch kein Verfuch *) gemacht Krorden, die Senfibilit\u00e4tsverh\u00e4ltniffe der einzelnen Organe des menfchlichen K\u00f6rpers nach der Zeitfolge und unabh\u00e4ngig von \u00e4ufsern Einfliiffen n\u00e4her zu beftimmen, ungeachtet eine folche \u00dfeftimmung nicht blofs f\u00fcr die Phyfiologie, fondent aucli fiir die Pathologie und Di\u00e4tetik von gr\u00fcfster Wichtigkeit w\u00e4re. Der folgende Verfuch, deffen Mangel der Verfaffer am lebhafteren f\u00f6hlt, hat blofs zum Zweck, die Auimerkfamkeit der\n\u00c9 2\nt) Die Verfuche, welche Knox angehellt hat, und irh Auszuge in diefem Archiv II. Bandes I. H. S. angegeben lind, beziehen lieh blofs auf die Bewegungen des Herzens und der Schlagadern, und bed\u00fcrfen meines Erachtens, indem lie mit denen von Cullen und andern im Wtderfpruche ftehen, noch einer weitern Beft\u00e4tigung.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nAerzte auf diefen Gegenftand zu richten, und zu weite* ren Unterfuchurigen Anlafs zu geben.\nIm Menfchen und in allen h\u00f6her organifirten Ge* fch\u00f6pfen findet ein beft\u00e4ndiger Wechfel der Senfibilit\u00e4t von einem Organe oder organifchen Syfteme auf das andere Statt. W\u00e4hrend fie fich in dem einen entwickelt, anh\u00e4uft und ihr Maximum erreicht, finkt fie in dem andern zur\u00fcck und fteht auf ihrem Minimum, und zwar gefchieht das Wandern der Senfibilit\u00e4t, ihr Steigen und Fallen auch unabh\u00e4ngig von allen \u00e4ufsern Ein-jl\u00fcffen und Reizen.\nDiefes Wogen der Senfibilit\u00e4t durch die verfchiede-r;en Organe, und diefe Ebbe und Fluth in jedem ein< zelnen unterhalten eine beft\u00e4ndige Spannung im Organismus und manifeftiren das Leben in der Erfcheinung.\nLebte derMenich noch im Naturzuftande, fo w\u00fcrde es nicht fchwer feyn, die den verlchiedenen Organen, und namentlich die dem Magen zukommende Senfibili-t\u00e4tsverh\u00e4ltnilfe genauer zu beftimmen, im civilifirten Zuftande aber, wo die Verh\u00e4ltniffe der Gefellfchafi manche Abirrung vom Naturgem\u00e4fsen geboten, der Luxus die Bed\u00fcrfniffe ins Unendliche vermehrte, Wohlleben und Schwelgerei die Geniiffe vervielfachten und die Gewohnheit lie zuletzt ertr\u00e4glich machte, lafi'en fich diefe Verh\u00e4ltniffe nur dunkel und mit Wahrfcheinlich-keit andeuten.\nEs mufs jedoch fogleich auffallen, dafs bei faft allen Nationen die Gewohnheit eingef\u00fchrt ift, innerhalb vier und zwanzig Stunden zweimal Mahlzeit zu halten. Diefe Gewohnheit fehreibt fich ohne Zweifel noch aus den Zeiten her, wo man den Naturtrieben nach Inftinct folgte, und wo noch keine k\u00fcnftlichen Bed\u00fcrfniffe gefchaffen waren. Zu diefen k\u00fcnftlichen Bed\u00fcrfniffen aber z\u00e4hle ich das fogenannte Friihft\u00fcck, das am fr\u00fchen Morgen genoffen wird, welches ficher-","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"69\nlieh- nur Verweichlichung eingef\u00fchrt und Gewohnheit beibehalten hat. Schon der Umftand, dafs diefes Friih-ft\u00fcek gew\u00f6hnlich in einem warmen Getr\u00e4nke befteht, was fchon als Vehikel der W\u00e4rme die Senfibilit\u00e4t des Magens anfachen mui's, und dafs viele Menfchen, eine Taffe Kaffee oder Thee etwa ausgenommen, durchaus nichts geniefsen k\u00f6nnen, bei denen fogar die Gefchmacks-nerven in einem Zuftande von vor\u00fcbergehender Halbl\u00e4hmung fich befinden, fo dafs es ihnen unm\u00f6glich wird, verfchiedenartige Speifen ihrem Gefchmacke nach zu un-terfcheiden, rechtfertigt meine Behauptung, noch mehr aber die Beobachtung, die wohl fchon Mancher an fich gemacht haben m\u00f6chte, dafs man fich Abends mit leerem I\\ktgen und dem Gef\u00fchle von Hunger, oder mit andern Worten , mit einem hohen Senfibilit\u00e4tsgrade des Ma gens, zur Ruhe legen kann, und Morgens ohne das mindefte Gef\u00fchl von Hunger wieder erwacht, oder dafs man Nachts von einem heftigen D\u00fcrft aufgeweckt Vvifd, ohne denfelben aber befriedigen zu k\u00f6nnen, wieder einfehl\u00e4ft und Morgens nicht das geringfte Gef\u00fchl Von D\u00fcrft mehr empfindet. Diefe Erfcheinung beweift handgreiflich, dafs die Senfibilit\u00e4t des Magens am Morgen fo zu fagen ihre Schlafzeit halte, fie beweift aber auch zugleich, dafs fich die Senfibilit\u00e4t des Magens auf keiner hohen Stufe zu erhalten verm\u00f6ge, fondern allm\u00e4hlich, auch wenn fie nicht von aufsen, z. B. durch Speifen verzehrt wird, fich vermindere und endlich ganz verl\u00f6fche.\nDiefes grofse, hier auf dem Wege der Erfahrung aufgefundene, fo wenig ber\u00fcckfichtigte 1 ) Grundgefetz\ni) So fcheint Brown diefes Gefetz gar nicht gekannt zu haben, fonft h\u00e4tte er nicht das Leben als eine blofs durch Reize erzwungene Erregung und die Erregbarkeit als die Kraft, die durch die Reize entwickelt und verzehrt werde, an-leben k\u00f6nnen.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nder Senfibilit\u00e4t, welches dem Organismus Selbftft\u00e4nr\u00fcg-keit giebt und ihm einen gewiffen Grad von Unabh\u00e4ngigkeit von der Aufsenwelt verl'chafft, l\u00e4fst \u00dfch bei, dem Magen auf dreierlei Weife, wie mir fcheint, erkl\u00e4ren. Entweder wird die auf das h\u00fcchfte gesteigerte; Senfibilit\u00e4t deffelben a) durch die Serdation der Nerven feibft auf das Gemeingef\u00fchl, was fidi als Hunger zu erkennen giebt, verzehrt, oder b) durch Muskelbe-wegung, oder c) durch Secretionen. Im erden Falle w\u00e4re es eine reine Nervenwirkmjg, in-der die Senfi-bilit\u00e4t er l\u00f6 Folie, im zweiten ginge \u00dfe in der Irritabilit\u00e4t und im dritten in der Reproduction *) unter. F\u00fcrs erfte fpricht die Erfahrung, dais narkotifche fpiritu\u00f6fe Mittel das Gef\u00fchl von Hunger auf einige Zeit umerdr\u00fccken k\u00f6nnen, nicht aber Dinge, die den Magen auf eine blofs mechanifche Art anf\u00fcllen ; f\u00fcrs zweite ftirnmt die Beobachtung, dafs mit dem h\u00f6chften Hunger-, gefiihl Erbrechen eintritt, und dafs man bei lebendig ge\u00f6ffneten Thieren den Magen, auch ohne angebrachte Reize , fich zufammenziehen fall ; f\u00fcrs dritte endlich giebt die Anh\u00e4ufung von Mageniaft und der \u00fcbrigen zur Verdauung noth wendigen S\u00e4fte, wie des Speichels, der Galle u, f. w., die mit dem Gefiild von Hunger im Verh\u00e4ltnis fteht, einen Beleg. Ohne Zweifel ift es die Gefammtwirkung aller drei Arten , wodurch die Senfibilit\u00e4t herabgeftimmt wird.\nNach dielem Gefetze der Senfibilit\u00e4t erkl\u00e4rt fich, dafs der Appetit, wenn er nicht zur gewohnten Zeit gekillt wird, oft pl\u00f6tzlich verfchwindet, wor\u00fcber man h\u00e4ufig klagen h\u00f6rt; ferner, dafs in Krankheiten die Geliifte eben fo fclinell erfcheinen, als fie, wenn fie\n1) Diefer Ausdruck wird hier wohl erlaubt feyn, da das Secre-tum des Magens die Verdauung vermittelt und dem K\u00f6rper wieder angeeignet wird,\t*","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"71\n\u00bbSehtpl\u00f6tzlich befriedigt werden, wiederverfchwinden. .Eben fo wird auch durch diefes Gefetz die Intermiffion tvnd Remiffion mancher Krankheiten erkl\u00e4rlich, und namentlich die fonft unbegreifliche und h\u00f6chft merkw\u00fcrdige Erfcbeinung aufgehellt, dafs fogenannte or-ganifche Fehler, ungeachtet ihrer Permanenz, lieh nur Ri periodifchen Krankheitsanf\u00e4llen ausfprechen, und in den Zwifchenzeiten felbft auf das Gemeingefiihl nicht die gcringfte Wirkung \u00e4ufsern.\nWir gehen nun wieder auf dem Wege, der zur Beftimmung der Zeitfolge der Senfibilit\u00e4t des Magens f\u00fchrt, weiter. Von der Zeit nach dem Erwachen aus dem Schlafe wird die Senfibilit\u00e4t des Magens allm\u00e4hlich angefacht, das Gef\u00fchl von Hunger und D\u00fcrft, als Ausdruck derfelben tritt nach und nach hervor und erreicht vielleicht zwifchen zehn und zw\u00f6lf Uhr feine Acme, von der es alsdann wieder herabfteigt, um am Abende, etwa \u00c4wifchen f\u00fcnf und acht Uhr, zum zweiten Male lieh zu erheben.\nAm reinften liefse fich das Steigen und Fallen der Magenfenfibilit\u00e4t an Menfchen beobachten, die den Hungertod fterben, aber auch fchon w\u00e4hrend eines bei \u00fcbrigens gefunden! K\u00f6rper mehrere Tage fortgefetzten Faftens bemerkt man, dafs das l\u00e4ftige Gef\u00fchl des Hungers zu beftimmten oben angegebenen Zeiten einen hohen Grad erreiche, von und zu welchem claf-felbe wiederholt ab - und auffteigt, bis endlich als Folge von Entziehung aller Nahrung die Senfibilit\u00e4t im ganzen K\u00f6rper zu erl\u00f6fchen anf\u00e4ngt, und der Menfch in den Zuftand directer Schw\u00e4che verf\u00e4llt, der beim Hungertode endlich t\u00f6dtet.\nEin gleiches Senfibilit\u00e4tsverli\u00e4ltnifs mit dem Magen m\u00fcffen nothwendig die Organe haben, welche zur Verdauung im Magen unmittelbar beitragen, n\u00e4mlich die Bauchfpeicheldr\u00fcfe, die Leber und vielleicht die","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nMilz. Ihr Senfibilit\u00e4tszeiger mufs beftimmt auf die-felbe Zahl deuten wie der des Magens; fchwerlich werden lie erft durch die genoffenen Speifen in ihre h\u00f6chftt Spannung verletzt, und diefe tritt wohl fo wenig er\u00fc fecund\u00e4r ein , als die der Speicheldriifen im Munde, die nicht erft die Ankunft des Biffens erwarten, fondent fich fchon vor derfclben entladen, und daher ebenfalls gleichen Senlibilit\u00e4tswechfel mit dem Magen zeigen, Auch fcheinen alle diefe genannten Organe zur Erzeu* gung des Gef\u00fchls von Hunger beizutragen.\nDiefe Periodicil\u00e4t der Senfibilit\u00e4t des Magens und der genannten Organe \u00e4ndert fich nach Alter, Ge-fchlecht, Temperament, Klima, Jahrszeit, Gewohnheit u. f. w., befonders aber in Krankheiten, verfchiedent-lieh ab. Bei dem Kinde, je j\u00fcnger daffelbe ift, clefto kleiner wird auch der Kreis feyn, den die Senfibilit\u00e4t des Magens befchreibt. Wenn bei dem Erwachfenen innerhalb vier und zwanzig Stunden eine zweimalige Ebbe und Fluth eintritt, fo wird fie bei dem Kinde, it der gegebenen Zeit, wenigftens viermal und bei den Neugebornen noch weit \u00f6fter Statt finden, denn be: ihm find der Magen und die Verdauungsorgane \u00fcber haupt 'das \u00fcberwiegend Th\u00e4tige, und die Senfibilit\u00e4t diefer Organe macht faft die einzige des ganzen K\u00f6r pers aus. Mit dem Eintritt der Pubert\u00e4t findet dii Senfibilit\u00e4t des Magens einen Antagonismus in den Geni t\u00e4lien, und wird dadurch befchr\u00e4nkt. Im Alter nimm mit der Senfibilit\u00e4t des K\u00f6rpers im Allgemeinen aucl die des Magens ab. Nicht blofs aber dem Quantum fondera auch dem Quale nach \u00e4ndert fich die Senfibili tat des Magens in den verfchiedenen Lebensaltern W\u00e4hrend dem Kinde das allgemeinfte Nahrungsmittel die Milch, Bed\u00fcrfnifs ift, und es fp\u00e4terhin Mehlfpeifei und \u00fcberhaupt mehr vegetabililche milde Koft liebt, f< verlangt der J\u00fcngling und Mann mehr die, eine fchnelleri","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"73\nVerdauung eingehende, reizendere animalifche Koft, und \u25a0ndlich vertr\u00e4gt nicht nur der Greis mehr fcharfge-Wflrzte, felblt mechanifch reizende Speifen, fondern ||i find fogar erforderlich, um feinen Magen in Th\u00e4tig-KCUt zu fetzen.\nDas Weib n\u00e4hert fich dem Kinde. A uch bei ihm werden die Senfibilit\u00e4tsperioden der Verdauungsorgane k\u00fcrzer feyn als beim Manne. Doch m\u00f6chten fie beim tollgebildeten Weibe mit denen des Mannes ziemlich Eufammenfallen. Nur erreicht die Senfibilit\u00e4t ihres Magens nie den hohen Grad, und kann nicht fo unge-ftraft von ihrem Maximum, ohne von au\u00dfen verzehrt ZU -werden, herabfteigen; daher ift auch das Weib fklavifcher an die Befriedigung des Hungers gebunden als der Mann, wozu die h\u00e4ufigen Ohnm\u00e4chten Belege geben, in die befonders fchw\u00e4chliche Weiber leicht verfielen , wenn fie dem Magen nicht zur gewohnten Stunde Nahrung darbieten. Bei dem weiblichen Ge-fchlechte fcheint aber die Senfibilit\u00e4t des Magens aufser diefem Cyclus noch einen gr\u00f6fsern zu befchreiben, der alle vier Wochen uml\u00e4uft und mit der Menftruations-periode fein Minimum erreicht. In diefer Periode ift n\u00e4mlich die Senfibilit\u00e4t des Magens offenbar die ge-ringfte im Organismus, w\u00e4hrend lie in andern Organen, \u2022Wie in der Geb\u00e4rmutter, aufs h\u00f6chfte gefteigert ift. Ob beim Manne auch eine folche gr\u00f6fsere, etwa vom Mondwechfel abh\u00e4ngige, Zu - und Abnahmeperiode in der Senfibilit\u00e4t des Magens exiftire, ift zwar nicht be-wiefen, doch ift es mir, nach Analogie mit den Thie-ren w\u00e4hrend der Brunftzeit, nicht unwahrfcheinlich, weil, bei einiger Aufmerkfamkeit auf fich felbft, eine Appetitsverminderung von Zeit zu Zeit eintritt, ohne fichtbar veranlagende Urfache. Gleichwie aber das Genitalfyftem des Mannes nur dunkle Senfibilit\u00e4ts* perioden h\u00e4lt, eben io ift auch der gr\u00f6fsere Senfibili-","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"t\u00e4tsvveclifel im Verdauungsfyftern dunkler als beim Weibe. K\u00fcnftige Beobachtungen m\u00fcffen hier\u00fcber noch mehr Licht verbreiten.\nDie Schwangerfchaft \u00e4ndert die Senfibilit\u00e4t deS ganzen K\u00f6rpers und vorz\u00fcglich die des Magens um, wovon die fogenannten Geliifte und die felbft in das Pathologiiche \u00fcberfpringenden Uebelkeiten und Erbrechen oft bis \u00fcber die H\u00e4lfte der Schwangerfchaft, einen auffallenden Beweis geben. Die Geliifte der Schw\u00e4ngern beziehen fich ohne Zweifel h\u00e4ufig auf den materiellen Bedarf zur Bildung der Frucht, wie z. B. cler unwiderstehliche Hang, Kalk oder Gips zu effen, mit tier Offifioation des Embryos im Rapport zu Stehen Scheint. W\u00e4hrend des S\u00e4ugens tritt eine befondere Spannung im Nervenfyftem des ganzen K\u00f6rpers ein. Der Senlibilit\u00e4tsgrad des Magens ii't abfolut erh\u00f6ht, der Magen fordert mehr Speifen und verdaut fie leicht, und macht damit die Reproductionskraft in den Br\u00fcften m\u00f6glich, wodurch das Blutfyftein wieder mit fich felbft in Harmonie gefetzt wird.\nDie Ver\u00e4nderung der Senfibilit\u00e4t des Magens betreffend, in Beziehung auf die verfchiedenen Temperamente, fo find Individuen von phlegmatifchem Temperament diejenigen, bei welchen jener oben als Norm aufgeftellte Wechlel der Senfibilit\u00e4t des Magens am meisten verwickelt ift. Das phlegmatifche Temperament Wurzelt im tiefen Cretinismus. Ein Cretine ift gleich-fam blofs Magen wie der Polyp, die Senfibilit\u00e4t feines Magens ift, fo zu Sagen die einzige feines K\u00f6rpers und Steht Saft immer auf dem Culminatiohspunkte, weil das Hirn, als der Antipode des Magens, und die will-kiihrlichen Muskeln bei Solchen Individuen gar keine Reizbarkeit verzehren. Je mehr fich die Individuen, welche zu diefem Temperamente zu rechnen find, dem Cretinismus n\u00e4her\u00bb, defto unordentlicher und uner-","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"75\nSittlicher wird ihr Hunger feyn. Gleichwie dem phlegmatischen Temperamente das mel\u00e4ncholifche entgegeu-fteht, infofern letzteres zur h\u00f6chften Stufe des Be-\u00bbKnfstfeyns leitet, und den Menfchen feinem Urbilde Anlich macht, w\u00e4hrend erfteres ihn unter die Beftiali-it erniedrigt, fo find auch Individuen von melancholi-fchem Temperamente diejenigen, bei welchen die Senfibilit\u00e4t des Magens am ftrengften jene oben angegebenen Perioden h\u00e4lt. Ein Individuum von diefem Temperamente wird, jemehr es fich dem Ideale n\u00e4hert, defto Weniger Nahrung zja fich nehmen, und defto feltener.\nDem melancholiichen Temperamente n\u00e4hert fich das cholerilche, mit welchem ebenfalls, jedoch in niederem Grade, ein A.bgezogenfeyn vom Materiellen und Sinnlichen und ein Hinneigen zum Geiftigen vorlierrfcht. Der Nahrungstrieb ift daher nur als Erhaltungstrieb hier bezeichnet und tritt nur feltner aufser leinen Schranken, als beim fanguinifchen Temperamente, mit welchem Oberhaupt ftete Neigung zur Ver\u00e4nderlichkeit gegeben ift. Unordentlicher Hunger wird daher h\u00e4ufig hier beobachtet werden, ohne dafs \u00fcbrigens der Senfi-bilit\u00e4tsgrad des Magens je ein fehr hoher w\u00fcrde.\nDas Klima hat auf die Senfibilit\u00e4t des ganzen K\u00f6rpers und vorz\u00fcglich auf die des Magens einen m\u00e4chtigen Einflufs. Der Kulminationspunkt der Senfibilit\u00e4t des Magens fteht bei einem Nordl\u00e4nder h\u00f6her als bei einem S\u00fcdl\u00e4nder; jener bedarf derberer, nahrhafterer Speifen, w\u00e4hrend diefer leichter und mehr fl\u00fcffiger. Der D\u00fcrft ift dem Hunger vorwaltend, D\u00fcrft aber ift ein fecund\u00e4res Bed\u00fcrfnifs, das auch durch eine Ader-l\u00e4ffe gef\u00fcllt werden kann, und blofs Bedingung zur Affimilation des feften. Der Grund, warum die Bewohner eines heifsen Klima, ungeachtet ihres extenfern Lehens, weniger fefter, mehr vegetabilifcher Nahrung","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nbed\u00fcrfen, liegt vielleicht in der gr\u00f6fsern Ausbildi\u00bb des Saugaderfyftems, fo wie es auch darin zu liegt fcheint, dafs das Weib nicht fo viel .\u2018Wahrung nothi hat, als der Mann. Bei dem Bewohner des aufserfta Nordens ift die Senfibilit\u00e4t des Magens, wie die des\u00fcbri gen K\u00f6rpers, wieder gering. Nur in gem\u00e4fsigten Hin melsgegenden ift fie zu der der \u00fcbrigen Organe de) K\u00f6rpers keine unverh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig grofse noch kleine,\nDie verfchiedenen Jahrszeiten haben denfelben Ei\u00bb flufs auf die Senfibilit\u00e4t des Magens, wie die verfchiedt nen Klimate. Der Winter erh\u00f6ht diefelbe im Allgemei nen,. wie das kalte, und der Sommer vermindert fe wie das warme Klima. Herbft und Fr\u00fchling wirket wie ein gem\u00e4fsigtes.\nDie Gewohnheit, die Art der Befch\u00e4ftigung u. f.w, haben endlich bei den meiften Menfchen das Senfibili t\u00e4tsverh\u00e4ltnifs des Magens zwar verr\u00fcckt, fie warei aber doch nicht im Stande ungeftraft es ganz umzn-\u00e4ndern. Noch immer wird ein am fr\u00fchen Morgen g\u00bb nommenes ftarkes Fr\u00fchft\u00fcck f\u00fcr den ganzen Tag trag und unwohl, und ein zu fp\u00e4tes Abendeffen eine fchlat lofe Nacht machen *), fo wie die Natur die Gefr\u00e4fsig keit durch Ert\u00f6dtung des Gewiffens und aller geiftigen Th\u00e4tigkeit beftraft.\nWenn man bedenkt, dafs der Magen einer der nervenreichften Theile des ganzen K\u00f6rpers ift, dafs er\nl) In Frankreich, wenigftens in der Hauptftadt, ift die Letene Ordnung in Anfehung der Aufnahme der Speifen eine weit naturgem\u00e4\u00dfere als z. B. in Deutfchland. Dort f\u00e4llt n\u00e4mlich unfer Fr\u00fchft\u00fcck am fr\u00fchen Morgen hinweg oder be. fteht nur in einer Taffe warmen Getr\u00e4nks zwifchen zehn und zw\u00f6lf Uhr. Mittags wird erft mit kalten Speifen ge-friihft\u00fcckt, und zwifchen vier und lieben Uhr Abendmahlzeit gehalten, nach diefer aber in der Regel nichts mehr gegeffen","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"77\n(prfehiN\u00abrverizweige des achten Paars, die fich Vorzugs-j\u00a3e aa feiner obern Oeffnung ausbreiten, mit dem len: in unmittelbarer Verbindung fteht, und dafs er ih den fympathetifchen Nerven, der feinen mitt-und untern Theil reichlich verforgt, in fo viel-jfehe und weit ausgebreitete Confenfe tritt, fo l\u00e4fst :h fchon aus anatomifchen Gr\u00fcnden vermuthen, dafs Rolle, welche der Magen in Krankheiten fpielt, le fehr grofse feyn m\u00fcffe, und in der That lagt auch Erfahrung, dafs aufser dem Hirn felbft, und awa dem Herzen und der Geb\u00e4rmutter, kein Organ \u00ef beziehungsreich in Krankheiten fey, als der Ma-\nE'n.\tEin Schlag oder Stofs auf die Magengegeud\niBn, auch ohne mechanifche Verletzung, pl\u00f6tzlich Ijpdten, ein Schlag oder Sturz auf das Hirn erregt \u00abbrechen, fo gut als eine ekelhafte Vorftellung, gSu ekelhafter Geruch, der Ausbruch einen, exanthe-piatifchen Krankheit, z. B. des Scharlachs, Entz\u00fcndung mancher Bruft-und Baucheingeweide, ein eingeklemmter Bruch, der mechanifche Kitzel am Z\u00e4pfchen, oder endlich der fpecinfche Reiz eines Brechmittels, letzteres mag in den Magen gebracht, in eine Vene eingefpritzt, oder mit einer abforbirenden Fl\u00e4che des K\u00f6rpers in Ber\u00fchrung gefetzt werden, Brechen \u00bberurfachen. Endlich legen Krankheiten des Magens felbft, als oberften Organs f\u00fcr die Vegetation des ganzen K\u00f6rpers, nicht nur den erlten Grund f\u00fcr die fehlerhafte Bildung der S\u00e4fte, fondera k\u00f6nnen auch befonders leicht allgemeine Nervenkrankheiten erzeugen, die fich durch \u00fcberfpannte Gef\u00fchle, durch kranke Begehrungen oder Verr\u00fccktheit ausfprechen.\nEs liegt aufser dem Zwecke, hier alle die Krankheiten namhaft zu machen, welche die Senfibilit\u00e4t des Magens in ihre Sph\u00e4re ziehen und diefelbe entweder krankhaft vermindern, wie die hitzigen Fieber, oder","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nganz zu ert\u00fcclten fcheinen wie die Melancholie in il\u00ae h\u00f6chften Stufe, wobei die Individuen den Hunger^ fterben, wenn man fie nicht gewaltfam zum Elfen ul Trinken n\u00f6thigt, oder die Sensibilit\u00e4t des Magai krankhaft erh\u00f6hen, wie z. B. die W\u00fcrmer, die Arttat tis und manche Herzkrankheiten es h\u00e4ufig thun ; od( diefelbe krankhaft um\u00e4ndern, wie die Hypochondii und Hvfterie, welche befondere Geiiifte erzeugen, ul die Hundswuth, auch einige Arten von Nervenfiebel welche Wafferfcheu erregen. Es fey mir nur verg\u00f6nnt das Seniibilit\u00e4tsverh\u00e4ltnifs des Magens w\u00e4hrend d{ lebensmagnetifcheii Erfcheinungen hier etwas n\u00e4her a ber\u00fchren.\nSchon aus der merkw\u00fcrdigen Steigerung- dt Magennerven bei Somnambulen bis zur Potenz dt Sinnesnerven, fo dafs alle Wahrnehmungen durch { vermittelt werden, wovon fchon Gmelin, Tardi un andere unbeftreitbare Erfahrungen angef\u00fchrt habet l\u00e4fst fich a priori fchliefsen, dafs die Senfibilit\u00e4t de Magens, als Verdauungsorgan, eine fehr geringe fey muffe. So wenig der Seh- und Geh\u00f6rnerve im Dienft der Vegetation ftehen kann, eben fo wenig k\u00f6nne es fernerhin die Magennerven, wenn fie das Auge un; Ohr vertreten,\u201c und w\u00e4hrend letztere eigene Nerve haben, die dem Stoffwechfel in ihnen vorftehen, f ift es nicht unwahrfcheinlich, dafs die Verzweigung\u00ab eines von den zwei oben angef\u00fchrten Magennervet fo lange ein folcher potenzirter Zuftand dauert, di Vegetation, fo weit fie zur Ern\u00e4hrung des Magen felbft dient, vermitteln. Auch wenn in der Reihe de magnetifchen Erfcheinungen diele hohe Steigerung de Nerven der Magengegend nicht hervorfticht, fo ift docli nach meinen Erfahrungen, im lebensmagnetifchen Zu ftande, er mag von aufsen durch die Kunft oder durci innere Bedingungen fich entwickelt haben, das Bed\u00fcrf","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"79\nife des K\u00f6rpers zur Nahrung \u00e4ufserft gering und mit Ifeigein befriedigt, h\u00e4ufig fogar ift auch auf l\u00e4ngere feit die Senfibilit\u00e4t des Magens, bei oft \u00fcbrigens nor-\nEfern Fortgang der Verrichtungen des K\u00f6rpers, ganz irichtet. Wenn Kluge 1 ) das Gegentheil behauptet, Jafs n\u00e4mlich Appetit und Verdauung beim MagnetiCrten grachfen, fo hat er den Zuftand w\u00e4hrend und nach |er magnetifclien Behandlung mit einander verwechfelt. \u00c8fttfs der Lebensmagnetismus Verdauungsfehler, wie Unendlich viele andere, heile, weifs jeder, der the Wirkung einer magnetifchen Behandlung kennt, und Briderfpricht der obigen Erfahrung nicht, es liefse lieh \u00bbgar aus der letztem ein Grund f\u00fcr diefe Heilung herqehmen, was wir aber hier nicht weiter verfolgen, Gleichwie nun der lieh geiftig befch\u00e4ftigende Menfch weniger Speifen bedarf, als der k\u00f6rperlich arbeitende, ibertrieben e Geiftesanftrengung den Appetit \u00fcber die Maafsen fchw\u00e4cht, und am Ende Geifteszerr\u00fcttung herT feif\u00fchrt, der Verr\u00fcckte aber das Verm\u00f6gen belitzt, ohne Nahrung zu verharren, und die h\u00fcchfte ^jiufe der Melancholie, wie wir oben gefehen haben, dem Hungertode Preis giebt, fo enthebt der Somnambulismus den K\u00f6rper des Bediirfniffes der irdifchen pelpabeln Nahrung, weil er Reflex erh\u00f6hter geiftiger \u00c9nergie der Hirn - und Nerventh\u00e4tigkeit ift, und als Itritifche Bem\u00fchung der Natur angefehen werden mufs, die verlorne Harmonie im K\u00f6rper wieder herzuftellen, \u00bb\u00e4hrend die erftern Zuft\u00e4nde auf Entzweiung und Vernichtung des Organismus tendiren.\nWir haben oben gefehen, dafs.diejenigen Organe, welche zur Verdauung im Magen unmittelbar beitra-\nl) Verhieb einer Darftellung des animalifchen Magnetismus u,f. w.\nS. 202,","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\ngen, a\u00efs die Mund- und Bauchfpeicheldr\u00fcfen, die Leb\u00ab und wahrfcbeinlich auch die Milz, ein gleiches Senfi bilit\u00e4tsverh\u00e4ltnifs mit dem Magen befitzen ; er hat ab\u00ab auch noch mit einem andern wichtigen Organ des Kot pers, das unmittelbar zur Verdauung beitr\u00e4gt, diefel ben Senfibilit\u00e4tsgrade, n\u00e4mlich mit den Lungen.\nDie vergleichende Anatomie und die Pathologie welche fchon fo vieles Licht auf das Gebiet der Phyfio logie geworfen haben, find es auch vorz\u00fcglich, welch) das Verh\u00e4ltnis der Refpirations- und der obern Ver dauungsorgane beleuchtet haben. G. R. Treviranus '] fagt, dafs wo mehrere Theile ein gemeinfchaftlicha Ganzes ausmachen, und fich wechfelfeitig ern\u00e4hren da finde auch eine gemeinfchaftliche Refpiration Statt und f\u00fchrt als Beifpiel die Seefedern an, welche derge ftalt Athem holen, dafs fie durch das untere Endti ihres Stammes Waffer einziehen und wieder ausfpritzen Eben fo f\u00fchrt Sorg 2) von den Infekten an, dafs w\u00e2h\u00ef rend der Verdauung die beiden mittlern Paare da! Stigmata, durch welche das Hauptorgan der Ern\u00e4hj rung, der Magen, mit Luft verforgt wird, am kr\u00e4ftig ften fich zufammenziehen, ferner, dafs wohlgen\u00e4hrt\u00ab Thjere fchneller in rnephitifchen Gasarten fterben alt folche, die vorher gehungert haben, und dafs die er ftern eine weit gr\u00f6fsere Menge kohlenfauren Gafes aus athmen als letztere. Die gleichzeitig vermehrte Th\u00e4tig keit in den Refpirations- und Verdauungsorganen, wel che nach dielen Beobachtungen an niedern Thierklaffet Statt findet, haben auch Beobachtungen in mehr odei minder kranken Zuft\u00e4nden am Menfchen, bei dem. wie bei den hohem Thieren, der herumfehweifendt\nNeri\nBiologie, IV. Band, S. 294.\n1') Disquifit. phyliol. circa refpir. infect, et vermittln etc.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"81\nNfrv die Bewegung des Magens und der Lungen unterst\u00fctzt dargethan. Aufregende Gem\u00fcthsbeweguiigen toefchJeunigen das Athmen wie die Verdauung, nie. er-fltflckende vermindern die Kraft des einen wie des andern. Der Athem des Weibes bekommt w\u00e4hrend der Wenftruation, wo, wie wir oben gefehen haben, die \u00c4enfibilit\u00e4t des Magens fehr gering ift, meiftens einen bbeln Geruch. Mehrere Gifte und Arzneimittel wirken [\u00bbeftimint auf den Magen und die Lungen zugleich. So verurfacht, um nur ein Beifpiel anzuf\u00fchren, der auf Jen Magen fo fpecififch wirkende Brechweinftein, er \u00bbag in eine Vene gefpritzt, oder in hinreichender Dpfis in den Magen gebracht worden feyn, nach den Verlachen von Magendie 1 ), Entz\u00fcndung des Magens und [Jer Lungen, fo dafs das Parenchyma der letztem das \u25a0uifehen der Leberfubftanz bekommt. Hinwiederum Sielet bei afthmatifchen Befchwerden -der Magen immer jjiehr oder weniger. Eben fo bringen. Fehler des Herzens, da fie einen fo entfehiedenen Einflufs auf das j^thmen haben, und fich gleichfam in den Lungen ab-fpiegeln, fymptomatifche Magenkrankheiten hervor,, und nach Krei\u00dfg2') treten Herzentz\u00fcndungen, wie ^Entz\u00fcndungen der Lungen, manchmal mit einem ft\u00fcrmi-fchen Erbrechen ein und werden nicht feiten durch das Magenleiden maskirt. Endlich hat Naffe 3) viele Beobachtungen gefammelt und feine eigenen zuge-Fflgt, die an Blaufiichtigen angeftellt wurden, welche \u00dceweifen, dafs die Verdauung, und zwar vorzugsweife\n1)\tAllgemeine Toxicologie u. T. w. von Orfila, \u00fcberfetzt von\nHermbfi\u00e0dt, I. Theil, S. 276.\n2)\tKrankheiten des Herzens, I Bd. S. 360.\n3)\tReil's und Autenrieih\u2019s Arehiv f\u00fcr Phyfiologie, X, Banda\u00bb 3 Heft. S. 2x3.\nM 4, Archiv. V. I.\tF","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\ndie im Magen, durch Sauerftoff - Confumtion mit der Refpiration in Verbindung ftehe; jedoch fcheinen nach einer Beobachtung T\\affe's an einer Blauf\u00fcchtigen, deren Puls zu verfohiedenen Zeiten oft kurz nach einander beaeUtend variirte, ohne dafs die Kranke von aufsen her irgend eine bekannte Ver\u00e4nderung erlitten hatte, dii Senfibilit\u00e4tsgrade der Lunge, auch unabh\u00e4ngig von der Beziehung zum Magen, zu wechfeln. Djeles wird um lo wahrfcheinlicher, weil l\\evin 1 ) bei feinem Blauf\u00fcchtigen fehr regelm\u00e4fsige Exacerbationen bemerkte, welche fich gegen zehn Uhr Morgens einftellten, und gegen zwei Uhr Nachmittags aufh\u00f6rten, und Dr. Proue2 3) durch Verfuche dargethan hat, dafs die w\u00e4hrend des\" Athrnens gebildete Menge von kohlehfaurem Gafe zwi-fchen zehn Uhr Morgens und zwei Uhr Nachmittags am ft\u00e4rkften, und zwifchen 8^ \u00dchr Abends, und Uhr Morgens am fchw\u00e4chften fey. Letztere Beobachtung ftimmte jedoch ziemlich mit den von mir oben angegebenen Senfibilit\u00e4tsperioden des Magens \u00fcberein, und bet\u00e4tigte fie auf eine \u00fcberrafchende Weife. Najfc's Beobachtung \u2019), dafs das Athmen w\u00e4hrend der Geiftes-tha\u00eeigkeit, des Denkens, auffallend fchwach fey, woraus er unter andern auch die Verdauungsfehler bei Gelehrten herleitet, l'cheint mir keinen befondern Schlufs zu erlauben. Nach meinen' Beobachtungen ift das Athemholen beiMenfchen, die, wie man fagt, in Gedanken find, was aber gerade den entgegengefetzten Zuftand der Seele, Gedankenlofigkelt, bezeichnet, weit feltener, als bei folchen, deren Geift gerade fehr th\u00e4tig ift. In jenem pafliven Zuftande feiert nicht nur der\n1)\tA. a. O. S. a\u00c77.\n2)\tDiefes Archiv II. Bandes I. Heft. S. 145.\n3)\tDiefes Archiv II. Bandes I. Heft. S. 1,","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"83-\nOei\u00eet, fondern auch die halb willk\u00fchrlichen Muskeln des K\u00f6rpers, z. B. die Muskeln der Augenlider, weswegen man auch diefen Zuftand mit dem Ausdrucke, \u201eden Kfotzer haben \u201c in manchen Gegenden belegt. Das Athemholen ift nun aber, wie das Oei'fhen und Sfchliefsen der Augenlider, eine, wiewohl nur bedingt, Willk\u00fchrliche Handlung, die durch das Hinlenken der Willenskraft vermehrt oder vermindert wird. Ift ditfe Willenskraft anderw\u00e4rts th\u00e4tig, die Aufmerkfamkeit vom K\u00f6rper abgekehrt, wie beim Denken, fo verlang-femt di'efe Action allerdings, fie thut dies aber auch poch weit mehr, wenn der Menfch in einem vollkommen paffiven Zuftande, wie oben angegeben wurde, \u00f6der in einem ruhigen, traumlofen Schlafe fich befindet. Aus diefem Grunde m\u00f6chte ich die Verdauungsfehler der Gelehrten mehr nach Humboldt erkl\u00e4ren, nach dem ilif Koften des Magert und der \u00fcbrigen Verdauungsor-gine w\u00e4hrend des Denkens Stoffe, und, wahrfcheiniich \u00e4lb durch Vermittlung des Athmens am meiften be-gi\u00e9iftigten Stoffe des Bluts, im Hirn verbraucht werden, find1 aufser diefer Urfache noch das anhaltende Sitzen und den Mangel einer reinen Luft vorzugsweife in Anfchlag bringen, um fo mehr, da an denfelben Ver-ffaiittiig^fehlern auch Perfonen leiden, die ebenfalls Vi\u00e8lfiti\u00e8n und in der Stubenluft fich aufhalten, ohne Jedoch den Geift anziiftfiengen.\nWahr ift es, dafs die Th\u00e4tigkeit des Hirns als Seelenorgan,\u2014 dieBi\u00fcthe und Frucht aller Lebens\u00e4uise-xungeti d\u00e9s menfchlichen Organismus \u2014r am unabh\u00e4ngigen und freiften von allen dafteht, und, der Pfyche hingegeben, dem fomatifeben Einflufs am meiften entr\u00fcckt, indem nach Wenzelx) das Hirn mit dem\nF 2\nl) De penitiori ftructura cerebri hominis et brutorum. p, 254. 267\n\u00bbS\u00ab.","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nfiebenten Lebensjahre, fo die Theile unter fich als im Ganzen, Zu wachfen aufh\u00f6rt, und fchon mit dem f\u00fcnften keine Gewichtszunahme mehr erleidet, i'o dafs Gr\u00f6fse und Gewicht fich das ganze Leben hindurch gleich bleiben, ud auch nur ein \u00e4ulserft geringer Stoffwechfel im Hirn St U fin,len kann, was l'chon der Mangel an lym-phatifchen Gef\u00e4fsen in ferner Subftanz ' ) und viele patbo-logifche Erlcheinungen in derfelben beurkunden. Das Thatige im Hirn ift daher dem Th\u00e4tigen im Mages entgegenftehend. Wer hat nicht die geiftige Frucht der fr\u00fchen M orgenftunden, in denen die Senfibilit\u00e4t des Magens noch fchlummert, kennen gelernt, wer nie die Klarheit des n\u00fcchternen Verftandes in ihnen empfunden, und wem ift dagegen nicht die Stumpfheit des Geiftes bei vollem Magen aufgefallen 1\nNicl^ blofs aber das Organ der geiftigen Zeugung, fondern auch die Organe der phyfifchen ftehen mit dem Senfibilit\u00e4tswechfel des Magens in umgekehrtem Ver-haltnifs. Oie bei allen gefunden Menfchen, wenn fin die Periode der Pubert\u00e4t \u00fcberfchritten haben , unmittelbar vor und nach dem Erwachen eintretenden Erection\u00ab deuten den hochften Stand der Senfibilit\u00e4t der Ge-ifchlechtsorgane an. Oafs diefe Morgenereclion, welche Tiedemann l) 2 3) die ven\u00f6fe nennt, nicht blofs durch die Lage und Warme im Bette, die Anf\u00fcllung der Urin-blafe und des Maftdarms, den verhinderten Abflu-fs des Bluts aus den Beckenvenen u. k w. hervorgerufen werde, beweift der \u00dcrnftand, dafs fie auch aufser dem Bette erfolgt. Nur geiftige Bel'ch\u00e4ftigung am fr\u00fchen Morgen,\nl) Handbuch der empirifchen menfehlichen Pbyfiologie von Aulw\nyielh. 2 \u00dfd. S. 306.\n3) Man fehe meinen und Prof. Schiibler\u2019s Verfuch einer medicini-fehen Topographie von Stuttgart. S. 57.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"85\nMg\u00bb'*\u00bb-\nnach k\u00fcnft\u00ee\u00eechem Erwecken aus dem Schlafe, hebt cliefe Aeufserung der Gefchlechtspotenz auf, w\u00e4hrend Nichts-thim, oder eine mehr k\u00f6rperliche Arbeit, wenn fie rieht /ehr anftrengend ift, fie nicht zu unterdr\u00fccken vermag. Die CJrfache diefer Erfcheinung liegt daher fclofis darin, dafs die im K\u00f6rper w\u00e4hrend des Lebens immer wogende Senfiboiit\u00e4tsfluth zu den Organen der phyfifchen Zeugung fich nun hingewandt hat.\nBei dem Weibe fcheint nicht bfofs eine t\u00e4gliche Zu -und Abnahmeperiode in der Senfibilit\u00e4t des Genital-fyftems, deren h\u00f6cbfte H\u00f6he fich am Morgen durch ge-fteigerte Gefchiechtduft ausfpricht, obzuwalten, fon-d'ern auch eine monatliche und fogar j\u00e4hrliche. Es ift bekannt, dafs unmittelbar nach der Menftruation am leichteften Conception Statt findet, es ift aber auch rach mehreren Beobachtungen nicht unwahrfcheinlich, dafs gewiffe Zeiten im Jahr der Befruchtung giinftig und andere derfeiben ungiinftig feyen. Nach der Zahl der Geburten zu urtheilen, ift in verfehiedenen Gegenden, namentlich der Januar f\u00fcr die Fruchtbarkeit der Ehen am g\u00fcnftigften, der September am ungiinftigfien *).\nMit der h\u00f6chften Th\u00e4tigkeit im Hirn f\u00e4llt alfo der t\u00e4glich h\u00f6chlte Stand der Senfibilit\u00e4t der Zeugungsorgane zufammen. Diefes Zufammenfallen ift noth-wendig, weil beide Lebens\u00e4ufserungen den h\u00f6chften Act des Lebens, nur nach verfehiedenen Richtungen hin, bezeichnen. Schon die phylifche und chemifche\nl) Bei manchen weiblichen Individuen felieint die Zeugungskraft an\teine befondere\tZeit\tim Jahre\tgebunden. NaJ'fe\nf\u00fchrt in\tdiefem Archiv\tE. LI.\tHeft I. S.\tI3V einen folch.-n\nFall an;\tauch mir find\tmehrere folche.\tBeifpiele bekannt,\nund namenilich hat eine\tmir\tverwandte\tFrau, die Mutter\nvon f\u00fcnf Kindern ift, fie fo geboren, dafs ihre Geburtstage in einen Zeitraum von, neunzehn Tagen fallen\u00bb","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nAehnlichkeit in tien Subftraten beider Lebens\u00e4ulserun-gen, des Samens mit der Hirnfubi'tanz, und der Ein-fiuls des erftern auf die Th\u00e4tigkeit der letztem, weifen darauf hin. So grofs daher auch die Freiheit der Seele ift, die z. 13. auch bei vollem Magen und bei Muskelbewegung das Denken m\u00f6glich macht, fo vermag fie doch immer mehr zu gleicher Zeit k\u00f6rperlich und geiftig zu zeugen. Die k\u00f6rperliche Zeugungskraft ift aber weit abh\u00e4ngiger von der Ern\u00e4hrung und fteht mit ihr bei einem gefunden Menfchen in geradem Verh\u00e4ltnis, w\u00e4hrend die geii\u2019tige bei der wenig* ften und feinften Nahrung am gelteigertften ift. Wenn Hemmung der Gefchlechtsfunction, durch einen nie-tiern Stand der Senfibilit\u00e4t in den Genitalien oder durch Hermaphroditismus oder Caftration veranlafst, \u00fcbertriebene Reproduction, namentlich Fettbildung zur. Folge hat, und dumme Menfchen in der Regel dickleibig find, fo f\u00fchrt Mifsbrauch der erftern zur Schwindfucht, vom R\u00fcckenmark aus, zur Epilepfie und zum Bl\u00f6dfinn, und Mifsbrauch fier Hirnfunction erzeugt Hypochondrie, Wahnfinn und Ruferei. Mit der regreffiven Entwicklung des K\u00f6rpers f\u00e4ngt die phyfifche Zeugungskraft auch allm\u00e4hlich an zu finken und erl\u00f6fcht oft lange vur dem nat\u00fcrlichen Tode, \u25a0w\u00e4hrend die geiftige nicht feiten \u00fcber die Gr\u00e4nzen des animalifchen Lebens fich binauserftreckt, und, gleich einem Ph\u00f6nix aus der Afche noch auflodernd, ihren unfterbiiehen Uifprung verk\u00fcndet.","page":86}],"identifier":"lit14583","issued":"1819","language":"de","pages":"67-86","startpages":"67","title":"Bemerkungen \u00fcber die Sensibilit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse verschiedener Organe des menschlichen K\u00f6rpers, und vorz\u00fcglich \u00fcber das Sensibilit\u00e4tsverh\u00e4ltnis des Magens","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:04:45.036073+00:00"}

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