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{"created":"2022-01-31T17:03:19.802833+00:00","id":"lit14605","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Goldscheider","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 414-416","fulltext":[{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nLitteraturbericht.\nEinflusses der \u00dcbung eine Tendenz an, diese Muskelth\u00e4tigkeit automatisch hervorzurufen. Diese Tendenz kommt infolge des Umstandes, dafs eine gen\u00fcgende Kontrolierung und Hemmung durch den Willen fehlt, schliefs-lich zum Durchbruch und zeigt sich auch dann noch wirksam, wenn die Wahnvorstellung, welche die betreffende Muskelth\u00e4tigkeit zuerst veran-lafst hat, \u00fcberhaupt nie mehr im Bewufstsein auftaucht. Palls der Kranke schon fr\u00fchzeitig genau beobachtet worden ist, gelingt es bisweilen, in dieser Weise eine fr\u00fcher vorhanden gewesene Wahnvorstellung als letzte Ursache einer' zun\u00e4chst ganz unverst\u00e4ndlich erscheinenden automatischen Muskelth\u00e4tigkeit, z. B. des fortw\u00e4hrenden Festhaltens einer gezwungenen und unnat\u00fcrlichen K\u00f6rperstellung, aufzuweisen.\nG. E. M\u00fcller (G\u00f6ttingen).\nM. Brown-S\u00e9quard. Th\u00e9orie des mouvements involontaires coordonn\u00e9s des membres et du tronc chez l\u2019homme et les animaux. Archiv, de physiol, norm, et patholog. V. S\u00e9rie. II. T., 1890, S. 411 ff.\nDie Bewegungen, von denen hier gehandelt wird, sind: erstens die bei Verletzung gewisser Teile des Nervensy sternes eintretenden Burzel-b\u00e4ume von V\u00f6geln, zweitens das nach Durchschneidung des K\u00fcckenmarkes sich einstellende Nachhintenausschlagen der Kaninchen, drittens die durch Verletzung gewisser Teile des K\u00fcckenmarkes und auch auf anderem Wege herbeif\u00fchrbaren epileptischen Anf\u00e4lle der Meerschweinchen und viertens die unwillk\u00fcrlichen bei den Menschen und Tieren vorkommenden Spring-, Lauf- und K\u00fcckw\u00e4rtsbewegungen und Kotationen. Die Bedingungen des Eintretens der 3 ersten hier angef\u00fchrten Bewegungsgruppen werden auf Grund eigener Versuche- n\u00e4her er\u00f6rtert. Ferner wird die gegenw\u00e4rtig weit verbreiteten Anschauungen entsprechende Theorie aufgestellt, dafs die willk\u00fcrlichen und die unwillk\u00fcrlichen koordinierten Bewegungen auf einer Th\u00e4tigkeit ganz derselben im R\u00fcckenmarke oder an der Basis des Gehirns gelegenen Centren beruhen, und dafs der Unterschied zwischen den ersteren und den letzteren Bewegungen lediglich darin besteht, dafs jenen Centren der Anstofs zum Inth\u00e4tigkeittreten bei den ersteren Bewegungen vom Willen, bei den letzteren aber von einem Sinnesreize, einer Verletzung oder einer sonstigen normalen oder pathologischen rein physichen Ursache kommt.\nG. E. M\u00fcller (G\u00f6ttingen.)\nSoltmann. Schrift und Spiegelschrift bei gesunden und kranken Kindern.\nFestschrift zu Henochs 70. Geburtstag. Berlin, Schumacher, 1890. S. 432\u2014460.\nBei Leuten, welche rechtseitig gel\u00e4hmt imd aphasich sind, kommt es vor, dafs die linke Hand anstatt in normaler rechtsl\u00e4ufiger Schrift in Spiegelschrift schreibt, ohne dafs diese besonders einge\u00fcbt w\u00e4re. Die von fr\u00fcheren Autoren an Gesunden angestellten Untersuchungen hatten ergeben, dafs speziell Kinder sehr h\u00e4ufig, aufgefordert, mit der linken Hand zu schreiben, Spiegelschrift entwerfen. Professor Soltmam in Breslau hat nun eine grofse Menge von gesunden Schulkindern untersucht und hierbei im Gegensatz zu der eben angef\u00fchrten Behauptung gefunden, dafs nur wenige Kinder Spiegelschrift schrieben, dafs diese aber durchweg nicht ganz gesund, sondern ausnahmslos aus Familien","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00fcteraturbericht.\n415\nstammten, in denen neuropathiscbe St\u00f6rungen vorkamen und sich selbst durch grofse Reizbarkeit auszeichneten, neurastheniscb waren. Verfasser dehnte nunmehr seine Untersuchungen auf Taubstumme, Blinde und Idioten aus. Bei Taubstummen ergab sich ziemlich konstant, dafs in den F\u00e4llen, wo die Taubheit intrauterin, kongenital oder bald nach der Geburt entstanden war, wo der Geh\u00f6rrest minimal, die Taubstummheit nicht von schweren Erkrankungen, Bildungshemmungen, exsudativen Prozessen des Gehirns und inneren Geh\u00f6rorgans abh\u00e4ngig war, die Schriftprobe in Spiegelschrift geliefert wurde, dafs hingegen in den F\u00e4llen, wo erst sp\u00e4ter die Taubheit entstanden, wo bereits die Lautsprache vorhanden gewesen, wo noch ein gr\u00f6fserer H\u00f6rrest (Vokalgeh\u00f6r) bestand, endlich wo die intellektuelle Begabung nicht gelitten hatte und schwere Gehirnaffektionen als Ursache des Gebrechens nicht angenommen werden konnten, in der Mehrzahl normal geschrieben wurde.\nBei blinden Kindern zeigte sich, dafs solche, welche erst einige Jahre nach der Geburt das Augenlicht verloren hatten, ihre Punktschrift mit der linken Hand in dem gleichen Sinne machten, wie rechts; dafs dagegen die Blindgeborenen bezw. bald nach der Geburt Erblindeten links in Spiegelschrift punktierten. Bei \u00e4lteren Blinden, welche erst sp\u00e4ter (im 14. bis 31. Lebensjahre) erblindet waren, fand sich, dafs nur Diejenigen Spiegelschrift schrieben, bei denen die Intelligenz eine St\u00f6rung erlitten hatte. Sehr bemerkenswert sind die Ergebnisse bei Idioten: Von 16 Untersuchten (bis zum Alter von 18 Jahren hinauf) schrieben 13 ziemlich glatt in Spiegelschrift, einer schrieb zum Teil richtig, einer nur unvollkommen richtig, einer brachte gar nichts mit der linken Hand fertig. Also eine zweifellose Neigung zur Spiegelschrift bei Idioten. Verfasser res\u00fcmiert hiernach: Normale Kinder schreiben im allgemeinen mit der linken Hand so, wie mit der rechten. \u201eKinder dagegen, die mit irgend einer psychischen Neurose behaftet sind, die an einer, sei es transitorischen oder perennierenden St\u00f6rung der Funktion der Grofs-hirnrinde leiden, verfallen leicht in Spiegelschrift. Diese tritt besonders bei mit Neurasthenia cerebralis, Hysterie, Chorea, Epilepsie und deren \u00c4quivalenten behafteten Kindern in die Erscheinung; desgleichen bei gewissen Psychosen, bei Taubstummen und Idioten.\u201c Die Erkl\u00e4rung des Verfassers hierf\u00fcr lautet folgendermalsen: \u201eDa wir bei dem gew\u00f6hnlichen Schreiben mit der rechten Hand vorz\u00fcglich das linke Hirn einge\u00fcbt haben, so wird von hier aus, so lange dasselbe normal funktioniert, auch durch die Associations- und Kommissurenfasern die Erregung (die E r inner un gs S ehr iftb ilder) stark genug der rechten Hemisph\u00e4re Zustr\u00f6men, dafs der Text der Schriftbilder mit der linken Hand in normaler Weise nach aufsen projiziert und entworfen wird. Sobald jedoch durch eine krankhafte Erregung und St\u00f6rung oder Zerst\u00f6rung linkerseits die dem rechten Hirn sonst zufliefsende Erregung abgeschw\u00e4cht, momentan aufgehoben wird oder dauernd fortf\u00e4llt, so wird der \u201etrieb-liche Wille\u201c \u00fcberm\u00e4chtig anwachsen und automatisch das Schriftbild in der n\u00e4mlichen \u201eausgeschliffenen\u201c Bahn und der rechten Hand gleichwertigen urspr\u00fcnglichen Bewegung wiedergegeben m\u00fcssen, d. h. in Spiegelschrift.\u201c","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nLitteraiurbcricht.\nBeferent m\u00f6chte diese Erkl\u00e4rung gern noch etwas anders pr\u00e4cisiert sehen. Bei der Erzeugung! der Schrift sind zwei dirigierende Faktoren zu unterscheiden: die optische Vorstellung der Schriftzeichen und die mit den Schreibbewegungen einhergehenden Bewegungsempfindungen. Bei der linksh\u00e4ndigen Spiegelschrift sind die Bewegungsempfindungen entsprechend der rechtsh\u00e4ndigen Normalschrift, die Schriftzeichen dagegen entsprechen nicht den optischen Vorstellungen. Die Innervationsfolge rollt sich hierbei unter dem Einflufs der Bewegungsempfindungen ab und erscheint abgel\u00f6st von dem dirigierenden Einflufs der optischen Vorstellungen. Letztere, welche zugleich den Sinn rmd Begriff der Schriftzeichen vermitteln, stellen im allgemeinen und bei normalen intelligenten Menschen das haupts\u00e4chlich leitende Moment dar; das Ablaufen der Innervationsfolge lediglich nach Mafsgabe der Bewegungsempfindungen repr\u00e4sentiert eine niedrigere, rein mechanische Th\u00e4tigkeit, das, was Verfassser als \u201etrieblichen Willen\u201c bezeichnet.\nDie Ausf\u00fchrlichkeit des Berichtes m\u00f6ge mit dem hohen Interesse der Sache und dem Umstande entschuldigt werden, dafs die Schrift des Verfassers an einer schwer zug\u00e4nglichen Stelle erschienen ist. Es w\u00e4re sehr w\u00fcnschenswert, dafs sie noch eine besondere Ausgabe erf\u00fchre.\nGoldscheidep. (Berlin).\nMeynert. Klinische Vorlesungen \u00fcber Psychiatrie auf wissenschaftlichen Grundlagen. Wien. Braum\u00fcller, 1890. 304 S.\nMeynert hat seine Vorlesungen aus dem Sommersemester 1889 einem weiteren Kreise zug\u00e4nglich gemacht, und in diesen Kreis will er nicht nur Studierende und Arzte, sondern auch Juristen und Psychologen einrechnen. In der That findet auch gerade der Letztere in Meynerts Buch viele Auseinandersetzungen \u00fcber den Gehirnmechanismus, die des n\u00e4heren Eingehens wert sind, zumal M. die Psychiatrie als die Lehre von den Erkrankungen des Vorderhirns in seinen Verbindungen auffafst und die wissenschaftlichen Grundlagen der Psychiatrie aus der feineren Anatomie und den Nutritions-Vorg\u00e4ngen herleitet.\nDie Vorlesungen verlangen und verdienen ein genaues Studium, ein Keferat mufs sich auf Hervorheben von einzelnen Punkten beschr\u00e4nken, wie dies auch bei Besprechung der Amentia, einem vorher schon in den Jahrb\u00fcchern f\u00fcr Psychiatrie ver\u00f6ffentlichten Abschnitt aus den Vorlesungen geschehen ist (diese Zeitschrift, Bd. I. p. 227.).\nAufser \u00fcber Amentia enth\u00e4lt das vorliegende Buch Vorlesungen \u00fcber Melancholie, Manie, Paranoia, Paralysis universalis progressiva, sekund\u00e4re Geistesst\u00f6rung, erworbenen Bl\u00f6dsinn durch Herd-Erkrankungen und \u00fcber angeborenen Bl\u00f6dsinn (Idiotismus und Imbecillit\u00e4t.)\nDen Arzt und Juristen werden in erster Linie die klar geschilderten Krankheitsbilder, illustriert durchinstruktive Krankengeschichten, fesseln, w\u00e4hrend den Psychologen mehr die Erkl\u00e4rung der Vorg\u00e4nge im Gehirn interessieren wird.\nIn letzterer Beziehung m\u00f6gen an dieser Stelle die Erscheinungen der heiteren und der traurigen Verstimmung bei der Manie und der Melan-","page":416}],"identifier":"lit14605","issued":"1891","language":"de","pages":"414-416","startpages":"414","title":"Soltmann: Schrift und Spiegelschrift bei gesunden und kranken Kindern: Festschrift zu Henochs 70. Geburtstag. Berlin, Schumacher, 1890. S. 432-460","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:19.802839+00:00"}