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{"created":"2022-01-31T14:24:43.871657+00:00","id":"lit14615","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Stiebel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 5: 206-210","fulltext":[{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nil r.\nlieber das Auge der Schnecken. Von Dr. Stiebel. (Hierzu Tai'. V.)\nw \u00e4hrend lieh das Tiiisf ans der Natur herauf immer mehr iuJivklua\u00fclirt; indem feine Perfonjichkeit als ein Eigenthumliches im Gegenfatz mit dem \u00fcbrigen Aeufse* reu erfebeiut, treten die Sinne hervor, die Verbin-d\u00fcng des Einzelnen mit dem Allgemeinen zu unterhalten.\nZuv\u00f6rderft findet blofs ein Gemeingef\u00fchl Statt, dos, wie der Keim Wurzel, Bl\u00e4tter und BUitlie in lieh Verfehlungen halt, der unaufgel\u00f6fte Accord der bef\u00f6rderen Sinne ift.\nWelche T\u00f6ne aber in diefem vereinten Klange ruhen, ift f\u00fcr uns Menfchen durchaus nicht zu beltimmen, da uns nur unfere eigenen Sinne als Maafsftab f\u00fcr die \u00fcbrigen dienen.\nDann die Beurtheilung fier Sinne beruht auf der TJebereinftimmung unterer Empfindung mit dem Bau ns Organes, und wo wir ein \u00e4hnliches Organ finden,\n4 a ichliefson wir auf eine \u00e4hnliche Empfindung.\nWo wir ein Auge bemerken, da lagen wir, das Thier febe, die nuferem Ohr \u00e4hnlichem Gebilde find zum H\u00f6ren beftimmt; aber es kann Sinusswerkzeuge geben, die uns entgehen, weil wir keinen Typus f\u00fcr diele dien haben, weil fie uns fehlen und mit ihnen der Vergleich der Empfindung.\nIch mache hier unter andern auf das electrifche Nerv norgan mancher Thiere aufmerkfam und frage, ob dies nicht eben io gut ein Sinneswerkzeug feyn kann wie vr re \u00fcbrigen. Bei uns liegt diel'er Sinn im Ge-me'i geiuhl eingeh\u00fcllt; doch ftrebt er bei Einzelnen als Gewitterempfindung u. clergl. i t\u00fcrke r hervor zu treten.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"297\nLicht unr! W\u00e4rme find die wohlth\u00e4tigften Potenzen f\u00fcr die irdifchen Wefen, da wo noch keine aus-gefprochenen Sinne find, wendet fich das Gemeingef\u00fchl fei bit bei den Pflanzen ihnen vorz\u00fcglich zu, und der Sinn des Geflehtes ift, neben dem des Gefchmackes, der erfte, weicher in der Thierreihe individuell erfcheint.\nZwei Organlheile find noting, um wahres Sehen zu bilden, und wo diele nicht vorhanden find, kann wohl ein Gef\u00fchl der fchaubaren Objecte feyn, aber kein Geficht. Ohne Retina ift keine Empfindung der Bilder, und ohne linfen\u00e4hnliche durchfichlige K\u00f6rper kein Sammeln der gr\u00fcl'seren Gegenftancte zum kleinern Fokus, m\u00f6glich.\nW\u00e4hrend bei dem Acephal noch nichts dem Auge Aehnliches gefunden wird, tritt es bei den Gafteropoden fchon fo entwickelt hervor, dafs wir uns wundern miil'fen, wie die vergleichenden Anatomen von dem Rau des Schneckenauges bis jetzt noch l\u2019o wenig wii\u2019fen.\nZwar hat fchon der fromme Swammerdam in feiner Bibel der Natur von der Kryftalllinfe der Schnecken geiproeben, allein da fie, nach ihm, niemand zeigte, und er felber keine deutliche \u00dfefchreibung des Schnek-kenauges gab, hat man diele Behauptung mehr f\u00fcr einen Irrthurn als eine Erdichtung gehalten. Daher mufs auch ich diejenigen, welche meine Unterfuchung \u00fcber das Schneckenauge pr\u00fcfen wollen, im Voraus bitten, (ich keine M\u00fche verdriefsen zu laffen, denn man mufs oft viele Schnecken zerlegen, um fich von dem zarten Bau aller Theile genau zu \u00fcberzeugen.\nIm Juli diefes Jahres habe ich zuerft die Kryftalllinfe, bei Cycloftoma viviparum entdeckt. Ich fchnitt n\u00e4mlich, um den Lauf des Sehnerven zu verfolgen, das Tentakel durch , und als ich es unter das Mikrufkop brachte, erftaunte ich nicht wenig, in der Miete des fchwarzen Punktes einen kaum Achtbaren gl\u00e4nzenden","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"308\nKern ru bemerken , von dem ich fogleich vermnthete, dal's es eine Kryftalllinle fey. Diefe Vermuthung wurde zur Gewifsheit, als ich das Object einer harke re n Vergr\u00f6\u00dferung unterwarf. Denn da alle unter jenen durchfichtigen K\u00f6rper gebrachten Gegenft\u00e4nde verkehrt erfchienen und verkleinert, inufste er noth-wenditr convex fevn 1 ).\nO\tJ\ts\nIch zeigte fogleich das Pr\u00e4parat meinem Freund Sommerring und feinem ber\u00fchmten Vater, ohne ihnen zu fagen, was es fey, und beide erkannten es fiir eine Kryftalliinfe.\nDa nun bei Cycloftomct vivintirum die Unterhielt ung des Auges fehr fchwicrig ift, habe ich, um den Bau deffelben im Zul\u00e4mmenhang zu zeigen und ahzubilden, vorz\u00fcglich Limax maximus, Helix nemo* relis und Helix pnmatia unterfucht, und die Zeichnungen nach Helix pom\u00e4tia und Cyclo\u00dfoma vwipd> rum, alfo einer Land -und Wafferfchnecke, verfertigt,\nWeil man die beiden, dem Sehorgane noth* wendigen Bedingungen, Strahlenbrechende K\u00f6rper und Netzhaut, bei den Schnecken noch nicht nachgewie* fen hatte, waren die Naturforlcher auch immer in Zweifel, ob jener fchwarze Punkt am Ende des gr\u00f6\u00dferen F\u00fchlhorns ein Auge fey oder nicht.\nWenn man bei ausgeftrecktem F\u00fchlhorns und fieluharem fchwarzen Punkte die \u00e4uisere Haut der Conjunctiva der L\u00e4nge nach durehfclineidet, dann er* lcheint unter ihr die Choroidea, die auf ihrer \u00e4tifse* ran Fl\u00e4che glatt und mit vielen Schleime r\u00fcden bedeckt ift, wodurch Ile fclil\u00fcpfrig gehalten wird, damit dia auf ihr liegende Conjunctiva fielt leicht bewegen kann.\ni) Eei Mikrofkopsn, welche verkehrt zeigen, erfcheine er wieder gerade.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"209\nDann an cliefe Choroldea fetzen ftoh die in der Bruft-h\u00fchle liegenden, fclion von Cuvier in den Annales du Muf\u00e9e belchriebenen Muskeln, welche dies Auge in die Brufth\u00fchle sturiickziehen, wobei <lia Conjunctiva wie ein Handfchuhfiriger umgekehrt wird. An dem oberen Ende der C'noroulea liegt die kreisf\u00f6rmige Iris, welche bei recht ausgeltrecktem F\u00fchlhorns durch eine bei Helix l\u00e4nglicht viereckige, bei Cyclofeoma doppelt nierenf\u00f6rmige Oeffnung der Conjunctiva hervortritt; denn eine Cornea die Willi. S\u00f6mmerring bei den S\u00e4pien nach\u00bb gewiefen hat, ift bei den Schnecken noch nicht vorhanden. Die Erweiterung und Verengerung der Pupille gefchieht durch das Einziehen und Entfalten der Ais.\nSchneidet man darauf die zweite Haut, die Cho-roidea durch, fo erfcheint fie hohl und mit Luft ausgef\u00fcllt. Sie ift, unter dem Mikrofkop gefehen , inwendig mit fchwarzem Pigment und vielfach gewundenen Ge fais en bedeckt, umgiebt die, einen eigenen Bulbus bildende Sehnervenfeheide, h\u00e4ngt nach oben und vorn mit der Iris zufammen.\nUm die Befehreibung des eigentlichen Bulbus zu geben, gehen wir am heften vom Gehirn aus. Das hier abgebildete ift von der Kreismundfchnecke Cxclojloma viviparum.\nDie beiden Halbkugeln des Gehirns find mit einer Umh\u00fcllung, einer dura mater, bedeckt, welche lieh auch \u00fcber das von ihnen ausgehende Ganglion und die Sehnerven ausbreitet. Die Hirnh\u00e4lften bilden auf jeder Seite zuerft ein Ganglion, welches dem Bulbus des Ge-ruchnerven beim Menfchen nicht un\u00e4hnlich ift, und aus welchem der mit feiner Scheide bedeckte Sehnerv ent-fpringt.\nGegen das Ende des Sehnerven, an der Augenh\u00f6hle, verl\u00e4fst diefen feine Scheide, und ift zu einem flafchenf\u00fcrmigen, vorn offenen Bulbus aufgebiafen, der","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"in feinem Innern Bliitgef\u00e4fse, Dr\u00e4schen, und das fich zu einer trichterf\u00f6rmigen Retina bildende Ende des Sehnerven enth\u00e4lt.\nDer Sehnerv liegt in zur\u00fcckgezogenem Zuftande des F\u00fchlhornes bei Helix pomatiu in diefem Bulbus vielfach gewunden, und oben auf feiner trichterf\u00f6rmigen Retina, wo cliefe aus dem Bulbus der Nervenfcheide hervortritt, fitzt die Kryftalllinfe.\nBei Crcloftoma, welches ein k\u00fcrzeres, weniger zur\u00fcck zu ziehendes F\u00fchlhorn hat, ift der Trichter l\u00e4nger, geht auf den Grund der bulbufen Scheide, ohne erft in einen gewundenen Nerven zu endigen.\nDie Krvftalllinfe ift mit einem von der Iris unab-\nJ\nh\u00e4ngigen, aus fchwarzem Pigment behebenden G\u00fcrtel umgeben und, verm\u00f6ge der Windungen des Sehnerven beweglich , fo dafs fie bei fehr erweiterter Pupille aus der Iris herausgetrieben wird und vor dem Auge pro-rninirt.\nDie Krvftalllinfe verliert weder im Weingeifte noch durch Au.strocknen ihre Durchfichtigkeit. Die Blutgef\u00e4fse des Schneckenauges find von zwei Gattungen. Ein grofser Arterienitamin, das Ciliargef\u00e4fs, l\u00e4uft in der H\u00f6hlung der Churuidea an der irisfeite gerade zu diefer und dein Pigmentg\u00fcrtel der Linie fort, und giebt nur wenige Aefte zum Bulbes und der Seh-nervenfcheide.\nEine andere Gef\u00e4fsgattung verzweigt fielt in vielfachen Windungen auf der innern Fl\u00e4che der Choroidea, der Typus ihrer Verfchlingung ift Tulpenf\u00f6rmig.\nIV.","page":210}],"identifier":"lit14615","issued":"1819","language":"de","pages":"206-210","startpages":"206","title":"Ueber das Auge der Schnecken","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:24:43.871663+00:00"}