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{"created":"2022-01-31T17:04:15.452410+00:00","id":"lit14625","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ebbinghaus, Hermann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 2: 449-452","fulltext":[{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericlit.\nW. Jerusalem. Lehrbuch der empirischen Psychologie f\u00fcr Gymnasien und h\u00f6here Lehranstalten. 2. Aufi. Wien, Pichler, 1890. 160 S.\nOh der Unterricht in der Psychologie, oh \u00fcberhaupt \u201ephilosophische Prop\u00e4deutik\u201c auf das Gymnasium geh\u00f6rt, oh man, wie auch Referent meint, nicht besser daran thut, die philosophischen Disziplinen der Universit\u00e4t ganz zu \u00fcberlassen, ist bekanntlich eine der vielen \u201eoffenen\u201c Pr\u00e4gen auf dem Gebiete des heute st\u00e4rker als seit lange bewegten p\u00e4dagogischen Lehens. Nun wohl! Will man sich \u00fcberhaupt f\u00fcr die gymnasiale Behandlung philosophischer Lehrgegenst\u00e4nde erkl\u00e4ren, so wird man der hierauf bez\u00fcglichen Litteratur aus naheliegenden Gr\u00fcnden eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen m\u00fcssen.\nDas obengenannte, in zweiter Auflage vorliegende Lehrbuch ist^ sorgf\u00e4ltig gearbeitet; \u00fcbersichtliche Anordnung des Stoffes, knappe Ausdrucksweise, passend gew\u00e4hlte Beispiele zeugen von p\u00e4dagogischem Takt des Verfassers. Neben dem \u201eAbri\u00df der empirischen Psychologie\u201c von Hess (1881) wird man die Schrift von Jerusalem in erster Linie empfehlen d\u00fcrfen.\tHeinrich Spitta (T\u00fcbingen).\nJ. Jastrow. The Time-Relations of Mental Phenomena. Fact and theory papers, No. 6. New York, Hodges, 1890. 16\u00b0. 60 S.\nEine ansprechende Zusammenstellung der Hauptresultate psychischer Zeitmessung durch Reaktionsversuche. Die von den verschiedenen Beobachtern erhaltenen Zahlen f\u00fcr einfache Reaktionen und deren Komplikationen durch Unterscheidung, Wahl, Association u. s. w. werden mitgeteilt, besprochen und tabellarisch zusammengestellt, das Ganze abgeschlossen durch eine, 57 Nummern umfassende Bibliographie des Gegenstandes. Die Brauchbarkeit des zweckm\u00e4fsigen B\u00fcchleins w\u00e4re wesentlich erh\u00f6ht worden durch eine etwas kritischere Haltung bei einzelnen Fragen. Die blofse Mitteilung von allen m\u00f6glichen, oft sehr voneinander abweichenden Zahlen hat f\u00fcr die erste Orientierung leicht etwas Verwirrendes.\tEbbinghaus.\n<C. Higier. Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden im Bereiche des Raumsinns der Netzhaut. Dissertation. Dorpat (Schnaken-burgs Buchdruckerei) 1890.\t124 S.\nAuf Anregung von Kraepelin hat der Verf. zahlreiche Versuche angestellt, um die Frage nach dem Zusammenhang der verschiedenen","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nLitteraturbericht.\npsychophysischen Mafsmethoden und der durch sie gewonnenen Zahl* werte einer experimentellen Pr\u00fcfung zu unterziehen. Als Untersuchungs-gebiet ist dabei zweckm\u00e4fsigerweise der Kaumsinn des Auges gew\u00e4hlt, weil sich hier alle Methoden bequem anwenden lassen. Durch geeignete Vorrichtungen wurde eine fein variierbare Abgrenzung zweier neben* einander liegender Distanzen erm\u00f6glicht, die monokular aus stets gleicher Entfernung betrachtet wurden. Untersucht wurden die sog. Methode der mittleren Fehler und die der richtigen und falschen F\u00e4lle, letztere mit relativ kleinen Abstufungen der Vergleichsdistanzen und mit regel* m\u00e4fsig aufsteigender oder absteigender Beurteilung, so dafs sich die Resultate gleichzeitig zur Pr\u00fcfung der sog. Methode der Minimal\u00e4nderungen verwerten liefsen.\nLeider huldigte der Verf. bei den richtigen und falschen F\u00e4llen einem Vorurteil, welches die Verwertbarkeit seiner Resultate 'erheblich beeintr\u00e4chtigt. Um n\u00e4mlich die \u201eunliebsame Beigabe\u201c der Gleichheitsurteile, mit denen die meisten Theoretiker sich nicht zu helfen wissen, loszuwerden, schlofs er diese nach dem Vorschl\u00e4ge Jastrows \u00fcberhaupt aus und liefs nur Urteile \u201egr\u00f6fser\u201c und \u201ekleiner\u201c zu. Um dann diese Vergewaltigung des Urteils zu erleichtern, schlofs er weiter auch den Fall objektiver Gleichheit der verglichenen Distanzen von der Beurteilung aus und verglich nur objektiv ungleiche miteinander. Die letztere Mafsnahme involviert die falsche Voraussetzung, dafs bei objektiver Gleichheit der Distanzen die Gleichheitsurteile am h\u00e4ufigsten seien, was wegen der stets vorhandenen konstanten Fehler keineswegs der Fall zu sein pflegt. Verf. erreicht durch sein Verfahren also nur, dafs die s\u00e4mtlichen hergeh\u00f6rigen und ca. 19 000 Urteile umfassenden Versuchsreihen gerade in der Mitte eine h\u00f6chst st\u00f6rende L\u00fccke aufweisen. Durch die Verbannung der Gleichheitsurteile wurde ferner die weitere Auswertung der Resultate eingeschr\u00e4nkt, insofern sich nicht alles aus diesen ermitteln liefs, was zu wissen w\u00fcnschenswert war. Dem Verf. selbst m\u00fcssen diese M\u00e4ngel des urspr\u00fcnglich eingeschlagenen Verfahrens sehr f\u00fchlbar geworden sein, denn hinterher entschlofs er sich noch zu einer umfassenden Versuchsreihe mit Gleichheitsurteilen und Beurteilung der objektiven Gleichheit, die weitere ca. 20000 Versuche erforderte, aber sich nur auf 2 Distanzen erstreckt. Die ganze \u00fcnliebsamkeit der Gleichheitsurteile beruht, wie ich beil\u00e4ufig bemerke, auf Hilflosigkeit in theoretischer Beziehung, auf H\u00fclflosigkeit namentlich gegen\u00fcber den von G. E. M\u00fcller entwickelten Formeln. Nat\u00fcrlich ist es von Wert, dafs neben manchen anderen Modalit\u00e4ten gelegentlich auch einmal untersucht werde, wie sich das Urteil verh\u00e4lt, wenn ihm die Gleichheitsaussagen untersagt werden, aber zu einer Verallgemeinerung dieses die Brauchbarkeit der Resultate vermindernden und dazu als Zwang empfundenen Verfahrens besteht nicht die mindeste Veranlassung. Mit den Gleichheitsurteilen ist, wie ich n\u00e4chstens ausf\u00fchrlicher zeigen werde, alles in bester Ordnung.\nIn Beziehung auf den Hauptzweck seiner Untersuchungen findet der Verf. im wesentlichen folgende Resultate:\n1. Verwendet man den nach der Methode der mittleren Fehler","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturlericht.\n451\ngefundenen mittleren Fehler als Differenz (zwischen Normalreiz und Vergleichsreiz) bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle, so stimmt die zugeh\u00f6rige Prozentzahl richtiger Urteile nahezu mit derjenigen \u00fcberein, die man theoretisch f\u00fcr eine Differenz von der Gr\u00f6fse des mittleren Fehlers erwarten darf.\n2.\tDie Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle ohne Gleichheitsurteile liefert eine geringere Prozentzahl richtiger Urteile als mit Gleichheitsurteilen. Wenn man letztere also nach irgend einem Prinzip zwischen den richtigen und falschen Urteilen verteilt, so erh\u00e4lt man von jenen immer mehr, als wenn man von vornherein keine Gleichheitsurteile zugelassen h\u00e4tte.\n3.\tDer mittlere Fehler der Gleichheitsurteile (hei richtigen und falschen F\u00e4llen) stimmt nahezu mit dem nach der Methode der mittleren Fehler gewonnenen \u00fcberein.\n4.\tDie aus richtigen und falschen F\u00e4llen irgendwie (nach Fechner-schen oder M\u00fcLLERschen Formeln) herausgerechnete Unterschiedschwelle stimmt nicht mit dem nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen erhaltenen Schwellenwert.\nDie umfassende Beibringung des empirischen Materials hat sich Higier grofse M\u00fche kosten lassen, auch mit der einschl\u00e4gigen Litteratur zeigt er sich eingehend vertraut und ist insofern also zu loben. In allem anderen aber ist seine Behandlung der wichtigen und interessanten, von ihm vorgenommenen Frage, wie ich zu meinem Bedauern sagen mufs, durchaus unbefriedigend. Er ist augenscheinlich noch nicht gen\u00fcgend theoretisch geschult f\u00fcr eine so schwierige Aufgabe. Die Auswertung der Versuchsresultate ist unzureichend, vielfach befremdend und in manchen Punkten direkt unzul\u00e4ssig. Dies gilt namentlich von der Art, wie er wohl auseinander zu haltende Zahlen ohne weiteres zu Durchschnittswerten zusammen wirft. Was f\u00fcr eine vorl\u00e4ufige private Orientierung immerhin angehen mag, ist doch nicht mehr gestattet f\u00fcr die genauere Ermittelung von Werten, auf die man dann weitere Schl\u00fcsse baut. Ein mit seinen Folgen besonders tiefgreifendes Versehen ist das folgende. Aus den f\u00fcr die verschiedenen Vergleichsdistanzen gefundenen Prozentzahlen richtiger Urteile soll mit H\u00fclfe einer FECHNERSchen Formel das Pr\u00e4zisionsmafs der betreffenden Beurteilungen ermittelt werden. Die Formel gilt nur f\u00fcr Versuchsresultate, denen kein konstanter Fehler mehr anhaftet, sonst mufs eine entsprechende kleine Korrektur vorgenommen werden. Die HiGiERSchen Zahlen enthalten aber, wie ein Blick auf ihre unsymmetrische Verteilung lehrt, noch sehr erhebliche konstante Fehler. Nichtsdestoweniger legt Higier sie der Rechnung zu Grunde und erh\u00e4lt dadurch geradezu unglaubliche Pr\u00e4zisionsmafse. Man sollte sagen, dafs die Verschiedenheit zweier Distanzen von 50'A und 50 mm ungef\u00e4hr doch ebenso genau beurteilt werde wie die von 50 und 4972 mm; aber H. findet f\u00fcr das erste Distanzenpaar ein Pr\u00e4zisionsmafs 0,166, f\u00fcr das zweite 1,008, in dem einen Falle also eine 6mal gr\u00f6fsere Genauigkeit als in dem anderen. F\u00fcr die Beurteilung von 202 mm im Vergleich zu 200 giebt er die Pr\u00e4zision 0,028, f\u00fcr die Beurteilung von 198 mm in demselben Vergleich 0,271, f\u00fcr die nur wenig kleinere Distanz","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nLitteraturbericht.\nalso fast die zehnfache Genauigkeit. Nach den Zahlen f\u00fcr 50\u2018A und 198 m\u00fcfste man erwarten, in der Gegend von 50 mm einen etwa anderthalb mal gr\u00f6fseren mittleren Sch\u00e4tzungsfehler zu finden, als in der Gegend von 200 mm, und zwar dem absoluten, nicht etwa dem relativen Werte nach; nach den Zahlen f\u00fcr 4972 und 202 ist dagegen der mittlere Fehler hei 200 etwa das Vierzigfache von dem bei 50. In einem Falle gelangt E. sogar zu einer ihrer Natur nach v\u00f6llig unsinnigen Zahl, n\u00e4mlich zu einem negativen Pr \u00e4 zisionsmafs , und er wird nur durch vorangegangenes Zusammenwerfen verschiedener Zahlen zu Durchschnittswerten davor beh\u00fctet, noch mehrere solcher neuen negativen Gr\u00f6fsen zu liefern. Wie man alle so etwas finden und mitteilen kann, ohne stutzig zu werden, ist mir r\u00e4tselhaft; der Verf. rechnet aber mit seinen Werten ruhig weiter. Es ist, als ob ihm \u00fcber dem vielen Rechnen der Gedanke f\u00fcr den eigentlichen Sinn seiner Zahlen verloren gegangen w\u00e4re. Durch eine, wenn auch nur sch\u00e4tzungsweise Bewertung der konstanten Fehler h\u00e4tte er sich einigermafsen helfen k\u00f6nnen und, wie ich nach ein paar Proben versichern kann, ganz befriedigend \u00fcbereinstimmende Werte gewonnen ; jetzt haben die in der charakterisierten Weise ermittelten Zahlen und mit ihnen zahlreiche Tabellen, Er\u00f6rterungen und \u00dcberlegungen keine Spur von Bedeutung. Auch die oben unter No. 1 und 4 mitgeteilten allgemeinen Resultate, welche mit H\u00fclfe der sinnlosen Pr\u00e4zisionsmafse gewonnen sind, verlieren damit ihren Boden; zu den anderen, nicht direkt tangierten, wird, wie ich f\u00fcrchte, das Vertrauen ersch\u00fcttert.\nNat\u00fcrlich schliefst das Gesagte nicht aus, dafs sich in den Resultaten des Verf. noch manche Einzelheit findet, die teils im allgemeinen, teils speziell f\u00fcr Augenmafsversuche Beachtung und Nachpr\u00fcfung verdient. Anderes l\u00e4fst sich vielleicht noch durch eine angemessene Verarbeitung aus ihnen gewinnen. Dazu m\u00fcfste allerdings teilweise das empirische Material vollst\u00e4ndiger und nicht blofs in den letzten Durchschnittswerten mitgeteilt werden, was mir namentlich f\u00fcr die nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle mit Gleichheitsurteilen erhaltenen Zahlen dankenswert erscheinen w\u00fcrde.\tEbbinghaus.\nJ. Roth. \u00dcber Astigmatismus und Ophthalmometrie. Inaug.-Dissertation Z\u00fcrich 1890, Hofer und Burger, 67 S.\nDie Absicht des Verfassers ist die, an der Hand eines grofsen Beobachtungsmaterials (1000 astigmatische Augen) die H\u00e4ufigkeit und die verschiedenen Formen des Astigmatismus festzustellen und zu klassifizieren. Die Kranken stammen aus der Z\u00fcricher Augenklinik und wurden mit dem HELMHOLTzschen und den JAVALSchen Ophthalmometer oder dem WECKEKSchen Keratoskop untersucht.\nVerfasser konstatiert, dafs schon beim Eintritt der Kinder in die Schule ein grofser Prozentsatz von Astigmatikern sich vorfindet; die asthenopischen Beschwerden stellen sich dann bald danach ein beim Besuch der Schule, der Universit\u00e4t oder bei der ersten Zeit der anhaltenden praktischen Arbeit in Fabriken etc. Diese Asthenopie ist dadurch bedingt, dafs der in einseitiger Weise sich kontrahierende Ciliarmuskel","page":452}],"identifier":"lit14625","issued":"1891","language":"de","pages":"449-452","startpages":"449","title":"C. Higier: Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden im Bereich des Raumsinns der Netzhaut. Dissertation. Dorpat, Schnakenburgs Buchdruckerei 1890, 124 S.","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:04:15.452416+00:00"}