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{"created":"2022-01-31T17:02:08.080270+00:00","id":"lit14644","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Greeff, Richard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 21-47","fulltext":[{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der physikalischen Abteilung des Physiologischen Institutes\nzu Berlin.)\nUntersuchungen \u00fcber binokulares Sehen mit Anwendung des HEKiNGsehen Fallversuchs.\nVon\nDr. Richard Greeff,\nAssistenzarzt an der kgl. Universit\u00e4ts-Augenklinik zu Berlin.\n(Mit 8 Abbildungen.)\nInhalt.\n\u00a7 1.\tEinleitung und Apparat .......................................... S.\t21.\n\u00a7 2.\tTiefenwahrnehmung hei parallel gestellten\tund divergierenden Sehaxen S.\t28.\n\u00a7 3.\tIn welcher Entfernung ist der Fallversueh\tnoch m\u00f6glich? ........... S.\t34.\n\u00a7 4.\tBinokularsehen hei herabgesetzter Sehsch\u00e4rfe eines Auges .......... S.\t41.\n\u00a7 5.\tBinokulares Sehen Schielender...................................... S.\t45.\n\u00a7 1. Einleitung und Beschreibung des Apparates.\nDie Lokalisation und Beurteilung der uns umgebenden Dinge geschieht offenbar durch eine Kombination aus den Netzhaut bildern und den Muskelempfindungen unserer Augen. Wir ziehen aus der Gr\u00f6fse und Beschaffenheit der beiden Netzhautbilder und dem Spiel der Aufsen- und Binnenmuskeln der Augen einen Schlufs auf die Gr\u00f6fse, Gestalt und Entfernung des betrachteten Objekts. Diesen Schlufs richtig zu ziehen, lehrt uns erst die Erfahrung; bekanntlich ist ein Blinder, der pl\u00f6tzlich sehend wird, den gr\u00f6bsten Irrt\u00fcmern unterworfen.\nAuch der Ein\u00e4ugige besitzt ein gewisses k\u00f6rperliches Sehen, wie uns die t\u00e4gliche Erfahrung lehrt, er ist z. B. wohl im st\u00e4nde, eine weifse Scheibe von einer gleich grofsen Kugel zu unterscheiden, jedoch bleibt er in der Beurteilung der Aufsen-weit, besonders der Tiefen-Dimensionen oder der Entfernungen vom Auge, gegen den binokular Sehenden weit zur\u00fcck und wird viel h\u00e4ufiger, als dieser, falsche Schl\u00fcsse ziehen. Dem Ein\u00e4ugigen fehlt von den Netzhauteindr\u00fccken und von den Muskelempfindungen je ein wichtiger Faktor. Von ersteren entbehrt er die Beurteilung nach den verschiedenen perspektivischen Netzhautbildern der beiden Augen, von letzteren die Beurteilung nach der Konvergenz der Sehaxen.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nRichard Greeff.\nDie Verschmelzung der beiden Netzhautbilder im Gehirn mufs erlernt werden, und es scheint, dais sie in ganzer Vollendung nur in der Jugend erlernt wird (s. unten). Unter Umst\u00e4nden findet diese Verschmelzung der Bilder bei Zwei\u00e4ugigen nicht statt; trotzdem dieselben auf beiden Augen scharfe Netzhautbilder empfangen, k\u00f6nnen dieselben geistig nicht vereinigt werden, es fehlt ihnen der binokulare Sehakt, und sie verhalten sich im k\u00f6rperlichen Sehen wie Ein\u00e4ugige. Die Theorie von der steten Unterdr\u00fcckung des einen Netzhautbildes kann als widerlegt betrachtet werden ; beide Bilder kommen zum Bewufstsein, wie zu beweisen ist,1 k\u00f6nnen jedoch nicht zu einem geistigen Urteil vereinigt werden.\nDas feinste Pr\u00fcfungsmittel, ein Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des binokularen Sehens zu pr\u00fcfen, ist der sogenannte HERiNGsche Fallversuch.2 Der Apparat ist so beschaffen, dafs er die Muskelbewegungen der Augen so gut wie ganz auszu-schliefsen im st\u00e4nde ist, und er soll dadurch den Beweis bringen, dafs das Wesentliche zur Beurteilung der Tiefen-Dimension die perspektivischen Netzhautbilder ausmachen, eine Ansicht, die schon von dem Erfinder des Stereoskopes, Wheatstone, ausgesprochen wurde, gegen\u00fcber der Meinung von Br\u00fccke und anderen, welche das Hauptgewicht auf die Muskelempfindungen legten.\nMan stellt denHEKiNGschenEallversuchbekanntlich folgender-mafsen an: Durch einen weiten Cylinder aus Pappe von wenigen Zoll L\u00e4nge blickt man mit beiden Augen auf einen vorgehaltenen Punkt (eine Nadelspitze oder sonst ein isoliertes Objekt), w\u00e4hrend ein Greh\u00fclfe kleine K\u00fcgelchen dicht vor oder hinter dem fixierten Punkte herunterfallen l\u00e4fst. Man wird sich dann nie dar\u00fcber t\u00e4uschen, ob die K\u00fcgelchen diesseits oder jenseits des fixierten Punktes gefallen sind, sondern wird sogar im st\u00e4nde sein ann\u00e4hernd anzugeben, in welchem Abstande vom Eixationspunkte sie herabgefallen sind. Bei Verschlufs eines Auges oder bei fehlendem binokularem Sehakt wird man dagegen hierzu nicht im st\u00e4nde sein. Als Fixationspunkt w\u00e4hlt man gew\u00f6hnlich eine weifse Perle, die vor der Papp-\n1 Siehe Schweigger : Lehrbuch der Augenheilkunde. 5. Aufl. S. 138 u. f. 8 E. Hering : Die Gesetze der binokularen Tiefenwahrnehmung. Archiv f. Anat. u. Physiol., Jahrg. 1865.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n23\nr\u00f6hre in einer Entfernung von ca. 50 cm vom Auge zwischen Dr\u00e4hten an einem von oben nach unten verlaufenden Faden vor einem schwarzen Hintergrund angebracht ist.\nGegen die Exaktheit des HERiNGschen Fallversuches wurden von Donders und seinen Sch\u00fclern folgende Einw\u00e4nde erhoben:1\n1.\tWenn die Kugel nicht dicht vor dem Auge niederf\u00e4llt, so mufs sie aus einer ansehnlichen H\u00f6he fallen, um w\u00e4hrend des Falles jede Bewegung der Augen sicher auszuschliefsen.\n2.\tDie scheinbare Schnelligkeit des Falles, die mit der Verminderung der Entfernung vom Auge zunimmt, d\u00fcrfte eine Andeutung geben.\n3.\tFixiert man einen Punkt, so bekommt man von anderen vor oder dahinter liegenden Punkten Doppelbilder, und zwar von den davorliegenden Punkten gekreuzte, von den dahinterliegenden gleichnamige. Das fallende K\u00fcgelchen erscheint also in jedem Falle doppelt, und zwar als doppelte senkrechte Linie, jedoch mit dem Unterschiede, dafs diese Linien, vor dem Fixierpunkte gelegen, nach oben zu divergieren scheinen, hinter dem Fixierpunkte gelegen, nach oben zu konvergieren scheinen. Auch aus dieser Thatsache soll sich ein Anhaltspunkt f\u00fcr das Urteil ergeben.\nIn der That fand Dess\u00ea durch eine grofse Reihe von Versuchen, welche im \u00dcONDERSschen Institut angestellt wurden, dafs beim Sehen mit nur Einem Auge im HERiNGschen Apparate die falschen Angaben sich zu den richtigen verhielten, wie 2 : 3, nicht wie nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu verlangen ist, wie 2 : 2.\nUm den nicht fixierten Punkt dem Beobachter nur momentan zu zeigen und eine Bewegung der Augenmuskeln also nach M\u00f6glichkeit auszuschliefsen, liefs Donders deshalb im dunklen Raume eine Linie fixieren, welche durch schnell nacheinander zwischen zwei Kupferdr\u00e4hten \u00fcberspringende Induktionsf\u00fcnkchen gebildet wurden. Vor und hinter dieser Fixationslinie sprangen von Zeit zu Zeit Funken \u00fcber, deren Abstand vom Fixierpunkte (vor oder hinter demselben) angegeben werden mufste.2\n1\tVan der Meulen: Stereoskopie bei unvollkommenem Sehen, v. Graefes Archiv, Bd. XIX (1).\n2\tDonders: Archiv f. Ophthalm., Bd. XYII und Ibid., Bd. XIII.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nRichard Greeff.\nHering1 suchte die Ein w\u00e4nde von Donders gegen den Fallversuch zu widerlegen und betonte, dafs dieselben praktisch jedenfalls nicht in Betracht k\u00e4men.\nFufsend auf den Einw\u00e4nden von Donders wurde jedoch von van der Me\u00fclen ein verbesserter HERiNGscher Fallapparat2 konstruiert, ein ziemlich kompliziertes Instrument, welches nach folgenden Grunds\u00e4tzen gebaut ist: 1. Die Zeit, w\u00e4hrend welcher die K\u00fcgelchen im Gesichtsfeld sind, soll so kurz sein,, dafs Augenbewegungen ausgeschlossen sind; 2. die K\u00fcgelchen sollen aus einer solchen H\u00f6he fallen, dafs sie die verschiedenen H\u00f6hen-Dimensionen des Gesichtsfeldes bei verschiedenen Entfernungen vom Auge in derselben Weise durchlaufen; 3. der Winkel, unter dem die K\u00fcgelchen gesehen werden, soll f\u00fcr alle derselbe sein.\nDie erste Bedingung wird dadurch erf\u00fcllt, dafs die Augen durch ein kleines K\u00e4stchen sehen, in dem das Gesichtsfeld durch eine horizontale und vertikale Spalte sehr eingeschr\u00e4nkt wird. Um die zweite Bedingung zu erf\u00fcllen, ist \u00fcber dem Apparat eine Kurve angebracht, welche durch Striche die H\u00f6he anzeigt, in der die K\u00fcgelchen in den verschiedenen Entfernungen fallen m\u00fcssen, um in derselben Weise das Gesichtsfeld zu durchlaufen. Der dritten Forderung wird dadurch gen\u00fcgt, dafs neun verschieden grolse K\u00fcgelchen vorhanden sind, welche von Teilstrichen der oben befindlichen Kurve herabfallen und deren Gr\u00f6fse der Entfernung entsprechend zu w\u00e4hlen ist.\nDieser wissenschaftlich sehr exakte Apparat hat gegen\u00fcber dem einfachen zum Unterricht und zur Untersuchung leicht herzustellenden HERiNGschen den Fehler, zu kompliziert zu sein; ferner ist man blofs in kleinen Strecken vor dem Auge im st\u00e4nde, den Versuch anzustellen. So hat sich der Apparat van der Meulens auch nicht einzub\u00fcrgern vermocht.\nDie Einw\u00e4nde Donders\u2019 sind theoretisch sicher richtig, es fragt sich nur, ob bei der praktischen Ausf\u00fchrung dieselben eine nennenswerte Bedeutung haben, was ja schon von Hering geleugnet wurde.\nSicher reduzieren wir die Fehler auf ein Minimum oder bringen sie thats\u00e4chlich zum Verschwinden, wenn wir die\n1\tE. Hering: Archiv f. Ophthalm., Bd. XIV, 1.\n2\tvan der Me\u00fclen: Graefes Archiv, Bd. XIX, 1.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n25\nfallenden Kugeln einfach dadurch dem Beobachter m\u00f6glichst kurze Zeit erscheinen lassen, dafs wir den Gesichtswinkel, unter welchem dieselben sichtbar sind, m\u00f6glichst klein nehmen, und es zeigt die praktische Ausf\u00fchrung, dafs derselbe recht klein sein kann.\nFerner war es zu meinen Untersuchungen notwendig, den Apparat so einzurichten, dafs er in jeder, auch weiten Entfernung vor den Augen benutzt werden kann, und schliefslich, dafs man die Entfernung, welche die fallenden Kugeln von dem Fixierpunkt haben, nicht vernachl\u00e4ssigt, sondern genau zu bestimmen im st\u00e4nde ist.\nUnter diesen Gesichtspunkten und in der Absicht, den Apparat m\u00f6glichst einfach zu lassen, gestaltete sich im Laufe der Untersuchungen der Apparat folgendermafsen :\nFig. 1.\n^i\nDer Beobachter sieht durch die gew\u00f6hnliche Pappr\u00f6hre (P) von etwa 30 cm L\u00e4nge, welche hinten eine \u00d6ffnung von etwa 20 cm im Durchmesser hat, so dafs das ganze Gesicht hineingeht und welche nach vorne behufs Verkleinerung des Gesichtsfeldes enger wird. Das Innere der R\u00f6hre ist schwarz. Der Zweck dieser R\u00f6hre ist nur, st\u00f6rende Bilder oder Licht von den Augen abzuhalten; sie kann oft, besonders bei weiten Entfernungen, unbeschadet fortgelassen werden. Die R\u00f6hre besitzt unten ein Stativ und steht auf einem langen schwarzen Brett (P), auf dem weiter vorne als Fixierpunkt (F) in gleicher H\u00f6he eine kleine weifse Perle oder nach Bed\u00fcrfnis eine etwas gr\u00f6fsere Gipskugel sich befindet, die auf der Spitze eines m\u00f6glichst feinen schwarzen Drahtes befestigt ist. Dieser Punkt steht in einem etwa 60 cm langen und 20 cm breiten Kasten (bb)","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nBichard Greeff.\nvon geringer H\u00f6he, dessen Boden mit einem dicken schwarzen Tuch bedeckt ist, welches die fallenden Kugeln aufhalten soll. \u00dcber dem Kasten baut sich ein Ger\u00fcst von 30 cm H\u00f6he auf, dessen Decke (aa) aus einer Pappscheibe besteht, in welche genau im Abstand von je 2 cm runde L\u00f6cher von Vs cm im Durchmesser geschlagen sind. Durch diese L\u00f6cher werden die K\u00fcgelchen fallen gelassen, und man ist so im st\u00e4nde, genau anzugeben, um wie viel vor oder hinter dem Fixierpunkt die K\u00fcgelchen fielen. Um den Gesichtswinkel, unter dem die fallenden Kugeln erscheinen, berechnen und beliebig vergr\u00f6fsern oder verkleinern zu k\u00f6nnen, sind vor dem Kasten zwei schwarze Pappscheiben (c und cr) so angebracht, dafs sie, in Schrauben eingeklemmt, an einem seitlich befindlichen St\u00e4nder bequem nach oben und unten verschoben werden k\u00f6nnen. Endlich ist seitlich imd \u00fcber dem Kasten noch eine Pappwand (d) anzubringen, welche den Zweck hat, die Bewegungen des Geh\u00fclfen dem Beobachter zu verdecken. In beliebiger Entfernung hinter dem Apparat mufs ein schwarzer Hintergrund sich befinden (e).\nMan wird leicht im st\u00e4nde sein, sich diesen Apparat selbst herzustellen.\nAls Lichtquelle wurde meist eine seitlich vom Apparat neben dem Fixierpunkt befindliche Gasflamme benutzt, zur Kontrolle wurde auch Tageslicht und das LiNNEMANNsche Zirkonlicht angewendet.\nDafs dieser Apparat den gestellten Anforderungen gen\u00fcgt, soll ein Beispiel klarlegen : Der Fixationspunkt (eine kleine weifse Perle) befinde sich in 1 m Entfernung von den Augen und 5 cm davor der durch die beiden verschiebbaren Platten gebildete Spalt. Es bedarf alsdann keiner zu grofsen Aufmerksamkeit, um die fallende Kugel deutlich zu sehen, wenn der Spalt 3 cm breit eingestellt wird. Der Fixationspunkt steht in der Mitte zwischen zwei L\u00f6chern, in der Decke des Ger\u00fcstes, und die K\u00fcgelchen fallen in der ersten Reihe der L\u00f6cher vor oder hinter dem Fixationspunkt, also je 1 cm von diesem entfernt, herab.\nDie Entfernung (a) des Spaltes von dem Auge betr\u00e4gt also 95 cm, die Breite (AB == d) des Spaltes 3 cm, die Entfernung (b) des Weges (CD = x) der vorne fallenden Kugel vom Spalt betr\u00e4gt 4 cm, die Entfernung (b -f- c) des Weges (EF = y) der hinten fallenden Kugel vom Spalt 6 cm.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n27\nFig. 2.\nEs verh\u00e4lt sich nun x : a + b \u2014 d : a\n, a + b \u201e95 + 4\nalso ist x = a.--= o . \u2014tte\u2014\na\t9\u00f4\n\u25a0-Weg der vorne fallenden Kugel. Ebenso verh\u00e4lt sich y :aJrb-\\-c = d: a\nx \u2014 3,126 cm \u25a0\nalso ist y = d\n\u00fc + b + c\n3.\n95 + 6\na\t95\ny \u2014 3,189 cm = Weg der hinten fallenden Kugel.\nEs d\u00fcrfte hieraus ersichtlich sein, dafs der Unterschied in der L\u00e4nge der Wege der vorne und hinten fallenden Kugel, der also nur 0,063 mm ausmacht, unm\u00f6glich beschuldigt werden kann, einen Anhaltspunkt f\u00fcr die Beurteilung der Tiefen-Dimension abzugeben.\nWas die Zeit betrifft, in der die beiden Kugeln dem Auge sichtbar werden, so kann man dieselbe, mit Vernachl\u00e4ssigung einer kleinen Ungenauigkeit, schon so bestimmen, dafs man die Fallgeschwindigkeit auf der Mitte des Weges nach der Formel:\nv\u2014 V 2 g s\nberechnet und hierdurch den Weg der fallenden Kugeln (^resp.y) dividiert.\nTheoretisch genauer ist folgendes Verfahren: Man berechnet die Zeit bis zum Sichtbarwerden der Kugel und die Zeit bis zum Verschwinden derselben und substrahiert erstere von letzterer.\naaa ist die Decke des Kastens, von der die Kugeln fallen.\nDie Kugeln fallen bis zur H\u00f6he des Fixierpunktes (F) 15 cm herab.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nBichard Greeff.\nAlso betr\u00e4gt:\nab' =15 \u2014 lx ac' = 15 + I x cd>\" = 15 \u2014 ly m\" = 15 + l y\nDiese Werte als s in die Formel\nt=K*\nr 9\neingesetzt, ergeben: f\u00fcr aV, \u00ab = 0,1720 Sek., f\u00fcr ac\u2018, \u00ab = 0,1910 Sek.; also ist die Zeit, in der b'c' durchfallen wird, gleich 0,0190 Sek. = Sichtbarsein der vorne fallenden Kugel; ferner f\u00fcr ab\", \u00ab = 0,1718 Sek., f\u00fcr ac\u201c, \u00ab = 0,1912 Sek., also wird b\u201c c\u201c durchfallen in 0,0194 Sek. = Sichtbarsein der hinten fallenden Kugel.\nDie Zunahme in der Zeit, in der eine hinten fallende Kugel sichtbar bleibt, ist also eine verschwindend kleine und kann selbst bei gr\u00f6fseren Abst\u00e4nden unm\u00f6glich einen Anhaltspunkt gew\u00e4hren.\nAuch ist bei einem Sehen in einer Zeit von noch nicht 2/i0'> Sekunde eine Augenbewegung und eine Accommodation ausgeschlossen.\n\u00a7 2. Tiefenwahrnehmung bei parallel gestellten und divergierenden Sehaxen.\nWenn man der Ansicht ist, dafs die Konvergenz der Sehaxen wesentlich zur Tiefenwahrnehmung beitr\u00e4gt, so mufs sich finden, dafs entweder bei k\u00fcnstlich parallel gestellten Sehaxen oder in einer solchen Entfernung, dafs die einfallenden Strahlen als parallel betrachtet werden d\u00fcrfen, der HE\u00dfix\u00f6sche Versuch nicht mehr m\u00f6glich ist oder doch wesentlich ung\u00fcnstiger ausf\u00e4llt.\nSetzt man vor ein Auge ein Prisma mit der Basis nach innen, so erh\u00e4lt man von einem in der N\u00e4he fixierten Punkte gleichnamige Doppelbilder, welche (vorausgesetzt, dafs das Prisma nicht zu stark ist) durch Divergieren des Auges \u00fcberwunden werden. Damit nun das Auge bei Fixation des Punktes so weit divergiere, dafs die Sehaxen parallel gestellt sind, mufs ich entweder nach der Entfernung, in welcher der Punkt sich befinden soll, genau die St\u00e4rke des Prisma w\u00e4hlen oder, was sich mehr empfiehlt, den Ablenkungswinkel der vorhandenen","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n29\nPrismen bestimmen und danach f\u00fcr jedes Prisma die Entfernung berechnen, in welcher sich der Fixationspunkt bei parallelen Sehaxen befinden mufs.\nFig. 4.\n0 und O' sind die beiden Augen. p = Pupillardistanz.\nF \u2014 Fixationspunkt.\nF = Entfernung, in welcher der Punkt bei parallel gestellten Axen sich befindet.\n\u00ab' = \u00ab = Ablenkungswinkel des Prismas.\nIch erhalte somit :\nE\nP\ntg \u00ab\nMan darf sich bei diesen Versuchen nicht mit der Bezeichnung der Prismen nach Graden begn\u00fcgen und die H\u00e4lfte als Ablenkungswinkel rechnen, wie dies f\u00fcr die augen\u00e4rztliche Praxis wohl gen\u00fcgt, sondern mufs genau den Ablenkungswinkel bestimmen. Nach Professor K\u00f6nig empfiehlt sich hierzu, falls man kein Goniometer mit Teilkreis zur Verf\u00fcgung hat, folgendes Verfahren : Man sieht durch ein Fernrohr mit Fadenkreuz nach einem horizontalen Mafsstab und stellt den vertikalen Faden genau auf einen bestimmten Teilstrich des Mafsstabes ein, den horizontalen Faden so ein, dafs er parallel der Kante des Mafsstabes l\u00e4uft. Bringt man nun ein Prisma vor das Fernrohr, so steht der vertikale Faden nicht mehr auf dem vorher notierten Teilstrich, sondern ist entsprechend dem Grad des Prismas um eine Anzahl Striche weiterger\u00fcckt. Bekanntlich ist aber die Ablenkung eines Prismas verschieden grofs, je nach der Stellung desselben zu seiner vertikalen Axe. Um den Winkel der minimalen Ablenkung zu erhalten, dreht man das Prisma vor dem Fernrohr um die vertikale Axe und beobachtet am Centimetermafs, dafs das Fadenkreuz entsprechend verschoben wird. Sobald nun durch diese Drehung die Stellung in der minimalen Ablenkung vorhanden sein wird, mufs bei weiterem Drehen das Fadenkreuz nach der entgegengesetzten Sichtung wandern. Man notiert also die Zahl am Centimetermafs, bei welcher diese Wendung des Fadenkreuzes auftritt.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nRichard Greeff.\nDer horizontale Faden mufs mit einer Kante oder einem L\u00e4ngsstrich des Mafsstabes zusammenfallen, und das Prisma mufs so gedacht werden, dafs trotz der seitlichen Verschiebung dieses Zusammenfallen bestehen bleibt. Dann steht die brechende Kante des Prismas genau vertikal, und man notiert sich durch zwei Punkte auf dem Prisma die horizontale Axe.\nFig. 5.\nMan erh\u00e4lt sodann den Ablenkungswinkel a des betreifenden Prismas nach der Formel:\n. V\ntg \u00df = ^\u2019 wo\nV = Ablenkung, welche der Faden auf dem Centi-metermafs durch das Prisma erleidet.\nE = Entfernung des Prismas von dem Centimeter-mafs.\nIn dem von mir benutzten Brillenkasten ergab sich nach dieser Methode der Ablenkungswinkel und die dazu geh\u00f6rige Entfernung, in der der Fixationspunkt bei parallelen Sehaxen sich befinden mufs, f\u00fcr die einzelnen Prismen folgendermafsen :\nF\u00fcr Prisma 3\nAblenkungswinkel 1\u00b0 29'\nFixationspunkt in 2,78 m\n55\n\u00bb\n\u00bb5\nn\n\u00bb\n55\n55\n>5\nn >7 ) 7 >7 55 55 55 55 55 55\n4\n5\n6\n7\n8\n9\n10\n12\n14\n16\n1\u00b0 56' 2\u00b0 34' 2\u00b0 50' 3\u00b0 40' 4\u00b0 19' 4\u00b0 50' 4\u00b0 59' 6\u00b0 40' 7\u00b0 26' 8\u00b0 20'\n\u201e 2,12 \u201e \u201e 1,60 \u201e \u201e 1,37 \u201e \u201e 1,12 \u201e \u201e 0,90 \u201e \u201e 0,80 \u201e \u201e 0,75 \u201e \u201e 0,56 \u201e \u201e 0,51 \u201e \u201e 0,46 \u201e\nDie Keihe ist unregelm\u00e4fsiger, als man erwarten sollte, und deshalb die Bestimmung des Ablenkungswinkels bei Prismen nicht \u00fcberfl\u00fcssig.\nDie Versuche wurden so angestellt, dafs vor das rechte Auge die Prismen mit der Basis nach innen gesetzt wurden und der Fixationspunkt mit dem oben beschriebenen Apparate in die daf\u00fcr berechnete Entfernung geschoben wurde. Als Fixation diente eine kleine weifse Perle und bei weiteren","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n31\nEntfernungen ein etwas gr\u00f6fseres Gipsk\u00fcgelchen. Bei den weiteren Entfernungen mufste auch der Abstand der fallenden Kugeln vom Fixationspunkt etwas gr\u00f6fser als 1 cm genommen werden (s. u.). Die \u00d6ffnung der Spalte im Apparate, die sich immer 5 cm vor dem Fixationspunkte befand, betrug stets 3 cm.\nAls Resultat ergab sich, dafs in jeder Entfernung ebenso richtig die Tiefenwahrnehmung gemacht wurde, wenn mit unbewaffneten Augen auf den Punkt konvergiert wurde, als wenn durch Prismen die Sehaxen parallel gestellt wurden. Die Sicherheit war in beiden F\u00e4llen vollkommen die gleiche. Durch eine grofse Anzahl Versuche ergab es sich, dafs man absolute Sicherheit im Bestimmen der Tiefe des Falles annehmen kann, wenn 2\u20143% Fehler gemacht werden, die durch momentane Unaufmerksamkeit, durch zeitliches Zusammentreffen von dem Fallen einer Kugel mit dem Lidschlag etc. entstehen k\u00f6nnen.\nEs wurden nun die Prismen vor dem rechten Auge verst\u00e4rkt, und das Resultat blieb ganz dasselbe, so lange die Prismen durch Divergieren der Augen \u00fcberwunden werden konnten.\nZ. B.: Dr. Greeff auf beiden Augen Emmetropie. Sehsch\u00e4rfe \u2014 6/6 Fixationspunkt in 1,12 m.\n\tAnzahl der\tRichtig\tFalsch\n\tKugeln\tangegeben\t\n1. Monokular\t\t50\t26\t24\n2. Binokular (frei) \t\t50\t49\t1\n3. Binokular mit || gestellten 8ehaxen:\t\t\t\nHechts Pr. 7\t\t50\t50\t\u2014\n4. Binokular mit divergenten Sehaxen:\t\t\t\nRechts Pr. 8\t\t20\t18\t2\n\u00bb 10\t\t20\t20\t\u2014\n.,12\t\t20\t17\t3\n\u201e\t\u201e14\t\t20\t8\t12\nBei Prisma 12 wurden die Doppelbilder nur mit M\u00fche und nach einiger Zeit vereinigt; bei Prisma 14 konnte keine, oder doch nur momentane Einigung erzielt werden.\nDasselbe Resultat fand sich bei jeder den einzelnen Prismen entsprechenden Entfernung : Die Tiefenwahrnehmung ist dieselbe bei konvergenten wie bei parallel gestellten und bei divergenten","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nRichard Greeff.\nAxen; bei letzteren, so lange sieb die entstehenden Doppelbilder noch vereinigen lassen. Bei mir konnte zu dem Prisma, welches bei Fixation der Kugel die Sehaxen parallel stellt, in jeder Entfernung noch bis Prisma 5 hinzugegeben werden.\nVan der Meulen machte mit seinem Apparate Prismenversuche in 575 mm Entfernung und fand bez\u00fcglich der divergenten Axen dasselbe. Er giebt ferner an, dafs, sobald die Doppelbilder sich nicht mehr vereinigen lassen, alle K\u00fcgelchen, auch diejenigen, welche vorne fallen, bedeutend hinter dem Fixationspunkt herabzufallen scheinen. Diese Thatsache war auch mir sehr auffallend. Umgekehrt ist bei Prismen mit der Basis nach aufsen, bei Doppelbildern der Eindruck vorhanden, als wenn alle K\u00fcgelchen vorne herabfielen, doch ist letztere Erscheinung nicht so deutlich, wie erstere.\nDie Erkl\u00e4rung d\u00fcrfte vielleicht diese sein:\ni'ig. 6. 9%\n\nF = Fixationspunkt.\nV = Vorne fallende Kugel.\nH = Hinten fallende Kugel. m = Macula lutea.\nE = Knotenpunkt des Auges.\nSehen wir mit freien Augen den Fixationspunkt an, so erzeugt die dahinter herabfallende Kugel (JET) ein gleichnamiges Doppelbild, d. h. die Bilder ihres Weges liegen auf den inneren Netzhauth\u00e4lften, und zwar auf symmetrischen Stellen.1 Wir sind also wohl auch umgekehrt gewohnt, Doppelbilder, welche auf die Netzhauth\u00e4lften nach innen von der Macula lutea fallen, auf eine Stelle zu beziehen, die hinter dem Punkte liegt, auf den die Macula lutea eingestellt ist.\n1 E. Hering: Arch. f. Anat. n. Physiol, s. o.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n33\nFig. 7.\nolli\t\u00a97?\to3\u00a3n\nSetzen wir nun vor unsere Augen Prismen mit der Basis nacli innen, welche uns den Fixationspunkt in gleichnamigen Doppelbildern erscheinen lassen (Fig. 7, F u. F1), so werden die Strahlen von einer davor fallenden Kugel nicht wie sonst auf die \u00e4ufseren Netzhauth\u00e4lften fallen, sondern bei st\u00e4rkeren Prismen \u00fcber die Macula lutea hin auf die innere Seite der Retina abgelenkt. Wir erhalten also anstatt gekreuzter Doppelbilder (Fig. 6, V u. V1) gleichnamige (Fig. 7, V u. V1) und lokalisieren diese gewohnheitsgem\u00e4fs nach hinten.\nDie hinten fallenden Kugeln liefern in diesem Falle nat\u00fcrlich ebenfalls gleichnamige Doppelbilder, nur dafs die Bilder weiter auseinanderger\u00fcckt erscheinen m\u00fcssen.\nEs scheinen daher alle Kugeln hinten zu fallen, und anfangs ist es unm\u00f6glich, richtig zu urteilen, um die vorne von den hinten fallenden zu trennen. Da aber theoretisch die Doppelbilder der vorne fallenden Kugeln viel enger zusammenliegen m\u00fcssen, als die der hinten fallenden, so lohnte es der M\u00fche, zu untersuchen, ob dieser Unterschied zum Bewufstsein kommen kann. In der That gelang es mir nach einiger \u00dcbung, obwohl noch alle Kugeln hinten zu fallen schienen, unter 100 F\u00e4llen etwa 75 mal richtig anzugeben, wie die Kugeln geworfen wurden.\nIch will noch angeben, dafs es mir nie gelungen ist, mir bei den Versuchen zum Bewufstsein zu bringen, dafs die fallenden Kugeln in Doppelbildern erscheinen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie III.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nBichard Greeff.\n\u00a7 3. In welcher Entfernung ist der Fallversuch noch m\u00f6glich?\nMan pflegt zur Pr\u00fcfung des binokularen Sehens den Fall-versuch so anzustellen, dafs das fixierte Objekt (eine weifse Perle) sich in 50 cm bis h\u00f6chstens 1 m Entfernung befindet. Auch Van derMeulen hat seine Versuche in 575 mm Entfernung gemacht. Ist nun, wie wir eben gesehen haben, der Fallversuch m\u00f6glich bei durch Prismen parallel und divergent gestellten Sehaxen, so ist es interessant, zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen und Gesetzen derselbe stattfindet in Entfernungen, bei denen Konvergenz der Sehaxen und Accommodationsbewegung nicht mehr vorhanden sein kann. Untersuchungen \u00fcber die Frage, in welcher Entfernung der \u00dcERiNGsche Fallversuch noch m\u00f6glich ist, liegen meines Wissens noch nicht vor.\nVersuch: Fixierpunkt in 60 cm; Spalte 5 cm davor; Breite des Spaltes 2 cm ; Gesichtsfeld, unter dem die fallende Kugel erscheint, dementsprechend 1\u00b0 56'.\nDr. G.\nbeiderseitig Emmetrop. 8 = 6/e.\nMonokular . ..........\nBinokular ............\nDr. K.\nbeiderseitig Emmetrop. S. = 6/a.\nMonokular.............\nBinokular ............\nStud. S.\nbeiders. Myop. (\u20143D.) S. =0/9\u2014e/6.\nMonokular.............\nBinokular ............\nMonokular\nBinokular\nAnzahl der Kugeln\t\tRichtig\tFalsch\nvorne fallend\thinten fallend\t\t\n50\t50\t52\t48\n50\t50\t98\t2\n25\t25\t22\t28\n25\t25\t50\t0\n25\t25\t24\t26\n25\t25\t49\t1\n\t\t98 =\t102 =\n200\t\t49%\t51%\n\t\t173 =\t3 =\n200\t\t98,5%\t1.5\u00b0/o|\nResultat: Bei monokularem Sehen scheinen alle fallenden Kugeln mit dem Fixierpunkt in einer Ebene zu liegen, man ist","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n35\nbei den Angaben auf reines Raten angewiesen; dementsprechend finden sich ca. 50% falsche Angaben vor. Sobald mit beiden Augen gesehen wird, ist das Gef\u00fchl der absoluten Sicherheit in der Sch\u00e4tzung der Tiefe vorhanden, und die Angaben sind immer richtig mit Ausnahme von etwa 172% Fehlern, die durch momentane Unaufmerksamkeit etc. (s. o.) verschuldet sein k\u00f6nnen.\nBei denselben Versuchsbedingungen ergab sich f\u00fcr weitere Entfernungen bei binokularem Sehen folgendes:\nFixierpunkt in 1\tm: 1,5%\tFehler\tim Durchschnitt\n)>\t)!\tU/s\t))\t1,0%\t\u201e\t\u201e\t\u201e\n\u00bb\tu 2\t\u201e\t3,0%\t\u201e\t\u201e\t\u201e\n\u00bb\t)i\t3\t\u201e\t6,0%\t\u201e\t\u201e\t\u201e\nEs nimmt also in 2 m Entfernung der Prozentsatz von Eehlern um ein Geringes, in 3 m um ein Bedeutendes zu. Der Grund hierf\u00fcr ist entweder der, dafs der Pallversuch in diesen Entfernungen \u00fcberhaupt schon nicht mehr exakt m\u00f6glich ist, oder nur, dafs er unter diesen Bedingungen nicht mehr m\u00f6glich ist. Drei Faktoren k\u00f6nnen in Betracht kommen, um den Versuch zu erleichtern: 1. Die Vergr\u00f6fserung des Gesichtsfeldes, in dem die fallenden Kugeln erscheinen ; 2, die Vergr\u00f6fserung des Fixierpunktes und der fallenden Kugeln; 3. die Vergr\u00f6fserung des Tiefenunterschiedes, d. h. der Entfernung, in der die fallenden Kugeln auf ihrem Weg sich von dem Fixierpunkt in der H\u00f6he der Blicklinie befinden.\nUm No. 1 regulieren zu k\u00f6nnen, ist der durch die zwei verschiebbaren Pappscheiben ver\u00e4nderliche Spalt vor dem Kasten angebracht; um No. 3 messen zu k\u00f6nnen, befinden sich in der Decke des Kastens \u00fcber dem Fixierpunkt die Reihen L\u00f6cher in Abst\u00e4nden von je 2 cm.\nDer Fixationspunkt wurde nun in 3 m Entfernung aufgestellt.\nDie Resultate bei Vergr\u00f6fserung des Gesichtsfeldes waren diese :\n\u00d6ffnung\tdes Spaltes 2\tcm :\n\u00bb\tv\t\u00bb\t6\tn\n\u201e\t\u00bb\t\u00bb\t^\t,,\n\u00bb\tj,\t\u201e\t10\t,,\n20 \u201e\n20 \u201e\nmonokular gesehen.\nhen)'\n6 % 8 % 5 % 5,5% 2,5%\n4,3%\nFehler im Durchschnitt\n\u00bb\t\u00bb\tn\n\u00bb\tn\n\u00bb\t\u00bb\t\u00ab\n\u00bb\t>7\t\u00bb\n\u00bb\t1?\t\u00bb\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nRichard Greeff.\nResultat: Durch die Yergr\u00f6fserung des Gesichtsfeldes werden anfangs keine besseren Resultate erzielt; erst nachdem die Spalte 20 cm breit eingestellt wird, ist der Prozentsatz-Fehler ann\u00e4hernd der gleiche, wie bei den Versuchen in geringerer Entfernung. Jedoch vermindert sich dann auch die Anzahl der Fehler bei monokularer Fixation, ein Beweis, dafs das bessere Resultat erzielt wird durch Nebenumst\u00e4nde, auf die Bonders als bei weitem Gesichtsfeld auftretend aufmerksam gemacht hat (s. o.), nicht durch vollkommeneres Binokularsehen.\nDurch weitere Versuche habe ich mich \u00fcberzeugt, dafs, ebensowenig wie die mit der Zunahme der Entfernung des Fixationspunktes ansteigende Vergr\u00f6fserung des Gesichtsfeldes, die genau bestimmte Gr\u00f6fse des Fixationspunktes und der fallenden Kugeln in Betracht kommt. Bei beidem hat man nur soviel zu ber\u00fccksichtigen, dafs die Aufmerksamkeit des Beobachters nicht \u00fcber die Mafsen angestrengt wird, und dafs die Kugeln bequem noch sichtbar sind. So habe ich den Gesichtswinkel von Versuch 1 immer beibehalten und bei gr\u00f6fseren Entfernungen Gipskugeln von Da\u20148A cm Durchmesser gew\u00e4hlt, die immer gut sichtbar waren. Gr\u00f6fsere Kugeln erwiesen sich nicht besser.\nUm den Einflufs von Punkt 3 zu pr\u00fcfen, stellte ich die fr\u00fcheren Versuchsbedingungen wieder her, nur fielen die Kugeln jetzt nicht 1 cm vor oder hinter dem Fixationspunkte nieder, sondern der Tiefenunterschied wurde allm\u00e4hlich vergr\u00f6fsert.\nEntfernung des Fixationspunktes 3 m, Breite des Spaltes 3 cm.\nTiefenunterschied 1 cm: 6 % Fehler im Durchschnitt.\n\u201e\t2\t\u201e 5,5%\t\t\u00bb\t\n\t3\t.. 4 %\t\t1'\tn\n\u201e\t5\t\u00bb 5 %\t\t11\t\u201e\nV\t6\t, 2 %\tr>\t,,\t\nV\t8\t\u201e 2,5%\t\u201e\t\u201e\t\u201e\nr\t10\t\u00bb 2,07o\tY)\tV\t\u00bb\nResultat: Mit der Zunahme des Tiefenunterschiedes nehmen die Fehler ab, bis der Unterschied 6 cm betr\u00e4gt. Dar\u00fcber hinaus werden keine besseren Resultate mehr erzielt. Es ist also jedenfalls bei Beurteilung der Tiefendimensionen die Gr\u00f6fse des Tiefenunterschiedes im Verh\u00e4ltnis zu der Ent-","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n37\nfernung vom Auge von grofser Wichtigkeit, ein Umstand, welcher meines Wissens bisher noch nicht ber\u00fccksichtigt worden ist.\nUm dieses Verh\u00e4ltnis n\u00e4her bestimmen zu k\u00f6nnen, fuhr ich so fort, dafs ich mit jeder Zunahme der Entfernung den Tiefenunterschied durch die fallenden Kugeln allm\u00e4hlich ver-gr\u00f6fserte, bis ich den Abstand hatte, \u00fcber den hinaus keine Verbesserung des Resultates mehr erzielt werden konnte.\nVersuch in 6 Meter:\nTiefenuntersehied\tAnzahl der Kugeln\tRichtig\tFalsch\n(5 cm\t25\t22\t3\n8 ,\t50\t45\t5\n10 \u201e\t50\t48\t2\n12 \u201e\t50\t48\t2\n15 \u201e\t50\t48\t2\n6 \u201e\t25\t21\t4\n8 \u201e\t25\t21\t4\n10 \u201e\t25\t22\t3\n12 \u201e\t25\t24\t1\n16 \u201e\t25\t23\t2\nDas Verh\u00e4ltnis des Tiefenunterschiedes zur Entfernung vom Auge betr\u00e4gt also bei Dr. G. 10 : 600, bei Dr. K. 12 : 600.\nWir pflegen unsere Sehpr\u00fcfungen meist in einer Entfernung von 6 m anzustellen und betrachten die von dort kommenden Strahlen als parallel in unser Auge einfallend. Diese Sehpr\u00fcfungen werden monokular angestellt, es divergieren also die von einem in 6 m sich befindlichen Punkte kommenden Strahlen nur um die Weite der Pupille, wenn sie in ein Auge gelangen; bei binokularer Betrachtung divergieren dieselben um die Pupillendistanz und bilden einen Winkel, der bei 6 m Entfernung noch nicht vernachl\u00e4ssigt werden darf.\nDeshalb gen\u00fcgte mir auch hier die Entfernung von 6 m noch nicht, um die Augenaxen als parallel gestellt zu betrachten.\nF\u00fcr weitere Entfernungen ergaben sich durch oft ange-stellte Versuche folgende Resultate :","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nRichard Greeff.\nEntfernung\tTiefenunterschied |\tFehler\n8 m\t12 cm\t4 %\n10 \u201e\t20 \u201e\t4 \u00b0/o\n12 .,\t25 \u201e\t5 %\n15 \u201e\t30 \u201e\t6 %\n20 \u201e\tlO CO\t6,5%\nEs versteht sich von selbst, dafs immer wieder Kontroll-versuche monokular angestellt wurden, um etwa vorhandene Fehlerquellen zu entdecken. Ein solche Fehlerquelle bestand bei gr\u00f6fseren Tiefenunterschieden der fallenden Kugeln in der Beleuchtung. Steht nur eine Lampe seitlich vom Apparate, so wenden die weit vorne fallenden Kugeln dem Beschauer die beschattete, die weit hinten fallenden Kugeln die beleuchtete Seite zu, was nach l\u00e4ngerem Experimentieren dem Beschauer einen Anhaltspunkt zur richtigen Angabe geben kann, auch bei monokularer Betrachtung. Man mufs also entweder seitlich und etwas nach vorne zwei Lampen aufstellen oder aus etwas gr\u00f6fserer Entfernung einen helleren Lichtkegel einfallen lassen, z. B. Zirkonlicht. Man kann auch von hinten beleuchten, indem man als Hinterwand durchscheinendes Papier und die Kugeln davor schwarz w\u00e4hlt. K\u00fcnstliche Beleuchtung empfiehlt sich im allgemeinen wegen gr\u00f6fserer Lichtst\u00e4rke.\nWenn ich mich auch durch Versuche mit mir und einigen Kollegen berechtigt f\u00fchle, die Resultate als sicher zu betrachten, so mufs doch hervorgehoben werden, dafs in Entfernungen, wo Accommodation und Konvergenz nicht mehr unterst\u00fctzen, ein hoher Grad von Aufmerksamkeit erforderlich ist, um richtige Angaben zu machen, eine Aufmerksamkeit, die an allen Tagen nicht die gleiche ist und die manchem Patienten \u00fcberhaupt fehlt. Wir haben auch eine gr\u00f6fsere Anzahl Fehler zugeben m\u00fcssen. Immer aber war, auch in 20 m Entfernung, nach Verschlufs eines Auges sofort das Gef\u00fchl der v\u00f6lligen Unsicherheit und des Ratens bei den Angaben vorhanden und das Resultat dementsprechend bedeutend schlechter. Auch der Umstand, auf den Donders besonderes Gewicht legt, dafs die erste fallende Kugel richtig angegeben w\u00fcrde, fand seine Best\u00e4tigung.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n39\nDie Versuche berechtigen den Satz, dafs der \u00dcBRiNGsche Fallversuch noch m\u00f6glich ist in Entfernungen, bei denen Konvergenz der Sehaxen und Accommodation nicht mehr in Frage kommen, sobald die Kugeln deutlich sichtbar sind und der Tiefenunterschied zwischen der vorne und der hinten fallenden Kugel grofs genug ist im Verh\u00e4ltnis zu der Entfernung des Fixierpunktes vom Auge des Beobachters.\nDies Verh\u00e4ltnis ist offenbar ein ganz bestimmtes; wir fanden in\n1 m Entfernung 1 cm Tiefenunterschied als notwendig\n2 \u201e\t\u201e\t3 \u201e\n3\tn\t6 \u201e\n6 \u201e\t\u00bb\t10 \u201e\n10 \u201e\t\u00bb\t20 \u201e\n15 \u201e\t\u201e\tO CO\n20 \u201e\t\u00bb\t35 \u201e\n\u00bb\t\u00ab\t\u00ab\n**\tr>\t\u00bb\n\u00bb\t\u00bb\tn\nv\t>y\t\u00bb\nn\t\u00bb\t\u00bb\nw\t\u00bb\t\u00bb\nEtwas grob das Mittel genommen, erh\u00e4lt man das Verh\u00e4ltnis der Entfernung zum Tiefenunterschied wie 100 : 2.\nEs ist klar, dafs der Tiefenunterschied, welcher im Apparat bei den fallenden Kugeln f\u00fcr vollkommenes binokulares Sehen notwendig ist, genau entspricht einer Strecke auf der Netzhaut, um welche beiderseits die perspektivischen Netzhautbilder von der Macula lutea nach innen oder nach aufsen zu entfernt sein m\u00fcssen, damit richtige Tiefenwahrnehmung stattfindet.\nDiese Strecke l\u00e4fst sich berechnen:\nFig. 8.\nC und G\u2018\\ Macula lutea.\nPupillardistanz = 70 mm.\nF: Eixationspunkt, 10 m entfernt von C. A: Yorne fallende Kugel: 20 cm von F. K und K'-. Knotenpunkt des Auges.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nBichard Greeff.\nsin CF O = sin\nCO\nFC\n35\n10000\ny = 0\u00b0 12' 2\u201c\nGO\t35\nAC resp. AB 9800 d = 0\u00b0 12' 17\" a = \u00f4 \u2014 y = 0\u00b0 0' 15\"\n\u00df = a\ns = 90\u00b0 \u2014 d = 890 47' 43\" x : 15 = sin \u00df : sin e 15. sin \u00df\nX = ---;----\nsm s\nx = 0,00238 mm.\nEs m\u00fcssen also znr richtigen Tiefenwahrnehmung die perspektivischen Netzhautbilder um mindestens 0.002 bis 0.003 mm beiderseits von der eingestellten Macula lutea entfernt auf die Netzhaut fallen. Es ergab sich diese Strecke als mittlerer Wert f\u00fcr mein Auge. Sicher ist diese Strecke bei allen Menschen nicht genau dieselbe, sondern je nach der F\u00e4higkeit, zu beobachten und die Aufmerksamkeit anzustrengen, um ein Geringes kleiner oder gr\u00f6fser. Wie aus der Rechnung ersichtlich, spielt dabei auch die Gr\u00f6fse der Pupillardistanz eine wesentliche Rolle, doch ist bei den verschiedenen Menschen der Unterschied in der Gr\u00f6fse derselben nicht allzu betr\u00e4chtlich. Bei meinen Experimenten trat ferner der Umstand hervor, dafs durch \u00dcbung das Verh\u00e4ltnis der beiden oben angef\u00fchrten Faktoren sich g\u00fcnstiger gestaltet. Die \u00dcbung in der Beurteilung der uns umgebenden Dinge, besonders in der Sch\u00e4tzung der Tiefen-Dimensionen, f\u00fchrt sicher zu einer Feinheit der Empfindung hierin, die andere Individuen erstaunen machen kann. Wenn wir das scharfe Gesicht der Naturv\u00f6lker r\u00fchmen h\u00f6ren, so d\u00fcrfen wir dies wohl weniger so verstehen, dafs die Sehsch\u00e4rfe um ein Betr\u00e4chtliches erh\u00f6ht sei \u2014 es liegen dar\u00fcber auch dies best\u00e4tigende Untersuchungen vor \u2014 sondern so, dafs dieselben im Kampf ums Dasein gelernt haben, feinere Unterschiede in der Tiefenwahrnehmung zu machen.\nAuch f\u00fcr die Tierwelt trifft dies zu. Als diese Arbeit ziemlich beendet war, erschien im Druck der Aufsatz von","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n41\nProfessor Berlin: Vier Sch\u00e4tzung der Entfernungen bei Tieren.* Berlin bespricht die ebenso schnelle wie sichere Beurteilung der Entfernungen, welche er bei fliehenden Gemsen zu bewundern Gelegenheit hatte, und f\u00fchrt ferner an, dafs Beiter sich auf unbekanntem Terrain bei \u00dcberwindung eines Hindernisses blindlings dem Gaul zu \u00fcberlassen pflegen, die \u00dcberlegenheit des Pferdes in der Sch\u00e4tzung der Entfernung und des dazu geh\u00f6rigen Kraftmafses zur \u00dcberwindung des Hindernisses anerkennend. Diese Eigenschaft geht den Tieren verloren, sobald einseitige Erblindung eintritt, ein Beweis daf\u00fcr, dafs die \u00fcbrigen Vorz\u00fcge, welche ein Tierauge vor dem Auge des Menschen etwa besitzen k\u00f6nnte, zur\u00fccktreten gegen die im Kampf ums Dasein gewonnene virtuose Taxation der Tiefendimensionen durch binokulares stereoskopisches Sehen. Manche Tierarten unterst\u00fctzt dabei die oft sehr grofse Pupillardistanz.\nAus den oben angef\u00fchrten Untersuchungen geht also hervor, dafs die Vorz\u00fcge des Binokularsehens auch in grofsen Entfernungen noch zur Geltung kommen, dafs die weite \"Welt dem binokular Sehenden anders erscheint, als dem Ein\u00e4ugigen, nur nimmt die Feinheit der Tiefenwahrnehmung in ganz bestimmter Weise proportional der Entfernung vom Auge ab.\n\u00a7 4. Binokularsehen bei herabgesetzter Sehsch\u00e4rfe\neines Auges.\nVan Dooremaul und van der Meulen teilen Besultate mit, welche sie durch Experimentieren an sich selbst gewannen, indem sie sich vor ein Auge mattgeschliffene oder dunkelgef\u00e4rbte Gl\u00e4ser setzten.\nEs steht demgegen\u00fcber aus, diese bei k\u00fcnstlichem, unvollkommenem Sehen eines Auges gewonnenen Ergebnisse zu vergleichen resp. zu kontrollieren mit Untersuchungen an Patienten, deren eines Auge entweder durch Krankheiten im sp\u00e4teren Lebensalter einen Teil der Sehsch\u00e4rfe eingeb\u00fcfst hat, oder von Geburt an in seiner Leistungsf\u00e4higkeit gegen das andere Auge zur\u00fcckgeblieben ist. Uns interessieren hier besonders Tr\u00fcbungen der brechenden Medien eines Auges (Maculae corneae, Cataracta incipiens), Amblyopia congenita eines Auges und verschiedene optische Einstellung der beiden Augen (Anisometropie).\n1 Zeitschr. f. vergl. Augenheillc., Bd. VII, 1.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nBichard Greeff.\nWenn es richtig ist, was die beiden Autoren anf\u00fchren, dafs bei normalem Binokularsehen durch Gl\u00e4ser k\u00fcnstlich die Sehsch\u00e4rfe eines Auges um ein Bedeutendes herabgesetzt werden kann unbeschadet der Exaktheit der Tiefenwahrnehmung, so fragt es sich, ob auch trotz seit Jugend bestehender einseitiger Schwachsichtigkeit das Bin okular sehen erlernt werden kann und umgekehrt, ob es im sp\u00e4teren Alter, wenn bei fr\u00fcher beiderseits gutem Sehverm\u00f6gen die Sehsch\u00e4rfe eines Auges dauernd herabgesetzt wird, wieder verlernt wird.\nZun\u00e4chst wurden Plangl\u00e4ser fein mit Vaseline bestrichen und mit Lykopodium bepudert. Die durch dieselben noch vorhandene Sehsch\u00e4rfe wurde bestimmt durch Sehpr\u00fcfungen mit den ScHWEiGGE\u00dfschen Sehproben in 1 m Entfernung:\n\t\tEntfernung des Fixationspunktes\tAnzahl der fallenden Kugeln\tFehler\nRechtes Auge. Linkes Auge.\ts-=4\t1 m\t100\t2\n\t\tNB. Fixationspunkt und fallende Kugeln werden links gut gesehen.\t\t\n\t\t2 m\t100\t3\tI\n\t\t3 m\t100\t5 i\n\t\tNB. Fixationspunkt links eben noch sichtbar.\t\t\n\t\t4 m\t100\t18 i\n\t\tNB. Fixationspunkt nicht deutlich mehr sichtbar.\t\t\n\t\t5 m\t100\t39\nRechtes Auge.\t\u25a0~4-\t1 m\t100\t3\nLinkes Auge.\ts-=w\t2 m\t100\t20\nAls Resultat ergiebt sich, dafs die Sehsch\u00e4rfe eines binokular sehenden Isometropen k\u00fcnstlich auf einem Auge bis etwa\nauf ~24~ kis -gg- resp. -y^- auf 3 m herabgesetzt werden kann,\nohne dafs wesentlich das Binokularsehen leidet. Eine geringere","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n43\nSehsch\u00e4rfe wird ohne grofse Fehlerzahl nicht ertragen. Die Versuche wurden hei Kollegen wiederholt und ergaben hier ungef\u00e4hr dasselbe, bei den Einen um ein Geringes mehr, bei Anderen etwas weniger.\nVon nat\u00fcrlichen Krankheitsformen wurden 20 F\u00e4lle einseitiger Tr\u00fcbungen der brechenden Medien untersucht, und zwar zehn Kinder im Alter von 13\u201416 Jahren mit Maculae corneae, welche in den ersten Lebensjahren durch Blennorrhoea neonatorum oder Keratitis phlycthaenulosa erworben waren oder mit einseitiger Amblyopia congenita, und zehn Erwachsene, welche erst im vorger\u00fcckten Alter Maculae corneae oder Cataracta incipiens auf einem Auge erhalten hatten. Bei keinem Patienten bestand Strabismus. Es wurden zu diesen Versuchen besonders intelligente Patienten ausgew\u00e4hlt.\nNach Feststellung der Sehsch\u00e4rfe wurde in derselben Weise vorgegangen, wie bei dem letztangef\u00fchrten Versuch: Der Fixationspunkt wurde immer weiter abger\u00fcckt, bis die Fehlerzahl 5% \u00fcberstieg.\nEs ergab sich, dafs auch diejenigen Kinder, welche in den ersten Lebensjahren Tr\u00fcbungen eines Auges erworben hatten, Binokularsehen gelernt hatten, wofern das Auge noch eine\nSehsch\u00e4rfe von etwa \u2014L- bis\tbesafs. Die Sehsch\u00e4rfe \u2014~ bis\n\\Z\tlo\t\u00b14\nist als mittlerer Wert aus den erhaltenen Zahlen genommen;\nlo\nnat\u00fcrlich stellt sich dieselbe bei den einzelnen Menschen etwas gr\u00f6fser oder kleiner heraus, je nach Intelligenz und Aufmerksamkeit.\nEs m\u00f6ge gen\u00fcgen, ein Beispiel anzuf\u00fchren:\nHelene K., 15 Jahre. Beeiltes Auge. S. = 6/s alles normal. Linkes Auge. S. = Vis Maculae corneae, sonst normal.\nIntelligentes M\u00e4dchen. Die Mutter gieht an, dafs H. am dritten Tage nach der Geburt auf dem linken Auge eine mehrere Wochen anhaltende Eiterung gehabt (Blennorrhoea neonat.) und von da ab die Flecken auf dem Auge bekommen habe.\nFallversuch in 1 m 3% Fehler n\tn 2 \u201e 3%\t\u201e\n\u00bb\t\u201e 3 \u201e 19%\t\u201e\nDie Kugel wird in 3 m links nicht mehr recht gesehen. Es werden als Fixationspunkt und als fallende Kugeln gr\u00f6fsere Gipskugeln genommen, die links wieder sichtbar sind.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\n'Richard Greeff.\nFallversuch in 3 m 5%\n\u00bb\tn 4 \u201e\t6\u00b0/o\n\u201e\t\u201e 5 \u201e 37 \u00b0/o\n\u00dcber 5 m hinaus ist keine Spur yon stereoskopischem Sehen vorhanden.\nBinokularsehen ist also von der H. K. erlernt worden; obwohl, ehe sie binokularen Sehakt hatte, das Sehverm\u00f6gen eines Auges um ein ganz Bedeutendes herabgesetzt wurde.\nNach, allen Versuchen, auch bei Kranken, mufs es erstaunen, wie schwach nur ein Gegenstand dem einen der beiden Augen zu erscheinen braucht, ohne dafs ein stereoskopisches Sehen dadurch verloren geht.\nIch kann mich also dem anschliefsen, was van der Meulen schon nach Versuchen an gesunden Menschen vermutend aussprach, dafs, im Falle ein Auge normal ist, das andere aber an Tr\u00fcbungen leidet, es sich lohnt, die Sehsch\u00e4rfe desselben durch Gl\u00e4ser, durch Iridektomie oder auf andere Weise zu verbessern, und wenn es auch nur bis zu Via Sehsch\u00e4rfe ist, indem es feststeht, dafs dies gen\u00fcgt, f\u00fcr die N\u00e4he einen binokularen Sehakt zu erhalten. Vielleicht wird dieser auch im st\u00e4nde sein, ein Abweichen des sehschwachen Auges zu verh\u00fcten.\nWas das binokulare Sehen von Anisometropen betrifft, so habe ich Dem, was ich in meiner Arbeit: Zur Vergleichung der Accommodationsleistung beider Augen1 gesagt habe, kaum etwas hinzuzuf\u00fcgen. Anisometropen haben vollkommenes binokulares Sehen, wofern kein Strabismus vorhanden ist, ohne dafs damit die Annahme ungleicher Accommodation verbunden zu sein braucht, wie schon aus Dem hervorgeht, was sich bei den Untersuchungen mit einseitigen Tr\u00fcbungen brechender Medien ergeben hat.\nWir k\u00f6nnen unsere Resultate in den Satz zusammenfassen: Bei herabgesetzter Sehsch\u00e4rfe eines Auges ist binokulares Sehen vorhanden, so lange dem sehschwachen Auge der betreffende Gegenstand auch nur ganz schwach oder in grofsen Zerstreuungskreisen erscheint, einerlei, ob es sich um Tr\u00fcbungen in den brechenden Medien handelt oder um falsche, optische Einstellung des betreffenden Auges, und einerlei, ob die Sehschw\u00e4che von Geburt an besteht oder erst erworben wird, nachdem vollkommenes binokulares Sehen bestanden hat.\n1 \u00df. Greeff: Archiv f. Augenheilk. Bd. XXIII. S. 371 u. f.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n45\n\u00a7 5. Binokulares Sehen Schielender.\nEs w\u00fcrde den Rahmen und die Absicht dieser Arbeit \u00fcberschreiten, wenn ich hier auf die Anschauungen und Theorien eingehen wollte, die dar\u00fcber, wie und wie weit sich das schielende Auge am binokularen Sehen beteiligt, ein Streit, der sich haupts\u00e4chlich um die von Johannes M\u00fcller begr\u00fcndete Lehre von den identischen Netzhautpunkten dreht. Ich kann nur wiederholen, was schon \u00f6fters ausgesprochen ist, dafs ich keinen Schielenden vor der Operation ausfindig machen konnte, welcher den HERiNGschen Fallversuch bestanden h\u00e4tte. Van der Metjlen und Schweigger berichten ferner, dafs auch nach der Operation bei guter Stellung der Augen ein vollkommenes Binokularsehen sich nicht herstellte.\nUm diese Mitteilung nachzupr\u00fcfen, habe ich mich bem\u00fcht, einige F\u00e4lle von fr\u00fcherem Strabismus zu ermitteln, bei denen seit l\u00e4ngerer Zeit vollkommen gute Stellung der Augen post operationem vorhanden und beiderseits gutes Sehverm\u00f6gen vorhanden ist, obwohl wir aus Obigem wissen, dafs zum binokularen Sehakt gleiches Sehverm\u00f6gen beider Augen durchaus nicht erforderlich ist. Bei keinem Einzigen jedoch fand sich so vollkommenes Sehverm\u00f6gen, dafs die Tiefenangaben im Fallapparat richtig gemacht werden konnten.\nEin Beispiel m\u00f6ge gen\u00fcgen : H. D., 15 Jahre alt.\nXI. 1889.\nR. +0,75 D. S. S. E. S.\n6\n6 \u2019 6\n6 \u2019\nSchw. 0,3 in 35 \u2014 10 cm, Schw. 0,3 in 30 \u2014 8 cm.\nStrabismus convergens alternans praecipue oculi dextri. Ablenkung 8 mm. Kein Beweglichkeitsdefekt. Ophthalmoskopisch in Mydriasis bds. 1 D. H. R. Tenotomie des Muse. rect. int. und Vorn\u00e4hung des Muse. rect. extern.\nNach 14 Tagen: Ganz geringe Konvergenz noch vorhanden. Spontan keine Doppelbilder, mit rotem Glas und Prisma gekreuzte Doppelbilder nachweisbar. Soll in der Schule Brille + 1,0 D weiter tragen.\nDez. 90. Vollkommene richtige Einstellung beider Augen. Kein Doppelsehen nachweisbar.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nRichard Greeff.\nIm Apparat wird bds. die Kugel gut gesehen, und sie ver\u00e4ndert hei abwechselndem Verdecken eines Auges ihre Stellung nicht.\nFehleranzahl ca. 50%. Keines Raten; sieht binokular ebenso, wie monokular.\nDie beiderseitigen Eindr\u00fccke werden wahrgenommen, jedoch nicht zu dem Begriff des Binokularsehens verschmolzen.\nEs scheint, dafs dieses geistige Verschmelzen der Bilder nur in fr\u00fchester Jugend erlernt werden kann.\nDie Pr\u00fcfung des Vorhandenseins oder Fehlens eines binokularen Sehakts nach gegl\u00fcckter Strabotomie hat eine praktische Bedeutung f\u00fcr die Frage: Wann sollen wir bei schielenden Kindern die Operation vornehmen? Ergiebt es sich als richtig, dafs ein binokularer Sehakt sich hersteilen kann, so ist sicher dazu am meisten Aussicht, wenn man die Operation m\u00f6glichst fr\u00fch vornimmt; das Binokularsehen wird die Richtigstellung der Augen sehr bef\u00f6rdern. Finden wir aber bei keinem Schielenden nach der Operation binokulares Sehen, so ist das Verfahren derjenigen'* exakter, welche das Lesenlernen der Kinder abwarten, um ein Urteil \u00fcber die Sehkraft der Augen zu besitzen. Das letztere Prinzip, welches an der Berliner Universit\u00e4tsklinik eingehalten wird, w\u00fcrde also auch nach meinen Untersuchungen als das richtigere zu empfehlen sein. Bis heute konnte ich kein vern\u00fcnftiges Kind auftreiben, welches nach der Schieioperation binokulares Sehen in vollem Mafse bekommen h\u00e4tte.\nGraefe 1 giebt vier Punkte an, welche bei normaler Stellung beider Augen Einfachsehen als Produkt binokularer Zusammen Wirkung beider Augen erkennen l\u00e4fst:\n1.\tDas Auffassen der Sammelfigur im Stereoskop.\n2.\tDer Nachweis der Anwesenheit physiologischer Doppelbilder.\n3.\tDie richtige Sch\u00e4tzung der Tiefendistanzen (Nachweis durch den HERiN\u00f6schen Fallversuch).\n4.\tDas Auftreten von Doppelbildern bei Anwendung von Prismen oder der dieselben verschmelzenden Augenbewegungen.\nDer Umstand gerade, dafs die Proben 1, 2 und 4 von Schielenden nach gegl\u00fcckter Operation meist bestanden werden*\n1 Gr\u00e4fe-Semisch. Handbuch der Augenheilkunde, Bd. VI, S. 173,","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen.\n47\nalso das Vorhandensein eines binokularen Sehakts zu beweisen scheinen, Probe 3 aber immer negativ ausf\u00e4llt, also das Fehlen vollkommenen binokularen Sehens darthut, zeigt uns, dafs der HERiN\u00dfsohe Fallversuch die h\u00f6chsten Auforderungen an das Binokularsehen stellt, das feinste Reagens auf das Vorhandensein desselben ausmacht. Probe 1, 2 und 4 zeigen, dafs binokulare Sammelbilder entstehen k\u00f6nnen, Probe 3, der Fallversuch, zeigt, ob dieselben geistig zu einem normalen Binokularsehen mit Wahrnehmung der Tiefendimensionen verschmolzen werden.\nEs dr\u00e4ngt mich schliefslich noch, meinem Lehrer, Herrn Geheimrat Schweigger, f\u00fcr die Anregung zu dieser Arbeit und Herrn Professor Dr. A. K\u00f6nig f\u00fcr die \u00dcberlassung der n\u00f6tigen Apparate in seinem Laboratorium, sowie f\u00fcr die mannigfachen Ratschl\u00e4ge zur F\u00f6rderung meiner Arbeit meinen besten Dank auszusprechen.","page":47}],"identifier":"lit14644","issued":"1892","language":"de","pages":"21-47","startpages":"21","title":"Untersuchungen \u00fcber binokulares Sehen mit Anwendung des Heringschen Fallversuchs","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:08.080276+00:00"}