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{"created":"2022-01-31T17:02:29.528942+00:00","id":"lit14653","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wlassak, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 61-64","fulltext":[{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n61\nalle neueren Fortschritte der Hirnanatomie. Diesen neuesten Vortr\u00e4gen M.\u2019s gegen\u00fcber d\u00fcrfte ein \u00e4hnliches Urteil am Platze sein. Einzelne Einw\u00e4nde gegen einzelne Glieder der neuen grofsartigen Konstruktion des Verfassers erscheinen daher ganz zwecklos, und erlaubt sich Referent nur den einen Hinweis, dafs die Hirnrinde, als deren \u201eLeistung\u201c M. so gerne die \u00e4ufsere Welt und das Ich hinstellt, doch selbst zu dieser \u00e4ufseren Welt geh\u00f6rt und uns auch nur aus Gesichtsempfindungen bekannt ist; eine eingehendere Kritik \u2014 namentlich des philosophischen Teiles der MEYNBRTSchen Anschauungen \u2014 h\u00e4tte hier einzusetzen.\nZiehen (Jena).\nH. Munk. \u00dcber die Funktionen der Grofshirnrinde. Gesammelte Mitteilungen mit Anmerkungen. Zweite vermehrte Auflage. Berlin, Hirschwald, 1890.\nDas vorliegende Buch enth\u00e4lt die im Jahre 1880 erschienenen Mitteilungen, vermehrt um neun weitere. Wenn auch der Inhalt der ersten Auflage im allgemeinen als bekannt vorausgesetzt werden mufs, so m\u00f6ge doch, um eine W\u00fcrdigung des neu hinzugekommenen zu erm\u00f6glichen, eine Skizze des Standpunkts, den Munk in der ersten Auflage einnahm, vorausgeschickt werden.\nF\u00fcr Munk war, als er an die Untersuchung der Grofshirnrinde ging, die Lokalisation der Funktionen ein physiologisches Postulat. Er vermochte nicht zu glauben: \u201edafs, wo in den niederen Centralorganen die gr\u00f6fste Ordnung herrsche, in den oberen alle F\u00e4den bunt durchein-andergew\u00fcrfelt seien\u201c. Seine ersten Versuche f\u00fchrten ihn zu der Aufstellung zweier grofser, funktionell differenter Bezirke auf der Grofshirnrinde. Eine Linie senkrecht vom Ende der Fissura Sylvii gegen die Falx gezogen, scheidet den vorderen Abschnitt, dessen Verst\u00fcmmelung Bewegungsst\u00f6rungen zur Folge hat, von einer hinteren, \u201esensoriellen Sph\u00e4re\u201c. Im n\u00e4heren charakterisieren sich die St\u00f6rungen nach teil weiser Abtragung dieser letzteren dahin, dafs beispielsweise die Wegnahme eines St\u00fccks der Sehsph\u00e4re, die am Hinterhauptslappen liegt, \u201eSeelenblindheit\u201c, ihre totale Zerst\u00f6rung \u201eRindenblindheit\u201c, d. h. v\u00f6llige Blindheit erzeugt. Die Seelenblindheit wird definiert als \u201edas Fehlen der Gesichtsvorstellungen, der Erinnerungsbilder der Gesichtswahrnehmungen\u201c. Diese St\u00f6rung ist aber keine dauernde, da die \u00fcbriggebliebenen Teile der Sehsph\u00e4re mit neuen Erinnerungsbildern besetzt werden k\u00f6nnen; das Tier lernt nun sehen, wie in fr\u00fchester Jugend. Der Bezirk, dessen Abtragung Seelenblindheit erzeugt, ist in der Mitte der Sehsph\u00e4re gelegen, und es kann gelingen bei unvollkommenen Exstirpationen, einzelne Erinnerungsbilder zu erhalten, so in einem Falle das des Eimers, aus dem der Hund zu trinken gewohnt war. Die ganze Sehsph\u00e4re stellt sich Munk als eine Projektion der Retina auf die Hirnrinde vor. Beim Hund entspricht der lateralste Abschnitt der Netzhaut dem lateralsten Abschnitt der gleichseitigen Sehsph\u00e4re, die Macula lutea dem Centrum der gegenseitigen, der mediale Teil der Retina der medialen Partie ebenfalls der gegenseitigen Sehsph\u00e4re. Die einfache Untersuchung -des Gesichtsfeldes des operierten Tieres f\u00fchrt zu diesem Resultat.\nDie Projektion der Macula lutea ist zugleich die Stelle, deren","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nLitteraturbericht.\nZerst\u00f6rung Seelenblindkeit erzeugt. Etwas anders liegen die Verh\u00e4ltnisse am Affengehirn. Hier entstellt nach einseitiger totaler Wegnahme der Sehsph\u00e4re Hemiopie.\nDie vorderen Partien des Grofshirns bezeichnet Munk als \u201eF\u00fchl-sph\u00e4re\u201c der zugeh\u00f6rigen K\u00f6rperteile: der Ausfall der Haut-, Muskel- und Innervationsgef\u00fchle ist es, der die Bewegungsst\u00f6rungen hervorruft, die nach Exstirpation dieser Gegend auftreten.\nDie neuen Abhandlungen besch\u00e4ftigen sich gr\u00f6fstenteils mit den Sinnessph\u00e4ren. Die 12.\u201416. Mitteilung bilden eine Reihe, die den Gesamttitel: \u201e\u00fcber die centralen Organe f\u00fcr das Sehen und H\u00f6ren bei den Wirbeltieren\u201c f\u00fchrt und deren Inhaltsangabe hier vor allem gegeben werden soll. Da Munk zu dem Resultat gekommen war, dafs der centrale Vorgang des Sehens und H\u00f6rens beim Hunde und Affen lediglich an die Grofshirnrinde gebunden ist, f\u00fcr die niedern Wirbeltiere aber anderweitige Angaben Vorlagen, so lag es nahe, auch diese letztem daraufhin zu untersuchen. Zun\u00e4chst den Erosch. Da ergaben die Versuche, die Blaschko in Munks Laboratorium ausf\u00fchrte, dafs der grofs-hirnlose Frosch in der That sieht, dafs er seine Bewegungen in Art, Richtung und Gr\u00f6fse nach den Hindernissen, die ihm in den Weg gestellt werden, einrichtet, und zwar auch dann, wenn die Verwertung schon vergangener Gesichtseindr\u00fccke n\u00f6tig ist. Ganz anders soll es mit der Taube stehen. Wenn dieser das Grofsliirn vollst\u00e4ndig entfernt ist, so ist sie total blind. Die Untersuchung des Gesichtsfeldes von Tauben, denen eine Grofshirnh\u00e4lfte weggenommen war, ergab, dafs die \u00e4ufserste laterale (hintere) Partie der Retina, der gleichseitigen, die ganze \u00fcbrige Retina der gegenseitigen Sehspli\u00e4re, die im hintersten Abschnitt des Grofshirns gelegen ist, zugeh\u00f6rt. Die Angaben anderer Experimentatoren, die grofshirnlose Tauben nicht blind fanden, f\u00fchrt Munk auf unvollkommene Exstirpation des Grofshirns zur\u00fcck.\nF\u00fcr das Kaninchen behauptet Munk gleichfalls, dafs Abtragung des Grofshirns totale Blindheit erzeuge. Derartig operierte Tiere kommen nach einer mehrst\u00fcndigen Periode der \u201eErsch\u00f6pfung\u201c, dann der \u201eRuhe\u201c^ in ein \u201eLaufstadium\u201c. Die beobachteten Bewegungen sieht Munk, vor allem in W\u00fcrdigung des Umstandes, dafs sie in einer bestimmten Zeit nach der Operation auftreten, als reflektorische an. Die Tiere rennen dabei an alle Hindernisse an, fallen vom Tisch, und wenn sie \u201eAnh\u00f6hen erklettern\u201c, so sei dies kein Beweis ihrer F\u00e4higkeit zu sehen, sie gelangten eben bei ihren \u201eZwangsbewegungen, in Form gewaltiger S\u00e4tze, nach oben\u201c, \u201eg\u00fcnstigen Falls auf h\u00f6here Objekte\u201c. Auch Kaninchen, denen bald nach der Geburt das hintere, obere Ende des Grofshirns fortgenommen wurde und die man aufwachsen liefs, erwiesen sich, entgegen den Angaben Guddens, als blind.\nEiner erneuten ausgedehnten Untersuchung wurde die Sehsph\u00e4re des Hundes unterworfen. Goltz hat behauptet, dafs Hunde mit verst\u00fcmmelten Hinterhauptslappen nicht blind seien, sondern nur eine allgemeine Wahrnehmungsschw\u00e4che aufweisen, und hat einige Versuche angegeben, die dies beweisen sollten. Er giebt an, dafs ein derartiges Tier eine hellbeleuchtete oder mit weifsem Papier belegte Stelle des.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Li tier a turberich t.\n63\nFufsbodens wie ein Hindernis umgehe. Dagegen behauptet Munk, dafs seine Hunde, denen die Sehsph\u00e4re beiderseitig, und nur diese, entfernt worden war, solche Stellen auch betraten, ferner, dafs rindenblinde Hunde die Verdeckung des Auges viel ruhiger ertrugen wie sehende, und endlich, dafs Tiere mit partiell zerst\u00f6rter Sehsph\u00e4re den Kopf stets so trugen, dafs die den funktionierenden centralen Stellen entsprechenden Netzhautteile von den Objekten getroffen wurden. Er kommt daher zu dem Schlufs, indem er \u201ejedem noch m\u00f6glichen Bedenken Rechnung tr\u00e4gt und die V\u00f6gel bei Seite l\u00e4fst\u201c: \u201eBeim S\u00e4ugetiere ist schon der Anfang alles Sehens, die Lichtempfindung, eine Funktion seines Grofshirns. F\u00fcr die Verschiedenartigkeit der centralen Elemente, die den specifischen Sinnesorganen zu gr\u00fcnde liegen, sei ein \u201eerster Nachweis\u201c geliefert.\u201c\nAuch \u00fcber die H\u00f6rsph\u00e4re werden neue Erfahrungen mitgeteilt. Sie ist repr\u00e4sentiert durch einen Bezirk, der in einem nach unten konvexen Bogen, die Fisstrra postsylvia, umgreift. Ihre Zerst\u00f6rung ergiebt v\u00f6llige Taubheit des Tieres, das aufserdem nach ungef\u00e4hr zwei Wochen stumm wird. Kombiniert man die Abtragung der H\u00f6rsph\u00e4re mit Zerst\u00f6rung des inneren Ohres derselben Seite, so ergiebt sich gleichfalls absolute Taubheit, woraus folgt, dafs die H\u00f6rsph\u00e4re dem gekreuzten Ohre zugeh\u00f6rt. Partielle Exstirpationen dieses Rindenteils f\u00fchren zu dem weiteren Resultat, dafs dessen hinterer Teil der Wahrnehmung der tiefen, der vordere, der hohen T\u00f6ne dient. \u201eDas gew\u00f6hnliche allt\u00e4gliche H\u00f6ren des Hundes\u201c ist, nach Munks Angaben, an die untere Partie der H\u00f6r-spli\u00e4re gekn\u00fcpft. Wir haben es hier also mit derselben Vorstellung zu thun, wie wir sie oben als Munks Anschauung f\u00fcr die Sehsph\u00e4re skizzierten: eine direkte Projektion der End-Elemente des Acusticus auf die Hirnrinde, und finden auch den Parallelsatz, dafs nur in der H\u00f6rsph\u00e4re die centralen Elemente gelegen seien, welche Schall empfinden, in denen Geh\u00f6rswahrnehmungen zu st\u00e4nde kommen.\nIm bisherigen erw\u00e4hnten wir nirgends der Intelligenzst\u00f6rungen, die nach Abtragung der Hirnrinde eintraten. Munk nimmt in dieser Frage den Standpunkt ein, dafs das, was man Intelligenzst\u00f6rungen zu nennen gewohnt ist, nur auf den Ausfall der betreffenden Sinneswahrnehmungen und Erinnerungsbilder zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Die Intelligenz ist f\u00fcr ihn der \u201eInbegriff und die Resultierende aller Sinnes Wahrnehmungen\u201c. Er widerspricht auf Grund seiner Versuche der verbreiteten Ansicht, dafs wir im Stirnhirn ein spezielles Organ der Intelligenz zu sehen haben. Das Stirnhirn ist nach seinen Ermittelungen die \u201eF\u00fchlsph\u00e4re\u201c (in dem oben angegebenen Sinn) der Rumpfmuskulatur. Zerst\u00f6rung dieser Partie ergiebt beim Hunde und Affen Bewegungsst\u00f6rungen, die besonders dann deutlich hervortreten, wenn das Tier kurz wendet. Werden einem Hunde beide Stirnlappen abgetragen, so vollziehen sich alle seine Drehungen zeigerartig im Becken. Beim Affen tritt zu \u00e4hnlichen St\u00f6rungen noch die Unf\u00e4higkeit hinzu, die R\u00fccken-Lendenwirbels\u00e4ule zu strecken und zu beugen. Versuche mit elektrischer Reizung des Stirnhirns best\u00e4tigen diese Auffassung.\nDie letzte Mitteilung behandelt die Sehsph\u00e4re und die Augen-","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nLi tier a turbericht.\nBewegungen. Sch\u00e4fer hat gefunden, dafs von der ganzen Sehsph\u00e4re aus beim Affen durch Induktionsstr\u00f6me assoziierte Augenbewegungen ausgel\u00f6st werden k\u00f6nnen. Munk f\u00fchrte diese Versuche beim Hunde aus und sieht in ihrem Ergebnis eine Best\u00e4tigung seiner Vorstellung von der Projektion der Retina auf der Hirnrinde. Die assoziierten Augenbewegungen traten auch auf, wenn die Stelle der \u201eE\u00fchlsph\u00e4re\u201c, deren Reizung Augenbewegungen erzeugt, von der Sehsph\u00e4re abgetrennt ist. Es sind also in der Sehsph\u00e4re selbst centrifugale Bahnen enthalten, sie ist ein Gebiet, in dem sich ein \u201eSehreflex niederster Ordnung\u201c abspielt, welcher \u201eLichtempfindungen zur Voraussetzung und Augenbewegungen zur Folge hat\u201c, welch letztere \u201eden Blick wenden und vorher undeutlich Gesehenes fixieren lassen\u201c.\tR. Wlassak (Z\u00fcrich).\nJ. Eekguson. The auditory centre. Journ. of Anat. and Physiol, XXV, January 1891. S. 292.\nDer leider nur sehr ungenau mitgeteilte Fall ist folgender: Ein schon seit acht Jahren infolge rechtsseitiger Otitis media auf dem rechten Ohr tauber Mann erkrankte an Krampfanf\u00e4llen der linken K\u00f6rperh\u00e4lfte, welche mit linksseitigen subjektiven Ger\u00e4uschen einsetzten. Allm\u00e4hlich stellte sich v\u00f6llige Taubheit des linken Ohres ein. Die subjektiven Ger\u00e4usche blieben trotzdem bestehen. Die Sektion ergab eine Geschwulst, welche die erste Schl\u00e4fenwindung v\u00f6llig, die zweite leicht zerst\u00f6rt hatte.\nZiehen (Jena).\nB. Levy. Die Regulierung der Blutbewegung im Gehirn. Virchows Archiv. Bd. CXXII (1890). S. 146\u2014200.\nIn Bd. II, Heft 3, S. 221 dieser Zeitschrift ist \u00fcber die Schrift von Geigel (W\u00fcrzburg) \u201ePie Mechanik der Blutversorgung des Gehirns\u201c berichtet worden. Von diesem Aufsatz geht Levy in seiner Arbeit aus (S. 146).\nWie bei Geigel bildet die Voraussetzung der Untersuchung der Gedanke, dafs (S. 158) \u201edie Gehirnmasse inkompressibel und in einer starrwandigen, unnachgiebigen H\u00f6hle eingeschlossen sei.\u201c\nS. 159: \u201eDie Erweiterung irgend einer Arterie hat daher Verengerung der Kapillaren und Venen zur Folge.\u201c\nObgleich Levy denselben Grundgedanken wie Geigel hat, kommt er doch zu dem abweichenden Resultat, dafs trotzdem unter gewissen Bedingungen Erweiterung der Arterie eine Vermehrung der Blutstr\u00f6mung, also Eudi\u00e4morrhysis zur Folge hat. Diese Bedingungen bestimmt L. in folgendem Satze:\nS. 161: \u201eEs werde eine beliebige Arterie vom Radius r (also Querschnitt^?-2) betrachtet. Die entsprechende Vene habe den Radius <?\u201e. Es ist gleichg\u00fcltig, ob man eine kleinste Arterie oder eine beliebige gr\u00f6fsere betrachtet, nur mufs man immer das ganze Gebiet der betreffenden Arterie im Auge behalten. Von der Arterie und ihren Seiten\u00e4sten f\u00fchren dann im ganzen n Kapillaren vom mittleren Radius q zu der Vene und zu ihren Seiten\u00e4sten. Sind dann die beiden Bedingungen erf\u00fcllt :","page":64}],"identifier":"lit14653","issued":"1892","language":"de","pages":"61-64","startpages":"61","title":"H. Munk: \u00dcber die Funktionen der Gro\u00dfhirnrinde, Gesammelte Mitteilungen mit Anmerkungen. Zweite vermehrte Auflage, Berlin, Hirschwald, 1890","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:29.528948+00:00"}