Open Access
{"created":"2022-01-31T17:02:24.801438+00:00","id":"lit14683","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schaefer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 76-77","fulltext":[{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nLitteraturbericht.\nunter Anwendung physikalischer und chemischer Reagenzien im Laboratorium derTuriner psychiatrischen Klinik an 14 Individuen stattfanden. Darunter sind 2 besonders bemerkenswerte und ausf\u00fchrlicher beschriebene F\u00e4lle, von denen der eine (Regis) einen 21 Jahre alten, verlumpten, hysterischen Burschen betraf, den die Lorbeeren Pickmanns nicht hatten schlafen lassen. Er besitzt indes weniger das Verm\u00f6gen, das, was seine Auftraggeber sich vorstellen, zu erraten, als das Verm\u00f6gen, Geschriebenes bei verschlossenen Augen und Ohren durch Couverts hindurch in der Feme zu lesen, gleichviel wer es geschrieben hat. Seine Sinne, auch das Tastgef\u00fchl, sind eher stumpf als \u00fcberreizt. Um sich f\u00fcr die Experimente, die ihn sehr ersch\u00f6pfen, geschickt zu machen, mufs er eine ziemliche Portion Rum zu sich nehmen, wie Pickmann Kaffee. Der zweite, ein 20 Jahre alter Schriftsetzer, hat Anf\u00e4lle von spontanem Somnambulismus, in denen er seine Arbeit, ohne im Satz zu irren, fortsetzt. In Hypnose versetzt, err\u00e4t er die vom Experimentator gedachten Zahlen; wachend zeichnet er bei verbundenen Augen die hinter seinem R\u00fccken auf eine Schiefertafel vorgeschriebenen geometrischen Figuren, K\u00f6pfe und Tiere, wenn auch mangelhaft, doch meist in ann\u00e4hernder Weise; anstatt Amore schreibt er Morier, anstatt Marghe-rita anfangs Maria, danach aber richtig. Er ist also nicht blofs Gedankenleser, sondern auch Fernseher. \u2014 Auf Grund dieser und der vielen andern, von Richet, von Engl\u00e4ndern und anderen zuverl\u00e4ssigen Beobachtern gemachten Erfahrungen meint L., dafs doch etwas Wahres an der Gedanken\u00fcbertragung sei. Seine eigenen Beobachtungen haben wenigstens den Nutzen, den Weg zum Verst\u00e4ndnis der Sache gebahnt zu haben und zwar nicht blofs mit Hilfe der Erfolge, sondern auch mit der der Mifserfolge. \u2014 Die Mehrzahl der F\u00e4lle betraf Hysterische. Die unmittelbare Ber\u00fchrung erleichtert das Fernlesen, ist jedoch nicht durchaus erforderlich. \u2014 Von besonderem Einflufs ist die St\u00e4rke, die Konzentration der Gedanken, mit der man die Fragen an den Gedankenleser stellt, ebenso die Konzentration bei letzterem (\u201eMonoideismus\u201c). Je gr\u00f6fser das Interesse der beiden ist, um so g\u00fcnstiger auch der Erfolg, \u00dcbriges ist der Gedankenkreis, um den es sich auch bei den Gedankenlesern von Profession handelt, sehr beschr\u00e4nkt, es handelt sich meist darum, Zahlen, Karten und Namen zu erraten. \u2014 F\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Erscheinung ist der Umstand wichtig, dafs die Gedankenleser einer k\u00fcnstlichen Aufregung bed\u00fcrfen und der Akt selbst sie und ihr divinatorisches Talent ersch\u00f6pft. \u2014 Der Vorgang setzt eine enorme St\u00f6rung im Gleichgewicht der Nerventh\u00e4tigkeit voraus, Unterbrechung der Leitung durch Alteration dos Axenzylinders (R. Akndt), wodurch die Nervenkraft an einigen Punkten der Hirnrinde sich ansammelt, w\u00e4hrend sie an anderen verloren geht.\tFraenkei, (Dessau).\nG\u00fctzmann, H. \u00dcber Mitbewegungen. Der \u00c4rztl. Praktiker, IV. Jahrg., No. 20, 1891. S. 329\u2014337.\nDer an interessanten Einzelheiten reiche Aufsatz behandelt die uffallend oft beim Stottern auftretenden Mitbewegungen in den.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n77\nverschiedensten Gebieten der K\u00f6rpermnskulatur. Beim Stottern selbst, z.B. des Wortes Bad, handelt es sich entweder um einen tonischen Krampf,\nals eine Dauerkontraktion, des Muscul. orbicularis oris : B --ad, oder um\neinen klonischen Krampf desselben, ein intermittierendes Zittern: B \u2014 B \u2014Bad; in anderen F\u00e4llen hat man es mit \u00e4hnlichen pathologischen Kontraktionen der Stimmmuskeln zu thun: \u2014 Abend oder A \u2014 A \u2014 Abend; oder endlich, es liegt der Fehler in der Atemmuskulatur derart, dafs das zum Sprechen erforderliche Anblasen der Stimmritze nicht zweckentsprechend ausgef\u00fchrt wird. \u201eWir sehen also bei . . . Betrachtung der \u00e4ufseren Erscheinungen des Stotterns eine unwillk\u00fcrliche, krampfartige Muskelkontraktion in irgend einem der drei Gebiete des Sprachorganismus: Artikulation, Stimme, Atmung, oder in zweien von ihnen, oder endlich in allen dreien zugleich.\u201c Die \u00fcberenergischen Kontraktionen der Sprechmuskeln beruhen auf einem centralen Defekt, und die Mitbewegungen sind der Ausdruck einer centralen Irradiation des motorischen Impulses auf normaler Weise nicht zum Sprechen mitwirkende Muskelgruppen. Am h\u00e4ufigsten sind daher die den Artikula-tionsmuskeln zun\u00e4chst liegenden befallen: es tritt Stirnrunzeln, Zittern der Nasenfl\u00fcgel, Schnappen des Unterkiefers auf. (Prim\u00e4re Mitbewegungen.) Schon seltener sind \u201esekund\u00e4re\u201c Mitbewegungen der Muskeln des Halses, der Schultern, des ganzen K\u00f6rpers. Die seltsamsten Kombinationen von Bewegungen sind gelegentlich beobachtet worden. Sehr bemerkenswert ist, dafs es Stotterer giebt, bei denen die blofse Intention des Sprechen-wollens zu Kr\u00e4mpfen f\u00fchrt, die aber dann nach \u00dcberwindung des Paroxysmus fliefsend und ohne Anstofs zu sprechen verm\u00f6gen. An Stelle von K\u00f6rperbewegungen kommt auch zwangsartiges Einschieben sinnloser Worte in eine sonst fliefsende Kede vor: Embololalie oder besser Embolo-phrasie. \u2014 Schreibkrampf, Klavierspielerkrampf, Geiger-, Cigarrendreher-, Melkerkrampf sind dem Stottern ganz analoge \u201espastische Koordinationsneurosen\u201c. Unter Schreibstottern versteht man aber \u201eeine ganz andere Erscheinung, und zwar eine Art unwillk\u00fcrlichen Schreibens, welche ganze Buchstaben und Silben wiederholt, wie der Stotterer es beim klonischen Stottern thut. Ebenso ist unter Klavierstottern eine unwillk\u00fcrliche Muskelbewegung zu verstehen, welche den Klavierspieler zwingt, einen Accord statt nur einmal zweimal anzuschlagen.\u201c\tSchaefer.\nGoldscheideb. \u00dcber Sprachst\u00f6rungen. Berl. Klin. Wochenschr. 1891, No. 20. S. 487\u2014491.\t-\t'\nG.fixierte graphisch den beim Sprechen ausMund undausNase hervorgehenden Exspirationsstrom mittelst einer MAREYSchen Schreibvorrichtung und gewann so an gesunden, normal sprechenden Personen Kurven von Vokalen, Konsonanten, Silben, welche alle gewisse bestimmte Charakteristika darbieten. So zeigt sich z. B. in der Kurve eines einfachen, rasch abgesetzten Vokales eine starke terminale Erhebung, offenbar dem Umstande gem\u00e4fs, dafs aus der sich im Momente des Aufh\u00f6rens der Intonation; \u00f6ffnenden Kima glottidis die Exspirationsluft unbehindert und pl\u00f6tzlich in starkem Strom hervorbrechen kann. Bei langsamem Ausklingenlassen fehlt diese Erhebung. Da auch die Kurven der verschie-","page":77}],"identifier":"lit14683","issued":"1892","language":"de","pages":"76-77","startpages":"76","title":"H. Gutzmann: \u00dcber Mitbewegungen. Der \u00c4rztl. Praktiker, IV. Jahrg., No. 20, 1891, S. 329-337","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:24.801443+00:00"}