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{"created":"2022-01-31T17:03:10.845551+00:00","id":"lit14689","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Peretti","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 81-82","fulltext":[{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00fcteratm bericht.\n81\nBesserungsanstalten die Betreffenden nicht auf eine bestimmte Zeit, sondern so lange untergebracht w\u00fcrden, als es ihr eigenes Interesse und die R\u00fccksicht auf die \u00f6ffentliche Sicherheit, Sittlichkeit und Ordnung erfordern w\u00fcrden.\nZum Schlufs bespricht K. noch die Beziehungen der angeborenen psychopathischen Minderwertigkeiten zu den Psychosen und kommt zu dem Resultate, dafs die angeboren psychopathisch Minderwertigen leichter und h\u00e4ufiger als die in ihrem Nervensystem unversehrten Menschen von interkurrenten Psychosen und psychotischen Zust\u00e4nden heimg'esuclit werden, dafs manche psychotische St\u00f6rungen, die bei angeboren psychopathisch Minderwertigen interkurriren, mit Vorliebe, manche auch ausschliefslich bei angeboren psychopathisch Minderwertigen auftreten und dafs zwar viele psychopathisch Minderwerthige dauernd geisteskrank werden, viel h\u00e4ufiger aber die angeborene psychopathische Minderwertigkeit nicht in Psychose \u00fcbergeht.\tPeretti (Merzig).\nDelbr\u00fcck. Die pathologische L\u00fcge und die psychisch abnormen Schwindler.\nEine Untersuchung \u00fcber den allm\u00e4hlichen \u00dcbergang eines normalen psychologischen Vorgangs in ein pathologisches Symptom f\u00fcr Arzte und Juristen. Stuttgart, Enke, 1891.\t131 S.\nWie uns gar nicht selten im gew\u00f6hnlichen Leben Menschen begegnen, die sich in harmlosen Prahlereien, Erz\u00e4hlungen von schliefslich zum Teil selbst geglaubten M\u00fcnchhausiaden und Jagdgeschichten gefallen oder als Charlatane in ihrer Berufst\u00e4tigkeit nicht nur Andere, sondern auch sich selbst betr\u00fcgen, wie sogar jeder geistig Gesunde bei genauer Selbstbeobachtung sich gelegentlich bei den sogenannten Not-und Affektl\u00fcgen auf einer Vereinigung von L\u00fcge und Selbstbetrug ertappen kann, so giebt es auch F\u00e4lle, wo die Mischung von L\u00fcge und Irrtum eine pathologische H\u00f6he erreicht, wo man dann eher von einem Gemisch von L\u00fcge und Wahnidee oder Erinnerungsf\u00e4lschung sprechen kann. Dieses Symptom, von welchem sich treffende Schilderungen in Daudets \u201eTartarin de Tarasconu, in Gottfried Kellers \u201eGr\u00fcner Heinrich\u201c und in G\u00f6thes \u201eDichtung und Wahrheit\u201c, II. Buch, finden, hat D. zum Gegenstand seines Studiums gemacht und schl\u00e4gt f\u00fcr dasselbe den Namen \u201ePseudologia phantastica\u201c vor. Das genannte Symptom kann bei allen Arten von Geisteskranken Vorkommen, besonders hervortretend ist es bei den Hysterischen und den sogenannten moralisch Irren, aber auch gelegentlich vorhanden bei Paralytikern, Maniakalischen und Paranoikern.\nF\u00fcnf interessante F\u00e4lle werden von D. vorgef\u00fchrt und in eingehender Weise deren psychologische Erkl\u00e4rung versucht; er ist der Ansicht, dafs bei diesen Personen, deren \u00c4ufserungen und Handlungen einem Gemisch von Phantasie, Prahlerei, L\u00fcge, Betrug und Wahn zuzuschreiben sind, zwei scheinbar einander widersprechende Bewufstseinszust\u00e4nde gleichzeitig nebeneinander bestehen, das Bewufstsein von der Unwahrheit des Gesagten und gleichzeitig das \u00dcberzeugtsein von der Realit\u00e4t der Aussagen. Dafs ein derartiges gleichzeitiges Bestehen zweier verschiedener Bewufstseinszust\u00e4nde Vorkommen kann, l\u00e4fst sich durch ein hypnotisches Experiment beweisen, das Forel anstellte, indem er einer\nZeitseh,itt lUt Psychologie ill.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nLitteraiurbericHt.\nW\u00e4rterin suggerierte, ein von ihr in der Hand gehaltenes Messer sei weggenommen, und sie aufforderte, alle Finger zu spreizen und die Hohlhand dem Boden zuzuwenden; die W\u00e4rterin kam dieser Aufforderung im wesentlichen nach, bem\u00fchte sich aber gleichzeitig, durch leichte Adduktion des Daumens das Messer mit grofser Geschicklichkeit in der Hand zu balanzieren. Die Fingerbewegung wurde offenbar durch zwei einander widersprechende Bewufstseinszust\u00e4nde beeinflufst. Beim Traum geschieht manchmal etwas \u00c4hnliches, man kann sehr wohl von der Realit\u00e4t eines Traumerlebnisses \u00fcberzeugt sein und durch dasselbe sogar beunruhigt werden und doch gleichzeitig das Bewufstsein haben, dafs es nur ein Traum ist.\nAuch die St\u00f6rungen des Reproduktionsverm\u00f6gens spielen bei der Pseudologia phantastica eine Rolle; jeder Mensch ist bei der Reproduktion fr\u00fcherer Erlebnisse Irrt\u00fcmern unterworfen, die um so geringer sind, je intensiver und klarer das Bewufstsein zur Zeit des Erlebnisses war. Ist aber das Bewufstsein im Entstehungsmoment einer L\u00fcge oder Schwindelei ein unklares oder doppeltes, so wird auch die Erinnerung unklar sein, und der Betreffende sucht seine Erinnerungen durch die gerade bei diesen Individuen sehr rege Phantasie zu erg\u00e4nzen. So entstehen Erinnerungsf\u00e4lschungen. Dafs diese auch durch Induzieren infolge eindringlicher Fragestellung von seiten des Arztes oder Richters hervorgerufen werden k\u00f6nnen, unterliegt keinem Zweifel.\nEs w\u00fcrde hier zu weit f\u00fchren, noch n\u00e4her auf das sehr lesenswerte Buch einzugehen, es mag nur noch aufmerksam gemacht werden auf die Besprechung des Ausdruckes \u201eSimulation\u201c, den D. mit Recht nur auf die mit bewufster Absicht ausgef\u00fchrte Vort\u00e4uschung von Krankheitssymptomen beschr\u00e4nkt wissen will, und auf die Ausf\u00fchrungen \u00fcber \u201edie verminderte Zurechnungsf\u00e4higkeit\u201c in der Einleitung des Buches.\nMan mufs dem Verfasser dankbar sein, dafs er als der Erste es versucht hat, den Begriff der pathologischen L\u00fcge zu pr\u00e4cisieren und eine Sorte der \u00dcbergangsformen zwischen Geistesst\u00f6rung und geistiger Gesundheit n\u00e4her zu beleuchten; seine Arbeit wird gewifs f\u00fcr andere Beobachter Anregung und Veranlassung sein, dahin geh\u00f6rige F\u00e4lle mehr psychologisch zu studieren und mitzuhelfen, Klarheit in das schwierige Kapitel der \u00dcbergangsformen zu bringen.\tPeeetti (Merzig).\nP. Janet. Etude sur un cas d\u2019aboulie et d\u2019id\u00e9es fixes. Revue philosophy Bd. XXXI (1891). Ko. 3 u. 4. S. 258\u2014287 u. 382\u2014407.\nEs handelt sich um ein erblich stark belastetes M\u00e4dchen von guten intellektuellen F\u00e4higkeiten, aber eigensinnigem, trotzigem Charakter, welches im 14. Jahre nach einem schweren, mit lang anhaltenden Delirien einhergehenden Typhus geistig ver\u00e4ndert blieb, nichts mehr lernte, an nichts Freude hatte, Menschenscheu zeigte und in allen Bewegungen sehr langsam wurde. Dieser Zustand steigerte sich nach dem ein Jahr sp\u00e4ter erfolgten Tode des Vaters und durch Aufregung infolge eines Liebesverh\u00e4ltnisses allm\u00e4hlich bis zu dem von J. ausf\u00fchrlich geschilderten Verhalten.\nDas Hauptsymptom war eine Erschwerung der Bewegungen, alle","page":82}],"identifier":"lit14689","issued":"1892","language":"de","pages":"81-82","startpages":"81","title":"Delbr\u00fcck: Die pathologische L\u00fcge und die psychisch abnormen Schwindler, Eine Untersuchung \u00fcber den allm\u00e4hlichen \u00dcbergang eines normalen psychologischen Vorgangs in ein pathologisches Symptom f\u00fcr \u00c4rzte und Juristen. Stuttgart, Enke 1891","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:03:10.845556+00:00"}