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{"created":"2022-01-31T16:59:43.396977+00:00","id":"lit14703","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Maunoir","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 5: 477-481","fulltext":[{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"477\nLippen und Mundh\u00f6hle find blau. Die Zunge fand man. mit einem dicken, gelblichen Ueberzuge bedeckt. Pie Efsluft ift febr lehwach, tritt faft nie, felbft nach langem Faften ein. Die Verdauung ift langfam\u00bb Hidicn-fi\u00fcchte werden nicht umgewandelt. Bei Wetterver\u00e4uderung, vorz\u00fcglich Eintritt von K\u00e4lte, tritt leicht Durchfall ein.\nDas Athmen ift immer fchvvcr, der Athem bisweilen fibelriechend, die Stimme fcliwach, wenig wohlklingend, die Sprache oft unterbrochen. Das Herz wird durch heftige, leicht durch Auflegen der Hand f\u00fchlbare Bewegungen erfch\u00fcttert. Der Puls ift ziemlich regelmilfsig und weich.\nDie W\u00e4rme iff wenig entwickelt. Selbft im Sommer friert der Kraulte. Die auffallenden Sonnenftrah\u2019cu ver-anlaffen in der Haut eine angenehme Empfindung, Im Winter ift er beft\u00e4ndig in einer Art von Erh\u00e4rtung:. Hitze ift ihn), durch Vermehrung der Dyspnoe, gleichfalls nach-theiiig.\nDie Ern\u00e4hrung ift fcliwach und es findet eher Magerkeit als F\u00fclle Statt.\nDie Abfonderringen find normal, die des Nafen-fchleinns ift reichlich.\nDer (Jefchlechtstrieb ift kaum entwickelt.\nXVIII. Maunair \u00fcber einen tn i f s g e bi 1 d e te n F\u00f6tus. ( Medic. Chirurg. Transact. Yoi. VII. P. 257 ff.)\nDie Vereinigung von Zwillingen zur Bildung eines K\u00f6rpers ift auch ohne groi.se An Krengung der Einbildungskraft verft\u00e4nd 'ich. Die Urfache einer folchen Erlchei-nung ift in der That fe.br wohl erkl\u00e4rlich und der Anblick zweier, in der Geb\u00e4rmutter zufammengewachfener F\u00f6tus, die am ll\u00fceken, Unterleibe oder Bruit verbunden find, erregt kein Erftaunen. Dies empfinden wir felbft nicht bei einer Mifsgehurt mit einfachem Stamme, doppeltem Kopfe und acht Gliedrnaafsen , indem diefe Miisge-but ten io h\u00e4ufig lind, dafs lie kein belonderes Interelf\u00a9 erwecken.","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"Dagegen flehen die Doppelmifsgeburtert, deren Ent* ftehung nur durch die Annahme erkl\u00e4rbar ift, dafs jeder der beiden K\u00f6rper vor der Vereinigung eine bedeutende Verftlimmelung erlitten, und die Vereinigung der getrennten Theile auf Gerathewohl Statt gefunden halte, bis jetzt einzig da. Die Erkl\u00e4rung diefer Erfcheinung ift, wo nicht unm\u00f6glich, doch fehl' Ich wer, w\u00fcrde aber, wenn lie gegeben werden k\u00f6nnte, vermuthlich den geheimnifs-vollen Procefs der Zeugung aufzukl\u00e4ren dienen.\nIn der jetzt zu befchreibenden Mifsgeburt ift diefe bisher noch nicht beobachtete Vereinigung von Umft\u00e4n-\nden gegeben.\nSie wurde von einem noch nicht liebzehnj\u00e4hrigen Frauenzimmer geboren und lebte wenig Minuten. Die Geburt war nicht befonders fehwer. Der vollkomnrae Kopf wurde zuletzt geboren. Um ein deutliches Bild von diefer Mifsgeburt zu erhalten, mufs man lieh zwei weibliche F\u00f6tus denken, deren jeder quer in zwei H\u00e4lften ge-theilt w\u00e4re, wovon eine den giofsern Theil des Stammes, den Ko\u2019if und die Arme, die andere das Becken und die untern 1 lliedmaafsen enthielte. Dann mufs inan an-3 ich inen, dafs eine blind wirkende Kraft diefe Verletzung herzufiel.'en und die getrennten Theile zu vereinigen ftrehte, aber nicht jeden Theil mit dem entl'pi sehenden in Verbindung brachte, von dem er getrennt worden war, fondent die beiden St\u00e4mme, und eben lo die. beiden Bek-ken unter einander verfehmolz, fo dafs einerfeits ein, aus einem fehr unregelmafsigen Stamme mit zwei K\u00f6pfen und vier Armen, anclrerfeits ein aus zwei Becken und vier untern Gliedmaafsen behebender Stamm hervorging. Zuletzt rnufs man noch annehmen, dafs der letzte K\u00f6rper mit dem elften dadurch verwuchs, dafs er quer auf feinen B\u00fccken, gerade wie ein Sack auf den K\u00fccken eines Maulthier$ gefetzt wurde.\nHierdurch ergiebt lieh ein allgemeines Bild von der eigent\u00fcmlichen Form diefer Mifsgeburt; doch lind noch einige Zufatze erforderlich, um es genauer darzuftellen.\nEin Kopf diefer Doppeltniftgehurt ift vollkommen, der andre infolern unvollkommen, als er lilofs aus Rudimenten von Sch\u00e4del und Antlitz befteht. Eine kurze Be-","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"fchreibung der Unterleibseingeweide wird das Bild ver-vollft\u00e4ndigen.\nDer vollkommne Kopf kann als der obere, der un-vollkommne als der untere angefehen werden.\nDas SyTtem des Kreislaufs, namentlich das Herz, ifc einfach, B.ben fo findet lieh nur ein Lungenpaar. Beide liegen in dem obern, dem Anfchein nach, vollkommen gebildeten Brul'tkaften. Der untere fehlt ganz. Die Ged\u00e4rme find von einer ungeheuren Leber bedeckt, welche durch eine d\u00fcnne Membran fchiimnert, zwilchen deren Bl\u00e4ttern ein einfacher Nabeiftrang zur Leber geht. Mithin findet lieh keine muskul\u00f6fe Unterleibswand.\nLeber, Membranen und Nabeiftrang find ungl\u00fccklicherweife weggertoinmeu worden.\nAuf dem untern Kopie fafs eine grofse, mit einem Blutklumpen angef\u00fcllte Blafe, die leider aueb, in der Meinung, dafs lie unnbthig fey, entfernt worden war.\nNur auf der einen Seite findet lieh ein vollkommner Verdauungsapparat , auf der andern zwei ganz eigenth\u00fcm-liclie Darntanb\u00e4nge, welche mit dem erftern zulammen-h\u00e4ngen. Der elftere f\u00e4ngt mit. dem Munde des vollkomm, nen Kopfes an und geht regehn\u00e4fsig bis zum After der rechten H\u00e4lfte fort. Von dem Krummdarm aber geht ein Aftab, der lieh in eine Art von Kioalc endigt, welche dem untern Kopfe emfpricbt und feine ganze H\u00f6hle bildet. Zwei Zoll weiter 1 paltet lieh der Krummdarm und bildet auf jeder Seite zwei Blindd\u00e4rme, deren jeder in einen Dick-und Maftdarm \u00fcbergeht. Der rechte Mafidann oft\u2019net fielt durch den einzig vorhandenen After, der linke, lehr ftark durch Kindspech ausgedehnte, endigt lieh mit einem blinden Beutel in der N\u00e4he des linken Geb\u00e4rmut-tergrundes.\n- L>ie oben erw\u00e4hnte Kloak enth\u00e4lt die Rudimente des Unterkiefers und der Zunge, welche in dein, die Kloak anfallenden Kindspech verfenkt waren.\nDie linke Geb\u00e4rmutter, auf welcher der linke Maft-clariri ruhte, ift v\u00f6llig entwickelt und doppelt fo giofs als die rechte.\nDie Zeugungstheile fcheinen vollkommen zu feyn.\nAuf jeder Seite findet lieh eine Harnblale. fis finden heb aber nur zwei, dem Anfchein nach durch die Yer-","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nfchmelzung von vier entftandne Nieren, von denen die linke zwei, die rechte nur einen Harnleiter hat.\nAus diefer Befchreibung ergiebt lieh, dafs die einan-der entgegengevvandten H\u00e4lften der beiden Becken die Sei-tentlieile des gemeinfchaftlichen Unterleibes bilden und feine Lendengegenden einnehmen.\nAn der Spitze des untern Kopfes und etwas auf der rechten Seile befindet lieh eine \u00dceffnung, \u00fcber welcher der abgefchnittne Beutel lag.\nDiefer unvcllkommne Kopf ftellt eine, mit Haaren bekleidete Sch\u00e4delhaut und einen unregelm\u00e4\u00dfigen, knorpligen K\u00f6rper dar, welcher das Rudiment eines \u00e4u\u00dfern Ohres zu feyn fcheint.\nDas Gef\u00e4fsfyftem ift nicht eingefpritzt.\nNachtrag.\nDie, der Gefellfchaft von Herrn Maunoir mitgetheilte Mifsgeburt wurde von den Herren Marcet, Fl\u00f6get und Law rence unterfucht und von der Gefellfchaft nachher belichtigt.\nEs ergab lieh, dafs ihre Befchaffenhe.it genau mit der Befchreibung des Herrn Maunoir \u00fcbereinkam; doch wurden noch folgende Thatfachen ausgemittelt.\nDie Aorte, welche von dem Herzen des obern voll-koinmnen Kindes abging, theilte lieh unter dem Zwerchfelle in drei Aefte fur den untern, weniger vollkomnmen Stamm und die beiden untern H\u00e4lften Von diefen drei A.eften war der linke der gr\u00fcfste, erzeugte die Gef\u00e4fse des linken Becuens und der linken untern Glieder, und bildete dann die einzige, grofse Nabelpulsader.\n-Der rechte Alt verfall das rechte Becken und die rechten untern Gliedmaafsen,\nDer mittlere verlief l\u00e4ngs dem R\u00e4iekgratli des untern Kindes und theilte lieh in zwei Gef\u00e4fse, welche man ungenannte Pulsadern nennen k\u00f6nnte, weil jedes eine kleinere Kopfpuis\u00e4der, die l\u00e4ngs dem unvoDkonunnen untern Halle verlief und eine Schl\u00fclfelpulsader erzeugte, welche zu dem entsprechenden Arme des untern Kindes trat.","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"4SI\nBei D ur ch fell n ei d u n g der R\u00fcckenhaut an der Stelle, m die Arme und Schenkel der Mifsgeburt verbunden waren, ergab lieh, dafs die beiden Wirbelf\u00e4ulen einander gegen\u00fcber pl\u00f6tzlich aufh\u00f6rten und die Grundfl\u00e4chen der beiden Heiligbeine gegen einander gewandt waren. Zwilchen den Enden der Wirbelf\u00e4ulen und der Heiligbeine befand fich eine, von einer feften Haut eingenommene L\u00fck-ke. Nach Durchfchneidung diefer Haut faire man. dafs das R\u00fcckenmark quer von einer Wirbelf\u00e4ule zur Andern. ,erlief und feine Nerven feitlich an die beiden untern H\u00e4lften fchickte, fo dafs alfo beide St\u00e4mme nur ein R\u00fck-kenmark hatten, und jedes Becken nebft feinen untern Gliedmaafsen feine Nerven von der einen Seite deffei-bea erhielt.","page":481}],"identifier":"lit14703","issued":"1819","language":"de","pages":"477-481","startpages":"477","title":"\u00dcber einen mi\u00dfgebildeten F\u00f6tus: Medic. chirurg. Transact., Vol. VII, p. 257 ff.","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:59:43.396983+00:00"}