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{"created":"2022-01-31T17:00:46.578086+00:00","id":"lit14708","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Leppmann, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 87-88","fulltext":[{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"i\u00c4tteraturbericht.\n87\nwie viele andere Einteilungs versuche, und wenn auch der erste Einwurf gerechtfertigt ist, so ist eine ersch\u00f6pfende Einteilung nach symptomatischen Grunds\u00e4tzen bisher \u00fcberhaupt noch nicht erfolgt. Die seinige aber findet den Beifall der \u00e4rztlichen Praktiker; sie befreit dieselben wenn sie auch nur ein Notbehelf ist, vor dem Umherschwanken auf uferlosem Meere, oder vor dem resultatlosen Eindringen in Einteilungs-Systeme von be\u00e4ngstigender Vielgestaltigkeit.\n2.\tBei der Frage von der Zurechnungsf\u00e4higkeit r\u00e4t Verfasser dem Sachverst\u00e4ndigen, auf eine Beantwortung der Frage, ob die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war, nicht zu verzichten, wie er es in seinem (gleich folgenden) Referat \u00fcber Mendel : Zurechnungsf\u00e4higkeit er\u00f6rtert hat ;\n3.\tbetont er wie viele andere Psychiater die notwendige Abschaffung der landrechtlichen Begriffe des Wahnsinns und Bl\u00f6dsinns. Er bem\u00fcht sich im einzelnen auszuf\u00fchren, dafs ohne wesentliche logische Fehler zwei Sachverst\u00e4ndige aus denselben Thatsachen zu verschiedenen landrechtlichen Begriffen kommen k\u00f6nnen, da die Sch\u00e4tzung der F\u00e4higkeit, \u201emit der Aufsenwelt in vernunftgem\u00e4fser Weise verkehren zu k\u00f6nnen\u201c, einen zu grofsen subjektiven Spielraum bietet.\n4.\tDer Verfasser bem\u00fcht sich, so weit dies m\u00f6glich ist, seine Auseinandersetzungen so zu gestalten, dafs sie auch gebildeten Nicht\u00e4rzten verst\u00e4ndlich werden k\u00f6nnen. Ein sehr beachtenswerter Kritiker erblickt darin eine Erschwerung der \u00e4rztlichen Sachverst\u00e4ndigenwirksamkeit. Der Verfasser glaubt aber eher das Gegenteil. Die \u00e4rztlichen sachverst\u00e4ndigen Begutachtungen sind zumgr\u00f6fsten Teil f\u00fcr Laien bestimmt ; sie werden einem psychologisch belehrten Beurteiler gegen\u00fcber mehr Verst\u00e4ndnis, demnach mehr Anerkennung finden. Auch kann der Laie, wenn er menschlichen Sonderbarkeiten in Reden und Handlunge.i* mit psychologischen Vorkenntnissen gegen\u00fcbertritt unter gewissen Umst\u00e4nden, wie z. B. als Gef\u00e4ngnisbeamter den ersten Anlafs zur Aufdeckung von Seelenst\u00f6rungen, die sonst verkannt worden w\u00e4ren, geben.\nE. Mendel Zurechnungsf\u00e4higkeit. EulenburgsReal-Encyklop\u00e4die der gesamten Heilkunde. 2. Aufl. Wien und Leipzig, Urban & Schwarzenberg, 1890.\nEine Monographie von 27 Seiten, ersch\u00f6pfend im Inhalt einschliefslich der geschichtlichen Entwickelung und mit wohlthuender Klarheit ab-gefafst. Verfasser h\u00e4lt an dem von ihm stets vertretenen Standpunkt fest: Die Zurechnungsf\u00e4higkeit in forensischer Beziehung ist die F\u00e4higkeit, f\u00fcr eine durch das Strafgesetzbuch mit Strafe bedrohte Handlung zur Verantwortung gezogen zu werden. Ihre Vorbedingungen werden durch die einzelnen Gesetzb\u00fccher der Kulturstaaten festgestellt; sie ist also ein kriminalrechtlicher Begriff, und der \u00e4rztliche Sachverst\u00e4ndige hat nur das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der gesetzlich umgrenzten Vorbedingungen, so weit sie krankhafte Zust\u00e4nde betreffen, festzustellen, der Entscheid aber, ob daraus ein Mangel oder eine Aufhebung der Zurechnungsf\u00e4higkeit entspringt, steht allein dem Richter zu.\nEbensowenig geh\u00f6rt es zur Pflicht des Arztes, dar\u00fcber zu entscheiden, ob im Einzelfalle eine \u201eAufhebung der freien Willensbestimmung\u201c, wie sie der \u00a7 51 des R.-Str.-G. fordert, vorliegt.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nLitter a furbericTi t.\nEr hat nur festzustellen, ob und welche \u201ekrankhafte St\u00f6rung der Geistestli\u00e4tigkeit\u201c vorliegt, er kennt nach dem modernen Standpunkt der Psychiatrie keine besonderen Krankheiten des Willens, er kann vielmehr alle krankhaften St\u00f6rungen der Willensth\u00e4tigkeit auf Krankheiten des Wahrnehmens, Denkens und F\u00fchlens zur\u00fcckf\u00fchren.\nDer grunds\u00e4tzliche Standpunkt des Verfassers hat gewifs seine Berechtigung, doch haben andersartige Anschauungen, welche darin gipfeln, dafs die Sachverst\u00e4ndigen als Tr\u00e4ger einer Erfahrungswissenschaft im Einzelfalle berechtigt seien, Sch\u00e4tzungen der freien Willens-bestimmung zu vollziehen, vielleicht gr\u00f6fsere praktische Wertigkeit. Dem Bicliter bleibt nach dem Prinzip der freien Beweisw\u00fcrdigung doch der letzte Entscheid.\tLeppmann (Berlin).\nInternationaler Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie.\nAuszug aus dem vorl\u00e4ufigen Programm.\nDie zweite Sitzung dieses Kongresses wird in London am 2. August 1892 und den drei folgenden Tagen stattlinden, unter dem Pr\u00e4sidium von Herrn H. Sidqwick.\nEs ist Vorsorge getroffen, dafs alle wesentlichen Gebiete der zeitgen\u00f6ssischen psychologischen Forschung Vertretung finden werden. Neben den wichtigsten Zweigen der Experimentalpsychologie des normalen Seelenlebens werden also noch Ber\u00fccksichtigung finden: die cerebralen Bedingungen der geistigen Vorg\u00e4nge, das Geistesleben der Kinder, niederen Menschenrassen und der Tiere in Verbindung mit der Frage der Vererbung, ferner Pathologie des Geistes und Kriminologie, sowie Hypnotismus. Aufserdem wird \u00fcber die 1889 in Paris beschlossene Statistik von Halluzinationen Bericht erstattet werden.1\nIhre Teilnahme (oderVortr\u00e4ge) haben bereits zugesagt: Aus Deutschland: Goldscheider, G. E. M\u00fcller, M\u00fcnsterberg (Komplizierte Lust- und Unlustgef\u00fchle), Preyer, v. Schrenk-Notzing ; aus England: Horsley (Degree of Localisation of Movements and Correlative Sensations), Mercier , Bomanes ; aus Frankreich: Beaunis (Questionnaires psychologiques), Binet (Zur Psychologie der Insekten), P. Janet (L'aboulie), Bibot, Bichet (Lie Zukunft der Psychologie)-, aus Nordamerika: Donaldson (Laura Bridgman), St. Hall (Recent Researches in the Psychology of the Skin), James; aus anderen L\u00e4ndern: Lombroso (Sensibilit\u00e4t der Frauen), Grot, N. Lange (Experimente und Theorien, betreffend die Assoziation), Lehmann. Die Teilnahme von Bain und Hering, sowie die Einsendung eines Vortrags von Wundt wird erwartet.\nBeitrag zehn Shilling. Ausw\u00e4rtige Teilnehmer k\u00f6nnen auf Unterkunft zu m\u00e4fsigen Preisen rechnen.\nMitteilungen (begleitet von eingehender Inhaltsangabe) werden erbeten bis sp\u00e4testens Ende Juni an einen der Sekret\u00e4re F. H, Myers, Leckhampton House, Cambridge, oder J. Sully, East Heath Boad, Hampstead, London N. W.\n1 Fragebogen hierf\u00fcr sind zu erhalten von Dr. Dessoir, Berlin, W., K\u00f6thenerstr. 27, u. Dr. v. Schrenk-Notzing, M\u00fcnchen, Herzog-Wilhelmstr.29.","page":88}],"identifier":"lit14708","issued":"1892","language":"de","pages":"87-88","startpages":"87","title":"E. Mendel: Zurechnungsf\u00e4higkeit, Eulenburgs Real-Enzyklop\u00e4die der gesamten Heilkunde. 2. Aufl. Wien und Leipzig, Urban & Schwarzenberg, 1890","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:46.578092+00:00"}