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{"created":"2022-01-31T16:58:01.971048+00:00","id":"lit14766","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Liepmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 222-225","fulltext":[{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLitteraturbericht.\nzugeh\u00f6rigen Vorstellungen), welche in der Leidenschaft gehemmt werden, bilden die negative, die, welche erregt werden, die positive Seite des Verlangens.\nDieses soll sich nur infolge eines Assoziationsmechanismus entwickeln. Die Liehe eines M\u00e4dchens zu einem Manne geht mit Notwendigkeit aus der Vorstellung dieses Mannes dann hervor, wenn diese Vorstellung eine assoziative Verbindung mit den tendances der Liebe herzustellen vermag: \u201eon aime ou l\u2019on ha\u00eft, parce que l\u2019on a d\u00e9j\u00e0 aim\u00e9 ou ha\u00ef\u201c. Der Verfasser sucht diese Theorie durch Beispiele aus der Pathologie und aus der Romanlitteratur zu rechtfertigen. Dabei wird verkannt, dafs ein aktuelles Verlangen (z. B. die Liebe eines M\u00e4dchens zu einem Manne, der ihrem Vater \u00e4hnlich sieht) mit dem reproduzierten Verlangen (dem Achtungsgef\u00fchl, das die Erinnerung an den Vater hervorruft) nicht identisch ist. Das Letztere ist h\u00f6chstens die Gelegenheitsursache des Verlangens.\nDie begleitenden Vorstellungen, welche die Begehrungen vorbereiten, aber doch nur auf Grund solcher entstehen sollen, entwickeln sich nach Dumas gleichfalls mechanisch. Die Gesamtheit des geschilderten assoziativen Zusammenhangs wird mit dem organischen Leben verglichen.\tK. Mai: be (Bonn).\nE. W. Scripture 1. \u00dcber den associativen Verlauf der Vorstellungen.\nInaug.-Dissert., Leipzig 1891. Auch: Philos. Studien VII, 1. S. 50\u2014147. 2. Vorstellung und Gef\u00fchl, Philos. Studien VI, 4, S. 536\u2014542.\nVerf. beklagt, dafs seit Aristoteles in der Erkenntnis des Vorstellungsverlaufs \u201enur wenig Fortschritte gemacht seien\u201c. Das liegt, nach seiner Meinung, an der alten \u201eSelbstbeobachtungsmethode\u201c. Es m\u00fcssen genaue Versuche gemacht, nicht zuf\u00e4llige der allgemeinen Erfahrung entnommene Beispiele zu Grunde gelegt werden.\nVon dieser \u00dcberzeugung geleitet, hat S. eine sehr grofse Zahl fleifsiger Versuche, unter Anwendung aller m\u00f6glichen Kautelen mit acht dem Gelehrtenstande angeh\u00f6rigen Personen (einschliefslich S. selbst) ausgef\u00fchrt. Dem im dunklen, ger\u00e4uschlosen Raum sitzenden Beobachter wurden mittelst eines photographischen Objektivs auf eine Scheibe geworfene Bilder und Worte w\u00e4hrend ca. 4 Sek. vorgef\u00fchrt und er angehalten nach 2 Sek. anzugeben, was er assoziiert habe. Oder es wurden ihm Tast-, Geh\u00f6rs-, Geschmacks-, Geruchseindr\u00fccke geboten. Er mufste pr\u00e4zisieren, ob die assoziierte Vorstellung Phantasievorstellung, allgemeine Vorstellung, Begriff u. s. w. sei, und ob ein Wort als Gef\u00fchlsvorstellung oder Geh\u00f6rsvorstellung oder Innervationsimpuls auftrat.\nWir lassen dahingestellt, wie weit die Angaben von acht Beobachtern, welche sich vor eine Aufgabe gestellt sehen d. h. wissen : jetzt soll assoziiert werden, \u2014 Angaben \u00fcber Inhalt, Zeit- und Grad-Verh\u00e4ltnisse und psychologische Natur ihrer Vorstellungen, wirklich den M\u00e4ngeln der Selbstbeobachtung entgehen, und wenden uns den Resultaten zu.\nVon den zahlreichen Versuchsreihen scheinen uns nur zwei als sinnvoll gestellte Fragen bemerkenswerte Ergebnisse zu liefern.\nIn dem einen Fall handelt es sich um die Frage: Kann eine","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Littei-aturbericht.\n223\nVorstellung eine andere erneuern, mit welcher sie in keiner Verbindung stebt, wenn jede mit einer dritten jetzt nicht im Bewufstsein liegenden Vorstellung fr\u00fcher verbunden war? An diese von Hamilton schon in bejahendem Sinne beantwortete Trage geht S. folgendermafsen heran. Er zeigte eine Reihe von Karten, auf deren jeder ein japanisches Wort und ein japanischer Buchstabe stand. Dann eine Reihe deutscher Worte, von welchen jedes von einem Buchstaben der japanischen Reihe begleitet war. Sp\u00e4ter wurde eines der japanischen oder deutschen Worte f\u00fcr sich vorgef\u00fchrt, und der Beobachter mufste angeben, welche Vorstellung in ihm aufstieg. Es ergab sich, dafs h\u00e4ufig das Wort der anderen Reihe, welchem das gleiche Zeichen vorher beigegeben war, assoziiert wurde, obgleich das Zeichen entweder erst nach der Assoziation oder \u00fcberhaupt nicht von selbst in das Bewufstein trat, oder gar ganz oder teilweise vergessen war. S. schliefst daraus : Unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden kann eine Vorstellung mittelbar auf eine andere wirken. Und glaubt auch behaupten zu d\u00fcrfen: \u201eDie Glieder eines VorstellungsVerlaufs sind nicht notwendigerweise alle bewufst.\u201c\nDie zweite uns ergiebig erscheinende Versuchsreihe behandelt die Erage, ob ein nicht perzipirter Teil einer Gesamtvorstellung eine so grofse Nachwirkung haben kann, dafs, wenn er allein zu einer sp\u00e4teren Zeit perzipiert wird, er die ganze Vorstellung hervorrufen kann. Dazu wurden mehrere Karten mit einem mittelst\u00e4ndigen Worte und eckst\u00e4ndigen Buchstaben so kurze Zeit gezeigt, dafs der Beobachter von den indirekt gesehenen Buchstaben \u201ekein Bewufstsein hatte\u201c. Dies wurde 5\u201415 mal wiederholt, dann dem Beobachter einer der Buchstaben gezeigt und er gefragt, woran er d\u00e4chte. Verf. giebt an, dafs in 34\u00b0/\u00bb der Versuche das vorher mit dem Buchstaben verbundene Wort assoziiert wurde, w\u00e4hrend der blofse Zufall nur 20,3 % h\u00e4tte erwarten lassen.\nAuch hier buchen wir nur das Versuchsergebnis, ohne in seiner Deutung mit dem Verf. zu gehen, welchem \u201eBewufstsein nicht notwendig (!) mit psychischem Leben identisch ist\u201c, der fortw\u00e4hrend mit \u201eunbewufsten Vorstellungen\u201c operiert, ja sogar \u201eEmpfundenes aber nicht im Bewufstsein Gewesenes\u201c (S. 92) kennt.\nSind aber, wie gesagt, die beiden thats\u00e4chlichen Ergebnisse dankens werte Best\u00e4tigungen von S\u00e4tzen, welche allerdings schon die allge-, meine Erfahrung liefert, so ist ein grofser Teil der \u00fcbrigen Versuche so gut wie ergebnislos. Sie bringen auf der Strafse Liegendes, wof\u00fcr jeder aus seiner Erfahrung beliebig viel gleich beweiskr\u00e4ftiger Beispiele ohne Anwendung von photographischen Objektivs und Luftdruckausl\u00f6ser stellen kann. Was Wesentliches und Zutreffendes gesagt wird, ergiebt sich meist gar nicht aus den Versuchen, sondern wird schon vorher vorwiegend aus Wundts Psychologie mitgehracht. Andererseits hat der Wunsch, dem so m\u00fchsam errungenen Material m\u00f6glichst viel zu entlocken und dasselbe m\u00f6glichst unabh\u00e4ngig von den \u00fcberlieferten Problemstellungen und L\u00f6sungsversuchen selbst sprechen zu lassen, den Verf. zur Begr\u00fcndung einer Reihe bedeutungsloser an das Nebens\u00e4chliche und Unwesentliche sich haltender Distinktionen und Betrachtungsweisen verleitet.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nLitteraturbericht.\nEr zerlegt den ganzen assoziativen Verlauf in 4 \u201eGrundprozesse\u201c, \u201ewelche allen seinen Arten zu Grunde liegen.\u201c Es sind:\n1. Das Vorbereiten, 2. das Einwirken, 3. das Hinzuf\u00fcgen, 4. das Nach wirken von Vorstellungen. Schon die Nebeneinanderstellung dieser 4 Benennungen verletzt durch das Hin- und Herflattern von einem Gesichtspunkte zum andern. Die Ausdr\u00fccke 2. und 4. stellen die Vorstellungen als selbstst\u00e4ndige Agentien hin: sie \u201ewirken ein\u201c sie \u201ewirken nach\u201c. In 1. und 3. dagegen sind sie die Spielb\u00e4lle in den H\u00e4nden einer h\u00f6heren ungenannten Macht: \u201eSie werden vorbereitet, sie werden hinzugef\u00fcgt.\u201c\n\u201eVorbereitung\u201c definiert Verf. als \u201edenjenigen Prozefs, welchen Vorstellungen durchlaufen, um (!) einen Einflufs auf den Bewufstseins-verlauf zu gewinnen. Was er meint, sind Aufmerksamkeitsverschiebungen, welche sich vor der Assoziation abspielen, welche aber ebensowenig wie alle \u00fcbrigen Bewufstseinsvorg\u00e4nge, welche vor dem Einwirken der assoziativen Elemente statthaben, den Eang eines \u201eFundamentalprozesses\u201c der Assoziation verdienen, vielmehr in die Psychologie der Aufmerksamkeit geh\u00f6ren.\nUnter \u201eEinwirkung\u201c versteht Verf. einen Einflufs .der Vorstellung, welcher den Vorstellungsverlauf \u00e4ndert. Das ist aber der Assoziationsprozefs selbst.\nEs wird hier die oben n\u00e4her besprochene Untersuchung gegeben, ob ein a ein nie mit ihm verbunden gewesenes b hervorrufen k\u00f6nne, wenn beide fr\u00fcher mit c verbunden waren, und auf deren positives Ergebnis werden 2 Arten der Einwirkung unterschieden: unmittelbare und mittelbare. Es handelt sich aber gar nicht um verschiedene Arten der Einwirkung, sondern der Unterschied betrifft bestimmte zur\u00fcckliegende Bedingungen des Zustandekommens von \u201eEinwirkungen\u201c oder Assoziationen. \u201eEinwirken\u201c l\u00e4fst \u00fcbrigens S. eine Vorstellung bald auf den Vorstellungsverlauf, bald auf eine andere Vorstellung (also auf etwas, das zur Zeit des Einwirkens noch nicht da ist).\n\u201eEin anderer Fundamentalprozefs ist das Hinzuf \u00fcgen.\u201c Ja, wenn das ein anderer Prozefs ist, worin bestand dann das Einwirken ? Die \u00c4nderung der Vorstellungsverlaufs ist ja' nur dadurch m\u00f6glich, dals dem a \u2014- um nach S.\u2019s Geschmack zu reden \u2014 ein b hinzugef\u00fcgt wird. Es handelt sich also hier um denselben einheitlichen Prozefs, der \u00fcberhaupt vorliegt, dafs ein b auf a folgt auf Grund irgend welcher Beziehungen zwischen beiden, nur dafs hier der unwesentliche Gesichtspunkt des Inhalts der assoziierten Vorstellung und insbesondere seines Verh\u00e4ltnisses zu dem der assoziierenden im Vordergrund steht. Ist in a b enthalten, (wie wenn \u201eohne\u201c \u201eohne was\u201c assoziiert), so liegt \u201eeinfache Hinzuf\u00fcgung\u201c vor. Tritt die assoziierende etwas in den Hintergrund, so haben wir \u201eHinzuf\u00fcgung mit Ver\u00e4nderung\u201c. Verschwindet sie ganz, so spricht Verf. in deplaziertem Mathematisieren von \u201eHinzuf\u00fcgen mit Verminderung auf 0 d. h. Substitution\u201c.\nAls vierter Prozefs wird das \u201eNachwirken\u201c aufgef\u00fchrt. Dies ist aber gar kein Prozefs, und vor allem nicht ein dem \u201eEinwirken\u201c u. s. w. koordinierbarer, vielmehr ist es die allgemeine Bedingung,","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"LittwaturbericM.\n225\nder M\u00f6glichkeit des Zustandekommens von Assoziationen \u00fcberhaupt und \u25a0damit auch aller etwaigen \u201eProzesse\u201c derselben.\nDen gr\u00fcndlich und treffend gef\u00fchrten Nachweis, dafs die reproduzierte Vorstellung nie v\u00f6llig identisch mit der urspr\u00fcnglichen ist, bauscht S. zu einer lebhaften Polemik gegen die Ausdr\u00fccke \u201eErneuerung, Koproduktion, Wiedererweckung\u201c u. s. w., wenigstens in grundlegenden Untersuchungen, auf, statt den Autoren einfach bei Einf\u00fchrung jener Ausdr\u00fccke eine einschr\u00e4nkende Bernerkuug anzuempfehlen. S. will nur von \u201eNachwirkungen\u201c einer Vorstellung gesprochen wissen und \u00fcbersieht, dafs dabei das Spezifische, das die Reproduktion von anderen Nachwirkungen unterscheidet, ganz verloren geht. Eine derartige Peinlichkeit w\u00fcrde sich auch gegen des Verf.\u2019s eigene Er\u00f6rterungen richten, wie ihre konsequente Durchf\u00fchrung \u00fcberhaupt jede Verst\u00e4ndigung abschneiden w\u00fcrde.\nZum Schlufs bem\u00e4ngelt S. unsere bisherigen Einsichten in den Assoziationsprozefs, entl\u00e4fst uns aber mit der Hoffnung, dafs er in einer sp\u00e4teren Arbeit eine \u201eTheorie\u201c begr\u00fcnden werde.\nVielleicht, dafs der erste grofse Fortschritt \u00fcber Abistoteles, welchen der Verf. in der Assoziationslehre bisher vermifst, in der noch zu erwartenden Arbeit zu hegr\u00fcfsen sein wird.\nIn der zweiten Arbeit: Vorstellung und Gef\u00fchl, will. S. die Frage entscheiden, ob das Gef\u00fchl neben der Vorstellung ein selbst\u00e4ndiges Element sei oder nicht. Einige Versuche beweisen dem Verf., dafs f\u00fcr den Blickpunkt des Bewufstseins Gef\u00fchle ohne Vorstellung ebenso wie Vorstellungen ohne Gef\u00fchl bestehen k\u00f6nnen. F\u00fcr das \u201eklare Bewufst-sein\u201c (S. 541) sind sie also trennbar.\nDagegen zeigen andere Versuche, dafs eine von einem Gef\u00fchl ver-verdr\u00e4ngte Vorstellung, oh sie auch aufserhalh des Blickpunktes, ja seihst des Bewufstseins \u00fcberhaupt steht, sich dennoch wirksam zeigt durch ihren Einflufs auf den weiteren Vorstellungsverlauf. Also steht die Vorstellung, wenn selbst aufser dem Bewufstsein, doch noch im psychischen Leben und so mit dem Gef\u00fchl in Verbindung.\nDaher hat die Selhst\u00e4ndigkeitstheorie recht f\u00fcr den Blickpunkt des Bewufstseins, die gegenteilige, welche, die Untrennharkeit des Gef\u00fchls von der Vorstellung behauptet, f\u00fcr das geistige Leben \u00fcberhaupt.\tLiepmann (Berlin).\nTh. Ribot. Enqu\u00eate sur les id\u00e9es g\u00e9n\u00e9rales. Berne philosophique. Bd. 32.\nS. 376\u2014388. (Okthr. 1891.)\nZahlreiche Untersuchungen \u00fcber das der sinnlichen Wahrnehmung entsprechende Vorstellungsbild (image) haben gezeigt, dafs sich ganz bestimmte Formen der Vorstellungsf\u00e4higkeit unterscheiden lassen, bedingt durch das ausgesprochene Vorwiegen einer besonderen Klasse von Vorstellungen \u2014 entweder solcher des Gesichts oder des Geh\u00f6rs oder eines anderen Sinnes. Es gieht nicht eine Vorstellungsf\u00e4higkeit im allgemeinen; dies ist nur ein unbestimmter Ausdruck, der sehr verschiedene individuelle Variet\u00e4ten bezeichnet, die die eigentlichen psychologischen Realit\u00e4ten sind, deren Studium f\u00fcr die Erkenntnis des geistigen Mechanismus wichtig ist.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie III.\n15","page":225}],"identifier":"lit14766","issued":"1892","language":"de","pages":"222-225","startpages":"222","title":"E. W. Scripture: 1. \u00dcber den associativen Verlauf der Vorstellungen, Inaug.-Dissert., Leipzig 1891. Auch: Philos. Studien VII, 1, S. 50-147. / 2. Vorstellung und Gef\u00fchl, Philos. Studien VI, 4, S. 536-542","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:01.971053+00:00"}