Open Access
{"created":"2022-01-31T16:55:30.433071+00:00","id":"lit14767","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Gaupp","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 225-227","fulltext":[{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n225\n\u2022der M\u00f6glichkeit des Zustandekommens von Assoziationen \u00fcberhaupt und damit auch aller etwaigen \u201eProzesse\u201c derselben.\nDen gr\u00fcndlich und treffend gef\u00fchrten Nachweis, dafs die reproduzierte Vorstellung nie v\u00f6llig identisch mit der urspr\u00fcnglichen ist, bauscht S. zu einer lebhaften Polemik gegen die Ausdr\u00fccke \u201eErneuerung, Reproduktion, Wiedererweckung\u201c u. s. w., wenigstens in grundlegenden Untersuchungen, auf, statt den Autoren einfach bei Einf\u00fchrung jener Ausdr\u00fccke eine einschr\u00e4nkende Bemerkuug anzuempfehlen. S. will nur von \u201eNachwirkungen\u201c einer Vorstellung gesprochen wissen und \u00fcbersieht, dafs dabei das Spezifische, das die Reproduktion von anderen Nachwirkungen unterscheidet, ganz verloren geht. Eine derartige Peinlichkeit w\u00fcrde sich auch gegen des Verf.\u2019s eigene Er\u00f6rterungen richten, wie ihre konsequente Durchf\u00fchrung \u00fcberhaupt jede Verst\u00e4ndigung abschneiden w\u00fcrde.\nZum Schlufs bem\u00e4ngelt S. unsere bisherigen Einsichten in den Assoziationsprozefs, entl\u00e4fst uns aber mit der Hoffnung, dafs er in einer sp\u00e4teren Arbeit eine \u201eTheorie\u201c begr\u00fcnden werde.\nVielleicht, dafs der erste grofse Fortschritt \u00fcber Aristoteles, welchen der Verf. in der Assoziationslehre bisher vermifst, in der noch zu erwartenden Arbeit zu begr\u00fcfsen sein wird.\nIn der zweiten Arbeit: Vorstellung und Gef\u00fchl, will. S. die Frage entscheiden, ob das Gef\u00fchl neben der Vorstellung ein selbst\u00e4ndiges Element sei oder nicht. Einige Versuche beweisen dem Verf., dafs f\u00fcr den Blickpunkt des Bewufstseins Gef\u00fchle ohne Vorstellung ebenso wie Vorstellungen ohne Gef\u00fchl bestehen k\u00f6nnen. F\u00fcr das \u201eklare Bewufst-sein\u201c (S. 541) sind sie also trennbar.\nDagegen zeigen andere Versuche, dafs eine von einem Gef\u00fchl ver-verdr\u00e4ngte Vorstellung, ob sie auch aufserhalb des Blickpunktes, ja selbst des Bewufstseins \u00fcberhaupt steht, sich dennoch wirksam zeigt durch ihren Einflufs auf den weiteren Vorstellungsverlauf. Also steht die Vorstellung, wenn selbst aufser dem Bewufstsein, doch noch im psychischen Leben und so mit dem Gef\u00fchl in Verbindung.\nDaher hat die Selbst\u00e4ndigkeitstheorie recht f\u00fcr den Blickpunkt des Bewufstseins, die gegenteilige, welche, die Untrennbarkeit des Gef\u00fchls von der Vorstellung behauptet, f\u00fcr das geistige Leben \u00fcberhaupt.\tLiepmann (Berlin).\nTh. Ribot. Enqu\u00eate sur les id\u00e9es g\u00e9n\u00e9rales. Revue philosophique. Bd. 32.\nS. 376\u2014388. (Oktbr. 1891.)\nZahlreiche Untersuchungen \u00fcber das der sinnlichen Wahrnehmung, entsprechende Vorstellungsbild (image) haben gezeigt, dafs sich ganz bestimmte Formen der Vorstellungsf\u00e4higkeit unterscheiden lassen, bedingt durch das ausgesprochene Vorwiegen einer besonderen Klasse von Vorstellungen \u2014 entweder solcher des Gesichts oder des Geh\u00f6rs oder eines anderen Sinnes. Es giebt nicht eine Vorstellungsf\u00e4higkeit im allgemeinen; dies ist nur ein unbestimmter Ausdruck, der sehr verschiedene individuelle Variet\u00e4ten bezeichnet, die die eigentlichen psychologischen Realit\u00e4ten sind, deren Studium f\u00fcr die Erkenntnis des geistigen Mechanismus wichtig ist.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie III.\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nLitteraturbericht.\nAnaloge Untersuchungen \u00fcber den Begriff, die id\u00e9e g\u00e9n\u00e9rale, dahin gehend, ob nicht auch der Begriff nur eine solche -vage Formel, die ihre eigentliche psychologische Realit\u00e4t in noch unbestimmten Typen und Variet\u00e4ten hat, scheinen dem Verfasser sehr n\u00fctzlich, und seine Abhandlung soll ein erster Versuch auf diesem Gebiet sein.\nSeine Frage lautet :\nWenn wir einen allgemeinen Ausdruck denken, h\u00f6ren oder lesen, was findet sich dann unmittelbar und ohne Reflexion aufser dem Zeichen im Bewufstsein?\nUntersuchungsmethode: Verf. richtete im ganzen bis jetzt an 103 Personen von verschiedenstem Bildungsgrad, verschiedenster Geistesrichtung und Berufsart die Frage: Ich werde einige Worte aussprechen, ich bitte Sie mir augenblicklich und ohne \u00dcberlegung zu sagen, oh die Worte nichts in ihrem Geist hervorrufen, und wenn ja, was? Damit die Antworten genau vergleichbar, wurden Kinder ausgeschlossen. Die Antwort wurde augenblicklich notiert, hlieh sie l\u00e4nger als 5\u20146 Sekunden aus, so galt sie nicht. Die in beliebiger Ordnung vorgebrachten Worte waren: Hund, Tier, Farbe, Form, Gerechtigkeit, G\u00fcte, Tugend, Gesetz, Zahl, Kraft, Zeit, Beziehung, Ursache, Unendlichkeit. Nur solche Individuen, die bestimmt vom Zweck des Fragers nichts wissen konnten, wurden gefragt. Das Total der Antworten betrug 900.\nEine einfache Best\u00e4tigung der auf diesem Weg gewonnenen Resultate erhielt der Verf., indem er in vielen F\u00e4llen statt der einzelnen Worte ganz allgemeine S\u00e4tze wie: Die Ursache geht der Wirkung voran etc. vor legte. Resultate: Verfasser unterscheidet auf Grund seines Materials 3 reine oder Haupttypen:\nI.\tType concret:\nDas abstrakte Wort ruft beinahe immer ein mehr oder weniger deutliches Bild hervor. Personen dieses Typus denken in Bildern. Das Wort ist f\u00fcr sie nicht ein einfaches Zeichen, sondern es bildet sich unmittelbar und spontan in etwas Konkretes um.\nDieser Typus der verhreiteste : beinahe alle Frauen, K\u00fcnstler und alle, die nicht an wissenschaftliche Abstraktionen gew\u00f6hnt sind \u2014 aber durchaus nicht ausschliefslich solche.\nII.\tType visuel typographique.\nUnter seiner reinen Form besteht er darin, dafs die unter ihn Fallenden die gedruckten Worte sehen und nichts weiter. Gew\u00f6hnlich wird bei halbkonkreten Begriffen (Hund, Tier, Farbe) das Bild des gedruckten Wortes wie hei Type I von einem konkreten Bild begleitet, aber nie hei ganz abstrakten. \u2014 Hierher geh\u00f6ren haupts\u00e4chlich B\u00fcchermenschen \u2014 aber nicht ohne viele Ausnahmen. \u2014 Verfasser, ganz zu Type I geh\u00f6rig und auf Type II gar nicht vorbereitet, bemerkte ihn erst heim 30. Versuch, wo er ihm an einem bekannten Physiologen in reinster Form entgegen trat.\nIII.\tType auditif.\nSehr selten ganz rein; besteht darin, dafs man im Geist nichts hat als T\u00f6ne, Geh\u00f6rsbilder, ohne irgend eine Begleitung weder vom Sehen der gedruckten Worte noch konkreter Bilder.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"l\u00c2tteraturbericht.\n227\nIV. Die allerh\u00e2ufigste Antwort aber war \u201enichts\", keine Person wurde gefragt, wo dies nicht wenigstens einmal, oft drei-, viermal geantwortet wurde. So bei Ursache 53 \u00b0/o aller Antworten. \u2014 Was ist dieses \u201enichts\u201c, denn etwas mufs es sein?\nWir haben hier zwei Elemente zu unterscheiden: 1. eines, das im Bewufstsein existiert (das geh\u00f6rte oder gesehene Wort); 2. eines unter der Schwelle des Eewufstseins, das aber deshalb nicht ohne Wert und Wirksamkeit ist. \u2014 Um nun die Rolle dieses zweiten immer aktiven, aber stillen Faktors zu bestimmen, ist das einfachste Verfahren zu untersuchen, wie man \u00fcberhaupt zum Verst\u00e4ndnis allgemeiner Begriffe gelangt. Legt man einem Neuling ein philosophisches Werk vor, so versteht er zuerst nichts. Der einzige Weg, es ihm zu erkl\u00e4ren, ist, der Reihe nach die abstrakten Ausdr\u00fccke in konkrete Vorg\u00e4nge, in Thatsachen der gew\u00f6hnlichen Erfahrung zu \u00fcbersetzen. Mit jedem neuen Versuch wird dies unn\u00f6tiger, und was erst Stunden zum Verst\u00e4ndnis erforderte, braucht nun nur Minuten. D. h. kurz: man lernt allgemeine Begriffe verstehen wie man Tanzen, ein Instrument spielen lernt. Es ist eine Gewohnheit, d. h. ein organisches Ged\u00e4chtnis. Die allgemeinen Ausdr\u00fccke verdecken ein organisiertes latentes Wissen. Sie sind die Gewohnheiten im Reich des Denkens, und wie jeder vollkommenen Gewohnheit die Unterdr\u00fcckung der Ausstreuung entspricht, so auch dem vollkommenen Begreifen.\nWas also allemal vorgeht, wenn wir im Bewufstsein nur das allgemeine Wort haben, ist nichts als ein Spezialfall einer sehr allgemeinen psychologischen Thatsache, die darin besteht, dafs die n\u00fctzliche Arbeit unter der Schwelle des Bewufstseins verrichtet wird, und in demselben sich nur Resultate oder Zeichen derselben finden. In einem solchen Fall ist das allein im Bewufstsein Existierende nur der oberfl\u00e4chliche und sichtbare Teil des Vorganges; das eigentlich Bedeutsame aber, das dem Wort seinen Wert verleiht, ist sein unbewufstes Substrat, das potentielle organisierte Wissen.\tGaupp (London).\nJ. Donovan. The festal origin of human speech. Mind, XVI. (1891.)\nNr. 64, S. 498-507.\nVerf. versucht die Wurzeln, die philologisch betrachtet sich als nicht weiter reduzierbareWortelemente darstellen, durch eine psychologische Analyse noch weiter zur\u00fcckzuf\u00fchren, wobei f\u00fcr den Gang der Untersuchung seine \u00dcberzeugung, dafs der Ursprung der Musik eine viel einfachere psychologische Maschinerie voraussetzte als der Ursprung der Sprache, mafsgehend ist. Dm in dem beginnenden Vergn\u00fcgen an Musik den Impuls, der die Vorfahren der Menschen zur Entwickelung der Sprache trieb, nachzuweisen, legt Verf. den engen Zusammenhang dieses Vergn\u00fcgens mit den \u00e4ltesten Festen und Spielen dar. Er zeigt, wie sich \u00fcberall als konstante Elemente dieser \u00e4ltesten Feste 1. k\u00f6rperliche Spielbewegungen in Nachahmung von Th\u00e4tigkeiten, 2. rhythmisches Schlagen, 3. einige Ann\u00e4herung an Gesang und 4. ein gewisser Grad gemeinschaftlichen Interesses finden. Er betont, dafs eben die nat\u00fcrlichen Ausdrucksmittel eines Bewufstseinszustandes, der von einem Vergn\u00fcgen an k\u00f6rperlicher Spielerregung und von einem gemeinsamen Hoch-\n15*","page":227}],"identifier":"lit14767","issued":"1892","language":"de","pages":"225-227","startpages":"225","title":"Th. Ribot: Enqu\u00eate sur les id\u00e9es g\u00e9n\u00e9rales. Revue philosophique, Bd. 32, S. 376-388, Okt. 1891","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:55:30.433077+00:00"}