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{"created":"2022-01-31T17:00:06.388048+00:00","id":"lit14802","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 244-245","fulltext":[{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nLitteraturbericht.\nund der Kranke h\u00f6rt seine Gedanken, als wenn sie ihm von aufsen her zugesprochen w\u00fcrden. Aufserhalb des Gedankenganges entstehen Worte, S\u00e4tze, Monologe, und w\u00e4hrend er an ganz andere Dinge denkt, h\u00f6rt er sich von seinen Feinden interpelliert. Indem er darauf antwortet, bildet sich ein Zwiegespr\u00e4ch zwischen dem Kranken, der den (erkrankten) Stirnlappen darstellt, und dem Gegner, der im Schl\u00e4fenlappen sitzt. Im zunehmenden Verlaufe der Erkrankung wird die Unabh\u00e4ngigkeit der Rindenzentren noch gr\u00f6fser, sie werden automatisch th\u00e4tig und der Kranke steht ihnen wie ein Fremder gegen\u00fcber. Es ist eine Verdoppelung der Pers\u00f6nlichkeit. Diese Halluzinationen fehlen bei der P. compl\u00e9ta nie, w\u00e4hrend man sie bei den Entarteten vergeblich suchen w\u00fcrde. Ebensowenig finden wir hier eine systematische Entwickelung und bestimmt voneinander geschiedene Perioden.\nMeist schon fr\u00fch (zuweilen mit 10\u201412 Jahren) entwickelt sich bei dem Entarteten die Geistesst\u00f6rung aus dem Charakter heraus, und der Wahn ist oft nur das Zerrbild des Charakters. Die Lebensgeschichte des Kranken ist seine Krankheitsgeschichte, die meisten dieser Kranken sind entwickelungsunf\u00e4hig, und die fixen Ideen entstehen prim\u00e4r. Kommt es \u00fcberhaupt zu ihrer Begr\u00fcndung, so ist diese sp\u00e4ter entstanden.\nDer Mangel an innerem Gleichgewicht, der allen diesen Entarteten gemeinsam ist, nimmt im Laufe der Jahre immer mehr zu und l\u00e4fst endlich an der Krankheit nicht mehr zweifeln. Bis dahin aber war eine bestimmte Diagnose oft schwer genug, und mancher dieser Entarteten mufs vor Gericht seine erbliche Belastung als Schuld und Verbrechen schwer b\u00fcfsen. Hierzu geh\u00f6ren die verfolgten Verfolger, die Querulanten die an moralischem Irrsinn Leidenden u. a. m.\nMagnans Schreibweise ist durchsichtig und klar und sie verliert durch die \u00dcbersetzung nicht an diesen Vorz\u00fcgen, was bei einem franz\u00f6sischen Buche viel besagen will.\nEine Reihe (32) gut ausgew\u00e4hlter Krankengeschichten dient den Ausf\u00fchrungen Magnans zur weiteren St\u00fctze.\nDem Anscheine nach sollen dem I. nach andere Hefte folgen, was wir in diesem Falle mit Freuden begr\u00fcfsen w\u00fcrden.\tPelman.\nChr. Ufer. Geistesst\u00f6rungen in der Schule. Ein Vortrag nebst dreizehn Krankenbildern. Wiesbaden, Bergmann, 1891.\t50 S. Mi. 1,20.\nUfer hat seine Bef\u00e4higung zu derartigen Untersuchungen bereits in einer anderen Schrift nachgewiesen, die den Titel tr\u00e4gt: \u201eNervosit\u00e4t und M\u00e4dchenerziehung in Schule und Haus\u201c, und wir k\u00f6nnen die Arbeiten des praktischen P\u00e4dagogen nur willkommen heifsen.\nSo wichtig die Beachtung der Eigent\u00fcmlichkeiten in der Entwickelung des kindlichen Seelenlebens unbestritten ist, so wenig Aufmerksamkeit wird diesen Eigent\u00fcmlichkeiten in Wirklichkeit geschenkt, und nicht am wenigsten in der Schule. Hieraus den Lehrern einen Vorwurf machen zu wollen, w\u00e4re ungerecht, man m\u00fcfste denn ein Mafs psychiatrischer Ausbildung bei ihnen voraussetzen, das zur Zeit selbst den Medizinern fehlt. Um so freudiger aber m\u00fcssen wir jeden Versuch begr\u00fcfsen, diese mangelnde Kenntnis auszuf\u00fcllen und die Lehrer anzuregen,","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n245\nden ihnen anvertrauten Kindern eine gr\u00f6fsere und bessere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Geschieht dies alsdann mit der Sachkenntnis Ufers, dann wird auch hoffentlich der Erfolg nicht ausbleiben. Jedenfalls ist schon viel gewonnen, wenn die Anschauung in breiteren Kreisen zur Geltung kommt, dafs manches von dem, was jetzt als Ungezogenheit bei den Kindern aufgefafst und dementsprechend bestraft wird, ein krankhaft bedingtes Nichtk\u00f6nnen, kurz wirkliche Krankheit ist, wof\u00fcr das eigene Wissen und K\u00f6nnen des Lehrers nicht mehr ausreicht und die Th\u00e4tigkeit eines Arztes einzutreten hat.\nUfer belegt seine Ausf\u00fchrungen mit 13 Krankenbildern, die er gr\u00f6fstenteils der psychiatrischen Fachlitteratur entnommen hat.\nWie schwer es dem Nicht-Psychiater bei allem guten Willen wird, eine richtige Deutung \u00e4hnlicher Krankheitszust\u00e4nde zu gewinnen, zeigt u. a. eine andere, an sich h\u00f6chst interessante Schrift, auf die ich hier ebenfalls aufmerksam machen m\u00f6chte, n\u00e4mlich \u201eG. Siegert, Problematische Kindesnaturen\u201c. Um so mehr ist den Bestrebungen Ufers ein guter Erfolg zu w\u00fcnschen.\tPelman.\nHolst. Die Behandlung der Hysterie, der Neurasthenie und \u00e4hnlicher allgemeiner funktioneller Neurosen, 3. Aufl. Stuttgart, Enke. 1891. 9SS. Levillain. Hygi\u00e8ne des gens nerveux. Avec gravures dans le texte. Paris. Alcan. 1891. 308 S.\nDiese beiden B\u00fccher haben im Grunde nichts miteinander gemein, als dafs sie so ziemlich denselben Gegenstand behandeln. W\u00e4hrend Holst ganz auf dem Boden der eigenen Erfahrung steht, und diese Erfahrung seinen Eachgenossen zur Beurteilung vorlegen will, ist es mir nicht recht klar geworden, f\u00fcr welche Kreise Levillain sein Buch bestimmt hat. Allem Anschein nach f\u00fcr Laien, aber hierf\u00fcr ist es eigentlich zu umfangreich und auch mit zu vielem gelehrten Beiwerke umgeben, obwohl dieses Beiwerk wiederum f\u00fcr \u00c4rzte allzu d\u00fcrftig und unzureichend ist.\nBei alledem liest sich das Buch leicht, und die allen Franzosen gel\u00e4ufige Kunst des Stils l\u00e4fst uns \u00fcber manche oberfl\u00e4chliche Schilderung hinwegsehen. Dementsprechend ist die Darstellungsweise klar, und wenn uns auch kaum etwas Neues geboten wird, so ist das Bekannte doch mit Geschick zusammengestellt, und der Verfasser zeigt sich \u00fcberall als ein n\u00fcchterner und verst\u00e4ndiger Beurteiler der obwaltenden Verh\u00e4ltnisse. Besonders eingehend behandelt er die di\u00e4tetischen Verhal-tungsmafsregeln, und wenn er als Franzose seinen Rotweinen schon das weitgehendste Mifstrauen entgegenbringt, so d\u00fcrfen wir in Deutschland sicherlich noch weniger von ihnen erwarten. Wer sich \u00fcber die Hygiene der Nervosit\u00e4t unterrichten will, wird in dem Buche so ziemlich alles zusammengetragen finden, was zur Zeit \u00fcber diesen Gegenstand bekannt und ver\u00f6ffentlicht ist. Wenn Levillain aber und mit Recht den Grundsatz aufstellt, primo non nocere, so k\u00f6nnte man, und vielleicht auch mit Recht, daran die Frage kn\u00fcpfen, ob nicht eine zu weit gehende Belehrung der Laien schon zu den Sch\u00e4dlichkeiten geh\u00f6re, die man besser zu vermeiden h\u00e4tte. Der Rat, den Arzt zu gebrauchen, wird","page":245}],"identifier":"lit14802","issued":"1892","language":"de","pages":"244-245","startpages":"244","title":"Chr. Ufer: Geistesst\u00f6rungen in der Schule, Ein Vortrag nebst dreizehn Krankenbildern. Wiesbaden, Bergmann, 1891","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:06.388053+00:00"}