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{"created":"2022-01-31T16:58:18.700563+00:00","id":"lit14806","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Liebmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 247-249","fulltext":[{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n247\nTJ. St\u00e9fani. Contribute\u00bb alio studio dell\u2019 ansia neurastenica. Biv. di\nfreniatr. XVII. 3. (1891.) S. 317-345.\nEin Eall von Zwangsvorstellungen der seltenen Art, bei der (Gesichts-, Geh\u00f6r-) Halluzinationen auftreten, giebt dem Verfasser Veranlassung, sich \u00fcber das ganze Gebiet der seit Morel angeregten Frage zu verbreiten, die gegenw\u00e4rtig als dem Unbewufsten zugeh\u00f6rig angesehen wird (s. oben Tanzi). Dafs Empfindungen unbewufster Art den h\u00e4ufigsten Grund zu Zwangs\u00e4ufserungen abgeben (welchen Ausdruck Ref. f\u00fcr den geeignetsten h\u00e4lt, um s\u00e4mtliche dahin geh\u00f6rige, Empfindung, Intellekt und Willen betreffende Zust\u00e4nde zusammenfassend zu bezeichnen), ist wenigstens aus der umfangreichen Litteratur zu entnehmen, die auf und gegen Westphals Ausspruch sich erhoben hat, dafs es reine Zwangsideen, unvermischt mit Empfindung und Handlung, giebt, die nie zu Geistesst\u00f6rung f\u00fchren. \u2014 Der Charakter der Zwangs-\u00e4ufserungen ist der, dafs das betreffende Individuum sich bewufst ist, gegen sein eigentliches Empfinden, gegen sein besseres Wissen und Wollen sich zu \u00e4ufsern. \u2014 Die \u201eAngst\u201c des Verf. ist im Grunde nur der verst\u00e4rkte, krankhafte Ausdruck eines seelischen Zustandes, der jedem, auch dem ges\u00fcndesten Thun, sei es Empfinden, Wissen, Wollen anhaftet, indem es als einen geraden Gegensatz im Hintergr\u00fcnde (im \"Unbewufsten, Dessoirs Unterbewufsten) schlummert, und erst als Angstgef\u00fchl in die Erscheinung tritt, wenn das Element des Empfindens den hemmenden Einflufs der andern Elemente \u00fcberwindet. Der Zwang (unser deutsches Wort enth\u00e4lt den Begriff der Enge) ist der Ausdruck jenes Znstandes in der Richtung der Bewegung (Impuls). In diesem Sinne scheint S. seinen Fall aufzufassen. Ein heftiger \u00c4rger gab bei der, \u00fcbrigens erblich belasteten, hochgradig erregbaren Frau den ersten Anstofs zur Angst, die sie selbst mit neugebildeten W\u00f6rtern, als St\u00f6fse im Kopf (scioccamenti), Schn\u00fcrungsgef\u00fchl in der Brust (struccamento) und Angst (convulso, tremazzo) bezeichnete, die einer ganzen Reihe von Zwangs\u00e4ufserungen \u2014 Zweifel, Furcht vor Ber\u00fchrung, sogar vor Worten, Drang zum Predigen, zum Singen u. a. m., und den wirklichen Halluzinationen vorausgingen. \u2014 Dafs die Angst eine Erscheinung der Neurasthenie sei, nimmt Verf. mit Friedenreich an und h\u00e4lt sie f\u00fcr eine Reflex- oder vielmehr f\u00fcr eine Summe von Reflexerscheinungen (s. S. 340 Anm.).\tFrankel (Dessau).\nMercklin. \u00fcber die Beziehungen der Zwangsvorstellungen zur Paranoia.\nAllg. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 47 (1891). S. 628\u2014668.\nSo lange wie die Lehre von den Zwangsvorstellungen besteht, hat man sich mit der Frage besch\u00e4ftigt, ob zwischen ihnen und der Paranoia, speziell dem haupts\u00e4chlichen Symptom derselben, den Wahnvorstellungen, genetische Beziehungen bestehen. Dieser Frage tritt Mercklin von zwei Gesichtspunkten aus n\u00e4her. Erstens verfolgt er den Verlauf und die Ausg\u00e4nge der \u201eGeistesst\u00f6rung durch Zwangsvorstellungen\u201c, um zu entscheiden, ob ein \u00dcbergang in Wahnvorstellungen resp. Paranoia h\u00e4ufiger vorkommt. Zweitens durchsucht er die Vorgeschichte von paranoischen Kranken nach einem Stadium, welches etwa Zwangsvor-","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nLitter aturbericht.\nStellungen und die Umbildung derselben in Wahnideen erkennen liefse. Im Anschlufs daran wird dem Vorkommen von Zwangsvorstellungen bei bereits ausgebildeter Paranoia Beachtung geschenkt.\nI. Als nebens\u00e4chliches und vor\u00fcbergehendes Symptom treten die Zwangsvorstellungen h\u00e4ufig bei neurasthenischen und hysterischen Personen auf. Ein solches Individuum kann nun, wie von anderen Geisteskrankheiten, so auch von Paranoia befallen werden, ohne dafs zwischen dieser und den Zwangsvorstellungen ein innerer Zusammenhang nachweisbar w\u00e4re. \u2014 Die eigentliche \u201eZwangsvorstellungspsychose\u201c zeigt h\u00e4ufig einen progressiven Verlauf, und ihr h\u00f6chstes Stadium, das dritte nach der Einteilung von Lkgraxd du Saulle, bietet grofse \u00c4hnlichkeit mit manchen F\u00e4llen von Paranoia dar. Der Kranke kann schliefslich von seinen Zwangsvorstellungen g\u00e4nzlich beherrscht und in seinem Thun und Handeln aufs \u00e4ufserste beschr\u00e4nkt werden. In der That sind diese Zust\u00e4nde auch von manchen Psychiatern der Paranoia zugez\u00e4hlt worden. Mit Unrecht, denn es fehlt bei ihnen jedwede Neigung, die krankhaften Vorstellungen zu einem System auszubauen, und es pflegt selbst in den extremsten F\u00e4llen eine gewisse Krankheitseinsicht erhalten zu sein. Es giebt indessen auch F\u00e4lle, in denen das \u201eIrresein durch Zwangsvorstellungen\u201c in wirkliche Paranoia \u00fcbergeht, -doch sind dieselben relativ selten, j edenfalls nicht h\u00e4ufiger als der \u00dcbergang in andere Geistesst\u00f6rungen.\nVon den in diesem Teil der Arbeit mitgeteilten Krankengeschichten erscheint besonders die dritte interessant : Ein 18j\u00e4hriges M\u00e4dchen hegt im Beginne ihrer Erkrankung die zwangsm\u00e4fsige Bef\u00fcrchtung, dafs ihre H\u00e4nde schmutzig und \u00fcbelriechend sein k\u00f6nnten. Sp\u00e4terhin behauptete sie, dafs sie den Schmutz deutlich f\u00fchle und rieche, \u00fcberall nahm sie einen f\u00e4kalen Geruch war, sie entschlofs sich daher nur schwer zum Essen. \u00c4ngstliche Erregung, Gesichtshallucinationen traten hinzu. Der Verlauf war anf\u00e4nglich remittierend, sp\u00e4ter bildete sich ein stabiler Zustand aus. Sie sieht \u00fcberall schwarze Flecken, eine dunkle Fl\u00fcssigkeit spritzt unter ihrem Fufs hervor u. s. w. Dementsprechend glaubt sie alles, was sie anr\u00fchrt, zu verunreinigen und meidet m\u00f6glichst den Umgang mit Menschen. Sie ist vollkommen \u00fcberzeugt von der Kealit\u00e4t ihrer Hallucinationen und demgem\u00e4fs von der Berechtigung ihrer Bef\u00fcrchtungen. Es haben sich also die anfangs bestehenden Zwangsvorstellungen durch den Hinzutritt unterst\u00fctzender Hallucinationen in Wahnvorstellungen umgewandelt. Eine eigentliche Paranoia ist das so entstandene Krankheitsbild nicht; Mercklin ist geneigt, dasselbe unter gewissen Vorbehalten als sekund\u00e4re Verr\u00fccktheit zu bezeichnen.\nII. Tuczek hat die Behauptung aufgestellt, dafs bei der Paranoia die successive Entwickelung von Wahnideen aus Zwangsvorstellungen ein gew\u00f6hnlicher Vorgang sei. Merckxin kann dem nicht beipflichten. Die Wahnvorstellungen pflegen bei der Paranoia unvermittelt als solche aufzutreten. Der Kranke h\u00e4lt sie von vornherein f\u00fcr objektiv begr\u00fcndet, f\u00fcr wahr. Grade diese Kritiklosigkeit, die auf eine gewisse psychische Schw\u00e4che zur\u00fcckgef\u00fchrt werden mufs, bildet das Charakteristische des Vorgangs. Der an Zwangsvorstellungen Leidende dagegen steht mit seinem Bewufstsein dem Eindringling feindlich gegen\u00fcber, er empfindet","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturlericht.\n249\nden \u201eZwang\u201c. Allerdings k\u00f6nnen die Wahnvorstellungen im Beginn der Paranoia zeitweise zur\u00fccktreten, und w\u00e4hrend dieser Zeit mag auch hier eine richtige Beurteilung von seiten des Kranken stattfinden. Mercklin schl\u00e4gt vor, die Wahnvorstellungen in diesem Stadium als \u201emobile\u201c zu bezeichnen.\nNur in seltenen F\u00e4llen wird die Paranoia durch ein Stadium eingeleitet, welches durch Zwangsvorstellungen charakterisiert ist ; einen \u00dcbergang derselben in Wahnvorstellungen hat Mercklin bei der Paranoia niemals beobachtet. Auch bei der ausgebildeten Paranoia lassen sich manchmal neben den Zwangsvorstellungen auch Wahnvorstellungen nach-weisen, ohne dafs ein innerer Zusammenhang derselben mit der Haupterkrankung erkennbar ist.\tLiebmann (Bonn).\nO. Klinke. \u00dcber Zwangsreden. Allg. Zeitschr. f\u00fcr Psychiatrie. Bd. 48,\nHeft 1\u20142 (1891) S. 91\u2014108.\nVerfasser giebt in vorliegendem Aufsatze eine kurze \u00dcbersicht \u00fcber die bisher mitgeteilten Anschauungen \u00fcber Zwangsreden, wobei er insbe-sonders der Verbigeration (Kahlbaum) gedenkt. Er berichtet dann ausf\u00fchrlich \u00fcber einen von ihm beobachteten Fall von akutem halluzinatorischem Irresein, der neben dem Zwangsreden noch die Symptome des Gedankenlautwerdens sowie die der Zwangsstellung und Zwangsbewegung darbot ; die Mitteilung gewinnt dadurch besonders an Interesse, dafs sie uns die \u00c4ufserungen der Patientin wortgetreu nach Stenogrammen wiedergiebt. Bei seinen epikritischen Betrachtungen gelangt Verf. zu dem Schluss, dafs von allen bisher aufgestellten Hypothesen die CRAMERSche noch am annehmbarsten erscheint, welche das Zwangsreden und Gedankenlautwerden auf eine halluzinatorische Erregung im Bereich des Muskelsinns des Sprechapparats zur\u00fcckf\u00fchrt. (A. Cramer, Die Halluzinationen im Muskelsinn, 1889).\nEs wird hierbei unter Muskelsinn diejenige centripetal verlaufende Sinnesbahn verstanden, deren Aufnahme-Station in dem betreffenden Muskel gelegen ist und deren spezifische Energie darin besteht, dafs sie Bewegungs-Empfindungen nach der Hirnrinde transportiert, die dort zu Vorstellungen von der betreffendeu Bewegung umgesetzt und als solche deponiert werden. Wird nun diese Sinnesbahn halluzinatorisch erregt, so wird naturgem\u00e4fs das Bewufstsein Nachricht erhalten \u00fcber eine Bewegung, welche in Wirklichkeit nicht ausgef\u00fchrt worden ist; dies hat dann nach Cramer wiederum zur Folge, dafs eine jene vorget\u00e4uschte Bewegung korrigieren sollende Bewegung erfolgt, oder dafs, falls der Heiz st\u00e4rker ist, die betreffende Bewegung nun wirklich ausgef\u00fchrt wird.\tE. Schultze (Bonn).\nJohn Macpherson. Mania and Melancholia. Joarn. of ment, science.\nBd. 37. No. 157. (April 1891.) S. 212-225.\n\u00dcber den Wert oder Unwert der Hypothesen in der medizinischen Wissenschaft ist schon viel gestritten worden. So viel d\u00fcrfte indes feststehen, dafs uns eine gute Hypothese zuweilen weiter gebracht hat, als die langwierigsten Untersuchungen, und dafs wir die Hypothesen in der Psychiatrie wenigstens nicht entbehren k\u00f6nnen. In England nun","page":249}],"identifier":"lit14806","issued":"1892","language":"de","pages":"247-249","startpages":"247","title":"Mercklin: \u00dcber die Beziehung der Zwangsvorstellungen zu Paranoia. Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 47, 1891, S. 628-668","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:18.700568+00:00"}