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Ueber den Nutzen der Schilddrüse

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{"created":"2022-01-31T14:37:15.004232+00:00","id":"lit14827","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Hofrichter, Benedict","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 6: 161-186","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Deut fch es Archiv\nf\u00fcr die\nPHYSIOLOGIE.\nSechster Band. Zweites Heft.\nI.\nUeber den Nutzen der Schilddr\u00fcfe, von Dr. Benedict Hofrichter, Kreisphylicus zu\nPoln. Wartenberg.\nIn der gl\u00e4nzendften Periode des Brownianism wurde diele Abhandlung gefchrieben, und i\u2019aft in derfelben Ge-ftalt, in weicher lie hier erfcheint, fchun im Jahr 1^07 an die k. k. Jofephimfche Akademie eingefchickt. Da ich mich leit jener Zeit noch nicht von ihrer Unwahrheit habe \u00fcberzeugen k\u00f6nnen ; i'o nehme ich keinen Anhand, fie zur Pr\u00fcfung des \u00e4rztlichen Pubiicums zu bringen.\nZwar fehlt es nicht an Meinungen \u00fcber den Nutzen der Schilddr\u00fcfei aber alle kr\u00e4nkeln an dem Gebrechen, ihr eine \u00dfeftimmung anzuvveil\u2019en, die ihrem anl'ehnli-chen Gefals- Apparat ganz und gar nicht angemeiten ii\u2019t. Ich bin nicht gel\u00f6nnen, diefe Meinungen, die man gr\u00f6fs-ten Theils bei Sommer in g ( v. \u00df. d. M. K. ) geiammeit und widerlegt findet, hier neuerdings auizuz\u00e4hlen, in-defs kann ich mir es nicht Verlagen, diejenige Meinung, welche man f\u00fcr die wahrfcheinlichite h\u00e4lt, hier etwas n\u00e4her zu pr\u00fcfen.\nM. d. Archiv. VI. 2.\nL","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nRiefe Meinung und. ihre Pr\u00fcfung.\nDiefer Meinung zu Folge foil clerNutzen derSchild-dr\u00fcfe darin beftehen, \u201eden Andrang des Blutes nach dem Gehirn zu brechen, und daffelbe gegen die Wirkungen aller der krankhaften Urfachen, welche das Blut zu lehr nach demfelben treiben, zu fchiitzen. \u201c\nRush 1 ) hat befonders diefe Meinung in Schutz genommen, wir wollen hier die von ihm zu ihrer Un-terftiitzung angef\u00fchrten Gr\u00fcnde der Reihe nach ange-ben, und lie mit einigen Bemerkungen begleiten. Diele Gr\u00fcnde find folgende:\ni) Die Lage diefer Driife auf dem Kehlkopf und die grofse Anzahl ihrer Schlagadern, deren Blut, ohne dafs etwas einer Abfonderung \u00e4hnliches erfolgte, durch die Venen zur\u00fcckgef\u00fchrt wird.\nWas den erlteren Punkt, die Lage diefer Driife auf dem Kehlkopf, anbelangt, fo w\u00fcrde diefer Umftand mehr zu Gunften derjenigen Meinung, die den Nutzen diefes Organs darein fetzt, den unteren Theil des Kehlkopfs und den oberen Theil der Luftr\u00fchre vor der K\u00e4lte der \u00e4ufseren Luft und anderen Befch\u00e4digungen zu fchiitzen, als f\u00fcr den von Rush angegebenen Nutzen fprechen. Oder f\u00fcllte Rush, der fich hier nicht deutlich genug erkl\u00e4rt hat, diefes vielleicht deswegen, weil diefe Driife zwifchen dem Herzen und Hirn gelagert ift, und folglich ihr Blut fr\u00fcher als das Hirn aus der Aorte erh\u00e4lt, f\u00fcr wahrfcheinlich halten? dann liefse fich diefer Grund auf jedes andere Organ, das fein Blut fr\u00fcher als ein zweites aus der Aorte bezieht, mit Recht an wenden. Was aber von vielen gefagt werden kann, ift platterdings nicht als Eigenth\u00fcmlichkeit des Einzelnen zu betrach-\ni) Sammlung auseilesner Abhandlungen f\u00fcr praktifche Aerzt\u00ab, 20. Bd, S. $+7 ff.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"163\nten, diefer Umftand ift daher wenig geeignet, ein g\u00efln-ftiges Vorurtheil f\u00fcr die Rush\u2019fche Meinung zu erregen. Was aber den zweiten Umfiand , dufs n\u00e4mlich da\u00ab Blut der zahlreichen Arterien, ohne dafs etwas iner A ifon-derung \u00e4hnliches erfolgte, durch die Venen /ui\u00fc kge-f\u00fchrt werde, betrifft; fo ift gar nicht abzulehen, wie daraus der Schlufs, dafs die Schilddrille ein emftweiii-ges Aufnahme Beh\u00e4ltnifs des Blutes fey, gezogen werden k\u00f6nne. Die fachigen K\u00f6rper der m\u00e4nnlichen f\\u-the bekunden zur Zeit der Steifung dn-fe ihre B.-I.'m-inung durch den Augenfchein, bei der Schilddnife bemerken wir zur Zeit der Leidenfchaften, des Orgasmus des Blutes, bei Anftrengungen, Sprechen, Schreien u. f. w. nichts dergleichen, und fo lange nicht deutlichere Thatfachen f\u00fcr die obige Meinung fprechen, k\u00f6nnen wir fie als eine blofse Conjeetur betrachten.\nEin anderer Grund, den Rush f\u00fcr leine Meinung anf\u00fchrt, ift der, dufs\na) diefe \u00fcriife beim weiblichen Gefchlecht gr\u00f6fser als beim m\u00e4nnlichen gefunden werde.\nDie Urfache davon liegt nach ihm in der Nothwen-digkeit, die Frauenspersonen gegen den Einflufs der zahlreichen Url\u00e4chen von Reizung und Gemii'hsbewe-gungen, und der hitzigeren und fehnelleren Kiankhei-ten, denen das weibliche Gefchlecht mehr als das m\u00e4nnliche unterworfen zu feyn pflegt, zu fchiitzen.\nEhe diefer angef\u00fchrte Umftand nur die Vermu-thung \u00fcber den angegebenen Nutzen begr\u00fcndet, mufs vor allen dargethan werden, dafs das weibliche Gefchlecht allen den Reizungen und Gem\u00f6thsbewegungen nothwendig nachgeben muffe. Bevor diele Nothwendig-keit nicht erwiefen ift, kann jene Meinung nicht Platz greifen, oder die ganze Sache mufs als eine blofse galante Verg\u00fcnftigung der Natur gegen das fchwachere Gefchlecht angefehen werden. Daun ftehet aber erft zu\nLa\n","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nerwarten, ob die Pliyfiologie eine dergleichen Galanterie genehmige.\nRush ift aber noch nicht zufrieden, den Nutzen der Schilddriife darein zu fetzen, das Hirn gegen die Ur-fachen der Reizung und Gern.ithsbewegungen zu fch\u00fct-zen, fondern er gehet noch weiter, und meint, dafs fie auch, und vorz\u00fcglich wiederum das weibliche Ge-fchlecht, gegen die hitzigeren und fchnelier wirkenden Krankheiten verwahren foil.\nAus diefem Umftand folgt, dafs Rush die Urfache aller hitzigen und fchnell wirkenden Krankheiten ins Gehirn fetzt \u2014 was wiederum erft erwiefen werden mufs \u2014- und dafs er feiner angegebenen Meinung nicht treu bleibe, den Nutzen der Schilddriife weiter, aises eine rationelle Pliyfiologie und l'elbft die urfpriingliche Theorie von Rush gehaftet, ausdehne. Die hier zur Erl\u00e4uterung aufgefiihrte Thatfache, die hyfterifche Kugel , die Rush f\u00fcr eine Ablenkung ftarker Eindr\u00fccke auf den Geilt von dem Gehirn nach der Schilddriife h\u00e4lt, muls mit mehreren! Rechte f\u00fcr einen fpaftifchen Zuftand des Oefophagus, als f\u00fcr einen Abftecher (Diverfion) des Gehirns nach der Schilddriife erkl\u00e4rt werden.\n3) Schliefst Rush auf den angegebenen Nutzen der Schilddriife aus dem Umftand, dafs, wenn diefes Oraan fich in einem kranken Zuftande befindet, gewiffe k\u00f6rperliche Anstrengungen und Gem\u00fcthsbewegungen oft (alfo nicht immer?) eine harke Wirkung auf daffelbe haben \u2014 diefer Umftand beweifet nichts \u2014 zur Zeit der Ge-m\u00fcthsbewegungen, die eine pracipitirte Refpiration zur Begleitung haben, und zur Zeit k\u00f6rperlicher Anftrengungen, die ein langes, tiefes, anhaltendes, oder ein kurzes, feichtes, fchnelles und h\u00e4ufiges Ein - und Aus-athmen verlangen, mufs fich nat\u00fcrlich das Blut wegen verminderten Raumes in den Lungen in denTheilen, die \u00fcber und unter den Lungen gelegen find, anh\u00e4ufen \u2014 ift","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"165\neines diefer Organe nun im kranken Zuftancle; fo mufs \u2022lieh diefes vorz\u00fcglich in demfelben \u00e4ufsern, ja es mufs, delbft wenn alle Organe im Zuftand der Gefundheit fich befinden, diefe Congeftion fich in dem einen Organ mehr, als in dem andern zu erkennen geben, ohne dafs wir in diefem Falle zu dem Schlufs, den Rush gemacht hat, berechtiget find.\n4)\tSagt Rush, dafs Krankheiten diefer Dr\u00fcfe, ihr g\u00e4nzlicher Mangel, und die Ausrottung derfelben eine auffallende Wirkung auf das Gehirn haben, und fucht diefes durch Thatfachen, die aber theils unrecht verbanden, theils unrecht erkl\u00e4rt werden, zu erweifen.\nDie grofsen Kr\u00f6pfe der Kretinen find nicht die Ur-fache des Bl\u00f6dfinns^ fie find co\u00ebxiftirendes Ph\u00e4nomen des Kretinismus, deffen Hauptgrund in der abnormen Bildung des Sch\u00e4dels liegt, denn wir finden bei uns oft ungeheure Kr\u00f6pfe, ohne die geringfte St\u00f6rung der Cerebral - Verrichtungen.\nDes Bl\u00f6dfinns, der nach Ausrottung der Schild-driife entfteht, werde ich weiter unten erw\u00e4hnen.\n5)\tAeufsert Rush, am Ende feiner Abhandlung, dafs es m\u00f6glich fey, dafs auch bei heftigen Anftrengun-gen der Lungen, beim Schreien, Sprechen u. f. w. das Blut in die Schilddriife trete, und dadurch diefe zum Leben nothwendigen Theile gegen eine Zerreifsung und Krankheit firhere. Da diefer Grund auf blofse M\u00f6glichkeit fich beziehet, fo il't er ohnehin ohne alles Gewicht.\nWenn wir die ganze Abhandlung von Rush noch einmal durchgehen; fo finden wir, dafs die Schilddriife bald nur den Andrang des Blutes nach dem Gehirn brechen, bald wiederum den K\u00f6rper vor hitzigen Krankheiten verwahren, bald wiederum die Lungengef\u00e4fse vor gef\u00e4hrlichen Zerreifsungen fichern folle, mit einem vv ort, Rush ift in Aufehung des Nutzens diefes Organs fo","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"fchwankend und ungewifs, dafs es clem Lefer um fo verzeihlicher ift, wenn er durch die aufgeftellten Gr\u00fcn e von der Richtigkeit des angegebenen Nutzens nicht \u00fcberzeugt wird. Dazu kommen noch folgende Gej. eugrrn.de :\n1)\ti!'t es nichts weniger als erwiefen, dafs die Schilddr\u00fcle zu einer Zeit rn.hr Blut enthalte, als zu einer and r-n \u2014 dieles w\u00fcrde der Augenfchein lehren, und die Frauen w\u00fcrden fchon liingft die Mode mit ent-bl\u00f6fstem Halle zu gehen, verlal\u00efen, und die Manner fchon l\u00e4nelt das Schwellen dieler Driife als Anzeige der von Seiten der fch\u00f6nen H\u00e4lfte ihnen drohenden Gefahr bemerkt und benutzt haben, von diefem Allen aber fin-den wir nichts, die Meinung, dafs die SchiIddr\u00fcfe zu gewil'fen Zeiten und bei gewiflen Veranlaffungen mehr Blut aufnehme, ift daher mehr in der Einbildung als in der Wirklichkeit gegr\u00fcndet \u2014 und gefetzt fie enthielte manchmal etwas mehr Blut als gew\u00f6hnlich; fo w\u00e4re dieles in zu geringer Menge, als dafs ein grofser Nach-th eil uadurch verh\u00fctet, oder ein grofser Vortheil da-duich erreicht werden k\u00f6nnte.\n2)\tSoll die Schilddriife manchmal mehr Blut aufnehmen, und dadurch den Andrang nach dem Gehirn brechen, wozu braucht fie dann f\u00fcr beft\u00e4ndig eine fo grofse Menge Blut zu enthalten?\n3)\tSpricht der anatomilche Bau und die Anordnung der Blutgef\u00e4fse ganz und gar nicht f\u00fcr diefe Meinung.\nSollte die Schilddriife diefen Nutzen hoben ; fo miifste aus anatomifchen Gr\u00fcnden der Andrang des Blutes nach derfelben erleichtert feyn \u2014 wir linden aber gerade das Gegeiltheil ; die vier ftarken Arterien begeben fich in einem gefchlangelten Verlauf nach der Schilddriife, die zwei oberen lteigen noch \u00fcberdies fcliief herab, und endlich anaftomoliren fowohl die Stamme die-","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"16?\nfer Arterien als auch ihre Aefte lehr h\u00e4ufig unter einander ___ durch diefe Einrichtung wird der Strom des\nKreislaufes nach dem Gehirn gar nicht gebrochen, da verm\u00f6ge diefer Anordnung der Andrang des Blutes nach der Schilddr\u00fcfe gefchwacht, und bei verft\u00e4rktem Kreislauf nach dem Gehirn, wo jene Hinderniffe nicht obwalten, noch vermehrt werden mufs.\nEin gerade fortgehender Verlauf der Gef\u00e4fse, ihr Urfprung unter einem fpitzen, nicht ftumpfen Winkel, der Mangel aller Anaftomofen, und ein fachiger fpon-gi\u00f6fer Bau w\u00fcrden diefer Abficht weit beffer zufagen, und dann k\u00f6nnte auch dieler Zweck durch einen weit geringeren Apparat von Gef\u00e4fsen erreichet werden.\n4)\tStreitet gegen den angef\u00fchrten Nutzen der Schilddr\u00fcfe der Mangel dieles Organs bei vielen warmbl\u00fctigen Thieren. Die V\u00f6gel haben nur ein Rudiment am untern Kehlkopf. Sie find ebenfalls warmbl\u00fctige Thiere, und wir haben keine Urfache zu glauben, tlafs ihr Gehirn in ihrer Oekonomie von minderem Belange, als bei den \u00fcbrigen Thieren diefer Abtheilung fey \u2014 oder ift ihr Gehirn minder folchen Urfachen ausgefetzt, oder welches find die Vorkehrungen dagegen?\n5)\tBetrachten wir die der Schilddr\u00fcfe angewiefene Beftimmung endlich genauer, fo m\u00fcffen wir geliehen, dafs ihr von Rush eigentlich ein pa'thologifcher, aber kein phyfiologifcher Nutzen zugefchrieben werde, eins Abfurdit\u00e4t ohne Gleichen im ganzen Bereich der Medici n.\nHieraus, und aus der Unhaltbarkeit der Rush'-fchen Gr\u00fcnde erhellet, dais der der Schilddr\u00fcfe zuge-fchriebene Nutzen ganz ungegr\u00fcndet fev, und dafs wir uns nach einer anderen, ihrer w\u00fcrdigeren Beftimmung umzufehen haben.\nVVenn aufser den zahlreichen Blntgefiifsen, die nach S\u00f6mmerring's Beftimmung fo betr\u00e4chtlich find, dafs","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"16S\nfchlechterdings kein Theil ries menfchlichen K\u00f6rpers fo zahlreiche, rlafs felbft das Gehirn, das doch fo viel gr\u00f6-fser ift. verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig nicht den achten Theil fogrofse Arterien, als die Schilddr\u00fcfe erhalten hat, und wenn aufser ihrer Anordnung nichts weiter im gefunden Bau diefes Organs gefunden ; fo wird hieraus der Nutzen deffelben (ich angeben laffen muffen, und wenn nach fo langen und vergeblichen Nachluchungen der Anatomen nach einer Abfonderung und Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen endlich die Anficht, die Schilddr\u00fcfe als ein Secretions - Organ zu betrachten, verlalfen werden inufs; fo wird diefelbe f\u00fcr ein Vorbereitungsorgan, in welchem das Blut eine ge* \u25a0wilfe, zu irgend einer Beftimmung in der thierifchen Oekonomie dienende Ver\u00e4nderung erleidet, um fo mehr erkl\u00e4rt werden m\u00fcffen, da nach Thilolus richtiger Bemerkung die Schilddr\u00fcfe nicht um ihrer felbft Willen eine fo aufehnliche Menge Blut erhalten haben kann, und da richtige Induction uns lehrt, dafs felbft das Blut nicht zu jeder Verrichtung gleich tauglich ley, fondera gewiffer Vorbereitungen bed\u00fcrfe, dafs ven\u00f6fes Blut nicht zur Ern\u00e4hrung, nicht zur Heizung des Herzens und der Arterien, Arterielles nicht zur Abfonderung der Galle tauge u. f. w.\nNutzen der Schilddr\u00fcfe.\nWenn ich die Schilddr\u00fcfe f\u00fcr ein Vorbereitungsorgan, in welchem das Blut eine gevviffe, zu einem wichtigen Zweck in der thierifchen Oekonomie dienende Ver\u00e4nderung erleide, erkl\u00e4re; fo werde ich nun\n1)\tdie Ver\u00e4nderung, welche das Blut in der Schilddr\u00fcfe erleidet, nachzuweifen,\n2)\tden Zweck, zu welchen es diefe Ver\u00e4nderung erleidet, anzuzeigen, und\n3)\tdie Nothwendigkeit diefer Ver\u00e4nderung darzu-thun haben.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"169\nI.\tDie Ver\u00e4nderungen, welche das Blut in der Schilddr\u00fcfe erleidet, anhelangend, fo zeigen der Ur-fprung ihrer Arterien unter einem ftumpfen Winkel, ihr gelchl\u00e4ngelter Verlauf, und die h\u00e4ufigen Anaftomofen, dafs es bei ihrem Bau darauf angelegt war, den Kreislauf des Blutes in diefem Organe zu fchw\u00e4chen, es wird verm\u00f6ge diefer Anordnung der Gef\u00e4fse weniger fchnell bewegt, es n\u00e4hert fich mehr feinem Stillltand und verliert die Befchaffenheit des arteriellen Blutes, und \u00e4ndert fich in ven\u00f6fes um, wie diefes der Verluft der hochro-then und die Annahme einer dunkleren Farbe, und das fchmutzig fleifchfarbige Anfehen diefes Organs bewei-fen \u2014 es gefehiehet alfo in der Schilddr\u00fcfe eine wahre Entoxygenirung (D\u00e9soxyg\u00e9nation), des Blutes, es wird arm an Sauer - und reich an Kohlenftoff.\nII.\tZu welchen Zweck erleidet das Blut diefe Ver\u00e4nderung, oder wozu dienet diefes carbonifirte Blut, welches ift feine Beftimmung?\nDer Nutzen, oder die Beftimmung diefes carboni-firten Blutes ift kein anderer, als bei feinem Zuriick-flufs und Durchgang durch die Lungen dem Sauerftoff der Luft hinl\u00e4ngliches Carbon darzubieten, wodurch\n1)\tdie Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme m\u00f6glich gemacht,\n2)\tdie Ueberoxygenirung des Blutes verh\u00fctet wird.\nDiefes wird aus den Ver\u00e4nderungen, welche die\nLuft in den Lungen erleidet, und aus den Ver\u00e4nderungen, welche in dem Blute hervorgebracht werden, auf das evidentelte erwiefen.\nIII.\tDie Nothwendigkeit diefer Ver\u00e4nderung des Blutes erhellet aus nachstehender. Betrachtungen.\nDas Athmen, oder die Zerlegung der Luft in den Lungen ift zwar nicht die einzige, aber doch die ergie-biglte Quelle der thierifchen W\u00e4rme, wenn es daher in","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nder Natur cler warmbl\u00fctigen Thiere liegt, dafs fie ihren benothigten Warmeltoff aus der beim Atinnen zerlegten Luft er\u00fcfstentheils erhalten, und ihnen zu dielen Behuf die Lungen beftimmt find; fo mufs diefes auf eine Art gefchehen, die ihrer \u00fcbrigen Oekonomie nicht nachtheilig wird \u2014 und diefes gefchieht durch die Vermittelung des Hydrocarbons, und vorz\u00fcglich des Ivohlen-ftoffes, wie diefes aus einer richtigen Sch\u00e4tzung der Re-fpirations Producta zu erweifen ift. Ich Werde hier Davrs Refpirationsverl\u2019uche *) zum Grunde meines Beweifes nehmen.\nDavy erzeugte bei 6i\u00b0 Fahrenheit bei jedem Athem-7us des nat\u00fcrlichen Athmens 1,1 G. Z. kohlenlaures Gas,\no\nund folglich durch 26 bis 27maliges Athmen binnen einer Minute 28/6 C. Z. kohlenfaures Gas \u2014 wenn wir diefes auf 24 Stunden berechnen, fo werden zu die-f.-m Gelch\u00e4ft binnen diefer Zeit 15^ Unze reiner Koh-lenftoff, welcher in kohlenlaures Gas umgeftaltet wird, verbraucht.\nWenn wir bedenken, dafs Davy, wie er felbft fagt, eine enge Bruft habe, und diefe Verfuche bei einer m\u00e4fsigen Temperatur anftellte. fo ftehet die Menge des Kohlenftoffes, der beim nat\u00fcrlichen Athmen in kohlen-i'aures Gas umgeftaltet wird, noch unter dem mittleren Werthe, und diefe Verfuche find um fo gefchickter die Nothwcndigkeit eines immer fattlamen Vorraths von Kohlenftoff in der Blutmaffe, der zur Zerlegung des ftets auf das Blut einwirkenden Sauerftoffgafes hinrei-ebe, zu erweifen, damit die Erzeugung der thierilchen W\u00e4rme der naturgem\u00e4fsen Ordnung entfpreebend vor fich gebe. Da aber bei den Dav .\u2019fchen Refpirations-verfucheo binnen einer Minute 31,60^. Sauerltoffgas\ni) Gilbert's Annalen der Phylik. 19. Bd. 3. St. S. 3II ff.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nverfchwanden, 28/6 C. Z. aber in kohlenfaures Gas um-geftaltet wurden; Io wurden binnen diefem Zeitraum nach Daw, da er die chemifche Wafferbildung l\u00e4ugnet, 3 G. Z. Sauerftoffgas, abforbirt.\nWenn alfo nicht ftets eine hinreichende Men^e Koh-lenftoff in der Blutmalfe vorhanden w\u00e4re; fo w\u00fcrde die Abforbtion betr\u00e4chtlicher feyn und allm\u00e4hlich eine Ueber-oxygenirung (Suroxygenation) des Blutes mit ihren fchlimmen Folgen unvermeidlich herbeigef\u00fchrt werden. Man kann daher mit Recht behaupten, dafs durch Vermittelung des Carbons theils die Erzeugung der thieri-fchen W\u00e4rme gelichert, theils die zu ftarke Oxydation des Blutes verh\u00fctet wird, wodurch alfo die Nothwen-\u00abligkeit der Carbonifation der Blutmaffe erwiefen jft. Ift nun aber die Nothwendjgkeit eines hinreichenden Vorraths von Carbon erwiefen ; fo entliehet nat\u00fcrlich die Frage, wie hat die Natur f\u00fcr diefes Bed\u00fcrfnis geforgt, \u25a0wie erh\u00e4lt die Blutmaffe ihr n\u00f6thiges Carbon, woher wird daffelbe bezogen, und wie ift f\u00fcr deffen hinreichende Zubereitung geforgt? Fragen die bis itzt weder gemacht, noch beantwortet worden find.\nDer Schilddr\u00fcfe glaube ich diefes Gefch\u00e4ft, wozu fie fielt vortrefflich eignet, und vorz\u00fcglich aus nachfte-henden Gr\u00fcnden zufchretben zu muffen.\nO Erleidet das Blut in diefem Organ eine diefer Abficht entfprechende Ver\u00e4nderung, es verliert fein Oxygen, und wird reichhaltig an Carbon, wodurch die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme m\u00f6glich, und die\u00fceber-oxygenirung des Blutes verh\u00fctet wird.\n2) Entfpricht die Wichtigkeit des Gef\u00e4fs- Apparats der Wichtigkeit der Verrichtung, der fie vorftehen foil. Die thierifche W\u00e4rme ift eine conditio fine qua non aller thierifchen Action, die normale BJutmifchun* die conditio line qua non aller Fortdauer.\t*","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"3)\tHat die Schilddr\u00fcfe die zu diefem Gefch\u00e4fte vortheil haftefte Lage, indem ihr Blut mit Carbon beladen auf dem k\u00fcrzeften vVege nach der oberen Hohlader und von da nach den Lungen gelangt.\n4)\tDer Umftand, dal's diele Driife bei dem weibli-dien Gefchlecht grdfser, als bei dem m\u00e4nnlichen gefunden wird. H\u00e4ufige Blutausleerungen bringen endlich einen fieberhaften fchleichenden Zuitand hervor, der nach Beddoes feinen Grund in einer iiberoxygenirten Befchaffenheit derBlutmalTe hat \u2014 Weiber, wegen pe-riodifcher uncl h\u00e4ufiger H\u00e4morrhagien ohnehin mehr als M\u00e4nner zur Suroxygenation der Blutmaffe geneigt, und deshalb mehr zur Schwindlucht pr\u00e4difponirt, w\u00fcrden den auszehrenden Krankheiten noch weit mehr unterworfen feyn, wenn das Organ, welches die Carbonii\u00e4-tion des Blutes regulirt, bei ihnen nicht vorz\u00fcglich ausgewirkt w\u00e4re.\n5)\tFinden wir nur bei warmbl\u00fctigen Thieren, welche ihren ben\u00f6thigten W\u00e4rmeltolf durch das Athmen und die Zerlegung der Luft erhalten, Scnilddr\u00fcien.\n6)\tBeweilet wohl nichts heller den angegebenen Nutzen der Schilddr\u00fcfe, als das Dafeyn gewiller Organe und Vorrichtungen bei denjenigen warmbl\u00fctigen Thieren, denen dieles Organ mangelt. Bei allen warmbl\u00fctigen Thieren ohne Ausnahme, welchen die Schilddr\u00fcfe mangelt, finden fich gewiffe Vorkehrungen, die ebenfalls alle in der N\u00e4he der Lungen gelagert lind, und eben denfelben Nutzen leiften, d. h. che Kohlung des Blutes bef\u00f6rdern, wie die Schilddr\u00fcfe bei denjenigen Thieren, die diefes Organ befitzen, wodurch der eilige-athmeten Luft hinreichendes Carbon dargeboten, die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme gefiebert, und die Suroxygenation des Blutes verh\u00fctet wird. Zu dielen yicarirenden Organen geh\u00f6ren die Luftf\u00e4cke, Luitkno* chen und Feclerlpulen bei den V\u00f6geln.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"173\nEndlich kann ich noch als einen Beweis\n7) den Mangel der Schilddriiie bei kaltbl\u00fctigen Thieren anfiihren,\nDiefes find die Gr\u00fcnde f\u00fcr den von mir angegebenen Nutzen der Schilddr\u00fcle, aber fta,.t hier meine Abhandlung zu fchliefsen, will ich noch\n1)\tein.ge Einwiirfe, die man machen k\u00f6nnte, widerlegen;\n2)\teiniges \u00fcber die vicarirenden Vorkehrungen und den Mangel der \u00f6childdr\u00fcle bei Thieren mit rothern und kaltem Blut lagen, und endlich\neinige Bemerkungen \u00fcber den Einflufs der Schilddriiie auf den gefunden und kranken Zultand beif\u00fcgen, da hiedurch die eben angef\u00fchrten Gr\u00fcnde nicht nur allein, wie mich d\u00fcnkt, in ein heileres Licht geletzt werden, fondera lieh auch neue Gr\u00fcnde zur Beltati-gung ergeben.\nI. Beantwortung einiger Einw\u00fcrfe.\nDer erfteEinwurf, den man machen k\u00f6nnte, w\u00e4re: \u201edafs die Natur dieler Anftait nicht bed\u00fcrfe, da das Blut fchon mit allem Brennbaren (Kohienftoff) beladen aus dem ganzen K\u00f6rper nach den Lungen zur\u00fcckkehre. \u201c (S\u00f6mmerring 1. c. 5. Thl. 2. Abthi. \u00a7.76.)\nDieler Einwurf, der gleichlam zu einem Axiom iu der Phvliclogie geworden, verdienet eine n\u00e4here Pr\u00fcfung. Hingegen bemerke ich:\ni) Dafs die gr\u00f6fsere oder geringere Kohlung des Blutes von Zuf\u00e4lligkeiten des Kreislaufs abh\u00e4nge, und frage nun, weiche gegr\u00fcndete Urfache haben wir denn, eine fo wichtige V ernentung, als die Erzeugung der thie-rifchen W\u00e4rme, und ein ib n\u00f6thigesRequilit als der VV\u00e4r-meftoff f\u00fcr den lebenden thierilchen K\u00f6rper ift, als ein","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nSpiel des Zufalls zu betrachten? welche gleichwichtige Verrichtung kann analog als zuf\u00e4llig aufgel\u2019tellt werden?\n2) L\u00e4ugne ich gradezu, dafs das Blut mit allem Brennbaren aus allen Theilen des K\u00f6rpers beladen, nach den Lungen zur\u00fcckkehre.\nDas ven\u00f6fe Blut aller innerhalb des Bauchfells gelegenen Theile,bis auf die Leber, ergiefst lieh in diePfort-ader, und aus ihm wird in der Leber die Galle, zu deren Bereitung arterielles, feines Brennbaren beraubtes Blut, nichts taugt, abgel'ondert.\nFerner finden im ganzen K\u00f6rper fo viele Entkoh-lungs- und Enthvdrogenirungs- Procefi\u2019e, als des Marks in Knochen, des Fettes im Zellgewebe, im Netz 11. f. w. Statt; \u2014 kann ferner der thierifche Duft in den H\u00f6hlen des K\u00f6rpers und in den Zwilchenr\u00e4umen des Zellgewebes nicht als ein dampff\u00f6rmiges Hydrocarbon, und das Malphigifche Schleimnetz als ein halborganifirter gekohlter Wafferftoff betrachtet werden ? Endlich, ift die, auf der ganzen Hautoberfi\u00e4che in gr\u00f6fserer oder geringerer Menge vor fich gehende Ausd\u00fcnftung nicht ein wahrer Entkohlungs-und Enthydrogeuirungs- Procefs? wenn diefe Proceffe diefes nicht find, was find fie denn? lind fie es aber, was bleibt dann f\u00fcr zwei fo wichtige Verrichtungen, als die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme und die Verh\u00fctung der Ueberoxygenirung des Blutes find, \u00fcbrig? L\u00e4fst es fich wohl mit der weifen Einrichtung der Natur zufammen reimen, dafs diele wichtige Verrichtung von den unfichern Ueberbleibfeln f\u00fcr das Leben minderwichtiger Verrichtungen, als die Erzeugung des Fettes, des Knochenmarkes u. f. w. unterhalten werden f\u00fcllen? L\u00e4fst es fich denken, dafs die Natur gar keine Vorkehrung zu Gunften eines f\u00fcr das .Leben fo n\u00f6thigen Erforderniffes, als die thierifche W\u00e4rme ift, gemacht haben folle ? Muffen wir nicht vielmehr","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\nden obigen Einwurf zuriicknehinen, und als falfch verwerfen, und der Schilddriife diele JBeftimmung anweifen?\nEin zweiter Einwurf, der gemacht werden k\u00f6nnte, w\u00e4re: dafs die Schilddriife bei <iem F\u00f6tus und Neu-gebornen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig gr\u00f6l\u2019ser, als bei Erwachte* nen fey, und dafs, da der F\u00f6tus nicht athme und leine W\u00e4rmeerzeugung auf eine ganz andere Art vor lieh gehe, die Schilddriife dielen Nutzen nicht haben k\u00f6nne, und dafs derfelbe folglich noch unbekannt ley.\nDagegen nun :\n1)\tDer von der Gr\u00f6fse der Schilddriife im F\u00f6tus hergenornmene Einwurf beweifet nichts, lft denn die Leber im F\u00f6tus und Neugebornen nicht auch verh\u00e4lt-nifsm\u00e4fsig gr\u00f6fser, und folgt denn daraus, dafs die Leber nur im F\u00f6tus, bei Erwachfenen aber keinen Nutzen habe ?\n2)\tWachft die Schilddriife mit dem \u00fcbrigen K\u00f6rper, und fchwindet nicht wie die Thymus, folglich hat fie auch nachher noch einen Nutzen.\n3)\tL\u00e4ugne ich nicht, dafs auch im F\u00f6tus die Schilddriife ihren Nutzen habe. Wenn die im vorhergehenden angegebenen Entkohlungs- und Enthydrogenirungs-Procefle ( wenigftens die mehreften derfelben) im F\u00f6tus Statt finden ; wenn der F\u00f6tus lein Hydrocarbon in der Placenta abfetzt, und daf\u00fcr W\u00e4rmeftoff aufnimmt, was wird man mit Rechte ein wenden k\u00f6nnen, wenn ich behaupte, clafs die Schilddriife auch im F\u00f6tus denfeiben Nutzen habe, den fie Erwachfenen gew\u00e4hret.\n4)\tWenn die Gemeinfchaft des F\u00f6tus mit der Mutter aufh\u00f6rt, und derfelbe mit der \u00e4ufseren Natur in Verbindung tritt, mufs nicht fchon das Organ, welches feine thieril'che W\u00e4rme fichert, fchon feine v\u00f6llige Ausbildung erhalten haben, um fogleich mit dem erften Athemzuge feiner \u00dfeftimmung vorzul'tehen ?","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nDiefer von def Gr\u00f6fse der Schikldr\u00fcfe im F\u00f6tus hergenommene Einwaud, ftatt dagegen zu zeugen, be-weilet grade f\u00fcr ihren Nutzen, und erkl\u00e4rt ein bisher unerkl\u00e4rtes Ph\u00e4nomen, die gr\u00f6fsere W\u00e4rme bei Kindern, und jungen Subjecten ganz deutlich und ohne Kiinftelei.\nII. Einiges \u00fcber die f\u00fcr die Scliilddr\u00fcfe vicarirendea Vorrichtungen, und den \u2019Mangel derj'elben bei Thieren mit rochem und kaltem Blut.\nAlle warmbl\u00fctigen Thiere ohne Ausnahme haben entweder Schilddr\u00fcfen, oder bei deren Mangel eigene Vorrichtungen. Wenn beide diefe Vorrichtungen , und die Schilddr\u00fcfen den n\u00e4mlichen Nutzen in der thierifchen Oekonomie Jeiften; fo k\u00f6nnen fie als vicarirende Organe angefehen werden.\nAus der Einrichtung, dafs die warmbl\u00fctigen Thiere ihren ben\u00f6thigten VV\u00e4rmeftoff aus der in den Lungen beim Athmen zerlegten Luft, erhalten, ergiebt fielt bei dem Daleyn fo vieler Dehydrocarbonirungs - Proceffen die Nothwendigkeit eines eigenen Organs, welches das zu diefem Behuf erforderliche Carbon bereite, das nun bei den verfchiedenen Thieren auf eine Art befchaffen und gelagert feyn mufs, die ihrer \u00fcbrigen Oekonomie und Lebensweife am beften zufagt.\nDie V\u00f6gel befitzen wohl am unteren Kehlkopf ein Rudiment, eine Art von einer Schiiddr\u00fcfe, die aber wegen ihrer Unvollkommenheit und Kleinheit der erzielten Abficht nur unvollkommen entspricht, ihr Mangel wird aber auf eine andere Art hinreichend erfetzt, ihre Lungen find an fielt lelbft lehr klein, fie erhallen aber durch die fogenannten Luftf\u00e4cke, durch die hohlen R\u00f6hrenknochen und Federfpulen, die mit den Lungen und Luftwegen durch anfehnliche Oeffnungen in Verbindung ftehen, eine lehr anfehnliche Ausdehnung.\nDiefe","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"177\nDiefe R\u00f6hrenknochen und Federfpulen find bei ganz jungen und erft ausgekrochenen V\u00f6geln mit einem blutreichen Mark erf\u00fcllt, es gefchielit all\u00f6 in den Knochen und Federfpulen der V\u00f6gel eben das, was in den Knochen anderer warmbl\u00fctiger Tliiere vor fich gehet, n\u00e4mlich eine Ablagerung von Hy drocarbon und eine Dehydrocarhonifation des Blutes. Aber aucli in fp\u00e4teren Perioden h\u00f6rt die Ahfetzung des Hy. rocar-bons nach den Knochen nicht auf, diefes wird durch die markvollen Knochen der Wal'ferv\u00f6gel, bei denen dal-felbe nie ganz fchwindet, unwiederleglich bewiel'en.\nAber dennoch verliert fich bei fchon fliU-kgewor-denen und \u00e4lteren V\u00f6geln diefes blutreiche Mark der Knochen und Federfpulen. Etwa durch Ablorbtion ? Nein! warum f\u00fcllten bei jungen erft ausgekrochenen V\u00f6geln die Saugadern min 1er th\u00e4tig als bei Erwach lenen feyn? fondern einzig durch die Einwirkung der Luft auf daffelbe. Gerade darum finden wir bei denjenigen V\u00f6geln, welche ihre Refpirations- Werkzeuge ftark anfirengen, dergleichen diejenigen find, welche hoch fliegen, als Adler, die mehreften und ger\u00e4umigsten Luftknochen *).\nAber wie bewirkt denn die Luft das Ver fch winden des Knochenmarkes, und auf welche Art verhindert fie die vViederanfainmlung delfelben? Auf keine andere Art, als dadurch, dafs das Oxygen der Luft fich mit den einzelnen conftitutiven Beftandtheilen des Knochenmarkes (dem Garbon und Hydrogen) einzeln verbindet, Koh-lenf\u00e4ure und Waffer bildet, welche ausgehaucht werden und VV\u00e4rmeftoff frei macht. Nur dadurch l\u00e4fst fich \u00abHe gr\u00f6fsere W\u00e4rme der V\u00f6gel, weiche die menfchliche uui 3 \u2014 4\u00b0 iibertrifft, bei der Kleinheit ihrer Lungen bs-\ni) Blumen jach vergleichende Anatomie.\nM. d. Archiv, yi. 2,\tM","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\ngreifen. \u2014 Luflf\u00e4cke, Luftknochen, Federfpulen bieten der eingeathmeten Luft nicht zahlreiche Bhitgef\u00e4fse zur W\u00e4rmeerzeugung dar, wohl aber vermag das in ihnen absT'fonderte Hydrocarbon die eingeathmeteLuft zu zerlegen, wobei Kohlenf\u00e4ure und Waller erzeugt und War-meftoff frei wird.\nEs ergiebt fich hieraus, dafs die Luftknochen u. f. w., tiber deren Nutzen man noch nicht im {deinen war, indem be der eingeathmeten Luft hinreichendes Hydrocarbon darbieten und die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme fiebern, die Stelle der Schilddr\u00fcfe vertreten. Sie find zwar keine Schilddr\u00fcfen, fie haben aber f\u00fcr die thieri-fche Oekonomie gerade denfelben Nutzen, und k\u00f6nnen als vicarirende Organe betrachtet werden, deren Stelle fie auf der einen Seite erfetzen, auf der andern Seite der Oeko-nomieder V\u00f6gel, indem fie die zum Fliegen n\u00f6thige fpeei-fifche Leichtigkeit des K\u00f6rpers bewirken, beffer Zulagen,\nDie Getaceen, warmbl\u00fctige Thiere, die blofs im Waffer leben, haben zwar, wie Cuvier gegen J. Hunter darthat, eine Schilddr\u00fcfe, allein die betr\u00e4chtlichen und conftanten Erweiterungen und Geflechte der Venen an der unteren Hohlader unterltiitzen fie wahrfeheinlich.\nIn dielen ven\u00f6fen Geflechten gehet der Kreislauf des Blutes unl\u00e4ugbar fehr tr\u00e4ge von Statten, wobei fich wahrfeheinlich viel Hydrocarbon aus clem Blute entwik-kelt, worauf die eingeathmete Luft in den Lungen ihre Einwirkung \u00e4ufsern kann, und wodurch die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme gefichert wird.\nDiefe ven\u00f6fen Geflechte haben den n\u00e4mlichen Nutzen in der Oekonomie der Getaceen, welchen die Schilddr\u00fcfe bei ilen \u00fcbrigen S\u00e4ugthieren, und die Luftknochen u. f. w., bei den V\u00f6geln haben (lie bereiten Carbon), theilen daher ihre Function, und wir k\u00f6nnen G* als vicarirende Organe betrachten, die \u00fcberdies der Oekonomie diei'er Thiere n\u00fctzen, indem fie ihnen auch","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"179\n' dazu dienen, um w\u00e4hrend des Untertauchpns einftweilen einen gr\u00f6fseren Antheil des nach dem Herzen zur\u00fcck-ftr\u00fcmenden Blutes aufzunehmen, bis fie wieder athmen und den kleinen Kreislauf in Gang letzen k\u00f6nnen. (Bin-menbach 1. c. $. 159.)\nMehrere amphibienartige Gefchlechter der S\u00e4ug-thiere, alsdie Fifchotter, haben auch l'owohl Schiiddi iiien, als auch die eben benannten ven\u00f6fen Geflechte an der unteren Hohlader. \u00dciefes entfpricht inrer Oekono-mie, da fie bald auf dem Lande leben, bull unter Gaffer tauchen. Darauf aber einen Einwurf gegen den von mir angegebenen Nutzen der Scuilddr ife und iliefer Geflechte, dafs er in beiden Organen einerlei fey, begr\u00fcnden, heilst eben fo viel, als einwenden, dafs den V\u00f6geln die Luftf\u00e4cke und Luftknochen nicht zum Athmen dienen k\u00f6nnen, da fie Lungen belitzen. Der Unterl'cliied zwilchen Schilddr den und ven\u00f6fen Geflechten ift in der That geringer als zwilchen Lungen und Luft leb keu u. f. w. lndefs verdiente das Verh\u00e4lt nils, in welchem diele beiden Organe in den genannten Thieren gegen einander ftehen, genauer unterlucht zu werden.\nIch habe oben den Mangel der Schild.Iriife bei Thieren mit rothem und kaltem Blute, als einen Beweis f\u00fcr den Nutzen der SchiLldr\u00fcfe mit aufgef\u00fchrt.\nDiefeTtiiere athmen entweder durch Lungen, wie die Amphibien, oder durch Kiemen, wie die Fifche,\n\u2019 und bed\u00fcrfen aus folgenden Urlachen keiner Schilddril-fen, oder fie vertretender Organe.\nDa der Nutzen des Afhmens in der Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme, mittelft der Entkohlung des Blutes und in Aufnahme von Sauetftoff und Azot befte-het (Henderfon Refpirationsverfuche, Gilbert a. a. U.), fo bed\u00fcrfen diefe Thiere keiner Schilddriife,\nl) Haben fie eine geringere vV\u00e4rrne, wozu allo ein Organ, das mehreren Kohlenftoff entwickelt, da der*\nM 2","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nfelbe zur Zerlegung der Luft und Entbindung mehrerer W\u00e4rme dienet, deren diefe Thiere nicht bed\u00fcrfen?\n2) Haben iie nach Verh\u00e4ltnifs weit weniger Blut-maffe und Blutgef\u00e4fse ais die warmbl\u00fctigen Thiere, und ohne Vergleich mehr aus dein Arterienfyftem entfprin-genrle Vafa d\u00e9colora, ( Bhnnenback 1. c. \u00a7. 165.) Da hei ihnen eben fowohl Entkohlungs- und Enthydroge\u00bb nirungs \u2022 Proceffe Statt haben, fo feheint das Athmen bei diefen Thieren nicht fowohl zurErzeugung der YVar-me und Abfetzung des Garbons, als vielmehr zur Aufnahme von Oxygen und Azot zu dienen, wozu aifo eine Schiiddr\u00fcfe, die ihnen bei diefer Beftimmung nur hinderlich feyn miifste?\nIII. Einige Bemerkungen \u00fcber den Ein\u00dfufs der Schiid-dr\u00fcj'e auf den gefunden und kranken Zufictnd.\nDas, was ich hier\u00fcber fagea kann, ift wegen Mangels der hieher geh\u00f6rigen Beobachtungen nur lehr wenig, und befchr\u00e4nkt lieh nur auf Erkl\u00e4rung einiger phv* liologifcher und pathologifeher Erfeheinungen.\nIft der angegebene Nutzen der Schiiddr\u00fcfe und ihrer vicarirender Organe richtig; fo ift die Carbonifu-tion des Blutes kein Spiel der Zuf\u00e4lligkeit, fondern fie kann in uewiifem Betracht als eine conftante Gr\u00f6fse an-gefehen werden. Unter diefer Vorausfetzung wird unter gleichen Umft\u00e4nden\n1) die Carbonifation der Blutmaffe der Gr\u00f6fse der Schiiddr\u00fcfe proportional feyn. Eine grofsere Schiiddr\u00fcfe wird mehr, eine kleinere weniger carbonifirtes Blut bereiten , und diefes bei feinem Durchg\u00e4nge durch die Lungen dem Oxygen der Luft im el fteren Falle mehr, im zweiten weniger Carbon darbieten, es wird all'o im erfteren Falle mehr, im zweiten weniger kohlenfam es Gas erzeugt und Warmftoff frei gemacht werden, darum wird bei jungen und bei Perfonen weibliohen Gefchlechts,","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"181\nwelche eine gr\u00f6fsere Schildc\u2019r\u00fcfe haben, mehr W\u00e4rme erzeugt, und darum k\u00f6nnen fie der K\u00e4lte leichter wi-derftehen. Metherie fagt zwar, dafs junge Thiere die Luft durchs Athmen nicht fo fehr als \u00e4ltere verderben, allein fo lange cliefes nicht durch Pr\u00fcfung der unmittelbar ausgeathmeten Luft erwiefen wird, fo lange mufs die Sache auf eine andere Art erkl\u00e4rt werden, denn, verminderte Verderbung der Luft durchs Athmen, oder mit anderen Worten, verminderte Kohlenl\u00e4urebildung w\u00fcrde Verminderung der thierifchen W\u00e4rme herbeif\u00fchren., was wir bei jungen Thieren ganz und gar nicht linden.\nEine Menge von Thatfachen machen mir es fehr wahrfcheinlich, dafs die Saugadern der Oberfl\u00e4che, gleich den Pflanzen, die Kohlenf\u00e4ure zerlegen und den Kohlen-ftoff dem K\u00f6rper zuf\u00fchren. Die Luft des Recipienten, worin man junge Thiere einfperrte, kann daher immerhin eine geringere Verclerbnifs zeigen, und dennoch der Schlufs, dafs fie durchs Athmen die Luft nicht fo als \u00e4ltere verderben, falfch feyn, da der Unterfchied der Verdorbenheit der Luft nicht den Lungen, fondern den mehr oder minder th\u00e4tigenSaugacIern zugefchrieben werden niufs. Vielleicht, dafs ich diefero Punkte einmal eine eigene Unterfuchung widme.\n2) Wenn die Carbsnifation der Bin'cm affe der Gr\u00f6-fse der Schilddr\u00fcfe proportional, die Entkohlung aber in den Lungen gleich ift; fo wird die Kohlung des die Lungen lchon paffirten Blutes bei einer gr\u00f6fseren Schilddr\u00fcfe gr\u00f6fser, bei einer kleineren kleiner feyn. \u2014 Ift fie gr\u00f6fser, fo werden die im Verfolg des Kreislaufes Siatt findenden Eutkohlungspi oceffe lebhafter vor lieh gehen, und denjenigen K\u00fcrperzuftand, den wir Beleibtheit nennen, hervorbringen, daher das Rande und Voile des K\u00f6rpers bei jungen und bei Perlenen des weiblichen Gefchlechts. Ift die Carbonifation des die Lungen lchon","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\npaffirten Blutes kleiner ; fo wird ein clem vorigen entge-gengefetzter Zuftand erzeugt werden.\nDai's der Zuftand der Beleibtheit von dem Grade der Carboiiifation des die Lungen fchon paffirten Blutes abli\u00e4nge, bel't\u00e4iiget fich dadurch, dafs alle Urfachen, welche die Entkohlung in den Lungen vermindern, und folglich machen, dafs ein mehr carbonifirtes Blut nach dem h\u00f6rigen K\u00f6rper gebracht wird, die Fettigkeit her-vorbriijgen. darum werden K\u00f6che und Schmiede, welche lieh oft anhaltend in der W\u00e4rme aufhalten, fett. Hingegen bewirken Urfachen, welche machen, ctafs ein minder carbonirtes Blut nach dem \u00fcbrigen K\u00f6rper gebracht wird, den entgegengefetzten Zuftand, darum werden die Polar - Menfchen nie fett.\nVon dem Zuftande der Carbonifation der Blntmaffe h\u00e4ngt nicht blofs die Erzeugung der thierifchen W\u00e4rme, und die greisere oder geringere Beleibtheit und Fettigkeit des K\u00f6rpers, fondent auch\n3) die Befchaffenheit der feften Theile, welche aus dem Blute ern\u00e4hrt, und der fl\u00fcfligen, welche aus clem leiben abgefondert werden, ab: daher die mit den Jahren un I der Ver\u00e4nderung des Klima\u2019s erfolgende Ver\u00e4nderung der K\u00f6rper - Conftitution, wobei auch die Schilddr\u00fcfe ihren Einflufs \u00e4ufsert.\nSo wie die Schilddr\u00fcfe, oder eigentlicher die ihr entfprechende Kohlung des Blutes ihren Einflufs auf den gefunden Zuftand \u00e4ufsert, fo wird fie auch beftimmend auf den kranken ein wirken, und zu Krankheiten dil'po-niren, die entweder im Uebermaafs oder in dem Mangel des Kohlenftoffes begr\u00fcndet find, und folglich entweder carbon\u00f6ie oder oxygen\u00f6fe Krankheiten begiinftigen.\nWenn auch nicht, bei zu Entz\u00fcndungskrankheiten (carbon\u00f6fen) geneigten Perfonen die Schilddr\u00fcfe als vor-z'glich ausgewirkt nachgewiefim werden kann; fo Kt es doch hochi't bemerkenswert!!, dafs bei zu Lungen-","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"183\nfchwindfucht pr\u00e4clifponirten Subjecten diefes Organ verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig zum \u00fcbrigen K\u00f6rper fo klein angetroffen wird, wie diefes der grofse fchlanke K\u00f6rperbau folcher Perfonen und ihr langer fchmaler Hals beweifen; daher wegen nicht hinreichenden Carbons allm\u00e4hlig eine Suroxygenation (Hyperoxydation) des Blutes, befonders in jener Lebensperiode erzeugt wird, wenn das Illut nach den Lungen mit verft\u00e4rkter Kraft, zur Zeit der Evolution diefes Organs, getrieben wird.\nHieraus erkl\u00e4rt lieh, warum\n1)\tdiefe Krankheit feiten bei Kindern, bei denen die Schilddr\u00fcfe verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig gr\u00f6fser ift, Statt findet, warum\n2)\tSie feiten nach dem 35ften Jahre, zu welcher Zeit die ven\u00f6fe Vollbl\u00fctigkeit eintritt, erfcheint, warum\n3)\tdiefe Krankheit feiten gr\u00fcndlich geheilet wird, da wegen der Kleinheit der Schilddr\u00fcfe leicht wieder eine neue Suroxygenation Statt findet, warum\n4)\teine mehr warme Atmofph\u00e4re dergleichen Patienten befler bekommt als eine kalte, da in jener die Entkohlung durch die Lungen geringer, in diefer ft\u00e4r-ker ift, warum\n5)\tendlich Mittel, welche dem K\u00f6rper Kohlen-ftoff zuf\u00fchren, als Kohlenpulver, oder, welche die Suroxygenation verh\u00fcten, als das Athmen von unreinen Gasarten, oder endlich folche Mittel, welche machen, dafs fielt in der Blutmaffe mehr Carbon entwickele, als die Digitalis, welche den Kreislauf tr\u00e4ge macht, folchen Patienten am heften bekommen, und zwar darum, weil fie die wegen Kleinheit der Schilddr\u00fcfe zu geringe Kohlung des \u00dfiutes erg\u00e4nzen.\nAnmerkung. Diefe Anficht beruhet auf einem cbe-\nmifchen, bereits verfcholienen, oder eigentlicher,\nnie recht in Auinalnne gekommenen, deshalb aber","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nnoch ni \u00e9lit in allen feinen Theilen erlogenen Sy-Item. Die Anlage zu Krankheiten liegt doch in dem eigenen Bau der organifchen Gebilde und in der Mifchung der thierifchen Satte, und kann folglich ihren Grund nur in der verfchiedenen Quantit\u00e4t der conftitutiven Beftandtheile und in deren Ab\u00e4nderung haben. Rein dynamifche Krankheiten k\u00f6nnen eben lo wenig, als Wirkungen ohne Ui fachen Statt finden, fie lind von den fogenannten organifchen nur dem Grade nach verfchieden, indem bei ihnen blofs der Bau und die Mifchung nicht fo grob, fo in die Augen fpringend, wie bei jenen verletzt lind.\nEndlich will ich noch einige Worte \u00fcber die Krankheiten der Schilddr\u00fcfe und \u00fcber die Folgen ihrer Ausrottung fugen.\nAus den Beobachtungen, dafs die Krankheiten der Sehilldr\u00fcie, ihre Verh\u00e4rtung, Verkn\u00f6cherung, und ihr vergr\u00f6fserter Zultand, der unter dem Namen ties Kropfes bekannt ift, keinen bemerklich fchlim-men Einfluls auf die \u00fcbrige thierifche Oekonomie hatten , folgerte man ein wenig zu rafch, c!a man keinen Schaden bemerkte, dafs fie auch keinen Nutzen haben muffe. Es bedarf in der That nichts als diefes Grund-fatzes, und wir k\u00f6nnen getroft alle Untcrfuchungen \u00fcber Natur und nat\u00fcrliche Gegenft\u00e4nde als gefcbloffen betrachten.\nDer Nutzen der Schilddr\u00fcfe befteht in der Bereitung eines carbonirten BJutes, und aus der Betrachtung ihres Baues erhellet, dafs vorz\u00fcglich die tr\u00e4ge Bewegung, und die h\u00e4ufigen Anaftomofen die Urfache diefer Ver\u00e4nderung find. Die oben benannten Krankheiten diefes Organs haben nicht in den Blut-gef\u00e4fsen, hindern in dem Zellgewebe ihren Sitz (Bail-//> neue Bemerkungen \u00fcber krankhaften Bau. Sammlung auseriefener Abhandl. f\u00fcr prakt. Aerzte. B. 20.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"185\nS. 356. ff.) und die Verrichtung diefer Driife kann , fo lange die Blutgef\u00e4fse noch offen und nicht verftopft find, nur wenig gef\u00e4hrdet, vielleicht noch gar dadurch bef\u00f6rdert werden, fie werden und k\u00f6nnen daher auch keinen bemerklichen fchlimmen Einllufs auf die \u00fcbrige Oekonomie des K\u00f6rpers haben, obgleich diefe Krankheiten f\u00fcr die nahe gelegenen Theile, die Nerven , Ge-f\u00e4fse, den Schlund, die Luftr\u00f6hre und Kehlkopf, und die eigene Ern\u00e4hrung diefer Driife nicht gleichg\u00fcltig find.\nNun noch eine Bemerkung \u00fcber die Ausrottung diefes Organs.\nCooper bemerkte bei Hunden, denen er diefe Dr\u00fcfe ausfchnilt, eine Art Dummheit, Bl\u00fcdfinnig-keit. Die Entftehung diefes Zufalles ift gar nicht \u00fcberrafchend, und es war vorauszufehen, dafs nach Unterbindung von vier fo bedeutenden Arterien, die anfehnliche Blutmenge, die fie fonft aufnahmen, nun eine Plethora in ihren St\u00e4mmen, den Carotiden, den Schltiffelbein - Arterien, und den aus ihnen entfprin-genden Ael'ten, den VVirbelarterien u. f. w. erregen w\u00fcrde, und dafs daraus ein nachtheiliger Druck auf das R\u00fcckenmark und das Gehirn entftehen m\u00fcfi'e: diefes berechiiget uns aber noch nicht, den Nutzen der Schilddr\u00fcfe in die blofse Verhinderung jener Zuf\u00e4lle zu fetzen.\nWas w\u00fcrde man, wenn nach der Abnahme des rechten Schenkels die vorhandene plethora ad fpalium eine krankhafte Corigeltion nach der Leber, odereine Entz\u00fcndung veranlafste, was w\u00fcrde man zu meinem Schluffe, dafs der Nutzen des rechten Schenkels darin beliebe, die Leber gegen die Wirkungen aller der krankhaften Url\u00e4chen, welche das Blut mit ungew\u00f6hnlicher Gewalt in djefelhe treiben, zu fchiitzen, l\u00e4gen? Aber auch f\u00fcr die thierifche W\u00e4rme, und Ueberoxygenirung des Blutes kann bei Ausrottung der Schilddr\u00fcfe kein","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nbemerklichcr Nachtheil entftehen. Die Gef\u00e4fse des Gehirns werden bei ' dem Ueberflufs des Blutes fich gleich den Seiten\u00e4ften der Brachial-Arterien, wenn ihr Stamm unterbunden worden, ausdehnen, die Sinu* des Gehirns, in denen der Kreislauf ohnehin tr\u00e4ge von Statten gehet, werden noch mehr Blut enthalten, die Bewegung dellelben wird noch tr\u00e4ger gefchehen, es wird lieh noch mehr Hydrocarbon aus dem ftagniren* den Blute entwickeln, und eben dadurch wird ein die Sehilddr\u00fcfe vicarirendes Organ gebildet, aber auch zugleich die freie Aus\u00fcbung der Hirnverrichtungen gehemmt werden.\nII.\nBemerkungen \u00fcber die Vertheilung der fein-ften Blutgefafse in den beweglichen Thei-]en des thierifchen K\u00f6rpers. Von Pro-feffor Dr. J, D\u00f6llinger.\nEs ift bekannt, dafs die Vertheilung der feinften Blutgefafse in Hinficht der Menge der abgehenden Aeft-chen, ihres Durchmeffers, der Winkel, unter welchen fie fich trennen, der Richtung ihres Verlaufes u. f. w. in verfcluedenen Theilen des menfchlichen K\u00f6rpers fehr verfchieden, dabei eben fo fehr beft\u00e4ndig fey, fo dafs fich die Organe durch diefe Gef\u00e4fsnetze nach vorgegan-gener gut gerathenen Ausfpriitzung leicht auch in den kleinften St\u00fcckchen von einander unterfcheiden laffen. Einige Umficht in dem Thierreiche belehrt uns, dafs daffelbe Organ , wenigftens in den Thieren mit Wirbeln, \u00fcberall fo ziemlich daffelbe Gewebe der Blutge-f\u00e4fse belitze; fo ift fich die Leber im Menfchen, in den S\u00e4ugthieren und V\u00f6geln , von Reptilien habe ich keine","page":186}],"identifier":"lit14827","issued":"1820","language":"de","pages":"161-186","startpages":"161","title":"Ueber den Nutzen der Schilddr\u00fcse","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:37:15.004237+00:00"}

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