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Über den Zustand des Nervensystems in Bezug auf Umfang und Masse bei dem nicht vom Alter abhängigen Marasmus und den Einfluß dieses Zustandes auf das Nervenleben: Journal de Physique, T. 90, p. 442 ff.

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{"created":"2022-01-31T16:57:47.762688+00:00","id":"lit14873","links":{},"metadata":{"alternative":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie","contributors":[{"name":"Desmoulins","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Deutsches Archiv f\u00fcr die Physiologie 6: 458-464","fulltext":[{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"455\nSeiten zugleich vorzukommen pflegen, wenn gleich beide nicht v\u00f6llig nach denselben Typus angeordnet find, eine Bedingung, welche vielleicht mit der, auch im regelm\u00e4fsigen Zuftande Statt findenden Verfchieden-lieit zwilchen beiden K\u00f6rperh\u00e4lften zufammenh\u00e4ngt.\nXXVI.\nDesmoulins \u00fcber den Zuftand des Ner-venfyftems in Bezug auf Umfang und Maffe bei dem nicht vom Alter abh\u00e4ngigen Marasmus und den Einflufs diefes Zuftandes auf das Nervenleben. (Journal de Phyfique. T. 90. p. 442 ff.)\nDie meiften Phyfiologen und Aerzte fuchen die Urfa-chen der beft\u00e4ndigen aufserordentlichen Reizbarkeit des Nervenfvftems in dem, acute und chronifche Krankheiten begleitenden Marasmus in der Schw\u00e4che deffelben, welche fie aus der durch die Ausleerungen bewirkten Erfcb\u00f6pfung der Gewebe und Fliiffigkeiten herleiten. Hierbei wird nat\u00fcrlich vorausgeletzt, dai\u2019s das Nervenfy-ftem an der Abmagerung der \u00fcbrigen Gewebe Theil nimmt. Indeffen kenne ich, ungeachtet man diefer Anficht nach die Behandlung einrichtet, keine bewei-fende Thatfaehe, im Gegentheil glaube ich, dafs fie durch Thatfachen widerlegt wird , welche dagegen die wichtigften materiellen Bedingungen dieles phyfiologi-fchen Ph\u00e4nomens liefern. Aus ihnen fchliei'se ich, dafs jene Erfcheinungen von der Integrit\u00e4t des Nervenfyftems bei Abmagerung aller \u00fcbrigen Organe herr\u00fchren.\nZwei Beobachtungen haben mich zur Entdeckung diefer Thatfaehe geleitet.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"459\nZuv\u00f6rderft fand ich, clafs bei jungen Leuten mit dem h\u00f6chften Grade des Marasmus diefer Art, nach langwieriger Entz\u00fcndung der Bruft- und Unterleibseingeweide, das Gehirn den Sch\u00e4del fo vollkommen als gew\u00f6hnlich anf\u00fcllte. Zugleich fand ich die Nervenit r\u00e4nge keineswegs fo gefchwunden als die Muskeln. Hieraus fchlofs ich auf die Integrit\u00e4t des Nervenfyftems, die ich fo zu erweifen fuchte.\nDie Schwierigkeit, bei Greifen die verh\u00e4rteten und zugleich gefchwundenen Nervenitr\u00e4nge zu finden, liefs mich vermuthen, dafs im Alter das Gehirn lieh gleichfalls vermindert. Da mm auch hier das Gehirn den Sch\u00e4del vollkommen anf\u00fcllt, fo mufste fein Schwinden das Einfinken der Sch\u00e4delw\u00e4nde bedingen. Bei jungen Leuten w\u00e4re nun daffelbe m\u00f6glich, wenn gleich nicht wahrfcheinlich. Dies auszumitteln, maafs ich im Anf\u00e4nge chronifcher Pfiegmafieen , deren t\u00f6dlichen Ausgang ich vorherfehen konnte, und nach dein Tode den horizontalen Umfang des Sch\u00e4dels um die Hinterhaupts - und Stirnh\u00f6cker.\nDa beide Maafse gleich waren, fo war der Inhalt des Sch\u00e4dels nicht vermindert, und f\u00fcllte ihn das Gehirn vollkommen an, fo war fein Umfang nicht ver\u00e4ndert.\nDa aber doch dieMaffe abgenommen haben konnte, fo war zu unterfuchen, ob nicht bei gleichem Umfange vielleicht das Gewicht abgenommen habe. Hier lie-fsen fich freilich nur Ann\u00e4herungen auffinden; diele fuchte ich zu erhalten, indem ich Hirnl't\u00fccke von am Marasmus Geftorbenen und folchen Leichen, die noch fehr wohlgen\u00e4hrt waren, hydroftatifch verglich.\nDas allgemeine Refultat, welches ich hierbei erhielt, ift folgendes.\nIch nahm von jungen oder erwachfenen Perfonen unter vierzig Jahren, die am h\u00f6chften Marasmus ge-","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"ftorben waren, befthnmte Hirnft\u00fccke, z. B. vom vordem, mittlern oder hintern Lappen oder das kleine Gehirn. Ich ma als das Gewicht hyclroftatifch, indem ich lie in ein halb mit Waller angef\u00fclltes Glas that, \u25a0weiches \u00e4ufserlich einen graduirten Maafsftab hatte. Die H\u00f6he, worauf fielt das Waller durch das einge\u00ab tauchte Hirnft\u00fcck \u00fcber feine vorher gemeffene Fl\u00e4che erhob, bel'timmtc das Volum dcfl\u2019elben. Vorher wurde die Spinnweben und Ger\u00e4fshaut weggenoinmen, und der Verfuch immer erft. vier und zwanzig Stunden nach dem Tode angeftellt. Nachher liefsich dasSttick Gehirn austropfen, wog es, und verglich darauf fein Gewicht mit dem eines gleich grofsen St\u00fcckes von einem andern Gehirn, hier fand ich immer bei demfelben Umfang gleiches Gewicht mit Hirnft\u00fccken von Perfonen gleichen Alters, Gefchlechts u. f. w., die im Anf\u00e4nge einer Krankheit geftorben waren, wodurch ihre Ern\u00e4hrung nicht gelitten hatte. F\u00fcr das \u00fcbrige Nervenfyftem galt v\u00f6llig daifelbe.\nHiernach alfo behielt das Nervenfyftem beim Marasmus leine Integrit\u00e4t, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Organe ich winden. Vorz\u00fcglich fchwindetdasMuskelfyftem, zugleich vermindert lieh feine Contractilit\u00e4t, dagegen find die SenfibiJit\u00e4ts\u00e4ufserungen krankhaft gefteigert. Offenbar r\u00fchrt dies wohl von dem Uebergewicht des Nerveufy-Items in Hinficht auf Maffe und Th\u00e4tigkeit \u00fcber die \u00fcbrigen Sylteme her.\nDiefe Vermuthung wurde bald durch die Vergleichung der G hirne fiebzigj\u00e4hriger mit jiingern beft\u00e4tigt. Schon fr\u00fcher hatte ich die Nervenl'tr\u00e4nge von Greifen bedeut nd gefchwunden gefeiten und bemerkt, clafs die Nervenzweige viel weniger weil als bei J\u00fcngern verfolgt werden konnten. Eben fo nimmt das R\u00fcckenmark, verfchruinpft und trocken, einen kleinern Raum im Wirbelkanal ein. Das Gehirn dagegen f\u00fcllte die ganze","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"461\nSch\u00e4delh\u00f6hle an, und fchien allein unter allen Thei-len des Nervenfyftems unverfehrt. Dies aber fchien mir, bei der Minderung feiner Functionen im Alter, un-wahrfcheiniich.\nDa ich nun weder das Gehirn deffelben Menfchen in verfchiednen Perioden mit heb feibft vergleichen, noch, wegen der vielen individuellen Verfchiedenhei-ten, die Vergleichung der Gehirne von Greifen mit denen von J\u00fcngern von Nutzen feyn konnte, fo verglich ich nur die Mafferi, nicht die Volume von Gehirnen verfchiednen Alters, um fo mehr, da ich hieraus ncherere Schl\u00fcffe als aus den Vergleichungen des Volums ziehen zu k\u00f6nnen glaubte.\nBei einem dreimaligen Verfuche, wo ich das Gehirn von Siebzigern mit dem von Perfonen unter 40 Jahren verglich, fand ich immer das eritere um yD\u2014 leichter, bei gleichem Volum weniger Maffe, alfo fch wacher ern\u00e4hrt. Zugleich war es h\u00e4rter und fefter.\nDas Gehirn der Greife wird alfo kleiner, fpeeihfeh leichter, h\u00e4rter und fefter.\nDiefe Ver\u00e4nderungen fallen v\u00f6llig mit denen im \u00fcbrigen Nervenfyftem zufammen, und h\u00e4ngen gewifs von derfelben Urfache ab. Wie bei allen Organen zwi-fchen der Maffe, der Th\u00e4tigkeit, den Kr\u00e4ften und den Producten, oder ihren Functionen, ein gerades Ver-h\u00e4ltnifs Statt findet, mindern fich die Functionen des Gehirns mit feinem Volum, feiner Maffe und der Fliiffigkeit feiner Subftanz, nach dem allgemeinen Gefetz, dafs Trockenheit und Erh\u00e4rtung die Aus\u00fcbung der Functionen hindert.\nWie nun in der Thierreihe die Intenfit\u00e4t der Functionen des Nervenfyftems mit der Maffe deflelhen in geradem Verh\u00e4ltnifs fteht, fo w\u00e4chlt in den verfchiednen Zuft\u00e4nden deffelben Thieres die intenfit\u00e4t derfelben mit dein Uebergewicht von Maffe des Nervenfyftems","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die \u00fcbrigen, verk\u00fcmmerten Organe, vorz\u00fcglich aber day Muskelfyftem. So fchwindet beim Greife die Zahl und die Kraft feiner Functionen in gleichem Ver-li\u00e4itnifs mit feinen r\u00e4umlichen Ver\u00e4nderungen, Tritt nur, im fr\u00fchen Alter ein Schwinden der \u00fcbrigen Organe ein, w\u00e4hrend das Nervenfyftem unver\u00e4ndert bleibt, fo wird um fo mehr ein Uebergewicht feiner Th\u00e4tigkeit entftehen, als, durch jenes Schwinden felbft, die Nervenenden blofs gelegt und dadurch den unmittelbaren Einwirkungen aller Reize mehr ausgefetzt find, fo dafs die blofsen Ern\u00e4hrungsbewegungen, noch mehr \u00e4ufsere Reize, krankhaft erregend wirken. Dies wird defto mehr Statt finden, je j\u00fcnger der Menfch ift, fofern das ganze Nervenfyftem in demfelben Verh\u00e4ltnifs gr\u00f6fser ift.\nDaher offenbar die \u00e4ufserfte Reizung und St\u00f6rung der Nerventh\u00e4tigkeit bei jungen, in Folge von Schwind-fuchten abgemagerten Perfonen.\nDie Integrit\u00e4t des Nervenfyftems bei allgemeinem Marasmus im j\u00fcngern Alter deutet offenbar auf grofse Langfamkeit des Ern\u00e4hrungsproceffes deffelben hin, und in der That fcheint es vor dem Knochenfyftem in diefer Ilmficht wenig voraus zu haben. Hiernach kann man nicht etwa, gegen die von mir angef\u00fchrten Beobachtungen, vermuthen, dafs beim Marasmus J\u00fcngerer der Umfang des Gehirns mit Gleichbleiben der Maffe fchwindet, und dadurch das Einfinken der Sch\u00e4del w\u00e4nde bewiikt, wodurch fein Antheil an der Abmagerung verborgen w\u00fcrde. Dagegen fpricht i) der Umftand, dafs der Umfang des Sch\u00e4dels gleich bleibt; a) die K\u00fcrze der Zeit, fofern felbft die Bildung des Callus eine weit l\u00e4ngere erfordert, ungeachtet der Ern\u00e4hrungsprocefs hier durch die Entz\u00fcndung befchleunigt ift. Bei Greifen tritt das Schwinden des Gehirns und Sch\u00e4dels in fehr langer Zeit ein. Bei einem fehr alten Sch\u00e4del, den ich habe, find die W\u00e4nde nicht blofs fehr d\u00fcnn, fondern ftellen-","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"weife ganz verfehwunden, felbft die Zellen an der Fl\u00e4che des Felfenbeins find blofs gelegt.\nDie Integrit\u00e4t des Nervenfyftems beim Marasmus Erwachfener h\u00e4ngt alfo i) von der Langfamkeit feiner Ern\u00e4hrungsbewegungen; 2) der Erhaltung der F\u00e4higkeit, wie vorher, aus den organifchen Fliiffigkeiten die Materialien zu feiner Ern\u00e4hrung zu ziehen.\nPathologifch - anatomifche Beobacht ungen machen felbft MalTe und Zunahme des Nervenfyftems bei Abmagerung andrer Organe wahrfcheinlich. Bei mehrern Bruft-und Mutterkrebfen, Tuberkeln und Meiaoofen andrer Organe fahe ich die R\u00fcckenmarks-und Ganghen-nerven gr\u00f6fser als im gefunden Zuftande derfelben Organe. Auch dies ftimmt mit dem obigen Gefetze \u00fcberein, indem nothwendig nach diefem das th\u00e4tigere Organ lieh auch vergr\u00f6fsern mufs.\nVergleicht man diefe t\u00e4glich durch Leichen\u00f6ffnungen fich beft\u00e4tigenden Thatfachen mit andern, welche zeigen, dafs das Nervenfyftem andern Gefetzen als andre Gewebe gehorcht, namentlich feinem fr\u00fchen Ent-ftehen, feiner fr\u00fchen Ausbildung, der Einf\u00f6rmigkeit feiner Verbreitung beim F\u00f6tus und Kinde in Organen, deren Entwicklung, entweder der Lage wegen, wie die untern Gliedmaafsen, oder der Unth\u00e4tigkeit, wie die Zeugungstheile fehr verfchieclen ift, lo ergiebt fich fehr leicht ein fehr bedeutendes Uebergewicht des Nervenfy-ftems. Jetzt ift auch das Nervenleben am h\u00f6chften geltei-gert, im Alter dagegen, mit, im Verh\u00e4ltnifs gegen die \u00fcbrigen Organe gefchwundnem Nervenfyftem , gefunken ; offenbar alfo h\u00e4ngt die h\u00f6here Th\u00e4tigkeit delfelben nicht blofs von einer lebhaftem Empf\u00e4nglichkeit, fondern wirklich von gr\u00f6fserer Maffe deffelben ab. So oft fich jener jugendliche Zuftand weiter ausbildet, werden daher diefel-ben Erfcheinungenkrankhaft wieder eintreten, und daher die Ueberreizung des Nervenfyftems bei Nervenkrank-","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"lieitan und in den letzten Perioden der Schwinclfucht von chronifchen Entz\u00fcndungen.\nDie Behandlung diefes Zuftandes mufs daher weniger krampfftillend, als das Muskel und Verdauungs-fyf\u2019tem ft\u00e4rkend feyn. Keineswegs find, wie man gew\u00f6hnlich annimmt, die Nervenkr\u00e4fte gefunken, fon-dern relativ gefteigert. Sowohl in der ileconvalescenz als in Nervenkrankheiten, vorz\u00fcglich bei Weibern, wird man durch diefeiben Mittel, vorz\u00fcglich durch St\u00e4rkung der Muskeln mittelft Bewegung, nicht aber durch krampf-ftillende und Nervenmittel, heilen.\nxxvir.\nCayre \u00fcber die ft\u00e4rkfte Entwicklung des Gangliennerven bei Biodfinnigen. (N. j. de in\u00e9dec. Tom. IV. p. 40. )\nEine organifche Umwandlung oder eine von der gew\u00f6hnlichen abweichenden Bildung mill's nicht nur zu Aufkl\u00e4rungen in der Pathologie, fondern auch der Phy-fiologie leiten. Beide Zwecke werden, wo ich nicht irre, durch die fehr ftarke Entwicklung des Ganglien-nerven, die ich bei neun Biodfinnigen fand, erreicht werden.\nBis jetzt hat man fich hei den Leichen Bl\u00f6dfinniger nur mit der Unterfuchung der Geftalt des Kopfes, des Zuftandes ries Gehirns in Hinficht auf Grofse, Gewicht, Fettigkeit, die Tiefe, Ausdehnung, Richtung feiner Furchen u. f. w. befch\u00e4ftigt, dagegen den peripherifchen Theil des Nerveiifyltems unber\u00fccklichtigt gelaffen. Durch einen Zufall fand ich bei der Leiche eines Biodfinnigen, woran ich die Nerven ausarbeitete, folgende Bedingungen, die fich mir nachher bei acht andern wieder darboten.","page":464}],"identifier":"lit14873","issued":"1820","language":"de","pages":"458-464","startpages":"458","title":"\u00dcber den Zustand des Nervensystems in Bezug auf Umfang und Masse bei dem nicht vom Alter abh\u00e4ngigen Marasmus und den Einflu\u00df dieses Zustandes auf das Nervenleben: Journal de Physique, T. 90, p. 442 ff.","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:57:47.762693+00:00"}

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