Open Access
{"created":"2022-01-31T16:58:03.487219+00:00","id":"lit14877","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Marty, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 297-333","fulltext":[{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\nWilliam James. The principles of Psychology. London, Macmillan & Co., New York, Holt & Co. Yol. 1, VII und 689 S., Vol. 2, VI und 704 S.\nDas vorliegende Werk enth\u00e4lt 28 teils gr\u00f6fsere, teils kleinere Kapitel, von denen manche ein mehr oder weniger ver\u00e4nderter Abdruck von Abhandlungen sind, die fr\u00fcher in Zeitschriften erschienen waren. Der Autor erz\u00e4hlt: das Buch, dessen aufsergew'\u00f6hnliche L\u00e4nge er selbst bedaure, sei wesentlich im Zusammenhang mit seinen Universit\u00e4tsvorlesungen entstanden. Jene successive Ver\u00f6ffentlichung einzelner St\u00fccke aber sei die Folge seiner langsamen Entstehung gewesen. Ohne diese Bemerkung der Vorrede h\u00e4tte der Leser leicht auf die Vermutung kommen k\u00f6nnen, dafs von Anfang nicht eine Behandlung der gesamten Psycho-logie im Plane des Autors gelegen, und er vielmehr eine Seihe mehr oder weniger unabh\u00e4ngig voneinander entstandener Aufs\u00e4tze nachtr\u00e4glich gesammelt, erg\u00e4nzt und zu einem, ziemlich alle Fragen des Gebietes umfassenden Ganzen redigiert habe. -\nJ.\u2019s Werk macht n\u00e4mlich in mehrfacher Beziehung den Eindruck, als ob es nicht aus Einem Gusse sei. Vor allem ist kein v\u00f6llig systematischer Aufbau weder nach einem mehr didaktischen noch nach einem streng wissenschaftlichen Plane darin erkennbar. Die Folge der Materien in den Kapiteln (und die Kapiteleinteilung ist die einzige, die \u00e4ufserlich zu Tage tritt) erscheint als eine ziemlich lockere. Ja, sie verbl\u00fcfft nicht blofs den Leser, sondern bringt auch den Autor selbst zuweilen sichtlich in Verlegenheit. Einheitlich ist das Werk sodann auch in dem Sinne nicht, dafs die verschiedenen Fragen der Psychologie nicht durchg\u00e4ngig eine ihrer Wichtigkeit und dem heutigen Stand der Forschung entsprechende und gleichm\u00e4fsig ausf\u00fchrliche Ber\u00fccksichtigung finden. (Und damit meine ich nicht blofs, was der Verfasser selbst in der Vorrede zugesteht, dafs dem Gebiete der Gef\u00fchle (Lust und Schmerz) keine irgendwie eingehendere Behandlung zu teil wird.) Endlich l\u00e4fst das Werk auch insofern einen einheitlichen Charakter vermissen, als die H\u00f6he seiner wissenschaftlichen Haltung nicht in jeder Bichtung und in allen Teilen dieselbe ist und es in diesem Sinne nicht \u00fcberall f\u00fcr ein und dasselbe Publikum geeignet erscheint. Des Verfassers gr\u00fcndliche Gelehrsamkeit und eindringender Scharfsinn einerseits und sein entschiedenes Talent f\u00fcr anschaulich-popul\u00e4re Darstellung haben sich nicht","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nBesprechungen.\nzu einer harmonischen Ehe gefunden. Sie f\u00fchren vielfach einen getrennten Hausstand nebeneinander, und so erfahren manche Tragen eine nach meiner Meinung allzu popul\u00e4re und ans Feuilleton streifende Art der Behandlung. Mit Partien, die in trefflicherWeise das in Bezug auf ein Problem bisher Geleistete res\u00fcmieren und eine beachtenswerte selbstst\u00e4ndige Diskussion bieten, wechseln andere, die zwar den phantasievollen und sprachgewaltigen Essayisten, aber weniger den Forscher James zeigen. Doch genug von diesen M\u00e4ngeln! Sie hindern nicht, dafs das Buch Gutes, ja mitunter Vorz\u00fcgliches enthalte, und was der Verfasser bewahrheitet sehen m\u00f6chte: Wer vieles bringt, wird vielen etwas bringen \u2014 das darf er mit Recht von ihm erwarten.\nZwar f\u00fcr den Anf\u00e4nger und zur ersten Einf\u00fchrung in das wissenschaftliche Studium der Psychologie scheint es mir nicht passend, aus Gr\u00fcnden, die zum Teil in dem bereits Gesagten liegen, zum Teil noch aus sp\u00e4teren Er\u00f6rterungen sich von selbst ergeben werden. Dagegen m\u00fcssen manche Ausf\u00fchrungen des Buches den Fachmann interessieren. Andere werden Demjenigen eine anregende und genufs-reiche Lekt\u00fcre sein, der eine mehr popul\u00e4re Behandlung psychologischer Fragen w\u00fcnscht. Den letzteren m\u00f6chte ich besonders auf solche Partien aufmerksam machen, wo der Autor mit edler W\u00e4rme und mit einer anschaulichen Kraft des Ausdrucks, die einem Dichter nicht TTnehre machen w\u00fcrde, wissenschaftliche Lehrs\u00e4tze in ihrer Anwendung auf Ethik und P\u00e4dagogik darstellt.\nWir geben im folgenden erst eine Inhalts\u00fcbersicht der Kapitel, wo wir uns freilich erlauben, bei manchen Materien etwas mehr zu verweilen, als bei anderen; nachher m\u00fcssen gewisse methodische Grundanschauungen des Buches, die, weittragend in ihren Folgen, vor anderen f\u00fcr seine Art die Probleme zu stellen und zu l\u00f6sen bestimmend sind, kritisch zur Sprache kommen.\nI. Das I., verh\u00e4ltnism\u00e4fsig recht kurze Kapitel handelt von den Aufgaben der Psychologie, ein Punkt, auf den wir zur\u00fcckkommen werden. Das II. und III. geben eine gute, nur f\u00fcr die Zwecke des Buches wohl zu ausf\u00fchrliche \u00dcbersicht \u00fcber [den gegenw\u00e4rtigen Stand der Gehirnphysiologie. Das IV. Kapitel, von der Gew\u00f6hnung, enth\u00e4lt neben h\u00fcbschen Winken f\u00fcr die Ethik und P\u00e4dagogik vornehmlich eine physiologische Theorie des Gegenstands. Das V. (Automaton-Theory) hat jene Anschauung im Auge, wonach alle Kr\u00e4fte und aller kausale Verlauf in uns rein mechanisch w\u00e4re, so dafs das Psychische nur die Polle eines Epiphenomenon (eines Schattens oder m\u00fcfsigen Zuschauers) spielte, dem jedes Verm\u00f6gen zum Wirken abginge. Der Verfasser entscheidet sich gegen sie, nachdem er die Gr\u00fcnde f\u00fcr und wider (nur die letzteren vielleicht nicht in ersch\u00f6pfender Weise) aufgef\u00fchrt hat. Das VI. Kapitel (The Mind-stuff Theory) bringt incidentell alles Namhafte zur Sprache, was zu Gunsten der Annahme unbewufster psychischer Zust\u00e4nde vorgebracht worden ist, und lehnt sie seinerseits entschieden ab. Das Hauptaugenmerk ist aber gegen den Versuch gerichtet, unser einheitliches Bewufstsein als ein Kollektiv aus \u201ekleineren Einheiten aufzufassen und aus einer realen Vielheit von Bewufstseinsst\u00e4ubchen","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n299\n(seien diese nun bewufst oder unbewufst) zu konstruieren. Die falschen Analogien, die dabei beliebt sind (wie die vom Kr\u00e4fteparallelogramm) und andere Unklarheiten \u2014 wie, wenn man dabei das Gehirn je nach Bedarf bald als eine Vielheit von Realit\u00e4ten, bald als eine Einheit auf-fafst (um dann von seiner Th\u00e4tigkeit, wie derjenigen Eines Dings sprechen zu k\u00f6nnen) \u2014 erfahren eine scharfe Beleuchtung. Etwas unsanft werden die bez\u00fcglichen Seiten der SpENCERschen Evolutionsphilosophie mitgenommen, denen freilich auch der objektivste Kritiker einen lockeren und vagen Charakter nicht absprechen kann. Was J.\u2019s eigene positive Anschauung \u00fcber den Tr\u00e4ger unseres Bewufstseins betrifft, so ist mit den Ausf\u00fchrungen des VI. auch eine Partie des X. Kapitels zu vergleichen. Das vorliegende verweist, nachdem es sowohl die Annahme abgelehnt hat, dafs das Gehirn, als Ganzes betrachtet, der einheitliche \u201eDenker\u201c sein k\u00f6nne, als diejenige, dafs einer einzelnen Zelle oder einem Atom desselben diese Punktion zukomme (letzteres erscheint ihm mit R\u00fccksicht auf anatomische und pathologische Erfahrungen nicht annehmbar), auf die Lehre von einer immateriellen Seele, als eine Hypothese, welcher von dieser Seite eine respektable logische Position zukomme. Das X. Kapitel findet jedoch, die Annahme einer geistigen Seelensubstanz erkl\u00e4re nichts (d. h. wohl \u2014 wenn der Widerspruch vermieden werden soll \u2014 nichts Weiteres). Sie sei \u00fcberdies eine metaphysische Angelegenheit, die den Psychologen als solchen nichts angehe. Der letztere m\u00fcsse auf dem empirisch ph\u00e4nomenalen Standpunkte bleiben, und da k\u00f6nne nur der jeweilig gegenw\u00e4rtige Bewulstseinszustand selber als Bewufstseins-tr\u00e4ger gelten. The passing Thought itself is the only verifiable Thinker (I. S. 346). Auf den Inhalt des kurzen VI. Kapitels (Meth ode und Schwierigkeiten der Psychologie), das seinen Gegenstand keineswegs ersch\u00f6pft, kommen wir teilweise unten noch zu sprechen ; hier sei nur erw\u00e4hnt, dafs J. die M\u00f6glichkeit, ein gegenw\u00e4rtiges psychisches Ph\u00e4nomen zum Gegenstand der Beobachtung zu machen, schlechterdings in Abrede stellt. Jede Beobachtung finde nachtr\u00e4glich und in der Erinnerung statt. Ja, der Verfasser geht so weit, zu erkl\u00e4ren: \u201eKein Bewufst-seinszustand ist, w\u00e4hrend er gegenw\u00e4rtig ist, sein eigenes Objekt; sein Objekt ist immer etwas Anderes\u201c. Doch haben wir dies wohl nur als einen, dem Eifer des Gefechtes entsprungenen ungenauen Ausdruck anzusehen. Denn kurz zuvor hatte J. \u2014 wenn ich nicht alles mifsverstehe \u2014 Brentanos wichtige Unterscheidung zwischen innerer Beobachtung und einfacher Wahrnehmung anerkannt. Auch st\u00e4nde jener Satz, w\u00f6rtlich verstanden, in direktem Widerspruch mit seiner Bek\u00e4mpfung der Annahme von unbewufsten psychischen Zust\u00e4nden (oder sind damit nicht eben Zust\u00e4nde gemeint, die blofs ein Bewufstsein von etwas Anderem und nicht zugleich ein Selbstbewufstsein w\u00e4ren?). Allein auch die Behauptung, dafs wir uns beobachtend niemals einem gegenw\u00e4rtigen psychischen Ph\u00e4nomen zuwenden k\u00f6nnten, hat J. nicht bewiesen und mit den That-sachen d\u00fcrfte es besser stimmen, wenn man die M\u00f6glichkeit einer Beobachtung gegenw\u00e4rtiger psychischer Zust\u00e4nde nicht so unbedingt und ohne jede Einschr\u00e4nkung leugnet.\nDas VIII. Kapitel f\u00fchrt die Aufschrift: Relationen des Geistes","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nBesprechungen.\n(mind) zu anderen Dingen. Doch wird statt dessen sofort auch gesagt: zu anderen Objekten. Und die \u00c4quivokation, die in diesem Worte liegt, indem es bald eine vom Bewufstsein unabh\u00e4ngige Wirklichkeit, bald ein Korrelat des Bewufstseins (den In halt desselben) bezeichnet, erm\u00f6glicht es dem Verfasser, unter dem obigen Titel eine Beihe von Problemen zu behandeln, die man sonst nicht beisammen suchen w\u00fcrde: n\u00e4mlich neben der Frage nach der Zahl der fundamental verschiedenen Weisen unseres bewufsten Verhaltens zu Objekten auch die ganz andere (die aber von der vorigen nicht klar geschieden wird \u2014 vgl. auch Kap. X. S. 271 ff.), ob unser Bewufstsein Wirkung und Zeichen sogen, \u00e4ufserei-Bealit\u00e4ten (anderer Geister und materieller Dinge) sei, und weiter die : in welchem Verh\u00e4ltnis unsere Seelenzust\u00e4nde zum Baum (Seelensitz) und. zur Zeit stehen (m. a. W., ob das Bewufstsein jemals eine v\u00f6llige Unterbrechung erfahre). Das IX. Kapitel (The Stream of Thought) will mit dem Studium der Seele \u201evon innen\u201c den Anfang machen, und zwar zun\u00e4chst etwas wie eine Kohlenskizze des inneren Lebens bieten, welche nur die Z\u00fcge, die dem Strome des Bewufstseins als Ganzem charakteristisch sind, hervorheben soll. Unter diesen Eigent\u00fcmlichkeiten betont J. insbesondere, weil sie vielfach verkannt worden seien, den best\u00e4ndigen Wechsel im Bewufstsein und seine Kontinuit\u00e4t, und im Zusammenhang mit der Lehre von der Kontinuit\u00e4t stellt er eine ganz neue Scheidung der psychischen Zust\u00e4nde in substantive und transitive states auf. Beide Punkte m\u00fcssen uns sp\u00e4ter eingehender besch\u00e4ftigen.\nDas X. Kapitel (Vom Selbstbewufstsein) enth\u00e4lt aufser einer strengeren Untersuchung \u00fcber das \u201ereine Selbst oder das innere Prinzip der pers\u00f6nlichen Identit\u00e4t\u201c (wo neben der \u201eassoziationistischen Theorie\u201c D. Humes und der \u201etranscendentalistischen\u201c Kants die Lehre von einer immateriellen Seele nochmals zur Sprache kommt \u2014\u2022 vgl. Kap. 6), eine ganze Beihe mehr popul\u00e4rer Ausf\u00fchrungen \u00fcber das sog. materielle, soziale und geistige Selbst, \u00fcber Selbstgef\u00fchle (Befriedigung und Unbefriedigung), Selbstliebe und Selbsterhaltung u. s. w. Unter anderem wird hier auch die Frage aufgeworfen, was das self of all the other selves sei und dahin entschieden, es sei dies das \u201ecentrale aktive Selbst\u201c, wobei unter Aktivit\u00e4t oder Spontaneit\u00e4t das zustimmende und verwerfende Verhalten der Seele zu den vorgestellten Objekten verstanden wird \u2014 aber in doppeltem Sinne, n\u00e4mlich sowohl indem des urteilenden Anerkennens und Leugnens, als in dem des Vorziehens und Ablehnens durch Gem\u00fct und Wille. Diese ganze Unterscheidung zwischen einem centralen und weniger centralen Selbst hat meines Erachtens geringen wissenschaftlichen Wert. Und wenn J. die weitere Frage, wie der \u201ecentrale Teil des Selbst\u201c wahrgenommen werde, in \u00e4hnlicher Weise wie Wundt dahin zu beantworten geneigt ist, dafs das Gef\u00fchl dieses innersten Selbst, sorgf\u00e4ltig untersucht, sich als eine Summe von Bewegungsempfindungen im Kopf und zwischen Kopf und Kehle erweise, so sehen wir ihn offenbar auf bestem Wege, g\u00e4nzlich zu ignorieren, dafs es noch andere Anschauungen giebt, als solche von physischen Ph\u00e4nomenen. Ein Versehen, das freilich auch anderw\u00e4rts noch recht auff\u00e4llig bei ihm zu Tage tritt. (Vgl. z. B. II , S. 7 u. 8; 455 u. \u00f6.) Die volle Konsequenz","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n301\ndavon zieht er freilich sowenig, wie Wundt. Sie w\u00e4re keine geringere, als ehrlich und ein f\u00fcr allemal alles Gerede von consenting und abnegating, welcome und reject, wish, desire, interest u. s. w. als sinnlos aufzugeben. Aus Anschauungen physischer Ph\u00e4nomene (Bewegungsgef\u00fchlen u. dgl.) haben wir diese Begriffe sicher nicht gewonnen. Und wenn es keine anderen Anschauungen giebt, woher sollen wir sie denn, und mit ihnen den Begriff des aktiveren Selbst, wie er uns anf\u00e4nglich von J. vorgef\u00fchrt wurde, \u00fcberhaupt haben? \u25a0\u2014 Schliefslich bespricht das (\u00fcber 100 Seiten) ausgedehnte Kapitel auch noch eingehend die mannigfachen \u201eAlterationen des Ich\u201c und die namentlich von franz\u00f6sischen und amerikanischen Forschern neuester Zeit beigebrachten Thatsachen \u00fcber sog. doppeltes und mehrfaches Bewufstsein. Das XI. Kapitel handelt von der Natur und den Gesetzen der Aufmerksamkeit (vgl. damit auch Partien des XIII., XXI. und XXVI. Kap.). Der Autor sieht das Wesen dieses Vorganges in der Adaptation der Sinnesorgane f\u00fcr einen Eindruck und in einer gewissen Vorbereitung der bez\u00fcglichen \u201eideationalen Centren\u201c, d. h. in einer anticipatorischen, dem Eindruck \u201eentgegenkommenden\u201c , ihn \u201eerh\u00f6henden\u201c Phantasieth\u00e4tigkeit (Inward reproduction I, 504. Formation of a separate image 503. The image in the Mind is the attention I. 442.) Diese Beschreibung d\u00fcnkt mich einseitig ; sie hat offenbar ausschliefslich die sog. sinnliche Aufmerksamkeit im Auge. Auch die \u201eKelationsgef\u00fchle\u201c und Begriffe aber, die J. (wie wir noch h\u00f6ren werden) zu allen sinnlichen Bildern als etwas wesentlich davon Verschiedenes in Gegensatz bringt, k\u00f6nnen doch von Aufmerksamkeit begleitet sein! Und wie, wenn er sp\u00e4ter geradezu den Willen, ja auch das Glauben oder Urteilen mit der Aufmerksamkeit identifiziert? Soll jedes Wollen und jedes \u201eGlauben\u201c in einer pre-perception, in der Bildung eines separaten sinnlichen Bildes (image) von dem Gegenstand bestehen? Das XII. Kapitel (Conception) bek\u00e4mpft den Nominalismus von Berkeley, der beiden Mill u. a., ohne freilich etwas Befriedigendes an die Stelle zu setzen, wie wir noch sehen werden. Auch klingen die Schilderungen, die der Verfasser selbst hier und anderw\u00e4rts (vgl. z. B. I. S. 265 ff.) von den Denkvorg\u00e4ngen giebt, oft nominalistisch genug. Das XIII. Kapitel, eine Er\u00f6rterung des Wesens und der Gesetze der Unterscheidung und Vergleichung, d\u00fcrfte mancherlei Widerspruch finden. Hier nur die Erw\u00e4hnung, dafs u. a. auch Webers Gesetz (f\u00fcr welches J. eine rein physiologische Deutung als die wahrscheinlichste ansieht) und die Aufstellungen zur Sprache kommen, welche Fechner darauf gegr\u00fcndet hat. Dabei setzt uns in Erstaunen, dafs der Verfasser, der die psychologische Forschung heute schon durchg\u00e4ngig \u2014 und damit wohl in weiterem Umfange, als der Stand der Dinge vertr\u00e4gt \u2014 psychophysisch machen m\u00f6chte, doch gerade die-jenigeLitteratur, welche der Streit um Fechners \u201epsychophysisches Gesetz\u201c mit sich brachte, \u201eschrecklich\u201c (dreadful) findet und jene FEOHNERSche Formel selbst, die doch wohl als ein erlaubter Versuch eine den Thatsachen gen\u00fcgende Hypothese zu finden, gelten darf, zu den idola specus, wenn es je deren gegeben habe, rechnen will. Das XIV. Kapitel (Assoziation) enth\u00e4lt historisch und sachlich Treffliches. Doch nicht, ohne","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nBesprechungen.\nclafs die historische Darstellung ungerechte Vorw\u00fcrfe gegen die sog. Assoziationspsychologie enthielte (Vgl. auch Kap. X, XII und XIII.) Wir werden darauf zur\u00fcckkommen. In sachlicher Beziehung ist namentlich beachtenswert, dafs J. das sog. Gesetz der \u00c4hnlichkeit als besonderes Gesetz streichen will und den eigentlichen Grund aller Ideenassoziation in dem Gesetz der Gewohnheit sucht. Wir sind in der Hauptsache mit diesem Gedanken, der schon bei Aristoteles angedeutet und in neuerer Zeit von Fr. Brentano klar ausgesprochen worden ist1, einverstanden, obschon uns die Art, wie J. die F\u00e4lle der \u201eAssoziation nach \u00c4hnlichkeit\u201c auf sein allgemeines Prinzip zur\u00fcckf\u00fchren will, nicht v\u00f6llig befriedigt. Wenn er weiter betont, dafs die Grundgesetze der Ideenassoziation psychophysische seien, so sind wir auch darin mit ihm einig. Aber was er selbst als etwas Derartiges bietet, scheint mir wenig Anderes zu sein, als eine \u00dcbersetzung der auf dem Wege psychologischer Beobachtung gefundenen empirischen Generalisationen in die Sprache einer noch recht vagen Gehirnphysiologie.\nDas XV. Kapitel (\u201eZeitWahrnehmung\u201c) giebt sich M\u00fche, dem Leser den Unterschied zwischen der eigentlichen (unzweifelhaft sehr engen) Zeitanschauung (duration intuitively felt; specious present) und den uneigentlichen Vorstellungen einzusch\u00e4rfen, die wir uns von gr\u00f6fseren Zeitstrecken bilden. Doch scheint mir der Verfasser weder die wahre Natur der ersteren v\u00f6llig richtig zu erfassen, noch ihre Grenze gen\u00fcgend in die Enge zu ziehen. Letzteres nicht blofs, weil er auch ein St\u00fcck Zukunft dazu zu rechnen scheint2 (wovon wir inWahrheit sicher keine Anschauung haben), sondern weil er \u00fcberhaupt \u2014 aus den Versuchen Wundts und anderer \u00fcber den Umfang unseres Bewufstseins f\u00fcr successive Eindr\u00fccke voreilige Schl\u00fcsse ziehend \u2014 den Betrag der \u201eunmittelbar wahrgenommenen\u201c Dauer erheblich zu hoch, n\u00e4mlich bis auf ca. 12 Sekunden sch\u00e4tzt. Das XVI. Kapitel handelt vom \u201eGed\u00e4chtnis\u201c. Im XVII. Kapitel (\u00fcber die \u201eSensa tionen\u201c) finden die Farbenempfi ndungen dieausf\u00fchr-lichste Er\u00f6rterung, insbesondere die Kontroverse \u00fcber die Natur des simultanen Kontrastes, die auf Grund von Herings eingehenden Untersuchungen und in seinem Sinne entschieden wird. Ein Versuch zu einer exakten Klassifikation der Empfindungen vom deskriptiven Gesichtspunkte wird nicht gemacht, ja eigentlich als unm\u00f6glich angesehen. Es giebt nach J.\u2019s Grunds\u00e4tzen keine introspektive Analyse von Empfindungen. Sie sind ph\u00e4nomenal alle gleich einfach. Zusammensetzung hat nur genetisch einen Sinn. Wir m\u00fcssen hierauf zur\u00fcckkommen. \u2014 Das XVIII. Kapitel (Imagination) legt das gr\u00f6fste Gewicht auf den Nachweis, dafs die \u201ePhantasie\u201c bei verschiedenen Individuen durchaus nicht etwas Gleichartiges, sondern ihr bildlicher oder anschaulicher Gehalt sowohl graduell als qualitativ (Vorherrschen des visuellen, audiblen Typus u. s. w.) sehr verschieden beschaffen sei. Von den Hallucinationen handelt merkw\u00fcrdigerweise das folgende Kapitel: XIX. (The perception of things). Der Verfasser versteht unter perception dasselbe, was\n1\tVgl. dessen im Jahre 1880 gehaltenen Vortrag \u00fcber das \u201eGenie\u201c Leipzig 1892.\n2\tVgl. I S. 606.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n303\ndeutsche Psychologen (\u00e4ufsere) \u201eWahrnehmung\u201c im Gegensatz zu Empfindung genannt haben, n\u00e4mlich ein zusammen gesetztes Produkt von Erfahrungen.1 Dafs es sich dabei um unbewufste Schl\u00fcsse handle, lehnt er mit Recht ab und betont statt dessen die Wirksamkeit der Assoziation. Doch scheidet er meines Erachtens \u2014 und dies gilt namentlich auch von den verwandten Ausf\u00fchrungen des folgenden Kapitels \u2014 nicht gen\u00fcgend zwischen dem, was bei dem Einflufs fr\u00fcherer Erfahrungen auf die \u201ePerception\u201c gegenw\u00e4rtiger Eindr\u00fccke wirklich als eine Umbildung der anschaulichen Vorstellung, und dem, was blofs als Sache ver\u00e4nderter Beurteilung zu fassen ist. Der wahren Natur und Tragweite der letzteren Vorg\u00e4nge scheint mir J. nicht gerecht zu werden. Von den Sinnest\u00e4uschungen, die in diesem Abschnitt auch zur Sprache kommen, werden mehrere Typen unterschieden. Das XX., sehr ausf\u00fchrliche (II. S. 134\u2014282) und von grofser literarischer und sachlicher Detailkenntnis zeugende Kapitel \u00fcber die Raumwahrnehmung giebt zum Schl\u00fcsse eine gute \u00dcbersicht \u00fcber den Streit um die psychologische Natur und den Ursprung der Raumvorstellung seit Berkeley; insbesondere \u00fcber die Diskussion zwischen den Lagern der sogenannten Nativisten und Empiristen. J. macht dabei die richtige Bemerkung, dafs wohl bei manchem, der dem Kern der Er\u00f6rterung ferner steht und selbst\u00e4ndigen Urteils ermangelt, diese beiden Namen, wovon der eine fortschrittlich, der andere etwas r\u00fcckchrittlich klingt, pr\u00e4judi-zierend wirken. Wozu noch komme, dafs man den Nativismus gerne mit Apriorismus und speziell mit Kants Anschauung verwechsele, w\u00e4hrend in der That Kant mit seiner Scheidung des Ursprungs von Raum und Qualit\u00e4t dem Nativismus, wie ihn etwa Hering und Stumpf vertreten, ganz ferne steht. J. selbst ist Nativist und erkl\u00e4rt, in der Bildung seiner bez\u00fcglichen Anschauungen namentlich durch die ebengenannten Forscher gef\u00f6rdert worden zu sein. Wie sie, erkl\u00e4rt er Raum und Qualit\u00e4t f\u00fcr gleich urspr\u00fcngliche und unzertrennliche Empfindungsinhalte, will aber damit nicht leugnen, dafs trotzdem die Erfahrung bei unserer Auffassung der r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnisse eine grofse Rolle spiele. Hier kann nun freilich, auch wer im Prinzip ganz mit dem Autor einig ist, anders dar\u00fcber denken, wieviel an dem, was wir popul\u00e4r unsere \u201eRaumanschauungen\u201c nennen, thats\u00e4chlich Sache anschaulicher Vorstellung ist, \u2014 sei es urspr\u00fcnglich (\u201eEmpfindung\u201c), sei es infolge wirklicher Umbildung der Empfindung durch die \u201ePhantasie\u00ab \u2014 und wieviel blofs Sache uneigentlicher Vorstellung und wechselnder Beurteilung. J. m\u00f6chte doch die beiden ersteren Momente (sensations und imagined sensations) zu hoch angeschlagen haben. Mancher wird sich vielleicht auch an mifsverst\u00e4ndliche und weniger gl\u00fcckliche Ausdrucksweisen stofsen, wie wenn (S. 145 ff.) von Raum ohne Ordnung die Rede ist und \u00f6fter (S. 154, 158, 164) gesagt wird, ein Raumpunkt f\u00fcr sich allein habe keine Position; seine Position werde geschaffen durch die Existenz anderer Punkte, zu denen er in Beziehung stehe! Heifst dies: Die Orte seien nichts Anderes als Rela-\n1 Doch ist die \u201eZusammensetzung\u201c nach ihm nur uneigentlich zu verstehen, wie wir noch h\u00f6ren werden.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nBesprechungen-\ntionen (also Relationen ohne das Fundament absoluter Bestimmungen!)? Oder soll blofs gesagt sein, ein Punkt k\u00f6nne nur im Zusammenhang mit unz\u00e4hligen anderen (mit einem Continuum) sein und vorgestellt werden ; so dafs mit einer absoluten \u00f6rtlichen Bestimmung immer notwendig eine Vielheit solcher und somit auch \u00f6rtliche Relationen gegeben sind? II., S. 171 wird die angeschaute Bewegung f\u00fcr eine elementare und spezifische Empfindungsqualit\u00e4t (a primitive form of sensibility) erkl\u00e4rt, die sich nicht aus dem \u201eSinn f\u00fcr Position\u201c und dem Sinn f\u00fcr Zeitfolge (welche beide viel weniger fein seien, als \u201eder Sinn f\u00fcr Bewegung\u201c) ableiten liefse. Aber die Argumente, die daf\u00fcr angef\u00fchrt werden, sind keineswegs beweisend. Die T\u00e4uschung, in der uns hier der Verfasser befangen scheint, h\u00e4ngt zum guten Teil mit dem Mangel an Klarheit \u00fcber die wahre Natur des \u201eZeitsinns\u201c zusammen. Doch wir m\u00fcssen abbrechen.\nDas XXI. Kapitel (Perception of reality),das ich zu den schw\u00e4chsten des Buches z\u00e4hlen mufs, will die Natur des Urteilens oder Glaubens (belief) und die Gesetze seines Entstehens untersuchen. Doch gelingt weder das eine noch das andere in irgend befriedigender Weise, Vorab mufs die Beschreibung und Charakteristik des Ph\u00e4nomens eine schier chaotische genannt werden. II., S. 286, 87 bezeichnet J. dasselbe \u2014\u2022 unter beif\u00e4lligem Hinweis auf Brentanos Opposition gegen die bisherige Urteils-lehre \u2014 als einen Bewufstseinszustand sui generis. Doch das sui generis scheint nur dem Vorstellen (conception) gegen\u00fcber gemeint. Denn anderw\u00e4rts nimmt der Verfasser keinen Anstand, den Glauben bald f\u00fcr eine Emotion zu erkl\u00e4ren bald vollst\u00e4ndig mit dem Willen zu identifizieren (320 ff.) Ja! auch daran hindert ihn obiger Ausspruch nicht, zu finden, Hume habe wesentlich das Richtige getroffen, indem er sagte: that belief in anything was simply the having the idea of it in a lively and active manner (295). Und wiederum werden sowohl Hume wie Brentano verlassen, wenn S. 287 wie als etwas Selbstverst\u00e4ndliches und nie Angefochtenes das alte Dogma erneuert wird, dafs zu jedem Urteilen oder Glauben wesentlich eine Verbindung von Vorstellungen (Subjekt und Pr\u00e4dikat) geh\u00f6re. Danach wird man sich nicht wundern, wenn J. auch darin ohne jedes Bedenken wieder der Tradition folgt, dafs er \u2014 trotz Brentanos \u00fcberzeugendem Nachweis, wie der Begriff der Existenz gleich dem der Wahrheit durch Reflexion auf das (richtige und bejahende) Urteil entstehe \u2014 ihn umgekehrt und verm\u00f6ge eines offenkundigen Hysteron-proteron zur Definition jenes Ph\u00e4nomens verwendet. Sieht man zu, was denn nach unserem Autor der Gehalt des viel rnifs-handelten Begriffes sein soll, so bemerkt man sofort, dafs er ihn mit dem ganz anderen Begriffe des Realen verwechselt.1 Reality und existence bedeutet ihm v\u00f6llig permiscue bald das Existierende (d. h. richtig verstanden : alles, was mit Recht anerkannt werden kann, im Gegensatz zum Falschen), bald das Reale (d. h. das Sachhaltige im Gegensatz zu etwas, was ein\n1 Vgl. \u00fcber beide Begriffe Brentano, \u201eVom Ursprung sittlicher Erkenntnis,\u201c S. 64, und meinen 2. Artikel \u201e\u00dcber subjektlose S\u00e4tze\u201c u. s. w. in der Vierteljahrsschrift f\u00fcr wissenschaftliche Fliilosophie VIII, S. 169 ff.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n305\nblofser Mangel, eine blofse M\u00f6glichkeit, ein blofs Vorgestelltes u. s. w. ist). Die Folge davon ist sofort, dafs er den Umstand, ob das mit Hecht Anerkennbare ein Beales odor Nichtreales (z. B. ein Pferd oder ein blofs vorgestelltes Pferd) ist und die Unterschiede des Bealen untereinander als Differenzen in der Weise der Existenz fafst. Doch dies hat er mit vielen gemein. Aber etwas Anderes ist ihm eigent\u00fcmlich : er vermengt die Begriffe real und existierend nicht blofs untereinander, sondern auch noch mit einem Dritten und Vierten. Nennt er doch real und existierend auch alles, was thats\u00e4chlich \u2014 wenn auch ganz unberechtigt \u2014 von irgendjemand anerkannt wird, solange es Gegenstand des E\u00fcrwahrhaltens oder (was dasselbe sein soll) der Aufmerksamkeit ist; ja \u2014 denn das soll nach J. abermals identisch sein \u2014 alles, was thats\u00e4chlich jemandes Interesse erregt, so lange es dies thut. Dadurch bekommt er neue und schliefslich unz\u00e4hlige \u201eWeisen der Existenz\u201c. Es giebt n\u00e4mlich, wie sich herausstellt, nach ihm vor allem so viele Welten, each with its own special and separate style of existence, als man vom deskriptiven und genetischen Gesichtspunkte allgemeinere und speziellere, ja speciellste und nur in Einem Individuum verwirklichte Klassen des Glaubens und Wahns und des Geglaubten und Gew\u00e4hnten unterscheiden kann; von den \u201eWelten\u201c der idola tribus und denjenigen eines ganzen Zeiten und V\u00f6lkern gemeinsamen religi\u00f6sen Glaubens angefangen bis zu den unz\u00e4hligen Weiten der individuellen Meinungen und des Irrsinns, Alles ist \u201ereal\u201c, nur jedes after his own fashion. Das Interesse, das J. mit dem Glauben identifiziert, tr\u00e4gt dann mit all seinen Differenzen (\u00e4sthetisches, praktisches u. s. w.) \u00fcberdies zur Vermehrung der \u201eExistensweisen\u201c bei. Und indem der Verfasser beim Interesse mit Recht, bei der \u00dcberzeugung mit weniger Berechtigung etwas wie Intensit\u00e4tsgrade unterscheidet, kommt er dazu, auch noch allen Ernstes von einem Unterschied zwischen mehr und weniger \u201ereal\u201c oder existierend zu sprechen. Ein Anf\u00e4nger mufs diesem Kn\u00e4uel von \u00c4quivokationen und dem damit verbundenen, alle Begriffe verwirrenden Subjektivismus v\u00f6llig ratlos gegen\u00fcberstehen. Dafs \u00e4uf Grund einer so unexakten Beschreibung des Urteils die Untersuchung der genetischen Gesetze nicht befriedigend ausfallen kann, ist selbstverst\u00e4ndlich. Es st\u00e4nde wahrlich schlimm um den, endlichen Sieg der Wahrheit, auf den wir alle hoffen, wenn alles zutr\u00e4fe was J. \u00fcber die Genesis unserer \u00dcberzeugungen lehrt. Aber zum Gl\u00fcck ist eben Glauben und Interesse und Mifsachten und Nichtglauben doch nicht, wie er meint, ein und dasselbe.\nDas XXII. Kapitel handelt vom Schliefsen (Reasoning) und vom Unterschied zwischen menschlichem und tierischem Verstand. Wenn J. die Wurzel dieses Unterschieds in der Unvollkommenheit sucht, womit die Tiere nach \u00c4hnlichkeit assoziieren, so fragt sich, ob nicht eben dieses Faktum psychologisch noch einer weiteren Analyse bed\u00fcrftig und f\u00e4hig ist.1 Das kurze XXIII. Kapitel, \u00fcber die Erzeugung der Bewegungen ,\n1 Vgl, dar\u00fcber unseren 6. Artikel \u201e\u00dcber Sprachreflex, Nativismus und absichtliche Sprachbildung\u201c in der Vierteljahrschrift f\u00fcr wissenschaftliche Philosophie XIV., S. 74 ff.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie III.\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nBesprechungen.\nist fast ganz physiologisch. Reichhaltig an eigenen und fremden Beobachtungen ist das XXIV. Kapitel \u00fcber die Instinkt e. Ebenso das XXV. \u00fcber die Emotionen, das sich vornehmlich mit den die Gem\u00fctsbewegungen begleitenden k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen und Ausdrucksbewegungen besch\u00e4ftigt. Nach J. ist n\u00e4mlich, was man sich gew\u00f6hnlich unter Emotion denkt, in den meisten F\u00e4llen eine Fiktion. Richtige Beobachtungen ins Ungeb\u00fchrliche \u00fcberspannend, lehrt er, vom Zorn, von der Furcht, dem Staunen, und \u00fcberhaupt von den meisten Emotionen bleibe nach Abzug der Empfindungen und Lust- und Unlustgef\u00fchle, welche die bez\u00fcgliche k\u00f6rperliche Alteration begleiten, nichts \u00fcbrig aufser einem kalten, farblosen und neutralen intellektuellen Zustand. \u201eDie k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen folgen direkt auf die Wahrnehmung der uns erregenden Lage, und das Innewerden (feeling) dieser Ver\u00e4nderungen ist die Emotion\u201c II., 449. Den Ursprung der sog. Ausdrucksbewegungen behandelt der Verfasser indem er Darwin zu erg\u00e4nzen sucht. Dieser soll ein Prinzip, welches J. dasjenige \u201eeiner \u00e4hnlichen Reaktionsweise gegen\u00fcber analogen Reizen\u201c nennen m\u00f6chte, nicht gen\u00fcgend beachtet haben. Die vom Verfasser daf\u00fcr angef\u00fchrten Beispiele sind aber in Wahrheit nichts Anderes als F\u00e4lle des DARWiNschen \u201ePrinzips zweckm\u00e4fsiger assoziierter Gewohnheiten\u201c, und es ist ein allgemeiner Zug der Gewohnheit, dafs sie nicht blofs unter gleichen, sondern auch unter blofs \u00e4hnlichen und analogen Umst\u00e4nden wirksam ist.1 Dagegen hat Darwin \u00fcbersehen, dafs manche unserer Ausdrucksbewegungen auf einer Analogie der Geberde zu dem, was durch sie ausgedr\u00fcckt wird, beruhen, wie z. B. das Kopfnicken auf einer Analogie zwischen der k\u00f6rperlichen Hinwendung zu etwas und dem seelischen Verhalten des Beistimmenden, der (wie auch die Sprache metaphorisch sagt) sich zu der Ansicht \u201ehinneigt\u201c. D i es e eigent\u00fcmliche Quelle von Ausdrucksbewegungen verkennt aber auch J., und doch w\u00e4re sie mit mehr Recht als ein neues Prinzip der \u201eAnalogie\u201c oder des \u201esymbolischen\u201c Ausdrucks zu Darwins Prinzipien hinzuzuf\u00fcgen.'2 * *\nDas XXVI. Kapitel, vom Willen, enth\u00e4lt u. a. eine eingehende Er\u00f6rterung der Streitfrage um die Existenz der sog. Innervationsempfindungen und entscheidet sich gegen dieselbe. Was die Er\u00f6rterung der Natur und wesentlichen Momente des Willensph\u00e4nomens betrifft, so kann ich nicht verhehlen, dafs sie mir an analogen M\u00e4ngeln zu leiden scheint, wie die Charakteristik des Glaubens oder Urteils. Sie verwechselt die fragliche Erscheinung mit anderem, was als Bedingung oder Folge damit zusammenh\u00e4ngt, und enth\u00e4lt neben Aquivokationen schwer oder ganz unvereinbare Angaben. Vor allem vermengt J. (\u00e4hnlich wie Wundt8) best\u00e4ndig Wille und Willenshandlung, was beides bei ihm will und volition heifst, und fafst \u00fcberdies, wo er vom Verh\u00e4ltnis des Willens zu den Gedanken (idea, thought) spricht, den letzteren Ausdruck konfus bald im Sinne des Gedachten, bald im Sinne des Denkens. Nur so kann\n1\tVgl. unseren 7. Artikel \u201e\u00dcber Sprachreflex u. s. w.\u201c Vierteljahrsschrift u. s. w. XIV., S. 456 ff.\n2\tVgl. dar\u00fcber meinen \u201eUrsprung der Sprache\u201c 1875. S. 93 ff.\n8 Vgl. dar\u00fcber unseren III. und IV. Artikel \u201e\u00dcber Sprachreflex\nu. s. w.\u201c a. a. O. X., S. 357\u2014364 und XIII., S. 195\u2014220.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n307\nich es einigermafsen verstehen, wenn er aufs ausdr\u00fccklichste will oder volition mit der Aufmerksamkeit identifiziert (II., 561,562, 564, 571 u. \u00f6.; I., 447: volition is nothing but attention); nur so, wenn er erkl\u00e4rt, dasjenige, dem sich der Wille zuwende, sei stets eine Vorstellung und das Wesen des Wo liens wie der Aufmerksamkeit bestehe darin, dafs der Geist eine Vorstellung, die sonst entschl\u00fcpfen w\u00fcrde, festhalte und sich mit ihr erf\u00fclle (II., 559 ff. 564, 567).1 Damit kann \u2014 wir sagten \u00e4hnlich schon Wundt gegen\u00fcber \u2014 vern\u00fcnftigerweise blofs gemeint sein, dafs auch der \u00e4ufseren Willenshandlung stets eine innere, auf ein Vorstellen gerichtete, vorausgehen m\u00fcsse. Und wenn J. dann doch anderw\u00e4rts (568) selbst bemerkt, manchmal m\u00fcsse zur \u201eAufmerksamkeit\u201c, obschon sie das Erste und Fundamentale beim \u201eWollen\u201c sei, noch \u201edie ausdr\u00fcckliche Billigung der Wirklichkeit dessen hinzukommen, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet\u201c sei, so scheint mir vielmehr, dafs, wo das zu Verwirklichende eben nicht ein blofses Vorstellen, sondern etwas Anderes, z. B. eine \u00e4ufsere Bewegung ist, jene von der \u201eAufmerksamkeit\u201c (d. h. nach J.: dem Festhalten der Vorstellung) verschiedene \u201eBilligung\u201c that-s\u00e4chlich jedesmal vorhanden sein m\u00fcsse, damit man in Wahrheit nicht blofs von einer inneren, sondern auch von einer \u00e4ufseren Willenshandlung und einem auf etwas \u00c4ufseres gerichteten Wollen sprechen k\u00f6nne.2 3 * * * * Dafs der Wille oder jene Billigung (consent) auch dann auf ein Vor gestelltes gerichtet und in diesem Sinne Wollen immer eine relation between the mind and its ideas sei, wird aufser Schopenhauer niemand leugnen. \u2014 Nach dem Gesagten wird man sich nicht wundern, dafs ich auch damit nicht einverstanden bin, wenn J. in Bezug auf unsere (\u00e4ufseren) Handlungen zwei F\u00e4lle unterscheidet, n\u00e4mlich den, wo einer Bewegung blofs die Vorstellung der Folgen, welche dieselbe f\u00fcr unser Empfinden haben wird, vorausgehe, und andere F\u00e4lle, wo hierzu noch ein anderes psychisches Antecedens hinzutrete in der Form eines Fiat, eines Befehls, einer Entschliefsung, Billigung (consense), und wenn er doch beide Arten von Vorg\u00e4ngen f\u00fcr Willenshandlungen, ja die erste, die ideomotorische, Aktion sogar als den eigentlichen Typus des \u201eWilleus-prozesses\u201c bezeichnet (522). Meines Erachtens sind diese Aktionen, wo die Vorstellung der Bewegung ihr einziges psychisches Antecedens bildet, keine Willenshandlungen. Zum Wesen der Willenshandlung geh\u00f6rt immer und \u00fcberall jenes Fiat, das Moment der Billigung (the element of consent) ;8 nur braucht ihm nicht \u00dcberlegung und zauderndes\n1\tThe point, to which the will is directly applied, is always an\nidea.\n2\tIch verstehe aber selbst von J\u2019s. Standpunkte nicht, wie es mit seinem obigen Zugest\u00e4ndnisse zu vereinigen ist, wenn er anderw\u00e4rts (z. B. II. 571) Aufmerksamkeit und Billigung (consent) geradezu identifiziert.\n3\tSo sagt der Verf. selbst ganz richtig S. 501. (The fiat, the element\nof consent . . . constitutes the essence of the voluntariness of the act.)\nUnd ich begreife schlechterdings nicht, wie er wenige Zeilen darauf\ndoch wieder behaupten kann, nur in einigen F\u00e4llen, nicht immer,\nbrauche dieses Fiat unseren Willenshandlungen (voluntary acts) voraus-\nzugehen.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nBesprechungen.\nSchwanken vorauszugehen, wie manche Stellen hei James (z. B. S. 522, 528 ff.) zu sagen scheinen. Das hiefse, Wollen mit \u00fcberlegtem W\u00e4hlen verwechseln. \u2014 Den Schlufs des Kapitels bilden die Abschnitte \u00fcber die Freiheit und die Erziehung des Willens. In ersterer Beziehung bekennt sich J. als Anh\u00e4nger des Indeterminismus; doch aus ethischen Gr\u00fcnden, von denen der Psychologe ein Recht habe, abzusehen und ihrer ungeachtet f\u00fcr seine wissenschaftlichen Zwecke den Determinismus zu postulieren. (Die ethischen \u00dcberzeugungen J\u2019s. sind also wohl nicht auf Einsicht gegr\u00fcndet? Oder kann Einsicht der Einsicht widerstreiten?) Das XXVII. Kapitel giebt eine treffliche und von besonnener Kritik getragene \u00dcbersicht \u00fcber die Erscheinungen und Theorien des Hypnotismus. Das XXVIII. Kapitel. (Die notwendigen Wahrheiten und die Wirkungen der Erfahrung) bringt mehr zur Sprache, als der Titel vermuten l\u00e4fst, n\u00e4mlich aufser dem, was man erwarten w\u00fcrde, auch das ganze Gebiet der sog. Psychogenesis, in Bezug auf welches J. aber mit Recht noch mehr des Dunkels als des Lichtes gewahren will.\nII. Schon dieser \u00dcberblick \u00fcber J\u2019s. Werk hat den Leser erkennen lassen, dafs zwar darin fast alle Fragen, denen sich heute der Psychologe zuwenden kann, irgendwie zur Behandlung kommen, aber nicht alle mit gleicher Sorgfalt und mit gleichem Erfolg. Und sofern dieser Umstand, der nat\u00fcrlich den eigent\u00fcmlichen Charakter und Wert des Buches mitbestimmt, aus gewissen Grundanschauungen des Verfassers \u00fcber die Aufgaben und Methoden der Psychologie und speziell auch \u00fcber die M\u00f6glichkeit und Grenzen psychologischer Analyse fliefst, k\u00f6nnen wir nicht umhin, darauf noch eigens einen Blick zu werfen.\n1. Was die Aufgabe der psychologischen Forschung betrifft, so ruht nach der Meinung von J. das Hauptgewicht auf der Erforschung der genetischen Gesetze.1 Die Beschreibung und Kassifikation bildet eine niedere Stufe der Untersuchung und hat zur\u00fcckzutreten, sobald genetische Fragen formuliert sind. Lange habe die deskriptive Arbeit die Hauptbesch\u00e4ftigung der Psychologen gebildet; heute aber sei reichlich die Zeit gekommen zum Aufsteigen auf jene h\u00f6here Stufe, und J. begr\u00fcfst es, dafs dementsprechend auch in der Methode der Forschung ein Umschwungnacli der experimentellen und physiologischen Seite eingetreten sei. Man sehe heute, namentlich in Deutschland, eine Schar von Arbeitern mit Chronograph und Pendel an die Stelle der fr\u00fcheren treten, welche blofs mit den stumpfen Waffen der inneren Beobachtung dem schwierigen Gegenstand beikommen wollten, und diejenige Psychologie, der die Zukunft geh\u00f6re, gehe auch ernstlich ans Studium der Gehirnphysiologie.\nDemgegen\u00fcber wollen wir nun weder bestreiten, dafs die Forschung nach den genetischen Gesetzen die h\u00f6here Stufe und ihre Kenntnis das w\u00fcnschenswerteste Ziel der Psychologie sei, noch dafs diese Gesetze in\n1 Ich verstehe unter diesem kurzen Ausdruck im folgenden immer die Gesetze der Aufeinanderfolge und Verursachung unserer Bewufst-seinszust\u00e4nde ; nicht etwa, was man im Zusammenhang mit der Evolutionsphilosophie Psychogenesis genannt hat.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n309\nletzter Instanz psychophysische sein m\u00fcssen. Allein wir sind der Meinung, dafs es heute noch verfr\u00fcht w\u00e4re, durchg\u00e4ngig dieses h\u00f6chste Ziel anzustreben. Ehe der Psychologe durchweg direkt auf die Erforschung der kausalen Zusammenh\u00e4nge, und insbesondere der exakten Grundgesetze des psychischen Geschehens, losgehen kann, sind noch wichtige Vorarbeiten zu erledigen. Vor allem m\u00f6chte f\u00fcr die Erreichung der letzgenannten, im strengsten Sinne wissenschaftlichen, Stufe psychologischer Einsicht der Stand der Gehirnphysiologie noch keineswegs reif sein. Wie unexakt und vorl\u00e4ufig darum auch die durch blofse psychologische Beobachtung gefundenen empirischen Gesetze des Verlaufs unserer Bewufstseinsvorg\u00e4nge sein m\u00f6gen, so d\u00fcrften die Regeln gesunder Methode doch den Tausch nicht rechtfertigen, den Derjenige einginge, der auf das, was wir von solchen empirischen Generali-sationen besitzen und auf analogem Wege noch ferner zu gewinnen hoffen k\u00f6nnen, verzichten wollte zu Gunsten jener luftigen Hypothesen, wie sie heute noch vielfach \u2014 in Ermangelung sicherer Kenntnisse \u2022\u2014 f\u00fcr eine Theorie spezieller und speziellster Zusammenh\u00e4nge von Psychischem und Physiologischem ausgeboten werden. Aber nicht blofs, dafs unsere wirkliche Einsicht in den h\u00f6chsten Zweigen der Physiologie noch recht mangelhaft ist, hindert die exakte Ergr\u00fcndung der genetischen psychischen Gesetze. Es bedarf dazu noch einer anderen Vorbereitung, n\u00e4mlich einer exakten beschreibenden Analyse der Thatsachen des Bewufstseins. J. spricht gelegentlich von einer mikroskopischen Psychologie, die heute in Bildung begriffen sei. Ich adoptiere diesen Ausdruck, wenn ich ihn auch etwas anders deute. Wir bed\u00fcrfen in der That mikroskopischer Arbeit auf dem Gebiete der Psychologie, aber vor allem noch in deskriptiver Beziehung. Eine mikroskopische Analyse des Bewufstseins thut not, eine l\u00fcckenlose Angabe seiner einfachsten Elemente und ihrer elementaren Verbindungsweisen. Wo die Grenzen solcher genauen Beschreibung liegen, da liegen f\u00fcr uns auch die Grenzen strenger psychologischer Forschung \u00fcberhaupt. Demgem\u00e4fs kann ich es gar nicht billigen, wenn J. gelegentlich (II., 454) von den klassifikatorischen und deskriptiven Untersuchungen als von einer oberfl\u00e4chlichen Stufe der Forschung spricht, der die genetische als tiefergehende gegen\u00fcberst\u00e4nde. Nur exakte und in diesem Sinne tiefdringende Analyse und Charakteristik der Erscheinungen kann die Grundlage einer exakten und fruchtbaren Formulierung genetischer Fragen werden. Und man w\u00fcrde sehr irren, wenn man glaubte, dafs solche deskriptive Arbeit schon gen\u00fcgend gethan sei. Manches, was in dieser Richtung Kl\u00e4rendes von einzelnen geboten wurde, ist noch nicht hinreichend gew\u00fcrdigt und allgemein anerkannt; vieles Andere aber harrt auch erst der Aufhellung und exakten Erledigung. Und in den Dienst dieser mikroskopischen Arbeit m\u00fcssen meines Erachtens heute auch das Experiment und die Messung noch vorwiegend gestellt werden, wo immer dergleichen m\u00f6glich ist. Damit ist schon gesagt, dafs wir die F\u00f6rderung keineswegs verkennen, welche die Aufgabe der Beschreibung ihrerseits von den genetischen psychologischen Kenntnissen (die ja allein eine experimentelle Beherrschung der Er-","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nBesprechungen.\nscheinungen m\u00f6glich machen) erfahren kann. Aber im grofsen und ganzen mufs doch die Beschreibung das Fr\u00fchere sein; die genetische Untersuchung kann nicht methodisch und exakt werden, ehe man sich deskriptiv klar ist, was man vor sich hat, und ob es \u2014 so, wie es erscheint und erfahren wird \u2014 einfach oder zusammengesetzt und mit anderem bereits Bekanntem gleichartig oder ungleichartig ist.\nDer theoretische Irrtum des Verfasser \u00fcber das, was heute der psychologischen Forschung not thut, hat nat\u00fcrlich auch praktische Folgen f\u00fcr sein Werk ge\u00e4ufsert. Auf Schritt und Tritt begegnen wir einer gewissen Vernachl\u00e4ssigung des deskriptiven Elementes und der Besultate der inneren Beobachtung gegen\u00fcber genetischen, und insbesondere physiologischen, Er\u00f6rterungen. Dies tritt schon in der Ber\u00fccksichtigung und Wertsch\u00e4tzung der Litteratur zu Tage. Von den wirklichen oder vermeintlichen Beitr\u00e4gen zur sog. physiologischen Psychologie sind wenige von J. unber\u00fccksichtigt geblieben, und auch manche fl\u00fcchtige und unmethodische Erzeugnisse dieser Gattung begegnen einer ernsten Diskussion und einem Respekt, den sie nicht verdienen. Dagegen sind Forschungen \u00e4lterer und neuerer Zeit, die weder durch stattliche Zahlenreihen noch durch \u201eangenehme Holzschnitte\u201c imponieren (und dies einfach darum, weil sie sich mit Fragen besch\u00e4ftigen, die keine experimentelle Behandlung zulassen, oder mit solchen, wo der Stand der Dinge es noch verbietet, eine physiologische Ergr\u00fcndung der Thatsachen anzustreben) vom Verfasser nicht ebenso eingehend gew\u00fcrdigt und benutzt worden. Aristoteles finde ich gar nicht beachtet, und Locke, D. Hume, die beiden Mill u. a. erfahren eine Kritik, die zuweilen wohl sch\u00e4rfer im Ausdruck, als gerecht in der Sache ist.\nAnalog wie mit der Ber\u00fccksichtigung der Resultate fremder Arbeit, so ist es aber auch mit J.\u2019s eigenen Beitr\u00e4gen zur Forschung. Mehr als einmal scheint er mir verfr\u00fcht auf die Frage nach den physiologischen Substraten gewisser psychischer Vorg\u00e4nge sich einzulassen, so namentlich bez\u00fcglich des \u201eZeitsinnes\u201c, bez\u00fcglich der allgemeinen Begriffe und Relationsgedanken, bez\u00fcglich der sog. Phantasievorstellungen im Verh\u00e4ltnis zu den Empfindungen und wiederum der \u201eWahrnehmungen\u201c im Verh\u00e4ltnis zu beiden. (Vgl. Kap. IX., XII., XV., XVIII., XIX.) W\u00e4re auch von physiologischer Seite kein Hindernis mehr zu einer gr\u00fcndlichen Behandlung dieser Probleme, so best\u00e4nde doch \u2014 bei J. wenigstens \u2014 ein solches von psychologischer Seite. Denn seine deskriptiven Angaben \u00fcber die Natur und das gegenseitige Verh\u00e4ltnis jener psychischen Erscheinungen k\u00f6nnen vor der Kritik keineswegs bestehen. (Wir kommen darauf zur\u00fcck.) Je nach der L\u00f6sung dieser Aufgabe aber wird schon die Fragestellung im genetischen Teil der Untersuchung ganz verschieden ausfallen. Und so w\u00e4re wohl die M\u00fche einstweilen besser noch auf eine exakte Erledigung jener beschreibenden Arbeit verwendet gewesen.\nAber nicht blofs hier, sondern auch sonst vielfach scheint mir der Verf. die Beschreibung zu nebens\u00e4chlich und zu wenig gr\u00fcndlich zu behandeln. \u00d6fter, und selbst in den wichtigsten Punkten, sind seine deskriptiven Angaben unter sich nicht in Harmonie oder wenigstens, infolge un-","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n311\ngew\u00f6hnlicher Sorglosigkeit hinsichtlich der Terminologie und allzugrofser Vorliebe f\u00fcr Bilder und Vergleiche, unklar und verschwommen. Dazu kommt, dafs nicht selten genetische Gesichtspunkte in st\u00f6render Weise mit den deskriptiven vermengt und kausale Beziehungen der Bewufstseins-zust\u00e4nde zu ihren Ursachen und Folgen (seien diese nun psychologisch oder physiologisch) mit inneren Merkmalen derselben verwechselt werden. Gelegentlich sehen wir wirkliche oder hypothetische Eigent\u00fcmlichkeiten des physiologischen Substrats der psychischen Vorg\u00e4nge ohne gen\u00fcgende Berechtigung auf letztere \u00fcbertragen, oder wenigstens ihre Angabe als Surrogat f\u00fcr eine exakte psychologische Analyse und Charakteristik dargeboten und letztere dar\u00fcber vers\u00e4umt oder'vorzeitig fallen gelassen. In anderen F\u00e4llen neigt der Verf. dazu, wichtige Unterschiede, die die innere Erfahrung an den Bewufstseinszust\u00e4nden zeigt, zu verwischen und zu \u00fcbersehen, weil unsere mangelhafte Kenntnis der Gehirnvorg\u00e4nge heute auch nicht einmal hypothetisch gestattet, jeder Verschiedenheit im Psychischen eine korrespondierende im Physiologischen gegen\u00fcberzustellen. In beiden F\u00e4llen sind durch verfehlte Verwendung von genetischen Kenntnissen oder (was \u00f6fter der Fall ist) Hypothesen f\u00fcr die Beantwortung deskriptiver Fragen die Resultate der inneren Beobachtung getr\u00fcbt. Und dies ist der schlechteste Dienst, den man einer einstigen, allseitig exakten und durchgreifenden \u201ephysiologischen Psychologie\u201c leisten kann.\nBeispiele f\u00fcr diese Mangelhaftigkeit der Beschreibung bei J. ergaben sich zum Teil schon im Referat. Ausdr\u00fccklich sei nur noch auf wenige Z\u00fcge hingewiesen, die seine Sorglosigkeit in diesem Punkte illustrieren.\na. F\u00fcr jeden, dem es darum zu thun ist, feste Linien zu gewinnen f\u00fcr die Orientierung in dem bunten Gewebe unseres psychischen Lebens, scheint es mir ein unentbehrliches Gesch\u00e4ft, vor allem eine klare Scheidung der Grundklassen psychischer Th\u00e4tigkeit vorzunehmen, d. h. dar\u00fcber ins Reine zu kommen, wie viele fundamental verschiedene Weisen des Verhaltens der Seele zum mentalen Objekt die innere Erfahrung zeige. Bei J. finde ich diese Frage weder klar formuliert (sie wird, wie wir schon im Referate andeuteten, mit ganz anderen vermengt), noch befriedigend gel\u00f6st. Die Antwort bleibt dunkel und in schwer oder gar nicht vereinbaren Angaben befangen. Von speziellen psychischen Zust\u00e4nden treffen wir vor allem folgende Klassennamen: Sensationen, Phantasiebilder (images), thoughts, knowledges, cognisances, Anerkennen, Leugnen, Interesse, Verlangen, Wunsch, Wille, Lust und Schmerz, Emotionen der Furcht, des Schreckens, Zornes u. s. w. Wenn wir einer \u00c4ufserung I. S. 216 vertrauen d\u00fcrfen, so w\u00fcrde aber J. in all diesen Ph\u00e4nomenen nur zwei grundverschiedene Weisen der intentionalen Beziehung erblicken. Sie w\u00e4ren s\u00e4mlich teils cognitive teils emotional relations oder \u2014 wie sofort auch gesagt wird \u2014 teils ein knowing, teils ein welcoming und rejecting. Allein man vermifst eine irgendwie, eingehendere Begr\u00fcndung dieser Behauptung und wird nicht ins Klare gesetzt \u00fcber die Zuordnung der spezielleren Erscheinungen zu diesen zwei Grundklassen. Es erhebt sich vor allem die Frage, was","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nBesprechungen.\nwir uns dabei unter emotionell zu denken haben. Im XXV. Kapitel, das ausdr\u00fccklich von den \u201eEmotionen\u201c handelt, lehrt J., bei den meisten dieser Vorg\u00e4nge lasse sich schlechterdings kein anderes Bewustseins-element konstatieren, als einerseits die Perzeption der erregenden Lage \u2014 was aber, f\u00fcr sich betrachtet, ein kalter \u201eErkenntnis-Zustand\u201c ohne jede emotionelle W\u00e4rme sei \u2014 und anderseits das von Lust oder Schmerz begleitete Innewerden (feeling) der k\u00f6rperlichen Resonanz d. h. der mannigfachen physischen Alterationen, welche (nach des Verf. Meinung unmittelbar) von jener Perzeption in uns hervorgerufen werden. So soll es sich ganz zweifellos bei allen sogen, gr\u00f6beren Emotionen wie Furcht, Schrecken, Zorn u. s. w. verhalten. Aber genau besehen auch bei den meisten feineren. Zu diesen rechnet J. n\u00e4mlich die \u00e4sthetischen, moralischen und intellektuellen Freuden und Leiden, und nur bei den \u00e4sthetischen Emotionen will er prim\u00e4re Lust- und Unlustgef\u00fchle als einen Bestandteil des psychischen Zustandes zugeben. Bei den ethischen und logischen spielen nach seiner Meinung wieder jene Reflexgef\u00fchle die gr\u00f6fste Rolle, so dafs, wenn sie hinwegfielen, nur ein neutraler intellektueller Zustand \u00fcbrig bliebe, der nicht wahrhaft den Namen einer Emotion verdiente. Auch bei jenen \u00e4sthetischen Gef\u00fchlen aber \u2014 das wird ausdr\u00fccklich betont \u2014 sei das Vergn\u00fcgen stets an Sinnesqualit\u00e4ten (Farben, T\u00f6ne u. dgl.) gekn\u00fcpft. Und so erscheint denn danach ausgemacht, dafs nach J. das spezifisch emotionelle Element eines psychischen Zustands, dasjenige, wodurch er sich fundamental von einem blofs \u201eerkennenden\u201c unterscheidet, stets und in allen F\u00e4llen in einem sinnlichen Lust- oder Unlustgef\u00fchl bestehe. Aber wie ? wenn er nun auch das Urteilen oder Glauben f\u00fcr eine Emotion erkl\u00e4rt? Unm\u00f6glich kann man es doch der Lust oder Unlust an Sinnesqualit\u00e4ten, weder einer prim\u00e4r noch sekund\u00e4r entstandenen, gleichsetzen. Und dieselbe Schwierigkeit erhebt sich bez\u00fcglich des Willens, der nach J. ebenfalls zu den emotionellen Zust\u00e4nden geh\u00f6ren soll, was schon daraus hervorgeht, dafs er ihn aufs ausdr\u00fccklichste mit dem Glauben identifiziert (II. S. 321). Ich weifs demgegen\u00fcber keinen Ausweg, als etwa die Annahme, dafs J. den Ausdruck Emotion oder emotionell, ohne sich klar dar\u00fcber zu sein jedenfalls ohne es deutlich zu sagen \u2014 in einem engeren und weiteren Sinne gebrauche. Im engeren Sinne w\u00fcrde der Name nur die sinnlichen Lust- und Unlustgef\u00fchle umfassen ; im weiteren dagegen w\u00e4re er allgemeinere Bezeichnung f\u00fcr eine Grundklasse psychischen Verhaltens (welcome und reject), die neben jenen Gef\u00fchlen auch noch das Ph\u00e4nomen der \u201eBilligung\u201c (consent) umschl\u00f6sse, welches J. gemeinsam im Glauben und W ollen erkennen will und das ja keineswegs eine Lust (oder Unlust) an Sinnesqualit\u00e4ten ist. Lust an Sinnesqualit\u00e4ten und der Wille samt dem Glauben w\u00e4ren zwar beide ein welcome; aber mit verschiedenem Objekt und anders geartetem Ton. Nur di es e Unterscheidung macht es, so scheint mir, irgendwie begreiflich, wie J. Glauben und Wollen zu den Emotionen rechnen und \u00fcber die letzteren doch so sprechen kann, wie er es im XXV. Kapitel thut. Allein ob ich damit seine Gedanken errate? Wenn n\u00e4mlich jene Unterscheidung wirklich die seinige ist, dann ist schwer begreiflich, wie er mit so viel Zuversicht behaupten","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n313\nkann, bei den Affekten der Furcht, Hoffnung u. s. w. sei schlechterdings kein Element im Bewufstsein aufser der kalten und neutralen Perzeption der anregenden Lage und den die k\u00f6rperliche Resonanz begleitenden Empfindungen und Gef\u00fchlen. Man fragt sich: wenn wir im Wollen und Glauben ein welcome von uns haben sollen, das in Objekt und Ton von aller Lust und Unlust wohl unterschieden und nur im allgemeinen in der Weise der Beziehung zum Objekt mit ihnen verwandt ist, ist es dann etwas so Unerh\u00f6rtes und der Erfahrung Zuwiderlaufendes, anzunehmen, dafs auch bei Furcht, Hoffnung und anderen \u201eEmotionen\u201c besondere Formen jenes welcome und reject vorliegen, die nicht mit den f\u00fcr jene Zust\u00e4nde charakteristischen Reflexgef\u00fchlen identisch, vielmehr nur fundamental damit verwandt sind, im \u00fcbrigen aber von ihnen, und unter sich und vom Willen durch spezielle Besonderheiten abweichen ? Und so bleibt hier in jedem Fall Dunkel und Befremden bei J.s Angaben zur\u00fcck. Doch nicht genug ! Auch ein anderer Punkt ist jedenfalls unklar, ja widerspruchsvoll. II. S. 471 wird dasjenige, was bei den meisten Emotionen \u00fcbrig bleibe, wenn man die Folgen der k\u00f6rperlichen Erregung f\u00fcr das sinnliche Gef\u00fchl in Abzug bringe, ein judicial state genannt, dem der wahrhaft emotionelle Charakter fehle. Er sei einzu-reihen unter die awarenesses of truth und sei somit ein cognitive act. Wie sollen wir dies damit vereinigen, dafs eben das Urteilen oder Glauben von J. f\u00fcr ein emotionelles Verhalten erkl\u00e4rt wurde? Sind die judicial States keine Urteile, obschon sie awarenesses of truth sind? Ferner: auch die cognizances, zu deren Charakter es geh\u00f6re, wahr oder falsch zu sein, rechnet J. zu den cognitive states, die er den Emotionen entgegensetzt. Soll es also psychische Zust\u00e4nde geben, denen es eigent\u00fcmlich ist, wahr oder falsch zu sein, die aber keine Urteile sind?1 Und soll auf der anderen Seite, was J. belief nennt und zu den Emotionen rechnet, ein Urteil sein, aber weder wahr noch falsch und keine awareness of truth? Und wie kann bei alledem der Verfasser II. S. 286 ff. so sprechen, als ob er mit Brentanos Opposition gegen die bisherige Urteilslehre ganz eins w\u00e4re, bis auf eine Abweichung im Ausdruck, indem er n\u00e4mlich das, was Brentano Urteil (judgement) nennt, lieber belief heifsen wolle. Brentano hat seinerseits nicht den geringsten Zweifel dar\u00fcber gelassen, dafs er unter Urteil diejenigen psychischen Zust\u00e4nde versteht, denen es eigent\u00fcmlich zukommt, wahr und falsch zu sein, und die awarenesses of truth sein k\u00f6nnen. Dafs di e s e Ph\u00e4nomene fundamental vom blofsen Vorstellen verschieden seien, ist seine Meinung und Gegenstand seiner ausf\u00fchrlichen Begr\u00fcndung. J. dagegen will ja, so scheint es, eben diese von Brentano Urteil genannten Vorg\u00e4nge mit dem Vorstellen in eine Klasse (cognitive states oder knowing) zusammenwerfen, und was er belief nennt, ist nicht das, was Brentano und ziemlich alle\n1 I. S. 217 wird know eigens vom blofsen think unterschieden, und die Unterscheidung scheint schlechterdings keinen anderen Sinn haben zu k\u00f6nnen, als den, dafs think das blofse Vorstellen (conception), know dagegen ein Urteilen (speziell ein Erkennen) bedeute. Aber eben know wird doch S. 216 dem emotionellen Verhalten als fundamentaler Gegensatz gegen\u00fcbergestellt !","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nBesprechungen.\nWelt Urteil nennt, sondern es sind gewisse emotionelle Folgen des Urteils. Doch es ist nutzlos, weiter \u00fcber die eigentliche Meinung des Verfassers zu raten und zu gr\u00fcbeln, wo alles in solcher Unklarheit geblieben ist.1\nSachlich ist gewifs zu sagen, dafs wenn J. das Glauben f\u00fcr eine emotionelle Erscheinung (im weiteren Sinne), ja f\u00fcr wesentlich identisch mit dem Willen h\u00e4lt, er eine blofse Analogie f\u00fcr Identit\u00e4t nimmt, indem ihm consent in dem Sinne wie beim zustimmenden Urteil und in dem Sinne wie bei der Hinneigung des Interesses und Willens zu etwas, davon die Hede ist, als dieselbe Weise des Bewufstseins erscheint. Die \u00fcbliche \u00c4quivokation der Sprache, die nicht blofs bei dem ebengenannten Worte, sondern auch bei den Ausdr\u00fccken affirm, adopt, welcome, reject u. a. besteht, trug zur Verwechslung bei. Als weiterer Anlafs zur T\u00e4uschung kam hinzu, dafs Glaube und Wille (samt den \u00fcbrigen Formen des Interesses \u00fcberhaupt) kausal innig verkn\u00fcpft sind, J. aber, hier wie auch sonst noch, deskriptive und genetische Gesichtspunkte konfus ineinander fliefsen l\u00e4fst, Gem\u00fctsbewegungen und Wille sind oft Motiv des Glaubens;\n1 Vorhin h\u00f6rten wir \u00c4ufserungen von J., woraus man schliefsen mufste, er halte den Zustand der cognizance nicht f\u00fcr ein Glauben (belief). Allein II 283 heilst es gleichwohl: Belief is . . the mental state or function of cognizing reality. Ferner : I S. 300 werden assenting und negating ausdr\u00fccklich zum \u201eaktiven Selbst\u201c d. h. (wie kurz zuvor, S. 297, gesagt war) zu demjenigen Gebiete psychischen Verhaltens gerechnet, welches ein welcome und reject sei, somit (nach S. 216) zum emotionellen Verhalten. Allein II 629 f\u00fchrt der Verfasser unter den elementaren psychischen Kategorien als eine besondere und von den Emotionen unterschiedene Kategorie: die bejahenden und verneinenden Urteile (judgements: affirming, denying) auf. Sind also assenting und affirming, negating und denying nach J. etwas wesentlich, ja. fundamental Verschiedenes? Das Eine eine Emotion, das Andere nicht? \u2014 \u00c4hnlich widerstreitende Angaben begegnen uns bez\u00fcglich des Verh\u00e4ltnisses von Glaube und Wille. II S. 320 sind beide aufs ausdr\u00fccklichste f\u00fcr identisch, f\u00fcr dieselbe Weise des Bewufstseins erkl\u00e4rt. Da lesen wir z. B. : Der Unterschied der Objekte des Willens, und Glaubens sei v\u00f6llig irrelevant, was das Verhalten des Bewufstseins zu ihnen anbelange. All that the mind does, is in both cases the same;, it looks at the object and consents to its existence, espouses it, says \u201eit shall be my reality\u201c. It turns to it, in short, in the interested,\nemotional way........Will and Belief, in short, meaning a\ncertain relation between objects an the Self, ar two Names for one and the same psychological phenomenon . . . The causes and conditions of the peculiar relation must be the same in both. The free-will question arises as regards belief. If our wills are indeterminate, so must our beliefs be, etc. Doch II S. 568 h\u00f6ren wir wieder etwas ganz anderes: When an idea stings us in a certain way .... we believe that it is a reality. When it stings us in another way, makes another connection with our Self, we say, let it be a reality. To the .word \u201eis\u201c and to the words \u201elet it be\u201c there correspond peculiar. attitudes of consciousness which it is vain to seek to explain. The indicative and the imperative moods are as much ultimate categories of thinking as they are of grammar. Wer w\u00fcrde danach nicht mit aller Zuversicht schliefsen, J. halte Glaube und Wille f\u00fcr fundamental verschiedene letzte Kategorien des Bewufstseins ? \u2014 also das strikte Gegenteil von dem, was wir fr\u00fcher h\u00f6rten ?","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n315\numgekehrt sind viele Formen des Interesses auf Urteile gegr\u00fcndet, so insbesondere der Wille (der ja auf die Verwirklichung von etwas gerichtet ist) auf die Ueberzeugung, dafs sein Gegenstand als Folge des Willens eintritt und so durch unser Belieben verwirklicht werden kann. Und sogar davon kann ich J. nicht freisprechen, direkt diese Richtung des Willens auf die Verwirklichung von etwas verwechselt zu haben mit der ganz anderen Beziehung des Glaubens zur Existenz von etwas, indem er hier und dort diesen zweiten Terminus reality nennt und beides als wesentlich dasselbe Verhalten zu ihm ansieht. (Vgl. II S. 320). Doch genug von der fundamentalen Einteilung der Bewufstseins-zust\u00e4nde bei James.\nb) Kein g\u00fcnstigeres Urteil \u00fcber seine Art zu beschreiben erweckt aber auch eine speziellere Klassifikation, die ihm ganz eigent\u00fcmlich ist und mittelst deren er gar manches wichtige Problem l\u00f6sen will. Wir meinen seine Scheidung der seelischen Ph\u00e4nomene in substantive und transitive states, die er im IX. Kapitel in Zusammenhang mit der Lehre von der Kontinuit\u00e4t des Bewufstseins aufstellt. Der Strom unseres psychischen Lebens \u2014 damit leitet J. (I. S. 243) diese Unterscheidung ein \u2014 zeige in unverkennbarer Weise einen Wechsel verschieden gearteter Zust\u00e4nde, \u00e4hnlich dem Leben eines Vogels, das sich aus Flugperioden (places of flight) und Ruhezeiten (perchings, resting places) zusammensetze. Die Ruhepl\u00e4tze in unserem bewufsten Leben (er nennt sie auch lingering consciousnesses, substantive states oder parts of consciousness) seien gew\u00f6hnlich ausgef\u00fcllt durch sinnliche Bilder (sensorial imaginations) irgendwelcher Art, deren Eigent\u00fcmlichkeit darin bestehe, dafs sie eine beliebige Zeit dem Bewufstsein gegenw\u00e4rtig erhalten und betrachtet werden k\u00f6nnen, und die Erreichung solcher Zust\u00e4nde \u2014 welche sich in der Gliederung der Rede durch den Schlufs eines Satzes oder einer Periode kundgebe \u2014 bilde einen provisorischen oder definitiven Zweck unseres Denkens, den Abschlufs eines theoretischen oder praktischen Gedankenganges. Die Flugstrecken dagegen (swift und internodal consciousnesses, transitive parts oder states of consciousness, evanescent facts of mind) kommen weniger in sich selbst in Betracht, denn als Mittel, uns von einem Ruheplatz zum andern \u00fcberzuleiten und die L\u00fccke auszuf\u00fcllen. Darin bestehe ihre wesentliche Aufgabe. In sich selbst seien sie schwer oder gar nicht zum Gegenstand der inneren Beobachtung zu machen und als das zu erkennen, was sie sind. \u00dcber den Grund dieser Unm\u00f6glichkeit \u00e4ufsert sich J. nicht \u00fcbereinstimmend. Nach manchen seiner Angaben (vgl. S. 643, 644, 648 !) l\u00e4ge derselbe entweder in der grofsen Fl\u00fcchtigkeit und dem raschen Verlauf dieser Zust\u00e4nde1 oder in ihrer Unselbst\u00e4ndigkeit oder in beidem. Nach anderen Stellen h\u00e4tten wir\n1 Infolge ihrer kurzen Dauer, meint er, geschehe es, dafs our consciousness of these transitive states is shut up to their own moment, d. h. : dafs sie niemals Gegenstand eines nachfolgenden und nachtr\u00e4glichen Bewufstseins werden k\u00f6nnten. Alle Zust\u00e4nde aber, von denen dies gelte, entziehen sich nach seiner Ansicht nicht blofs g\u00e4nzlich der inneren Beobachtung, sondern es sei, intellektuell gesprochen, als ob sie einem ganz anderen Bewufstseinsstrom angeh\u00f6rten. Aller intellektuelle Wertvoll Bewufstseins-","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nBesprechungen.\nihn in einer sonstwie in der Natur dieser Ph\u00e4nomene gelegenen Undeutlichkeit, einem \u201eunartikulierten\u201cCharakter, ja geradezu in einerUnbestimmt-heit derselben zu suchen (I. S. 478. 79. Anmerk.). Soviel ist sicher, dafs sie nach J. oft von den Psychologen \u00fcbersehen worden sind; insbesondere von den Sensationalisten, die alles Denken in eine Anzahl \u201ebestimmter Ideen\u201c (definite ideas) aufl\u00f6sen und dem Vagen keinen Platz im psychischen Leben einr\u00e4umen wollten. Es geschah dies aber, so meint er, um keinen geringeren Preis als die Zerreifsung der Kontinuit\u00e4t des Bewufst-seinsstromes, die thats\u00e4chlich gerade durch jene transitiven Zust\u00e4nde hergestellt werde.\nDafs J. diese eigent\u00fcmlichen Bewufstseinsph\u00e4nomene als etwas relativ Unselbst\u00e4ndiges betrachtet, ging schon aus fr\u00fcheren Angaben hervor. Er betont es noch mehr durch eine weitere Reihe von bildlichen Bezeichnungen, die er mit Vorliebe auf sie anwendet: sie sind ihm psychische Fransen (fringes), psychische Obert\u00f6ne, F\u00e4rbungen (suffusions), S\u00e4ume oder H\u00f6fe (halos). Die substantivischen Teile dagegen sind etwas wie ein Kern (nucleus) oder Grundton. Endlich, und nicht zum mindesten, hofft er dem Leser auch noch durch Hinweis auf die physiologischen Substrate die Eigenart jener beiden Bestandteile des psychischen Lebens klar zu machen. Den substantivischen Zust\u00e4nden sollen n\u00e4mlich Gehirnprozesse entsprechen, die sich im Kulminationspunkt ihrer St\u00e4rke befinden. Dagegen sind die \u201eFransen\u201c das Resultat des Einflusses eben erwachender oder erl\u00f6schender, aufd\u00e4mmernder oder verschwindender Intensit\u00e4ten auf unser Bewufstsein.* 1 * * * V\nVon Beispielen solcher S\u00e4ume oder Fransen bringt J. teils ausdr\u00fccklich, theils gelegentlich eine reiche, nur allzubunte F\u00fclle. Vor allem rechnet er dahin jedes Denken oder Erfassen einer Relation (feelings of relation) und alle begrifflichen Gedanken (conceptions). Die \u201eEmpfindung\u201c der \u00c4hnlichkeit und des Unterschiedes ist ein Saum; aber ebenso auch der allgemeine Begriff Mensch. Und J. h\u00e4lt die letztere Entscheidung f\u00fcr das erl\u00f6sende und abschliefsende Wort in dem langen Streit zwischen Konzeptualismus und Nominalismus. Der Nominalismus habe die Frage nach der Bedeutung der allgemeinen Namen nicht zu beantworten\nzust\u00e4nden, alle M\u00f6glichkeit derselben, sich mit anderen zu einem einheitlichen Gedankensysteme zu vereinigen, beruhe auf ihrer Nachdauer in der Erinnerung, und diese gehe den transitiven Zust\u00e4nden g\u00e4nzlich ab. \u2014 Man mufs sich danach nur verwundern, wie J. \u00fcberhaupt etwas, ja so viel, von ihnen zu erz\u00e4hlen weifs und ihnen \u2014 wie wir noch sehen werden \u2014 eine so wichtige Rolle in unserem einheitlichen Bewufstsein zuschreiben kann! Ohne Widerspruch mit seiner eigenen Theorie scheint es mir schlechterdings unm\u00f6glich.\n1 F\u00fcr diese geringe St\u00e4rke der erregenden Gehirnprozesse soll wohl die Undeutlichkeit oder \u201eUnbestimmtheit\u201c der fringes das Analogon sein ? Der prek\u00e4re Charakter dieser Analogie bedarf keiner weiteren Bemerkung. Auch scheint J. ganz zu \u00fcbersehen, dafs er anderw\u00e4rts (Kap. XV)\nin dem Einflufs der abschwindenden Gehirnprozesse auf unser Bewufstsein f\u00fcr eine ganz andere Erscheinung, die er selbst nicht zu den\n\u201eFransen\u201c rechnet, die Erkl\u00e4rung sucht, n\u00e4mlich f\u00fcr den Zeitsinn\nd. h. das zeitweilige Zur\u00fccktreten der Eindr\u00fccke in eine anschauliche\nV ergangenheit.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n317\nvermocht, weil er \u00fcber den konkreten und anschaulichen Bildern, den \u201esubstantivischen\u201c Bewufstseinsteilen, die Fransen \u00fcbersehen habe. Dem allgemeinen Namen entspreche nicht eine Vielheit von individuellen Vorstellungen, wie Berkeley, Hume und Mill geglaubt. Ihre Lehre von einem Schwarme von \u201eIdeen\u201c, welcher den allgemeinen Begriff ausmachen soll, bekomme aber Wahrheit, wenn man sie in die Sprache der Gehirnphysiologie \u00fcbersetze \u2014 genauer: wenn man an die Stelle jeder \u201eIdee\u201c einen besonderen schwach anklingenden Nervenprozess setze. Dann m\u00f6ge das Aggregat dieser schwachen Nervenprozesse zu seinem bewufsten Korrelat eine psychische Franse haben, und diese sei der allgemeine Begriff, die Bedeutung des allgemeinen Namens. Diese Franse sei : die allgemeine Relation eines Bildes zu einer Masse anderer Bilder, die noch nicht da zu sein brauchen, ein \u201eGef\u00fchl\u201c oder eine \u201eIntention\u201c, dafs jenes Eine f\u00fcr alle stehe (I. 477. 78). Jede weitere Frage nach dem Wie dieses Vorganges h\u00e4lt J. offenbar f\u00fcr unvern\u00fcnftig. Wir stehen vor etwas Unanalysierbarem oder gar \u201eVagem\u201c, und dem Vagen mufs sein Recht in der Psychologie zur\u00fcckgegeben werden.1 2 Doch aufser den ebengenannten rechnet er zu den \u201eFransen\u201c noch eine Menge anderer schwer zu beschreibender Zust\u00e4nde. So namentlich die sog. feelings of tendency z. B. die Intention etwas zu sagen (w\u00e4hrend der Inhalt der Rede noch nicht deutlich im Bewufstsein ist), die Ahnung von der Meinung eines anderen, die in uns auf leuchtet, \u00fcberhaupt das schattenhafte Vorschweben des Gesamtinhaltes einer Phrase,3 aber auch eines Schauspiels, eines philosophischen Systems, das \u201eGef\u00fchl\u201c davon, was f\u00fcr Gedanken nach-kommen werden (wodurch \u2014 namentlich bei frischen Geisteskr\u00e4ften \u2014 unser Bewufstsein einen immensen Horizont umspanne) und \u00e4hnliches. Kurz, J. nimmt keinen Anstand, die mannigfaltigen Zust\u00e4nde, welche seiner eigent\u00fcmlichen Klasse der \u201eFransen\u201c angeh\u00f6ren sollen, gelegentlich unter die zwei Titel zusammenzufassen: feelings of relations und objects but dimly perceived.\nIst es aber danach noch n\u00f6tig zu bemerken, dafs diese seine Scheidung der psychischen Zust\u00e4nde in substantive und transitive states den Anforderungen, die man an eine wissenschaftliche Einteilung stellen mufs, nicht entspricht? Worin soll die innere Verwandtschaft des unter das letztere Einteilungsglied Zusammengerechneten liegen? In der Undeutlichkeit der Ph\u00e4nomene und der Schwierigkeit, die sie der Beobachtung\n1\tDies haben nach seiner Meinung auch die Konzeptualisten verkannt, und er ruft der einen und anderen der streitenden Parteien zu : Once admit that the passing and evanescent (sc. mental facts) are as real parts of the stream as the distinct and comparatively abiding; once allow that fringes and halos, inarticulate perceptions, .... mere nascencies of cognitions, premonitions, awarenesses of direction, are thoughts sui generis, as much as articulates imaginings and propositions are; once restore, I say, the vague to its psychological rights, and the matter presents no further difficulty. I. 478. 79, Anm.\n2\tDie mancherlei bisher noch nicht gen\u00fcgend analysierten und\nbeschriebenen Bewufstseinsvorg\u00e4nge, die mit dem Sprechen und Verstehen Zusammenh\u00e4ngen, geben dem Verf. besonders oft Anlafs, an die Klasse der \u201eFransen\u201c als das Wort des R\u00e4tsels zu appellieren.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nBesprechungen.\nentgegensetzen? Allein es kann doch nicht angehen, die M\u00e4ngel im Resultat unserer Beobachtung, die, auch wenn sie in der Beschaffenheit des Beobachteten irgendwie begr\u00fcndet sind, doch eben hier noch die allerverschiedensten Gr\u00fcnde haben k\u00f6nnen, ohne weiteres zum Gesichtspunkt einer Klassifikation des Beobachteten zu machen, die in schwierigen Streitfragen das letzte kl\u00e4rende Wort bilden soll und von Rechtswegen aut ein einheitliches, wesentliches und weiter nicht analysierbares Merkmal gegr\u00fcndet sein m\u00fcfste. Oder soll die Verwandtschaft in der Unselbst\u00e4ndigkeit liegen? Allein ist die Unselbst\u00e4ndigkeit eines Relationsgedankens, dei nur auf Grund einer gleichzeitigen \\ orstellung der Termini, sowie die eines allgemeinen Begriffs, der nur gebaut auf eine entsprechende Anschauung m\u00f6glich ist \u2014\u2022 und f\u00fcr welche darum das Bild von dem \u201eOberton\u201c und der Karne \u201eFranse\u201c einige Berechtigung hat \u2014 ist diese Unselbst\u00e4ndigkeit gleichartig mit der Unselbst\u00e4ndigkeit eines Gedankenlaufs, der nur sofern Interesse hat, als er zu einer gewissen theoretischen Konklusion oder einem praktischen Entschl\u00fcsse f\u00fchrt, und worauf das ganz andere Bild von den Flugperioden und der Name transitive state einigei mafsen pafst?1 Es springt in die Augen, dafs ff. hier ganz Verschiedenartiges zusammengerechnet hat, und dafs etwas in Wahrheit ganz gut ein substantivischer resp. transitiver Zustand im einen Sinne sein kann, ohne es im anderen zu sein.\nc) Wie der Widerstreit seiner deskriptiven Angaben, so ist auch die allzugrofse Bildlichkeit seiner Art zu beschreiben an diesem Beispiele wohl von selbst dem Leser aufgefallen. Sie kehrt anderw\u00e4rts wieder und giebt, an Stelle trockener technischer Termini tretend, der Darstellung zwar eine gewisse Frische und Farbigkeit; aber es ist eine k\u00fcnstlerische Sch\u00f6nheit, welche auf Kosten der Exaktheit und Klarheit und darum bei einem wissenschaftlichen Werke zu teuer erkauft ist. \u2014 Und auch wo nicht die Bildlichkeit \u00fcberwuchert, ist doch vielfach ein \u00fcber die\n^Dies wenigstens sofern, als die Pr\u00e4missen der Konklusion und die praktischen Erw\u00e4gungen dem Willensentschlufs vorausgehen, und Konklusion und Entschlufs auch noch im Bewufstsein sein k\u00f6nnen, wenn \u20221 ene entschwunden sind. Doch darf nicht vergessen werden, dafs, so oft die Konklusion als solche und der Entschlufs als motivierter im Bewufstsein sein soll, es nicht gen\u00fcgt, dafs ihnen die motivierenden Bewulstseinsph\u00e4nomene vorausgegangen sind, sondern sie auch gleichzeitig mit ihnen gegenw\u00e4rtig sein m\u00fcssen.\nAber es scheint fast, als ob J. sogar die Relationsgedanken wahrhaft in dem Sinne f\u00fcr \u201etransitive\u201c Zust\u00e4nde halte, dafs sie nach seiner Meinung zeitlich zwischen den substantivischen stattf\u00e4nden (vgl. 1 S. 243 ff. und S. 495 98), und als ob zu dieser seiner Unklarheit \u00fcber die wahre Stellung jener Gedanken eine falsche, von der Sprache hergenommene, Analogie beigetragen habe. Er nennt sie n\u00e4mlich (I 643.) gelegentlich auch pr\u00e4positionale und konjunktionale Zust\u00e4nde, und bemerkt, den Partikeln unserer Rede entspr\u00e4chen objektiv die Rela-\u00aeer Dinge, subjektiv aber eben jene transitiven oder Relations-get\u00fchle. Auch m\u00fcsse man eben so gut von einem feeling of if, but, and u. s. w. reden, als von einem feeling of red, blue u. dgl. t? Allein, auch wenn es im \u00fcbrigen wahr w\u00e4re, dafs die Partikeln Relationen bezmehneten, w\u00fcrde nat\u00fcrlich nicht folgen, dafs die Relationsgedanken \u00e4hnlich wie die Partikeln zeitlich zwischen die den anderen","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n319\nMafsen \u00e4quivoker und vager Charakter an der Terminologie zu beklagen. Wenige Psychologen wird es heute geben, die nicht bedauern, dafs ihre Wissenschaft sich immer noch nicht, so wie andere Disziplinen, von der Vieldeutigkeit und Unexaktheit des popul\u00e4ren Sprachschatzes emanzipiert und zum sicheren Besitz und der konsequenten Verwendung einer gen\u00fcgenden Anzahl eindeutiger und scharfer technischer Ausdr\u00fccke durchgerungen hat. J. jedoch scheint diese Gef\u00fchle und W\u00fcnsche nicht zu teilen. Nicht blofs nimmt er ohne Widerstreben eine Menge Ausdr\u00fccke in der ganzen Verschwommenheit und Vieldeutigkeit ihres popul\u00e4ren Gebrauchs auf; er zeigt in gewissen F\u00e4llen auch nicht \u00fcbel Lust, die Schranken, die gemeinhin noch vor der v\u00f6lligen Alldeutigkeit gewisser Bezeichnungen sch\u00fctzen, seinerseits niederzureifsen. So wenn er erkl\u00e4rt, er werde thought und feeling abwechselnd f\u00fcr alle Bewufstseinszust\u00e4nde gebrauchen. Vor\u00fcbergehend \u2014 wir erw\u00e4hnten es schon \u2014 scheint er zwischen think und know eine Scheidung in ihrem Gebrauche machen zu wollen, und zwar so, dafs ersteres ein blofses Vorstellen, dieses ein Erkennen, also eine besondere Form des Urteilens, bedeutete. Aber im Handumdrehen wird dies wieder aufgegeben. Know steht auch wieder, wo offenbar ein blofses Vorstellen (Conception) gemeint ist, ja auch, wo es blofs Bewufstsein \u00fcberhaupt bedeuten kann. Dafs es dann, wo Urteilen seine Bedeutung ist, ebenfalls nicht blofs ein Erkennen d. h. ein einsichtiges Urteilen, sondern wieder jedes beliebige blinde Urteil bezeichnen kann, wird danach nicht mehr wunder nehmen. Und \u00f6fter ist man \u2014 bei aller Achtsamkeit auf den Zusammenhang \u2014 ratlos, welche von all diesen Bedeutungen dem Autor vorschwebe. \u00c4hnlich ist es mit einer ganzen Reihe anderer Ausdr\u00fccke. Sie werden schier alldeutig f\u00fcr das psychische Gebiet gebraucht trotz zeitweiser Anl\u00e4ufe zu einer engeren Definition und einer ihr entsprechenden Verwendung.\nNach alledem mufs man wohl sagen, dafs J. das Gesch\u00e4ft der Beschreibung und was damit zusammenh\u00e4ngt, in einer unberechtigten Weise\nRedeteilen entsprechenden Gedanken fallen m\u00fcfsten oder k\u00f6nnten. Schon darum, weil alles, was zum Sinne eines einheitlichen Satzes geh\u00f6rt, gleichzeitig im Bewufstsein des Verstehenden sein mufs und insbesondere eine Relation nicht ohne ihre Termini vorstellbar ist. Doch auch jene Voraussetzung trifft nicht einmalzu, und J. ist \u00fcberhaupt hinsichtlich der wahren Funktion der Partikeln sehr in der Irre. G\u00e4be es ein feeling of if, but u. dgh, so m\u00fcfste if, but entweder ein Name oder eine Aussage, oder aber der Ausdruck einer Gem\u00fctsbewegung, eines Wunsches oder Willens sein. Nichts von alledem ist der Fall. Die Partikeln haben gar keine selbst\u00e4ndige Bedeutung. Sie sind blofs mitbedeutend oder synkategorematisch, und dabei ist ihre Funktion \u00fcberdies eine sehr verschiedenartige. Nicht alle sind Teilausdruck einer Vorstellung (was der Anschauung von J. noch am n\u00e4chsten k\u00e4me); andere sind Teilausdruck f\u00fcr Urteile und f\u00fcr noch kompliziertere psychische Zust\u00e4nde, wo man auch nicht einmal das sagen kann, dafs sie mitbedeutend zu einer Relation in besonderer Beziehung st\u00e4nden. Und wie man dies nicht immer sagen kann, so kann man auch umgekehrt nicht sagen, dafs die \u201eSubstantive\u201c nie eine Relation bedeuteten. Oder kann ich eine Relation nicht nennen? und ist sie dann nicht durch ein \u201eSubstantiv\u201c bezeichnet und, wenn die Analogie zutrifft, somit ein \u201esubstantivischer Zustand\u201c in J.s Sinne ?","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nBesprechungen.\nals etwas Untergeordnetes und Vorl\u00e4ufiges behandelt; als sei es etwas, was leichthin und ohne grofse \u00c4ngstlichkeit abzuthun auch dem wissenschaftlichsten Forscher, ja wohl diesem erst recht, gestattet w\u00e4re. Und dies ist ein Fehler, welcher den Wert seines Buches bedeutend schm\u00e4lert.\n2. Doch wir haben noch einer anderen Eigent\u00fcmlichkeit des Werkes zu gedenken: seiner Anschauungen \u00fcber psychologische Analyse. J. h\u00e4lt eine solche durchaus nicht in der Weise f\u00fcr m\u00f6glich, wie man es bisher fast allgemein that, und \u00fcbt gerade in dieser Hinsicht oft und recht zuversichtlich Kritik an seinen Vorg\u00e4ngern. Seine bez\u00fcgliche \u2022Opposition tritt insbesondere im Zusammenhang mit der schon erw\u00e4hnten eigent\u00fcmlichen Lehre von transitiven Zust\u00e4nden oder psychischen Fransen auf. Hier vor allem, meint er, m\u00fcsse die introspektive Psychologie die Flinte ins Korn werfen und darauf verzichten, mit ihren plumpen Mitteln die feinen Str\u00f6mungen des Bewufstseins festhalten, den einheitlichen Gedanken in Teile zerlegen und jedem Teile sein Objekt zuweisen zu wollen. Doch reichen die prinzipiellen S\u00e4tze, die J. der bisherigen Anschauung von der M\u00f6glichkeit einer Analyse des Bewufstseins entgegensetzt, noch \u00fcber jenes Gebiet hinaus; ja, sie sind so weitgreifend und \u2014 sagen wir es gleich \u2014 so bedenklich, dafs der Verfasser selbst sie nicht konsequent festzuhalten vermag.1 Wir erachten es gleichwohl f\u00fcr angezeigt, etwas auf sie einzugehen, weil sich mit dem Falschen Bichtiges verkn\u00fcpft \u2014 was wir gerne anerkennen \u2014 und ihm zugleich einen Schein von Berechtigung giebt, den wir \u2014 soweit die K\u00fcrze der Behandlung es zul\u00e4fst, \u2014 zerst\u00f6ren m\u00f6chten. Sind doch klare Ansichten \u00fcber diesen Punkt und eine methodisch konsequente Durchf\u00fchrung derselben eine Lebensfrage f\u00fcr die Psychologie.\nDie gew\u00f6hnliche Lehre der Psychologen ist, dafs, wie auch immer unser psychisches Leben als Ganzes einem unabl\u00e4ssigen Wechsel unterworfen sei, dennoch in sp\u00e4teren Zeitpunkten gleiche Elemente wiederkehren, wie sie in fr\u00fcheren da waren, und dafs z. B. ein solcher Fall vorliege, wenn wir zu zwei verschiedenen Malen die Vorstellung von Farbe oder Ton haben. Im Zusammenhang damit hielten sie es f\u00fcr eine ihrer fundamentalsten Aufgaben, diese Teile, Seiten oder Momente, in welche sich der jeweilige psychische Gesamtzustand f\u00fcr das Auge der vergleichenden Beobachtung zerlegt, samt deren elementaren Verkn\u00fcpfungsweisen l\u00fcckenlos aufzuz\u00e4hlen und mit mikroskopischer Genauigkeit zu charakterisieren, um den neuen Wellen des Stromes nicht immer\n1 Dies sei ein f\u00fcr allemal bemerkt, da der Baum es nicht gestatten wird, auf bez\u00fcgliche Details einzugehen. \u2014 II. S. 45 will J. offenbar einem solchen Vorwurf Vorbeugen, indem er bemerkt, er werde selbst gelegentlich die gew\u00f6hnliche Bedeweise gebrauchen und von einer Zusammensetzung und Kombination von Ideen reden ; doch geschehe dies lediglich for popularity and convenience. In Wahrheit liegen aber vielerorts, und oft dort, wo J. es am wenigsten glaubt, wirkliche Inkonsequenzen vor. Es ist eben \u2014 wie wir sehen werden \u2014 schlechterdings unm\u00f6glich, alle Zusammensetzung in die wirklichen Objekte oder Beize zu verlegen und sie vom Psychischen und seinen Inhalten g\u00e4nzlich aus-zuschliefsen. Das Eine widerstreitet dem Anderen.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n321\nwieder wie etwas absolut Neuem gegen\u00fcberzustehen \u2014 was ja dem Verzicht auf ein wissenschaftliches Erfassen des Gegenstandes gleichk\u00e4me \u2014, sondern jede Phase unbeschadet ihrer konkreten Besonderheit doch so weit wie m\u00f6glich als ein aus schon bekannten Elementen verflochtenes und aufgebautes Gebilde verstehen zu lernen.\nDieser Art von Psychologie nun erkl\u00e4rt J. einen erbitterten Krieg. Es ist nach ihm ein gewaltiges Versehen (huge error), wenn man glaubte, der in einem bestimmten Augenblick gegenw\u00e4rtige Bewufstseinszustand sei zusammengesetzt aus einer Vielheit von Teilen, z. B. Empfindungen, Ideen, Gedanken u. s. w., die in fr\u00fcherer Zeit schon dagewesen sein und sp\u00e4ter wiederkehren k\u00f6nnten. Unser Bewufstsein ist nach seiner Meinung in jedem Moment etwas absolut Einfaches, (an absolutely unique pulse of thought). Weder k\u00f6nnen wir mehrere gleichzeitige Empfindungen noch neben Empfindungen h\u00f6here Zust\u00e4nde in ihm unterscheiden. In der Perzeption z. B. sind die Sensationen nicht enthalten, und im Akt des Unterscheidens nicht die Vorstellungen der unterschiedenen Termini.1 \u00dcberhaupt ist, was die gew\u00f6hnliche Psychologie von sogenannten einfacheren Bewufstseinszust\u00e4nden in einem sogenannten komplizierten \u201eenthalten\u201c sein l\u00e4fst, nicht eigentlich, sondern nur modifiziert in ihm gegeben. Er ist irgendwie ein \u00c4quivalent davon, so wie die Kurve ein \u00c4quivalent von zahllosen kleinen Geraden; aber er ist nicht daraus zusammengesetzt und l\u00e4fst sich nicht daraus konstruieren. Zwei successive Ideen, welche \u201edasselbe Objekt vorstellen\u201c, sind nicht derselbe Bewufstseinszustand, so dafs die gew\u00f6hnliche Psychologie ganz irre ist, wenn sie immer so spricht : as if the vehicle of the same thing-known must be the same recurrent state of mind. Nicht dieselbe Vorstellung (idea) kehrt zweimal wieder, sondern nur dasselbe \u201eObjekt\u201c, und nur die Objekte sind zusammengesetzt, nicht die Ideen und Bewufstseinszust\u00e4nde.2\nWir fragen: wie ist dieser Satz, den J. recht zu seinem Losungsworte macht, zu verstehen? Ist unter \u201eObjekt\u201c das intentionale oder das wirkliche gemeint ? Die Unterscheidung \u2014 das mufs hier gleich bemerkt werden \u2014 ist bei J. keineswegs klar;3 aber dafs sie \u00fcberhaupt gemacht werden mufs, steht aufser Zweifel. Ein intentionales Objekt ist bei jedem psychischen Akt gegeben. Es ist das untrennbare Korrelat des\n1 Das Erfassen einer Differenz, z. B. von m und n, kommt nach J. zu Stande, indem der Gedanke des einen m\u00f6glichst unmittelbar auf den des anderen folgt. Unter diesen Umst\u00e4nden erhalte, verm\u00f6ge einer spezifischen Wirkung des verschwindenden Terminus, der folgende Gedanke jene charakteristische Eigent\u00fcmlichkeit, neben n zugleich den Unterschied von n und m zu erfassen. Aber nicht indem er die Idee von m und n enthielte. \u201eDie reine Idee von n kann gar nicht im Bewufstsein sein, nachdem einmal der Gedanke von m vorausgegangen ist.\u201c (I, 500, 50t.)\n' 2 Vgl. I. S. 230\u2014237. S. 276\u2014282. S. 495\u2014501 und das ganze XII. Kapitel.\n3 In vielen F\u00e4llen versteht er unter \u201eObjekt\u201c gewifs das wirkliche, die reality outside. In anderen scheint das intentionale gemeint; aber leider unterl\u00e4fst es der Verf., die \u00c4quivokation \u00fcberall, wo es n\u00f6tig w\u00e4re, unsch\u00e4dlich zu machen, und bei aller Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang ist \u00f6fter nicht mit Sicherheit zu entscheiden, welcher Sinn dem Autor vorschwebt.\nZeitschrift f\u00fcr Psyoliologie III.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nBesprechungen.\nBewufstseins, eine Seite desselben, ohne welche dieses selbst nicht w\u00e4re. Kein Vorstellen ohne Vorgestelltes, und dieses wohnt in gewisserWeise dem Vorstellenden inne, und ebenso kein Lieben ohne Geliebtes. Ein wirkliches Objekt dagegen, d. h. etwas, was dem intentionalen Objekte in Wirklichkeit und unabh\u00e4ngig von ihm entspricht, ist nicht immer gegeben, so z. B. bei der Vorstellung von blau oder rot nicht. (Ein Mifs-brauch w\u00e4re es ja, die \u00c4therschwingungen oder einen beliebigen sogenannten \u00dfeiz das wirkliche Objekt der Farbenvorstellung zu nennen.) Es giebt nur vorgestellte (empfundene1), nicht wirkliche Farben. Was ist nun in unserem Falle gemeint? Wenn das intentionale Objekt, speziell das Vorgestellte wie es im Vorstellenden ist, dann giebt J. soviel zu, dafs es teils ein blofser Wortstreit, teils eine offenkundige Inkonsequenz ist, zu leugnen, dafs unsere Ideen oder Gedanken eine Mehrheit von Teilen haben, die fr\u00fcher und sp\u00e4ter wiederkehren k\u00f6nnen. Denn indem man das letztere behauptet, meint man unter Idee oder Gedanke entweder eben das Vorgestellte als solches (die Vorstellung) \u2014 und nach dieser Seite w\u00e4re somit J. ganz mit der Lehre einverstanden bis auf den Ausdruck, der ihm mifsfiele \u2014 oder man versteht darunter das V orstellen, d. h. die eigent\u00fcmliche Beziehung des vorstellenden Ich zum Vorgestellten als solchem, und dann ist es f\u00fcr den, der zugegeben hat, dafs das intentionale Objekt zusammengesetzt sein kann, nur eine Sache der Konsequenz, ebenso anzuerkennen, dafs sich entsprechend auch eine Vielheit gleichzeitiger intentionaler Beziehungen des Ich zum Objekte unterscheiden l\u00e4fst. Diese Folge liegt unausweichlich in dem korrelativen Verh\u00e4ltnis des intentionalen Objektes und der Bewufstseinsbeziehung zu ihm. So viele Teile, in dem Ganzen des innewohnenden Objektes sich auseinanderhalten lassen, so viele Innewohnungen sind auch zu unterscheiden, d. h. so viele Teilbeziehungen in der Gesamtbeziehung des Subjekts zu seinem Inhalt. Manche dieser Teilbeziehungen sind abl\u00f6sbar voneinander wie ein gleichzeitiges Sehen und H\u00f6ren oder die Vorstellung von s\u00fcfs und von weifs. Andere freilich sind nur in Gedanken, aber doch in aller Wahrheit (cum fundamento in re) unterscheidbar, wie ein gleichzeitiges Vorstellen von weifs und von dem dieser Qualit\u00e4t zugeh\u00f6rigen Orte. Und im ersten Falle spricht man jedenfalls mit vollem Rechte von einem Wiederkehren relativ einfacherer Zust\u00e4nde in unserem Gesamtbewufstseinszustand.\nSo kann denn, wer zugiebt, dafs uns gleichzeitig T\u00f6ne, Farben, Ger\u00fcche u. s. w. intentional innewohnen, ohne Widerspruch nicht leugnen, dafs auch unsere Bewufstseinsth\u00e4tigkeit eine Mehrheit gleichzeitiger Teilbeziehungen aufweise und dafs in diesem Sinne eine Vielheit von Teil-th\u00e4tigkeiten, Empfindungen und Gedanken in uns seien; ein manifold of coexisting ideas kann ihm in keinem Sinne eine blofse \u201eChim\u00e4re\u201c sein. Und die innere Beobachtung dr\u00e4ngt auf verwandten Wegen noch weiter.. Sie zeigt, dafs unser in jedem Augenblick gegebenes Gesamtbewufstsein\n1 Ich nenne auch die Empfindung \u201eVorstellung\u201c, sofern von jedem damit verbundenen Urteilen und Lust- und Unlustgef\u00fchl abgesehen wird. Vgl. Brentano, \u201ePsychologie\u201c I S, 164 ff., 261 ff.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n323\nnicht biofs mit Bezug auf die Vielheit und Verschiedenheit seiner Inhalte verschiedene Seiten oder Teile unterscheiden l\u00e4fst, sondern auch mit B\u00fccksicht darauf, dafs das Ich zum selben Inhalt gleichzeitig in mehrfacher und verschiedener Weise in Beziehung tritt. Das Vorgestellte ist vielleicht ein Geliebtes; das Anerkannte ein mit Evidenz F\u00fcrwahrgehaltenes. Wenn aber die Erfahrung solche (teils fundamental, teils weniger fundamental) verschiedene Beziehungsweisen des Subjekts zu seinem intentionalen Inhalt zeigt, so w\u00e4re es blofser Wortstreit, sich dagegen zu stemmen, dafs einer auch diese mannigfaltigen Seiten und Momente des bewufsten Verhaltens als Teile des psychichen Gesamtzustandes bezeichnet, und so z. B. den Akt der Lust an einem Ton zusammengesetzt nennt aus der Vorstellungsbeziehung zum Ton und dem Lustgef\u00fchl an der Tonvorstellung. Biofs das w\u00e4re allerdings verkehrt, diese oder die fr\u00fcher erw\u00e4hnten Teile oder Seiten unseres gleichzeitigen psychischen Zustandes als ein Kollektiv, \u00e4hnlich einer At omgruppe, oder als Resultante der Zust\u00e4nde einer solchen Gruppe anzusehen. Und in diesem Sinne giebt es freilich auch kein fr\u00fcheres und sp\u00e4teres Wiederkehren derselben Idee, als ob damit Ein Individuum gemeint w\u00e4re, das aus dem Bewufstsein verschw\u00e4nde und sp\u00e4ter wieder \u00fcber seine Schwelle tr\u00e4te. Gegen solche und \u00e4hnliche Mind-stuff und Mind-dust Theorien erkl\u00e4rt sich J. mit vollem Hecht. Alle Bewufstseinsbeziehungen, die gleichzeitig in unsere innere Erfahrung fallen, wie verschiedenartig sie auch nach ihrem Inhalt oder der Weise seines Innewohnens sein m\u00f6gen, sind Teile Einer Realit\u00e4t, Eines Konkretums. Und darumhatihr V erh\u00e4ltnis keinerlei \u00c4hnlichkeit mit einer Atomgruppe, die eine V ielheit von Realit\u00e4ten und Individuen ist.\nEs ist nun nicht zu leugnen, dafs, wenn D. Hume das Ich ein B\u00fcndel von Vorstellungen nannte und wenn andere viel von Vorstellungsreihen und -massen redeten, dies die Meinung nahelegt, als h\u00e4tten sie die mannigfaltigen gleichzeitigen Bewufstseinsteile nur in der lockeren und \u00e4ufserlichen Weise eines Kollektivs verbunden gedacht. Aber J. ist doch im Unrecht, wenn er der gesamten Assoziationspsychologie eine solche verkehrte Anschauung zu Grunde liegend denkt, und er irrt ganz entschieden, wenn er die Lehre von der Zusammensetzung des Bewufstseins aus einer Vielheit wechselnder und wiederkehrender Ideen mit der Zerreifsung desselben in eine Summe von Dingen identifiziert. Der \u00dcbereifer unseres Autors gegen die Assoziationspsychologieist \u00fcberhaupt nur daraus erkl\u00e4rlich, dafs ihm seinerseits ein ebenso bedenkliches Versehen begegnet, indem er reale Einheit mit Einfachheit verwechselt und \u00fcberall jene geleugnet zu sehen meint, wo in Wahrheit nur diese, und mit vollem Recht, verworfen ist. Unser Bewufstsein ist in jedem Augenblicke an absolutely unique yjulse of thought nur in dem Sinne, dafs, was es auch immer f\u00fcr Teile und Momente enthalten mag, sie alle Teile Eines Dinges sind. Aber innerhalb dieser realen und individuellen Zusammengeh\u00f6rigkeit sind eben eine F\u00fclle verschiedenartiger, teils loserer, teils innigerer Teilverh\u00e4ltnisse denkbar. Und J. hat schon den ersten Schritt zu ihrer Anerkennung gethan, wenn er eine Zusammensetzung des intentionalen Objekts unseres Bewufstsein zugiebt.\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nBesprechungen.\nAber haben wir ein Recht, dieses Zugest\u00e4ndnis bei ihm vorauszusetzen? Oder ist, wenn er eine Wiederkehr des gleichen Objekts und eine Zusammensetzung der Objekte zugiebt, w\u00e4hrend er beides von den Ideen leugnet, in Wahrheit nicht das intentionale, sondern das wirkliche Objekt (oder auch nur der wie immer beschaffene sogenannte Reiz) gemeint ?\nIn der That scheint das Zugest\u00e4ndnis des Autors sich nur auf das Letztere, nicht auf das Erstere zu beziehen. Stumpf hatte im I. Bd, seiner Tonpsychologie S. 107 hervorgehoben: Wenn wir, in ein Zimmer tretend, W\u00e4rme- und Geruchsempfindungen gleichzeitig empfangen, ohne daraufzu merken (d. h. wohl: ohne sie explicite zu unterscheiden), so seien die beiden Empfindungsqualit\u00e4ten nicht etwa als eine g\u00e4nzlich neue einfache Qualit\u00e4t in uns, welche sich erst in dem Momente, wo wir unsere Aufmerksamkeit analysierend darauf hinwenden, in Geruch und W\u00e4rme verwandelte, sondern sie seien wirklich als Elemente in dem unanaly-sierten Ganzen enthalten und lassen sich bei gelingender Analyse als darin befindliche Teile erkennen. So sei es z. B., wenn es klar werde, dafs der durch Pfefferm\u00fcnz\u00f6l erweckte Empfindungsinhalt aus Geschmacks- und Temperaturempfindungen zusammengesetzt sei.\nDazu bemerkt J., er w\u00fcrde vorziehen zu sagen: \u201eWir nehmen wahr, dafs die Wirklichkeit (the objective fact), welche uns als Pfefferm\u00fcnzgeschmack bekannt ist, jene anderen Wirklichkeiten (those other objective facts) enthalte, die uns als aromatische oder duftige Qualit\u00e4t und als K\u00e4lte bekannt sind. Aber es ist kein Grund anzunehmen, dafs der Tr\u00e4ger oder das Mittel (the vehicle) dieser letzteren sehr komplexen Wahrnehmung irgend etwas gemein habe mit dem fr\u00fcheren psychischen Zustand, geschweige denn dafs er in ihm enthalten sei.\u201c (I. S. 523 Anmerk., vgl. 158 Anmerk.) Da nun Stumpfs Meinung offenbar dahin geht, dafs das intentionale Objekt der durch Pfefferm\u00fcnz\u00f6l erweckten Empfindung zusammengesetzt sei, so kann J.s Opposition nur so aufgefafst werden, dafs er dies leugnen und nur im wirklichen Objekt (d. h. hier im Reiz) eine Zusammensetzung anerkennen will. Diesen Sinn haben offenbar auch die Ausf\u00fchrungen II. S. 30, die mit dem Satze schliefsen: You cannot build up one . . sensation out of many; and only direct experiment can informe us of what we shall perceive when we get many stimuli at once. Alle Empfindungen sind ph\u00e4nomenal gleich einfach ; das scheint J.s Meinung. Und wenn er trotzdem, wie wir eben h\u00f6rten, von \u201ekomplexen\u201c Wahrnehmungen spricht und die Perzeptionen gegen\u00fcber den Empfindungen \u201ezusammengesetzt\u201c nennt, so scheint dies gar nicht deskriptiv oder ph\u00e4nomenal, sondern nur genetisch oder kausal gemeint. Die Reize (stimuli) sind zusammengesetzt, nicht die Empfindungsinhalte (vgl. II. S. 30).\nEbenso entschieden leugnet J. bez\u00fcglich der Gedanken (thoughts), dafs sie intentional jene Teile enthielten, die ihr wirkliches \u201eObjekt\u201c zusammensetzen. So wenn er es I. S. 278 f\u00fcr einen fundamentalen Irrtum erkl\u00e4rt zu glauben, dafs z. B. in dem Gedanken: das Pack Karten liegt auf dem Tische, ein Gedanke an das Pack Karten und an die Karten als in dem Packet enthalten und an den Tisch und an die Beine","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n325\ndes Tisches u. s. w. enthalten sei. Ja! hier, wo es sich nicht um Empfindungen handelt, erhebt er \u00fcberhaupt entschiedenen Protest gegen die gew\u00f6hnliche Lehre \u201eder Psychologen aller Schulen\u201c, als m\u00fcfste zwischen den G-edanken und dem durch sie Vorgestellten (thing-known) irgend eine \u00c4hnlichkeit bestehen, als m\u00fcfsten jene das Vorgestellte irgend wie \u201eenthalten\u201c oder \u201esein\u201c: that a thought must he what it means or mean what it is. (I. 471.) Von den Sensationen k\u00f6nne man allenfalls sagen, dafs sie ihren \u201eObjekten\u201c \u00e4hnlich seien, von den \u201eGedanken oder Ideen\u201c im engeren Sinne dagegen in keiner Weise. Diese sind nach J. hlofs Zeichen oder Symbole des Vorgestellten; sie bedeuten oder bezeichnen (signifie, mean) es blofs. Und mit aus diesem Grunde \u2014 obwohl auch noch aus anderen1 \u2014 kann er sich nicht genug thun in der Verdammung des Versuchs der gew\u00f6hnlichen Psychologie, die Thatsache des Bewufstseins, statt sie einfach als ein letztes unerkl\u00e4rliches Faktum zu postulieren, auf ein being of ideas zur\u00fcckf\u00fchren zu wollen. \u201eNein!\u201c meint er, \u201eeine Idee ist weder, was sie vorstellt, noch stellt sie vor, was sie ist\u201c (I. 477), und die ungl\u00fcckliche Meinung, die Ideen m\u00fcfsten irgendwie eine \u201eDuplikatausgabe von dem sein\u201c, wovon sie ein Bewufstsein sind oder \u00c4hnlichkeit mit ihm besitzen (I. 471), ist nach seiner Ansicht das Hindernis f\u00fcr die endliche L\u00f6sung der wichtigsten Probleme gewesen, z. B. f\u00fcr die Austragung des Streites um die Natur der Begriffe.\nMan sieht, die Opposition unseres Autors gegen die bisherige Psychologie ist eine weitgehende und radikale. Immerhin liegen auch dem hier Gesagten richtige Gedanken zu Grunde, nur vermengt mit Irrt\u00fcmern und Verwechslungen, die den Verf. allerdings weit neben das Ziel f\u00fchren. Vor allem scheint er mir bei seinem letzterw\u00e4hnten hartn\u00e4ckigen Kampf gegen jedes \u201ebeing of ideas\u201c den Unterschied zwischen realem und intentionalem Sein nicht klar festzuhalten und infolge dessen den Gegnern Lehren zu unterschieben, die einen R\u00fcckfall in die kindlichsten Anschauungen der voraristotelischen Zeit bedeuten w\u00fcrden. Jonier und Eleaten meinten allerdings, zur Erkl\u00e4rung des Erkennens und des Bewufstseins \u00fcberhaupt, ein wirkliches Eingehen des Erkannten in den Geist des Erkennenden und eine wirkliche Ver\u00e4hnlichung beider annehmen zu m\u00fcssen. Aber schon der Stagirite hat diese primitive Anschauung durch die Unterscheidung zwischen wirklichem Sein und mentaler Innewohnung \u00fcberwunden. Gewifs ! \u201eDer Geist kann alle Arten von Dingen vorstellen, ohne dais diese k\u00f6rperlich (bodily) in ihm sind.\u201c Nicht bodily f\u00fchrt er seine Vergangenheit mit sich, wenn er seiner fr\u00fcheren Erlebnisse gedenkt, und nicht real brauchen little rounded and finished off duplicates of m and n in uns zu sein, w^enii wir m und n unterscheiden (vgl. I. 501. 499). Nur um eine mentale Innewohnung, ein intentionales \u201eEnthalten\u201c handelt es sich, und nur so ist es auch zu verstehen, wenn man seit Aristoteles sagt, der Gedanke sei gewissermafsen der Gegenstand oder er\n1 Vgl. I. 501 : A Man\u2019s thought can know and mean all sorts of things; without those things getting bodily into it \u2014 the distant, for example; the future, and the past. Vgl. auch die Anmerkung dazu!","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nBesprechungen.\nsei ihm \u00e4hnlich. Das intentionale Sein des Vorgestellten ist eben sein Vorgestelltwerden, und dies ist das Korrelat des Vorstellens. In diesem Sinne also ist das know identisch mit dem being of ideas, und hat die letztere Lehre gar nichts \u201eMitleidwertes\u201c (pitiful) an sich.1 Sie soll auch nicht eine Erkl\u00e4rung des Geheimnisses des Be-wufstseins sein, vielmehr eine einfache Beschreibung des Thatbestandes, \u25a0wie ihn die innere Erfahrung zeigt.\nDoch genug von diesem Versehen. Eingehendere Betrachtung fordert ein zweiter Anlafs, der J. zu den obigen paradoxen Thesen gef\u00fchrt zu haben scheint. Wenn er nicht m\u00fcde wird zu betonen, der \u201eGedanke\u201c brauche dem Objekt nicht \u00e4hnlich zu sein (w\u00e4hrend er es von der Empfindung gelten lassen will !), die \u201eIdee\u201c sei blofs ein Zeichen des Objekts und enthalte dasselbe nicht, so scheint ihm dabei auch die Thatsache vorzuschweben, dafs es un eig entliehe V orstellungen giebt. Bei ihnen gilt in der That, dafs sie dasjenige nicht zum Inhalt haben, wovon sie die Vorstellung genannt werden, und ihm auch in keiner Weise \u00e4hnlich zu sein brauchen, dafs sie es vielmehr blofs bezeichnen oder bedeuten. Es handelt sich um ein stellvertretendes Vorstellen, um ein Surrogat, und da kann man wirklich mit J. sagen, was der Gedanke sei und was er als \u00c4quivalent vertrete, sei zweierlei, und es gilt in ganz besonderem Sinne: dafs the vehicle of the same-thing known nicht the same state of mind sei (I 481). Derselbe Gegenstand kann n\u00e4mlich durch (in sich) ganz verschiedene uneigentliche Vorstellungen gedacht werden, wie auch umgekehrt dieselbe Vorstellung f\u00fcr das Denken von ganz verschiedenen Gegenst\u00e4nden in dieser Weise als Surrogat dienen kann.\nAllein J. scheint mir \u00fcber den Umfang dieses uneigentlichen Vorstellens ganz irrige Anschauungen zu hegen, und schon die Fehler, die er darin begeht, zeigen, dafs er auch \u00fcber die wahre Natur des Ph\u00e4nomens gar nicht im klaren ist. Als ein uneigentliches Vorstellen sieht er offenbar \u2014 soweit ihm \u00fcberhaupt dieser Begriff deutlich geworden ist \u2014 alles dasjenige an, was er eine psychische Franse nennt; wenigstens passen die Angaben, die er \u00fcber diese eigent\u00fcmliche Klasse macht, wenn \u00fcberhaupt auf einen wirklichen psychischen Vorgang, alles in allem am ehesten auf das uneigentliche Vorstellen. Zum eigentlichen w\u00e4ren dagegen die images zu rechnen, welche er den \u201eFransen\u201c als Gegensatz gegen\u00fcberstellt. Aber dadurch ist der Umfang des eigentlichen Vorstellens teils zu weit, teils auch wieder viel zu enge gefafst. Zu weit; denn wenn J. unter images neben den Empfindungen (sensations2) auch die s\u00f6ge.\n\u2022 v\tSie ^ie Folgerung involviere, unser Bewufstsein k\u00f6nne nur\n^i^h selbst zum Gegenstand haben (that an idea . . . can only know itself \u25a0je . kann nur derjenige glauben, welcher intentionales und wirkliches Objekt und wiederum intentionales Objekt und intentionale Beziehung nicht auseinander zu halten weifs.\n. 2 ^T\u00b0 er auch^ von einer sensation of difference spricht, ist sensation da der Vorgang ganz ausdr\u00fccklich als eine Franse bezeichnet W1. wohl uneigentlich zu deuten. Die wahrhaft sogenannten Sensationen aber (dieses anschauliche blau, jenes rot) sieht J. ohne Zweifel als eigentliche Vorstellungen an, und nur in diesem Sinne kann ich","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n327\nnannten Phantasiebilder verstellt, so h\u00e4lt er ein Vorstellen f\u00fcr eigentlich, das diesen Charakter nur teilweise besitzt, indem gerade von den sogenannten Phantasievorstellungen die meisten dem nicht wahrhaft \u00e4hnlich sind, wovon sie die Vorstellung genannt werden, sondern es blofs bezeichnen.1 Aber auch zu eng. Denn J. scheint einerseits blofs die anschaulichen Vorstellungen physischer Ph\u00e4nomene im Auge zu haben (die Anschauungen unserer eigenen Bewufstseinszust\u00e4nde, woraus wir die Begriffe Vorstellen, Anerkennen, Verwerfen, Interesse, Wunsch, Wille u. s. w. abstrahieren, sind hier, wie fast \u00fcberall bei ihm, vergessen), anderseits begeht er den Fehler, \u00fcberhaupt nur die Anschau-u ngen f\u00fcr eigentliche Vorstellungen zu halten und das gesamte Gebiet der begrifflichen und Relationsgedanken zum uneigentlichen Vorstellen (zu den \u201eFransen\u201c) zu rechnen. Und damit verr\u00e4t er aufs deutlichste, dafs ihm die wahre Beschaffenheit des uneigentlichen Vorstellens verborgen geblieben ist. Wir nannten es eine Surrogatvorstellung. Es ist dies in dem Sinne, dafs es in Wahrheit einen ganz anderen Inhalt hat, als der Name seines sogenannten Objektes besagt, einen Inhalt, der zu dem durch den Namen bezeichneten blofs in irgend einer Beziehung steht. Dieser andere Inhalt aber wrird nun voll und eigentlich vorgestellt. Es kann nicht ins Unendliche eine Vo rstellung immer wieder blofs durch ein Zeichen vertreten sein. Vielmehr ist sofort das Mittel, ein X uneigentlich vorzustellen, in sich selbst betrachtet eine eigentliche Vorstellung, d. h. sie stellt irgend etwas, was zu jenem X in Beziehung steht, nur nicht jenes X selbst, eigentlich vor, und es gilt nach dieser Richtung ohne allen Zweifel von ihr, that it must be what it means. In dem Gesagten ist nun auch schon enthalten, dafs es durchaus nicht angeht, alle Beziehungsgedanken und allgemeinen Begriffe f\u00fcr uneigentlich zu halten; denn eben eigentliche Relationsgedanken und eigentliche Begriffe geh\u00f6ren zur Erkl\u00e4rung des ganzen Vorganges der uneigentlichen Vorstellungen, undaus diesen jene begreifen zu wollen, ist das offenkundigste Hysteronproteron. In den Inhalten uns er er eigentlich en Gedanken von Universalien und Relationen liegen die Bausteine auch f\u00fcr all unser uneigentliches Vorstellen, und (da die Vorstellungen die Grundlage f\u00fcr alles Urteilen und Erkennen bilden) so hat schon Locke richtig gesehen, wenn er in der \u201eAnalyse der Ideen\u201c eine der Grundlagen f\u00fcr jede Untersuchung nach der Tragweite unseres Erkenntnisverm\u00f6gens erblickte. Ich sage : in der Analyse der Ideen. Denn die Inhalte jener eigentlichen Vorstellungen enthalten Teile, und ich sehe nicht, wie derjenige um dieses\nes billigen, dafs er von ihnen \u2014 im Gegensatz zu den Gedanken oder Ideen \u2014 sagt, sie k\u00f6nnten den Objekten \u00e4hnlich genannt werden. Dafs ihrem Inhalt eine ad\u00e4quate Wirklichkeit entspreche, w\u00e4re offenbar nicht richtig, und in diesem Sinne gilt von ihnen nicht, und weniger als von vielen Begriffen, dafs sie dem Objekt \u00e4hnlich sind. Gerade sie sind blofs Zeichen des \u201eReizes\u201c, den J. oft auch ungenau Objekt nennt. Dagegen sind sie insofern nicht blofs symbolische Vorstellungen, als sie dasjenige, was ihr Name besagt (z. B. rot oder blau), wahrhaft zum Inhalt haben.\n1 Vgl. dar\u00fcber unseren 6. Artikel \u201e\u00fcber Sprachreflex\u201c u. s. w. a. a. O. XIV., S. 74 ff.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nBesprechungen.\nZugest\u00e4ndnis herum kommen will, der wie J. zugiebt, dafs die wirklichen Objekte Teile enthalten und dafs ihre \u201e\u00c4hnlichkeit\u201c untereinander nicht in jeder Richtung unanalysierbar sei, vielmehr in gewissen F\u00e4llen partielle Identit\u00e4t bedeute. Sind doch, soweit diesen wirklichen Dingen eigentliche Vorstellungen entsprechen, diese letzteren eben intentional das, was jene wirklich sind und kommen wir nur mittelst der Analyse dieser intentionalen Inhalte auch zu einer Analyse des Wirklichen. Die Analyse der Inhalte unserer eigentlichen Vorstellungen aber ist wiederum die Grundlage f\u00fcr alles uneigentliche Vorstellen und f\u00fcr jede auf dieses gebaute Erkenntnis und Analyse des Wirklichen. G\u00e4be es keine \u201eAnalyse der Ideen\u201c, so w\u00fcrde dies mit dem Tode der Psychologie den Tod aller Wissenschaft \u00fcberhaupt bedeuten. So wenig es angeht, bei den wirklichen Objekten \u00fcberall und schlechtweg nur eine unanalysierbare \u00c4hnlichkeit anzunehmen, so wenig geht es im Gebiete der intentionalen Inhalte an. Die eine wie die andere Annahme hebt jede M\u00f6glichkeit fester Begriffe auf, und es ist also nicht blofs eine T\u00e4uschung durch die Sprache, \u201ewelche die Namen der Objekte auf die Vorstellungen \u00fcbertr\u00e4gt\u201c, wenn man die \u201eIdeen\u201c f\u00fcr etwas Zusammengesetztes und einer wahren Analyse F\u00e4higes h\u00e4lt. In manchen F\u00e4llen ist jene Gemeinsamkeit des Namens eine uneigentliche; 'aber nicht bei allen Gedanken, wie J. meint, trifft dies zu, und wo der Inhalt eines Gedankens eigentlich ist, ist mit der Zusammensetzung seines wirklichen Objekts auch die des intentionalen (\u201eder Ideen\u201c) zugegeben. Diese eigentliche Gemeinsamkeit des Namens macht dann auch erst jene uneigentliche in anderen F\u00e4llen m\u00f6glich.\nSo k\u00f6nnen wir denn im wesentlichsten und wichtigsten J.s Opposition gegen die bisherige Anschauung von der Analyse der Ideen nicht begr\u00fcndet finden. Wir wollen nicht leugnen, dafs die Lehre irrige Ausw\u00fcchse mit sich gef\u00fchrt hat; aber bei alledem bleibt ihr ein richtiger und bedeutungsvoller Kern, der von keinem der J.schen Einw\u00e4nde ber\u00fchrt wird. Und man darf wohl sagen, dafs wenn die \u201eLocKEsche Schule\u201c nach einer Richtung gefehlt, ihr neuester Kritiker in seiner Opposition gegen sie ebensoweit, wo nicht noch weiter, in der entgegengesetzten in die Irre gegangen ist.\na.\tBerechtigt ist, wir betonten es schon, sein Kampf gegen jeden Versuch, das Bewufstsein als ein Kollektiv von Realit\u00e4ten zu fassen. Doch reale Einheit ist nicht Einfachheit; sie schliefst nicht eine Mannigfaltigkeit von unterscheidbaren, ja auch von trennbaren Teilen und in diesem Sinne eine Vielheit distinkter Zust\u00e4nde aus. Nur diese Annahme aber bildet den Kern der Lehre von der Analyse der Ideen und der Associationspsychologie, und J. thut Unrecht, jene falsche \u201eAtomistik\u201c damit zu indentifizieren.\nb.\tRichtig ist ferner, dafs unser Vorstellen und das Bewufstsein \u00fcberhaupt sein Objekt nicht real enth\u00e4lt. Doch dies ist seit der ersten Kindheit der Wissenschaft nie mehr die Meinung eines ernsten Forschers gewesen.\nEs ist auch zuzugeben, dafs der psychische Zustand, der die Vorstellung eines Gegenstandes genannt wird, nicht immer intentional","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n329\ndas enth\u00e4lt, was der Name besagt, mit anderen \"Worten, dafs es uneigent-liche Vorstellungen giebt. Aber es w\u00e4re irrig zu glauben, dafs solche Vorstellungen gar keinen angebbaren Inhalt h\u00e4tten oder etwas an und f\u00fcr sich Vages w\u00e4ren. Sie m\u00f6gen oft schwer in ihrer eigentlichen Beschaffenheit zu beschreiben sein ; schon darum, weil ihr Inhalt von un-sererAufmerksamkeit gewohnheitsm\u00e4fsig vernachl\u00e4ssigt wird \u00fcber seiner Funktion als Surrogat und Zeichen f\u00fcr etwas Anderes. Aber daraus zu entnehmen, dafs die Vorg\u00e4nge von vornherein unbeschreiblich und unanalysierbar seien, das hiefse offenkundig in besonderer Form jenen Fehlschlufs machen, den J. (I. S. 196) the psychologists fallacy nennt, und der in diesem Falle auf den beobachteten Gegenstand \u00fcbertr\u00fcge, was blofs auf Rechnung der unvollkommenen Beobachtung zu setzen ist.1 Niemals ist der Inhalt einer Vorstellung oder eines Bewufstseins \u00fcberhaupt in sich selbst vag oder unbestimmbar; auch in diesem Sinne ist die bisherige Psychologie durchaus im Rechte, wenn sie \u00fcberall di-stinkte psychische Zust\u00e4nde und definite ideas sehen will. \u2014 Und weder wer in diesem, noch wer in dem unter a. angegebenen Sinne darauf ausgeht, das ganze psychische Leben in distinkte Zust\u00e4nde zu zergliedern, gef\u00e4hrdet dadurch, wie J. glaubt, die Kontinuit\u00e4t des Bewufstseins. Diese erkl\u00e4rt sich in ganz anderer Weise und so, dafs, was er substantivische und was er transitive Zust\u00e4nde nennt, ganz in derselben Weise dazu beitr\u00e4gt. Doch verbietet nat\u00fcrlich der Raum hier bei diesem Punkte zu verweilen.\nc. Richtig ist weiter an den Ausf\u00fchrungen des Autors, dafs nicht alle unsere Vorstellungen Anschauungen sind, noch weniger (und dies tritt bei ihm selbst nicht klar und gen\u00fcgend hervor) alles Anschauungen von physischen Ph\u00e4nomenen. Neben \u201esubstantivischen Zust\u00e4nden\u201c (wenn man \u2014 \"was ich aber nicht raten m\u00f6chte \u2014 die anschaulichen Vorstellungen von absoluten Inhalten so nennen will) besitzen wir RelationsvorsteHungen und \u00fcberhaupt begriffliche Gedanken. Und nicht blofs haben die \u201eSensationalisten\u201c Unrecht, welche sie nicht als letzte Bestandteile des Bewufstseins anerkennen, vielmehr auf eine Kombination von Anschauungen zur\u00fcckf\u00fchren wollen, sondern auch die von J. sogenannten \u201eSpiritualisten\u201c, welche die Relationen f\u00fcr etwas a priori zu den Anschauungen Hinzugebrachtes und f\u00fcr Sache des reinen Verstandes erkl\u00e4ren. Nein! die Relationen liegen so gut wie die absoluten Inhalte in den Anschauungen (nur nicht alle in den Anschauungen physischer Ph\u00e4nomene, was auch J. vergifst!). Aber weder aus dem ersten, noch aus dem letzteren folgt, dafs die bez\u00fcglichen Vorstellungen s\u00e4mtlich uneigentlich und in diesem Sinne \u201eFransen\u201c sein m\u00fcfsten. Die Relationsgedanken und begrifflichen Vorstellungen sind\n1 Auch das ist nicht richtig, dafs die ,,Fransen\u201c \u2014 wenn damit die uneigentlichen Vorstellungen gemeint sind \u2014 gar nicht, auch nicht in der Erinnerung, Gegenstand der Beobachtung sein k\u00f6nnten; ja! dafs sie \u00fcberhaupt nie in ein nachtr\u00e4gliches Bewufstsein aufgenommen w\u00fcrden und nur physisch, nicht intellektuell zum \u00fcbrigen Bewufstseinsstrom geh\u00f6rten. (1. 644.) Alle diese Behauptungen sind so schief und \u00fcbertrieben, dafs J selbst mit ihren Konsequenzen nicht Ernst zu machen vermochte.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nBesprechungen.\nzwar keine Anschauungen, und da sie doch nur in innigstem Kontakt mit den Anschauungen m\u00f6glich sind, bilden sie relativ unselbst\u00e4ndige Teile des Bewufstseins;1 aber die elementaren unter ihnen enthalten wahrhaft das als intentionalen Inhalt, was ihr Name besagt, d. h. sie sind durchaus eigentliche Vorstellungen, und nur auf Grund solcher eigentlicher Begriffe sind dann auch weiterhin noch die mannigfachen Gebilde der uneigentlichen Vorstellungen m\u00f6glich.\nd.\tEs war ein Irrtum gewisser \u201eAssociationspsychologen\u201c, wenn sie meinten, in der Empfindung vonWeifs die Empfindungen der verschiedenen Spektralfarben \u201everschmolzen\u201c zu erkennen. Sie hielten da etwas f\u00fcr ph\u00e4nomenal zusammengesetzt, wovon ihnen in Wahrheit nur eine Zusammensetzung in den Ursachen bekannt war. Allein J. verirrt sich ins entgegengesetzte Extrem, wenn er bei keinem Empfindungs- oder \u201eWahrnehmungs\u201cinhalt eine Mehrheit von Elementen in der Erscheinung anerkennen, sondern alle Zusammensetzung blofs in den Beizen suchen will. Bez\u00fcglich der Gef\u00fchle der Lust und Unlust mag es richtig sein, dafs wir aus denjenigen, die an gewisse einfachere Eindr\u00fccke gekn\u00fcpft sind, gar nicht die anderen abzuleiten verm\u00f6gen, welche den aus jenen Elementen zusammengesetzten Eindruck begleiten werden, sondern dar\u00fcber nur die spezifische Erfahrung in jedem Falle entscheiden kann. Aber etwas Anderes \u2014 und J. h\u00e4lt dies nicht genug auseinander \u2014 etwas Anderes sind Lust und Unlust, etwas Anderes die ihnen zu Grunde liegenden Vorstellungen, z. B. die Empfindungen von Sinnesqualit\u00e4ten. Bei den Empfindungsinhalten giebt es ohne Zweifel etwas wie eine mechanische Zusammensetzung d. h. Composita, welche deskriptiv Elemente erkennen lassen und wahrhaft aus ihnen aufgebaut sind.\nDafs wir \u2014 entsprechend einem allgemeinen Gesetze des Bemerkens \u2014 auch um ein solches Kompositum zu analysieren, d. h. auf seine Elemente im besonderen aufmerksam zu werden, diese Elemente gesondert oder als Teile anderer Kombinationen erfahren m\u00fcssen, beweist blofs, dafs eine kausale Scheidung oder eine Analyse der Beize Bedingung f\u00fcr die psychologische Analyse der ph\u00e4nomenalen Empfindungsinhalte ist. Aber J. sollte deshalb nicht die letztere g\u00e4nzlich leugnen und die erstere allein anerkennen wollen.\ne.\tWir billigen es nat\u00fcrlich auch nicht, wenn sog. Sensationalisten und Assoziationspsychologen sogar psychische Th\u00e4tigkeiten, welche toto genere vom blofsen Vorstellen verschieden sind, aus einer Verbindung von Vorstellungen ableiten wollten. So sind wir z. B. mit J. ganz einverstanden, dafs zwei Ideen (m und n) haben noch gar nicht heifst: sie vergleichen oder unterscheiden. Die Vergleichung ist ein neuer Vorgang ganz anderer Art. Allein der Gesamtbewufstseinszustand, der die Ver-\n1 Um dieser Unselbst\u00e4ndigkeit willen mag man sie mit Fransen \u2022oder S\u00e4umen und mit dem Hof des Mondes vergleichen. Doch giebt es wohl noch bezeichnendere Bilder f\u00fcr ihr Verh\u00e4ltnis zur Anschauung. \u25a0\u2014 Dafs J. irrigerweise diesen Charakter von Unselbst\u00e4ndigkeit mit einem ganz anderen verwechselt und so die Klasse: transitive states oder fringes zu einer Herberge f\u00fcr Wesen ganz verschiedener Art und Herkunft macht, wurde fr\u00fcher schon angedeutet.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n331\ngleichung und Unterscheidung von m und n vollzieht, involviert doch auch die Vorstellung von m und n und zwar die \u201ereine\u201c Vorstellung von beiden. In dem Sinne wenigstens, dafs wahrhaft m und n Inhalt unseres Vorstellens sein m\u00fcssen. Ohne das w\u00e4re auch nicht wahrhaft ein Vergleich beider m\u00f6glich. Bezeichnet einer mit J. (vgl. I. S. 498) eben das Verglichenwerden von m und n als ein nicht \u201erein\u201c im Bewufstsein Bestehen derselben, dann ist selbstverst\u00e4ndlich, dafs der Vergleichende m und n nicht rein vorstellt. Aber jene Ausdrucksweise scheint mir doch wenig gl\u00fccklich, ja recht mifs-verst\u00e4ndlich. Positiv unrichtig aber ist es, wenn der Verfasser an derselben Stelle sagt, das allgemeine Gesetz, dafs jeder Eindruck, den das Gehirn erfahren, eine Modifikation in ihm zur\u00fccklasse, welche als mitwirkender Faktor alle sp\u00e4teren Erfahrungen bestimme, bringe es mit sich, dafs wir unm\u00f6glich m und n unmittelbar nacheinander vorstellen und sie \u201erein\u201c d. h. (wie sofort gesagt wird) unverglichen (un-compaired) im Bewufstsein haben k\u00f6nnten. In Wahrheit k\u00f6nnen sich beide unmittelbar folgen, ohne dafs es zu einem Akt der Unterscheidung kommt. In diesem Sinne mufs man auch gegen J. betonen, dafs zwei Ideen haben noch nicht heifst: sie unterscheiden!\nDoch nicht genug! Indem der Verf. in der eben geh\u00f6rten Weise die vermeintliche Unm\u00f6glichkeit, die \u201ereine\u201c Idee von m oder n zweimal zu erfahren, aus der bleibenden Modifikation' erschliefst, die das Gehirn durch jeden Eindruck und jede Gleichgewichts\u00e4nderung erleide, verweist er auch auf Ausf\u00fchrungen S. 232\u2014236. Allein hier finde ich unter \u00e4hnlich klingenden Ausdr\u00fccken ganz andere Konsequenzen aus der best\u00e4ndigen Modifikation des Gehirns gezogen, von denen ich mich wundern mufs, dafs J. sie mit den vorhin erw\u00e4hnten identifiziert. Es wird n\u00e4mlich schlechtweg die Meinung vorgetragen: weil unsere Empfindungen und Gedanken nicht zweimal in einem v\u00f6llig gleichen Gehirn (unmodified brain) stattfinden, vielmehr in jedem sp\u00e4teren Gehirnzustand aille fr\u00fcheren nachwirkten, so folge, dafs in Wahrheit weder zwei gleiche Empfindungen noch zwei gleiche Gedanken jemals, fr\u00fcher und sp\u00e4ter, in uns auftreten k\u00f6nnten.\nW\u00e4re nun damit blofs gemeint, dafs unser psychischer Gesamtzustand in einem best\u00e4ndigen Wechsel begriffen sei, so h\u00e4tten wir nichts dagegen zu erinnern. Allein J. glaubt damit der sog. atomistischen Psychologie den Todesstofs zu versetzen, und so heifst bei ihm jeder Versuch, in dem unabl\u00e4ssig wechselnden konkreten Gewebe unseres psychischen Lebens doch gewisse in gleicher Weise wiederkehrende Elemente zu entdecken. Eben dieser Versuch soll nun nach seiner Meinung schon durch die Grundthatsachen der Gehirnphysiologie ausgeschlossen sein, und in diesem Sinne soll die Thesis gelten, dafs es niemals etwas wie too successive copies of the same thought in uns gebe, vielmehr alles Sp\u00e4tere, was man einem Fr\u00fcheren f\u00fcr gleich halten m\u00f6chte, in Wahrheit ihm ungleich und irgendwie alteriert sei. Was aber diese Thesis betrifft, so mag man zwar als Thatsache zugeben, dafs nicht zweimal v\u00f6llig dasselbe Gelb oder Rot und nicht zweimal ein Ton von absolut gleicher Tonh\u00f6he in unserer Empfindung auftrete, und so im \u00fcbrigen ;","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nBesprechungen.\nweil es sicli dabei um Gebiete handelt, wo die Spezies in* finitesimal variieren. (Abgesehen davon, dafs wir \u2014 auch wenn hier zweimal v\u00f6llig dasselbe gegeben w\u00e4re \u2014 es nat\u00fcrlich nicht zu konstatieren verm\u00f6chten.) Allein wenn jenes Nichtwiederkehren v\u00f6llig gleicher Empfindungsinhalte die notwendige Folge des Einflusses fr\u00fcherer Bewufstseinszust\u00e4nde und der Ver\u00e4nderung des Gehirns w\u00e4re, und aus den gleichen Gr\u00fcnden auch die Wiederkehr eines Gedankens von gei ehern Inhalt eine Unm\u00f6glichkeit bildete, dann h\u00e4tte dies doch \u2014 f\u00fcr die Psychologie nicht blofs, sondern f\u00fcr die Wissenschaft \u00fcberhaupt \u2014 Folgen der bedenklichsten Art. J. findet selbst, wo er von den Begriffen handelt, the law of constancy in our meanings sei der wichtigste Zug unserer ganzen geistigen Organisation. Wohlan! Nachdem sich uns oben gezeigt hat, dafs es eine Fiktion ist, wenn er glaubt, alle unsere begrifflichen Gedanken k\u00f6nnten etwas \u201emeinen\u201c oder \u201ebedeuten\u201c, ohne es intentional zu enthalten, so folgt, dafs jener \u201ewichtigste Zug unserer geistigen Organisation\u201c eben darin besteht, dafs Gedanken von gleichem Inhalt wiederkehren und dafs wir wahrhaft und eigentlich mehrmal dasselbe denken k\u00f6nnen. Und diese Folgerung veranlafst ihn doch vielleicht zu einer Revision seiner allzuzuversichtlichen Schl\u00fcsse aus der Ver\u00e4nderung des Gehirns auf einen schlecht-hinigen Wechsel im Bewufstsein, wie er sie I. S. 230\u201437 gezogen und gegen die bisherige Psychologie gewendet hat !\nf. Aber unserseits sei ein anderes und letztes Zugest\u00e4ndnis nicht verschwiegen. Die sog. Assoziationspsychologie hat manche Verkn\u00fcpfung von Vorstellungsinhalten f\u00e4lschlich f\u00fcr eine solche gehalten, wie sie zwischen den Inhalten assoziierter Vorstellungen besteht. Man hat die grofse Mannigfaltigkeit und verschiedene Eigenart der Teilverh\u00e4ltnisse, die zwischen den Elementen unseres gleichzeitigen und wechselnden Vorstellungsganzen bestehen, vielfach verkannt. So war es z. B. ein Irrtum, wenn Locke meinte, Raum und Farbe (ja sogar Ausdehnung und Gestalt) seien in derselben Weise verbunden wie (etwa in der Vorstellung des Zuckers) Farbe und Geschmack. Letztere bilden ein blofs \u00e4ufserliches Kollektivum von Inhalten, und zwischen ihnen kann Assoziation, d. h. gewohnheitsm\u00e4fsige Verkn\u00fcpfung sich bilden. Wer dagegen bei den erster en von Assoziation redete, der k\u00f6nnte es nur entweder verm\u00f6ge g\u00e4nzlicher Verkennung des wahren Sachverhaltes oder aber indem er mit Bewufstsein eine starke und aufs Entschiedenste zu mifsbilligende \u00c4quivokation sch\u00fcfe. Noch mehr haben diese Verschiedenheit der Verkn\u00fcpfungsweisen in unseren Vorstellungsinhalten Sp\u00e4tere verkannt, welche sogar Gattung und Spezies, z. B. Farbe und R\u00f6te, assoziert nannten, w\u00e4hrend in Wahrheit die letztere Vorstellung die erstere einschliefst. Kurz: Die Lehre von der Analyse der Ideen f\u00e4llt nicht zusammen mit derjenigen von der Assoziation derselben. Aber nichtsdestoweniger bleibt die erstere eine der fundamentalsten Aufgaben des deskriptiven Teils der Psychologie, und die letztere eine der wertvollsten Leistungen, die der genetische Teil bisher aufzuweisen hat. \u2014- Und ich kann mich, mit Bezug auf die zweitgenannte, auch nicht damit einverstanden erkl\u00e4ren, wenn J. statt von","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n333\nIdeenassoziation inZukunft von Assoziation von Objekten (things tliougt of) reden will. (Vgl I. S. 554 ff.) Die Opposition des Verfassers h\u00e4ngt mit schon bekannten Irrt\u00fcmern zusammen, die er selbst begeht und mit anderen, die er allgemein der \u201eAssoziationspsychologie\u201c unterschiebt. Eliminiert man sie, so fehlt jeder vern\u00fcnftige Grund zu einer Einsprache gegen die bisherige Bezeichnung und zur Annahme der neuen. Dafs die Gesetze der Ideenassoziation Gesetze der Verkn\u00fcpfung der wirklichen Objekte seien, w\u00e4re offenkundig unrichtig. Solche Gesetze sind z. B. die der Naturwissenschaft. Es k\u00f6nnen also unter den things thought of blofs die intentionalen Objekte gemeint sei; und da eine der \u00fcblichen Bedeutungen des Wortes \u201eIdee\u201c eben auf die intentionalen Objekte unserer Vorstellungsth\u00e4tigkeit geht, so hiefse es um Worte streiten, ja eine ganz brauchbare und bisher allgemein verstandene Ausdrucksweise ohne Not verlassen und mit einer mifsverst\u00e4ndlichen vertauschen, wenn man dem Vorschlag von J. folgen wollte.\nWir sind ausf\u00fchrlicher geworden, als es bei Besprechungen wohl \u00fcblich ist. Doch konnten wir der grofsen Gelehrsamkeit und dem wirklichen Wert des besprochenen Werkes einerseits und der Sache der Wahrheit anderseits nicht geb\u00fchrend gerecht werden, als indem wir, wo eine Mifsbilligung ausgesprochen werden mufste, sie eingehender begr\u00fcndeten. Der Verfasser stellt in der ehrlichsten Absicht, die Psychologie von Irrt\u00fcmern zu befreien, und Hand in Hand mit Ausf\u00fchrungen, die Gr\u00fcndlichkeit und Exaktheit in gewisser (Richtung anstreben, Grunds\u00e4tze auf, die diese Wissenschaft nach anderer (Richtung der Seichtigkeit \u00fcberliefern und damit indirekt auch jene von ihm selbst angestrebte Exaktheit gef\u00e4hrden w\u00fcrden; ja Grunds\u00e4tze, die \u2014 konsequent durchgef\u00fchrt \u2014 die M\u00f6glichkeit jeglicher psychologischen Forschung in Frage stellen. Dies erheischte eine Verst\u00e4ndigung, und ihr, nicht der Bem\u00e4ngelung der Arbeit eines unerm\u00fcdlichen und geistvollen Forschers, sollten diese Zeilen dienen.\nA. Marty (Prag).","page":333}],"identifier":"lit14877","issued":"1892","language":"de","pages":"297-333","startpages":"297","title":"William James: The principles of Psychology. London, Macmillan & Co., New York, Holt & Co. Vol. 1, Vol. 2","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:03.487224+00:00"}