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{"created":"2022-01-31T17:01:28.434061+00:00","id":"lit14879","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Volkelt, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 338-339","fulltext":[{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nLitteraturbericht.\nBehauptung von der ausnahmslosen Notwendigkeit in T\u00e4uschung begriffen ist. Wenn die Wissenschaft alle Erscheinungen unerbittlich in ihr Kausalit\u00e4tsnetz zieht, so ist dies eine unvermeidliche, aber im Grunde unangemessene und falsche Betrachtungsweise des wahren Wesens der Dinge. Dieses kann nicht erkannt, sondern nur gef\u00fchlt, gewollt, erlebt werden (S. 74 ff.). Dieser Anschauungsweise gegen\u00fcber wird die Trage unabweisbar, warum denn noch \u00fcberhaupt Wissenschaft betrieben werden solle, wenn sie doch ein blofses Zerrbild der Wirklichkeit liefere? W\u00e4re es nicht richtiger, den Erkenntnistrieb niederzuhalten, als ihn \u2014 wie der Verfasser thut \u2014 durch Auf bieten aller Mittel zu steigern und ihn sich immer tiefer in seine doch im Grunde auf Spinnweben gerichtete und verkehrte Eigenart verrennen zu lassen? Zuerst konstruiert sich der Verfasser vom Erkennen ein k\u00fcnstliches, der Natur des menschlichen Geistes Gewalt anthuendes Bild, und sodann erkl\u00e4rt er das Erkennen f\u00fcr eine in Schein und T\u00e4uschung befangene Art, sich der Dinge zu bem\u00e4chtigen. So wird es denn wohl auch nur das vom Verfasser dem Erkennen willk\u00fcrlich untergeschobene Gebilde sein, das sich durch das Endergebnis seiner Betrachtungen als gerichtet erweist.\nDer Beobachter der gegenw\u00e4rtigen philosophischen Bestrebungen macht oft die Wahrnehmung, dafs das Bem\u00fchen, alle Metaphysik fern zu halten, oder auch die allzu zaghafte Art, sie zu betreiben, die mannigfaltigsten Gezwungenheiten, Unklarheiten, Widerspr\u00fcche im Gefolge hat. Ein lehrreiches Beispiel hierf\u00fcr bietet der Verfasser dar. Sein metaphysischer Agnostizismus ist so folgerichtig und vorurteilsfrei, wie es wohl nur selten der Fall sein d\u00fcrfte, durchgef\u00fchrt; gerade darum aber tritt bei ihm besonders deutlich hervor, wie die gek\u00fcnstelte, dem Denken Gewalt anthuende Grundlegung der Psychologie, indem die gewaltsam verbannte Metaphysik gleichsam Rache nimmt, sich selbst f\u00fcr unhaltbar und nichtig erkl\u00e4rt.\tJ. Volkelt (W\u00fcrzburg).\nA. L. Kym (Z\u00fcrich). \u00dcber die menschliche Seele, ihre Selbstrealit\u00e4t und Fortdauer. Eine psychologisch-prinzipielle Untersuchung. Berlin, Kurt Brachvogel 1890. 46 S.\nDiese Abhandlung \u2014 ein Abschnitt aus einem in Aussicht gestellten gr\u00f6fseren Werke \u2014 geh\u00f6rt dem Teil der Psychologie an, den man am besten als Metaphysik der Psychologie bezeichnen kann. Wer, wie ich, es f\u00fcr wissenschaftlich geboten h\u00e4lt, dafs die Psychologie in metaphysischen Er\u00f6rterungen ihren Ahschlufs finde, wird das vorliegende Schriftchen nicht schon darum, weil seine Art zu dem gegenw\u00e4rtig vorherrschenden Betriebe der Psychologie in schroffem Gegens\u00e4tze steht, f\u00fcr unberechtigt und verfehlt ansehen.\nKym ist einer der wenigen, die sich gegenw\u00e4rtig der \u00e4lteren, spekulativen Art, Metaphysik zu treiben, eng anscbliefsen. So h\u00e4ufig er hervorheht, dafs er nur auf Grund von Thatsachen metaphysische S\u00e4tze erschliefsen wolle (S. 33, 35, 43), so ist doch bei ihm noch vielfach das Philosophieren aus dem \u201eBegriff\u201c der Sache heraus zu finden. Und auch, wo er aus Thatsachen Schl\u00fcsse zieht, l\u00e4fst er sich nicht gen\u00fcgend auf ihre Vielgestaltigkeit, Vielbez\u00fcglichkeit und Vieldeutigkeit ein. Seine meta-","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n339\nphysischen Ergebnisse scheinen sich mir nicht genug in Anpassung an die Relativit\u00e4ten der Erfahrungswelt zu entwickeln, sie stehen in zu unbedingter, zu erhabener Haltung dem so erschreckend endlichen Erscheinungsdasein des Menschen gegen\u00fcber. Die Seele ist Selbstbewegung, Spontaneit\u00e4t, Freith\u00e4tigkeit; \u201esie ist von Anfang an Th\u00e4tigkeit im h\u00f6chsten Grade und in der Vollendung\u201c (S. 6); sie besitzt dem Leibe gegen\u00fcber ein \u201eF\u00fcrsichsein und eine selbst\u00e4ndige, auf sich selbst ruhende Realit\u00e4t\u201c (S. 8) u. s. w. Auch wenn man zugiebt, dafs dies alles nicht ohne guten Sinn ist, so wird man diese Behauptungen doch nicht so ohne weiteres, ohne alle n\u00e4heren Bestimmungen und Einschr\u00e4nkungen, hinstellen d\u00fcrfen. Auch, wo der Verfasser seine Gr\u00fcnde f\u00fcr die Unsterblichkeit der Seele entwickelt, l\u00e4fst er es nach meiner \u00dcberzeugung zu sehr an Wenn und Aber fehlen. Er gr\u00fcndet die Unsterblichkeit vor allem darauf, dafs die sittliche Anlage des Menschen, weil sie im irdischen Dasein nicht vollst\u00e4ndig entwickelt werden k\u00f6nne, \u00fcber dieses Dasein hinausweise (S. 41 ff.). Er giebt zwar zu, dafs hiermit die Unsterblichkeit nicht in ad\u00e4quater und vollendeter Weise bewiesen sei; doch hofft er, dafs wir es zu einer solchen Erkenntnis einst bringen werden (S. 44).\nIm besonderen nun scheinen mir die Er\u00f6rterungen Kyms an zwei M\u00e4ngeln zu leiden. Erstens f\u00fchren fast alle seine Schl\u00fcsse in Wahrheit nur bis zur Immaterialit\u00e4t der seelischen Vorg\u00e4nge, nicht aber bis zur Substantialit\u00e4t (\u201eSelbstrealit\u00e4t\u201c) der Seele. Die Thatsache der Empfindung, ebenso die des Selbstbewufstseins, des Denkens u. s. w. zwingen zun\u00e4chst nur zu der Annahme, dafs die seelischen Vorg\u00e4nge etwas von allem Materiellen Grundverschiedenes sind, w\u00e4hrend f\u00fcr den Verfasser diese Eigenexistenz der seelischen Erscheinungen sofort den metaphysischen Sinn eines besonderen einheitlichen Seelenwesens annimmt (S. 13, 15, 21, 25, 38). Und zweitens verlieren die Ergebnisse des Verfassers darum an \u00dcberzeugungskraft, weil er mit der Selbst\u00e4ndigkeit des Seelenwesens immer auch schon dies Weitere bewiesen zu haben glaubt, dafs die Seele den Leib organisiert, ihn \u201eaus den physikalisch-chemischen Stoffen aufbaut\u201c (S. 5, 15, 18, 20 u. s. w.).\nKym geh\u00f6rt zu den Philosophen, denen die Metaphysik die innerste Angelegenheit des Kopfes und eine der wichtigsten auch des Herzens ist. Im vollen Bewufstsein davon, dafs er wider den Strom schwimme, stellt er seine psychologische Grundauffassung in entschiedener und doch ruhig sachlicher Weise hin.\tJ. Volkelt (W\u00fcrzburg).\nA. Szana. Beitrag zur Lehre von der Unerm\u00fcdlichkeit der Nerven.\nDubois Arch. 1891. S. 315\u2014320.\nNachdem die motorischen Nervenendigungen des Kaninchenherzens durch Atropin gel\u00e4hmt waren, wurde der Vagus stundenlang gereizt, nach dem Auf h\u00f6r en der Giftwirkung trat die Vagusverlangsamung auf. Die Erscheinung, dafs die Verlangsamung des Herzschlages erst allm\u00e4hlich sich ausbildete, liefs sich auf die Thatsache zur\u00fcckf\u00fchren, dafs das Gift allm\u00e4hlig die Nervenendigungen verl\u00e4fst: denn verst\u00e4rkte man beim ersten Auftreten der Verlangsamung die Reizst\u00e4rke, so liefs sich sofort\n22*","page":339}],"identifier":"lit14879","issued":"1892","language":"de","pages":"338-339","startpages":"338","title":"A. L. Kym: \u00dcber die menschliche Seele, ihre Selbstrealit\u00e4t und Fortdauer, Eine psychologisch-prinzipielle Untersuchung. Berlin, Kurt Brachvogel, 1890","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:28.434071+00:00"}