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{"created":"2022-01-31T16:56:19.384805+00:00","id":"lit14884","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fr\u00e4nkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 341-343","fulltext":[{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturber icht.\n341\nBechterews gedacht werden. Wir vermissen eine Angabe \u00fcber Lokalisation der verletzten Stellen. Bef.]\tAsher (Heidelberg).\nLucuni. H cervelletto. \u2014 Nuovi studi di fisiologia normale e pato-logica. \u2014 Firenze, Le Monnier Succ., 1891. 320 S. 48 Figg.\nSeit Flou rens epochemachenden Eeobercbes exp\u00e9rimentales sur les fonctions du syst\u00e8me nerveux im Anfang der 40er Jahre ist keine Arbeit \u00fcber das Kleinhirn erschienen, die eine so vielversprechende Bedeutung wie die vorliegende hat, die an Beichhaltigkeit und G\u00fcte des Materials alle fr\u00fcheren Leistungen auf diesem Gebiete \u00fcbertrifft und ihnen an Feinheit der Beobachtung mindestens gleichsteht. \u2014 Durch 8 Jahre hindurch unausgesetztes Experimentieren an einer Beihe von Hunden und Affen, die er \u2014 was bisher nie gegl\u00fcckt war \u2014 nach der Zerst\u00f6rung des Kleinhirns jahrelang am Leben zu erhalten verstand, hat der Verfasser endlich Licht in das mysteri\u00f6se Dunkel dieses Organes gebracht, \u00fcber dessen Bedeutung noch bis zur Stunde die widerspruchsvollsten Meinungen herrschen. Vorurteilsfreie Beobachtung der operierten Tiere, an denen er die anomalen Bewegungen, die Assoziation und Koordination, den Muskeltonus u. s. w. bei den verschiedenen Gangarten, Stellungen und alles das, was die komplizierte sogenannte Ataxia cerebellaris betrifft, analysiert, \u00fcberzeugte L., dafs die Lehre, wonach das Kleinhirn, das Organ der Koordination der Ortsbewegung (Flourens) oder das der Erhaltung des Gleichgewichtes (Magendie) sei, durchaus unbegr\u00fcndet ist.\nVor allem war es n\u00f6tig, sich \u00fcber die Natur der Erscheinungen zu verst\u00e4ndigen und m\u00f6glichst auseinanderzuhalten, was als Wirkung von Beizung, was als Ausfalls-, was als Kompensations-, als Degenerations-, endlich als Symptom von Dystrophie anzusehen ist. Diese f\u00fcr den Beobachter sehr schwierige Aufgabe, deren Nichterf\u00fcllung die meisten Irrungen in der Lehre vom Kleinhirn verschuldet hat, f\u00fchrt Verfasser bei der Betrachtung der Folgen nach den verschiedenartigen Kleinhirnverst\u00fcmmelungen gewissenhaft durch.\n1.\tDie einfachste Verletzung ist die Trennung des Kleinhirns in seine zwei Seitenh\u00e4lften. \u2014 Beizerscheinungen fehlen dabei; deutlich sind die Ausfalls-Symptome, als: verminderte Energie bei Ausf\u00fchrung der gew\u00f6hnlichen Willensakte (Asthenie), verminderte Muskelspannung w\u00e4hrend der Buhe (Atonie), Haltlosigkeit der Muskeln, daher Schwanken, Zittern u. s. w. (Astasie).\nDiese Vorg\u00e4nge treten auf jeder der beiden K\u00f6rperh\u00e4lften gleich-m\u00e4fsig auf, folglich sei das Kleinhirn in physiologischer wie in anatomischer Beziehung ein einheitliches Organ.\n2.\tNach Zerst\u00f6rung des Mittellappens treten in der ersten Woche die Beizerscheinungen in den Vordergrund, und zwar als Kontraktion der Nackenmuskeln und der Vorderextremit\u00e4ten, infolgedessen aktive St\u00f6rung der Ko ordina tion der willk\u00fcrlichen Bewegungen. Danach die Ausfallssymptome, besonders auf den hinteren Extremit\u00e4ten. Um das infolgedessen gest\u00f6rte Gleichgewicht wiederzugewinnen, macht das Tier ungew\u00f6hnliche Bewegungen (funktionelle Kompensation), die","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nL\u00fcteraturbericht.\nnach l\u00e4ngerem Bestehen so geringf\u00fcgig werden k\u00f6nnen, dafs dem weniger aufmerksamen Beobachter jede Anomalie entgeht, daher latent erscheint. \u2014 Folgerung: Mittel- uud Seitenlappen sind f\u00fcr die Funktion des Kleinhirns gleichwertig.\n3.\tUnvollst\u00e4ndige Zerst\u00f6rung einer H\u00e4lfte (der rechten, bei Erhaltung eines betr\u00e4chtlichen Teils der rechten Wurmh\u00e4lfte \u2014 und gleichzeitiger Amputation des Schenkelb\u00fcndels an der Basis bei 4 Hunden) und\n4.\tVollst\u00e4ndige Zerst\u00f6rung der einen Kleinhirnh\u00e4lfte lieferte das an besonderen Erscheinungen reichhaltigste Bild, \u00dfeizungs-erscheinungen waren Kr\u00fcmmung der Wirbels\u00e4ule nach der operierten Seite (bei durchschnittenem Schenkelb\u00fcndel), Streckung eines Vorderbeins (bei verschontem Schenkelb\u00fcndel), Rotation um die L\u00e4ngsaxe des K\u00f6rpers und Schielen nach der gesunden Seite (bei vollst\u00e4ndiger Amputation des Schenkelb\u00fcndels). \u2014 Ausfallsymptome besonders deutlich auf der operierten Seite. Bei der unvollst\u00e4ndigen Exstirpation deutliche Kompensation, bei der vollst\u00e4ndigen Abtragung nur gering.\nB. Nach Abtragung des Mittel- und eines Seitenlappens verhielten sich die Reizerscheinungen wie bei 3 und 4., nur dafs das Rotieren nach der gesunden Seite heftiger und anhaltender war. Die Ausfallsymptome betrafen vorzugsweise die operierte Seite und die hinteren Extremit\u00e4ten. Organische Kompensation machte sich kaum bemerklich.\n6. Unvollst\u00e4ndige und vollst\u00e4ndige Zerst\u00f6rung beider Kleinhirnh\u00e4lften unterschieden sich von der alleinigen Abtragung des Wurmes nur durch gr\u00f6fsere Heftigkeit und Ausdehnung der Reizerscheinungen. Das Rotieren fiel weg, weil beiderseits die Schenkelb\u00fcndel durchschnitten waren. Ausfallsymptome anhaltender als bei Exstirpation des Wurmes, aber auch reichhaltigere Kompensation, nat\u00fcrlich nicht organischer Art. Dafs die funktionelle Kompensation \u00fcberhaupt nur auf dem Einflufs der motorischen Bezirke des Grofshirns beruhe, weist Verfasser dadurch nach, dafs er\n7. mit der Zerst\u00f6rung des Kleinhirns die des Gyrus sigmoi-deus (dem Gyrus prae- und postcentralis beim Menschen entsprechend) verband. Die 4 Hunde mit fehlendem Kleinhirn, an denen jene Partie des Grofshirns abgetragen wurde, vermochten nicht wieder zu stehen, zu gehen oder zu schwimmen.\nDie darauf folgende Analyse klinischer F\u00e4lle, die grofsenteils auch in Nothnagels Topischer Diagnostik der Hirnkrankheiten erw\u00e4hnt sind, ergiebt die \u00c4hnlichkeit der betr. Zust\u00e4nde beim Menschen mit denen der operierten Tiere. Selbstverst\u00e4ndlich kommen f\u00fcr die ausschliefsliche Funktion des Kleinhirns nur die F\u00e4lle von mehr oder minder beschr\u00e4nkter Kleinhirnatrophie in Betracht, die der k\u00fcnstlichen Exstirpation analog sind. Die bisher unerkl\u00e4rliche Erscheinung von Symptom-losigkeit (Latenz) bei fast g\u00e4nzlichem Wegfall des Kleinhirns (durch Entwickelungshemmung im F\u00f6talleben) beruht auf der kompensatorischen Anpassung der \u00fcbrigen Hirnteile. \u00dcbrigens weist L. nach, dafs keines der Segmente des Kleinhirns, auch der Wurm nicht \u2014 von dem Nothnagel","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n343\nes annehmen zu m\u00fcssen glaubt \u2014 mit einer besonderen Wirksamkeit ausgestattet ist, sondern dafs sie s\u00e4mtlich einerlei Funktion besitzen. Und zwar besteht dieselbe in dem kontinuierlichen ruhigen, die Muskelkraft und Spannung, sowie die Bewegung der Muskelgruppen verst\u00e4rkenden Einfiufs im Zusammenhang mit dem \u00fcbrigen Centralsystem. Sein Ausfall bedingt nicht Paralyse gewisser Muskeln, wie das beim Grofshirn der Fall ist, sondern nur Schw\u00e4che. Eigent\u00fcmlich ist ihm, dafs es vorzugsweise in direkter, das Grofshirn aber in gekreuzter Beziehung zu jenen steht; eigent\u00fcmlich auch sein hervorragender Einfiufs auf die hinteren, resp. unteren Extremit\u00e4ten, bei dessen Wegfall das Gleichgewicht in der K\u00f6rperhaltung gest\u00f6rt wird, zu dessen Herstellung abnorm erscheinende Bewegungen erforderlich werden (der Gang des Trunkenen). Nebenher geht der trophische Einfiufs des Kleinhirns, der bei der Zerst\u00f6rung des letzteren in den Experimenten an Tieren durch Glykosurie und Acetonurie sich \u00e4ufsert.\nWie einfach auch diese neue Lehre Luciaxis erscheint, so haben doch die sehr komplicierten Verh\u00e4ltnisse, aus denen sie erwachsen ist, fr\u00fchere Forscher, denen nur ein fl\u00fcchtiges Material zu Gebote stand, zu einseitigen Auffassungen Veranlassung gegeben. Verfasser analysiert dieselben in einem eigenen Kapitel von seinem h\u00f6heren Standpunkt aus und zeichnet in meisterhaft klarer und scharfsinniger Weise die Geschichte der Physiologie des Kleinhirns von Rolando, Flourens und Magendie an bis in die neueste Zeit. Dafs der Entwickelungsgang derselben noch nicht v\u00f6llig abgeschlossen ist, erkennt er gleichwohl selbst an, indem er die Frage \u201eoffen\u201c l\u00e4fst, ob das Kleinhirn, gegen die noch geltende Meinung, wirklich ganz unempfindlich sei f\u00fcr \u00e4ufsere Eindr\u00fccke. Eine weitere Perspektive bietet sich ihm dar in der \u00c4hnlichkeit zwischen dem Kleinhirn und den Intervertebralganglien in Beziehung auf Degeneration der Nervenbahnen bei ihrer Verletzung, sowie dystrophischer Zust\u00e4nde auf der Cutis. \u2014\tFr\u00e4xkel (Dessau).\nA. Borghebini e G. Gallebani. S\u00fcll\u2019 attivit\u00e0 funzionale del Cervelletto.\nBiv. di freniatr. XVII. 3. (1891). S. 231\u2014262.\nIn einer fr\u00fchem Arbeit hat Borghebini seine Ansicht niedergelegt, dafs das Kleinhirn einen entschiedenen Einfiufs auf die willk\u00fcrlichen Ortsbewegungen, auf Gehen, Stehen, Laufen, Springen und auf die Bewegungen des Kopfes und Halses aus\u00fcbe. Experimente an 5 Hunden, die er l\u00e4ngere Zeit nach g\u00e4nzlicher oder teilweiser Abtragung des Kleinhirns am Leben erhielt (143, 58, 221, 104, 105 Tage), dienen ihm dazu, seine Anschauungen zu best\u00e4tigen und zu erweitern. Die Ergebnisse ihrer Experimente und Beobachtungen fassen die Verfasser in folgenden S\u00e4tzen zusammen.\nDas Kleinhirn ist ein f\u00fcr die Koordination der Willk\u00fcrakte notwendiges Organ. Jede tiefere Verletzung desselben bewirkt Ataxie. Das allm\u00e4hliche Verschwinden der letztem beruht auf den bei der Operation zur\u00fcckgebliebenen St\u00fccken (die fast nie ernstliche histologische Ver\u00e4nderungen zeigen sollen).\nOberfl\u00e4chliche Verletzung, die bei der Operation immer zuerst","page":343}],"identifier":"lit14884","issued":"1892","language":"de","pages":"341-343","startpages":"341","title":"Luciani: Il cervelletto, Nuovi studi di fisiologia normale e patologica. Firenze, Le Monnier Succ., 1891","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:56:19.384811+00:00"}