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{"created":"2022-01-31T16:53:40.629712+00:00","id":"lit14904","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schwarz, Otto","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 398-404","fulltext":[{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber die von Lipps und Cornelius besprochene Nachbilderseheinung.\nVon\nDr. Otto Schwarz,\nPrivatdocent f\u00fcr Augenheilkunde in Leipzig.\nIn Band I dieser Zeitschrift, S. 60 ff., bespricht Lipps eine Nachbilderscheinung, die in der Hauptsache darin besteht, dafs hei rascher Wegwendung des Blickes von einem sich vom Hintergr\u00fcnde stark abhebenden Gegenstand dieser einen rasch verschwindenden Streifen in entgegengesetzter Richtung auszusenden scheint. Lipps will diese im wesentlichen schon von Purkinje1 beobachtete Erscheinung durch die Annahme erkl\u00e4ren, dafs die Gr\u00f6fse des \u201cWinkels, um den sich bei der raschen Blickwendung das Gesichtsfeld im Raume verschiebt, und damit auch die von diesem Winkel abh\u00e4ngige L\u00e4nge des w\u00e4hrend der Blickbewegung entstehenden Nachbildstreifens \u00fcbersch\u00e4tzt werde, weshalb dieser \u00fcber den leuchtenden Gegenstand nach r\u00fcckw\u00e4rts hinauszuschiefsen scheine, um dann infolge der von der neuen Ruhelage der Blicklinie aus wieder richtig lokalisierten Wahrnehmung des Gegenstandes sich in diesen zur\u00fcckzuziehen.\nDie Richtigkeit dieser Erkl\u00e4rung wird von Cornelius2 bestritten. Letzterer ist der Ansicht, dafs beim Aufh\u00f6ren der Blickbewegung die Augen (oder der Kopf) eine kleine R\u00fcckw\u00e4rtsbewegung machen, durch die auch der ganze w\u00e4hrend der Bewegung entstandene normale Nachbildstreif eine kleine Ver-\n1\tBeob. u. Versuche g. Physiol, d. Sinne II, S. 55 ff.\n2\t8. diese Zeitschrift, Bd. II, S. 164 ff.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber die von Lipps u. Cornelius bespr. Nachbilderscheinung. 399\nSchiebung nach r\u00fcckw\u00e4rts erfahren und somit um ein kleines St\u00fcck \u00fcber den urspr\u00fcnglich fixierten Punkt zur\u00fcckschiefsen w\u00fcrde. W\u00e4hrend dieser E\u00fcckw\u00e4rtsbewegung w\u00fcrde ein kleiner Netzhautstreif in entgegengesetzter Eichtung noch einmal erregt, und dem Ablauf dieser Erregung w\u00fcrde die Aufl\u00f6sung des in Eede stehenden Nachbildstreifens von seinem peripheren Ende her \u2014 sein scheinbares Zur\u00fcckschiefsen in das leuchtende Objekt \u2014 entsprechen.\nBei Nachahmung der LiPPSschen Versuche glaubte ich erst die Erscheinung ebenso erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, wie es Cornelius versucht; diese Erkl\u00e4rung erscheint sehr nat\u00fcrlich. Eine genauere Pr\u00fcfung derselben ergab mir aber ihre Unhaltbarkeit. Die Arbeit von Cornelius veranlafste mich, dem Gegenstand wieder n\u00e4her zu treten und, da mir die Erkl\u00e4rung von Lipps trotz ihrer scharfsinnigen Begr\u00fcndung etwas gezwungen vorkam, eine befriedigende L\u00f6sung der Frage zu suchen.\nZun\u00e4chst erschien mir der \u201eregelwidrige Nachbildstreif\u201c \u2014 wie die Erscheinung im folgenden bezeichnet werden m\u00f6ge \u2014 meist viel zu grofs, um durch eine kleine E\u00fcckw\u00e4rtsbewegung der Blicklinie erkl\u00e4rt werden zu k\u00f6nnen. Allerdings hatte ich bei rascher Kopfdrehung immer deutlich das Gef\u00fchl, als ob beim Aufh\u00f6ren der Bewegung der Kopf eine kleine E\u00fcckw\u00e4rtsbewegung machen w\u00fcrde; das beweist aber nicht, dafs auch die Blicklinie eine solche macht. Da die Erscheinung in gleicher Weise zu st\u00e4nde kommt, wenn bei stillstehendem Kopf nur die Augen bewegt werden, so m\u00fcfste hier bei der verh\u00e4ltnism\u00e4sigen Gr\u00f6fse des \u201eregelwidrigen Nachbildstreifens\u201c die E\u00fcckw\u00e4rtsbewegung der Blicklinie immerhin so ausgiebig sein, dafs von einem andern Beobachter eine entsprechende Augenbewegung leicht bemerkt werden k\u00f6nnte. Ich stellte daher bei verschiedenen Personen entsprechende Versuche an, um eine solche \u201e\u00dcberschwingung\u201c der Blicklinie, wie ich es kurz nennen m\u00f6chte, nachzuweisen \u2014 damals noch in der Hoffnung, sie zu finden. Es gelang mir aber bei normalen Verh\u00e4ltnissen nie, eine solche \u201e\u00dcberschwingung\u201c nachzuweisen, wenn der Punkt, nach welchem die Blicklinie sich hinbewegen sollte, vor Beginn der Bewegung indirekt gesehen wurde. Eine solche, mit unbewaffnetem Auge deutlich erkennbare \u00dcberschwingung kommt, wie mir scheint, nur in pathologischen F\u00e4llen vor und ist als ein Zeichen von Ataxie anzusehen.\n26!","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nOtto Schwarz.\nAuch bei Blickbewegung mittelst (ausschliefslicher oder nur begleitender) Kopfdrehung scheint die Blicklinie nicht \u00fcber den neuen Fixierpunkt hinauszuschiefsen, sondern rechtzeitig durch entsprechende Innervation der Augenmuskeln gehemmt zu werden, wenn auch der Kopf sich noch etwas weiterbewegt. Folgender Versuch aber d\u00fcrfte, wenn andere Beobachter ihn best\u00e4tigen, schlagend die Unzul\u00e4ssigkeit der Erkl\u00e4rung von Cornelius beweisen : H\u00e4lt man beim Fixieren eines leuchtenden Punktes a etwas oberhalb der Blicklinie ein breites Lineal wagrecht; vor seinem Gesicht und wendet die Augen dann mittelst Kopfdrehung rasch nach einem \u00fcber dem Lineal weg sichtbaren Punkt b, so erscheint auch hierbei der \u201eregelwidrige Nachbild streif \u201c in voller Deutlichkeit, obwohl jetzt w\u00e4hrend des letzten Teils der Bewegung der Punkt a gar nicht mehr gesehen, sondern durch das Lineal verdeckt wurde. Bei verschiedenen Ab\u00e4nderungen dieses Versuchs war das Ergebnis dasselbe. (Am deutlichsten war mir die Erscheinung bei Verschlufs eines Auges und schiefer Blickbewegungsrichtung.) Nur wenn das Lineal so dicht \u00fcber der Blicklinie gehalten wurde, dafs \u2014 bei Vermeidung einer selbst\u00e4ndigen Augendrehung \u2014 \u00fcberhaupt kein Nachbildstreif zu st\u00e4nde kommen konnte, blieb auch der regelwidrige Nachbildstreif aus.\nW\u00e4hrend nun sonst der Nachbildstreif sich oft ununterbrochen bis zum Punkt b hin fortzusetzen, oder besser, von diesem aus zu entwickeln schien, \u2014 wie es auch Lipps beschrieb, \u2014 waren bei der eben angegebenen Versuchsanordnung gew\u00f6hnlich zwei durch einen dunklen Zwischenraum getrennte Nachbild streifen zu sehen, einmal der regelwidrige, ziemlich lichtstarke, und dann ein schw\u00e4cherer von ungef\u00e4hr gleicher oder etwas gr\u00f6fserer L\u00e4nge, der vom neuen Fixierpunkt b ausging und offenbar ein normales positives, in Bezug auf die neue Fixierpunktslage richtig lokalisiertes Nachbild darstellte. Dieser letztere Nachbildstreif gelangte bei mir nicht immer zur Wahrnehmung, doch regelm\u00e4fsig bei gen\u00fcgender Helligkeit von a und dunklem Hintergrund. Zuweilen schien er sogar fast bis zu dem Punkt a zur\u00fcckzureichen, es konnte manchmal der dunkle Zwischenraum zwischen den beiden Streifen nicht bestimmt beobachtet werden. In diesen F\u00e4llen war vermutlich eine Bewegung der Augen der des","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber die von Lipps u. Cornelius bespr. Naclibilderscheinung. 401\nKopfes vorausgeeilt, so dafs die Blicklinie schon beinahe oder ganz den neuen Fixierpunkt erreicht hatte, ehe der Punkt a durch die Kopfdrehung dem Blick entschwand. (Dafs dieser zweite Nachbildstreif etwa von dem Punkt b herr\u00fchren k\u00f6nnte, war dadurch ausgeschlossen, dafs er auch bei nur vorgestelltem Fixierpunkt b in gleicher Weise auftrat.)\nWas die Erkl\u00e4rung von Lipps durch \u00dcbersch\u00e4tzung der Sehfeldverschiebung1 betrifft, so w\u00e4re auch hierbei die Gr\u00f6fse des regelwidrigen Nachbildstreifens im Verh\u00e4ltnis zum ganzen Streifen auffallend grofs, denn sie betr\u00e4gt sicher oft mehr als ein Drittel des ganzen Streifens. Unerkl\u00e4rlich bliebe ferner, dafs der regelwidrige Streif wesentlich heller erscheint, als der ordnungsm\u00e4fsige, der Bahn zwischen a und b entsprechende Streif; letzterer kommt sogar oft \u2014 bei hellem Hintergrund \u2014 gar nicht zur Wahrnehmung, w\u00e4hrend ersterer ganz deutlich ist.\nSchon dieser Umstand legt es nahe, die beiden Teile des ganzen Nachbildstreifens als zwei verschieden lokalisierte Empfindungen einer und derselben Netzhauterregung aufzufassen. Darauf weist auch das Auftreten zweier voneinander getrennten Nachbildstreifen bei dem obigen Versuch mit Verdeckung des urspr\u00fcnglichen Fixierpunktes hin. Von verschiedenen Versuchen \u00e4hnlicher Art, die f\u00fcr diese Auffassung sprechen und mit der von Lipps, sowie der von Cornelius unvereinbar sind, m\u00f6ge wenigstens der folgende seiner Anschaulichkeit wegen mitgeteilt werden.\nWurde bei Verschlufs eines Auges mit dem anderen durch ein blaues Glas nach einer Flamme geblickt und das Glas so\n1 Die Voraussetzung, von welcher L. ausgeht, dafs n\u00e4mlich Bewegungsempfindungen des Auges und Kopfes mit der Einordnung der Gesichtseindr\u00fccke in das Sehfeld nichts zu thun h\u00e4tten, sondern nur den Mafsstab f\u00fcr die Verschiebungen unseres ganzen Sehfeldes und jedes Punktes desselben innerhalb des als ruhend gedachten Gesamtraums abgeben, mufs ich mit Cornelius f\u00fcr unrichtig ansehen. Auch kann man nicht, wie L. will, das Sehfeld als eine (subjektiv) bestimmte Abgrenzung des Gesamtraumes ansehen; wir sind uns der Grenze unseres Sehfeldes gar nicht bewufst, dasselbe scheint uns stetig in den unsichtbaren Teil des Gesamtraumes \u00fcberzugehen. Das beweist namentlich der Umstand, dafs oft grofse Gesichtsfeldbeschr\u00e4nkungen von den betr. Kranken gar nicht bemerkt werden; selbst beim Ausfall einer ganzen H\u00e4lfte des binokularen Gesichtsfelds sind sich Kranke, die wenig Beobachtungsgabe besitzen, zuweilen der Art ihrer Sehst\u00f6rung gar nicht bewufst. Vergl. \u00fcbrigens auch Aubert, Physiol, d. Netshaut, S. 260,","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nOtto Schwarz.\ngehalten, dafs bei rascher Kopfdrehung nach einem erst indirekt gesehenen Punkt hin die Flamme nur w\u00e4hrend eines Bruchteils dieser Drehung durch das Glas gesehen wurde, weiterhin aber neben diesem vorbei, so erschien der regelwidrige Nachbildstreif entweder ganz blau, oder in seinem Anfangsteil blau und an seinem peripheren Ende in der nat\u00fcrlichen Farbe der Flamme. Der letztere Fall trat ein, wenn das blaue Glas nur einen sehr kleinen Teil der Blickbahn verdeckte ; je mehr diese durch das Glas verdeckt wurde, desto k\u00fcrzer wurde das helle Ende des Streifens. Auch bei still gehaltenem Kopf war die Erscheinung dieselbe, nur mufste, um bei blofser Augenbewegung die Pupille ganz aus dem Schatten des blauen Glases zu bringen, die Pupille stark verengert werden (was durch Pilokarpineintr\u00e4uflung geschah). Der normale, entsprechend der Blickbahn lokalisierte Nachbildstreif liefs keine deutliche F\u00e4rbung erkennen, was sich durch seine geringe Helligkeit erkl\u00e4ren l\u00e4fst.\nDieser Versuch zeigt deutlich, dafs der regelwidrige Nachbildstreif nicht etwa, wie f\u00fcr die Auffassung von Lipps, sowie f\u00fcr die von Cornelius vorausgesetzt werden m\u00fcfste, dem peripheren Ende des auf der Netzhaut entstehenden Erregungsstreifens entspricht, sondern entweder diesem ganzen Erregungsstreifen, oder aber dessen Anfangsteil (von der Fovea aus gerechnet) in gr\u00f6fserer oder geringerer Ausdehnung.\nMan hat sich also wohl vorzustellen, dafs die Empfindung des bei der raschen Blickbewegung in der Netzhaut entstehenden Erregungsstreifens w\u00e4hrend der Dauer der Bewegung oder mindestens w\u00e4hrend eines gr\u00f6fseren Abschnitts derselben so lokalisiert wird, als ob die Blicklinie noch auf den urspr\u00fcnglichen Fixierpunkt eingestellt w\u00e4re. Wenn dann die neue Euhelage erreicht und die Erregung des Netzhautstreifens noch nicht ganz abgelaufen ist, so kommt diese noch einmal zur Empfindung, jetzt in Bezug auf die neue Lage der Blicklinie richtig lokalisiert. Bei genauer Aufmerksamkeit auf den zeitlichen Ablauf der beiden Nachbildstreifen sehe !ch auch in der Eegel den normalen Nachbildstreifen einen kleinen Augenblick sp\u00e4ter auftreten, als den regelwidrigen.\nDurch diese Auffassung wird allerdings nicht erkl\u00e4rt,","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber die von Lipps u. Cornelius bespr. Nachbilderscheinung. 403\nwarum der regelwidrige Nachbildstreif sick wieder in das leuchtende Objekt zur\u00fcckzuziehen scheint. Bei dem Versuch mit Verdeckung des leuchtenden Punktes a w\u00e4hrend des letzten Teils der Blickbewegung konnte ich indes dieses scheinbare Zur\u00fcckziehen nicht bemerken, der Streifen blafste hierbei immer pl\u00f6tzlich ab und glich in seinem Ablauf ganz dem zweiten, dem ordnungsm\u00e4fsigen, Nachbildstreifen. Es liefse sich daher denken, dafs das gew\u00f6hnlich beobachtete scheinbare Zur\u00fcck-schiefsen auf einer Urteilst\u00e4uschung beruht, indem der leuchtende Gegenstand beim Aufh\u00f6ren der Blickbewegung wieder stark zur Empfindung kommt und dadurch den Eindruck hervorruft, als ob der Streifen sich wieder in denselben zur\u00fcckziehe. Damit w\u00fcrde auch \u00fcbereinstimmen, dafs das Zur\u00fcck-schiefsen des Streifens im allgemeinen um so weniger deutlich erscheint, je gr\u00f6fser der Blickbewegungswinkel und damit der regelwidrige Nachbildstreif ist.\nWenn die gegebene Erkl\u00e4rung des regelwidrigen Nachbildstreifens richtig ist, so sollte man erwarten, dafs ein solcher auch bei rascher Wendung des Blicks nach einem leuchtenden Gegenstand hin auftreten m\u00fcfste. Unter gewissen Bedingungen ist das auch wirklich der Fall. Bei sehr rascher Blickwendung nach einem sehr kleinen hell leuchtenden Gegenstand vor gen\u00fcgend dunklem Hintergrund gelingt es mir in der Regel, einen solchen, hier also der Blickrichtung entgegenkommenden, kurzen Nachbildstreifen zu sehen, der sich sehr rasch in den leuchtenden Gegenstand zur\u00fcckzieht. Bei langsamerer Bewegung kommt dagegen nur der ordnungsm\u00e4fsige Nachbildstreifen zur Wahrnehmung, den auch Cornelius erw\u00e4hnt. Beide Streifen sind aber bei Blickbewegung nach einem leuchtenden Gegenstand hin im allgemeinen lichtschw\u00e4cher, als der regelwidrige Streifen bei Weg Wendung des Blicks. Man k\u00f6nnte sich immerhin vorstellen, dafs die durch den neuen Reiz des Netzhautcentrums bewirkte verh\u00e4ltnism\u00e4fsig starke Empfindung die schwachen, in die n\u00e4chste Umgebung des neuen Fixierpunktes projizierten Empfindungen rasch ausl\u00f6scht (\u00fcberblendet). Dies soll indes keine Erkl\u00e4rung sein, sondern nur ein Hinweis auf die M\u00f6glichkeit einer solchen.\nSollten weitere Beobachtungen die Richtigkeit der f\u00fcr die Erscheinung des regelwidrigen Nachbildstreifens gegebenen Erkl\u00e4rung best\u00e4tigen, so w\u00e4re jedenfalls der Umstand interessant,","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nOtto Schwarz.\ndafs, wenn eine w\u00e4hrend einer raschen Blickbewegung stattfindende Netzhauterregung zur Empfindung gelangt, die Lokalisation dieser Empfindung von dem Bewegungsbewufstsein an sich noch nicht unmittelbar beeinflufst wird, auch wenn das Ziel der Bewegung bekannt ist. Der \u201eOrtswechsel der Aufmerksamkeit\u201c (Hering)1 ist bei der Blickwendung nach einem bestimmten Punkt hin offenbar schon vollzogen, wenn der regelwidrige Nachbildstreif zur Wahrnehmung kommt. L\u00e4fst man auch mit Hering2 3 den psychophysischen Prozefs, durch den der Ortswechsel der Aufmerksamkeit bedingt ist, zugleich als das physische Moment gelten, welches die Innervation der Augenmuskeln ausl\u00f6st, so m\u00fcfste doch zwischen diesen psychophysischen Prozefs und die \u201e\u00c4nderung der absoluten, d. h. auf den wirklichen Baum bezogenen Baumwerte der Netzhaut\u201c (Hering) ein besonderer Vorgang eingeschoben sein, der der Innervations empfindung zu entsprechen h\u00e4tte, \u2014 wie von Wundt8 u. a. angenommen wird, \u2014 oder sie wenigstens in sich begreifen w\u00fcrde. Dieser Vorgang d\u00fcrfte ziemlich verwickelter Natur sein, da er erst nach Ablauf der Blickbewegung die Lokalisierung der Empfindung in Bezug auf die neue Lage der Blicklinie bewirkt, also so viel Zeit in Anspruch nimmt, wie die motorische Innervation, die centrifugale Leitung und die Muskelbewegung zusammengenommen. Vielleicht k\u00f6nnten messende Untersuchungen \u00fcber den zeitlichen Ablauf der Erscheinungen mittelst der Methoden der experimentellen Psychologie einigen Aufschlufs dar\u00fcber geben. Es ist \u00fcbrigens ratsam, so rasche Blickbewegungen, wie sie bei derartigen Versuchen erforderlich sind, nicht oft hintereinander auszuf\u00fchren. Kurzsichtigen mit ophthalmoskopisch nachweisbaren Dehnungserscheinungen im Augenhintergrund ist wegen Gefahr einer Netzhautabl\u00f6sung \u00fcberhaupt von solchen Versuchen abzuraten.\n1\tHermann, Handb. d. Physiol. Ill, 1, Physiol, d. Gesichtssinns, S. 534 f.\n2\tEbenda S. 547 f.\n3\tPhysiol. Psychologie, 2. Aufl. I, S. 375 ff., 3. Aufl. I, S. 400 fi'.","page":404}],"identifier":"lit14904","issued":"1892","language":"de","pages":"398-404","startpages":"398","title":"Bemerkungen \u00fcber die von Lipps und Cornelius besprochene Nachbilderscheinung","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:53:40.629718+00:00"}