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{"created":"2022-01-31T16:58:06.500205+00:00","id":"lit14908","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Edinger, L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 406-415","fulltext":[{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nLitteraturbericht.\ngem\u00e4fs kritischer und psychologischer Aufgaben nicht durchweg vorhanden ist\u201c (S. 327) und \u2014 h\u00e4tte H. hinzuf\u00fcgen k\u00f6nnen \u2014 die psychologische Beobachtung wenig entwickelt ist, so dafs er ein \u201eintellektuelles Gef\u00fchl\u201c f\u00fcr einen Widerspruch h\u00e4lt. (Kr. der pr. Vern. ed. Kehrb. S. 141).\nBesonders wichtig ist auch das Kapitel : \u201eZur Genesis der Kimschen Ethik\u201c (S. 305\u201426). Es wird darin bewiesen, dafs Kant bis 1770 mit Hutcheson das Sittliche nicht in der Erkenntnis, sondern in einem Gef\u00fchl findet, die \u201eInauguraldissertation\u201c aber von 1770 eine scharfe Wendung zur Gr\u00fcndung desselben auf \u201eintellectus purus\u201c macht, eine Wendung, die ihn zuletzt fast zur Ausschliefsung der Psychologie aus der Ethik f\u00fchrte (327/28).\nEin gutes Namen- und Sachregister erleichtert den Gebrauch des Werkes.\tP- Barth (Leipzig.)\nL. Edinger. Bericht \u00fcber die Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems im Laufe des Jahres 1890. Schmidts Jahrb\u00fccher. Bd. CCXXXII. (Selbstanzeige.)\nDas Jahr 1890 war f\u00fcr die Hirnanatomie ein ungew\u00f6hnlich fruchtbares. Der Jahresbericht verzeichnet nicht weniger als 144 Arbeiten. Die gr\u00f6fsten Fortschritte hat die Lehre vom feineren Aufbau der Elemente gemacht. Dank den Untersuchungen Golgis, Ramon t Cajals, K\u00f6llieers und anderer f\u00fcgt sich als neues Element in das Bekannte die Thatsache ein, dafs aus den Nervenfasern feine Kollateralzweige entspringen, dais diese, an vielen Stellen um Zellen der grauen Substanz sich ver\u00e4stelnd, so durch Kontakt die Verbindung ihrer Ursprungszelle mit einem weiteren Centrum hersteilen. Mit immer gr\u00f6fserer Sicherheit stellt es sich heraus, dafs jede Zelle des Centralnervensystems eine grofse Anzahl verzweigter Ausl\u00e4ufer besitzt, von denen einer, der Stammfortsatz oder Axencylinder, in bald l\u00e4ngerem, bald k\u00fcrzerem Verlaufe sich nach der Endst\u00e4tte be-giebt, wo er wieder in eine feine, meist pinself\u00f6rmige Verzweigung sich aufsplittert. Aus diesem Stammfortsatz kommen seitlich hie und da die Kollateralen. Die Verzweigungen des Axencylinders oder der Kollateralen legen sich entweder an eine neue Zelle bezw. an die Ausl\u00e4ufer einer solchen an, oder sie enden auch in der Peripherie, wie z. B. die Axencylinder der Vorderhornzellen in den Muskelfasern. Es giebt keinen direkten Zusammenhang zweier Zellen, nur ein Aneinanderlegen der Ausl\u00e4ufer. Die centralen Nervenzellen mit ihren Ausl\u00e4ufern sind selbst\u00e4ndige Individuen, sie verbinden sich nirgendwo mit anderen Zellen fest.\nSehr wahrscheinlich wird es auch, dafs mindestens in vielen sensorischen Bahnen Z\u00fcge verlaufen, die entgegengesetztem Wachstum entspringen. Eine Faser stammt aus der peripher liegenden Endzeile (z. B. Retinazelle, Riechzelle) und splittert sich im Centralorgan um die Ausl\u00e4ufer von dort liegenden Zellen auf, eine andere stammt aus dem Centralorgan, zieht in die Peripherie und verzweigt sich dort.\nWir sind nahe daran, endlich zu wissen, was l\u00e4ngst ein Postulat ist, wie n\u00e4mlich die Einschaltung von grauen Massen zwischen die Leitungen geschieht, wie sich de facto der Ursprung der Nervenfaser","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n407\ngestaltet, kurz wir n\u00e4hern uns rasch der lange gesuchten Erkenntnis vom feineren Zusammenh\u00e4nge der Nervengehilde in den Centralorganen.\nNach Nennung einer Anzahl von Gesamt-Darstellungen,1 3 nach Erw\u00e4hnung einer Arbeit von Gaskell* 2 3 4 5 \u00fcber Befunde im Gehirn, welche f\u00fcr die Abstammung der Vertebraten von einem krebs\u00e4hnlichen Ahnen sprechen, und einer reichen Litteratur \u00fcber technische Methoden wird zun\u00e4chst \u00fcber die Fortschritte in der Entwickelungsgeschichte und Histologie berichtet.\nRabl-R\u00fcckhard 5 hat die Hypothese aufgestellt, dafs die Ganglienzellen am\u00f6boid seien, dafs man viele Ph\u00e4nomene der Hirnth\u00e4tigkeit besser verstehe, wenn man ein unausgesetztes Spiel der Protoplasmaforts\u00e4tze, ein fortw\u00e4hrendes Kn\u00fcpfen und L\u00f6sen von feinen Verbindungen annehme.\nIn der That hat Wiedersheim6 7 am\u00f6boide Bewegungen an Zellen gesehen , welche im Gehirn eines kleinen S\u00fcfswasserkrebses (Leptodora hyalina) liegen. Es ist aber nicht sicher nachgewiesen, dafs es sich hier um Ganglienzellen handelt, und es ist nicht unm\u00f6glich, dafs parasit\u00e4re Wesen hier einmal ihren Sitz im Gehirn aufgeschlagen.\nRetzius 7 hat die einfachen Formverh\u00e4ltnisse bei Wirbellosen benutzt, um wichtige Fragen zur Kl\u00e4rung zu bringen. Er hat das lebende Nervengewebe von Krebsen mit Methylenblau gef\u00e4rbt und dabei ungew\u00f6hnlich klare Bilder erhalten. Auf diese RETziussche Arbeit, die mit prachtvollen Tafeln geschm\u00fcckt ist, soll auch wegen der reichen und genauen Litteratur-nachweise ausdr\u00fccklich hingewiesen werden. Bei den Krebsen entspringt vom Zellk\u00f6rper fast aller Ganglienzellen nur ein Fortsatz, welcher direkt in eine Nervenfaser \u00fcbergeht. Aus ihm entspringen aber zahlreiche Nebenforts\u00e4tze, welche sich zu den Ganglien zur\u00fcckbiegen und dort in mehr oder weniger reicher Verzweigung und mit knotigen, perlschnur\u00e4hnlichen \u00c4stchen frei enden. Zellanastomos en existieren nicht. Die feine Substanz zwischen den Ganglienzellen, die Punktsubstanz, besteht wesentlich aus diesen Nebenforts\u00e4tzen. Auch hier kommt zweifellos die Verbindung von zwei Zellen nur durch Kontakt zu st\u00e4nde. In dem RETZiusschen Werk werden die einzelnen Thorakalganglien der Krebse auf das genaueste nach ihrem ganzen Bau anatomisch geschildert, und\n, 1 F\u00e9b\u00e9, Ch. Trait\u00e9 \u00e9l\u00e9mentaire de l'-Anat. m\u00e9dicale du syst\u00e8me nerveux. 2. Edition avec 242 fig. dans le texte. Paris 1890. Lecrosnier et Bab\u00e9.\n2\tEdinger, L. Twelve lectures on the structure of the central nervous system. 2. Edition, translated by Willis Hall Vittum, edited by C. Eugen Riggs. Philadelphia 1890. F. A. Davis.\n3\tObersteiner, Heinrich. The anatomy of the central nervous organ in health and disease. Translated with annotations and additions by Alex. Hill. London 1890. Charles Griffier & Co.\n4\tGaskell. On the origin of vertebrates from a crustacean-life acestor. Quart. Journ. of mikr. science. Aug. 1890.\n5\tRabl-R\u00fcckhard. Sind die Ganglienzellen am\u00f6boid? Eine Hypothese zur Mechanik psychischer Vorg\u00e4nge. Neurolog. Centralblatt. IX. 7. 1890.\n6\tWiedersheim, Bewegungserscheinungen im Gehirn von Leptodora hyalina. Anatom. Anzeiger. V. 23. 1890.\n7\tRetzius, Gustav. Zur Kenntnis des Nervensystems der Crustaceen. Mit 14 Tafeln. Leipzig 1890. F. C. W. Vogel.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nLitteraturbericht.\nes wird-\u00fcber gleiche Untersuchungen berichtet, welche sich auf das periphere und centrale Nervensystem einiger W\u00fcrmer, sowie eines Cyklo-stomen erstrecken. Die Arbeit ist nicht nur durch den Reichtum von Fakten, die sie neu bringt, wichtig, sondern auch dadurch, dafs ihre Ergebnisse an lebendem Material gewonnen sind.\nHis,1 2 der in der anatomischen Sektion des internationalen medizinischen Kongresses ein zusammenfassendes Referat \u00fcber Histogen\u00e8se und Zusammenhang der Nervenelemente erstattet hat, berichtet darin \u00fcber entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen, deren im vorigen Bericht bereits gedacht ist. Er ist aber vielfach weiter gekommen. Die jungen Ganglienzellen sind beweglich und wandern, ja sie wandern in die Peripherie, und aus solchen ausgewanderten Zellen bilden sich erheblich sp\u00e4ter als die spinalen die sympathischen Ganglien. In allen Sinnesorganen lassen sich die Epithelzellen von Keimzellen scheiden, gerade wie im Gehirn. In betreff des Zusammenhangs der Nervenelemente steht His auch auf dem Standpunkt, dafs in der grauen Substanz keine Nervennetze Vorkommen, dafs die Zellen und ihre Ausl\u00e4ufer nie ana-stomosieren. Aus entwickelungsgeschichtlichen Gr\u00fcnden kann man die Nervenkerne unterscheiden in Ursprungskerne, Kerne, aus deren Zellen Fasern hinauswachsen, motorischer Typus, und in Endkerne, Kerne, um deren Zellen sich eine von der Peripherie kommende Faser aufzweigt, sensibler Typus. In gleicher Weise haben sich schon fr\u00fcher His selbst, Referent und neuerdings auch K\u00f6lliker ausgesprochen.\nEndlich ist es auch gelungen, eine F\u00e4rbemethode zu finden, welche nur das St\u00fctzgewebe zwischen den Nervenfasern f\u00e4rbt, w\u00e4hrend alles \u00fcbrige Nervengewebe fast ungef\u00e4rbt bleibt. Wir erfahren durch Weigert,* dem wir diese Methode verdanken, zum ersten Male Sicheres \u00fcber die AusbreitungderNeuroglia. DieNeuroglia besteht aus einem aufserordentlich feinen Faserwerk, die Zellen liegen diesen Fasern nur an, ganz ebenso wie die Bindegewebezellen den Bindegewebefasern. In die peripheren Nerven setzt sich die Glia nur eine ganz kurze Strecke weit fort. Die neue F\u00e4rbung hat einen ganz \u00fcberraschenden Reichtum von St\u00fctzgewebefasern kennen gelehrt, welche trotz aller anscheinenden Unregelm\u00e4fsig-keiten f\u00fcr jede Stelle des Centralnervensystems einen entsprechenden, immer feststehenden Typus aufweisen. Alle Oberfl\u00e4chen sind mit einem dichten Netz von Gliafasern \u00fcberzogen, sehr reich ist auch die graue Substanz, ebenso die Olive und die Kerne der Oblongata, am \u00e4rmsten im R\u00fcckenmark ist die Substantia gelatinosa Rolandi. Die Verteilung der Glia in der Kleinhirnrinde l\u00e4fst es als wahrscheinlich erscheinen, dafs wir da vieles bisher als Nervenfasern aufgefafst haben, das zum St\u00fctzgewebe geh\u00f6rt.\nEine ganze Anzahl neuerer Arbeiten besch\u00e4ftigt sich mit der Anatomie des Vorderhirns. Turner3 hat eine ausgezeichnete \u00dcbersicht \u00fcber\n1\tHis, W. Histogen\u00e8se und Zusammenhang der Nervenelemente. Arch, f\u00fcr Anat. w. Physiol, (anat. Abt.). Suppl.-Bd. 1890.\n2\tWeigert, Carl. Bemerkungen \u00fcber das Neurogliager\u00fcst des menschlichen Centralnervensystems. Anat. Anzeiger. V. 19. 1890.\n3\tTurner, W. The convolutions of de brain. A study in comparative anatomy. Journ. of Anat. and Physiol. N. S. V. 1. p. 105. Okt. 1890.","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n409\ndas gegeben, was wir von der vergleichenden Anatomie der Windungen wissen. Dann sind Arbeiten von Schnopfhagen, 1 Flesch,2 Ziehen,3 Cunningham4 5 6 7\u20146 und anderen \u00fcber die Entstehung der Windungen und \u00fcber einzelne Furchen erschienen. Babl-E\u00fcckhard 7 hat im Edentatengehirn ein neues B\u00fcndel in der vorderen Kommissur entdeckt, das auch bei den \u00fcbrigen Wirbeltieren wahrscheinlich vorhanden ist. Jet.gersma8 und Blumenau9 beschreiben die Entwickelung des Balkens und den Einflufs, den diese auf die Gestaltung der Windungen aus\u00fcbt. Honegger10 verdankt man eine ausf\u00fchrliche vergleichende anatomische Studie \u00fcber den Fornix und die zu ihm in Beziehung gebrachten Gebilde im Gehirn des Menschen and der S\u00e4ugetiere.\nSehr wichtig sind die neuen Arbeiten \u00fcber den Ursprung und den Bau des Kiechapparats. K\u00f6lliker11 hat wie His (siehe vorigen Bericht) nachweisen k\u00f6nnen, dafs die Eiechnerven nicht aus dem Gehirn heraus, sondern umgekehrt von dem Epithel der Eiechplatte in den Bulbus olfac-torius hineinwachsen. Eamon t Cajal12 hat in \u00dcbereinstimmung damit die interessante Thatsache gefunden, dafs die Ausl\u00e4ufer der Eiechepithelien in der Nasenschleimhaut sich als Fila olfactoria durch die Siebplatte begeben, und dafs sich jede Faser im Bulbus olfactorius zu einem feinen Astwerk aufzweigt. In dieses Astwerk taucht ein zweites, viel dickeres ein; es stammt aus den langen Protoplasmaforts\u00e4tzen von Zellen des\n1\tSchnopfhagen, F. Die Entstehung der Windungen des Grofsliirns. Wien 1890. Franz Deuticke. 122 S. Mit 18 Abbildungen.\n2\tFlesch. Max. Die Bedeutung der sekund\u00e4ren Furchen f\u00fcr die Erkenntnis der Ursachen der Hirnfurchung. Anat. Anz. V. 16. 17. 1890.\n3\tZiehen, Th. Zur vergleichenden Anatomie der Hirnwindungen mit spezieller Ber\u00fccksichtigung der Gehirne von Ursus maritimus und Trichechus rosmarus. Anat. Anz. V. 24. 1890.\n4\tCunningham. The complete fissures of the human cerebrum and their significance in connection with the growth of the hemisphere and the appearance of the occipital lobe. Journ. of Anat. and Physiol. XXIV. p. 320. 1890.\n5\tCunningham. The fissure of Eolando. Journ. of Anat. and Physiol. XXV. p. 1. Okt. 1890.\n6\tCunningham. An adress on cerebral anatomy. Med. Press. No. 2675. p. 131. 1890.\n7\tKabl-K\u00fcckhard, H. Einiges \u00fcber das Gehirn der Edentata. Mit 1 Tafel. Arch, f\u00fcr mikrosk. Anat. XXXV. 2. p. 165. 1890.\n8\tJelgebsma, G. Het ontbreken van het corpus callosum in de her-senen, eene bijdrage tot de theorie van de vorming der windingen. Psych. Bl. VIII. p. 32. Dordrecht. Neurolog. Centn.-Bl. IX. 11. 1890.\n9\tBlumenau, L. Zur Entwickelung des Balkens. Abhandl. der physiolog. Ges. in Berlin. XVIII. Sitzung am 18. Juli 1890. Arch, f\u00fcr Anat. und Physiol, (physiol. Abt.). 5 u. 6. p. 586. 1890.\n10\tHonegger, Jacob. Vergleichend anatomische Untersuchungen \u00fcber den Fornix und die zu ihm in Beziehung gebrachten Gebilde im Gehirn des Menschen und der S\u00e4ugetiere. Becueil de Zoolog. Suisse. V. 2. p. 201. 1890 und separat.\n11\tK\u00f6lliker, A. \u00dcber die erste Entwickelung der Nervi olfactorii. W\u00fcrzburg 1890, Stahel. 8. 6 S.\n12\tEamon y Cajal. Origen y terminacion de las fibras nerviosas ol-factorias. Con 6 granados. Gaceta Sanitaria Municipial de 10 de Diciembre de 1890.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nLitteraturbericht.\nRiechlappens. Der Axencylinder dieser Zellen zieht weiter hirnw\u00e4rts. In der Vereinigung der beiden Aufzweigungen, die ein kugelf\u00f6rmiges K\u00f6rperchen, Glomerulus olfactorius, darstellt, ist ein sch\u00f6nes Paradigma daf\u00fcr gegeben, dafs im Centralnervensystem die Verbindung zwischen zwei Zellen dadurch hergestellt wird, dafs der Axencylinder der einen (hier Riechzelle) sich um die Protoplasmaausl\u00e4ufer einer anderen aufzweigt.\nEine Arbeit von P. Ramon t Cajal 1 besch\u00e4ftigt sich mit dem feineren Bau der Hirnrinde. Es handelt sich um eine vorl\u00e4ufige Mittheilung ; \u00fcber die Hauptarbeit soll im n\u00e4chsten Jahr berichtet werden.\nSehr viele F\u00f6rderung haben unsere Kenntnisse vom Bau des Sehnervenursprungs und des Mittelhirns \u00fcberhaupt erfahren. Ein grofses, reich mit Tafeln ausgeschm\u00fccktes Werk von Henschen8 giebt in musterhafter Weise und mit nachahmungswerter Genauigkeit die Krankengeschichten und namentlich die anatomischen Befunde bei einer Anzahl von Erkrankungen des Gehirnes wieder. Die genauen Schilderungen sekund\u00e4rer Degenerationen, besonders im Bereich der optischen Bahnen und Centren, geben dem klinisch wichtigen Werke auch f\u00fcr die Anatomie eine Bedeutung. Interessant ist, dafs auch diese neue gr\u00fcndliche Nachuntersuchung im wesentlichen uns die gleichen Verh\u00e4ltnisse kennen lehrt, welche wir bisher als richtig, allerdings auf Grund geringeren Materials, angenommen haben: Endigung des Tractus opticus wesentlich im Corpus genic, lateral., im Pulvinar und zum Teil vielleicht im vorderen H\u00fcgel; distinkte B\u00fcndel aus dem Hinterhauptlappen ziehen zu jedem einzelnen dieser Ganglien. (Sehstrahlung).\nDie Untersuchungen P. Ramon v Cajals,1 * 3 welche sich auf Vertreter aller Wirbeltierklassen erstrecken, haben nun gezeigt, dafs viele Sehnervenfasern frei durch Verzweigungen in den optischen Centren endigen. Sie stammen wahrscheinlich aus Zellen der Retina. Da, wo sie endigen, liegen andere Ganglienzellen. So empf\u00e4ngt die von Monakow (siehe vorigen Bericht) aufgestellte Hypothese, dafs der Sehnerv aus Fasern bestehe, die in Hirncentren entspringen und zur Retina ziehen, und aus solchen, welche im Auge ihren Ursprung haben; um in den Centren zu endigen, eine St\u00fctze durch rein histologische Forschungen. Es ist uns auch neuerdings aus der Entwickelungsgeschichte eine Angabe gekommen, welche mindestens einen Teil der MoNAKOwschen Ansicht gut st\u00fctzt. Nach neueren Untersuchungen von His4 entstammen n\u00e4mlich die zuerst gebildeten Optikusfasern den Neuro-blasten der Retinazellen und wachsen centralw\u00e4rts.\n1 Ramon t Cajal. Textura de las circonvoluciones cerebrales de los mamiferos inferiores. Con 2 granados en el texto. Gaceta Med. Catalana del 15 de Diciembre de 1890.\n8 Henschen, Salomon Eberhard. Klinische und anatomische Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Gehirns. Bd. I. Upsala. 1890. Almquist u. Wikseils. 215 S. mit 36 Tafeln und 3 Karten.\n8 Ramon t Cajal, P. Terminacion de nervo optico en los cuerpos geniculados y tuberculis cuadrigeminos. Gac. San. Municipal. Sept. 1890.\n4 His. W. Histogen\u00e8se und Zusammenhang der Nervenelemente. Arch, f\u00fcr Anat. u. Physiol. (anat. Abt.) Suppl.-Bd. 1890.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n411\nIn einer vorl\u00e4ufigen Mitteilung \u00fcber vergleichend anatomische Studien zur Kenntnis des Mittelhirns teilt der Referent1 2 mit, dafs alle Wirbeltiere eine Commissura posterior besitzen. Die Kommissur geh\u00f6rt zu den Fasersystemen, welche nicht nur \u00fcberall markhaltig sind, sondern auch sich fr\u00fcher als die anderen mit Mark umgeben. Das sind wahrscheinlich die \u00e4ltesten Fasersysteme des Vertebratengehirns. Im Mittelhirn aller Wirbeltiere entspringen immer zwei Fasersysteme, dorsal der Sehnerv und ventral die Fasern, der Schleife oder des tiefen Marks. Bei allen Wirbeltieren ist das tiefe Mark eines der ersten Fasersysteme, welches \u00fcberhaupt markhaltig wird. Es setzt sich teils gekreuzt, teils ungekreuzt in die Oblongata fort. Mehrere Ganglien des Mittelhirns werden in der Arbeit beschrieben. Zu \u00e4hnlichen Resultaten wie Referent ist Held* f\u00fcr die Fasersysterne des tiefen Markes gekommen, als er sie entwickelungsgeschichtlich untersuchte. Auch Held fand eine gekreuzte und eine ungekreuzte Fortsetzung kaudalw\u00e4rts. Wichtige Resultate \u00fcber die Faserung im Mittelhirn hat wieder die Verfolgung von Degenerationen ergehen. So konnte Monakow3 den Zusammenhang von Fasern aus dem Schl\u00e4fenlappen mit dem Corpus geniculatum internum, Zacher4 5 die Abkunft der einzelnen im Fufse vertretenen Fasersysteme aus verschiedenen Gebieten des Vorderhirns ermitteln.\nNach langer Pause ist auch endlich wieder eine Anzahl Arbeiten erschienen, welche sich mit dem Kleinhirn befassen. In seiner Faserung ist noch viel zu kl\u00e4ren. Aber die Kenntnis vom Aufbau der Rinde hat infolge neuerer Untersuchungen von K\u00f6lliker6 7 8 und S. Ramon v Cajal6 8 viele F\u00f6rderung erfahren. Wir wissen jetzt, dafs die PuRKiNJESchen Zellen einen Fortsatz peripherw\u00e4rts schicken, aus dem sich einzelne Kollateralen abzweigen, wir wissen, dafs Fasern in das Kleinhirn eintreten, welche sich um die Protoplasmaausl\u00e4ufer jener Zellen aufsplittern, sie umfassen, wir haben erfahren, dafs in der Molekularschicht des Kleinhirns vielgestaltete Zellen liegen, aus deren Axencylinder Fasern entspringen, die im B\u00fcschel\n1\tEdinger, L. \u00dcber einige Fasersysteme des Mittelhirns. Arch, f\u00fcr Psychiatrie XXII. 1890. Vgl. Neurolog. Centr.-Bl. IX. 13.\n2\tHeld, H. Der Ursprung des tiefen Markes der Vierh\u00fcgelregion. Neurolog. Centr.-Bl. IX. 16. 1890.\n3\tv. Monakow. \u00dcber fr\u00fch erworbene Gehirndefekte. Corr.-Bl. f\u00fcr Schweizer \u00c4rzte XX. 7. p. 211. 1890.\n4\tZacher. \u00dcber die Fasersysteme des Pes jiedunculi, sowie \u00fcber die kortikalen Beziehungen des Corpus genicul. intern. Arch, f\u00fcr Psychiatrie XXII. 3. p. 654. 1891.\n5\tK\u00f6lliker, A. von. Zur feineren Anatomie des centralen Nervensystems. 1. Beitrag. Das Kleinhirn. Mit 4 Tafeln. Zeitschr. f\u00fcr wissensch. Zool. XLIX. 4. p. 663. 1890.\n0 Ramon y Cajal, S. A propos de certains \u00e9l\u00e9ments bipolairs du cervelet avec quelques d\u00e9tails nouveaux sur l\u2019\u00e9volution des fibres c\u00e9r\u00e9belleuses. Intern. Mon.-Schr. f\u00fcr Anat. u. Physiol. VII. 11. 1890.\n7\tDerselbe. Sobre ciertos elementos bipolares del cerebelo joven. etc. Extr. d. 1. Gac. Sanitaria (10. Febr. 1890). Barcelona 1890. 20 pp.\n8\tDerselbe. Sur les fibres nerveuses da la couche granuleuse du cervelet et sur l\u2019\u00e9volution des \u00e9l\u00e9mentes c\u00e9r\u00e9belleux. Avec 1 planche. Intern. Mon.-Sch. f\u00fcr Anat. VII. 1. p. 12. 1890.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nhitter aturberichi.\ndie PuRKiNJEschen Zellen umgeben. Solche Zellen sind wohl geeignet, die Verbindung zweier Zellen untereinander zu vermitteln, w\u00e4hrend die umschlingenden Fasern, welche vorher genannt wurden, die Verbindung der PuRKiNJEschen Zelle mit einer irgendwo anders als in der Kleinhirnrinde liegenden Zelle vermitteln. Dazu k\u00e4me noch der Axencylinder aus der Zelle selbst, welcher nach der Peripherie hinzieht. Was wir fr\u00fcher K\u00f6rnerschicht des Kleinhirns genannt haben, ist zusammengesetzt aus sehr verschiedenartigen Gebilden. Aus der Mehrzahl erheben sich die Axencylinder in der Molekularschicht, wro sie sich teilen. Die Protoplasmaausl\u00e4ufer sind sp\u00e4rlich. Bei einigen verzweigt sich der Axencylinder zu einem unendlich feinen Flechtwerk. Es mufs aber gerade f\u00fcr] die Kleinhirnrinde auf den Bericht selbst eindringlich verwiesen werden. Anastomosen unter zwei Zellen kommen auch dort nicht vor.\nAuch \u00fcber die Oblongata, namentlich \u00fcber ihre Entwickelung und \u00fcber die Urspr\u00fcnge einzelner Hirnnerven, liegt Wichtiges vor. Speziell haben wir von His1 eine Arbeit empfangen, welche sich mit der Entwickelung des Bautenhirns besch\u00e4ftigt. Der Schl\u00fcssel zum Verst\u00e4ndnis seiner Entwickelung liegt in dem Prinzip enthalten, dafs die Nervenzellen und die Nervenb\u00fcndel von bestimmten Ausgangspunkten und Seiten sich ausbreiten. Die zuerst vorhandenen Komplexe werden von sp\u00e4ter kommenden \u00fcberlagert oder durchwachsen. Die innersten Gebilde sind also die, welche in der Oblongata zuerst vorhanden waren. Viele Teile des verl\u00e4ngerten Markes empfangen durch die Hissche Arbeit interessante Beleuchtung.\nEine Anzahl Untersuchungen besch\u00e4ftigen sich wieder mit den Hirn-nervenkernen. Flechsig2 und Baginsky3 berichten \u00fcber entwickelungsgeschichtliche resp. operative Untersuchungen \u00fcber den Ursprung des H\u00f6rnerven. Mingazzini4 hat den Abducenskern und den Hypoglossuskern\u201c neu untersucht, Schaffer6 hat ebenfalls dem letzteren Kern an Kaninchen, bei denen der Nerv fr\u00fch ausgerissen war, seine Studien gewidmet. Im allgemeinen best\u00e4tigen diese mit allen Mitteln der neueren Technik vorgenommenen Untersuchungen unsere \u00e4lteren Anschauungen. Das gilt auch von Untersuchungen von Koch,7 welche sich mit dem 9., 10. und\n1\tHis, Wilhelm. Die Entwickelung des menschlichen Bautenhirns vom Ende des 1. bis zum Beginn des 3. Monats. I. Verl\u00e4ngertes Mark. XVII. Bd. der Abhandlungen der mathemat.-phys. Klasse d. Tc. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. No. I mit 4 Taf. u. 18 Holzschnitten. Leipzig 1890. S. Hirzel. 74 S.\n2\tFlechsig, Paul. Weitere Mitteilungen \u00fcber die Beziehungen des unteren Vierh\u00fcgels zum H\u00f6rnerven. Neurolog. Centr.-Bl. IX. 4. 1890.\n3\tBaginsky, Benno. \u00dcber den Ursprung und den centralen Verlauf des N. acusticus des Kaninchens und der Katze. Virchows Arch. OXIX.\nI.\tp. 81. 1890.\n4\tMingazzini, G. Intorno all\u2019 origine reale del nervus abducens ed ai suoi rapporti con il nervo facialis nell\u2019 uomo. Gaz. med. di Borna XVI. p. 49. 1890.\n6 Derselbe, Intorno alle origini del N. hypoglossus. Ann. di Fren.\nII.\t4. 1890.\n6\tSchaffer, Otto. \u00dcber die Ursprungsverh\u00e4ltnisse des Nervus hypoglossus. Inaug.-Diss. Erlangen. 1889. 8. 18 S.\n7\tKoch, P. D. Nogle Bem\u00e4rkninger om Udspringet af 9, 10, og 11 Hy\u00e4rnenerve. Nord. med. arlc. XXII. 11. 1889.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Jjitteraturbericht.\n413\n11. Gehirnnerven besch\u00e4ftigen, nur ist auffallend, dafs Koch den vorderen Vaguskern nicht als zum Nerv geh\u00f6rig anerkennen will. Den Glossopha-ryngeus leitet er fast ganz aus dem solit\u00e4ren B\u00fcndel ab. Schliefslich sei noch auf zwei Arbeiten hingewiesen, welche sich mit den langen Bahnen besch\u00e4ftigen. Bechterew 1\t2 schildert die Ungleichheiten, welche\nbei verschiedenen Kindern in der Ausdehnung und Lage der Pyramidenbahnen Vorkommen, und die gleichen Verh\u00e4ltnisse bei verschiedenen Tieren. Er schliefst sich Spitzka an, welcher glaubt, dafs die Entwickelung der Pyramidenbahnen mehr oder weniger abh\u00e4ngig sei von der Ausbildung der Extremit\u00e4ten f\u00fcr feinere Bewegungen. Flechsig1 2 * 4 5 6 7 8 ist an einem porencephalischen Defekt der Nachweis gelungen, dafs die Fasern der Bindenschleife ohne Unterbrechung aus dem Vorderhirn bis zu den Kernen des gekreuzten Hinterstranges gelangen. Flechsig vermutet aber, dafs in diesen Kernen auch Fasern entspringen, welche aufsteigend, also hirn-w\u00e4rts entarten. Nach des Beferenten Ansicht endigt dieser Anteil der Schleife in den Vierh\u00fcgeln. Daf\u00fcr sprechen entwickelungsgeschichtliche Erfahrungen und Besultate neuerer Experimente.\nNoch in keinem Berichtsjahre haben wir \u00fcber das B\u00fcckenmark so viel Neues und Wichtiges erfahren, wie in dem jetzigen. Die Golgi-CAJALsche Methode, die auf die WEiGERTSche F\u00e4rbung gegr\u00fcndete, von Gaule exakt durchgebildete Faserz\u00e4hlung, die Verbesserung des Degenerationsverfahrens durch Marchi, sie alle haben gl\u00e4nzende Besultate ergeben. \u00dcber die wichtigen Arbeiten von Bamon t CajalV und von K\u00f6lliker6\u20148, die erst im Berichtsjahre erschienen sind, ist schon vor einem Jahre an dieser Stelle referiert worden. Die Anschauungen, zu welchen diese Autoren gekommen sind, bereiten vielfach eine Umw\u00e4lzung vor. Das Wichtigste ist der Nachweis von Kollateralen, welche von den\n1\tBechterew', W. \u00fcber die relative Ausbildung und verschiedene Lage der Pyramidenstr\u00e4nge beim Menschen und bei den Tieren und \u00fcber das Vorhandensein in diesen Str\u00e4ngen von Fasern, die sich durch ihre fr\u00fchere Entwickelung auszeichnen. Med. Abosr. Moskwa 1890. No. 13\u201414. (Bussisch.)\n2\tDerselbe. \u00dcber die verschiedenen Lagen und Dimensionen der Pyramidenbahnen beim Menschen und den Tieren und das Vorkommen von Fasern in denselben, welche sich durch eine fr\u00fchere Entwickelung auszeichnen. Neurolog. Centr.-Bl. IX. 24. 1890.\n8 Flechsig, P., und 0. H\u00f6sel. Die Centralwindungen ein Centralorgan der Hinterstr\u00e4nge. Neurolog. Centr.-Bl. IX. 14. 1890.\n4\tBamon t Cajal, S. Sobre la existencia de terminaciones nerviosas peri-celulares en los ganglios nerviosas raqaidianos. Sonderabdr. ohne Angabe des Druckortes, datiert 20. Dez. 1890.\n5\tDerselbe. Nuevas observaciones sobre la estructura de la m\u00e9dula espinal de los mamiferos. Trabajos del Laboratorio Anatomico de la Facultad de Medecina. April 1890.\n6\tK\u00f6lliker, A. v. \u00dcber den feineren Bau des B\u00fcckenmarks. (Vorl\u00e4ufige Mitteilung.) Sitz.-Ber. d. W\u00fcrzb. phys.-med. Ges. M\u00e4rz 8. 1890.\n7\tDerselbe. \u00dcber den feineren Bau des B\u00fcckenmarks menschlicher Embryonen. Sitz.-Ber. d. phys.-med. Ges. Juli 12. 1890.\n8\tDerselbe. Zur feineren Anatomie des centralen Nervensystems. 2. Beitrag. Das B\u00fcckenmark. Mit Tafeln I\u2014VI. Zeitschr. f. wissenseh. Zool. LI. p. 1.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie III.\n27","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nl\u00c4tteraturbericht.\nFasern aller Str\u00e4nge abgehen und in die graue Substanz eintreten, der Nachweis, dafs alle Hinterwurzelfasern sich teilen, zum Teil in den Hinterstr\u00e4ngen aufsteigen, zum Teil in die graue Substanz eintreten, wo sie um dort liegende Zellen herum sich aufsplittern, sowie endlich der Nachweis von sogenannten Strangzellen, deren Axencylinder in die weifse Substanz eintritt, wo er sich in einen auf- und einen abw\u00e4rtsgehenden Ast teilt. Durch diese Zellen ist die M\u00f6glichkeit gegeben, dafs verschiedene H\u00f6hen der grauen Substanz funktionell untereinander verbunden werden. Die Zusammensetzung der Kommissuren und der grauen Substanz, der Ursprung und Verlauf der Wurzelfasern, all das ist durch die genannten Autoren gef\u00f6rdert worden. Die Kollateralen der Str\u00e4nge sind \u00fcbrigens schon von Golgi1 * entdeckt worden. Singer und M\u00fcnzer3 haben Durchschneidungen einzelner Str\u00e4nge und Wurzeln vorgenommen und schliefsen aus den eintretenden Degenerationen, dafs die Hinterstr\u00e4nge sich wesentlich aus eintretenden Wurzelfasern aufbauen, dafs ein Teil der Hinterwurzeln in die Vorderh\u00f6rner zieht, und dafs ein anderer in die graue Substanz eintritt. Ein Teil der in den Hinterstr\u00e4ngen aufsteigenden Fasern endigt in den Hinterstrangkernen der Oblongata.\nGaule3 hat aufserordentlich sorgf\u00e4ltige Z\u00e4hlungen der Nervenfasern im Froschr\u00fcckenmark vorgenommen. Nach seiner Ansicht d\u00fcrfen wir immer erwarten, dafs in dem Organismus einer bestimmten Anzahl Ganglienzellen durch feste Gesetze bestimmte Zahlen der Nerven, der Muskelfasern, der Blutzellen u! s. w. gegen\u00fcberstehen. Dieses f\u00fcr die Gattung und Art charakteristische Verh\u00e4ltnis beruht auf der Natur der im Keim erhaltenen Stoffe. Gaule hat nun eine Anzahl S\u00e4tze aus seinen Zahlen deduzieren k\u00f6nnen, welche f\u00fcr das Verh\u00e4ltnis von Ganglienzelle zur Nervenfaser gelten \u2014 z. B. den Satz, dafs zu den langen Bahnen das centrale Ende jeder Wurzelfaser je eine gleichseitige und eine gekreuzte Verbindung abordnet; den Satz, dafs jede Faser der weifsen Substanz dem centralen Ende einer Wurzelfaser irgendwie funktionell zugeordnet ist, und andere. Wie viel Wurzelfasern in einer Wurzel vorhanden sind, war ihm bekannt. Wenn er nun unter Zugrundelegung dieser Zahl auf Grund seiner S\u00e4tze die Zahl der Fasern auf dem Querschnitt der betreffenden H\u00f6he berechnete, so erhielt er Zahlen, welche von denen wirklich gez\u00e4hlter Querschnitte nur wenig abwichen. Hierin liegt ein Beweis f\u00fcr die Wichtigkeit und Bichtigkeit der von Gaule eingeschlagenen Methode. Die Hypothese wird durch die Z\u00e4hlung so genau best\u00e4tigt, dafs Gaule nicht mehr zweifelt, hier das Gesetz gefunden zu haben, welches die Zahlenbeziehungen zwischen den Fasern der peripheren\n1 Golgi, Camillo. \u00dcber den feineren Bau des R\u00fcckenmarkes. Anatom.\nAnzeiger V. 13 und 14. 1890.\n3 Singer und M\u00fcnzer. Beitrag zur Anatomie des Centralnervensystems, insbesondere des R\u00fcckenmarkes. Abh. d. mathem.-naturw. Kl. d. k. k. Akademie d. Wiss. Wien 1890. Mit 3 Taf.\n3 Gaule, J. Zahl und Verteilung der markhaltigen Fasern im Froschr\u00fcckenmark. Mit 9 Taf. Abh. d mathem.-phys. Klasse d. kgl. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XV. 9. p. 739.\t1889. Auch einzeln : Leipzig 1889. Hirzel. Kl. 4\u00b0.\n44. S. mit 10 Tafeln.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n415\nNerven und denen des R\u00fcckenmarkes reguliert. Referent1 hat seine im vorigen Bericht erw\u00e4hnten Arbeiten \u00fcber den Verlauf der Gef\u00fchlsfasern nochmals zusammenh\u00e4ngend dargestellt. Flechsig2 hat entwickelungsgeschichtliche Studien \u00fcber die Zusammensetzung der Hinterstr\u00e4nge ver\u00f6ffentlicht. Auch er hat gefunden, dafs einige Hinterwurzelfasern direkt in das Vorderhorn hineinziehen. Diese wichtige Thatsache, welche uns m\u00f6glicherweise den Reflexbogen kennen lehrt, ist eben im Berichtsjahre von vier verschiedenen Forschern unabh\u00e4ngig voneinander gefunden worden.\nSchliefslich sind noch Arbeiten von Auerbach3.4 \u00fcber aufsteigende Entartung nach R\u00fcckenmarksdurchschneidung kurz zu erw\u00e4hnen.\nEs soll noch am Schlufs dieses Berichtes auf einen Aufsatz von Waldeyer5 hingewiesen werden, welcher allerdings nach dem Berichtsjahr erschienen ist. Es ist derselbe aber besonders denjenigen zu empfehlen, welche sich orientieren wollen \u00fcber den augenblicklichen Stand unserer Kenntnisse vom feineren Zusammenhang der Teile im Centralnervensystem, so wie er sich durch die oben citierten Arbeiten gestaltet.\nE. Jourdan. Die Sinne und Sinnesorgane der niederen Tiere. Aus dem\nFranz\u00f6sischen \u00fcbersetzt von W. Marshall. Leipzig, 1891. J. J.\nWeber. VIII und 330 S. mit 48 Textillustrationen.\nDas vorliegende Werkchen bildet den dritten Band von \u201eWebers naturwissenschaftlicher Bibliothek\u201c, von der nach der Ank\u00fcndigung des Verlegers jeder einzelne Band ein in sich geschlossenes Gebiet in klarer, leicht fafslicher Form, aber doch unter Wahrung des wissenschaftlichen Standpunktes behandeln soll. Es ist dieses Ziel von dem Verfasser im wesentlichen hier erreicht worden, doch glauben wir, dafs eine Vermehrung der Abbildungen noch ungemein viel zur Verst\u00e4ndlichkeit des Gebotenen beigetragen h\u00e4tte. Man darf eben nie vergessen, dafs die Kenntnis \u00fcber den feineren Bau der wirbellosen Tiere (diese versteht der Verfasser unter den niederen Tieren) auch in denjenigen Kreisen sehr wenig verbreitet ist, welche sich f\u00fcr die Lehre von den Sinnesempfindungen, besonders wenn sie so vortrefflich und klar vorgetragen wird, wie es hier der Fall ist, lebhaft interessieren.\nDas Buch zerf\u00e4llt in 7 Hauptst\u00fccke, von denen die beiden ersten allgemeinen Betrachtungen gewidmet sind, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen sich mit je einem Sinne besch\u00e4ftigen. In jedem dieser letzten f\u00fcnf Hauptst\u00fccke\n1\tEdinger, L. Einiges vom Verlauf der Gef\u00fchlsbahnen im centralen Nervensystem. Deutsche me'l. Wochenschr. XVI. 20. 1890.\n2\tFlechsig, P. Ist die Tabes dorsalis eine Systemerkrankung? Neurolog. Centr.-Bl. IX. 2. 3. 1890.\n3\tAuerbach, L. Zur Anatomie der aufsteigend degenerierenden Systeme des R\u00fcckenmarks. Anatom. Anzeiger. V. 7. 1890.\n4\tDerselbe. Zur Anatomie der Vorderseitenstrangreste. Virchows Arch. CXXI. 2. p. 199. 1890.\n5\tWaldeyer, W. \u00dcber einige neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems. Leipzig, G. Thieme. Sep.-Abdr. a. d. D. med. Wochenschrift. 1891. No. 44 ff.\n27*","page":415}],"identifier":"lit14908","issued":"1892","language":"de","pages":"406-415","startpages":"406","title":"Bericht \u00fcber die Leistungen auf dem Gebiet der Anatomie des Centralnervensystems im Laufe der Jahre 1890, Selbstanzeige. Schmidts Jahrb\u00fccher, Bd. CCXXXII","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:58:06.500210+00:00"}