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{"created":"2022-01-31T16:58:21.967313+00:00","id":"lit14924","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 420-422","fulltext":[{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nLitteraturbericht.\nBourdon. Les r\u00e9sultats des th\u00e9ories contemporaines sur l\u2019association des id\u00e9es. Revue philosophique. Bd. 31, 6 (Juni 1891) S. 561\u2014610.\nDer Verfasser kritisiert zun\u00e4chst die Ansichten von James Mill, Spencer, Bain, Mervoyer, Wundt, M. Paulhan nnd William James \u00dcber den vorliegenden Gegenstand. Er wirft ihnen vor, dafs sie immer nur von Assoziation von Vorstellungen sprechen, nicht aber von Assoziationen von Empfindungen, Wahrnehmungen und Objekten, dafs sie ferner immer nur die \u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Zeit ins Auge fassen, nicht aber die \u00c4hnlichkeit in Bezug auf den Raum. Auch sei in vorliegendem Falle die scharfe Unterscheidung von Vorstellung, Empfindung und Objekt nicht zu billigen. Im Gegensatz zu den erw\u00e4hnten Psychologen will Bourdon Assoziationsgesetze aufstellen nicht nur f\u00fcr die Vorstellungen, sondern auch f\u00fcr die Empfindungen und Objekte. Er nennt sie Gesetze von der Gesellschaft der Erscheinungen (lois de la soci\u00e9t\u00e9 des ph\u00e9no m\u00e8nes), richtiger h\u00e4tte er sie nennen sollen lois des soci\u00e9t\u00e9s des ph\u00e9nom\u00e8nes). Die Idee der Gesellschaft f\u00e4llt bei ihm zusammen mit der Idee der \u00c4hnlichkeit. Unter den verschiedenen Arten von \u00c4hnlichkeiten, welche das Entstehen einer Gesellschaft von Erscheinungen zur Folge haben k\u00f6nnen, nennt er die \u00c4hnlichkeiten in Bezug auf :\n' Intensit\u00e4t\tTT\nVergn\u00fcgen .\nQuantit\u00e4t\nAusdehnung ; Dauer\nQualit\u00e4t ; Affektivit\u00e4t\nSchmerz\nStellung i\t; Zahl ; Anordnung.\n' im Raume\nZwischen einzelnen Arten von \u00c4hnlichkeiten bestehen Wechselwirkungen, n\u00e4mlich :\n1.\tDie \u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Intensit\u00e4t f\u00e4llt im allgemeinen zusammen mit der \u00c4hnlichkeit in Bezug auf Ausdehnung und Dauer. So z. B. besitzen gr\u00f6fsere Buchstaben und lange Silben gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t als kleine Buchstaben und kurze Silben.\n2.\t\u00c4hnlichkeit in Bezug auf Intensit\u00e4t begleitet im allgemeinen \u00c4hnlichkeit in Bezug auf Zeit und Raum. So m\u00fcssen z. B. zwei gleich intensive T\u00f6ne auch zu gleicher Zeit existieren. Denn wenn der eine nur eine Minute sp\u00e4ter auftr\u00e4te als der andere, w\u00fcrde ersterer schon der Vergangenheit anheimgefallen sein und, in der Erinnerung wiederkehrend, nicht dieselbe Intensit\u00e4t besitzen wie letzterer. Auch werden zwei ausgedehnte Objekte nur, wenn sie dieselbe r\u00e4umliche Stellung bewahren, dem Beschauer mit derselben Intensit\u00e4t oder Klarheit erscheinen.\n3.\tEbenso giebt es auch eine \u00e4hnliche Beziehung zwischen der Anordnung der Intensit\u00e4ten einerseits und der zeitlichen und r\u00e4umlichen Anordnung andererseits.\n4.\t\u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Eigenschaft zieht in hohem Grade \u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Zeit nach sich. So z. B. kann man eine Reihe gleicher Buchstaben rascher \u00fcbersehen als eine Reihe ungleicher.\n5.\tEbenso macht sich eine Beeinflussung der \u00c4hnlicheit in Bezug auf die Qualit\u00e4t durch die \u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Zeit geltend. So z. B, identifizieren sich die Dinge und ihre Beziehungen. Gleichzeitig zusammenlebende Wesen streben danach, einander \u00e4hnlich zu werden.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00fcteraturbericht.\n421\nAm letzten Ende ist eine vollst\u00e4ndige Gleichzeitigkeit von Erscheinungen unvereinbar mit der qualitativen Differenz derselben.\n6.\tDer Einflufs desselben r\u00e4umlichen Mediums macht die Objekte und Wesen \u00e4hnlich an Qualit\u00e4t.\n7.\tIn noch h\u00f6herem Grade zieht die \u00c4hnlichkeit in Bezug auf die Qualit\u00e4t die r\u00e4umliche \u00c4hnlichkeit nach sich.\n8.\tWir streben danach, zu derselben Zeit Vorstellungen zu haben, welche \u00e4hnlich sind hinsichtlich ihrer Affektivit\u00e4t.\n9.\tEs herrscht \u00c4hnlichkeit zwischen Affektivit\u00e4t imd Qualit\u00e4t.\n10.\tJe gr\u00f6fser die Zahl der Individuen von \u00e4hnlicher Qualit\u00e4t ist, um so gr\u00f6fser ist die Intensit\u00e4t eines jeden von ihnen.\nDie vorliegende Abhandlung ist als ein neuer Versuch zu begr\u00fcfsen, das Assoziationsproblem aus einem einheitlichen Grunde, n\u00e4mlich von dem der \u00c4hnlichkeit aus, zu erkl\u00e4ren. Leider fehlt hin und wieder der n\u00f6tige Kommentar zu den Behauptungen, z. B. in 5., 6., 7. Je paradoxer es auf den ersten Augenblick erscheint, dafs zwei durchaus verschiedene Objekte oder Ereignisse durch h\u00e4ufig sich wiederholendes zeitliches oder r\u00e4umliches Beisammensein einander \u00e4hnlich werden sollen, um so erw\u00fcnschter w\u00e4re es gewesen, wenn der Verfasser den von menschlichen Verh\u00e4ltnissen her entlehnten Beispielen, welche ohne weiteres einleuchten, auch einige auf Objekte oder Ereignisse bez\u00fcgliche zugleich mit der Erkl\u00e4rung beigef\u00fcgt h\u00e4tte. Meiner Ansicht nach bewirkt jedes erneute gleichzeitige Denken an zwei oder mehrere einander nicht \u00e4hnliche Vor-stellungen oder Vorstellnngskomplexe, welche entweder durch die Aufsen-welt dem Geiste gleichzeitig nahe gelegt werden, oder in der Erinnerung sich zusammenfinden, dadurch eine gewisse \u00c4hnlichkeit unter denselben, dafs die Zahl der direkt und indirekt hergestellten Beziehungen, sowie der m\u00f6glichen und unm\u00f6glichen Beziehungsversuche bei jedem neuen Zusammentreffen sich vergr\u00f6fsert, und die Beziehungspunkte selbst gegen das Netz von Beziehungen mehr und mehr zur\u00fccktreten. Die Schroffheit des \"\u00dcberganges von einem Beziehungspunkte zum andern wird dadurch wesentlich gemildert, die Umstimmung der psychischen Th\u00e4tigkeit auf ein Unmerkliches herabgesezt. Auf diese Weise scheinen die beiden Ph\u00e4nomene \u00e4hnliche Qualit\u00e4ten zu besitzen. In eigent\u00fcmlicher Weise setzt sich dieses Streben, gegenseitige Ausgleiche zwischen Objekten und Wesen herbeizuf\u00fchren, im Traumzustande fort, wo sogar sichtbare \u00dcbertragungen von Eigenschaften, Merkmalen, Funktionen, Erlebnissen u. s. w. stattfinden. (Vergl. dar\u00fcber mein Buch : ,,Aus den Tiefen des Traumlebens1', Halle 1890, Kap. 8.)\nWenn Bourdox behauptet, dafs durch h\u00e4ufiges zeitliches und r\u00e4umliches Beisammensein sich eine gewisse \u00c4hnlichkeit unter urspr\u00fcnglich verschiedenen Ph\u00e4nomenen herausbildet, so folgt daraus, dafs anfangs diese \u00c4hnlichkeit noch nicht existiert, dafs sich vielmehr ihr Auftreten je nach der Zahl der gleich beim ersten Zusammentreffen oder erst sp\u00e4ter gekn\u00fcpften Beziehungen mehr oder weniger verz\u00f6gert. Sie wirkt also in vielen F\u00e4llen urspr\u00fcnglich nicht als Assoziationsprinzip.\nIm \u00fcbrigen ist die Theorie von der \u00c4hnlichkeit als Assoziationsprinzip sehr wohl durchf\u00fchrbar. Insofern bezeichnet die Arbeit von","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nLitter aturberiehl.\nBourdon einen bemerkenswerten Fortschritt auf dem Gebiete der Assoziation der Vorstellungen.\tM. Giessler (Erfurt).\nJ. Payot. Comment la sensation devient id\u00e9e. Revue philosophique. Bd.\n31, (6. Juni 1891) S. 611\u2014633.\nDas Problem wird zuerst im allgemeinen, sodann in spezieller Weise behandelt.\nDie Empfindung ist zuerst affektiver Natur. Sie erf\u00fcllt das Bewufst-sein vollst\u00e4ndig und nimmt die ganze Aufmerksamkeit f\u00fcr sich in Anspruch. Aber allm\u00e4hlich werden die Reaktionen, welche die h\u00e4ufigsten Empfindungen begleiten, in eins zusammengefafst, sie vollziehen sich rascher, so rasch, dafs sie einem einfachen Zustande gleichkommen. Die Erregungen geschehen von jetzt an pl\u00f6tzlich, so dafs das Bewufstsein keine Zeit findet zu erscheinen, es entsteht der Reflex. Zwischen beiden Extremen liegen solche Reaktionen, welche zu ihrer Entwickelung einige Zeit in Anspruch nehmen, so dafs sie bewufst werden, ohne jedoch das Bewufstsein ganz zu erf\u00fcllen. Diese Zust\u00e4nde des Bewufstseins sind weniger umfassend, unbestimmt und durch das Gef\u00fchl gef\u00e4rbt als vielmehr gef\u00fchlsarm, bestimmt und deutlich abgegrenzt. Dadurch wird es uns m\u00f6glich, Unterschiede und \u00c4hnlichkeiten zwischen ihnen zu bemerken.\nDa die gewohnten Eindr\u00fccke weder Freude noch Schmerz in uns hervorrufen, so dient die Empfindung nur als Zeichen f\u00fcr etwas aufser uns. Infolgedessen wendet sich die Aufmerksamkeit nicht dem Gef\u00fchlselement zu, welches mit jeder Empfindung verkn\u00fcpft ist, sondern sie richtet sich nach aufsen. Die Empfindungen werden aber sofort wieder affektiver Natur, sobald die durch sie veranlafsten Wahrnehmungen in Unordnung geraten.\nDie blitzartig im Bewufstsein erscheinende und sogleich wieder verschwindende Empfindung ruft zahlreiche Empfindungen von Unterschieden und \u00c4hnlichkeiten mit fr\u00fcheren Empfindungen hervor. Diesen Beziehungen wendet sich die Aufmerksamkeit zu. Der Geist ger\u00e4t n\u00e4mlich durch das Auftauchen der verschiedenartigsten heterogenen Empfindungen in Verwirrung und sucht die entstandene Unordnung dadurch zu beseitigen, dafs er Beziehungen aufsucht, namentlich Beziehungen von \u00c4hnlichkeit und Un\u00e4hnlichkeit zwischen den Empfindungen, und endlich zwischen den Beziehungen selbst. Er klassifiziert sie und organisiert sie. (Diese Beziehungen aber sind die Vorstellungen.) Von dem Grade der Erfassung von \u00c4hnlichkeiten und Un\u00e4hnlichkeiten h\u00e4ngt der Grad der Abstraktion ab, wie er sich in den sprachlichen Bezeichnungen der einzelnen V\u00f6lker kundgiebt.\nTausendfache Eindr\u00fccke st\u00fcrmen auf das neugeborene Kind ein. Erst allm\u00e4hlich erlangen die sich wiederholenden Eindr\u00fccke Bestand. Das Kind formt sie zu kleinen Komplexen. Es erfafst die Beziehungen zwischen diesen Komplexen, welche durch die Gewohnheit handlicher geworden sind. Es erkennt die Personen und Gegenst\u00e4nde seiner Umgebung. Schon hier tritt die aktive Empfindung in den Hintergrund und zwar um so mehr, je gr\u00f6fsere Gruppen von Beziehungen das Kind","page":422}],"identifier":"lit14924","issued":"1892","language":"de","pages":"420-422","startpages":"420","title":"Bourdon: Les r\u00e9sultats des th\u00e9ories contemporaines sur l'association des id\u00e9es. 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