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{"created":"2022-01-31T16:56:24.349250+00:00","id":"lit14927","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 422-423","fulltext":[{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nLitter aturberiehl.\nBourdon einen bemerkenswerten Fortschritt auf dem Gebiete der Assoziation der Vorstellungen.\tM. Giessler (Erfurt).\nJ. Payot. Comment la sensation devient id\u00e9e. Revue philosophique. Bd.\n31, (6. Juni 1891) S. 611\u2014633.\nDas Problem wird zuerst im allgemeinen, sodann in spezieller Weise behandelt.\nDie Empfindung ist zuerst affektiver Natur. Sie erf\u00fcllt das Bewufst-sein vollst\u00e4ndig und nimmt die ganze Aufmerksamkeit f\u00fcr sich in Anspruch. Aber allm\u00e4hlich werden die Reaktionen, welche die h\u00e4ufigsten Empfindungen begleiten, in eins zusammengefafst, sie vollziehen sich rascher, so rasch, dafs sie einem einfachen Zustande gleichkommen. Die Erregungen geschehen von jetzt an pl\u00f6tzlich, so dafs das Bewufstsein keine Zeit findet zu erscheinen, es entsteht der Reflex. Zwischen beiden Extremen liegen solche Reaktionen, welche zu ihrer Entwickelung einige Zeit in Anspruch nehmen, so dafs sie bewufst werden, ohne jedoch das Bewufstsein ganz zu erf\u00fcllen. Diese Zust\u00e4nde des Bewufstseins sind weniger umfassend, unbestimmt und durch das Gef\u00fchl gef\u00e4rbt als vielmehr gef\u00fchlsarm, bestimmt und deutlich abgegrenzt. Dadurch wird es uns m\u00f6glich, Unterschiede und \u00c4hnlichkeiten zwischen ihnen zu bemerken.\nDa die gewohnten Eindr\u00fccke weder Freude noch Schmerz in uns hervorrufen, so dient die Empfindung nur als Zeichen f\u00fcr etwas aufser uns. Infolgedessen wendet sich die Aufmerksamkeit nicht dem Gef\u00fchlselement zu, welches mit jeder Empfindung verkn\u00fcpft ist, sondern sie richtet sich nach aufsen. Die Empfindungen werden aber sofort wieder affektiver Natur, sobald die durch sie veranlafsten Wahrnehmungen in Unordnung geraten.\nDie blitzartig im Bewufstsein erscheinende und sogleich wieder verschwindende Empfindung ruft zahlreiche Empfindungen von Unterschieden und \u00c4hnlichkeiten mit fr\u00fcheren Empfindungen hervor. Diesen Beziehungen wendet sich die Aufmerksamkeit zu. Der Geist ger\u00e4t n\u00e4mlich durch das Auftauchen der verschiedenartigsten heterogenen Empfindungen in Verwirrung und sucht die entstandene Unordnung dadurch zu beseitigen, dafs er Beziehungen aufsucht, namentlich Beziehungen von \u00c4hnlichkeit und Un\u00e4hnlichkeit zwischen den Empfindungen, und endlich zwischen den Beziehungen selbst. Er klassifiziert sie und organisiert sie. (Diese Beziehungen aber sind die Vorstellungen.) Von dem Grade der Erfassung von \u00c4hnlichkeiten und Un\u00e4hnlichkeiten h\u00e4ngt der Grad der Abstraktion ab, wie er sich in den sprachlichen Bezeichnungen der einzelnen V\u00f6lker kundgiebt.\nTausendfache Eindr\u00fccke st\u00fcrmen auf das neugeborene Kind ein. Erst allm\u00e4hlich erlangen die sich wiederholenden Eindr\u00fccke Bestand. Das Kind formt sie zu kleinen Komplexen. Es erfafst die Beziehungen zwischen diesen Komplexen, welche durch die Gewohnheit handlicher geworden sind. Es erkennt die Personen und Gegenst\u00e4nde seiner Umgebung. Schon hier tritt die aktive Empfindung in den Hintergrund und zwar um so mehr, je gr\u00f6fsere Gruppen von Beziehungen das Kind","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Li tier a turberich t.\n423\nerfassen lernt. Dauernden Halt aber gewinnen die Beziehungen erst durch die Sprache. An der Hand der Sprache gelangen die Vorstellungen zu immer gr\u00f6fserer Abstraktion. Dabei werden verschiedene Bilder, in denen ein und derselbe Gegenstand sich darbietet, durch ein typisches Bild repr\u00e4sentiert, hierauf werden die \u00e4hnlichen typischen Bilder zu einer Klasse zusammengefafst, denen wiederum ein typisches Bild beigegeben wird. Die typischen Bilder treten jedoch zur\u00fcck gegen die Worte, durch welche sie bezeichnet werden,\nDer Schlufsgedanke ist folgender: In der affektiven Seite unserer Natur mufs diejenige Wirklichkeit gesucht werden, welche der \u00e4ufseren Wirklichkeit am meisten angen\u00e4hert ist. Die Intelligenz hat nicht die Wahrheit als Ziel, sondern die Verteidigung gegen\u00fcber der feindseligen Einwirkungen der Aufsenwelt.\nDie geistvoll geschriebene Abhandlung liefert zur Bearbeitung des vorliegenden Problems eine ganze Keihe neuer Beobachtungen, zu deren Verflechtung bereits vorhandene Gedanken geschickt verwendet werden. Die Gedankenentwickelung w\u00fcrde stellenweise noch klarer geworden sein, wenn der Verfasser die Zeitpunkte, wo die Vorstellungen sich bilden, jedesmal durch den Gebrauch des Wortes id\u00e9e bestimmter gekennzeichnet h\u00e4tte, statt nur immer von Beziehungen zwischen Empfindungen zu sprechen. Die Entstehung der Vorstellungen kann man sich in der geschilderten Weise sehr wohl denken. \u00dcberhaupt zeugt die Arbeit von tiefer psychologischer Einsicht.\tM. Giessler (Erfurt).\nE. De-Sarlo. L\u2019attivit\u00e0 psichica incosciente in Patologia mentale. Riv. di freniatria, XVII, (1891) No. 1 u. 3 S. 97-124 u. 201-230.\nVerf. geht davon aus, dafs man in der alten Psychiatrie wohl von Ideen, Delirien u. s. w. spreche, die vom Unbewufsten herkommen, \u00fcber dieses selbst aber keine klare Vorstellung habe. Die neue Behandlungsart der Psychologie mit Hilfe der aus dem Hypnotismus gewonnenen Aufschl\u00fcsse und des Atavismus, der vorzugsweise die Grundlage der unbewufsten psychischen Th\u00e4tigkeit bilde, m\u00fcsse oder solle dazu verhelfen. \u2014 Unbegreifliche d. h. unmotivierte Handlungen, von Menschen begangen, die \u00fcbrigens im Vollbesitz ihres Selbstbewrrfstseins sind, haben nicht blofs Philosophen (M. v. Hartmann), sondern auch Kriminalisten und Komansckreiber (Zola, la b\u00eale humaine) zur Analyse solchen Geschehens, und letzteren, wie es scheint, mit besonderem Geschick veranlafst. \u201eDer dunkle tierische Untergrund, die urspr\u00fcngliche S\u00fcnde\u201c, daraus unser hewufstes Leben hervorspriefst, \u201edie Welle, die aus den Eingeweiden zum Kopf aufsteigt, ihn bet\u00e4ubt und die \u00dcberlegung hindert\u201c \u201eder instinktive Impuls zum Morden, ohne den die Vernunft den Mord nicht zulassen w\u00fcrde\u201c, Zolas Worte, bezeichnen eine eigenm\u00e4chtige Seelenth\u00e4tigkeit, die, von den h\u00f6hern Elementen (Intelligenz, Wille) entsprungen, von diesen und von dem gew\u00f6hnlichen Selbstbewufstsein unabh\u00e4ngig handelt. \u2014 Charakteristisch f\u00fcr derartige Zust\u00e4nde ist das triebartig Unbe-zwingliche, das sich in den auf der Grenze des Pathologischen stehenden Zwangs-Empfindungen, -Vorstellungen und -Handlungen \u00e4ufsert.","page":423}],"identifier":"lit14927","issued":"1892","language":"de","pages":"422-423","startpages":"422","title":"J. Payot: Comment la sensation devient id\u00e9e. Revue philosophique, Bd. 31, 6, Juni 1891, S. 611-633","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:56:24.349256+00:00"}