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{"created":"2022-01-31T16:54:12.743331+00:00","id":"lit14930","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fraenkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 3: 423-425","fulltext":[{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Li tier a turberich t.\n423\nerfassen lernt. Dauernden Halt aber gewinnen die Beziehungen erst durch die Sprache. An der Hand der Sprache gelangen die Vorstellungen zu immer gr\u00f6fserer Abstraktion. Dabei werden verschiedene Bilder, in denen ein und derselbe Gegenstand sich darbietet, durch ein typisches Bild repr\u00e4sentiert, hierauf werden die \u00e4hnlichen typischen Bilder zu einer Klasse zusammengefafst, denen wiederum ein typisches Bild beigegeben wird. Die typischen Bilder treten jedoch zur\u00fcck gegen die Worte, durch welche sie bezeichnet werden,\nDer Schlufsgedanke ist folgender: In der affektiven Seite unserer Natur mufs diejenige Wirklichkeit gesucht werden, welche der \u00e4ufseren Wirklichkeit am meisten angen\u00e4hert ist. Die Intelligenz hat nicht die Wahrheit als Ziel, sondern die Verteidigung gegen\u00fcber der feindseligen Einwirkungen der Aufsenwelt.\nDie geistvoll geschriebene Abhandlung liefert zur Bearbeitung des vorliegenden Problems eine ganze Keihe neuer Beobachtungen, zu deren Verflechtung bereits vorhandene Gedanken geschickt verwendet werden. Die Gedankenentwickelung w\u00fcrde stellenweise noch klarer geworden sein, wenn der Verfasser die Zeitpunkte, wo die Vorstellungen sich bilden, jedesmal durch den Gebrauch des Wortes id\u00e9e bestimmter gekennzeichnet h\u00e4tte, statt nur immer von Beziehungen zwischen Empfindungen zu sprechen. Die Entstehung der Vorstellungen kann man sich in der geschilderten Weise sehr wohl denken. \u00dcberhaupt zeugt die Arbeit von tiefer psychologischer Einsicht.\tM. Giessler (Erfurt).\nE. De-Sarlo. L\u2019attivit\u00e0 psichica incosciente in Patologia mentale. Riv. di freniatria, XVII, (1891) No. 1 u. 3 S. 97-124 u. 201-230.\nVerf. geht davon aus, dafs man in der alten Psychiatrie wohl von Ideen, Delirien u. s. w. spreche, die vom Unbewufsten herkommen, \u00fcber dieses selbst aber keine klare Vorstellung habe. Die neue Behandlungsart der Psychologie mit Hilfe der aus dem Hypnotismus gewonnenen Aufschl\u00fcsse und des Atavismus, der vorzugsweise die Grundlage der unbewufsten psychischen Th\u00e4tigkeit bilde, m\u00fcsse oder solle dazu verhelfen. \u2014 Unbegreifliche d. h. unmotivierte Handlungen, von Menschen begangen, die \u00fcbrigens im Vollbesitz ihres Selbstbewrrfstseins sind, haben nicht blofs Philosophen (M. v. Hartmann), sondern auch Kriminalisten und Komansckreiber (Zola, la b\u00eale humaine) zur Analyse solchen Geschehens, und letzteren, wie es scheint, mit besonderem Geschick veranlafst. \u201eDer dunkle tierische Untergrund, die urspr\u00fcngliche S\u00fcnde\u201c, daraus unser hewufstes Leben hervorspriefst, \u201edie Welle, die aus den Eingeweiden zum Kopf aufsteigt, ihn bet\u00e4ubt und die \u00dcberlegung hindert\u201c \u201eder instinktive Impuls zum Morden, ohne den die Vernunft den Mord nicht zulassen w\u00fcrde\u201c, Zolas Worte, bezeichnen eine eigenm\u00e4chtige Seelenth\u00e4tigkeit, die, von den h\u00f6hern Elementen (Intelligenz, Wille) entsprungen, von diesen und von dem gew\u00f6hnlichen Selbstbewufstsein unabh\u00e4ngig handelt. \u2014 Charakteristisch f\u00fcr derartige Zust\u00e4nde ist das triebartig Unbe-zwingliche, das sich in den auf der Grenze des Pathologischen stehenden Zwangs-Empfindungen, -Vorstellungen und -Handlungen \u00e4ufsert.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nLitteraiurbericht.\nDie krankhafte Gr\u00fcbelsucht, der Fragetrieb, die arithmetischen Zwangsvorstellungen, noch mehr die Angstzust\u00e4nde, die Furcht vor Ber\u00fchrung, vor gewissen Tieren, vor Ansteckung von Krankheiten, \u2014 die Agarophobie, Klaustrophobie, die Furcht vor der Furcht (Legrand du Saulle) \u2014 die unz\u00e4hligen selbstqu\u00e4lerischen, bizarren, th\u00f6richten, ja sogar grausamen Vornahmen, die Morel unter dem Namen d\u00e9lire \u00e9motif zusammenfafst, und endlich die sogenannten Monomanien, Dipso-, Pyro-, Klepto-, Nympho-Manie, die Mord- und Selbstmordsucht, sind psychische Defekte degenerativer Art mehr oder minder erblich belasteter Individuen, in der Konstitution der letztem begr\u00fcndet oder auf Neurasthenie (Morselli) beruhend, die durch Krankheiten erworben und wohl auch anerzogen werden kann.\nTamburini erkl\u00e4rt die Entstehungsweise der Zwangs-Ideen, Empfindungen und Bewegungen, die er in eine und dieselbe Kategorie stellt, damit, dafs er einerseits eine abnorm starke und begrenzte Ideenbildung, andererseits eine Schw\u00e4chung der Wi 11 en st h \u00e4 tig keit (Mangel an Aufmerksamkeit) annimmt. \u2014 In den einfachen F\u00e4llen, wo die krankhafte Hirnth\u00e4tigkeit auf das Bewufstsein beschr\u00e4nkt bleibt, ohne durch Handlungen sich zu \u00e4ufsern, gehe neben der fixen Idee ein Willensdefekt in Form von mangelnder willk\u00fcrlicher innerer Aufmerksamkeit einher; \u2014 wo sich zu der fixen Idee eine Gem\u00fctsempfindung gesellt und in entsprechenden Handlungen sich \u00e4ufsert, zeigt der Willensdefekt sich als \u00e4ufsere Willensschw\u00e4che; \u2014 in den schwersten F\u00e4llen von impulsiven Ideen als Wi 11 ens 1 \u00e4hmung. \u2014 Ob die starke und begrenzte Ideenbildung oder der Willensdefekt das Prim\u00e4re und Mafsgebende sei, lasse sich nicht feststellen. Beides seien vermutlich die gleichzeitigen und gleichm\u00e4chtigen Seiten eines und desselben Vorganges der Ern\u00e4hrungsst\u00f6rung der Hirncentren f\u00fcr psychische Th\u00e4tigkeit.\nDemgegen\u00fcber fragt De-Carlo, wie man sich eine gleichzeitig erh\u00f6hete Th\u00e4tigkeit der Centren f\u00fcr Ideenbildung neben einer ver mi n-derten des Willens vorstellen solle? Seiner Meinung nach handelt es sich da, wo das vollkommen erhaltene Bewufstsein gleichsam Zuschauer, also ein Doppel-Ich vorhanden ist, um Dissoziation der psychischen Elemente infolge Ersch\u00f6pfung des Nervensystems, wobei sich kleinere Kreise verschiedener M\u00e4chtigkeit (Synthesen) bilden, von denen der st\u00e4rkste als individuelles Se 1 bs t b e wufs t se i n auftritt, w\u00e4hrend die andern unbewufst, automatisch, wie eine Art von Reflexen auf dem Bewufstseinsfelde agieren.\nIn normalen Verh\u00e4ltnissen bilde der Geist aus den konstituierenden psychischen Elementen: Tast-, Gesichts-, Muskel-Empfindungen u. s. w., die isoliert nebeneinander bestehen, einen einheitlichen Bewufstseins-inhalt, der nach den Assoziationsgesetzen, \u00c4hnlichkeit, Kontrast, Zeitfolge, Raum u. a. m. \u2014 sich ordnet; in pathologischen Verh\u00e4ltnissen sammeln sich die psychischen Elemente nicht an einem bestimmten Punkte, sondern gehen auseinander, entzweien sich, finden sich nicht zurecht.\nZweifel, Furcht und blinder Impuls sind so zu sagen die Urbilder der psychopathischen Zust\u00e4nde. Das periodische Auftreten der letztem,","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturberich t.\n425\ndie Wahrnehmung innerer Suggestion geringf\u00fcgigster Art, wie sie besonders bei Hysterischen, Epileptischen u. s. w. sich zeigen, stellen sie auf eine Linie mit dem psychischen Automatismus (Hypnose).\nIn einem zweiten Abschnitt seiner gehaltvollen Arbeit behandelt Verf. die eigentlichen Geisteskrankheiten \u2014 die degenerative Paranoia, periodische und cirkul\u00e4re Manie, ferner Hysterie, Epilepsie, Hypochondrie von obigem Gesichtspunkte aus. Bei ihnen tritt die unbewufste Geistes-th\u00e4tigkeit als zweite Pers\u00f6nlichkeit neben der ersten in den Vordergrund oder verdr\u00e4ngt diese ganz und gar. Bei den Psyc ho neur o s en (Melancholie, reinen Manie) gruppieren sich die psychischen Elemente nicht zu einer neuen Pers\u00f6nlichkeit, sondern es ist die normale unbewufste Th\u00e4tigkeit, die, infolge der Krankheitserreger (Ersch\u00f6pfung \u2014 Intoxikation) gesteigert und verkehrt, entweder als Depression oder als Exaltation sich \u00e4ufsert, d. h. der Schmerz, der jedes leibliche und seelische Unbehagen, und das Wohlgef\u00fchl, das jede lebhaftere Bewegung begleitet, ist ein dem gesunden Zustande analoger Vorgang, der sich blofs in \u00dcbertreibungen Luft macht.\nDie als Bel\u00e4ge beigegebenen Krankheitsgeschichten interessiren mehr den Psychiater. Von gr\u00f6fserem psychologischen Interesse w\u00fcrde die Vorf\u00fchrung und Analyse einfachster F\u00e4lle, von vor\u00fcbergehender Geistesabwesenheit, Willensst\u00f6rung und kontr\u00e4rer Empfindung sein, die bei im \u00fcbrigen Gesunden unter allerlei Umst\u00e4nden Vorkommen, aber freilich nur selten ans Licht gezogen werden.\tFraenkel (Dessau-).\nOtto Snell. Hexenprozesse und Geistesst\u00f6rung. Psychiatrische Untersuchungen. M\u00fcnchen, Lehmann 1891. 130 S. M. 4. \u2014.\nVon jeher haben die Hexenprozesse die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich gezogen, und dieses Interesse hat im Laufe der Jahre kaum abgenommen, im Gegenteil, ihre Geschichte verzeichnet gerade aus der j\u00fcngsten Zeit mehrere dankenswerte Beitr\u00e4ge. Eine solche Bereicherung unserer Litteratur bildet die vorliegende Schrift.\nDafs eine so gewaltige und furchtbare Erscheinung, wie sie das pl\u00f6tzliche Anschwellen der Hexenprozesse im 15. und 16. Jahrhundert darstellt, zu Erkl\u00e4rungsversuchen anregen mufste, ist nat\u00fcrlich, und ebenso nat\u00fcrlich war es, dafs man diese Erkl\u00e4rung in einer Geistesst\u00f6rung und zwar in der epidemischen Ausbreitung einer bestimmten Form von Geistesst\u00f6rung suchte. Die Hexen waren Geisteskranke, f\u00fcr deren Krankheit das Mittelalter kein Verst\u00e4ndnis besafs, und die es alsvomTeufel Besessene verbrannte. Diese Erkl\u00e4rung war ebenso einfach, als wie sie anscheinend \u00fcber jede Schwierigkeit hinweghalf. Auch Snell gesteht ein, wie er von vornherein die Erwartung gehegt habe, den Nachweis f\u00fchren zu k\u00f6nnen, dafs ein sehr grofser Teil der Verurteilten geisteskrank war. Im Verlaufe seiner Untersuchung sei er jedoch zu der Einsicht gelangt, dafs seine Voraussetzung eine irrige gewesen. Vielmehr seien verh\u00e4ltnism\u00e4fsig nur wenige Geisteskranke den Hexenprozessen zum Opfer gefallen, dagegen h\u00e4tten sie und besonders die Hysterischen dadurch Veranlassung zu Hexenverfolgungen gegeben, dafs man sie f\u00fcr besessen hielt und den Zauberer zu strafen suchte, der ihre Besessenheit verursacht haben sollte.","page":425}],"identifier":"lit14930","issued":"1892","language":"de","pages":"423-425","startpages":"423","title":"F. De-Sarlo: L'attivit\u00e0 psichica incosciente in Patologia mentale. Riv. di freniatria, XVII, 1891, No. 1 u. 3, S. 97\u201324 u. 201\u2013230","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:54:12.743337+00:00"}