Open Access
{"created":"2022-01-31T16:53:47.239629+00:00","id":"lit15043","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Martius, G\u00f6tz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 4: 82-84","fulltext":[{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nLitteraturbericht.\nIm \u00fcbrigen bin ich weit entfernt, dem M\u00fcNSTERBERGschen Buche seinen Wert abzusprechen. Die Unterscheidung der Methoden ist lichtvoll und die Abgrenzung der Aufgaben, soweit nicht M\u00fcnsterbergs Liebhaberei f\u00fcr Bewegungsempfindungen u. dgl. st\u00f6rend eingreift, anerkennenswert vorurteilsfrei. Vor allem hebe ich hervor die ausdr\u00fcckliche Betonung der Selbstverst\u00e4ndlichkeit, dafs alle psychologische Einsicht schliefslich direkt oder indirekt auf der vielfach schief aufgefafsten und dann mit scheinbarem Rechte geschm\u00e4hten \u201einneren\u201c Beobachtung beruht. Freilich versteht hier M. unter \u201eBeobachtung\u201c nicht ganz das, was man sonst darunter versteht. Die wissenschaftlich wertvolle innere Beobachtung ist ihm diejenige, die mit dem Beobachtungsobjekt gleich die Vorstellung seiner Bedingungen verbindet, und unter diesen Bedingungen versteht M. im wesentlichen die anatomisch - physiologischen Bedingungen. Ich meine, Beobachten heifse Beobachten, und nicht, wirkliche oder vermeintliche Kenntnisse, am wenigsten physiologische oder psychophysiologische Theorien in das zu Beobachtende einmengen. Thut man dies, dann ist es kein Wunder, wenn die Beobachtungen die vorher feststehenden Theorien best\u00e4tigen. In der That wird M. auf solche Weise \u201ebeobachtet\u201c haben, dafs alle Gef\u00fchle, Triebe, Willensakte etc. aus k\u00f6rperlichen Empfindungen sich zusammensetzen.\nSchliefslich bin ich auch mit M\u00fcnsterbergs Schlufsbemerkung durchaus einverstanden. Besondere psychologische Lehrst\u00fchle sind ein Erfordernis, und auch mir will es scheinen, dafs kein Mediziner oder Jurist, kein Theologe oder P\u00e4dagoge in seinen Beruf eintreten sollte ohne gr\u00fcndliche psychologische Kenntnis. Mit welchem Rechte M\u00fcnsterberg Psychologie und Philosophie trennt und letztere mit der Erkenntnislehre identifiziert, verstehe ich freilich nicht. Ich sehe in der Erkenntnislehre, da sie nun doch einmal mit der Erkenntnis zu thun hat, ebenso wie in der Ethik und \u00c4sthetik eine psychologische und damit philosophische Disziplin. Dies hindert doch nicht, dafs die psychologische Forschung als die Grundlage aller sonstigen philosophischen Arbeit besonderen H\u00e4nden anvertraut werde.\tLipps (Breslau).\nE. Krapelin. Zur Kenntnis der psychophysischen Methoden. Philos.\nStudien VI, (1891). S. 493 \u2014 513.\nKrapelin unterscheidet direkte und indirekte Methoden. Die ersteren teilt er wieder in zwei Gruppen, in Grenzmethoden und Differenzmethoden.\nGrenzmethoden sind die Methode der e. m. Unterschiede und die Methode der mittleren Fehler. Bei ihnen werden Grenzwerte gesucht und entweder festgestellt, \u201ewie grofs der Unterschied zweier Reize sein mufs, damit sie als ungleich aufgefafst werden\u201c, oder es wird die Reizdifferenz bestimmt, \u201ebei welcher noch die Empfindung der Gleichheit bestehen kann\u201c (S. 494).\nDie Methode der r. u. f. F\u00e4lle will Krapelin in ihrer hergebrachten Form nicht bestehen lassen. Sie vereinigt verschiedene Sch\u00e4tzungsprinzipien, wie sich in der Schwierigkeit der Behandlung der Gleichheitsf\u00e4lle zeigt. Die scheinbaren Gleichheitsf\u00e4lle d\u00fcrfen nicht als \u201efalsche\u201c","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht\n83\nF\u00e4lle angesehen werden, da sie psychologisch nicht mit den wirklichen falschen F\u00e4llen gleichwertig sind, und hei wirklichen Gleichheitsf\u00e4llen hat das \u201erichtige\u201c Urteil eine andere Bedeutung, wie sonst das richtige Urteil. Kr\u00e4pelin schl\u00e4gt daher vor, dieser Methode das Prinzip der Ungleichsch\u00e4tzung zu Grunde zu legen, also der Versuchsperson die Aufgabe zu stellen, unter allen Umst\u00e4nden einen der verglichenen Beize als gr\u00f6fser zu bezeichnen, ein Verfahren, das auch von Jastrow (Americ. J. of ps. I, 2, S. 271 ff.) empfohlen worden ist. Die objektiven Gleichheitsf\u00e4lle sind dabei besser auszuschliefsen ; sie k\u00f6nnen zur Bestimmung der konstanten Fehler besondere Verwendung finden. Daneben w\u00fcrde eine zweite aus der Methode der r. u. f. F\u00e4lle zu gewinnende Methode die der Gleichheits-und Ungleichheitssch\u00e4tzung sein. Sie l\u00e4fst die relative Anzahl der Gleichheitssch\u00e4tzung bei Beizdifferenzen, die unterhalb der Unterschiedsschwelle liegen, finden und zur Bestimmung der Unterschiedsempfindlichkeit benutzen. Diese beiden Methoden sind dann die Differenzmethoden. Sie haben im Unterschiede von den Grenzmethoden alle m\u00f6glichen Zwischenstufen der Beizdifferenzen zu ber\u00fccksichtigen. Die letztere Forderung wird auch so ausgedr\u00fcckt, dafs das Prinzip der Minimal\u00e4nderungen in die Methode der r. u. f. F\u00e4lle einzuf\u00fchren sei. Man kann dann sagen, dafs die vier direkten Methoden auf eine einzige, sie alle umfassende zur\u00fcckgehen, mit der Aufgabe der Bestimmung der Urteile gleich-ungleich, gr\u00f6fser-kleiner f\u00fcr alle Beizdifferenzen (bis zur deutlichen Unterschieden-heit). Die Grenzmethoden bilden nur Spezialf\u00e4lle aus dieser allgemeinen Methode.\nDen vier direkten Methoden stellt schliefslich Kr\u00e4pelin die Methode der doppelten oder vielfachen Beize und die der mittleren Abstufungen als die indirekten gegen\u00fcber. Bei der ersteren erfolgt \u201ein der Begel wohl die Vergleichung des einen Beizes mit einem assoziativ erzeugten Phantasiebild. Die zweite kann als doppelte Methode der doppelten Beize angesehen werden. Trotzdem soll es dahingestellt bleiben (S. 503), ob wir nicht doch eine unmittelbare F\u00e4higkeit zur Auffassung der mittleren Abstufung besitzen.\nIm weiteren Verlauf der Abhandlung geht Kr\u00e4pelin auf die in dieser Zeitschrift schon besprochenen (H, S. 449) Versuche Higiers ein, die unter seiner Leitung gemacht wurden.\nDer konzentrierte Inhalt des Aufsatzes legt den Wunsch nach einer ausf\u00fchrlicheren Behandlung des Gegenstandes durch den Verfasser nahe. Jene allgemeine Methode, die Kr\u00e4pelin vorschwebt, d\u00fcrfte in der That geeignet sein, auf die psychologischen Vorg\u00e4nge, um die es sich bei der Unterschiedsempfindlichkeit und beim Sch\u00e4tzen handelt, ein aufkl\u00e4rendes Licht zu werfen. Und auf eine solche Aufkl\u00e4rung, nicht auf die Gewinnung immer neuen und genaueren Materials, wie Kr\u00e4pelin meint, kommt es heute nach unserer Ansicht in erster Linie an. Ist die Unterschiedsschwelle eine eigentliche Empfindungsthatsache, so sind innerhalb derselben vom psychologischen Standpunkte aus die Gleichheitsurteile \u201erichtige\u201c Urteile, m\u00fcssen aber aber auch bei m\u00f6glichst vollkommener Versuchseinrichtung angen\u00e4hert 100 % betragen. Der Empfindungsschwelle tritt aber eine Sch\u00e4tzungsschwelle, ein Gebiet zu- resp. abnehmender Un-\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nLitteraturbericht.\nSicherheit der Unterschiedserkenntnis (Merkbarkeit) zur Seite. Auch in deren Sph\u00e4re k\u00f6nnen und m\u00fcssen Gleichheitsurteile und zweifelhafte Vorkommen. Somit will es mir in keiner Weise einleuchten, dafs die Einf\u00fchrung der Ungleichheitssch\u00e4tzung eine Erleichterung bieten und nicht vielmehr dem Urteil einen st\u00f6renden Zwang auferlegen soll. Es zeigte sich dies auch bei den Versuchen Higiers, als er die ohne Gleichheitsurteile gewonnenen Zahlen mit den hach der Methode der r. u. f. F\u00e4lle erhaltenen verglich. (S. 506 ff.) Schliefst man die Urteile \u201egleich\u201c und \u201ezweifelhaft\u201c aus, so wird der Beobachter in den betreffenden F\u00e4llen entweder k\u00fchn \u201est\u00e4rker\u201c oder vorsichtig \u201eschw\u00e4cher\u201c urteilen, je nach seiner vorwiegenden Charakteranlage. Bei Higier \u00fcherwog die Vorsicht, wie das bei einem gewissenhaften Beobachter nat\u00fcrlich ist.\nG. Martius (Bonn).\nJ. S. Bristowe. On the nature and relations of mind and brain. Brain. P. 53 (1891), S. 18-34.\nEs handelt sich um die Antrittsrede, welche Bristowe nach seiner Wahl zum Pr\u00e4sidenten der neurologischen Gesellschaft in London gehalten hat. Br. kommt zu dem \u00dfesultat, dafs Bewufstsein eine inh\u00e4rente Eigenschaft der Kraft ist, welche nur unter speziellen Bedingungen, n\u00e4mlich dann, wenn die Kraft in Beziehung zu einer entsprechend organisierten Materie (also zur Hirnrinde) tritt, manifest wird. Die \u201ePers\u00f6nlichkeit\u201c des Individuums beruht nur auf dem Fortbestehen und der assoziativen Verkn\u00fcpfung der Erinnerungsbilder des Gehirns. Von einer einigermafsen befriedigenden Begr\u00fcndung dieser Thesen kann selbstverst\u00e4ndlich in dem kurzen Vortrag nicht die Kede sein.\nZiehen (Jena).\nA. Fouill\u00e9e. Le probl\u00e8me psychologique. B\u00e9vue philos. Bd. 32 (1891), S. 225\u2014248.\nVerfasser bezeichnet mit Intellektualismus diejenigen psychologischen Theorien, welche das Wesen aller psychischen Vorg\u00e4nge im \u201eVorstellen\u201c sehen. Der Materialismus pflegt sich nach ihm mit diesem Standpunkt zu verbinden; die geistigen Vorg\u00e4nge sind dann nichts, als unwesentliche) Begleiterscheinungen der k\u00f6rperlichen Vorg\u00e4nge und werden als solche im Bewufstsein betrachtet. Sie sind alle \u201eobjektiv\u201c.\nSolchen Anschauungen gegen\u00fcber will er die Aktivit\u00e4t der psychischen Ph\u00e4nomene darthun, die nach ihm vielmehr wesentlich \u201esubjektiv\u201c sind. Die L\u00f6sung der Frage nach der Natur der psychischen Ph\u00e4nomene ist zugleich die L\u00f6sung der Frage nach der Aufgabe der Psychologie.\nKeine geistigen Ph\u00e4nomene sind von vornherein Vorstellungen. Sie sind Reaktionen der Lebewesen auf Einwirkungen, die durch sekund\u00e4re Vorg\u00e4nge zu Vorstellungen werden k\u00f6nnen. Als Reaktionen sind sie Kr\u00e4fte und gleich real, wie die cerebralen k\u00f6rperlicher Bewegungen, mit denen sie verbunden sind und mit welchen sie zusammen die einheitliche wahrhafte Realit\u00e4t ausmachen.\nDer Psychologie ist mithin die Beziehung der Ph\u00e4nomene auf das Subjekt eigent\u00fcmlich. Wie die Biologie die einzelnen Ph\u00e4nomene unter dem Gesichtspunkt des Ganzen begreift und die Entwickelung der Orga-","page":84}],"identifier":"lit15043","issued":"1893","language":"de","pages":"82-84","startpages":"82","title":"E. Kr\u00e4pelin: Zur Kenntnis der psychologischen Methoden. Philos. Studien VI, 1891, S. 493-513","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:53:47.239634+00:00"}