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{"created":"2022-01-31T16:25:44.640345+00:00","id":"lit15078","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller, G. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 4: 122-138","fulltext":[{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nLitteraturbericht.\nHess, Ein Algesimeter. Deutsche medizin. Wochenschrift 1892. No. 10, S. 210.\nH. hat ein neues Instrument zur Pr\u00fcfung der Schmerzempfindlichkeit konstruiert, dessen genaue Beschreibung (mit Abbildung) im Original nachzulesen ist und dessen Prinzip darin beruht, dafs eine von einer H\u00fclse umgebene Nadel in verschieden zu regelnder L\u00e4nge und in verschiedener St\u00e4rke unter \u00dcberwindung des Widerstandes einer Spirale in die Haut eingestochen wird. Das Instrument kann in zweierlei Hinsicht verwendet werden, einmal, um verschiedene Hautstellen auf ihre Schmerzempfindlichkeit zu pr\u00fcfen und zu vergleichen, und zweitens, um den Grad der Empfindlichkeit an einer Stelle von der Oberfl\u00e4che nach der Tiefe festzustellen.\tPeretti (Merzig).\nAugustus D. Waller. The sense of effort: an objective study. Brain, LIV and LV, 1891, S. 179 ff.\nAddendum to Dr. Waller\u2019s paper on the sense of effort. Ebenda, S. 432 ff.\nWas bisher vom klinischen Standpunkte aus in Angelegenheit des Muskelsinnes vorgebracht worden ist, kann nach Ansicht des Verfassers nur einen Widerwillen dagegen erwecken, sich \u00fcberhaupt mit Betrachtungen \u00fcber den Muskelsinn zu besch\u00e4ftigen. Dieser Widerwillen erreicht sein Maximum, wenn man sich mit demjenigen bekannt macht, was von psychologischer Seite aus \u00fcber den Muskelsinn geleistet worden ist. Verfasser will daher in dieser \u201eobjektiven Studie\u201c zeigen, wie die Frage nach dem Wesen des Muskelsinnes allein auf physiologischem Wege in erfolgreicher und erfreulicher Weise behandelt werden k\u00f6nne. Hierbei ist der (auf S. 187 ff. mit Ausf\u00fchrlichkeit entwickelte) Hauptgesichtspunkt des Verfassers der folgende: Die Empfindungen der Erm\u00fcdung, welche nach willk\u00fcrlicher Muskelanstrengung vorhanden sind, beruhen auf einer Nachwirkung derselben Nervenprozesse, welche bei Ausf\u00fchrung der willk\u00fcrlichen Muskelbewegungen den normalen Empfindungen des Muskelsinnes (sog. Bewegungsempfindungen, Kraftempfindungen u. dergl.) zu Grunde liegen; die Erm\u00fcdungsempfindungen verhalten sich zu den normalen Empfindungen des Muskelsinnes \u00e4hnlich, wie sich die Nachbilder zu den prim\u00e4ren Gesichtsempfindungen verhalten. Dementsprechend ist der Ort, wo sich die den Erm\u00fcdungsempfindungen zu Grunde liegenden Nerven Vorg\u00e4nge abspielen, derselbe, wie der Ort, wo die den normalen Empfindungen des Muskelsinnes zu Grunde liegenden Nervenprozesse stattfinden. Wenn man also den Ort bestimmt, wo die den Erm\u00fcdungsempfindungen entsprechenden Nerven-vorg\u00e4nge sich abspielen, so erh\u00e4lt man dadurch zugleich Auskunft \u00fcber die St\u00e4tte, wo die den normalen Empfindungen des Muskelsinnes entsprechenden Nervenprozesse statthaben.\nWir gehen vor der Hand nicht darauf ein, die Triftigkeit der Voraussetzung, die in dieser Hauptargumentation des Verfassers enthalten ist, n\u00e4her zu pr\u00fcfen, sondern versuchen, uns zun\u00e4chst der Keihe nach mit den Versuchsresultaten bekannt zu machen, welche Verfasser bei seinen physiologischen Untersuchungen gefunden hat, indem wir zugleich die Betrachtungen und Schl\u00fcsse, welche Verfasser an die einzelnen Ver-","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n123\nSuchsresultate ankn\u00fcpft, etwas n\u00e4her darauf ansehen, ob sie sich wirklich durch ihre Folgerichtigkeit und umsichtige Ber\u00fccksichtigung und Widerlegung aller anderen von vornherein gleichfalls m\u00f6glich erscheinenden Deutungen in so ruhmvoller Weise, wie Verfasser meint, von denjenigen Betrachtungen unterscheiden, welche die Psychologen bisher in so wenig einleuchtender Weise auf dem Gebiete des Muskelsinnes angestellt haben. Erst zuletzt kommen wir wieder auf die obige Hauptargumentation des Verfassers zur\u00fcck, indem wir die Frage beantworten, oh diese Argumentation zul\u00e4ssig sei, und oh es dem Verfasser \u00fcberhaupt gelungen sei, f\u00fcr eine Anwendung dieser Argumentation die erforderlichen Data zu beschaffen, n\u00e4mlich die St\u00e4tte festzustellen, an welcher die den Erm\u00fcdungsempfindungen unmittelbar zu Grunde liegenden Nerven-vorg\u00e4nge sich abspielen.\n1. Behufs Beantwortung der Frage, in welchem Verh\u00e4ltnisse die bei willk\u00fcrlichen Muskelbewegungen eintretenden objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen 1 2 einerseits auf zentralen und andererseits auf peripherischen Vorg\u00e4ngen beruhen, stellte Verfasser Versuche an, welche den Versuchen Mossos, \u00fcber welche im ersten Bande dieser Zeitschrift (S. 187 ff.) berichtet worden ist, sehr \u00e4hnlich waren. W\u00e4hrend indessen letzterer Forscher die aktuellen Kontraktionen und die Arbeitsleistungen der Muskeln zum Gegenst\u00e4nde der Beobachtung machte, beobachtete Verfasser mit H\u00fclfe eines Dynamographen die, teils durch den Willen, teils durch direkte oder indirekte elektrische Reizung bewirkten, virtuellen (isometrischen) Kontraktionen der Beugemuskeln des Vorderarmes. Die Anwendung eines isometrischen Verfahrens ist im allgemeinen bei derartigen Untersuchungen ein Vorzug, wie schon Fick vor einiger Zeit (Pfl\u00fcgers Arch. 41, 1887, S. 177 ff.) hervorgehoben hat, vorausgesetzt, dafs dasselbe ann\u00e4hernd die gleiche Sch\u00e4rfe besitze wie das von Mosso benutzte Verfahren.*\n1\tAls objektive Erm\u00fcdungserscheinungen, im Gegens\u00e4tze zu den subjektiven Erm\u00fcdungserscheinungen, d. h., zu den aus der Erm\u00fcdung entspringenden Empfindungen und Empfindungsmodifikationen, wollen wir im folgenden kurz die \u00c4nderungen bezeichnen, welche die von einem und demselben Muskel oder Muskelkomplexe ausgef\u00fchrte Leistung trotz gleich bleibenden Reizes oder gleich bleibender Willensintention und trotz sonst gleich bleibender Versuchsumst\u00e4nde hinsichtlich ihrer Ausgiebigkeit und hinsichtlich ihres zeitlichen Verlaufes allm\u00e4hlich erfahrt, wenn sie mit geringen Intervallen oft hintereinander wiederholt oder lange Zeit hindurch ununterbrochen vollzogen wird.\n2\tWenn Verfasser (S. 185, 223) die von Mosso benutzte Methode als die isotonische bezeichnet, so ist dies ein Mifsgriff, der keinem Psychologen, geschweige denn einem Physiologen passieren durfte. Als isotonisch wird (der Etymologie des Wortes gem\u00e4fs) eine aktuelle Muskelkontraktion bekanntlich nur dann bezeichnet, wenn die Spannung des Muskels w\u00e4hrend des ganzen Kontraktionsverlaufes ann\u00e4hernd konstant bleibt. Diese Bedingung ist aber bei Anwendung des Mossoschen Verfahrens auch nicht im entferntesten erf\u00fcllt, vor allem schon deshalb nicht, weil sich der Hebelarm, mittelst dessen die Muskelkraft auf die \u00fcjast wirkt, im Verlaufe jeder Kontraktion fortw\u00e4hrend \u00e4ndert. Schon MIC\\ i ' \u00b0' a' 0-) hat darauf hingewiesen, dafs es gar nicht m\u00f6glich ist, bei ? uskeluntersuchungen am lebenden Menschen eine auch nur ann\u00e4hernd isotonische Zusammenziehung hervorzubringen.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nLitteraturbericht.\nAus diesen Versuchen des Verfassers ergiebt sich nun vor allem, dafs, wie auch schon Fick gefunden, der Wille einen h\u00f6heren Spannungsgrad der Muskeln zu bewirken vermag als die elektrische Reizung. L\u00e4fst man ferner durch den Willen oder mittelst elektrischer Reizung eine Reihe von virtuellen Kontraktionen schnell hintereinander ausf\u00fchren, so nimmt nat\u00fcrlich im allgemeinen der erreichte Spannungsgrad im Verlaufe der Reihe ah. Wird nun nach einer Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen eine zweite Reihe von Kontraktionen durch maximale elektrische Reizung (Tetanisierung) hervorgerufen und hierauf der Wille f\u00fcr eine neue Reihe in Anspruch genommen, so zeigt sich (wie schon nach den von Mosso erhaltenen Versuchsresultaten zu erwarten ist), dafs der durch den Willen erreichte Spannungsgrad der Muskeln hei Beginn dieser neuen Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen gr\u00f6fser ist, als er am Ende der ersten Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen war. Wie Verfasser bemerkt, beweist dieses Verhalten, dafs w\u00e4hrend derjenigen Zeit, w\u00e4hrend welcher die Reihe der durch die elektrische Reizung ausgel\u00f6sten Kontraktionen ablief, eine Erholung der bei den willk\u00fcrlichen Muskelkontraktionen beteiligten Nervenzentren stattgefunden hat.\nWird umgekehrt zwischen zwei Reihen virtueller Kontraktionen, welche durch maximale elektrische Reizung hervorgerufen werden, eine Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen eingeschoben, so zeigt sich, wie der Verfasser (S. 196) behauptet, dafs w\u00e4hrend der Ausf\u00fchrung dieser letzteren Reihe eine Erholung f\u00fcr die bei elektrischer Reizung sich zeigende Leistungsf\u00e4higkeit der Muskeln stattfindet, also eine Erholung stattfindet, welche nur in den peripherischen Organen sich vollziehen kann. Man kann jedoch bezweifeln, ob Verfasser dieses von ihm behauptete Verhalten wirklich erwiesen habe. Denn die mittelst des Dynamographen erhaltenen Kurven, welche in Fig. 4 (oberer Teil) mitgeteilt sind, lassen eine scharfe Vergleichung der Spannungsgrade, welche vor und nach Einschiebung einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen durch die elektrische Reizung erzielt wurden, nicht zu und f\u00fchren keineswegs mit Sicherheit zu der vom Verfasser aufgestellten Behauptung. Dies thun sie um so weniger, weil nach dieser Figur das Intervall, welches zwischen der letzten Kontraktion einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen und der ersten Kontraktion der darauf folgenden Reihe durch elektrische Reizung ausgel\u00f6ster Kontraktionen verstrich, viel (5 bis 10 mal) gr\u00f6fser war als das Intervall, welches zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Glieder einer und derselben (sei es durch den Willen, sei es durch den elektrischen Reiz ausgel\u00f6sten) Kontraktionsreihe voneinander trennte, so dafs diejenige auf elektrischem Wege bewirkte Kontraktion, welche einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen unmittelbar folgte, vor denjenigen auf elektrischem Wege ausgel\u00f6sten Kontraktionen, welche ebenderselben Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen unmittelbar vorhergingen, stets den Vorteil voraushatte, dafs ihr eine gr\u00f6fsere Ruhepause vorausgegangen war. Unter solchen Umst\u00e4nden vermag eine Vergleichung der Spannungsgrade, welche die auf elektrischem Wege hervorgerufenen Kontraktionen unmittelbar vor und unmittelbar nach einer eingeschobenen Reihe willk\u00fcrlicher Kontrak-","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t.\n125\ntionen erreichten, nat\u00fcrlich erst recht nichts Sicheres dar\u00fcber zu ergehen, ob w\u00e4hrend der Ausf\u00fchrung dieser Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen eine Erholung der Muskeln f\u00fcr die elektrische Reizung stattgefunden habe oder nicht. Was die mittelst der unten zu besprechenden bag-Metliode erhaltenen Resultate anbelangt, so k\u00f6nnen wir denselben aus unten anzugebendem Grunde eine Beweiskraft f\u00fcr die hier in Rede stehende Behauptung des Verfassers nicht zusprechen. \u00dcberdies hebt Verfasser weiterhin (S. 199 fT.) selbst hervor, dafs es bei geeigneten Versuchsbedingungen sehr wohl gelinge, eine durch willk\u00fcrliche Kontraktionen, ja sogar solche von nur submaximaler Art, bewirkte peripherische Erm\u00fcdung zu konstatieren. Endlich mag noch bemerkt werden, dafs die Behauptung, w\u00e4hrend einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen verm\u00f6ge sich eine Erholung f\u00fcr die auf elektrischem Wege erzielbare Leistungsf\u00e4higkeit der Muskeln zu vollziehen, den Versuchsresultaten Mossos widerspricht, welcher ausdr\u00fccklich konstatiert, dafs die Muskeln w\u00e4hrend eines Zeitraumes, wo sie infolge von Willensimpulsen eine Anzahl von Gewichtshebungen ausf\u00fchren, sich f\u00fcr die elektrische Reizung nicht erholen.\nVerfasser erkl\u00e4rt das von ihm behauptete Verhalten, dafs w\u00e4hrend einer Reihe maximaler Kontraktionen eine Erholung der Muskeln f\u00fcr die elektrische Reizung stattfinden k\u00f6nne, daraus, dafs im Verlaufe jener Kontraktionsreihe die Energie der zerebralen Anstrengung abnehme und die Undurchg\u00e4ngigkeit der motorischen Endplatte f\u00fcr die peripherie-w\u00e4rts strebende Erregung zunehme. Angenommen, jenes vom Verfasser behauptete Verhalten bestehe wirklich, so wird dasselbe durch diese vom Verfasser angef\u00fchrten beiden Gesichtspunkte durchaus nicht in gen\u00fcgender Weise erkl\u00e4rt. Nach Figur 4, welche das hier in Rede stehende, vom Verfasser behauptete Verhalten veranschaulichen soll, war in einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen der bei der ersten Kontraktion erreichte Spannungsgrad etwa sechs- bis neunmal und der bei der letzten Kontraktion erreichte Spannungsgrad etwa 3 bis 4 mal so hoch wie der h\u00f6chste der \u00fcberhaupt durch direkte elektrische Reizung erzielten Spannungsgrade. Andererseits zeigt dieselbe Figur, dafs trotz dieser geringen H\u00f6he der durch elektrische Reizung bewirkten Spannungsgrade dennoch in einer Reihe auf elektrischem Wege ausgel\u00f6ster Kontraktionen der Spannungsgrad infolge von peripherischer Erm\u00fcdung abnahm. Da nun die weit h\u00f6heren Muskelspannungen, welche durch den Willen bewirkt wurden, notwendig auch auf einem weit st\u00e4rkeren Verbrauche von im Muskel angeh\u00e4uften Kraftvorr\u00e4ten beruhen mufsten, als die schwachen auf elektrischem Wege ausgel\u00f6sten Muskelspannungen, so bleibt trotz aller Bezugnahme auf die allm\u00e4hliche Abnahme der den Willensimpulsen entsprechenden zentralen Erregungen und trotz der Annahme einer allm\u00e4hlichen Zunahme der Undurchg\u00e4ngigkeit der motorischen Endplatte es v\u00f6llig unverst\u00e4ndlich, wie die durch maximale Willensanstrengung hervorgerufenen (virtuellen) Kontraktionen eine geringere Abnahme der Leistungsf\u00e4higkeit der Muskeln haben bewirken sollen, als die durch elektrische Reizung ausgel\u00f6sten Kontraktionen, oder vielmehr, wie w\u00e4hrend der Ausf\u00fchrung","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nLilieraturbericht.\neiner Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen sogar eine Erholung der Muskeln habe stattfinden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend im Verlaufe einer Reihe auf elektrischem Wege ausgel\u00f6ster Kontraktionen sich eine sehr deutliche Abnahme der Leistungsf\u00e4higkeit der Muskeln vollzog.\nWir verm\u00f6gen also die Behauptung des Verfassers, dafs w\u00e4hrend der Ausf\u00fchrung einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen unter Umst\u00e4nden eine Erholung der Muskeln stattfinden k\u00f6nne, weder als eine solche anzusehen, welche durch das vom Verfasser mitgeteilte Versuchsmaterial bewiesen sei, und noch weniger als eine solche zu betrachten, deren G\u00fcltigkeit Verfasser durch die von ihm angef\u00fchrten Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde plausibel oder wenigstens begreiflich gemacht habe.1 Und wenn Verfasser (S. 198) auf Grund des angeblichen Umstandes, dafs w\u00e4hrend einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen eine peripherische Erholung m\u00f6glich sei, den Satz aufstellt, dafs die in einer Reihe willk\u00fcrlicher Kontraktionen sich zeigende objektive Erm\u00fcdung in h\u00f6herem Grade auf zentralen als auf peripherischen Vorg\u00e4ngen beruhe, so gilt uns nat\u00fcrlich auch dieser Satz nicht als erwiesen. Verfasser hat durch seine Versuche nur die, auch von Mosso festgestellte, Thatsache dar-gethan, dafs den objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen, welche bei willk\u00fcrlicher Muskelth\u00e4tigkeit auftreten, auch eine zentrale Erm\u00fcdung zu Grunde liegt. Dafs aber der Anteil der zentralen Erm\u00fcdung an jenen Erm\u00fcdungserscheinungen gr\u00f6fser sei, als der Anteil der peripherischen Erm\u00fcdung, hat Verfasser nicht erwiesen.\n2.\tVerfasser erw\u00e4hnt gelegentlich (S. 198), dafs die maximale elektrische Reizung, obwohl sie geringere objektive Erm\u00fcdungserscheinungen bewirke, als die maximale willk\u00fcrliche Erregung der Muskeln, doch intensivere und l\u00e4nger andauernde Empfindungen unangenehmer Art, welche in den Muskeln lokalisiert seien, hervorrufe. Er weist bei Erw\u00e4hnung dieser Erscheinung darauf hin, dafs sich der leise Muskelton, welcher bei Auskultation des Muskels w\u00e4hrend willk\u00fcrlicher Erregung h\u00f6rbar sei, mittelst Faradisation des Muskels nicht hersteilen lasse \u2014 bei 20 Reizst\u00f6fsen in der Sekunde vernehme man eine entsprechende Anzahl von hauchartigen Ger\u00e4uschen, bei 50 oder 100 Reizst\u00f6fsen h\u00f6re man einen musikalischen Ton von entsprechender Tonh\u00f6he \u2014, wohl aber sei der Muskelton, welcher im Galvanotonus, d. h., bei Durchstr\u00f6mung eines starken konstanten Stromes durch den Muskel, entstehe, identisch mit dem bei willk\u00fcrlicher Muskelkontraktion h\u00f6rbaren Muskeltone.\n3.\tDa die durch Faradisierung ausgel\u00f6sten Kontraktionen zu geringe Ausschl\u00e4ge am Dynamographen ergaben, die mit den durch Willensanstrengung bewirkten Ausschl\u00e4gen nicht zu vergleichen waren, so bediente sich Verfasser noch einer anderen Methode, die er kurz als die\n1 Angenommen \u00fcbrigens, es f\u00e4nde wirklich w\u00e4hrend einer Reihe maximaler Kontraktionen eine Erholung der Muskeln f\u00fcr die elektrische Reizung statt, so w\u00fcrde man sich zun\u00e4chst mit der zur Erkl\u00e4rung eines solchen Verhaltens an und f\u00fcr sich dienlichen Annahme auseinanderzusetzen haben, dafs bei den willk\u00fcrlichen Kontraktionen \u00fcberhaupt nur ein Teil der dem elektrischen Reize zug\u00e4nglichen Muskelfasern erregt werde.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n127\nbag-Methode bezeichnet und in recht d\u00fcrftiger Weise folgendermafsen beschreibt: \u201eThe apparatus for recording the hardening of muscle consists of a thick elastic bag fixed to the forearm by a broad leather band and communicating with a tambour.\u201c Es ist leicht zu erkennen, dafs die bei Anwendung dieser Methode beobachteten Exkursionen des Zeichenhebels \u2014 wir wollen dieselben k\u00fcnftighin in Anschlufs an die Ausdrucksweise des Verfassers kurz als die Lateraleffekte der Muskel-th\u00e4tigkeit oder als die Lateraleffekte schlechtweg bezeichnen, w\u00e4hrend die mittelst des Dynamographen konstatierten Muskelspannungen, gleichfalls der Ausdrucksweise des Verfassers gem\u00e4fs, kurz die longitudinalen Effekte heifsen sollen \u2014 ganz ungeeignet sind, uns \u00fcber das Verhalten der Muskelspannung unter verschiedenen Umst\u00e4nden Auskunft zu geben. Denn diese lateralen Effekte bestimmten sich nicht blofs nach der Th\u00e4-tigkeit derjenigen Muskeln, deren Spannung am Dynamographen zu Tage trat, sondern, wie Verfasser selbst bemerkt, auch noch nach dem Th\u00e4tig-keitszustande der antagonistischen Muskeln. Ferner liegt der Verdacht nahe, dafs diese lateralen Effekte auch noch von dem Blutgehalte der Muskeln beeinflufst worden seien.1 Der Blutgehalt der Muskeln steigt und f\u00e4llt allerdings im allgemeinen bei sonst gleichen Umst\u00e4nden mit der Intensit\u00e4t der Muskelth\u00e4tigkeit. Allein, in welchem Verh\u00e4ltnisse ungef\u00e4hr die bei eintretender Muskelth\u00e4tigkeit stattfindende Zunahme des Blutgehaltes eines Muskels zu der Ausgiebigkeit der Spannung oder Arbeitsleistung des Muskels stehe, l\u00e4fst sich in keinem Falle von vornherein ermessen. Und, was noch wichtiger ist, die Steigerung des Blutgehaltes der Muskeln geht in zeitlicher Hinsicht der Muskelth\u00e4tigkeit keineswegs parallel, sondern \u00fcberdauert dieselbe ganz betr\u00e4chtlich, wie die Versuche von Cha\u00fcveau gezeigt haben.\nVerfasser versichert uns (S. 195), dafs die lateralen Effekte unter gewissen Bedingungen den Exkursionen des Dynamographen sehr nahe proportional (very nearly proportional) gingen. Was er aber selbst an Versuchsresultaten mitteilt (in Fig. 4, 5, 6), l\u00e4fst diese Proportionalit\u00e4t stark vermissen. Auch hebt Verfasser selbst hervor, dafs durch die Erm\u00fcdung die lateralen Effekte weniger verringert werden als die longitudinalen; und wir erfahren vom Verfasser und ersehen aus seinen Figuren, dafs bei der direkten faradischen Muskelerregung die Lateraleffekte in einem bedeutend gr\u00f6fseren Verh\u00e4ltnisse zu den longitudinalen Effekten stehen als bei der willk\u00fcrlichen Muskelerregung. Endlich teilt uns auch Verfasser (S. 196) mit, dafs er in Hinblick auf diese Verh\u00e4ltnisse es sp\u00e4terhin selbst f\u00fcr angezeigt gehalten habe, neben den lateralen Effekten stets noch die longitudinalen Effekte verzeichnen zu lassen. Kurz, sowohl die blofse theoretische \u00dcberlegung als auch das vom Verfasser mitgeteilte Versuchsmaterial und die eigenen Zugest\u00e4ndnisse des Verfassers zeigen hinl\u00e4nglich, dafs die lateralen Effekte noch von ganz anderen Dingen als der Spannung der betreffenden\n1 In demjenigen, was Verfasser auf S. 207 bemerkt, wird im Grunde ^gsgeben, dafs \u00c4nderungen der \u201evascularity\u201c der Muskeln Einflufs auf die lateralen Effekte haben konnten.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nId it\u00e9ra turbericht.\nBeugemuskeln abhingen, und dafs es demgem\u00e4fs auch durchaus unzul\u00e4ssig ist, die beobachteten lateralen Effekte als Beweis f\u00fcr irgend einen auf das Verhalten der Muskelspannung bez\u00fcglichen Satz (z. B. den oben besprochenen Satz, dafs w\u00e4hrend einer Reihe maximaler willk\u00fcrlicher Kontraktionen eine peripherische Erholung stattfinden k\u00f6nne) zu verwenden.1\nSehr groi'ses Gewicht legt Verfasser (S. 208\u201417) auf die Resultate, die er erhielt, als er die lateralen und longitudinalen Effekte einerseits hei willk\u00fcrlicher und andererseits bei faradischer Muskelerregung miteinander verglich. Er fand, dafs bei willk\u00fcrlicher Muskelerregung im Falle nicht vorhandener Erm\u00fcdung der laterale Effekt ein wenig fr\u00fcher eintritt und ein wenig l\u00e4nger andauert, als der longitudinale Effekt, und bei eintretender Erm\u00fcdung die Nachdauer des lateralen Effektes, d. h., der Zeitraum, um welchen derselbe den longitudinalen Effekt \u00fcberdauert, betr\u00e4chtlich zunimmt, und zwar um so mehr, je weiter die Erm\u00fcdung fortschreitet. Bei der direkten elektrischen Tetanisierung des Muskels hingegen wurde die Nachdauer des lateralen Effektes durch die Erm\u00fcdung nur in geringem Grade verl\u00e4ngert. Diese Verschiedenheit des Einflusses der Erm\u00fcdung auf die Nachdauer des lateralen Effekts, je nachdem die Muskeln durch den Willen oder durch direkte elektrische Reizung erregt wurden, zeigte sich auch dann, als die Willensimpulse so abgemessen wurden, dafs die longitudinalen Effekte derselben nicht st\u00e4rker ausfielen, als die longitudinalen Effekte der faradischen Tetanisierung. Bei den willk\u00fcrlichen Kontraktionen zeigte sich neben der Nachdauer des lateralen Effektes zuweilen auch noch die Erscheinung, dafs der laterale Effekt in einem Stadium der Kontraktion, wo der longitudinale Effekt schon im Absteigen begriffen war, noch eine Erh\u00f6hung erfuhr und erst dann abfiel.\nVerfasser kn\u00fcpft an diese Versuchsresultate Schl\u00fcsse weitgehendster Art an. Er glaubt, dafs sich dieselben nicht anders erkl\u00e4ren liefsen als durch die Annahme, dafs die Nachdauer des lateralen Effektes bei willk\u00fcrlicher Anstrengung eines erm\u00fcdeten Muskels wesentlich auf einer Residualentladung des erm\u00fcdeten Zentrums beruhe, welche in den Muskelfasern einen molekularen Vorgang (a residual molecular effect) zur Folge habe, der sich merkw\u00fcrdigerweise wesentlich nur in einer Nachdauer des lateralen Effekts (der gr\u00f6fseren Breite oder H\u00e4rte des Muskels),\n1 Zu den Erscheinungen, welche darauf hinweisen, dafs die lateralen Effekte von noch ganz anderen Dingen als dem Spannungszustande der betreffenden Beugemuskeln abhingen, scheint uns auch der, insbesondere in Figur 4 hervortretende, Umstand zu geh\u00f6ren, dafs die Abscisse, von welcher aus sich die mittelst der bag-Methode erhaltenen Kurven erheben, namentlich im Anf\u00e4nge einer Versuchsreihe eine starke Tendenz besitzt, immer niedriger zu werden, w'\u00e4hrend bei entsprechenden Beobachtungen der longitudinalen Effekte die Abscisse infolge des Auftretens der Kontraktur h\u00e4ufig eine Tendenz besitzt, sich zu erheben. Verfasser \u00fcbergeht jene eigent\u00fcmlichen Senkungen der Abscisse der Lateraleffekte mit Stillschweigen.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Li tteraturbericht.\n129\nnicht aber auch in einer entsprechenden1 Nachdauer des longitudinalen Effektes (der geringeren L\u00e4nge oder st\u00e4rkeren Spannung des Muskels) \u00e4ufsere. Verfasser redet von einer Dissoziation der lateralen und longitudinalen Effekte, welche auch sonst vorhanden sei, aber bei der Erm\u00fcdung durch willk\u00fcrliche Muskelth\u00e4tigkeit am deutlichsten zu Tage trete, wobei er hier, wie soeben angedeutet, unter dem lateralen Effekte, je nachdem es sich um aktuelle oder virtuelle Muskelkontraktion handelt, die Verbreiterung oder das H\u00e4rterwerden des Muskels (broadening or hardening) und unter dem longitudinalen Effekte die Verk\u00fcrzung oder die Zunahme der Spannung des Muskels versteht. \u201eThe phenomenon immediately under the influence of nerve is the lateral effect, which again is the immediate antecedent of the longitudinal effect\u201c. Verfasser scheint sich nicht klar gemacht zu haben, dafs die Annahme, es finde bei der Muskelerregung zeitweilig eine Zunahme des Querschnittes der Muskelfasern statt, ohne dafs gleichzeitig eine entsprechende Verk\u00fcrzung der Fasern sich vollziehe, notwendig zu dem, der Mehrzahl der Physiologen schwerlich sehr glaubhaften, Schl\u00fcsse f\u00fchrt, dafs der Muskel bei seiner Erregung betr\u00e4chtliche, wenn auch nur kurzdauernde, \u00c4nderungen seines Volumens erfahren k\u00f6nne. Sehr befremdend sind ferner die Vorstellungen, welche Verfasser betreffs des Eindruckes zunehmender H\u00e4rte, den die Muskeln im menschlichen Organismus bei ihrer Kontraktion in der Regel erwecken, entwickelt. Schon Ed. Weber hat in seiner bahnbrechenden Abhandlung \u00fcber Muskelbewegung hervorgehoben, dafs jener Eindruck des H\u00e4rterwerdens der sich kontrahierenden Muskeln auf den Spannungen beruht, in denen sich die untersuchten Muskeln des menschlichen Organismus im Falle ihres Erregtseins gew\u00f6hnlich befinden. \u201eOhne hinreichenden Grund hat man behauptet\u201c, heifst es bei Weber (S. 54), \u201edafs die Muskeln, wenn sie in Th\u00e4tigkeit gerieten, h\u00e4rter w\u00fcrden. . . . Muskeln, welche sich zu verk\u00fcrzen streben, werden dadurch st\u00e4rker gespannt, wenn zugleich der Widerstand gr\u00f6fser wird, welchen die Glieder den Muskeln entgegensetzen. . . . W\u00e4chst der Widerstand nicht und nimmt daher auch die Spannung nicht zu, so kann man keinen Unterschied der H\u00e4rte im Zustande der Th\u00e4tigkeit und Unth\u00e4tigkeit der Muskeln wahrnehmen. . . . L\u00e4fst man einen Muskel, dessen Flechse durchschnitten worden ist, durch den galvanischen Strom sich verk\u00fcrzen, so bleibt er weich und verr\u00e4ht dem ihn zusammendr\u00fcckenden Finger nur\n1 Dafs auch der longitudinale Effekt einer willk\u00fcrlichen Muskelanstrengung bei vorhandener Erm\u00fcdung etwas langsamer schwinde als bei frischem Zustande, giebt Verfasser (S. 210, 215 ff., 222) auf Grund eigener Versuche zu, indem er zugleich dieses Verhalten \u2014 wie wir weiterhin sehen werden, ohne ausreichende Begr\u00fcndung \u2014 darauf zur\u00fcckf\u00fchrt, dafs die Erregungen der motorischen Zentren bei eingetretener Erm\u00fcdung langsamer schw\u00e4nden.\nTn Hinblick darauf, dafs auch bei elektrischer Muskelreizung eine gewisse, wenn auch geringe, Verl\u00e4ngerung des lateralen Effektes durch Erm\u00fcdung beobachtet wird, giebt Verfasser zu, dafs auch am willk\u00fcrlich erregten Muskel die durch Erm\u00fcdung bewirkte Verl\u00e4ngerung des lateralen Nacheffektes zu einem geringen Teile auf peripherischen Vorg\u00e4ngen beruhe.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie IV.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nLitteraturbericht.\neine solche geringe Spannung, welche dem geringen Widerstande, welchen der Finger und das Zellgewebe seiner Bewegung entgegensetzen, gleichkommt\u201c. Nach dieser Darlegung Werkes, welche unseres Wissens bisher noch nirgends angefochten worden ist1, ist also die Zunahme der H\u00e4rte, welche die Muskeln unter gewissen Bedingungen hei ihrer Kontraktion scheinbar erfahren, einfach eine Funktion der Spannungen, in welche die Muskeln unter den betreffenden Versuchsbedingungen bei ihrer Kontraktion geraten, d. h., eine Funktion derselben Spannungen, welche eventuell als sog. longitudinale Effekte am Dynamographen zu Tage treten. Nach den Hypothesen des Verfassers hingegen beruht das H\u00e4rterwerden der sich kontrahierenden Muskeln auf einem anderen, innerhalb der Muskelfasern sich abspielenden, molekularen Vorg\u00e4nge, als die am Dynamographen zu Tage tretende Muskelspannung ; es beruht auf einer \u201elateral tension\u201c, welche der auf den Dynamographen wirkenden Spannung der Muskelfasern vorhergehen und dieselbe \u00fcberdauern kann, welche anwachsen kann, w\u00e4hrend letztere Spannung bereits im Absinken begriffen ist u. s. w. Auch die schon oben erw\u00e4hnte Thatsache, dafs das Verh\u00e4ltnis des lateralen zu dem longitudinalen Effekt bei direkter elektrischer Beizung des Muskels gr\u00f6fser ist, als bei willk\u00fcrlicher Erregung desselben, ist dem Verfasser ein Beweis f\u00fcr die gegenseitige Unabh\u00e4ngigkeit der beiden in den erregten Muskelfasern sich abspielenden Vorg\u00e4nge, deren einer sich in dem H\u00e4rterwerden und deren anderer sich in der am Dynamographen zu beobachtenden Spannungszunahme des Muskels \u00e4ufsere.\nWir bezweifeln, dafs die Besultate, welche Verfasser bei seiner Vergleichung der lateralen und longitudinalen Effekte erhalten hat, dazu berechtigen, ohne weiteres zu so befremdlichen und weitgehenden Hypothesen zu greifen, wie Verfasser nach dem soeben Angedeuteten aufgestellt hat. Die Mitteilungen des Verfassers \u00fcber seine bag-Methode sind leider so d\u00fcrftig, dafs es zur Zeit unm\u00f6glich ist, sich ein ganz klares und sicheres Bild dieser Methode zu machen und die betreffenden Versuche des Verfassers in genau derselben Weise zu wiederholen und die Fehlerquellen des Verfahrens genau abzusch\u00e4tzen. Auf jeden Fall aber sind die in Betracht kommenden Verh\u00e4ltnisse sehr kompliziert, so dafs zur Zeit jede mit Sicherheit vorgetragene Deutung der Einzelheiten der mittelst dieser Methode erhaltenen Besultate (nat\u00fcrlich auch die oben erw\u00e4hnte eigene Deutung des Verfassers) verfr\u00fcht erscheint. Wir wollen dies an ein paar Beispielen n\u00e4her zeigen.\nWie erw\u00e4hnt , erblickt Verfasser in der von ihm gefundenen Thatsache, dafs der laterale Effekt im Verh\u00e4ltnisse zu dem longitudinalen Effekte bei direkter elektrischer Beizung des Muskels gr\u00f6fser ist, als bei willk\u00fcrlicher Erregung desselben, eine Best\u00e4tigung der weitgehenden Hypothesen, welche er betreffs der bei eintretender Erregung im Muskel sich abspielenden Vorg\u00e4nge entwickelt. Dem gegen\u00fcber k\u00f6nnte nun jemand geltend machen, dafs, wie oben bemerkt, die beobachteten\n1 Als richtig reproduziert wird dieselbe z. B. in Gr\u00fcnhagens Lehrbuch der Physiologie. 1886, 2, S. 53.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraiurbericht.\n131\nlateralen Effekte wahrscheinlich vom Blutgehalte der Muskeln nicht unabh\u00e4ngig gewesen seien, und die (etwa durch Versuche an dem vom Kreisl\u00e4ufe ausgeschlossenen Muskel zu entscheidende) Frage aufwerfen, oh jene vom Verfasser gefundene Thatsache ihren Grund nicht einfach darin habe, dafs hei direkter elektrischer Reizung eines Muskels der Blutgehalt desselben mehr erh\u00f6ht werde, als hei einer willk\u00fcrlichen Muskelerregung, welche den gleichen longitudinalen Effekt habe. Bekanntlich hat Tiegel gefunden, dafs bei fortgesetzter direkter Reizung des bluthaltigen kurarisierten Muskels die Wallung des Blutes nicht selten sogar bis zur Bildung von Extravasaten geht. \u00c4hnliches fand Remak, der von einer wirklichen \u201eAufbl\u00e4hung\u201c redet, welche die Muskeln des Menschen unter dem Einfl\u00fcsse des elektrischen Stromes zuweilen erf\u00fchren.\nFerner bemerkt Verfasser selbst gelegentlich (S. 194), dafs die geringere Wirkung, welche die direkte oder indirekte elektrische Reizung eines Muskels in Vergleich zur willk\u00fcrlichen Erregung desselben am Dynamographen erzielt habe, unzweifelhaft ihren Grund zum Teil darin gehabt habe, dafs durch den elektrischen Reiz ebenso wie die Flexoren auch die antagonistischen Extensoren in Th\u00e4tigkeit versetzt worden seien. In Hinblick auf diese Bemerkung des Verfassers erhebt sich betreffs der Thatsache, dafs die laetralen Effekte in Vergleich zu den longitudinalen bei der elektrischen Reizung gr\u00f6fser ausfielen, als bei der willk\u00fcrlichen Muskelerregung, auch noch die zweite Frage, ob diese Thatsache ihren Grund nicht auch darin habe besitzen k\u00f6nnen, dafs die antagonistischen Extensoren, deren Th\u00e4tigkeit einerseits denlateralen Effekt vergr\u00f6fsern und andererseits den longitudinalen Effekt verringern mufste, bei der elektrischen Reizung in st\u00e4rkere Th\u00e4tigkeit gerieten, als bei der willk\u00fcrlichen Erregung. Nach den Untersuchungen, welche Demeny und Beevor \u00fcber das Verhalten der Antagonisten bei den willk\u00fcrlichen Bewegungen angestellt haben (vergl. diese Zeitschrift, Bd. 2, S. 412 ff., Bd. 3, S. 235), ist anzunehmen, dafs, wenn durch willk\u00fcrliche Erregung gewisser Beugemuskeln auf einen Dynamographen gewirkt wird, alsdann die antagonistischen Extensoren in keine merkbare Miterregung versetzt werden.\nMit der Behauptung, dafs die Zunahme der Nachdauer des lateralen Effekts ein Zeichen zentraler Erm\u00fcdung sei, verbindet Verfasser (S. 214) die andere Behauptung, dafs hingegen eine Zunahme des Gr\u00f6fsen-verh\u00e4ltnisses, in welchem der laterale zu dem longitudinalen Effekt stehe, auf peripherische Erm\u00fcdung bezogen werden m\u00fcsse. Als Beweis f\u00fcr letztere Behauptung f\u00fchrt er an, dafs er auch am ausgeschnittenen Froschgastrocnemius gefunden habe, dafs das Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnis des lateralen zu dem longitudinalen Effekte bei fortschreitender Erm\u00fcdung zunehme. Hierzu k\u00f6nnte jemand folgendes bemerken.\nWenn ein aufgeh\u00e4ngter Muskel bei einer Reihe mit kurzen Intervallen aufeinanderfolgender Erregungen durch Verbindung seines unteren Endes mit einem ann\u00e4hernd oder v\u00f6llig unbeweglichen K\u00f6rper oder durch \u00dcberlastung w\u00e4hrend der jedesmaligen ganzen Erregungsdauer, bezw. w\u00e4hrend eines Teiles derselben an der Verk\u00fcrzung ver-\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nLitteraturbericht.\nhindert ist, so vergr\u00f6fsert sich nicht selten im Verlaufe der Versuchsreihe seine Ruhel\u00e4nge, indem bei jeder Erregung die sehnigen Fortsetzungen der Muskelfasern eine Dehnung erfahren, die w\u00e4hrend des Reizintervalles nicht v\u00f6llig r\u00fcckg\u00e4ngig wird, und indem zugleich etwaige Kr\u00fcmmungen einzelner Fasern, die anfangs vorhanden sind, im Verlaufe der Versuchsreihe immer mehr schwinden1. Diese allm\u00e4hliche Vergr\u00f6fserung der Ruhel\u00e4nge eines . Muskels bei einer Reihe aufeinanderfolgender Erregungen ist von verschiedenen Forschern beobachtet worden2. Dieselbe mufs \u2014 mag ihre Ursache sein, welche sie wolle \u2014 hei Versuchen, bei denen einerseits der laterale Effekt und andererseits der an einem Dynamographen zu Tage tretende longitudinale Effekt jeder Muskelerregung beobachtet wird, notwendig zur Folge haben, dafs der longitudinale Effekt schw\u00e4cher, hingegen der laterale Effekt st\u00e4rker ausf\u00e4llt, als der Fall sein w\u00fcrde, wenn die Ruhel\u00e4nge des Muskels unver\u00e4ndert bliebe. Denn je gr\u00f6fser die Ruhel\u00e4nge des Muskels wird, bei desto h\u00f6herem Kontraktionsgrade kommen die Muskelfasern \u00fcberhaupt erst zur Wirkung auf den Dynamographen. Es macht sich also die im Verlaufe der Versuchsreihe eintretende Zunahme der Ruhel\u00e4nge des Muskels dahin geltend, dafs das Verh\u00e4ltnis des lateralen zu dem longitudinalen Effekte im Verlaufe der Versuchsreihe zunimmt \u2014 ganz wie es Verfasser bei seinen Versuchen am Froschgastrocnemius gefunden hat. Und es fragt sich mithin, ob das angef\u00fchrte Ergebnis dieser Versuche nicht einfach in den oben angedeuteten, rein mechanischen, Vorg\u00e4ngen, welche zu einer Zunahme der Ruhel\u00e4nge des Muskels f\u00fchren, seinen Grund habe.\nDas Vorstehende mag gen\u00fcgen, um zu zeigen, wie vieldeutig die Versuchsresultate, welche Verfasser betreffs der lateralen Effekte und ihres Verh\u00e4ltnisses zu den longitudinalen Effekten erhalten hat, zurZeit noch erscheinen m\u00fcssen, und wie sehr man dann, wenn man nach Art des Verfassers aus diesen Resultaten auf ungeahnte, wichtige Verhaltungsweisen der in den erregten motorischen Zentren und in den Muskelfasern sich ahspielenden Vorg\u00e4nge schliefst, Gefahr l\u00e4uft, Dingen eine grofs-\n1\tEs ist leicht denkbar, dafs diese Reckung und bessere Orientierung der Fasern gerade in Muskeln von so kompliziertem Bau, wie ihn der Froschgastrocnemius besitzt, eine gr\u00f6fsere Rolle spiele.\n2\tMan vergleiche z. B. Volkmann in Joh. M\u00fcllers Archiv, 1858, S. 242, Versuchsreihe VI; Hermann in Pfl\u00fcgers Archiv, 4, 1871, S. 197; Leber in der Zeitschrift f\u00fcr rat. Med., 18, 1863, S. 276 ff.; Heidenhain, Mechanische Leistung, W\u00e4rmeentwickelung und Stoffumsatz bei der Muskel-th\u00e4tigkeit, S. 93 ff., 133. Hierher geh\u00f6rt auch eine von Kronecker (Leipz. Ber., 1871, S. 716, 739 ff., 759) mitgeteilte Beobachtung. Man lasse den Muskel zun\u00e4chst durch ein verh\u00e4ltnism\u00e4fsig betr\u00e4chtliches Gewicht dehnen und sorge durch eine Unterst\u00fctzungsschraube daf\u00fcr, dafs derselbe bei den hervorzurufenden Zuckungen durch das fallende Gewicht keine \u00dcberdehnung \u00fcber die soeben mittelst des Gewichtes hergestellte Dehnungsgr\u00f6fse hinaus erfahre. L\u00e4fst man hierauf den Muskel eine gr\u00f6fsere Anzahl von Zuckungen ausf\u00fchren und entfernt nach Ausf\u00fchrung derselben die Unterst\u00fctzungsschraube, so zeigt sich jetzt die Ruhel\u00e4nge des Muskels gr\u00f6fser, als vor Eintritt der Zuckungen. Nat\u00fcrlich werden die Verh\u00e4ltnisse komplizierter, wenn diejenigen Vorg\u00e4nge, welche dem Verk\u00fcrzungsr\u00fcckstande zu Grunde liegen, in erheblichem Grade mit-wirken.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n133\nartige Bedeutung zu geben, -welche im Grunde ziemlich trivialen Ursprunges sind.\n4) Verfasser (S. 181 ff., 218 ff.) hat fr\u00fcher an isolierten Froschmuskeln Versuche angestellt, welche zeigen, dafs eine lange Zeit hindurch gereizter motorischer Nerv zu einer Zeit, wo er selbst keineswegs ersch\u00f6pft ist und auch der Muskel noch direkt erregbar ist, nicht mehr die F\u00e4higkeit besitzt, durch seine Erregung auf den Muskel zu wirken. Verfasser deutet dieses Verhalten dahin, dafs die motorische Endplatte das schwache Glied in der neuromuskul\u00e4ren Kette sei und durch fr\u00fchzeitige Ersch\u00f6pfung die Einwirkung des noch erregbaren Nerven auf den noch erregbaren Muskel verhindere. Er hat nun neuerdings auch noch Versuche an Muskeln des lebenden Menschen angestellt, um diese gr\u00f6fsere Erm\u00fcdbarkeit der motorischen Endplatte zu erweisen, erkennt aber selbst die Kompliziertheit der Verh\u00e4ltnisse an, welche es unm\u00f6glich macht, die Resultate dieser am lebenden Menschenmuskel angestellten Versuche als ganz beweiskr\u00e4ftig anzusehen.\n5. Bekanntlich haben Dondebs und tan Mansvelt gefunden, dafs, wenn der Vorderarm bei horizontaler Stellung infolge willk\u00fcrlicher Innervation der betreffenden Beugemuskeln einer Last das Gleichgewicht h\u00e4lt, er alsdann bei pl\u00f6tzlicher Befreiung von dieser Last oder einem Teile derselben (durch Durchschneidung des die Last mit dem Handgelenke verbindenden Fadens u. dergl.) h\u00f6her emporschnellt, wenn er erm\u00fcdet ist, als dann, wenn er sich im unerm\u00fcdeten Zustande befindet. Das gleiche Resultat haben auch Mossos Versuche mit dem Ponographen, \u00fcber welche in Bd. 1 dieser Zeitschrift, S. 189 ff., berichtet worden ist, ergeben. Referent hat an letzterem Orte darauf hingewiesen, dafs sich jenes Verhalten ganz einfach erkl\u00e4re, wenn man bedenke, dafs die Erm\u00fcdung eines Muskels nachgewiesenermafsen die Folge hat, den Erregungsprozessen, welche in ihm erweckt werden, eine l\u00e4ngere Dauer zu geben. Verfasser (S. 219 ff.) vermutet gleichfalls, dafs jenes Verhalten auf eine l\u00e4ngere Andauer der Erregungen in den erm\u00fcdeten Muskeln zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, ist aber geneigt, diese l\u00e4ngere Andauer der Erregungen zu einem Teile durch die Annahme zu erkl\u00e4ren, dafs die Erregung der motorischen Zentren im Falle der Erm\u00fcdung l\u00e4nger andauere.\nVerfasser st\u00fctzt diese Annahme auf Versuche, bei denen zun\u00e4chst der eine Arm erm\u00fcdet wurde und hierauf versucht wurde, mit beiden H\u00e4nden auf einen Doppeldynamographen gleichzeitig gleich stark und gleich lang zu wirken. Der erm\u00fcdete Arm ergab einen geringeren und langsamer schwindenden Ausschlag am Dynamographen als der unerm\u00fcdete Arm1. Verfasser erblickt in diesem Versuchsresultate einen Beweis f\u00fcr seine Annahme, dafs die zentralen Impulse durch Erm\u00fcdung verl\u00e4ngert werden. Es ist absolut nicht einzusehen, weshalb dieses Versuchs-\n1 V orversuche hatten gezeigt, dafs bei normalem Zustande beider Arme die Willensbewegungen derselben gleichzeitig erfolgten mit einem mittleren Fehler, der nicht gr\u00f6fser war als 0,02\", und dafs die Erm\u00fcdung des einen Armes keine merkbare Erm\u00fcdung des anderen Armes mit sich f\u00fchrte.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLitteraturbericht.\nr\u00e9sultat nicht einfach daraus erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne, dafs der Muskel im erm\u00fcdeten Zustande infolge gewisser in den Muskelfasern eingetretener Ver\u00e4nderungen gleiche Reize direkter oder indirekter Art nachweislich mit einer zwar schw\u00e4cheren, aber zugleich l\u00e4nger andauernden Erregung beantwortet als im frischen Zustande.\nVerfasser wiederholte ferner die oben erw\u00e4hnten Versuche von Donders und van Mansvelt in der Weise, dafs er den Vorderarm nach Durchschneidung des die Last tragenden Fadens nicht frei emporsteigen, sondern auf einen Spannungszeiger wirken liefs. Es zeigte sich auffallenderweise, dafs der pl\u00f6tzlich entlastete Arm im erm\u00fcdeten Zustande weder einen gr\u00f6fseren noch einen l\u00e4nger andauernden Ausschlag am Spannungszeiger ergab als im frischen Zustande. Verfasser (S. 224) findet eine Erkl\u00e4rung des anscheinenden Widerspruches, in dem dieses Versuchsergebnis zu dem von Donders und van Mansvei.t erhaltenen Resultate steht, darin, dafs dem fr\u00fcher Gesehenen gem\u00e4fs eine und dieselbe Spannung eines erregten (und einer Last das Gleichgewicht haltenden) Muskels bei vorhandener Erm\u00fcdung von einem gr\u00f6fseren und l\u00e4nger nachdauernden lateralen Effekte der Muskelerregung begleitet sei als bei frischem Zustande. Es sei v\u00f6llig begreiflich (quite intelligible), dafs diese dem Erm\u00fcdungszustande eigent\u00fcmliche gr\u00f6fsere Ausgiebigkeit und Nachdauer des lateralen Effektes zwar in dem Falle, wo der Muskel nach Befreiung von der Last sich frei verk\u00fcrzen k\u00f6nne, mit einem gr\u00f6fseren Umfange der Kontraktion verbunden sei, hingegen in dem Falle, wo der Muskel nach seiner Entlastung auf einen Spannungszeiger wirke, eine Zunahme des Umfanges und der Dauer der Spannungs\u00e4nderung des Muskels nicht mit sich f\u00fchre. Wir k\u00f6nnen hierin eine Erkl\u00e4rung nicht erblicken. Denn niemandem als dem Verfasser d\u00fcrfte es v\u00f6llig begreiflich erscheinen, dafs eine Vergr\u00f6fserung und zeitliche Verl\u00e4ngerung des lateralen Effektes zwar im Falle der aktuellen Kontraktion mit einer Zunahme des Kontraktionsumfanges verbunden sein m\u00fcsse, hingegen im Falle der virtuellen Kontraktion von einer Zunahme des Umfanges oder der Dauer der Spannungs\u00e4nderung des Muskels nicht begleitet sei. Auch wiederspricht dasjenige, was Verfasser hier f\u00fcr v\u00f6llig begreiflich erkl\u00e4rt, der Thatsache, dafs, wie oben erw\u00e4hnt, Verfasser selbst durch verschiedene Versuche (S. 210, 215 ff., 222) festgestellt hat, dafs die durch Erm\u00fcdung bewirkte zeitliche Verl\u00e4ngerung des lateralen Effektes der willk\u00fcrlichen Muskelerregung im Falle der virtuellen Kontraktion mit einer, wenn auch nicht entsprechenden, Verl\u00e4ngerung des am Dynamographen erzielbaren longitudinalen Effektes verbunden ist.\n6. Bekanntlich hat Fick gefunden, dafs, wenn ein durch maximale Willensanstrengung erregter, auf einen Spannungszeiger wirkender Muskel noch von einem elektrischen Reize betroffen wird, alsdann der Spannungsgrad des Muskels keine Zunahme, sondern eine Abnahme erf\u00e4hrt. Fick sah diese Erscheinung als eine reflexartige Hemmungswirkung im Nervensystem an.1 Verfasser (S. 224 ff.) macht nun geltend,\n1 Betreffs Mossos Untersuchungen dieser Erscheinung vergleiche man diese Zeitschrift, Bd. 1, S. 188.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n135\ndafs in manchen der von ihm beobachteten F\u00e4lle zwischen dem Beginne der elektrischen Reizung und der Abnahme des willk\u00fcrlich unterhaltenen Spannungsgrades nur ein Zeitraum von der G-r\u00f6fsenordnung des Latenzstadiums verstrichen sei, und dafs in diesen F\u00e4llen die beobachtete Spannungsabnahme vermutlich einfach dadurch zu st\u00e4nde gekommen sei, dafs die elektrische Reizung die antagonistischen Muskeln erregte. Auf diese Reizung der antagonistischen Muskeln sei es zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs gleichzeitig mit der durch die elektrische Reizung bewirkten Abnahme des longitudinalen Effektes eine Zunahme des lateralen Effektes der Muskelerregung verbunden sei. In anderen F\u00e4llen, wo zwischen dem Beginne der elektrischen Reizung und der Abnahme der willk\u00fcrlichen Muskelspannung ein bedeutend gr\u00f6fserer Zeitraum (ca. Vio Sekunden) verstrich, hat man nach des Verfassers Ansicht diese Spannungsabnahme als eine reflektorische Erscheinung aufzufassen. Nur sei kein Grund vorhanden, dieselbe im Sinne Ficks als eine Reflexerscheinung ganz besonderer Art (als eine reflexartige Erscheinung von Nervenhemmung) anzusehen , sondern es gen\u00fcge , anzunehmen, dafs es sich um eine reflektorische Erregung der Antagonisten handele. Verfasser konnte dieses reflektorische Sinken der willk\u00fcrlich unterhaltenen Spannung durch Reizung jeder beliebigen K\u00f6rperstelle erzielen, wenn auch nicht mit der gleichen Sicherheit und Eleganz wie bei Reizung des betreffenden Gliedes selbst.\nIn noch anderen F\u00e4llen betrug die Zeit, die zwischen Beginn der elektrischen Reizung und Abnahme der Spannung verstrich, etwa 7\u00bb\u00b0 Sekunde. Diese Zeit erscheint dem Verfasser einerseits zu kurz, als dafs die Spannungsabnahme in diesen F\u00e4llen auf reflektorischem Wege h\u00e4tte zu st\u00e4nde kommen k\u00f6nnen, und andererseits zu lang, als dafs eine direkte Erregung der Antagonisten angenommen werden k\u00f6nnte. F\u00fcr diese F\u00e4lle bleibt nach Ansicht des Verfassers nur die Erkl\u00e4rung \u00fcbrig, dafs die beobachtete Spannungsabnahme darauf beruht habe, dafs die Antagonisten auf den Reiz (the direct extensile stimulus), den sie durch die Th\u00e4tigkeit der von der elektrischen Reizung betroffenen Muskeln erfuhren, in gewissem Grade reagierten. Diese Erkl\u00e4rung setzt voraus, dafs die elektrische Reizung in den durch maximale Willensanstrengung gespannten Muskeln zun\u00e4chst eine merkbare Erh\u00f6hung des Spannungs- und Kontraktionsgrades bewirkt habe; denn sonst war ja \u00fcberhaupt kein direct extensile stimulus f\u00fcr die Antagonisten vorhanden. Von einer solchen der Spannungsabnahme vorhergehenden positiven Anfangswirkung der elektrischen Reizung hat aber Fick und anscheinend auch der Verfasser selbst nichts gesehen. Auch wird von manche p Physiologen, vor allem Fick (Kompendium der Physiologie, 4. Aufl., S. 24), auf Grund von Versuchen der Behauptung widersprochen, dafs eine blofse Dehnung des ruhenden Muskels erregend auf denselben zu wirken verm\u00f6ge.\n7. Verfasser stellte \u2014 neben einigen nicht zum Abschlufs gekommenen Versuchen \u00fcber Fechners Parallelgesetz (S. 230) \u2014 endlich noch Versuche an, bei denen es sich darum handelte, nach dem Vorg\u00e4nge von Bernhardt und Ferrier die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr willk\u00fcrlich gehobene Gewichte mit der Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Gewichte,","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nLitteraturbericJit.\nwelche infolge elektrischer Reizung gehoben werden, zu vergleichen. Hierbei bediente er sich der Methode der eben merklichen Unterschiede, \u00fcber die er, in der Meinung, auf bisher nicht gen\u00fcgend Beachtetes aufmerksam zu machen, einige Bemerkungen vorausschickt (S. 230 ff.), welche jedem auf diesem Gebiete Orientierten trivial erscheinen m\u00fcssen und sich dadurch erkl\u00e4ren, dafs Verfasser von der die psychophysischen Methoden betreffenden Litteratur anscheinend nur F\u00e9chners Elemente der Psychophysik kennt. Bei den Versuchen zeigte sich, dafs die Unterschiedsempfindlichkeit in dem Falle, wo die Gewichte willk\u00fcrlich gehoben wurden, unvergleichlich gr\u00f6fser war als in dem Falle, wo die Hebungen infolge elektrischer Reizung stattfanden. Da indessen die Unterschiedsempfindlichkeit im letzteren Falle sich sogar geringer zeigte als die Unterschiedsempfindlichkeit des blofsen Drucksinnes der Haut und mithin die sensorischen Nebenwirkungen der elektrischen Reizung notwendig irgendwie st\u00f6rend auf die Gewichtsvergleichung eingewirkt haben mufsten, so legt Verfasser selbst diesen Versuchsresultaten keine positive Beweiskraft bei. Es ist ja auch klar, dafs man vom Standpunkte der Ansicht aus, nach welcher die Vergleichung willk\u00fcrlich gehobener Gewichte auf peripherischen Eindr\u00fccken beruht, im Falle elektrischer Bewirkung der Gewichtshebungen nur dann die gleiche Sch\u00e4rfe der Unterscheidungsf\u00e4higkeit zu erwarten h\u00e4tte wie im Falle willk\u00fcrlichen Zustandekommens der Hebungen, wenn man erstens sicher w\u00fcfste, dafs die elektrische Reizung nicht auch die zu den betreffenden Muskeln, Sehnen, Gelenken u. s. w. gehenden sensorischen Nerven betrifft, und zweitens auch noch \u00fcberzeugt sein k\u00f6nnte, dafs der Umfang und zeitliche Verlauf der auf elektrischem Wege ausgel\u00f6sten Gewichtshebungen derselbe ist wie derjenige der willk\u00fcrlichen Hebungen. Letzterer Punkt ist vom Verfasser nicht ber\u00fccksichtigt worden.\n8. Nachdem der Leser im vorstehenden mit allen Versuchsresultaten des Verfassers getreulich bekannt gemacht worden ist und zugleich auch den Grad der Sicherheit, den die vom Verfasser an diese Resultate angekn\u00fcpften Schl\u00fcsse besitzen, einigermafsen kennen gelernt hat, ist er im st\u00e4nde, sich ein Urteil dar\u00fcber zu bilden, ob in der That der Verfasser den Klinikern und Psychologen durch seine Abhandlung in bahnbrechender Weise gezeigt habe, wie man bei Untersuchung des Muskelsinnes die Sache angreifen und durchf\u00fchren m\u00fcsse, um zu wirklich zuverl\u00e4ssigen Anschauungen zu gelangen. Wie oben erw\u00e4hnt, stellt es Verfasser in dem Hauptparagraphen (S. 187 ff.), der von der Art der Fragestellung handelt, als seine Aufgabe hin, die St\u00e4tte zu ermitteln, wo die den Erm\u00fcdungsempfindungen zu Grunde liegenden Nervenerregungen ausgel\u00f6st werden, um hierdurch zugleich auch den Ort festzustellen, wo die den normalen Empfindungen des Muskelsinnes korrespondierenden Nervenprozesse entstehen. Von den Erm\u00fcdungsempfindungen ist aber bei den experimentellen Untersuchungen des Verfassers \u00fcberhaupt nicht die Rede! Der Gegenstand, um den es sich thats\u00e4chlich bei denVersuchen des Verfassers handelt, ist das Zustandekommen der objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen bei den Willensbewegungen, d. h. die Frage, oh die Ver\u00e4nderungen, welche die will-","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n137\nk\u00fcrlichen Bewegungen hinsichtlich ihres Umfanges und zeitlichen Verlaufes durch die Erm\u00fcdung erfahren, vorwiegend auf zentralen oder peripherischen Vorg\u00e4ngen beruhen. Wie oben gesehen, entscheidet sich Verfasser auf Grund unstichhaltiger Beweise f\u00fcr die Annahme eines \u00fcberwiegend zentralen Ursprunges der objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen. Auf Grund dieser Entscheidung schliefst er dann, dafs auch die subjektiven Erm\u00fcdungserscheinungen, d. h. die Erm\u00fcdungsempfindungen, vorwiegend zentralen Ursprunges seien. Dieser Schlufs ist nicht zu billigen. Denn angenommen, es beruhten wirklich die objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen vorwiegend auf zentralen Vorg\u00e4ngen, so w\u00fcrde daraus noch keineswegs folgen, dafs es sich mit der Verursachung der Erm\u00fcdungsempfindungen in entsprechender Weise verhalte. Es w\u00fcrde z. B. die M\u00f6glichkeit nicht ausgeschlossen sein, dafs die Erm\u00fcdungsempfindungen im wesentlichen dadurch entst\u00fcnden, dafs die bei der Erm\u00fcdung in den Muskeln stattfindende Ansammlung von Zersetzungsprodukten erregend auf die in den Muskeln endigenden sensorischen Nervenfasern wirke. Aus der (angeblichen) vorwiegend zentralen Verursachung der Erm\u00fcdungsempfindungen endlich schliefst Verfasser auf eine gleiche Entstehungsweise der normalen Empfindungen des Muskelsinnes. Auch dieser Schlufs ist uns ganz unbegreiflich. Warum in aller Welt sollen die Erm\u00fcdungsempfindungen nicht auf den Erregungen anderer Nervenelemente beruhen k\u00f6nnen als die normalen Empfindungen des Muskelsinnes? Warum soll z. B. von vornherein die Annahme ausgeschlossen sein, dafs die ersteren Empfindungen wesentlich auf der Erregung in den Muskeln endigender sensorischer Nervenfasern beruhten, w\u00e4hrend die letzteren Empfindungen durch die Erregung der in anderen Teilen, z. B. den Gelenken, endigenden sensorischen Nervenfasern zu Stande k\u00e4men? Man k\u00f6nnte sogar geltend machen, dafs es wenig wahrscheinlich sei, dafs die Erm\u00fcdungsempfindungen auf Erregungen derselben Nervenelemente beruhten wie die normalen Empfindungen des Muskelsinnes. Denn alsdann m\u00fcfsten bei eingetretener Erm\u00fcdung die den letzteren Empfindungen entsprechenden Nervenerregungen durch die den Erm\u00fcdungsempfindungen zu Grunde liegenden Nerven-vorg\u00e4nge mehr oder weniger verdr\u00e4ngt oder verdeckt werden, und alle Funktionen, welche auf dem richtigen Zustandekommen der normalen Empfindungen des Muskelsinnes beruhen, z. B. die Vergleichung gehobener Gewichte, m\u00fcfsten bei vorhandener Erm\u00fcdung stark beeintr\u00e4chtigt sein, was thats\u00e4chlich, wie Verfasser selbst sich \u00fcberzeugt hat, nicht der Fall ist.\nThats\u00e4chlich steht also die Sache folgendermafsen. Verfasser schliefst auf die Entstehungsweise der normalen Empfindungen des Muskelsinnes ohne Berechtigung aus der Entstehungsweise der Erm\u00fcdungsempfindungen. Auf letztere schliefst er ohne Berechtigung aus der Entstehungsweise der objektiven Erm\u00fcdungserscheinungen, denen er ohne stichhaltige Beweisgr\u00fcnde einen vorwiegend zentralen Ursprung zuschreibt. Hierbei h\u00e4lt es Verfasser nicht f\u00fcr der M\u00fche wert, sich dar\u00fcber Rechenschaft zu geben, inwieweit nun eigentlich die Resultate der Selbstbeobachtung zu seiner Behauptung stimmen, dafs die Erm\u00fcdungs-","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLitteralurbericht.\neinpfirid\u00fcngen vorwiegend zentralen Ursprunges seien, welcher Behauptung, beil\u00e4ufig bemerkt, die Aussagen von Mosso (Die Erm\u00fcdung, S. 99) und Wahrex P. Lombard (Journal of physiology, February 1892, S. 7) direkt widersprechen, dal's, soweit man auf Grund der Selbstbeobachtung urteilen k\u00f6nne, es leicht sei, die St\u00e4rke der Willensimpulse bis zur Ersch\u00f6pfung des willk\u00fcrlichen Leistungsverm\u00f6gens konstant zu erhalten. Der soeben rekapitulierte, mehr als hypothetische Beweisgang des Verfassers wird dann noch, wie im Verlaufe dieser Besprechung hinl\u00e4nglich gezeigt worden ist, mit einer Schar teilweise recht befremdlicher Vermutungen garniert, die an einzelne Versuchsresultate angekn\u00fcpft werden. Endlich verm\u00f6gen die der Abhandlung beigef\u00fcgte, jeder Ordnung entbehrende \u00dcbersicht \u00fcber die den Muskelsinn betreffende Litteratur, eine kurze Bezugnahme auf die Ausf\u00fchrungen von W. James und das absprechende Urteil, welches Verfasser \u00fcber die den Muskelsinn betreffenden Arbeiten der Kliniker und Psychologen f\u00e4llt, keinen unterrichteten Leser dar\u00fcber zu t\u00e4uschen, dafs Verfasser von eben diesen, von ihm verurteilten, Arbeiten thats\u00e4chlich nur sehr d\u00fcrftig Einsicht genommen hat. Denn sonst w\u00fcrde er z. B. Bemerkungen, wie die folgende (S. 242) : We estimate weight and difference of weight chiefly by means of trial efforts by which we ascertain how much our muscles must be contracted in order to lift the weights, nicht so ohne Weiteres gemacht haben. Kurz, uns scheint, dafs Verfasser mit seiner \u201eobjektiven Studie\u201c gezeigt habe, wie man entschieden nicht zu verfahren hat, um zu zuverl\u00e4ssigen Resultaten betreffs des Muskelsinnes zu gelangen.\nG. E. M\u00fcller (G\u00f6ttingen).\nBrown-S\u00e9quard. Sur les influences exerc\u00e9es par les muscles sur les nerfs\nsensitifs qui sont \u00e0 leur int\u00e9rieur ou dans leur voisinage imm\u00e9diat.\nArch, de Physiol., 5. S\u00e9r., 4. T., S. 174 ff.\nVerfasser f\u00fchrt eine Reihe von F\u00e4llen an, in denen Schmerzen, welche innerhalb im erregten Zustande befindlicher Muskeln vorhanden sind, durch Dehnung dieser Muskeln erh\u00f6ht werden. Da nun die Aktionsstr\u00f6me der Muskeln durch Dehnung der letzteren gesteigert werden, so schliefst Verfasser, dafs die Muskelschmerzen vielfach dadurch entst\u00fcnden, dafs die Aktionsstr\u00f6me der Muskelfasern erregend auf die in n\u00e4chster N\u00e4he befindlichen sensorischen Nervenfasern wirken. Auch bei den Erscheinungen des Muskelsinnes soll diese sensorische Wirksamkeit der Aktionsstr\u00f6me der Muskelfasern eine sehr grofse Rolle spielen.\nG. E. M\u00fcller (G\u00f6ttingen).\nA. Marty. \u00dcber Sprachreflex, Nativismus und absichtliche Sprach-bildung. 10 Artikel. Vierteljahrschrift f\u00fcr loissenschaftliche Philosophie, von R. Avenarius. (Art. 1. Bd. VIII, S. 456-478. Art. 2. Bd. X, S. 69 bis 105. Art. 3. ibid., S. 346\u2014364. Art. 4. Bd. XIII, S. 195-220. Art 5. ibid., S. 304-344. Art. 6. Bd. XIV, S. 55-84. Art. 7. ibid., S. 443-484. Art. 8. Bd. XV, S. 251-284. Art. 9. ibid., S. 445-467. Art, 10. Bd. XVI, S. 104\u2014122.) (Selbstanzeige.)","page":138}],"identifier":"lit15078","issued":"1893","language":"de","pages":"122-138","startpages":"122","title":"Augustus D. Waller: The sense of effort, An objektive study,\nAddendum to Dr. Waller's paper on the sense of effort. Brain LIV a. LV, 1891, S. 179 ff., Ebd., S. 432 ff.","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:25:44.640350+00:00"}