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{"created":"2022-01-31T17:02:34.393331+00:00","id":"lit15107","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ufer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 5: 90-92","fulltext":[{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nLitteraturbericht.\nk\u00f6nnen wir das nicht zugehen unter einem Gesichtspunkte, den auch Sully f\u00fcr den wichtigsten h\u00e4lt, wenn er schreibt :\n\u201cThe real business of the teacher of pedagogy is to take principles from the psychologist and to clothe them with concrete and practical illustrations. Unless this be done the knowledge of the principle is useless, if indeed it is not positively harmful by deluding its possessor into supposing that he possesses an educational compass. I fear that too many of our young teachers, who get up their psychology hastily for examination purposes, remain mere memorizers of barren scientific-formulas; that they have no inkling of the manifold, far-reaching, all-pervading application of these simple laws to the concrete work of teaching. A good deal more time must be expended on exercising our young teachers during their student-course in this application of principle. How much thinking, for instance, must a student go through before he can recognize even the more important practical corollaries of the self-evident, trite principle : attention must be excited and understand^ furthered by connecting new and unknown facts with what is already known. A short course of lectures might with profit be devoted to the work of testing current methods of teaching by reference to this principle alone.\u201d\t'\nWas Sully in diesen trefflichen Worten f\u00fcr notwendig erkl\u00e4rt, findet man nur in k\u00fcmmerlicher Weise angedeutet in dem von ihm so hoch gesch\u00e4tzten Werke von Bain (Education as a Science) oder in der auch hohen p\u00e4dagogischen Wert beanspruchenden grofsen Psychologie des Amerikaners James; man findet es in der englischen uad amerikanischen Litteratur unseres Wissens \u00fcberhaupt nicht gen\u00fcgend. Wir Deutsche aber besitzen zwei \u00e4ufserst wertvolle und umfassende Beitr\u00e4ge zur p\u00e4dagogischen Psychologie, die nicht nur von den einfachen psychologischen Gesetzen nach allen Seiten die Anwendung machen, sondern auch diese Gesetze selbst aus demjenigen Induktionsmaterial, das dem p\u00e4dagogischen Gedankenkreise angeh\u00f6rt, in lebensvoller Weise gewinnen : D\u00f6rpfeld, \u00dcber Denken und Ged\u00e4chtnis, und Lange, \u00dcber Apperzeption. Diese Werke sind auch in den p\u00e4dagogischen Kreisen Englands und Amerikas gesch\u00e4tzt, so dafs das LANGESche Buch demn\u00e4chst in einer \u00dcbersetzung erscheinen wird, wie die Educational Review in der Oktobernummer (1892) berichtet hat.\nAber auch abgesehen von diesen beiden Schriften ist Deutschland mit seiner p\u00e4dagogischen Psychologie England und Amerika im allgemeinen weit voraus. Wer p\u00e4dagogische Zeitschriften aus den Vereinigten Staaten liest, weifs, dafs sich dort der Ausbau einer psychologischen P\u00e4dagogik im engsten Anschl\u00fcsse an die deutsche Litteratur vollzieht.\nUfer (Altenburg).\nG. Sergi. Un primo passo alla pedagogia scientifica e la carta biografica.\nCon illustrazioni. Milano-Boma-Napoli, Trevisini, 1892. 35 S.\nWie in Deutschland, so besch\u00e4ftigen sich auch in Italien neuerdings hervorragende Physiologen mit p\u00e4dagogischen Dingen; wir nennen hier nur die Namen Mosso und Sergi. Und zwar besteht zwischen den Aus-","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n91\nf\u00fchrungen der Deutschen und ihrer italienischen Kollegen eine \u00c4hnlichkeit in zwiefacher Beziehung. Es ist zur Gen\u00fcge bekannt, wie geringsch\u00e4tzig und ungerecht bedeutende Physiologen in Deutschland \u00fcber die gegenw\u00e4rtige P\u00e4dagogik geurteilt haben, und dasselbe thut Sergi, indem er ihr jeden wissenschaftlichen Wert abspricht. Es mufs aber auch von den P\u00e4dagogen anerkannt werden, dafs die Physiologen auf manche schlimme M\u00e4ngel hingewiesen haben, und wegen dieses hoch zu sch\u00e4tzenden Umstandes soll ihnen manches harte Wort, ja manche Ungerechtigkeit verziehen sein; wegen dieses Umstandes heifsen wir auch das vorliegende Schriftchen Sergis sehr willkommen und bedauern nur, dafs die Sprache seiner Verbreitung und Wirkung in Deutschland stark im Wege steht.\nLassen wir alle Vorw\u00fcrfe beiseite, welche wenigstens die deutsche P\u00e4dagogik nicht auf sich beziehen kann, und kommen wir gleich zum Hauptpunkte, der auch bei uns volle Beherzigung verdient: Der Verfasser verlangt eine ausgiebige Ber\u00fccksichtigung der Individualit\u00e4t. Man hat diese Forderung in Deutschland \u2014 wie auch anderweitig \u2014 l\u00e4ngst erhoben, aber dabei ist es meistens auch gebliehen; nicht einmal die Vorarbeit, die Erforschung der Individualit\u00e4t, ist gen\u00fcgend gef\u00f6rdert worden. Am meisten hat in dieser Beziehung noch die Herbart-ZiLLERSche Schule geleistet in ihrem eifrigen Streben, die P\u00e4dagogik auf die Psychologie zu gr\u00fcnden. So hat denn insbesondere Ziller f\u00fcr die Beobachtung der Sch\u00fcler bestimmte Kategorien aufgestellt, denen die verschiedenen Wahrnehmungen w\u00e4hrend der Schulzeit eingeordnet werden sollen ; aber diese Aufstellung hat zwei schwerwiegende M\u00e4ngel.\nZun\u00e4chst hat sich Ziiler von seiner, d. i. der HERBARTSchen Psychologie (\u00fcberdies noch ohne N\u00f6tigung) zu der Ansicht verleiten lassen, als habe die Physiologie in der P\u00e4dagogik als Wissenschaft gar nichts zu sagen, und infolgedessen fehlt in seiner Aufstellung \u2014 sie findet sich in den Materialien zur speziellen P\u00e4dagogik, 2. Auf!., S. 282 \u2014 alles, was auf die Beobachtung in physischer Beziehung aufmerksam machen sollte. Hier tritt nun Sergi erg\u00e4nzend ein und f\u00fchrt achtzehn Gesichtspunkte auf.\nBesser steht es hei Ziller schon mit der Beobachtung in psychischer Hinsicht; doch sind hier die einzelnen Fragepunkte nicht gen\u00fcgend gesondert; es ist also die Beobachtungsaufgabe in ihren einzelnen Teilen nicht durchsichtig genug, als dafs sie zur Erlangung eines umfassenden Resultates gen\u00fcgend den Blick sch\u00e4rfen k\u00f6nnte. Auch hier stellt die Schrift von Sergi einen Fortschritt dar, indem sie zwanzig gesonderte Gesichtspunkte auff\u00fchrt.\nSoweit wir zu sehen verm\u00f6gen, ist die Aufstellung Sergis in jeder Hinsicht ersch\u00f6pfend. Was aber nun die Ausf\u00fchrung der Beobachtungen betrifft, so gestaltet sich dieselbe in mancher Beziehung insofern etwas umst\u00e4ndlich, als dabei verschiedene Apparate zur Anwendung kommen, welche im Anh\u00e4nge beschrieben und durch Holzschnitte dargestellt sind. In kleinen Klassen aber, wie sie in h\u00f6heren Schulen meist anzutreffend sind, wird sich die Sache hei gutem Willlen wohl durchf\u00fchren lassen. Diese Durchf\u00fchrung soll sich so gestalten, dafs die erste Eintragung in","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nLitteraturbericht.\ndie \u201e'carta biografica\u201c beim Eintritt in die Schulzeit bewirkt und alsdann bis zum Ende derselben weitergef\u00fchrt wird. Geschieht dies in sorgf\u00e4ltiger Weise, dann mufs die Psychologie der Individualit\u00e4t binnen kurzer Zeit grofse Fortschritte machen, und nicht die P\u00e4dagogik allein wird aus diesem Fortschritte Nutzen ziehen.\nUfer (Altenburg).\nL. Wilser. Die Vererbung der geistigen Eigenschaften. Festschrift zur Feier des 50j\u00e4hrigen Jubil\u00e4ums der Anstalt lllenau. Heidelberg 1892.\nDer aufserordentlich interessante Aufsatz hat leider den Fehler, dafs- er zu kurz ist und eine ganze Anzahl von Fragen mehr angeregt als erledigt werden. Der Verfasser wendet sich mit aller Sch\u00e4rfe gegen gewisse Nachfolger Darwins, die p\u00e4pstlicher als der Papst vermeinen, den alten Meister verbessern zu m\u00fcssen. An der Spitze dieser Neudarwinisten in Deutschland, die jede Vererbung erworbener Eigenschaften in Abrede stellen und alles mit der \u201eAuslese\u201c allein erkl\u00e4ren wollen, steht Weismann, und gegen ihn und seine Lehre richten sich die Angriffe WlLSERS.\nDafs die geistigen Eigenschaften des Menschen denselben Vererbungsgesetzen unterworfen sind, wie die des Leibes, wird kein Naturforscher bezweifeln, aber hier wie dort kommt man ohne die Erblichkeit nicht aus, und wie sich z. B. Weismann ohne die Annahme der erblichen \u00dcbertragung einer w\u00e4hrend des Lebens erworbenen F\u00e4higkeit die Entstehung der Instinkte erkl\u00e4ren will, ist nicht recht ersichtlich.\nDie Vererbung der Anpassungen ist eben ein unentbehrliches Fundament der Descendenztheorie,- mit ihr steht oder f\u00e4llt die Lehre von der stufenweise aufsteigenden Entwickelung unserer tierischen und menschlichen Ahnenreihe.\nWilser hat die Gesetze der Vererbung in den folgenden 12 S\u00e4tzen zusammengefafst :\n1.\tDie Eigenschaften werden um so sicherer \u00fcbertragen, sind um so befestigter, je l\u00e4nger sie schon vererbt sind, je weiter sie im Stammbaum hinaufreichen.\n2.\tVerst\u00fcmmelungen, die durch eine zuf\u00e4llig einwirkende Gewalt entstehen, werden daher nur in den seltensten F\u00e4llen \u00fcbertragen, meist nur dann, wenn sie Krankheiten, besonders Entz\u00fcndungen trophischer Nerven zur Folge gehabt haben.\n3.\tAlle Ver\u00e4nderungen jedoch, die eine lange und tiefgehende Einwirkung auf den Organismus ausge\u00fcbt haben oder auf einer St\u00f6rung der Keimesentwickelung beruhen, haben neben den befestigten Eigenschaften die gr\u00f6fste Neigung, sich zu vererben. Hierher geh\u00f6ren Krankheiten, Krankheitsanlagen und Mifsbildungen.\n4.\tJeder Elternteil mufs etwas von seinen Eigenschaften auf die Nachkommen \u00fcbertragen; das Verh\u00e4ltnis ist jedoch kein bestimmtes, sondern es \u00fcberwiegt h\u00e4ufig der Einflufs einer Seite. Die Vererbungskraft von v\u00e4terlicher Seite kann so grofs sein, dafs sie den m\u00fctterlichen Organismus umstimmt und auf sp\u00e4tere, von einem anderen Vater erzeugte Fr\u00fcchte sich erstreckt.","page":92}],"identifier":"lit15107","issued":"1893","language":"de","pages":"90-92","startpages":"90","title":"G. Sergi: Un primo passo alla pedagogia scientifica e la carta biografica. Con illustrazioni, Milano-Roma-Napoli, Trevisini, 1892","type":"Journal Article","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:02:34.393336+00:00"}