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{"created":"2022-01-31T14:21:15.166345+00:00","id":"lit1512","links":{},"metadata":{"alternative":"Archiv f\u00fcr Physiologie","contributors":[{"name":"de Boeck","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Archiv f\u00fcr Physiologie: 238-252","fulltext":[{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"Dio Reizung des Kaninchenr\u00fcekenmarkes mit der Nadel.\nVon\nDr. de Boeck.\n(Aus dem physiologischen institut zu Leipzig.)\n(Hierzu Tal\u2019. VII.)\nAuf' verschiedenen Wegen hat man zu ergr\u00fcnden gesucht, wie sich die Fasern ungleichartiger Bef\u00e4higung im R\u00fcckenmarke der S\u00e4uget liiere vertheilen. \u2014 Durch die Anwendung eines Druckes oder des elektrischen Stromes auf das motorische Feld einer Hirnrinde erfuhr man, dass zwischen bestimmten Stellen der letzteren und bestimmten Muskeln mehrfache Beziehungen bestehen. Ein schwacher Reiz bedingt die Zuckung einer begrenzten Gruppe1 2 von Muskeln auf der entgegengesetzten K\u00f6rperh\u00e4lfte, einem st\u00e4rkeren folgten nun auch gleichnamige Muskeln derselben Seite und bei einer weiteren Steigerung des Reizes gerathen auch noch andere, ja schliesslich alle Muskeln der Seite in Bewegung.3 Um nun aus der aufgedeckten Beziehung zwischen Hirn und Muskeln Aufschluss zu gewinnen \u00fcber den Verlauf' der verbindenden Nervenfasern durch das R\u00fcckenmark hin, hat man regelrecht ausgef\u00fchrte Einschnitte in gewisse Markstr\u00e4nge mit der Reizung des Rindenfeldes verbunden. Das Ergebniss dieser von Steffhany3 und C. Eckhard sorgf\u00e4ltig ausgef\u00fchrten auf gewisse Strecker der Hinterpfoten bez\u00fcglichen Versuche spricht sich dahin aus: Die gekreuzte Leitung f\u00fcr die betreffenden Strecker verl\u00e4uft im Halsmark nahe der Medulla oblongata anders als tiefer unten. Oben kn\u00fcpft sich an\n1\tBeevor und Horsley in Philosophical Transactions. London 1887. Part. II.\n2\tFr. Frank, Le\u00e7ons sur les fonctions motrices du cerveau. ISST. p. \u25a0>:).\n3\tK. Eckhard, Beitr\u00e4ge zur Physiologie. 1888. lid. XII.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"DeBoeck: Die Heizung nr;s Kanincmenk\u00fcckenmakkes u. s. w. 2119\ndie Erhaltung des Yorderstranges die Eortleitung der Erregung. Yoni zweiten Halswirbel abw\u00e4rts dagegen \u00fcbergiebt der Vorderstrang die bisher \u00fcbernommene Vermittelung dem Seitenstrange. Um aber vom Hirn aus die betreffenden Fussstrecker zu erregen, bedarf es keineswegs der Erhaltung eines bestimmten Abschnittes der Seitenstr\u00e4nge. Jeder beliebige, noch unversehrt gebliebene Rest desselben gen\u00fcgt zur Uebertragung der Erregung, indess beeintr\u00e4chtigt doch jede Verletzung die Innigkeit des Verbandes von Hirn und Muskel, woraus man schliessen konnte, dass im Seitenstrang \u00fcber alle Orte seines Querschnittes Fasern f\u00fcr die Strecker zerstreut seien. \u2014 Ueber die Bahn, welche die Erregung vom Hirn zu der gleichnamigen K\u00f6rperh\u00e4lfte nimmt, benachrichtigt uns die abwechselnde Reizung beider Hirnh\u00e4lften nach halbseitiger Durchschneidung des Halsmarkes; aus seinen Versuchen leitet Steffhany ab, dass die gekreuzten und die gleichseitigen Bahnen f\u00fcr denselben Muskel nicht allein innerhalb des Halsmarkes in derselben Markh\u00e4lfte gelegen, sondern dass beide auch w\u00e4hrend dieses Verlaufes eng mit einander verkn\u00fcpft, d. h. in ihrer Reizbarkeit wenig unterschieden seien.\nGleichem Ziele zustrebend ist ein anderes Verfahren, welches mittels theilweiser Zerschneidung des R\u00fcckenmarkes die Wege zu erkennen sucht, durch die sich ein vom Hirn ausgehender Antrieb in den Muskeln geltend macht. Seit Woroschiloff stimmen alle sorgf\u00e4ltigen Beobachter darin \u00fcberein, dass unmittelbar nach der Durchschneidung eines Seitenstranges die hinter dem Schnitt gleichseitig entspringenden Nerven der Herrschaft des Hirns entzogen seien; doch nur vor\u00fcbergehend. Stricker und Bor-gherini1 zeigen, dass schon nach Tagen das anfangs gel\u00e4hmte Glied wieder den Hirnreizen folgt, wenn dem operirten Thiere das Leben erhalten blieb. Durch den unversehrten Seitenstrang ist die Vermittelung zwischen dem Hirn und den Gliedern wieder hergestellt. Dass der unversehrte Seitenstrang die Vertretung der verst\u00fcmmelten Bahnen \u00fcbernommen habe, muss deshalb angenommen werden, weil die L\u00e4hmung beider hinterw\u00e4rts gelegener Glieder erfolgt, sowie jetzt der bis dahin unversehrt gebliebene Seitenstrang auch durchschnitten wird. Auch damit findet die Stellvertretung der R\u00fcckenmarksstr\u00e4nge untereinander noch nicht ihre Grenze. Wenn ein Thier die Durchschneidung beider Seitenstr\u00e4nge \u00fcberlebt, so stellen sich einige Wochen nach der Operation in den bis dahin gel\u00e4hmten Gliedern wieder Bewegungen ein, die vom Hirn aus angeregt wurden. An Stelle der Seitenstr\u00e4nge m\u00fcssen, weil kein anderer Ausweg bleibt, die Vorderstr\u00e4nge getreten sein. Der Beschreibung nach scheint jedoch der\n1 Mittheilungen aus dem Institut f\u00fcr allgemeine Pathologie in Wien. 1880. Von A. Borgheriui, mit einem Vorworte von Stricker,","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nDe Boeck:\nErsatz, den die Vorderstr\u00e4nge f\u00fcr die Seiteustr\u00e4nge liefern, weniger vollst\u00e4ndig zu sein als der, welchen einer der letzteren dem anderen gew\u00e4hren kann.\nEbenso bekannt als eigenth\u00fcmlich sind die Aufschl\u00fcsse, welche wir erhalten aus der Entartung gewisser Abschnitte des Vorder-und Seitenstranges nach Zerst\u00f6rungen innerhalb des motorischen Grosshirnfeldes. Die Entartungen zeigen, dass sich nicht der gesammte Seitenstrang, vielmehr nur ein beschr\u00e4nkter Abschnitt an der XJebertragung der Erregung vom Hirn zu den Muskeln betheiligt. Daneben steht gleichwerthig ein gewisser Theil der Vorderstr\u00e4nge. Ihre gleichzeitige Entartung mit den Seitenstr\u00e4ngen ist bemerkenswert!], weil nach den Ergebnissen der folgeweisen Durchschneidung die Erwartung berechtigt war, dass die Vorderstr\u00e4nge erst nach dem Ausfall der Seitenstr\u00e4nge zur Leistung herbeigezogen w\u00fcrden. \u2014 Weiterhin l\u00e4sst sich durch die Entartung beweisen, dass die zwischen dem Gehirn und den Muskeln bestehende Verbindung nicht durch fortlaufende Nervenr\u00f6hren bedingt sei. Denn es nehmen nach den \u00fcbereinstimmenden Angaben aller Beobachter die Fasern der vorderen Wurzeln an der Entartung keinen Antheil. Deshalb gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, dass auch bei dem S\u00e4ugethier, wie es f\u00fcr den Frosch erwiesen ist, jede motorische Faser aus einer Ganglienzelle entspringe. Unter dieser Voraussetzung steht die Hirnrinde nur in Verbindung mit den Ganglienk\u00f6rpern; weil aber die zahlreichen Ausl\u00e4ufer derselben doch keinenfalls blind und wirkungslos enden, so ist dem Fortschritt der Erregung, nachdem sie in den Ganglienk\u00f6rper \u00fcbertrat, kein so beschr\u00e4nkter Weg wie in den Nervenr\u00f6hren angewiesen. Von da ab, von wo sich die Erregung mehrseitig fortpflanzen kann, wird die Kichtung, welche sie einschl\u00e4gt, von den besonderen Zust\u00e4nden der Bahnen abh\u00e4ngen. \u2014 Noch schlagender beweist die unterbrochene Fortsetzung der Hirn- in die Wurzelfasern die Vertretbarkeit eines zerschnittenen Stranges durch einen anderen, der an Dicke geringer ist und der bis dahin ausser Stande war, die Erregung des Gehirns den Wurzelf\u00e4den zu \u00fcbermitteln.\nNachricht \u00fcber den Verlauf der motorischen Bahnen im R\u00fcckenmark hat man verschiedentlich auch durch unmittelbare Reizung des Markes zu gewinnen versucht, ohne jedoch damit wesentlich weiter zu kommen, vielleicht nur deshalb, weil die Reizung sich jedesmal \u00fcber ein grosses Gebiet erstreckte. Denn da das Mark reizbar ist, so d\u00fcrfte man auch erwarten, dass mittels der Reizung eine Zergliederung seiner Leistungen durchgef\u00fchrt werden k\u00f6nnte, vorausgesetzt dass die Wirksamkeit des Reizmittels sich auf einen geringen Bruchtheil eines Querschnittes vom R\u00fcckenmark beschr\u00e4nken lasse.\nUnter die Mittel, welche das prim\u00e4r erregte Gebiet m\u00f6glichst he-","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizung des Kaninchenr\u00fcckenmarkes mit der Nadel. 241\nschr\u00e4nken, und die Lage desselben sicher stellen, geh\u00f6rt jedenfalls die von Hrn. Prof. C. Ludwig empfohlene und von Birge und Sirotinin angewendete Nadelreizung. Durch die methodisch gef\u00fchrte Stichreizung des Froschr\u00fcckenmarkes hatte Sirotinin Erfahrungen gewonnen, welche sich mit der Vorstellung nicht vereinigen Hessen, dass die weisse Markmasse wesentlich aus Bahnen zusammengesetzt sei, auf welchen die vom Hirn herabsteigende Erregung isolirt zu den Wurzeln gelangen k\u00f6nne. Ob durch Sirotinin ein allgemein g\u00fctiges oder ein dem Frosch eigent\u00fcmliches Verhalten aufgedeckt war, musste durch Versuche am S\u00e4ugethier ermittelt werden.\nDer Aufforderung des Hrn. Prof C. Ludwig entsprechend habe ich eine Versuchsreihe am R\u00fcckenmark des Kaninchens ausgef\u00fchrt.\nDer Versuch stellte sich die Aufgabe, ein m\u00f6glichst reizbares R\u00fcckenmark \u2014 vom verl\u00e4ngerten Mark getrennt oder noch mit ihm in Verbindung \u2014 auf einem thunlichst beschr\u00e4nkten Ort zu reizen, entweder durch den Einstich einer feinsten Stahlnadel oder unipolar durch eiuen Inductionsstrom. Ob und welchen Erfolg die Reizung erzielte, war, so weit er gewisse Muskeln der Gliedmaassen betraf, durch ein mit ihnen verbundenes Schreibwerkzeug zu erfahren; anderswo hervortretende Bewegungen wurden mit freiem Auge m\u00f6glichst genau beobachtet.\nVon den Maassregeln zur Verwirklichung des vorgelegten Planes bed\u00fcrfen die meisten, weil bekannt, nur der Erw\u00e4hnung. Stets war die Ausschaltung des Grosshirns geboten: je nachdem das R\u00fcckenmark mit dem unversehrten, verl\u00e4ngerten Mark in Verbindung bleiben sollte, wurden am hinteren Ende des Scheitelbeins zwei Trepan\u00f6ffnungen angelegt und durch diese das Gehirn vor oder im Bereiche der Vierh\u00fcgel mit einer stumpfen Nadel zerschnitten. Anderen Falles wurde das Mark unmittelbar unter der Spitze des Calamus durchschnitten.\nDie Reizungen des R\u00fcckenmarkes wurden innerhalb der Hals- und der Lenden-Wirbels\u00e4ule vorgenommen. An der ersteren Oertlichkeit kann man bekanntlich einen mehrere Millimeter breiten Streifen des Markes ohne Verletzung der Knochen blosslegen, weil an dem geradlinig ausgestreckten Hals die Wirbelbogen weit auseinander weichen. Zur Herstellung eines Reizungsfeldes am Halsmark erwies sich unter Ber\u00fccksichtigung der anatomischen Verh\u00e4ltnisse nur die Trennung der Muskeln und der gelben B\u00e4nder als nothwendig. Der einfache und rasch zu vollendende Handgriff d\u00fcrfte an der stets grossen Reizbarkeit einen Antheil besitzen, die ich an dem ohne Knochenverletzung blossgelegten Halsrnark angetroffen habe.\nUmst\u00e4ndlicher gestaltet sich die Herstellung des Reizungsfeldes an der Grenze von Brust- und Lendenwirbels\u00e4ule. Nicht allein, dass man stets zum Trepan und der Knochenzange greifen muss, die starken Muskelb\u00e4uche\nArchiv f. A. u. Ph. 1889. Physiol. Abthlg.\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nDe Boeck:\nbeschatten das freigelegte Mark derart, dass \u00f6fter die Beleuchtung desselben durch einen Spiegel n\u00f6thig wird. Namentlich wenn man sich vor einer sehr weit ausgedehnten Verletzung der R\u00fcckgratstrecker scheut.\nDa das R\u00fcckenmark seine Reizbarkeit rasch einb\u00fcsst, wenn ihm der Zutritt des Arterienblutes versagt wird, so muss bei den vorbereitenden Operationen die Blutung auf ein m\u00f6glichst geringes Maass eingeschr\u00e4nkt und gleichzeitig daf\u00fcr gesorgt werden, dass die Athmung niemals still steht. Deshalb muss selbst, wenn das verl\u00e4ngerte Mark erhalten bleibt, eine Luftr\u00f6hrenfistel angelegt werden, um jeden Augenblick die stockende nat\u00fcrliche durch die k\u00fcnstliche Athmung ersetzen zu k\u00f6nnen.\nDem zum Versuche bestimmten Thiere musste auf einem standsicheren Brett eine Lage ertheilt werden, in welchem der Abschnitt der Wirbels\u00e4ule, dessen Markinhalt gereizt werden sollte, gerade ausgestreckt und unverr\u00fccklich festgestellt war. Zu dem Ende wurde das Thier, was nach der Abt\u00f6dtung seines Millens leicht gelang, mit dem R\u00fccken nach oben gelegt und der Kopf in dem Czermak\u2019sehen Halter derart gespannt, dass seine und die L\u00e4ngenachse der Wirbels\u00e4ule einen rechten Winkel bildeten. Danach wurden die Glieder angeschn\u00fcrt, welche nicht zum Schreiben vorgerichtet waren.\nSollte das Halsmark gereizt werden, so wurde die Halswirbels\u00e4ule von der \\ orderseite her durch eine messingene Hohlrinne unterst\u00fctzt, welche fest gegen die Wirbelk\u00f6rper angedr\u00fcckt und in dieser Stellung durch eine Schraube befestigt wurde. Ihr entgegen griffen beiderseits je ein Messingstreifen von oben her gegen die schiefen Forts\u00e4tze. Auch diese wurden, wenn sie richtig lagen, festgeschraubt. Da durch die Halsklemme die Luftr\u00f6hre zugedr\u00fcckt wurde, so war, um die Athmung zu erm\u00f6glichen, unmittelbar unter dem Kehlkopf die Luftr\u00f6hre er\u00f6ffnet und in sie ein steifes R\u00f6hrchen eingeschoben, das bis zum Eingang in die Brusth\u00f6hle reichte. Der einfache Apparat, dessen ich mich bei den genannten Handgriffen bediente, ist auf Taf. VII abgebildet.\nM enn sich die Reizung auf das untere Brust- oder das obere Lendenmark erstrecken sollte, so wurden die schiefen Forts\u00e4tze nach ihrer Blosslegung als Angriffspunkte f\u00fcr die Befestigung benutzt. Mit je einem von rechts und links her angreifenden Z\u00e4ngelchen liess sich der Wirbel, dessen Bogen aufgebrochen war, vor jeder Verr\u00fcckung sichern.\nDie Nadel, welche in das R\u00fcckenmark eingestochen werden sollte, ihr Tr\u00e4ger und die Werkst\u00fccke, an welchen sie gr\u00f6blich und fein zu verschieben war, gleichen im Wesentlichen den von Sirotinin gebrauchten auf S. 156 und Tafel II im Jahrgang 1887 dieses Archivs beschriebenen und abgebildeten. Nur in folgenden St\u00fccken unterscheidet sich die jetzt und die fr\u00fcher gebrauchte Einrichtung. \u2014 Die feine Stahlnadel ragte nur","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizung des Kaninohenr\u00fcckenmarkes mit der Nadel. 243\num 15mm \u00fcber den Messingstift hervor, der ihre Verbindung mit dem mikrometrisch bewegten Schlitten vermittelte. Bei dieser K\u00fcrze wurde der M\u00f6glichkeit vorgebeugt, dass sich die Nadel beim Einstich kr\u00fcmme. \u2014 ln der Versuchsreihe Sirotinin\u2019s hing das R\u00fcckenmark (des Frosches) senkrecht herab, in der meinen lag dasselbe wagrecht. Deshalb musste auch der Schlitten anders gestellt werden, dessen Bewegungen die Nadel folgte. Um ihn der Lage des Thieres anzupassen, waren am Operationsbrett zwei vierseitige Eisenst\u00e4be angebracht, einer lief links, der andere rechts neben der langen Seite des Brettes her; beide waren, um ihre Biegung su verh\u00fcten, durch mehrfache seitliche Arme gest\u00fctzt. An den St\u00e4ben iessen sich in beliebiger Stelle befestigen: die in die Stahlprismen ein-J\u00e9schnittenen Triebe, welche den nadeltragenden Schlitten nach allen Richtungen hin beweglich machten, ferner die Tr\u00e4ger der Halsklemme und der Wirbelzangen und endlich auch die Klammern, welche, je nachdem Fuss-ider Handmuskeln schrieben, dem Knie oder dem Ellenbogen die Lage mabh\u00e4ngig von den Bewegungen des \u00fcbrigen K\u00f6rpers sicherten.\nVor dem Beginn der Versuche war die Frage nach der Gr\u00f6sse der Verletzung zu erledigen, welche die Nadel dem R\u00fcckenmark zuf\u00fcgt. Zwei verschiedene zur Pr\u00fcfung benutzte Mittel liessen \u00fcbereinstimmend erkennen, lass der Eingriff ein, man k\u00f6nnte sagen, unsch\u00e4dlicher sei. \u2014 An eiuem \u00eeat\u00fcrlich athmenden Thier kann mau innerhalb des zweiten und dritten lalswirbels auf einer senkrecht zur L\u00e4ngsaxe des Markes gezogenen Linie vielfache Nadelstiche anbringen, ohne dass die Athembewegungen beeintr\u00e4chtigt werden. Darnach scheint es, als ob die Nadelspitze neben den ilarkfasern herfahre, ohne sie selbst zu verletzen. Eine Best\u00e4tigung der Voraussetzung liefert die mikroskopische Untersuchung des geh\u00e4rteten R\u00fcckenmarks. Au einem Quer- oder L\u00e4ngenschnitt durch den von der Sadel durchstochenen R\u00fcckenmarkstheil lassen sich, insofern die Verletzung \u00eeines gr\u00f6sseren Gef\u00e4sses vermieden war, die Stichcan\u00e4le nicht auffinden.\nGanz regelm\u00e4ssig ist die von dem Nadelstich erzielte Wirkung eine vor\u00fcbergehende und h\u00e4ufig auch eine nur schwache, deshalb wurden gleichseitig mit der Aufstellung des Versuchsthieres die Vorbereitungen zur unipolaren Inductionsreizung getroffen ; die F\u00fcsse des Kaninchenbrettes standen nif Glasprismen, die zum Markstich bestimmte Nadel war von allen anderen Metalltheilen isolirt, in ihrem Knopf war eine der beiden Enden der secun-i\u00e4ren Rolle des Inductoriums eingeschraubt. \u2014 Das andere Ende der secund\u00e4ren Spirale war mit den R\u00f6hren der Gasleitung metallisch verbunden. Im Kreis der prim\u00e4ren Spirale stand eine Grove.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nDe Boeck:\nDurch die unipolare Beizung gewinnt man, worauf W. K\u00fchne zuerst aufmerksam machte, den Vortheil, die erregende Wirkung des Stromes auf einen sehr kleinen Umkreis beschr\u00e4nken zu k\u00f6nnen. Obwohl die von mir gebrauchte Anordnung schw\u00e4chere Reize als z. B. die von Tiegel empfohlene liefert, so hielt ich es doch f\u00fcr gerathen, mich von dem Umfange zu \u00fcberzeugen, auf welchen sich die Wirkung mit der abnehmenden Entfernung der beiden Inductionsrollen erstreckte. Vorgenommen wurde die Pr\u00fcfung an einem wie gew\u00f6hnlich aufgebundenen Kaninchen, dessen Hirn oberhalb der Vierh\u00fcgel durchschnitten und dessen R\u00fcckenmark zwischen zwei Wirbelbogen blossgelegt war. Ausserdem war auf einer Seite der N. ischiadicus blossgelegt und durchschnitten. \u2014 Von dem wohl isolirten peripheren Stumpf des Ischiadicus aus wurden s\u00e4mmtliche ihm untergebene Muskeln bewegt, wenn der Rollenabstand 10cm betrug. Jenseits dieses Abstandes konnte je nach dem Stande der Nadelspitze diese oder jene Muskelgruppe zum Zucken gebracht werden. Daraus w\u00e4re zu schliessen, dass bei einem mehr als 10\u2122 betragenden Abstand der Inductionsrollen der Wirkungskreis des reizenden Stromes nicht mehr als 0-5mm Durchmesser besessen habe. Da das R\u00fcckenmark sich etwas reizbarer als der N. ischiadicus verhielt, so wird auch bei noch gr\u00f6sserem Rollenabstande der Reizungskreis etwa gleich gross angenommen werden d\u00fcrfen.\nWenn demnach die Nadel in Entfernungen von je 0.5 mm eingestochen wurde, so war zu erwarten, dass der zweiten und allen folgenden Reizungen kein nerv\u00f6ses Gebiet mit den vorausgegangenen gemeinsam gewesen. Um des Vortheils, der aus der Vermeidung sich theilweise deckender Wirkungskreise fliesst, sicher zu sein, habe ich auf je einer Markh\u00e4lfte nur vier bis f\u00fcnf Stiche angebracht. Hiervon fallen drei bis vier in das Bereich der Seiten-str\u00e4nge und der Rest in die graue Masse. Denn es ergaben je f\u00fcnl Messungen des Marks unter dem f\u00fcnften und siebenten Halswirbel die Breite der ganzen Markh\u00e4lfte =2-5mm und die des Seitenstranges =2-0mm. \u2014 Ebenso viel Messungen unterhalb des neunten und zehnten Brustwirbels gaben die ganze Markh\u00e4lfte zu 2 \u2022 0 mm und den Seitenstrang zu 1 \u2022 5 mm.\nIn dem Probeversuch war die in den Schlitten des Reizungsapparates eingesetzte Nadel bis auf ihre Spitze isolirt; bei allen \u00fcbrigen Versuchen war dagegen die Nadel bis auf mehrere Millimeter, so weit, als das R\u00fcckenmark dick, blank gelassen. Statt den einer Kegelspitze, hatte nun der Raum, welcher von reizenden Str\u00f6men durchsetzt wurde, etwa die Gestalt eines Cylinders. Danach war anzunehmen, dass die Ge-sammtwirkung des Reizes sich aus einer gr\u00f6sseren Anzahl ungleichartiger zusammensetze. Meine Versuche werden sich der Elektrodenform wegen auf den Aufschluss beschr\u00e4nken m\u00fcssen, ob zwei Fasersummen ungleich fuuctioniren, welche je zwei Stiche umgeben, die durch die Dicke des","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizung ties Kantnchenr\u00fcokenmarkes mit der Nadel. 245\nMarkes hindurch in einem Abstand von 0 \u2022 5 nml gef\u00fchrt wurden. \u2014 Einem derartigen Verfahren werden viele Eigenheiten des R\u00fcckenmarkes entgehen, andere aber m\u00fcssen sich ihm offenbaren, weil unm\u00f6glich anzunehmen ist, dass die auf verschiedenen Orten eines Querschnittes ausgef\u00fchrten Durchstiche \u00fcberall auf ein gleich wirksames Fasergemenge treffen sollten.\nNach folgender Anordnung wurde hei der Ausf\u00fchrung der Versuche vorgegangen. Zuerst wurden die Schenkelmuskeln, welche schreiben sollten, aufgesucht, die Trachealfistel angelegt und das Hirn \u00fcber den Vierh\u00fcgeln durchschnitten. Dann wurde das Thier mit dem R\u00fccken nach oben auf das Brett gebunden, sogleich die Stelle des Marks, welche gereizt werden sollte, blossgelegt, der entsprechende Abschnitt der Wirbels\u00e4ule festgestellt und die an die Sehnen gekn\u00fcpften F\u00e4den mit dem Schreibstift verbunden. Waren dann auch die Tr\u00e4ger des Schlittens -sammt Nadel an die Seitenst\u00e4be geschraubt, so wurde nun erst die Dura mater des R\u00fcckenmarks zerschnitten und zur\u00fcckgelegt.\nSo lange das R\u00fcckenmark mit der Medulla oblongata zusammenh\u00e4ngt, steht seine Reizbarkeit auf einer hohen Stufe. Bei der allerdings nur geringen Zahl von Versuchen, die ich an dem mit dem Hirn verbundenen R\u00fcckenmark ausf\u00fchrte, zeigte sich schon der Einstich der Nadel sehr wirksam. Ob der Stich an dem Hals- oder Lendenmark, und an welchem Ort auf einer zur L\u00e4ngsaxe des Marks senkrechten Linie er ausgef\u00fchrt wurde, stets folgten ihm Bewegungen des Rumpfs und der Gliedmaassen in Gestalt eines klonischen Krampfes. Dass diese einem Reflex gleichenden Bewegungen von der R\u00fcckenmarksfaserung selbst, nicht aber von Wurzel-faden ausgel\u00f6st sind, ist deshalb sicher, weil sie auch von einem Einstich hervorgerufen werden, der genau in der Mittellinie des von seiner Dura befreiten Markes eintrifft.\nWenn die Nadel dort, wo sie eingestochen war, verweilt, so beruhigt sich der krampfhafte Anfall nach kurzer Zeit, und es kann dann zu der Reizung mit unipolarer Induction geschritten werden. Auch gegen den elektrischen Reiz zeigt sich das R\u00fcckenmark w\u00e4hrend des bestehenden Zusammenhangs mit der Medulla oblongata weit empf\u00e4nglicher als nach Aufhebung desselben; der Art nach stimmen jedoch die Erfolge bei beiden Zust\u00e4nden des Marks \u00fcberein. Ein Strom, der die Schwelle erstiegen hat, veranlasst nur Zuckungen in den Muskeln, deren Nerven nahe dem Ort der Reizung aus dem Marke entspringen, beispielsweise werden vom Halsmark aus durch eben wirksame Str\u00f6me nur die Muskeln des Halses und des Schulterblatts in Bewegung gesetzt; mit der steigenden St\u00e4rke des Stromes verbreitet sich die Bewegung, und zwar in bestimmter Folge, so-dass nach dem Hals der R\u00fccken, dann der Reihe nach der Schwanz, die","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nDe Boeck:\nOberschenkel und endlich der Unterschenkel in Bewegung kommen. Erst so starke Inductionsstr\u00f6me, von denen es zweifelhaft bleibt, ob sie ihre Wirkung auf das K\u00fcckenmark beschr\u00e4nken, rufen allgemeine krampfartige Bewegungen hervor, gleich den durch den Nadelstich bedingten.\nZur Erl\u00e4uterung benutze ich die beiden folgenden Beobachtungen. Beide Male war das Hirn in den Vierh\u00fcgeln durchschnitten, also das R\u00fcckenmark und die Medulla oblongata in Verbindung. Gereizt wurde das Halsmark zwischen 3. und 4. oder 4. und 5. Wirbel. Ein Vorder- und ein Hinterbein waren mit dem Schreibzeug verbunden.\nBeobachtung vom 22. Juni.\n1.\tHalsmark gereizt.\nDer Nadelstich bedingt allgemeine Zuckungen.\nDurch Inductionsreiz bei R.-A. 160 bewegen sich nur die Muskeln des\nSchulterblatts.\nbei R.-A. 140 bewegen sich alle Muskeln des K\u00f6rpers, die der Hand schw\u00e4cher als die des Beins.\n2.\tMark im obersten Lendenwirbel gereizt.\nDer Nadelstich bedingt allgemeine Zuckungen.\nDurch Inductionsreiz bei R.-A. 120 bewegen sich nur die Muskeln der\nLendenwirbels\u00e4ule.\nbei R.-A. 110 bewegen sich die Muskeln des R\u00fcckens und der Oberschenkel, bei R.-A. 100 bewegen sich die Muskeln des R\u00fcckens, der Oberschenkel und der Unterschenkel, letztere schwach, der Arm bleibt in Ruhe.\nBeobachtung vom 25. Juni.\nDiu Nadel wird auf der rechten Markh\u00e4lfte 4mal eingestochen, stets allgemeine Bewegung; insbesondere aber eingestochen 0.0mm von der Mitte entfernt, es bewegt sich die Hand schwach, der Fuss kr\u00e4ftig.\n0.5 mm TOn der Mitte entfernt, es bewegt sich die Hand schwach, der Fuss sehr kr\u00e4ftig.\n1.0 mm von (-]er Mitte entfernt, es bewegt sich die Hand stark, der Fuss stark.\n1.5mm TOn dgj. Mitte entfernt, es bewegt sich die Hand stark, der Fuss stark.\nAuf einer weit niederen Stufe der Reizbarkeit findet sich das R\u00fcckenmark, nachdem es an seiner oberen Grenze durchschnitten ist; in dem","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizung de* Kantnchenr\u00fcckenmabkes mit dkk Nadel. 247\ngleichen Zustand verharrt es dauernd bis zum Absterben des Thieres. \u2014 Der vordem so wirksame Nadelstich bringt nun, wohin er auch treffen mag, h\u00f6chstens eine schwache Zuckung in den Muskeln hervor, deren Nerven nahe bei der gereizten Stelle entspringen, je nachdem der Schulter- oder Bauchmuskeln. \u2014 Gleiches gilt f\u00fcr den unipolaren Inductionsstrom. Ein Rollenabstand, der bei unversehrter Verbindung vom Hals- und verl\u00e4ngertem Mark den h\u00f6chsten Erregungsgrad brachte, bleibt wirkungslos. Mit der Verschiebung der Reizschwelle w\u00e4chst auch das Intervall zwischen Minimal- und Maximalreiz. In solchem Zustand eignet sich das R\u00fcckenmark vorzugsweise zur Pr\u00fcfung der Abh\u00e4ngigkeit der Erregung von dem wachsenden Reiz.\nAn so beschaffenen R\u00fcckenmarken habe ich zahlreiche Versuche angestellt; von den gewonnenen Erfahrungen sollen zuerst, die mitgetheilt werden, welche sich auf Beobachtungen im Bereiche des mittleren Halsmarkes beziehen \u2014 zwischen 2. und 3. oder 3. und 4. Halswirbel. \u2014 Da der Stichreiz, wie erw\u00e4hnt, nicht ausreichte, so musste der Inductionsreiz zu H\u00fclfe genommen werden. Nadelstiche wurden in Abst\u00e4nden von 0-5 oder 0 \u2022 4 m>n auf einer Linie senkrecht zur L\u00e4ngsaxe des R\u00fcckenmarks ausgef\u00fchrt. Da die Stichf\u00fchrung verschiedentlich, von aussen, von innen, von der Mitte her begann, und an demselben Mark einige solcher Stichreihen hintereinander gelegt werden konnten, so kann ich voraussetzen, dass alle Orte des Halsmark-Querschnittes mit Einstichen versehen gewesen sind.\nDie Erscheinungen, welche das gereizte R\u00fcckenmark nach seiner Trennung vom Hirn zu Tage f\u00f6rderte, wichen nicht wesentlich von den vor jener Operation vorhandenen ab.\nSo oft von irgend einem Einstich aus eine H\u00e4lfte des Halsmarks unipolar elektrisch gereizt wurde, trat ganz unabh\u00e4ngig von dem Orte des Einstichs ein sehr \u00e4hnliches, um nicht zu sagen gleichartiges Ergebniss hervor. Ladungen von eben wirksamer St\u00e4rke bedingen schwache Bewegungen der Hals- und oberen Schulterblattmuskeln; w\u00e4chst die St\u00e4rke des Reizes weiter und weiter an, so verbreitet sich seine Wirkung fortschreitend \u00fcber die Muskeln des R\u00fcckens, der Arme, des Nackens und endlich auch der Ober- und Unterschenkel; oft beschr\u00e4nkt sich die Bewegung auf die Seite, der auch die gereizte Markh\u00e4lfte angeh\u00f6rt, h\u00e4ufig insbesondere bei st\u00e4rkeren Reizen verbreitet sie sich auch \u00fcber die zweite K\u00f6rperh\u00e4lfte.\nIndem ich nun zur Vorlegung einiger Bl\u00e4tter aus meinem Tagebuche \u00e4chreite, muss ich nochmals bemerken, dass f\u00fcr die weitaus gr\u00f6sste Zahl der Muskeln die Bewegung mit dem Augenmaass bestimmt werden musste, ob und wie weit sie sich zusammengezogen hatten. In so fern es sich um eine sichere Antwort auf die belangreiche Frage handelt, wann sich die Wirkung des Reizes in einer oder in beiden K\u00f6rperseiten \u00e4ussert, kommen","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nDf, Do kok :\ndeshalb nur die Muskeln in Betracht, welche ihre Verk\u00fcrzungen aufzeich-neten. Auf die Mittheilung der von ihnen stammenden Nachrichten werde ich mich darum beschr\u00e4nken.\nVersuch am 17. April 1888. Reizung im Bereich des dritten Halswirbels, drei Stichreihen unteinander. Bei Rollenabstand 125 erreicht die Induction eine St\u00e4rke, bei welcher die unteren Gliedmaassen schwach, bei 115 eine solche, bei welcher sie stark zucken. Von 42 Reizen, welche auf die Unterschenkel wirken, bedingteu 42 die Zuckung des mit der gereizten Markh\u00e4lfte gleichseitigen M. tibialis und 16 Reize die des anderseitigen Tibialis. \u2014 Die bei 125 Rollenabstand ausgegebenen Reize riefen nur den gleichseitigen, die von Rollenabstand 120 an aber zugleich den anderseitigen Muskel auf, auch dann, wenn die Nadel m\u00f6glichst nahe dem Aussenrand des Seitenstranges stand: ebenfalls blieb das Ergebniss unver\u00e4ndert, wenn mit der Reizung der Markh\u00e4lfte gewechselt wurde.\nVersuch am 28. April 1888. Reizung im vierten Halswirbel. W\u00e4hrend der Reizung der rechten Markh\u00e4lfte am \u00e4usseren Rand zuckte unter 11 auf die Unterschenkel wirksamen Reizen der anderseitige, der linke, 11 Mal, der gleichseitige rechte 7 Mal. Die Schwelle f\u00fcr den linken Tibialis liegt bei Rollenabstand 125, f\u00fcr den rechten Tibialis bei Rollenabstand 120. Als der gleichseitige bei Rollenabstand 120 mit schwachen Zuckungen antwortete, zog sich der anderseitige sehr kr\u00e4ftig zusammen.\nDie linke Markh\u00e4lfte erwies sich weniger reizbar. Bei Rollenabstand 120 zuckte der linke Tibialis, erst bei Rollenabstand 95 beide.\nVersuch vom 2. Mai 1888. Reizung zwischen 5 u. 6 Halswirbel. Rechterseits wurde, als w\u00e4hrend 16 Reizen die Unterschenkel bewegt wurden, jedes Mal der gleichseitige und nur zwei Mal der ungleichseitige Tibialis verk\u00fcrzt; die Zuckung des ungleichseitigen Muskels war schw\u00e4cher als die des gleichseitigen. Als von der linken Markh\u00e4lfte aus 19 Mal die Unterschenkel erregt wurden, zuckte 15 Mal der anderseitige und nur 11 Mal der gleichseitige. Der anderseitige Muskel bewegte sich 8 Mal allein, der gleichseitige nur 2 Mal, ohne dass sich zugleich der rechte Tibialis verk\u00fcrzt h\u00e4tte.\nVon allen Stichkan\u00e4len aus, welche senkrecht zur L\u00e4ngsachse des R\u00fcckenmarkes angelegt sind, liessen sich allerdings in der angegebenen Reihenfolge die Muskeln der verschiedenen Skelettheile durch die allm\u00e4hliche Steigerung der Induction bewegen, doch nicht von allen Orten aus mit gleicher Leichtigkeit. Der Rollenabstand, bei welchem die Schwelle des Reizes \u00fcberschritten wurde, blieb selten in zwei um 0-5mm voneinander abstehenden Stichen der gleiche, bald waren die der Mitte n\u00e4heren, bald die von ihr entfernteren die reizbaren. H\u00e4ufig, doch keineswegs immer,","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Die Rkizun<\u00ee des Ivaninch enb\u00fcokenmabkes mit der Nadel, 249\ngelang es, von dem \u00e4ussersten Rande des Seitenstranges aus die Muskeln des Pusses durch schw\u00e4chere Str\u00f6me zu erregen, als von anderen der Mittellinie n\u00e4her gelegenen Einstichen.\nVon der Mittelfurche aus, wenn die Nadel durch die Commissuren gedrungen war, traten h\u00e4utiger, als von anderswoher, Zuckungen in den Pussmuskeln beider Seiten auf, und wenn der eine M. tibialis sich bewegte, so bedurfte es nur geringer Verst\u00e4rkung des Reizes, um auch den anderen zu erregen. Da jedoch der Verdacht bestehen bleibt, dass die Reizung sich stets auf die beiden Markh\u00e4lften erstreckt habe, glaubte ich, die an der Mittellinie erzielten Ergebnisse nicht mit den von nur einer Markh\u00e4lfte erlangten in gleiche Linie stellen zu d\u00fcrfen. Abgesehen von den eben erw\u00e4hnten verhielten sich jedoch die Folgen der Commissurenreizung \u00e4hnlich den aus dem Seitenstrang erlangten.\nEine beachtenswerte Eigent\u00fcmlichkeit des R\u00fcckenmarkes, insbesondere des vom Gehirn getrennten, dr\u00fcckt sich in seiner Erm\u00fcdbarkeit aus. Sehr selten gelingt es von einem Stichkanal aus, die durch einen ersten Reiz hervorgebrachte Wirkung durch einen zweiten gleich starken abermals zu erzeugen. Um von demselben Ort aus wirksam zu werden, muss der Reiz st\u00e4rker geworden sein. Damit man den gesammten Umfang der Wirkungen, welche von einem Stiche aus zu erhalten sind, ausnutzen k\u00f6nne, wrird man die Reizung stets mit den schw\u00e4cheren, eben wirksamen Inductionsstr\u00f6men beginnen m\u00fcssen. \u2014\nF\u00fcr das Versagen\tdes\tgleich starken Reizes bei\tseiner Wiederholung\nan\tdemselben Ort darf\tnur\tdie Erm\u00fcdung der in der\tunmittelbaren N\u00e4he\ndes Poles gelegene Markmasse verantwortlich gemacht werden, weil von einem zweiten, nahe beim ersten gef\u00fchrten Einstich aus, der eben unwirksam gewesene Reiz sich wiederum als ein erregender erweist.\nEine kleine Reihe\tvon\tVersuchen, in welchen die\tErfolge der Reizung\ndes\tHalsmarkes mit denen\tdes oberen Lendenmarkes\tverglichen wurden,\nergaben ein in allen wesentlichen Punkten \u00fcbereinstimmendes Verhalten. So lange das R\u00fcckenmark mit dem Hirn verbunden war, bedingte der Nadelstich in das von der Dura befreite Mark Bewegungen in allen K\u00f6rperst\u00fccken, und als nach der Abtrennung des R\u00fcckenmarkes vom Hirn der Inductionsreiz angewendet wurde, da zeigte es sich, dass mit dem Wachsthum seiner St\u00e4rke auch die Erregung allm\u00e4hlich von oben nach unten fortschritt. Auf den schw\u00e4chsten Reiz zuckten die oberen Abschnitte der Bauchmuskeln, auf den st\u00e4rkeren schliesslich die Muskeln der Unterschenkel. Der Rollenabstand, bei welchem vom Lendenmark die Mm. tibiales zum Zucken gebracht wurden, bewegte sich in denselben Grenzen, die ihm f\u00fcr die gleiche Leistung vom Halsmark aus gesteckt waren, keinenfalls war es","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nDe Boeck:\nm\u00f6glich, mit einem Reiz von geringerer St\u00e4rke, als er vom Halsmarke aus n\u00f6thig gewesen, die Fussmuskeln vom Lendenmark aus zu bewegen.\nDurch einen Inductionsstrom, dessen St\u00e4rke gen\u00fcgt h\u00e4tte, um die Fussmuskeln vom oberen Ende des Lendenmarkes aus zu erregen, wurden Brust und Arm noch nicht in Bewegung gesetzt. Erst Str\u00f6men von merklich gr\u00f6sserer St\u00e4rke gelang es, auch die letztgenannten K\u00f6rpertheile in den Kreis der Erregung zu ziehen.\nIn Anbetracht einer gemeinhin g\u00fcltigen Annahme, wonach die Fasern des R\u00fcckenmarks ganz bestimmte Orte des Hirns und der Musculatur in Verbindung setzen, lautet die Auskunft befremdlich, welche die Versuche gegeben haben. \u2014 Heber die Anordnung der genannten Verbindungsbahnen in den Markstr\u00e4ngen bestehen verschiedene Ansichten. Entweder die zu gr\u00f6sseren K\u00f6rperabschnitten, z. B. dem Ober- oder Vorderarm u. s. w. geh\u00f6rigen Fasermassen sind schon zu B\u00fcndeln zusammengelegt, es ist gleichsam die periphere Scheidung schon im R\u00fcckenmark vorgebildet. Oder es sind die den verschiedenartigsten Muskeln zugeh\u00f6rigen Fasern in einem innigen Gemenge vorhanden, so dass auf jedem Ort eines querdurchschnittenen Markstrangs die ihrer Function nach ungleichartigsten Fasern bei einander liegen, also auch, dass die Fasern f\u00fcr jeden einzelnen Muskel an den verschiedenen Orten des quergesclmittenen Markstrangs zu finden sind.\nDass mit einem Bau der Markstr\u00e4nge aus B\u00fcndeln \u00e4hnlich functio-nirender Fasern die Ergebnisse der Stichreizung unvereinbar seien, ist selbstverst\u00e4ndlich, weil unter dieser Voraussetzung mit einem Wechsel des Ortes, an welchem der Querschnitt des Halsmarkes gereizt wird, sich auch Zahl und Namen der bewegten Muskeln \u00e4ndern muss. \u2014 Ohne Weiteres ist jedoch auch das Ergebuiss meiner Versuche nicht ableitbar, wenn auf jedem kleinsten Raume des Markschnittes die Vertreter aller m\u00f6glichen Muskeln liegen. Aus einer solchen Anordnung w\u00fcrde sich ergeben, dass jeder wirksame Reiz unabh\u00e4ngig von seiner St\u00e4rke und dem Ort seines Eintreffens von qualitativ gleichem Erfolge begleitet sein m\u00fcsste. Nun konnten allerdings auf jedem Orte des Markschnittes von der Nadel aus dieselben Wirkungen erzielt werden, aber mit den Steigerungen des Reizes fielen sie doch sehr verschieden aus. Darum w\u00e4re, wenn man die Folgen der Stichreizung als einen Beweis f\u00fcr die gleichm\u00e4ssige Mengung der motorischen Fasern in den Markstr\u00e4ngen ansehen wollte, der anatomischen Hypothese noch die physiologische beizugesellen, dass die Reizbarkeit der auf demselben Querschnitt des Marks gelegenen Fasern eigenth\u00fcmlich abgestuft sei. Mehr als alle andern m\u00fcssten die erregbar sein, deren Austritt aus dem Mark zun\u00e4chst erfolgt.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizung des Kantnchenb\u00fcckenmarkes mit df,e Nadel. 251\nAnstatt dass man, wie es eben geschah, die Wirkungen des Stiches von einer unmittelbaren Reizung motorischer Fasern ableitet, kann man die Bewegungen auch als reflectorische ansehen. Mit dieser Unterstellung f\u00e4llt eine Schwierigkeit von selbst weg, die andernfalls schwer zu beseitigen sein w\u00fcrde. Sehr verschieden an Reizbarkeit war das R\u00fcckenmark vor und nach seiner Abtrennung vom Hirn, ein Verhalten, wof\u00fcr im Bereich der rein motorischen Bahnen kein Analogon vorliegt, wohl aber im reflecto-rischen Gebiet. Nach der Zerschneidung dor Vierh\u00fcgel rufen auch leichte Reizungen eines jeden sensibeln Nerven lebhafte, allgemein verbreitete Reflexbewegungen hervor, w\u00e4hrend nach Durchtrennung des Halsmarkes an seiner obersten Grenze schw\u00e4chere Reizungen der Haut Bewegungen in benachbarten Muskeln bedingen.\nZudem kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Bewegungen der vorderen Gliedmaassen reflectirte sind, welche ein Nadelstich in das Lendenmark hervorruft, das noch in Verbindung mit dem verl\u00e4ngerten Marke steht. Und wenn der Einstich unter diesen Umst\u00e4nden durch Vermittelung der Sensibilit\u00e4t Bewegung ausl\u00f6st, so ist nicht einzusehen, warum ihm das gleiche versagt bliebe, nachdem dem R\u00fcckenmark an einer vom gereizten Orte weit entlegenen Stelle unter dem Calamus eine Verletzung zugef\u00fcgt worden ist.\nUnter Ber\u00fccksichtigung der Thatsache, dass alle in gleicher Horizontal-ebene ausgef\u00fchrten Stiche gleichartige Erfolge bedingen, wird die Annahme, dass die durch den Einstich hervorgerufene Bewegung eine reflectirte sei, erst dann haltbar, wenn noch eine weitere Voraussetzung zurecht besteht. Noch wird verlangt, dass jeder Abschnitt des von seiner Dura befreiten R\u00fcckenmarkes \u00fcberall auf seinem Querdurchmesser von empfindlichen Fasern durchsetzt sei, welche alle andern an Reizbarkeit \u00fcbertreffen und im gereizten Zustand Reflexe von einer Form und St\u00e4rke ausl\u00f6sen, wie die Nerven, welche auf der gleichen H\u00f6he vom R\u00fcckenmark entspringen.\nAn einer inneren Un Wahrscheinlichkeit leidet die Voraussetzung nicht. Denn dass ein Reiz, der die dem Halsmark selbst angeh\u00f6rigen sensibeln Nerven trifft, \u00e4hnliche Bewegungen veranlasst, wie ein von der Haut des Halses her wirkender, kann bei der N\u00e4he der gereizten Stellen nicht anders erwartet werden, weil die Reflexbewegungen als abwehrende auftreten, die sich auf den angegriffenen Ort beziehen.\nEine andere Deutung fordern und vertragen die Bewegungen, welche durch st\u00e4rkere und wiederholte Inductionsreizung hervorgerufen sind. So oft die mit Schreibstiften versehenen Muskeln von dem elektrischen Strom erregt wurden, geriethen sie in einen Tetanus, wie er sich auch nach der unmittelbaren Reizung einer motorischen Bahn ausbilden w\u00fcrde. Wenn aber der Tetanus nicht vermittelst eines Reflexes, wenn er einer unmittel-","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252 Dt, Boeck: Dte Reizung des Kaninchenk\u00fcckenmabkes u. s. w.\nDar erregten motorischen Bahn seinen Ursprung verdankt, so muss die letztere im R\u00fcckenmark selbst liegen. Hierf\u00fcr liefert das regelm\u00e4ssige Vorkommen den Beweis, dass der Tetanus eine Minute und l\u00e4nger dies Bestehen der Reizung \u00fcberdauert. \u2014 Auch weisen die Unebenheiten der niedergeschriebenen Curve auf einen Wechsel in dem Umfang der Zusammenziehung hin; oh derselbe ebenfalls auf Eigent\u00fcmlichkeiten des R\u00fcckenmarks oder auf Ungleichheiten der Reizst\u00e4rke beruht, muss jedoch unentschieden bleiben.\nDamit schliesse ich den kurzen Bericht \u00fcber eine Untersuchung, die mich w\u00e4hrend eines Jahres besch\u00e4ftigt hat; ein nicht unbedeutender Theil dieser Zeit ist der Verbesserung der Methoden gewidmet gewesen, ohne dass die angestrebte Vollkommenheit erreicht worden w\u00e4re. Darum kann ich nur w\u00fcnschen, es m\u00f6chte von Neuem mit noch weiter vervollkommneten H\u00fclfs-mitteln die Nadelreizung des R\u00fcckenmarks aufgenommen werden.","page":252},{"file":"z0001tableVII.txt","language":"de","ocr_de":"f 'Iracheiilr'\u00f6liPe cl Maulkorb o HaZsrijine w Wirbelklen i n l en k k Kn ich!emmen\nArchiv \u00a3Anatu.Thys.1889.Phys.AWilg.\tTaf.VH.","page":0}],"identifier":"lit1512","issued":"1889","language":"de","pages":"238-252","startpages":"238","title":"Die Reizung des Kaninchenr\u00fcckenmarkes mit der Nadel","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:21:15.166351+00:00"}